Alle Beiträge von Maren Strauss

Baldacci, David – Im Takt des Todes

Sean King und Michelle Maxwell sind das erfolgreiche Ermittlerpaar aus den Romanen des amerikanischen Bestsellerautors David Baldacci. In „Im Takt des Todes“ scheint es, als ob sich ihre Wege trennen würden. Während Michelle sich aufgrund ihrer psychischen Probleme von Seans Freund, dem Psychiater Horatio Barnes, behandeln lässt, begibt sich Sean nach Babbage Town, um einen Mord aufzuklären. Selbstverständlich bleibt es nicht bei der Trennung, denn was wäre ein Baldacci-Thriller ohne die Zusammenarbeit der beiden?

Babbage Town ist eine Art Wissenschaftsstadt, in der die schlausten Köpfe Amerikas leben und forschen. Das ist natürlich alles streng geheim und wird entsprechend bewacht, denn nach Angaben von Champ Pollion, dem Chef der Stadt, arbeitet man an Erfindungen, welche die Welt revolutionieren könnten. Ob der Tod des Wissenschaftlers Monk Turing damit zusammenhängt? Dummerweise ist die einzige Zeugin des Mordfalls, Monks Tochter Viggie, autistisch. Das Einzige, was man aus ihr herausbekommt, sind das immer gleiche Klavierstück, das sie bei Erwähnung ihres Vaters spielt, sowie der Satz „Codes und Blut“.

Sean steht vor einem Rätsel und wird außerdem von allen Seiten bei seinen Ermittlungen behindert. Sowohl FBI als auch CIA haben sich in den Fall eingemischt; Letztere vor allem deshalb, da Monk auf dem Gelände von Camp Peary, einer Art Ausbildungslager der CIA, umkam. Schließlich verstirbt auch noch Len Rivest, der Sicherheitschef von Babbage Town, der Sean ein paar Hinweise geben wollte. Zum Glück taucht da plötzlich Michelle auf, die sich ganz frech selbst aus ihrer Therapie entlassen hat. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach dem Mörder und stoßen auf illegale Machenschaften der CIA, die sich das natürlich nur ungern gefallen lässt …

CIA, FBI, eine geheimnisvolle Stadt voller Wissenschaftler – Baldacci hat die Grundsteine für eine spannende Geschichte bereits mit der Auswahl des Schauplatzes und der beteiligten Parteien gelegt. Tatsächlich ist „Im Takt des Todes“ alles andere als langweilig. Selbst der Anfang, in dem es hauptsächlich um Michelle und ihre Probleme geht, ist mitreißend geschrieben und besitzt Relevanz für den weiteren Verlauf des Buches. Dagegen ist die eigentliche Frage nach dem Mörder der beiden Männer beinahe unwichtig. Viel spannender ist es, den Querelen zwischen den Hauptfiguren mit CIA und FBI zu folgen. Gerade der Geheimdienst sorgt mit dem mysteriösen Camp Peary für Spannung. Doch dabei bleibt auch das Wissen nicht auf der Strecke. Baldacci hat gut recherchiert und gibt seine Erkenntnisse über das Chiffrieren von Codes und die Quantenphysik an den Leser weiter. Dass es diesem schwer fällt, dies zu begreifen, liegt vermutlich mehr am Thema als am Autor, denn bis kurz vor Schluss macht David Baldacci alles richtig. Nur das Ende wirkt ein wenig zu actionreich und verworren, um noch Spaß zu machen.

Was in der Geschichten ansonsten positiv auffällt, sind vor allem die tiefgründigen Charaktere. Wer noch nie etwas von diesem Autor gelesen hat, wird überrascht sein. Michelle wird als Ermittlerin angekündigt und gibt ihren Einstieg als prügelnde, leicht reizbare Amazone. Das möchte nicht so wirklich zu dem Bild passen, das man erstens von einer Frau und zweitens von einer ermittelnden Person hat. Doch Michelle Maxwell ist mehr als das. In diesem Buch werden Teile ihrer Familiengeschichte aufgearbeitet, was sie zu einem unglaublich spannenden und interessanten Charakter werden lässt. Da bleibt Sean beinahe ein wenig blass, doch auch er wird gut dargestellt. Ein Höhepunkt ist außerdem der Psychiater Horatio Barnes, dessen Arbeitsmethoden etwas unkonventionell anmuten. Er selbst fällt auch ein bisschen aus dem Rahmen. Er fährt eine Harley, trägt lange Haare und zeigt einen netten Humor.

Voller Witz ist auch Baldaccis Schreibstil. Er legt ein zügiges Erzähltempo vor und lässt immer wieder amüsante Wortgeplänkel einfließen. Stellenweise erinnert „Im Takt des Todes“ mehr an einen coolen amerikanischen Actionthriller, und trotzdem kommt der Tiefgang nicht zu kurz.

Alles in allem ist „Im Takt des Todes“ ein flotter Thriller, dem am Ende ein bisschen die Glaubwürdigkeit abgeht. Dank der tiefgründigen Charaktere und des flotten Schreibstils ist das Buch allerdings trotzdem eine Empfehlung wert.

|Originaltitel: Simple Genius
Aus dem amerikanischen Englisch von Rainer Schumacher
ISBN-13: 978-3-404-15968-0
539 Seiten, Taschenbuch|
http://www.luebbe.de
http://www.davidbaldacci.com

_David Baldacci auf |Buchwurm.info|:_

[„Mit jedem Schlag der Stunde“ 2400
[„Im Bruchteil der Sekunde“ 836
[„Das Geschenk“ 815
[„Der Abgrund“ 414
[„Die Verschwörung“ 396
[„Das Versprechen“ 361
[„Die Versuchung“ 676
[„Die Wächter“ 4513

David Lawrence – Tödliches Dunkel

David Lawrence ist das Pseudonym eines bekannten britischen Drehbuchautors, unter dem er bereits drei Thriller mit Detective Stella Mooney veröffentlicht hat. „Tödliches Dunkel“ ist nun der vierte Fall der innerlich zerrissenen Hauptfigur und nimmt sie mit auf eine Reise, die zurück in ihre eigene Kindheit führt …

In einem Baum aufgeknüpft findet die Polizei die Leiche einer jungen Frau, der „Schmutziges Mädchen“ auf die Schulter geschrieben wurde. Stella und ihre Kollegen stehen vor einem doppelten Rätsel. Es gibt weder verwertbare Spuren zum Täter noch ist bekannt, wer das Mädchen ist. Niemand scheint es zu vermissen. Wenig später finden sie einen ersten Hinweis. Möglicherweise handelt es sich um eine Siebzehnjährige aus Harefield, der Armensiedlung, in der Stella aufgewachsen ist. Dorthin zurückzukehren, fällt ihr sehr schwer, und zu allem Überfluss begegnet sie ihrer Mutter, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt hat.

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Farrow, John – Eishauch

Wenn man Michael Moore – dem Regisseur der Erfolgsfilme „Bowling for Columbine“ und „Fahrenheit 9/11“ – Glauben schenken darf, ist Kanada das Land der offenen Haustüren. Nimmt man John Farrows Thriller „Eishauch“ zur Hand, überkommt einen das Gefühl, dass es vielleicht doch besser wäre, nichts unverschlossen zu lassen. Das Montréal, in dem der akribische, einzelgängerische Detective Emile Cinq-Mars Dienst schiebt, ist nämlich alles andere als eine Großstadt der dörflichen Gelassenheit …

Emile Cinq-Mars ist eine Legende bei der Polizei. Seine Arbeit ist immer wieder von unglaublichen Erfolgen gekrönt, was vor allem damit zusammenhängt, dass er seine Informanten an den richtigen Stellen zu sitzen hat. Einer dieser Informanten, ein junger Student, wird in der Weihnachtszeit ermordet aufgefunden. Er hängt an einem Fleischerhaken in seinem Kleiderschrank, verkleidet als Weihnachtsmann. Emile ist schockiert und setzt sich zum Ziel, den Mörder von Hagop Artinian zu stellen.

Zur gleichen Zeit eskaliert der Bandenkrieg in Montréal direkt vor den Augen der Wolverines, der Eliteeinheit, die für den Kampf gegen Hells Angels und deren Widersacher, der Rock Machine, zuständig ist. Es stellt sich heraus, dass es sich nicht mehr nur um bloße Rivalität unter zwei verfeindeten Motorradgangs handelt. Eine dritte Instanz hat sich eingeschaltet, die man ehrfürchtig den Zaren nennt.

Wer sich dahinter verbirgt und was er bezwecken will, indem er mit den Hells Angels gemeinsame Sache macht, ist den Polizisten allerdings nicht klar. Sie bitten Emile um Hilfe, doch der arbeitet lieber alleine als in einer Truppe Elitepolizisten. Dann allerdings muss er feststellen, dass der Mord an Hagop Artinian mit den Vorkommnissen in der Stadt eng verbunden ist – und dass noch ganz andere Mächte darin verwickelt sind …

John Farrow ist das Pseudonym des kanadischen Schriftstellers Trevor Ferguson und „Eishauch“ dessen erster Krimi. Man merkt dem Buch an, dass sein Urheber aus dem Romanmetier kommt. Farrow führt mehrere Handlungsstränge ein, von denen einige das ganze Buch durchziehen und andere nur dazu dienen, um einen relevanten Sachverhalt interessant und spannend darzustellen. Diese Vielfalt, die noch dazu in sehr anschauliche Worte gefasst wurde, sorgt unter anderem dafür, dass es dem Leser nicht langweilig wird und er die Handlung von allen Seiten beleuchtet sieht.

Das Ambiente ist düster, genährt von der Rivalität zwischen den beiden Motorradgangs, korrupten Beamten und der Unsicherheit, ob einer der liebgewonnenen Charaktere nicht vielleicht das nächste Bombenopfer ist. Die Geschichte selbst hat durchaus ihre spannenden Momente, krankt aber an der Kauzigkeit des Ermittlers. Emile Cinq-Mars‘ Gedankengänge sind teilweise so verschlungen und sprunghaft, dass sein neuer Kollege Bill Mathers nicht der Einzige ist, dem es manchmal an Überblick fehlt.

Auf der anderen Seite ist Emile Cinq-Mars aber auch der Grund, warum man den Krimi nicht zuklappen kann. Emile ist schrullig, aber gerade das macht ihn liebenswert. Er hat seine eigenen Ansichten und einen sehr speziellen Humor. Die Dialoge zwischen ihm und seinen Gegenübern sind wortgewandt und wunderbar amüsant. Sein Privatleben stellt einen ziemlich krassen Gegensatz zu seinem Arbeitsleben dar. Das macht ihn zusätzlich interessant.

Ähnlich ist es mit den anderen Figuren. Sie sind lebendig, kantig, zumeist etwas düster, aber jedes Mal bewundernswert ausgearbeitet. Farrow scheint es wichtig zu sein, keine flachen Krimicharaktere zu schaffen, sondern solche, die mehrdimensional, schillernd und manchmal fast schon belletristisch sind. Das ist kein großes Kunststück, wenn er unter seinem richtigen Namen bereits sieben Romane veröffentlicht hat. Da wundert es auch nicht, dass sein Schreibstil ebenfalls sehr belletristisch anmutet, und das ist gut so. Denn erzählen kann Farrow. Er weiß, wie er intelligent und präzise seine Wörter setzt und diese mit einem Schuss Humor und Großstadtfeeling kombiniert. Es scheint ihm augenscheinlich Spaß zu machen, in den Dreckgruben der Kriminalität zu wühlen, und es bleibt zu hoffen, dass dies nicht der erste und letzte Krimi mit Emile Cinq-Mars war.

„Eishauch“ ist aufgrund von Schwächen in der Handlung noch nicht der große Wurf, aber letztendlich ist die Geschichte jener Teil des Buches, der mit der Zeit am unwichtigsten wird. Vielmehr sind es die tollen, düsteren Charaktere und der erfrischend humorvolle Schreibstil, die zum Lesen anregen.

|Originaltitel: City of Ice
Aus dem Englischen von Friederike Levin
ISBN-13: 978-3-426-63514-8
588 Seiten, Taschenbuch|
http://www.knaur.de

Alvtegen, Karin – Schatten

Karin Alvtegen gehört mittlerweile zu den großen Namen der skandinavischen Kriminalliteratur. Wen wundert das? Sie ist immerhin die Großnichte von Astrid Lindgren – literarisches Talent scheint vererbbar zu sein. „Schatten“ ist ihr bislang fünfter auf Deutsch erschienener Roman.

Marianne Folkesson ist städtische Nachlassverwalterin und kümmert sich um die Angelegenheiten der verstorbenen Gerda Persson. Die Frau war Haushälterin bei dem bekannten schwedischen Schriftsteller Axel Ragnerfeldt gewesen. Marianne setzt sich mit der Familie Ragnerfeldt in Verbindung, um ein Foto von Gerda für die Beerdigung zu organisieren. Doch Vater Axel lebt nach einem Hirnschlag in einem Pflegeheim, Mutter Alice hat genug mit ihren eigenen eingebildeten Leiden zu kämpfen und Sohn Jan-Erik muss feststellen, dass seine Ehe kurz vor dem Zerbrechen steht.

Jan-Erik kehrt in das verlassene Elternhaus zurück, um nach einem Bild zu suchen. Dabei betritt er das Arbeitszimmer seines Vaters, das ihm sonst immer verschlossen war. Während er die Papiere von Axel durchwühlt, findet er einige Dokumente, die sein gesamtes Leben infrage stellen. Während eines Amerikaaufenthalts in seiner Jugend ist seine Schwester Annika umgekommen – angeblich bei einem Verkehrsunfall. Doch nun findet er Hinweise, dass Annika sich selbst umgebracht hat, erhängt im Arbeitszimmer des Vaters. Wütend stellt er seine Mutter zur Rede, doch die möchte mit dem wahren Grund für Annikas Tod nicht herausrücken.

Zur gleichen Zeit versucht Kristoffer Sandeblom ein Drehbuch für ein Theaterstück zu schreiben. Als er erfährt, dass er der alleinige Begünstigte in Gerdas Testament ist, bringt ihn das zum Stutzen. Er kannte die tote Frau nicht, doch er hat ein großes Geheimnis. Er ist ein Findelkind und wurde als Kleinkind ausgesetzt. Das macht ihm noch heute zu schaffen, und er hofft, dass Gerda Persson ein erster Hinweis auf seine tatsächliche Herkunft ist. Er beginnt zugleich mit Jan-Erik, in der Vergangenheit zu wühlen, wobei beide einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur kommen …

Karin Alvtegens Thriller kommt ganz ohne Mitglieder der exekutiven Staatsgewalt aus. Im Mittelpunkt stehen keine Ermittler, sondern ganz normale Menschen, und es geht auch weniger um Mord und Totschlag als vielmehr um die zerstörerische Kraft von Geheimnissen und Stillschweigen. Nicht umsonst denken sowohl Alice als auch Jan-Erik bitter an die Ragnerfeldtsche Maxime, dass man sich eben nicht scheiden lässt. Alvtegen benutzt mehrere Erzählstränge aus Vergangenheit und Gegenwart, die gegen Ende spitz aufeinander zulaufen. Sie stellt die Ereignisse und die damit verbundenen Gefühle und Gedanken der einzelnen Personen sehr anschaulich dar und weiß sich in die jeweilige Figur gut hineinzuversetzen. „Schatten“ ist eher ein ruhiger Krimi, der seine Spannung aus dem allmählichen Aufdecken der Einzelheiten der damaligen Tat und der damit verbundenen Konsequenzen bezieht. Gegen Ende wird das Buch ein wenig vorhersehbar, aber bis dahin gibt es durchaus fesselnde Momente. Gerade die Verbindung zu Kristoffer bleibt lange im Verborgenen.

Die Personen stehen in dieser Geschichte im Mittelpunkt und sind dementsprechend ausgearbeitet. Obwohl sie doch recht alltäglich sind, lassen sie sich gut voneinander unterscheiden. Ihre Persönlichkeiten und Beziehungen untereinander werden ausführlich dargestellt. Alvtegen hat keine Angst davor, Zeilen für nicht handlungsrelevante Fakten zu benutzen, um dadurch ihre Charaktere zu intensivieren. Auch wenn diese leicht zu differenzieren sind, haben sie eines gemeinsam: Sie sind nicht perfekt, innerlich zerrissen und haben jeder an einer persönlichen Tragödie zu knabbern. Das sorgt dafür, dass die Geschichte sehr bedrückend wirkt, beinahe schon deprimierend, da sie dem Leser vor Augen führt, dass die Art und Weise, wie sich ein Mensch gibt, nicht immer damit übereinstimmt, was in ihm vorgeht. Alvtegen erlaubt dank ihrer detaillierten, nüchternen Schreibweise einen Blick hinter die Kulissen und regt zum Nachdenken an. Sie drückt dem Leser dabei keine vorgefertigte Meinung auf, sondern überlässt ihm oder ihr selbst, was sie von den Personen und ihren Handlungen moralisch hält.

„Schatten“ ist ein unglaublich dichter, wenn auch nur stellenweise fesselnder Roman, der ein einschneidendes Erlebnis der Familie Ragnerfeldt mit all seinen Folgen und Nachwirkungen erzählt. Der Autorin gelingt es dabei, auch ohne Blutvergießen Spannung zu erzeugen und einen literarisch sehr anspruchsvollen Roman abzuliefern.

|Originaltitel: Skugga
Aus dem Schwedischen von Dagmar Lendt
ISBN-13: 978-3-426-50126-9
394 Seiten|
http://www.knaur.de
http://www.karinalvtegen.com

_Mehr von Karin Alvtegen auf |Buchwurm.info|:_
[„Der Seitensprung“ 3691
[„Die Flüchtige“ 3812

Barton, Beverly – Killing Beauties

Es gibt herausragende, schlechte und durchschnittliche Krimis. Durchschnittliche Krimis zeichnen sich zumeist dadurch aus, dass sie in sich schlüssig und nett lesbar sind, ansonsten aber nur wenig zu bieten haben. Ihre Zutaten sind wohlbekannt, Mut zur Innovation ist selten. „Killing Beauties“ der amerikanischen Autorin Beverly Barton fällt in genau dieses Schema.

Im Mittelpunkt steht ein Serienmörder, der seit Jahren sein Unwesen im Süden der USA treibt. Er hat es auf ehemalige Schönheitsköniginnen abgesehen. Eines seiner ersten Opfer war Jennifer Walker, die Ehefrau des gut betuchten Anwalts Judd Walker. Judd hat ihren Tod nicht besonders gut verarbeitet und beauftragt die private Ermittleragentur seines Freundes Griff Powell mit dem Fall.

Griff und seine Leute kümmern sich nun schon seit viereinhalb Jahren darum, die Morde nachzuverfolgen. Immer wieder geschehen neue Bluttaten, bei denen den Opfern Gliedmaßen abgehackt werden. Genau wie das ebenfalls involvierte FBI haben sie kaum Ergebnisse aufzuweisen. Der Täter geht sehr geschickt vor. Es gibt keine Zeugen, keine Spuren, doch als er die rothaarige Gale Ann Cain töten will, unterläuft ihm ein Fehler. Gale Ann überlebt, und zusätzlich wird er von ihrer Schwester beim Verlassen ihrer Wohnung beobachtet. Sein neuestes Opfer bleibt lange genug bei Besinnung, um den Ermittlern mitzuteilen, dass der Mörder ein Spiel spielt. Je nach Haarfarbe ist eine Tote eine bestimmte Punktzahl wert.

Zur gleichen Zeit treffen Judd Walker und Lindsay McAllister, eine von Powells Agentinnen, erneut zusammen. Sie haben eine bittere Affäre hinter sich, die alleine schon deshalb nicht gut enden konnte, weil Judd sich nach Jennifers Ermordung in seiner Trauer völlig zurückzog, mit dem Trinken begann und ein anderer Mensch wurde. Lindsay liebt ihn jedoch immer noch, und während sie gemeinsam zum Tatort des neusten Mords fahren, kommen die beiden sich wieder näher – mit verhängnisvollen Folgen. Um Judd bei seiner Rückkehr ins Leben zu helfen, beschließt Lindsay, den Täter zu fassen, indem sie ihm eine Falle stellt …

Beverly Bartons Buch liest sich wie das einer Autorin, die Thriller in Serie produziert. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, führt aber häufig zu einer gewissen Routine, die den Leser langweilt. In „Killing Beauties“ ist das ähnlich. Die Handlung ist spannend, obwohl der Täter von Anfang an bekannt ist, und überzeugt durch den Wechsel verschiedener Perspektiven. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Wettlauf zwischen Polizei und Täter, der in einem hektischen Showdown endet. In einer Nebenhandlung wird das komplizierte Verhältnis zwischen Lindsay und Judd beleuchtet. Allzu oft versinkt die Autorin dabei in kitschiger Romantik und dem Versprechen von ewiger Liebe. Das lenkt unangenehm von der eigentlichen Handlung ab, auch wenn die Beziehung sicherlich ihre Berechtigung hat und zur Story dazugehört.

Gerade Lindsay und Judd können sich als Charaktere nicht aus dieser Romantikfalle befreien, obwohl vor allem Judd bei genauerem Hinsehen eine gut ausgearbeitete, intensive Figur ist. Der Schmerz aufgrund des Verlusts seiner Frau wirkt echt und regt zum Nachdenken an. Barton überzeugt, wenn sie seine Gefühle in Worte packt und in die Düsternis seiner Seele hinabführt. Lindsay wirkt hingegen stellenweise wie ein verschüchtertes, unterwürfiges Fräulein. Ihre masochistische Ader ist zu viel des Guten und sorgt eher für Antipathien als für Mitgefühl. Die anderen Charaktere haben hingegen nur kurze Auftritte, was im Fall von Griffin Powell durch ein „leider“ ergänzt werden muss. Es schimmert immer wieder durch, dass Lindsays Chef eine bewegte, nicht ganz saubere Vergangenheit hat. Es wäre spannend gewesen, mehr darüber zu erfahren, doch an dieser Stelle hält die Autorin den Leser kurz.

Krimis in Routine zu produzieren, setzt voraus, dass man sie schreiben kann, denn sonst würden sie kaum verlegt werden. Beverly Barton hat über 50 Bestsellerromane auf ihrer Liste, was ihren sicheren und versierten Schreibstil erklärt. Sie bedient sich eines gehobenen, großen Wortschatzes, bleibt aber nüchtern in der Erzählung. Sie bringt die Gefühle ihrer Personen mit ein, verzichtet aber weitgehend auf die Benutzung von Sprachbildern. Stattdessen schildert sie schnörkellos und ohne unnötigen Ballast die Handlung, so dass ein hohes Erzähltempo entsteht, das auf weiten Strecken für den richtigen Vorwärtsgang sorgt.

„Killing Beauties“ ist sicherlich kein Ausnahmebuch, aber nett zu lesen und spannend. Beverly Barton bewegt sich auf ihrem Gebiet – Krimis mit einem Schuss Romantik – sehr sicher, auch wenn ihr das Besondere fehlt.

|Originaltitel: The Dying Game
Aus dem Amerikanischen von Kristina Lake-Zapp
510 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-426-50014-9|
http://www.beverlybarton.com
http://www.knaur.de

Juliette Manet – Wehrlos

Man bekommt in bestimmten Fernsehshows zwar manchmal einen anderen Eindruck, aber Fotomodells müssen nicht automatisch dumm sein. Juliette Manet ist ein gutes Beispiel dafür. Sie hat nicht nur Kunstgeschichte studiert, sondern auch einen spannenden Thriller geschrieben, der absolut vorzeigbar ist.

Vor zwölf Jahren wurde Paris von einem brutalen Kindermörder heimgesucht, der mit Vorliebe kleine Jungen vergewaltigte und sie schließlich ermordete. Sein Erkennungszeichen war die alte Radierung eines Akts, den er an den Tatorten hinterließ. Senda Barhi, die damalige Kriminalkommissarin, hatte schwer an diesem Fall zu kauen, doch er schien gelöst, als ein Tatverdächtiger Selbstmord beging. Man war davon überzeugt, den Richtigen gefunden zu haben, nur Senda war anderer Meinung. Sie glaubt immer noch daran, dass Raphael Schiller, der Vater eines ermordeten Mädchens, in den Fall verstrickt war, nur konnte sie es ihm damals nicht nachweisen.

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Marr, Melissa – Gegen das Sommerlicht

_2005 begann Stephenie Meyer_ ihren Siegeszug als Jugendbuchautorin mit Hang zur Blutsaugerei. Bislang hat ihre [Reihe 5508 um Teenager Bella und ihre Vampirliebe Edward vier Bestseller und einen nicht minder erfolgreichen Kinofilm hervorgebracht. Kein Wunder, dass Geschichten mit ähnlichen Inhalten plötzlich aus dem Boden sprießen. Melissa Marr springt in ihrem Debütroman „Gegen das Sommerlicht“ zwar nicht auf den Vampir-Zug auf, aber die Geschichte, die sie erzählt, weist einige Parallelen zu denen ihrer amerikanischen Kollegin auf.

_Ashlyn besitzt ein Geheimnis_, das niemand erfahren darf, wenn es nach ihrer Großmutter geht: Sie kann seit ihrer Geburt Elfen sehen. Wer glaubt, dass es sich dabei um zarte, beflügelte Wesen handelt, der liegt allerdings falsch. Elfen sind menschengroß und es gibt sie in allen möglichen Variationen. Als Tiere, Hexen, Waldwesen oder eben als Menschenähnliche. Sie gehören nicht unbedingt zu den friedlichsten Zeitgenossen: Sie quälen sich nicht nur gegenseitig, sondern erlauben sich auch ihre Späße mit den Leuten, die sie natürlich nicht sehen können.

Ashlyn gibt nicht zu erkennen, dass sie von der Existenz der anderen weiß. Doch eines Tages wird es schwer für sie, dies zu verbergen. In einem Comicladen wird sie von Keenan, dem Sommerkönig der Elfen, angesprochen. Er versucht mit ihr zu flirten, doch Ashlyn kann hinter seinen Menschenzauber sehen. Und sie weiß, dass man Elfen nicht trauen sollte. Tatsächlich hat Keenan nicht ganz uneigennützige Hintergedanken. Das Machtgleichgewicht in seiner Welt ist aus dem Lot geraten, seit Beira, die Winterkönigin, seinen Vater getötet hat. Nun regiert sie selbst und sie ist keine besonders freundliche Monarchin. Die einzige Möglichkeit für Keenan, die Macht an sich zu reißen und damit die Welt vor der Kälte zu retten, ist das Auffinden der Sommerkönigin. Jahrhunderte verbringt er schon damit, nach der Richtigen zu suchen, aber viele haben Angst vor der letzten Prüfung oder bestehen sie nicht.

Doch bei Ashlyn glaubt er, dass sie die Richtige ist. Sie kann nicht nur die Elfen sehen, sondern widersteht auch seinem betörenden Charme. So glaubt er jedenfalls. Ashlyn hingegen klammert sich an ihr letztes bisschen Trotz, um nicht in Keenans Fänge zu geraten. Sie erhält dabei wertvolle Hilfe von Seth, ihrem besten Freund. Oder ist er sogar mehr als nur ein Freund? Eines Tages vertraut sie sich ihm an und gemeinsam versuchen sie, vor Keenan und seinen Plänen zu entfliehen. Doch ein Elf gibt nicht so schnell auf …

_Ähnlich wie bei Meyers Büchern_ fällt es auch bei „Gegen das Sommerlicht“ schwer, es in ein Genre einzuordnen. Die Elemente aus der Fantasy sind allgegenwärtig, aber die Liebesgeschichte, sie sich zwischen den Buchdeckeln findet, könnte auch in einem Kitschroman stehen. Ashlyn und der ewig geduldige Seth sind ein legitimes Pendant zu Bella und Edward. Obwohl jung an Jahren, geht es ihnen weniger um Sex, Drugs und Rock ’n‘ Roll, sondern vielmehr um wahre, romantische Liebe. Das mag man nun authentisch finden oder nicht – Tatsache ist, dass Marr die Geschichte recht schön erzählt, aber nur wenig Neues hinzufügen kann. Teilweise wirkt gerade der Teil der Handlung, der sich um Ashlyn und Seth dreht, ziemlich abgenutzt.

Lob verdient Marr für ihre Darstellung der Elfenwelt. Sie hat einen Kosmos geschaffen, der von einer Vielzahl unterschiedlichster Wesen erfüllt ist und viele Überraschungen bereithält. Manchmal hätte sie beinahe noch mehr ins Detail gehen können, obwohl ihre Darstellungen sehr bildhaft und teilweise humorvoll sind. Der Handlungsstrang, der sich mit Keenans Suche nach seiner Sommerkönigin beschäftigt, überzeugt wesentlich mehr als die Liebesgeschichte. Die Ereignisse sind nicht vorhersehbar, und immer wieder kommt es zu überraschenden Wendungen. Gerade bei der Frage, ob Ashlyn auf Keenan hereinfallen wird oder nicht und ob sie den Elfen helfen wird, kann die Autorin punkten. Sie erschafft eine quälende Ungewissheit, die dazu führt, dass man das Buch nicht mehr zuschlagen kann.

Daran ist ihr Schreibstil allerdings nicht ganz schuldlos. Mit sehr einfachen, aber wirkungsvollen Worten schmückt sie ihre Geschichte aus und zieht den Leser in ihren Bann. Leichtfüßig und sehr nah an ihrer Hauptperson schildert sie nicht nur die Handlung, sondern auch die Gedanken- und Gefühlswelt von Ash. Kursiv gedruckte Überlegungen sorgen dafür, dass man sich gut mit Ashlyn und ihren Sorgen identifizieren kann, auch wenn das Sujet der Geschichte eher ein jüngeres Publikum anspricht. Obwohl nicht aus der Ich-Perspektive erzählt wird, erzeugt die Autorin dabei eine ähnliche Beziehung zwischen Leser und Protagonistin, wie dies auch Meyer in ihren Büchern gelingt.

Die Parallelen sind vielleicht nicht beabsichtigt, aber sie sind da. Eine Liebesgeschichte mit Happy End, eine jugendliche Erzählerin mit Sympathiefaktor und ein Hauch Kitsch sind die Zutaten, die „Gegen das Sommerlicht“ mit den Büchern Stephenie Meyers gemeinsam hat. Was die Geschichte angenehm von den Bestsellern abhebt, ist zum einen die überraschend bunte Welt voller magischer Wesen, zum anderen ist die Geschichte düsterer und wesentlich näher an der heutigen Jugend. Ashlyns Freundinnen sind normale, pubertäre Gören, während Seth alles andere als der perfekte Lover ist. Er wohnt in einem Wohnwagen, zusammen mit einer Boa Constrictor, und ist gepierct und tätowiert. Dieser Hauch von Subkultur ist ungewöhnlich für ein Jugendbuch mit dieser Thematik und hätte gerne mehr ausgearbeitet werden können.

_Wem die „Bis(s)“-Bücher_ dementsprechend zu harmlos sind, der kann sich vielleicht mit Melissa Marr anfreunden. „Gegen das Sommerlicht“ ist zwar kein Überwerk, aber durchaus genießbar und macht Appetit auf mehr. Und wer weiß: Vielleicht wird Marr ja eines Tages nicht mehr Meyer, sondern mit „richtigen“ Dark-Fantasy-Autorinnen verglichen …

|Originaltitel: Wicked Lovely
Aus dem Englischen von Birgit Schmitz
347 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3-551-58168-8|
http://www.carlsen.de
http://www.melissa-marr.com

Ferris, Joshua – Wir waren unsterblich

Als Debütant ist es nicht immer leicht, mit seinem Werk eine Nische auf dem Buchmarkt zu finden, die noch halbwegs unbesetzt ist. Joshua Ferris‘ Büro-Roman ist ein guter Schritt in diese Richtung. So attraktiv ein gut bezahlter Job in einem Hochhaus im alltäglichen Leben auch ist, glaubt doch niemand, dass sich aus Überstunden und Kaffeepausen eine gute Geschichte spinnen lässt.

„Wir waren unsterblich“ spielt in einer Abteilung einer erfolgreichen Chicagoer Werbeagentur. Die Mitarbeiter zeichnen sich durch lasches Arbeitsverhalten, Hang zum Tratsch und sehr unterschiedliche Charaktere aus. Doch das ändert sich, als die Aufträge weniger und Sparmaßnahmen ergriffen werden. Nun lästert man nicht mehr darüber, wer was mit wem hat, sondern wer als Nächster „spanisch den Flur hinuntergehen“ wird – wie man eine Kündigung in Anlehnung an einen Tom-Waits-Song nennt.

Die Reihen in der Abteilung lichten sich, auch wenn die Fehlenden keine große Lücke hinterlassen. Nicht alle kommen dabei mit der Kündigung gut zurecht. Chris Yop taucht auch danach im Büro auf und kann das Projekt, das er begonnen hatte, nicht unvollendet lassen. Tom dagegen greift zu verheerenderen Maßnahmen. Währenddessen unterhält man sich darüber, ob die Chefin Lynn Mason wohl Brustkrebs hat, warum Janine in der Mittagspause bei McDonalds in einem Ballbad sitzt und ob Amber das Kind abtreiben wird, das einer Büroaffäre mit Larry entsprungen ist.

Zugegebenermaßen stellt man sich ernsthaft die Frage, wie ein Autor für diesen Stoff beinahe 450 Seiten aufbringt. Das ist ja nicht unbedingt spannend, denkt man sich, und trotzdem fällt es schwer, den Roman aus der Hand zu legen. Hauptsächlich in Form von Kollegentratsch, teilweise aber auch aus der Perspektive der Betroffenen verfolgt der Autor die Schicksale der einzelnen Personen. Diese sind von ganz alltäglicher Natur und spiegeln die heutige Gesellschaft und auch die Sitten in Büros wider. Der eine oder andere wird sich sicher wiedererkennen in den ausgefeilten, sehr unterschiedlichen Charakteren (oder zumindest seine Kollegen darin entdecken …). Über allen schwebt dabei eine Wolke aus Tristesse, die mit gut bezahlten Jobs einhergeht, auch wenn Ferris nicht den Fehler macht, dieses Thema auszuschlachten. Die Annehmlichkeiten, die mit einem gefüllten Konto einhergehen, werden häufig nur am Rande erwähnt. Im Mittelpunkt steht der Büroalltag, und diesen weiß er gut zu beschreiben und mit diversen komischen Situationen aufzupeppen.

Komisch ist das Buch sicherlich, aber eher im Sinne einer Tragikomödie. Für alles andere ist das Buch zu authentisch. Außerdem bringt der Autor nicht auf Teufel komm raus einen Kalauer nach dem anderen, sondern lässt den Humor aus dem Zusammenspiel aus Personen und Ereignissen entstehen. Überspitzt dargestellte Szenen sorgen dafür, dass der Leser mit einem Auge lacht und mit dem anderen weint. Auf der einen Seite sind die Geschehnisse amüsant, auf der anderen erinnern sie ziemlich stark an das eigene Verhalten.

Zu den Besonderheiten des Buches gehören der Umgang mit den Personen und die Erzählperspektive. Von einigen Ausnahmen abgesehen, schreibt Ferris aus der Wir-Perspektive, um den Abteilungscharakter aufrechtzuerhalten. Die Personen werden dabei häufig mit Vor- und Nachnamen genannt und es findet nur selten ein Einblick in ihr Gefühlsleben statt. Es wird viel geredet, manchmal berichtet er aus dem kollektiven Gedächtnis der Abteilung. Er wahrt Distanz zu seinen Figuren, so dass dem Leser die Rolle als Beobachter zugewiesen wird. Unweigerlich entwickelt man Sympathien für bestimmte Charaktere, während andere entweder Mitleid erregen oder abstoßend wirken. Der Autor selbst nimmt dabei keine Wertung vor. Alle unsympathischen Figuren haben irgendeine Geschichte oder zumindest Gründe für ihr Verhalten, die nüchtern geschildert werden.

Der Schreibstil ist entsprechend beinahe analytisch, chronistisch, ohne kühl zu wirken. Die Konzentration auf menschliche Schicksale und das Miteinander unter den Kollegen sorgt für eine angenehme, warme Atmosphäre. Diese wird zusätzlich unterstützt durch die Wir-Perspektive und den amüsanten Anstrich. Ferris zielt mit seiner Wortwahl nie auf Schenkelklopfer ab. Vielmehr wird es häufig dann witzig, wenn die Personen in Dialog treten und sich gegenseitig einen Schlagabtausch liefern.

Und so kommt, was kommen muss, wenn im Autorenporträt mit einem weltweiten Verkauf des Manuskripts geworben wird: „Wir waren unsterblich“ gewinnt vor allem dank des einnehmenden Schreibstils und der Quintessenz der Geschichte – die Lebensgeschichten sehr unterschiedlicher Menschen und deren Miteinander in einer Abteilung – an Fahrt. Joshua Ferris‘ Debütroman wird sicherlich nicht jedem zusagen. Wer es spannend und actionreich mag, wird wenig mit dem Roman anfangen können, doch wer gerne in die Leben anderer Menschen schaut, ist hier an der richtigen Adresse.

|Originaltitel: Then we came to the end
Deutsch von Frank Wegner
443 Seiten, Paperback
ISBN-13: 978-3-499-24410-0|
http://www.rowohlt.de

Rossmann, Eva – Verschieden

Die Kombination aus Küche und Kriminalfall ist nicht unbedingt selten. Dass eine Krimiautorin aus Freude am Kochen einfach mal eine Ausbildung zur Köchin macht und auch als solche arbeitet, dagegen schon. Eva Rossmann, Autorin der Mira-Valensky-Krimis, hat’s getan und überrascht in ihren Büchern nicht nur mit guten Geschichten, sondern auch mit kulinarischen Köstlichkeiten.

In „Verschieden“, dem achten Buch um die vorwitzige Journalistin Mira, dreht sich alles um die Ehe. Während die kochbegeisterte Protagonistin kurz davor steht, den Bund fürs Leben einzugehen, ist ihre Fotografin Gerda gerade dabei, sich scheiden zu lassen. Ihr Mann, ein erfolgreicher Arzt, reagiert darauf nicht gerade positiv. Er ist fest davon überzeugt, dass Gerdas Wiedereinstieg ins Berufsleben schuld an der Krise ist, und beginnt, im gemeinsamem Umfeld gegen Gerda zu hetzen und ihr das Leben schwer zu machen.

Gerda ist verzweifelt, vor allem, weil sie als Schuldige dasteht. Sie hat eine Affäre mit einem Drehbuchautor, was während des Scheidungsverfahrens nicht besonders gut ankommt. Ihr Mann nutzt dies natürlich prompt aus. Doch das nützt ihm nicht mehr viel, denn wenig später wird er in einem Steinbruch ermordet aufgefunden.

Der Verdacht fällt sofort auf Gerda, da der Tod ihres Exmanns ihr am meisten nützen würde. Mira glaubt selbstverständlich nicht an die Schuld ihrer Fotografin. Zusammen mit ihrer Putzfrau Vesna macht sie sich auf die Suche nach dem wahren Schuldigen. Vesnas Ambitionen, Privatdetektivin zu werden, helfen den beiden Frauen, doch nicht alle Entdeckungen, die sie machen, entlasten Gerda …

Obwohl das Buch eine übergreifende Thematik besitzt, schafft Eva Rossmann es, ihre Leser nicht mit Gedanken über Hochzeit, Ehe und Scheidung zu erdrücken. Im Gegenteil redet sie klischeefrei und mit einem guten Auge für Details von der Liebe. Man fühlt sich nie belehrt oder bevormundet und zudem wird die Handlung dadurch nicht in die Länge gezogen, was wirklich eine beeindruckende Leistung ist. Der eigentliche Kriminalfall ist recht einfach, wird aber spannend dargestellt und passt gut zu Miras Amateurermittlungen, denn wenn wir ehrlich sind, dann würde ein Verschwörungsfall von internationalem Ausmaß etwas zu übertrieben für eine Wiener Journalistin sein. Rossmann geht genau den richtigen Weg, indem sie Mira einen recht alltäglichen Fall zuschiebt, den diese mit gegebenen Mitteln lösen kann. Dadurch wirkt die Geschichte sehr realistisch und natürlich.

Rossmann zeichnet ihre Protagonistin nicht als Superheldin, sondern als sympathische, witzige und manchmal forsche Journalistin, die ihre Nase gerne in die Angelegenheiten anderer steckt. Mira erzählt aus der Ich-Perspektive und lässt dabei immer wieder ihre eigenen, sehr tiefsinnigen, oft aber auch witzigen Ansichten einfließen. An der einen oder anderen Stelle wird sie auch mal wütend, aber alles wirkt wie aus einem Guss und direkt von der Hauptfigur erzählt.

So etwas funktioniert natürlich nur, wenn der Schreibstil mitspielt. Das tut er in diesem Fall. Eva Rossmanns Erfahrung als Journalistin schimmert immer wieder durch. Sie versteht es, mit einem großen Wortschatz und klaren Satzstrukturen einfach, aber dennoch unterhaltsam zu erzählen. Besonders ihr Sprachwitz und Miras humorvolle Bemerkungen sorgen für Höhepunkte im Erzählfluss. Der Plaudertonfall, den die Autorin anschlägt, ist insgesamt sehr angenehm und passt zur Persönlichkeit der Erzählerin, die stark im Vordergrund steht, die Geschichte aber nicht erschlägt.

„Verschieden“ ist ein einfach aufgebauter, aber wunderbar erzählter Krimi aus Wien, in dessen Mittelpunkt eine sehr sympathische, freche Journalistin steht. Ihre Gedanken verleihen der Geschichte sehr viel Frische und sorgen für das eine oder andere Lächeln beim Leser.

|237 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15947-5|
http://www.bastei-luebbe.de
http://www.evarossmann.at

Blazon, Nina – Faunblut

Nina Blazon ist eine erfreulich produktive Schriftstellerin. Alleine im Jahr 2008 sind vier neue Bücher von ihr erschienen. Die letzte Veröffentlichung des Jahres ist dabei „Faunblut“, ein Fantasyroman, der Blazon einmal von einer etwas anderen Seite zeigt.

Protagonistin ist die neunzehnjährige Jade, die in einer gefährlichen Welt lebt. Ihre Heimatstadt wird nicht nur durch Feindschaften am Königshof und die Tyrannei von Lady Mar, der Herrscherin, zerrissen, sondern zusätzlich gibt es Wesen, die sich Echos nennen. Sie sind den Menschen ähnlich, können aber nicht sprechen und werden verdächtigt, immer wieder Mitglieder von Lady Mars Gestade umzubringen. Als sich Jade eines Tages auf der Flucht vor den Jägern der Lady befindet, die mit Streunern wie ihr nicht zimperlich umspringen, begegnet sie einem Echo. Doch sie hat nicht das Gefühl, dass das Wesen gefährlich wäre – und rettet es vor den Jägern.

Dieses Erlebnis lässt sie so schnell nicht mehr los. Plötzlich ist sie sich nicht mehr so sicher, ob die Echos wirklich so böse sind, wie man immer sagt. Was, wenn sie eigentlich friedlich sind? Doch aktuelle Geschehnisse lenken sie schnell von ihren Gedanken ab. Zwei Fremde aus dem fernen und geheimnisvollen Nordland reisen in die Stadt und nisten sich im Hotel von Jades Vater ein. Mit sich führen sie eine seltsame Fracht: Tiere, die niemand sehen darf, in Kisten. Eine der Kisten ist riesig, und Jade merkt, dass in ihr etwas Besonderes sein muss, etwas, das sehr gefährlich ist.

Die Nordländer sind auf Geheiß der Lady in der Stadt, auch wenn niemand den genauen Grund für ihren Aufenthalt oder die merkwürdigen Wesen, die sie versteckt halten, kennt. Tam, der ältere der beiden, scheint der Anführer zu sein, während es die Aufgabe von Faun ist, über die riesige Kiste zu wachen. Faun ist jung und gutaussehend, aber Jade findet zuerst keinen Gefallen an ihm. Er ist arrogant, besserwisserisch und lässt keine Gelegenheit aus, um Jade verächtlich zu behandeln.

Eines Abends muss sie jedoch feststellen, dass dieses Verhalten nur eine Tarnung ist. Eigentlich ist Faun in Jade verliebt, doch er möchte es geheimhalten, weil er befürchtet, sie könnten sonst Ärger bekommen. Faun dient der Lady und Jade fühlt sich immer mehr zu den Rebellen in der Stadt hingezogen, die planen, die tyrannische Herrscherin zu stürzen. Ohne es laut auszusprechen, wissen die beiden, dass ihre Beziehung keine Zukunft hat, doch sie halten daran fest, bis es schließlich zu dem Moment kommt, vor dem Jade sich die ganze Zeit gefürchtet hat: Sie muss sich entscheiden, auf wessen Seite sie steht …

Nina Blazon folgt mit ihrem neuen Roman nicht den Spuren ihrer anderen Bücher. Ihre guten Qualitäten bleiben erhalten, aber sie fügt ihnen ein paar zusätzliche hinzu. Bereits nach den ersten Seiten fällt auf, dass „Faunblut“ wesentlich erwachsener ist als Blazons vorherige Werke und deutlich düsterer. Ihre alte Leichtigkeit bleibt im Großen und Ganzen erhalten, aber die Thematik des Buches ist wesentlich dramatischer und wird von zerrissenen Figuren getragen. Die Atmosphäre in der unterdrückten Stadt wird sehr eindrücklich geschildert, und es fällt nicht schwer, Sympathien für die Rebellen zu empfinden, auch wenn diese vielleicht manchmal etwas überenthusiastisch wirken.

Diese besondere Stimmung wird natürlich zum großen Teil über den sehr bildhaften, lebendigen Schreibstil getragen, aber Blazon ergänzt diesen mit einer fantasievollen Welt. Sie lässt Jade zwischen Ruinen und mysteriösen Gewässern leben und ergänzt dieses Ambiente mit Wesen wie den Echos, die, wie man das von der Autorin gewohnt ist, selbst erfunden sind und keinen Bezug zu anderen Lebewesen der Fantasyliteratur haben. Diese ätherischen, nicht greifbaren Geschöpfe geben der Geschichte einen ganz eigenen Anstrich, besonders aufgrund der Entwicklungen gegen Ende.

Nicht nur an dieser Stelle weiß die Handlung zu überraschen. Im Mittelpunkt steht neben den sich zuspitzenden Ereignissen in der Stadt vor allem Jades Seelenleben. Beides beinhaltet genug Zündstoff, um bis ans Ende für Spannung zu sorgen. Die Romanze zwischen Jade und Faun nimmt dabei viel Raum ein, überspannt den Bogen aber nicht. Auch die Frage, wie es ist, den Feind zu lieben, wird angenehm klischeefrei und geradezu natürlich behandelt.

Ähnlich verhält es sich mit den schön gestalteten Figuren, deren innerliche Zerrissenheit immer wieder thematisiert wird. Auch sie wirken sehr natürlich, und auch wenn sie in einer ganz anderen Welt leben, kann man sich mit ihren Gedanken und Gefühlen identifizieren. Das ist besonders bei Jade der Fall, die sicherlich einige junge Mädchen ansprechen wird. Doch auch die Beweggründe der anderen Personen werden gut dargestellt und die Charaktere entwickeln sich während der knapp 480 Seiten starken Geschichte weiter. Der eine oder andere offenbart dabei unerwartete Wesenszüge und/oder Details aus seiner Vergangenheit, die zusätzlich zur Spannung beitragen.

In der Summe ist „Faunblut“ ein bemerkenswert gelungenes Jugendbuch mit einer wunderbaren Hauptperson und einer schön ausgearbeiteten, eigenständigen Welt. Nina Blazon beweist erneut ein gutes Händchen für spannende, konsistente Handlungen und mitreißende, lebendige Erzählungen – und sie zeigt, dass sie ohne Probleme auch Werke für ältere Leser schreiben kann.

|ISBN-13: 978-3-570-16009-1
479 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag|
http://www.ninablazon.de
http://www.cbt-jugendbuch.de

_Nina Blazon bei |Buchwurm.info|:_

[„Im Bann des Fluchträgers“ (Woran-Saga 1) 2350
[„Im Labyrinth der alten Könige“ (Woran-Saga 2) 2365
[„Im Reich des Glasvolks“ (Woran-Saga 3) 2369
[„Die Reise nach Yndalamor“ (Die Taverne am Rande der Welten 1) 3463
[„Im Land der Tajumeeren“ (Die Taverne am Rande der Welten 2 3980
[„Das Königreich der Kitsune“ (Die Taverne am Rande der Welten 3) 4725
[„Die Sturmrufer“ (Die Meerland-Chroniken 1) 4180
[„Der Bund der Wölfe“ 2380
[„Die Rückkehr der Zehnten“ 2381
[„Der Spiegel der Königin“ 3203
[„Der Maskenmörder von London“ 3983
[„Die Königsmalerin“ 5207

Davidsen, Leif – Feind im Spiegel, Der

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben sich 2008 zum siebten Mal gejährt. Die Bilder der brennenden Türme des World Trade Centers gingen damals um die ganze Welt und verursachten Schock und Verwirrung. Viel hat sich seitdem verändert. Die Sicherheitsmaßnahmen bei Flugreisen wurden zum Beispiel verstärkt und die Terrorabwehr ist immer stärker in den Fokus der Regierungen gerückt. Doch der normale Bürger hat längst nicht alle Auswirkungen des schon jetzt historischen Ereignisses aus dem Jahr 2001 mitbekommen. Viele Dinge liefen intern ab und betrafen weniger die Bevölkerung als vielmehr die Exekutive. Der Journalist Leif Davidsen verarbeitet in „Der Feind im Spiegel“, dem dritten Band seiner losen Trilogie, die tragischen Vorgänge aus zweierlei Perspektiven: aus der eines Kopenhageners Polizeibeamten und aus der von Vuk, einem untergetauchten früheren Berufskiller, den die CIA zum Zwecke der Terroristenfahndung einsetzt.

Per Toftlund ist ein Ex-Militär, der nun bei der Polizei arbeitet und nach den Terroranschlägen des 11. September eine Sonderermittlungstruppe leitet, die sich mit der Frage befasst, ob al-Qaida auch in Dänemark Fuß gefasst hat. Aus diesem Grund wird die junge Muslime Aischa Hussein mit ins Boot geholt, eine diplomierte Politikwissenschaftlerin, die eine Menge über den Islam weiß. Ausgestattet mit weitreichenden Befugnissen, findet Toftlunds Truppe sehr bald heraus, dass es auch in Kopenhagen entsprechende Strömungen gibt. Den Honighändler Marko Cemal haben sie in Verdacht, Geldgeschäfte für terroristische Vereinigungen zu organisieren, und glauben, dass er ein Doppelleben führt und in England als strenggläubiger Muslim auftritt, während er in Dänemark eher den Lebemann gibt. Außerdem gibt es Indizien dafür, dass er Kontakt zu einem mysteriösen Dänen hat, der in Spanien wohnt und „Thronfolger“ genannt wird. Wer dieser Thronfolger ist, wissen Per und seine Leute nicht, doch sie sind davon überzeugt, dass er eine Bedrohung darstellt …

Zur gleichen Zeit wird der Serbe Vuk, ein früherer Auftragskiller, unruhig. Er lebt mit gefälschten Papieren mit seiner Familie in Amerika und geht dort ganz normal einer Arbeit nach. Im Zuge der Aufregung nach dem 11. September kommt man ihm auf die Spur. Seine Fingerabdrücke sind bei der CIA hinterlegt und er wird festgenommen, als man seine Familie routinemäßig überprüft. Vuk gilt eigentlich als tot, seit er nach einem blutigen Zusammenstoß mit Per Toftlund in seiner früheren Heimat Dänemark verschwunden ist. Damals hat er zwei Freunde von Per getötet und dessen Frau Lise verletzt. Doch anders als erwartet, bedeutet der Zwischenfall mit der CIA keinen Ärger für ihn. Als er anbietet, Informationen über Al-Qaida-Mitglieder herauszurücken, soll er undercover nach Dänemark reisen, um dort zu ermitteln. Als Aussicht winkt ein neuer Satz gefälschter Papiere, mit dem er für immer in Amerika bleiben darf.

Ohne es zu merken, arbeiten die beiden Todfeinde Per und Vuk an dem gleichen Fall, und das auch noch in der gleichen Stadt. Ohne voneinander zu wissen, bewegen sich die beiden immer mehr aufeinander zu, bis sie sich letztendlich in die Augen sehen müssen …

Im Mittelpunkt von „Der Feind im Spiegel“ stehen die beiden Männer Per und Vuk, die aufgrund eines schicksalsträchtigen Ereignis aus dem Vorgängerbuch miteinander verbunden sind. Obwohl sie sich hassen, bemerkt man als Leser auch einige Ähnlichkeiten bei den sehr präzisen Charakterstudien, die Davidsen präsentiert. Beide sind sehr hart und würden alles tun, um ihre Familie zu beschützen. Der Gedanke der Rache ist ihnen nicht fremd und beide verfügen über einen militärischen Hintergrund, der in ihrem Denken und Handeln immer wieder durchschimmert. Der Autor räumt dem Innenleben der beiden Figuren sehr viel Platz ein. Per ist dabei noch wesentlich häufiger vertreten als Vuk – nicht nur bezogen auf seine Arbeit, sondern auch sein Privatleben wird ausgeschöpft.

Je nachdem, was man von diesem Roman erwartet, kann dieser enttäuschen oder erfreuen. Wer eine Geschichte lesen möchte, die sich mehr auf die innerlich zerrissenen Protagonisten konzentriert, dem wird „Der Feind im Spiegel“ gefallen. Wer jedoch einen spannende Thriller lesen möchte, wird vielleicht enttäuscht sein. Die Handlung ist stellenweise nicht besonders schlüssig und folgt vor allem keinem gelungenen Aufbau. Die langen Episoden aus Pers Privatleben machen es an mancher Stelle schwer, zum eigentlichen Geschehen zurückzukehren. Hinzu kommt der vorhersehbare Höhepunkt am Ende der Geschichte, der nicht besonders gut eingeführt wird. Davidsen fällt mit der Tür ins Haus, was den Leser vielleicht nicht überrascht, aber doch stört. Es passt einfach nicht sauber in den Ablauf des Geschehens.

Neben Pers Privatleben und den polizeilichen Ermittlungen legt der Autor einen Fokus auf Gedanken an und um den 11. September, was in dieser Masse nicht besonders gelungen ist. Stellenweise wirkt es wie eine persönliche Auseinandersetzung des Autors mit diesem Thema, was dem Buch wiederum einen merkwürdig subjektiven Anstrich verpasst, der ihm nicht besonders gut steht. Alles in allem kommen die handlungsrelevanten Abschnitte zu kurz, egal wie man Davidsens Ab- und Ansichten nun beurteilt. Selbst wenn man „Der Feind im Spiegel“ unter dem Gesichtspunkt liest, den Charakteren näherzukommen, wirkt die Geschichte häufig etwas überlang.

Der sichere Schreibstil macht zwar einiges wieder wett, aber zaubern kann er nicht. Inhaltliche Längen bleiben Längen, egal in welche Wörter man sie packt. Man merkt dem Autor seinen beruflichen Hintergrund an. Er schöpft aus einem großen Wortschatz und setzt diesen zu einfachen, aber sehr ausdrucksstarken Sätzen zusammen. Ihm reichen wenige Wörter, um einen Sachverhalt darzustellen. Das gilt sowohl für die Beschreibungen von Situationen als auch für die Gefühle der Protagonisten. Letztere ermöglichen einen guten Einblick in die Seelen von Vuk und Per, bleiben dabei aber recht distanziert, was wiederum zu den Persönlichkeiten der beiden passt.

Leif Davidsens „Der Feind im Spiegel“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Auf der einen Seite stehen der tolle Schreibstil und die interessanten Charaktere, auf der anderen die doch etwas zähe Handlung. Sie enthält zwar viele interessante Tatsachen zum 11. September – unter anderem aus der Sicht einer diplomierten Politikwissenschaftlerin mit Migrationshintergrund sowie aus jener der Polizei -, aber auch genügend Dinge, welche die Handlung eher bremsen als voranbringen. Je nachdem, welche Prioritäten man als Leser setzt, kann die Lektüre entweder sehr interessant oder eben etwas unspannend sein.

|Originaltitel: Fjenden i spejlet
Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle
Taschenbuch, 395 Seiten
ISBN-13: 978-3-423-21088-1|
http://www.dtv.de
http://www.leif-davidsen.de

Chance, Karen – Untot mit Biss

Vampire, Hexen, Werwölfe, Dämonen – das Genre der Dark Fantasy beherbergt einen bunten Reigen unterschiedlichster Wesen. Cassandra Palmer, die Heldin von Karen Chances Romanen, ist im Grunde zwar menschlich, aber sie besitzt übersinnliche Kräfte, dank denen sie mit Geistern kommunizieren und in Zukunft und Vergangenheit sehen kann. Solche Fähigkeiten sind für machtversessene Leute natürlich sehr attraktiv, was erklärt, wieso die junge Frau seit Jahren auf der Flucht vor ihrem Ziehvater Tony, einem skrupellosen Vampir, ist.

Sie hat es geschafft, sich nach Atlanta abzusetzen und dort ein neues Leben zu beginnen. Sie hat einen Job, einen netten Mitbewohner, doch sie hat nicht vergessen, wie grausam es war, bei Tony aufzuwachsen, der außerdem ihre Eltern auf dem Gewissen hat. Nach diesem Vorfall hat er Cassie mehr oder weniger gefangen gehalten, da er ihre Kräfte für seine Belange benutzen wollte. Eines Tages gelang ihr die Flucht, aber die Angst vor Tony sitzt ihr noch immer im Nacken.

Eines Tages erhält sie eine verschlüsselte Botschaft darüber, dass ihr Ziehvater ihr auf den Fersen ist. Sie beschließt, erneut zu fliehen, aber vorher gerät sie mit ihrem Mitbewohner Tomas in einen Hinterhalt. Mehrere Meistervampire attackieren die beiden, doch wider Erwarten überleben die beiden und Cassie wird zum Vampirsenat gebracht, wo man ihr Schutz anbietet. Natürlich nicht ohne entsprechende Gegenleistung. Sie soll in die Vergangenheit reisen, um dort einen gefährlichen Gegner des Senats auszuschalten. Ehe Cassie sich versieht, steckt sie tief in einem Sumpf aus Intrigen fest und erfährt zudem, dass sie nicht die Person ist, die sie zu sein glaubt …

Karen Chance ist nicht die erste amerikanische Autorin, deren Dark/Urban-Fantasy-Reihe in Deutschland veröffentlicht wird, und das macht es für sie schwierig, eine eigene Nische zu finden. Cassandra Palmer ähnelt in ihrem Wesen und der Art und Weise, wie sie dargestellt wird, dem Stereotyp, das sich bei solchen Veröffentlichungen mittlerweile herauskristallisiert hat. Jung, sexy, frech, Single und mit einer bewegten Vergangenheit, die sie immer wieder einholt – die Protagonistin entspricht diesem Rezept perfekt, auch wenn die Ausgestaltung ihrer Vergangenheit einige originelle Stellen enthält. Das Großwerden als Mensch an einem Vampirhof sorgt beispielsweise für die eine oder andere interessante Episode.

Weitere Pluspunkte sind Cassies Gabe und ihre ‚Beziehung‘ zu dem Geist Billy. Cassie kann, im Gegensatz zu Menschen und Untoten, die Geister sehen. Selbige werden zumeist als ziemlich komisch gezeichnet. Billy ist beispielsweise ein ehemaliger Cowboy und Frauenheld, dem seine Spielsucht zum Verhängnis wurde. Da Atlanta im südlichen Teil von Nordamerika liegt, trifft Cassie außerdem auf eine waschechte Südstaatenlady, deren Auftritt für den einen oder anderen Lacher sorgen wird. Weitere Nebencharaktere sind ganz interessant, lassen aber häufig echte Eigenheiten vermissen. Die Vampire werden als historisch angehauchte Männer mit hohem Verführungspotenzial dargestellt. Die Autorin entscheidet sich folglich nicht für die Variante des modernen Vampirs, sondern orientiert sich an älteren literarischen Vorlagen.

Vampire und Geister sind allerdings nicht die einzigen übernatürlichen Wesen, die zum Zug kommen. Zusätzlich treten auch Elfen, Hexen, Magiere und Werwesen auf. Häufig wirkt ihr Auftritt marginal, und nicht immer bleibt genug Platz, um sie ausreichend einzuführen. Das gelingt Kim Harrison in ihren Büchern über die Erdhexe Rachel Morgan wesentlich besser. Dort hat jedes Wesen seinen Platz, wird entsprechend eingeführt und scheint auch nicht überflüssig zu sein. Karen Chance ist dies nicht gelungen. Die unterschiedlichen Spezies sind teilweise schlecht integriert, was aber mit einem anderen Problem einhergeht. Obwohl beispielsweise Cassies Vergangenheit gut ausgearbeitet ist, schwächelt die Welt, die Chance erschafft, an ein paar Kinderkrankheiten. Einige Punkten wirken unausgereift und ausbaufähig, auch wenn die Autorin sich redliche Mühe gegeben hat.

Ähnlich sieht es bei der Handlung aus. Hier fehlt es ebenfalls an Struktur. Der Aufbau folgt keinem üblichen Spannungsverlauf, sondern setzt die Höhepunkte recht beliebig. Dank ihres tollen Erzählstils kann Chance diesen Fehler wettmachen. Sie schreibt sehr flüssig aus Cassies Perspektive und lässt weder den Humor noch den nötigen Ernst zu kurz kommen. Das Bild von Cassie als zerrissene, aufgrund ihrer Vergangenheit zynisch gewordener Person wird sehr unterhaltsam übertragen. Man kann der Autorin zwar vorwerfen, dass ihr Stil sich nicht wesentlich von dem einer Kim Harrison oder Patricia Briggs unterscheidet, aber solange der Lesespaß stimmt, sollte dies zweitrangig sein.

Die Sprunghaftigkeit bezüglich der Ereignisse, auf die man bei der Handlung trifft, ist dagegen keineswegs eine Bagatelle. Manchmal hat man als Leser das Gefühl, dass man trotz konzentrierten Lesens irgendeine Kleinigkeit, die wichtig wäre, verpasst hat. Das geschieht mehrmals in der Geschichte, zudem fehlen manchmal notwendige Erklärungen. Gerade am Anfang, wenn man sich noch nicht richtig in die Lektüre hineingefunden hat, wirkt das störend. Positiv fällt dagegen auf, dass Chance viele Actionelemente verwendet und diese sehr angenehm erzählt. Sie wirken nicht übertrieben, würzen das Buch aber an den richtigen Stellen.

In der Summe ist „Untot mit Biss“ trotz des reißerischen Titels ein interessantes Buch, in dessen Mittelpunkt eine sympathische Hauptfigur steht. Im Aufbau offenbaren sich einige Schwächen, doch wer an Rachel Morgan oder Mercy Thompson einen Narren gefressen hat, wird sicherlich auch mit Cassie Palmer warm werden.

|Originaltitel: Touch the Dark
Aus dem Amerikanischen von Andreas Brandhorst
Taschenbuch, 397 Seiten
ISBN-13: 978-3-492-29183-5|
http://www.piper-verlag.de

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Nicole Drawer – Das Messer in der Hand

Bei einer, die es wissen muss, liest man doch gleich um so lieber. Autorin Nicole Drawer war früher Oberkommissarin in Hamburg und hat unter anderem Psychologie studiert. Mit „Das Messer in der Hand“ erscheint bereits der zweite Band um die Polizeipsychologin Johanna Jensen, und auch dieses Mal ist für ein gewisses Maß an Spannung gesorgt.

Eines Nachts wird in Hamburg eine blutüberströmte Frau mit einem Messer in der Hand aufgegriffen. Nicht weit von ihr entfernt findet man die Leiche eines Privatdetektivs, doch Manuela Kranz ist verwirrt, leidet an einer retrograden Amnesie. Sie kann sich an nichts erinnern, doch trotzdem ist die Sachlage für die Polizei so gut wie klar. Alle Indizien sprechen dafür, dass Manuela, die Frau eines reichen Bauunternehmers, die Täterin ist. Doch Johanna glaubt an solch eine einfache Lösung nicht. Sie betreut die Frau und versucht ihr zu helfen, sich an besagte Nacht zu erinnern.

Nicole Drawer – Das Messer in der Hand weiterlesen

Thórarinsson, Árni (Thorarinsson, Arni) – Todesgott

Ein kleiner Tapetenwechsel kann doch eigentlich niemandem schaden. Das sieht Einar, der Held aus Árni Thórarinssons Krimi „Todesgott“, allerdings ein wenig anders. Er wird von seinem eingebildeten Chefredakteur ins ländliche Akureyri versetzt, um die dortige Lokalredaktion voranzubringen, und ist nicht gerade glücklich darüber. Die Provinz nervt ihn, die Artikel über Schulaufführungen und Straßenbefragungen ebenfalls. Nur gut, dass die Kleinstadt weit weniger langweilig ist, als Einar erwartet hat …

Alles beginnt damit, dass Einar über den Unfalltod der Frau eines Süßwarenunternehmers zu berichten hat. Die Tote ist bei einem Betriebsausflug aus einem Boot gefallen und ertrunken. Sie war vollgepumpt mit Medikamenten und man sagt ihr nach, sie wäre depressiv und tablettenabhängig gewesen. Niemand glaubt an einen unnatürlich Tod bis auf die Mutter der Verunglückten. Sie lebt im Altersheim und wird von allerlei Zipperlein geplagt. Einar kann ihr den Gefallen nicht abschlagen und beginnt, sich um die Geschichte zu kümmern.

Etwa zur gleichen Zeit verschwindet der Gymnasiast Skarphéinn. Er sollte die Hauptrolle im Theaterstück der Schule spielen und wird wenig später ermordet auf einer Müllkippe gefunden. Einar nutzt seine Kontakte zur örtlichen Polizei und versucht, dem Täter selbst auf die Spur zu kommen. Dies gestaltet sich nicht unbedingt einfach, denn Skarphéinn war unglaublich beliebt, scheint keine Feinde zu haben. Doch Einar, dem in der Provinz sowieso langweilig ist, lässt sich nicht kleinkriegen. Er wirbelt ordentlich Dreck auf, was ihn mehr als einmal beinahe den Kragen kostet …

„Todesgott“ lebt vor allem durch die Hauptperson Einar. Dieser berichtet aus der ersten Person und reichert seine Sichtweise mit einem guten Schuss Humor an. (Selbst-)Ironisch und um keine Sprachspielerei verlegen führt er den Leser durch die Geschichte und bügelt dabei einige Schwächen in der Handlung aus. Einars Bemerkungen über Land und Leute erheitern immer wieder, genau wie die häufige Verwendung von Metaphern. Der Autor tut sich und dem Leser den Gefallen, die Sprachbilder nicht zu bemüht zu gestalten, sondern sehr elegant und sie ganz unbeschwert einzuflechten. Einars Büro wird dementsprechend immer nur als „der Schrank“ betitelt. Den Papagei, den Einar zusammen mit seiner Wohnung gemietet hat, bezeichnet der Journalist immer wieder als seine Frau, was zu der einen oder anderen lustigen Situation führt.

Die Geschichte selbst orientiert sich weniger an der Bezeichnung Krimi. Vielmehr folgt sie Einars Alltag, in den zufällig ein, zwei Leichen integriert sind. Das ist auf der einen Seite originell, auf der anderen aber nicht immer spannend. Wer es gerne von vorne bis hinten schlüssig und stringent mag, der wird an „Todesgott“ nur wenig Freude haben. Dafür ist das Buch zu zerfasert und konzentriert sich zu stark auf Einar. Einige Nebenhandlungen sind überflüssig, und wenn man den eigentlichen Kriminalfall einmal genauer betrachtet, ist dieser auch nicht besonders gelungen. Allerdings kommen all diese Negativpunkte nicht gegen den guten alten Einar an. Sein Humor, sein lustiger Erzählstil und sein sympathischer Charakter sorgen dafür, dass man „Todesgott“ trotzdem gerne liest, auch wenn die Handlung an der einen oder anderen Stelle vielleicht hinkt.

Man darf das jetzt aber nicht falsch verstehen. Der Roman von Árni Thórarinsson ist kein schlechtes Buch. Einar ist ein Protagonist, wie man ihn selten findet, und Thórarinssons Schreibstil ist nicht zu verachten. Die Handlung ist zwar nicht immer gelungen, aber Handlung alleine macht noch kein gutes Buch. „Todesgott“ punktet in anderen Bereichen, und dort nicht zu knapp. Wer es gerne witzig und originell mag, der ist mit diesem Buch mehr als gut beraten.

|Originalitel: Tími nornarinnar
Aus dem Isländischen von Tina Flecken
413 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3-426-19743-1|
http://www.droemer.de

Villatoro, Marcos M. – Mania

FBI-Agentin Romilia Chacón erlebt in „Manía“ nicht den ersten persönlichen Schicksalsschlag. In [„Minos“, 2626 dem zweiten Band der Reihe um die temperamentvolle Agentin, brachte sie den Mörder ihrer Schwester zur Strecke, nun hat sie es mit dem Killer ihres ehemaligen Liebhabers Chip Pierce zu tun – und mit Tekún Uman, einem Drogenbaron, der in ihr die Liebe seines Lebens sieht.

Romilia ist schockiert, als sie nur wenige Stunden, nachdem sie bei Chip war und seinen Heiratsantrag abgelehnt hat, einen Anruf ihrer Chefin erhält. Ihr Liebhaber und Mentor wurde in seinem Haus ermordet und sie war vermutlich die Letzte, die ihn gesehen hat. Alle Indizien weisen darauf hin, dass Tekún Uman, der Drogenboss, Pierce ermordet hat. Uman hat eine Vorliebe für Giftpfeile und Pierce wurde mit einem getötet.

Außerdem hätte Uman auch ein Motiv. Es ist ein offenes Geheimnis in FBI-Kreisen, dass der Dealer schwer in Romilia verliebt ist und jeder glaubt an ein Eifersuchtsdrama. Jeder – bis auf Romilia. Diese ist sich ihren Gefühlen gegenüber Uman zwar nicht sicher, doch sie weiß, dass er nicht so gehandelt hätte. Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass er ihr jetzt sympathischer ist. Als er sie entführen lässt, weil er sie in Gefahr wägt, wird Romilia sogar richtig sauer. Trotzdem hilft sie ihm, Chips Mörder zu suchen und damit den Mann, der Uman ins Verderben stürzen will. Doch wer ist der Täter? Und welche Verbindungen hat er zu einer Sekte fundamentalistische Christen, die bereits einen Bombenanschlag in LA zu verantworten hat?

Fundamentalistische Christen und südamerikanische Drogenbarone – diese Mischung klingt auf den ersten Blick kurios. Auch wenn die beiden Ereignisse anfangs etwas orientierungslos nebeneinander stehen, verbinden sie sich gegen Ende zu einem zumindest befriedigenden Kriminalfall. Wohltuend ist, dass Villatoro nicht noch einmal das Motiv des Serienmörders aufgreift, aber die Handlung ist letztendlich nur mäßig spannend. Einige Dinge werden zu schnell abgehandelt, die Lösung des Falls hätte durchaus länger und verdichteter sein können. Trotz einiger seichter Stellen kommt aufgrund des flotten Tempos keine Langeweile auf, allerdings ist negativ anzumerken, dass „Manía“ ohne Vorwissen der beiden Vorgängerbände nur schwer zu verstehen ist. Einige der Handlungsstränge, die in [„Furia“ 3870 und „Minos“ ihren Anfang nahmen, werden konsequent und sauber weitergeführt. Davon hat der Fan zwar viel – und Villatoro etabliert eine tolle Krimireihe -, es erschwert aber den Quereinstieg.

Nach wie vor fantastisch ist Villatoros Serienheldin Romilia Chacón, die mit ihrer Mutter und ihrem achtjährigen Sohn mittlerweile in L.A. lebt und FBI-Agentin geworden ist. Die temperamentvolle junge Frau ist ruhiger geworden, nachdem sie Minos, den Mörder ihrer Schwester, zur Strecke gebracht hatte, was ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens war. Trotzdem gehen manchmal die Pferde mit ihr durch und Villatoro weiß dies so zu beschreiben, dass man es ihm abkauft und Romilia ins Herz schließt.

Romilia ist gleichzeitig eine sehr nachdenkliche und wagemutige, anpackende Person, was der Handlung neben ruhigen auch einige actionreiche Momente verschafft. Ihre Herkunft aus El Salvador wird sehr häufig thematisiert und beschäftigt sie alltäglich. Dadurch wird ihr Charakter sehr farbig und lebendig, für die meisten deutschen Leser vermutlich auch exotisch. Romilia hebt sich angenehm ab von aalglatten, erfolgreichen und beinahe perfekten Heldinnen vieler amerikanischer Krimis und Thriller. Sie ist bodenständig, gehört einer ethnischen Minderheit an und überrascht dadurch, dass sie die Grautöne, die bei einer Schwarz-Weiß-Zeichnung der Charaktere gerne außer Acht gelassen werden, besonders gut zum Klingen bringt.

Mit Marcos M. Villatoros Schreibstil verhält es sich ähnlich wie mit seiner Protagonistin. Abgesehen von kurzen Einschüben, die Tekún Umans Sicht der Dinge widerspiegeln, erzählt er aus Romilias Perspektive in der ersten Person. Er wählt dazu nüchterne Worte, die eine unaufgeregte, manchmal düstere, aber nie hoffnungslose Stimmung erzeugen. Er schreibt unglaublich dicht und nah an der Hauptperson. Für den Leser ist es so, als ob er direkt in Romilias Kopf säße und sie bei ihren Abenteuern hautnah begleite. Er kann sich mit der jungen Frau identifizieren, was mit dazu beiträgt, dass die Reihe so gelungen ist.

„Manía“ hat vielleicht keine perfekte Handlung zu bieten, aber Hauptfigur und Schreibstil sorgen dafür, dass der Leser sich auch in den dritten Band der Reihe um Romilia Chacón verliebt.[„Minos“ 2626 ist nach wie vor der ungeschlagene Toptitel von Marcos M. Villatoro, doch „Manía“ ist ein würdiger Nachfolger.

|Originaltitel: A Venom Beneath the Skin
Aus dem Amerikanischen von Sigrun Zühlke
Taschenbuch, 318 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-63967-2|
http://www.knaur.de

_Marcos M. Villatoro bei |Buchwurm.info|:_

[„Furia“ 3870
[„Minos“ 2626

Covin, Alec – Rückkehr der Wölfe, Die

Fenryders Wölfe sind zurück. Die bösartige Geheimgesellschaft aus Alec Covins Debütroman „Die Augen der Angst“ treibt dieses Mal in New York ihr Unwesen und hofft, ihre Macht ausweiten zu können. Doch es gibt ein paar Leute, die vom Geheimnis der Wölfe wissen und vorhaben, sie zu zerstören …

Tim Molder, Privatdetektiv in New York, und seine Freunde, die durchsetzungsfreudige Sarah und der Künstler Forrest, wissen genau, dass Walter Skoll einer von Fenryders Wölfen ist. Er gibt sich großzügig als Kunstmäzen, aber in dem Gebäude, das er seine Stiftung nennt, scheint etwas Düsteres vorzugehen. Forrest wird dort hineingeschmuggelt. Als gefeierter Künstler soll er seine Werke ausstellen und zugleich hinter Walter Skoll herspionieren.

Gleichzeitig tritt Sarah mit Senator March in Kontakt, der den Ausschuss leitet, der sich mit Sekten beschäftigt und unter anderem auch Informationen über die Wölfe besitzt. Sie erfährt von ihm, dass momentan eine Operation geplant ist, deren eigentliches Ziel ungewiss ist. Sie soll an dem Tag ihren Höhepunkt finden, an dem Forrests Ausstellung eröffnet wird. Gemeinsam mit ihren Freunden und Jodie, einer Sekretärin der Stiftung, bereitet man sich gewissenhaft auf diesen Tag vor und rechnet mit dem Schlimmsten. Es scheint, als ob der mysteriöse Fenryder persönlich dafür sorgen möchte, dass die „Operation Dämon“ gelingt …

„Die Rückkehr der Wölfe“ möchte sich gern mit dem Attribut ’spannend‘ schmücken, aber so einfach ist das nicht, denn dieses Attribut muss man sich verdienen. Das gelingt Alec Covins Zweitling nur in Teilen. Der Aufbau der Geschichte ist recht flach und die Handlung wird dadurch, besonders am Anfang, seicht. Es fehlt an Spannung, fesselnden Ereignissen und überraschenden Wendungen. Die Geschichte plätschert vor sich hin und krankt manchmal an den absatzlangen Erklärungen zu historischen Details oder Erinnerungen. Diese sind nicht besonders geschickt eingefügt und ziehen das Buch unnötig in die Länge. Die wenigen Höhepunkte, welche die simpel gestrickte Geschichte zu bieten hat, finden sich am Ende, wo es dann tatsächlich spannend(er) wird. Es geschehen Dinge, die man so nicht erwartet hat, komplettiert durch ein Set an möglichen Verrätern, welche die Hauptfiguren – und auch den Leser im positiven Sinne – verwirren. Das finale Feuerwerk zündet zwar nicht wirklich, bringt das Buch aber zu einem versöhnlichen Ende.

Die Hauptfiguren der Geschichte entwickeln, ähnlich wie Handlung, zu wenig Tiefe, um mitreißend zu sein. Sie wirken eindimensional und ihre Gedanken und Gefühle hinterlassen wenig Eindruck. Sarah, Tim und Forrest sind noch nicht mal besonders trennscharf. Obwohl sich der Autor redlich bemüht, Tim als raubeinigen Außenseiter darzustellen, wirkt der Detektiv eher blass. Seine Charakterzüge kommen kaum zum Tragen, was letztendlich auch auf alle anderen Charaktere zutrifft.

Wenigstens der Schreibstil funktioniert bei Covin, der gern mit Stephen King verglichen wird. Locker, manchmal fast schon mit persönlicher Note und wortreich schildert er die Erlebnisse der drei Helden. Das Buch lässt sich schnell und flüssig lesen und hängt, im Gegensatz zur Handlung, nicht durch.

In der Summe ist „Die Rückkehr der Wölfe“ zwar nett geschrieben, hinterlässt aber trotzdem keinen bleibenden Eindruck. Dazu ist die Handlung zu flach, hat zu wenig spannende Momente und die Personen sind zu eindimensional.

|Originaltitel: États primitifs
Aus dem Französischen von Monika Buchgeister
477 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15933-8|
http://www.bastei-luebbe.de

_Alec Covin bei |Buchwurm.info|:_

[„Die Augen der Angst“ 4560

McFadyen, Cody – Böse in uns, Das

Wer das Treiben des amerikanischen Schriftstellers Cody McFadyen schon etwas länger verfolgt, für den ist die FBI-Agentin Smokey Barrett keine Unbekannte. Smokey hat in „Das Böse in uns“ bereits ihren dritter Auftritt und muss sich auch dieses Mal mit einem verzwickten Fall herumschlagen …

Lisa Reid, eine junge Frau, die früher ein Mann war und zudem einflussreiche Eltern in der Politik hat, wird während eines Flugs getötet. Erst als das Flugzeug gelandet ist, merkt man, dass Lisa nicht mehr lebt. Smokey und ihr Team bekommen den Fall, da aufgrund des Berufs der Eltern besondere Rücksichtnahme nötig ist. Nichts darf an die Presse, doch dann stellt sich heraus, dass der Mörder im Körper der Leiche ein Kreuz mit einer Zahl hinterlassen hat. Was hat das zu bedeuten? Die Zahl ist dreistellig – hat der Mörder etwa schon über hundert Tote auf dem Gewissen?

Tatsächlich findet man wenig später die Leiche einer weiteren Frau, einer ehemaligen Prostituierten. Smokey sucht nach Berührpunkten zwischen den Opfern. Es scheint, als ob sie alle ein düsteres Geheimnis verbergen würden. Kurz darauf nimmt der Mörder Kontakt zu den Ermittlern auf: über eine Videoplattform, ähnlich dem Portal |youtube|. Das Dumme dabei ist, dass er außerdem die Videos sämtlicher Morde in den letzten Jahren hochlädt und sich dieser Skandal im Internet natürlich rasend verbreitet. Die Ermittler stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie haben immer noch keine Spur, und nun droht der Täter damit, als nächstes ein Kind umzubringen …

„Das Böse in uns“ ist eines dieser Bücher, bei denen sich alles um die Hauptperson dreht. Smokey Barrett ist allerdings auch eine selten gute Protagonistin. Sie wirkt sehr eindrücklich und unglaublich realistisch, da sie durch ihren Beruf und einige harte Schicksalsschläge gezeichnet ist. Das sorgt dafür, dass sie sich zum einen sehr viele Gedanken über das Leben macht (und dabei auf einen großen Schatz von Erfahrungen zurückgreifen kann) und zum anderen eine sehr eigene, beinahe schon zynische Sicht der Dinge zugelegt hat. Gleichzeitig wird sie aber nie zu einseitig. Ein Hoffnungsschimmer bleibt immer. McFadyen hat eine schöne Balance zwischen der düsteren und hoffnungsvollen Seite seiner aus der Ich-Perspektive erzählenden Hauptperson gefunden, so dass der Leser sich gut mit ihr identifizieren kann.

Smokey schildert die Handlung also aus ihrer Sicht – auch wenn es einige, seltene andere Perspektiven gibt – und reichert diese daher mit sehr vielen Überlegungen und Meinungen zum Geschehen an. Der Thriller ist dadurch alles andere als objektiv, denn Smokey durchtränkt, wie bereits erwähnt, das ganze Buch mit ihrer starken Persönlichkeit. Da diese Abschweifungen trotz allem auf den Punkt kommen und nicht ausufern, behindern sie die spannende, geradlinige Handlung nicht. McFadyen schafft es, den Leser das ganze Buch über bei der Stange zu halten, indem er eine fesselnde Verbrecherjagd inszeniert. Gefüttert mit nur dem Nötigsten, fiebert der Leser mit der Heldin und ihren Leuten mit und folgt gebannt den einzelnen, häufig falschen Spuren.

Der Schreibstil des Autors hängt sehr eng mit der Hauptperson zusammen, da aus ihrer Ich-Perspektive erzählt wird. Genau wie Smokey ist die Geschichte dadurch manchmal zynisch, manchmal verletzlich, dann wiederum taff und aggressiv. McFadyens Umgang mit der Sprache ist elegant, ohne hochgestochen zu klingen. Er webt viele Sprichwörter und Redewendungen ein, was den Eindruck, Smokey direkt gegenüberzusitzen, zusätzlich verstärkt. Die Atmosphäre ist insgesamt recht düster und traurig, ganz wie die schicksalsgebeutelte Protagonistin, versinkt aber nicht in einem Tränenmeer.

„Das Böse in uns“ von Cody McFadyen ist ein rundherum gelungener Thriller mit einer spannenden Handlung, einer entsprechenden Grundstimmung und einer tollen Protagonistin. Der Roman ist zwar nicht unbedingt die originellste Kost – Serienmörder kommen ja mittlerweile in fast jedem amerikanischen Thriller vor -, lässt sich aber leicht lesen und bereitet Freude.

|Originaltitel: The darker side
Aus dem Englischen von Axel Merz
445 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3-7857-2339-5|
http://www.luebbe.de
http://www.codymcfadyen.com

_Cody McFadyen bei |Buchwurm.info|:_

[„Die Blutlinie“ 3120
[„Der Todeskünstler“ 4473

Kane, Andrea – Angsttage

Blut ist dicker als Wasser – aber ist es so dick, dass man dafür morden würde? Andrea Kane beantwortet diese Frage in ihrem Roman „Angsttage“ auf anschauliche Art und Weise.

Sally Montgomery ist eine tierliebe Kindergärtnerin, die für ihre Zähigkeit und Freundlichkeit bekannt ist. Sie hat drei erwachsene Kinder und widmet ihre Zeit vor allem ihren Tieren. Als der reiche Unternehmer Frederick um ihre Aufmerksamkeit buhlt, gibt sie sich erst bescheiden, lässt sich aber dann doch von ihm dazu überreden, einen Wochenendtrip in die Berge zu machen. Doch dieser endet in einer Katastrophe.

Frederick wird erschlagen und verbrennt zusammen mit ihrer Hütte, Sally kann gerade so flüchten. Ihr wird schnell klar, dass es nicht besonders schlau wäre, zuhause aufzutauchen, wenn der Mörder Fredericks ihr noch auf den Fersen sein könnte – und wenn die Polizei sie verdächtigt, den Brand gelegt zu haben. Verzweifelt meldet sie sich bei ihrer ältesten Tochter Devon, die sofort Sallys Ex-Mann und ihren Vater Monty darüber informiert.

Monty, ein ehemaliger Cop, arbeitet als Privatermittler, und trotz der Trennung liebt er Sally immer noch. Er schwört Stein und Bein, die Täter zu finden, damit Sally nach Hause kommen kann. Mithilfe von Devon beginnt er, Fredericks Familie, die schwerreichen Piersons, auszuspionieren. Er glaubt, dass die Wurzel allen Übels dort zu finden ist. Und tatsächlich scheinen einige Familienmitglieder mehr zu wissen, als sie zugeben …

Andrea Kanes Geschichte strotzt nicht unbedingt vor Originalität. Die Handlung, die sie erzählt, ist nicht die erste, die sich mit den Machenschaften eines Familienclans auseinandersetzt, und hat dieser Thematik auch nichts Neues hinzuzufügen. Dass die Geschichte nicht so einfach zu durchschauen ist, hängt vor allem damit zusammen, dass die Autorin es versteht, falsche Spuren auszulegen und ihre Personen in Ungereimtheiten zu verstricken. Der Leser fragt sich beinahe automatisch, wer denn nun hinter der ganzen Sache stecken könnte. Da es nur eine begrenzte Anzahl verdächtiger Personen gibt, ist das Rätselraten einfach – und trotzdem kommt das Ende überraschend, wirkt aber nicht an den Haaren herbeigezogen.

Auch wenn Kane nicht viel Zeit darauf verwendet, einen großartigen, spannungsgeladenen Plot zu entwerfen, weist die Geschichte einige nette Wendungen auf und ist stellenweise sogar fesselnd. An und für sich ist „Angsttage“ aber zu breit angelegt, um wirklich mitreißend zu sein. Das Privatleben der Figuren nimmt zu viel Platz ein beziehungsweise Kriminalfall und Privatleben werden zu stark vermischt. Das ist vor allem bei Devon der Fall, die eine Affäre mit einem der Piersons beginnt. Des Weiteren wirkt Montys Ermittlergeschick häufig überstürzt. Er löst einige Ungereimtheiten zu schnell auf, was weder der Geschichte noch der Person des Monty gut tut.

Davon einmal abgesehen, sind die restlichen Figuren durchweg gelungen. Es handelt sich um bodenständige Menschen, die sehr optimistisch und freundlich sind. Sie sind gut ausgearbeitet und man kann sich mit ihnen identifizieren; was aber letztendlich störend ist, ist der Mangel an Ecken und Kanten, an düsteren Geheimnissen. Negative Gefühle findet man bei den Montgomerys selten. Diese Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität wird dem einen oder anderen vielleicht sauer aufstoßen, auch wenn Andrea Kane ansonsten saubere Arbeit geleistet hat.

Mit ihrem Schreibstil verhält es sich ähnlich. Auch dieser ist locker-luftig und insgesamt sehr optimistisch. Kane schreibt flüssig, leicht lesbar und verplaudert sich dabei an der einen oder anderen Stelle. Sie schweift aber glücklicherweise nie zu weit ab, sondern polstert die Geschichte dadurch unterhaltsam auf. Spaß machen auch die kleinen Neckereien zwischen den Hauptfiguren, die lebendig und realistisch wirken und manchmal sogar zum Lachen animieren.

„Angsttage“ ist kein straff durchkomponierter, hochspannender Thriller, sondern eher die Familienvariante davon. Nett, beschaulich, aber trotzdem gut geschrieben und sorgfältig aufgebaut. Andrea Kanes Geschichte ist sicherlich nicht für jeden etwas, wird ihren Leserkreis aber finden.

|Originaltitel: Wrong Place, Wrong Time
Aus dem Englischen von Karin Meddekis
444 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15916-1|
http://www.bastei-luebbe.de

Higgins Clark, Carol – Alptraum in Weiß

Carol Higgins Clark ist ein Teil des schreibenden Mutter-Tochter-Duos Higgins Clark. Dass sie auch alleine erfolgreich sein kann, hat sie schon längst bewiesen. Mit „Alptraum in Weiß“ erscheint bereits der achte Band um die Privatdetektivin Regan Reilly, die in nächster Zeit eigentlich etwas anderes im Sinn hatte als zu ermitteln …

Regan Reilly steht kurz davor, ihren Verlobten Jack, Ermittler bei der New Yorker Polizei, zu heiraten. Doch leider kommt ihr etwas Unvorhergesehenes dazwischen: Ihr Brautkleid, das von den hippen Jungdesignern Alfred und Charisse geschneidert wurde, wurde gestohlen, zusammen mit zwei anderen Kleidern. Ein weiteres wurde zerrissen und blutbeschmiert zurückgelassen, die Designer wurden geknebelt und mussten zusehen, wie ihr Safe ausgeraubt wurde. Eine tragische Geschichte, bei der es glücklicherweise keine Verletzten gab – doch verärgerte Bräute sind beinahe genauso schlimm.

Die eine, Brianne, schäumt vor Wut und möchte die Täter am liebsten eigenhändig erwürgen, und Tracy droht, die Designer zu verklagen, doch die anderen beiden Frauen zeigen sich seltsam ungerührt. Regan beginnt mit der Suche nach den Verbrechern und konzentriert sich dabei auf die armen Aprilbräute. Ob sie einen Grund hätten, die eigene Hochzeit zu sabotieren, oder gibt es jemanden in ihrem Umfeld, der so etwas geplant haben könnte? Es stellt sich heraus, dass die zukünftigen Ehen nicht immer so fest sind, wie sie scheinen. Tracys Fast-Gatte kommt der Diebstahl ganz gelegen und er macht einen Rückzieher, während sich bei der Braut Shauna herausstellt, dass ihre Motive ganz anderer Natur sind … Gemeinsam mit Jack, der nebenbei noch eine Serie von Bankraubüberfällen zu lösen hat, kommt die clevere Regan den Tätern auf die Spur …

Der Titel des Buches erinnert weniger an einen Krimi als vielmehr an einschlägige Frauenlektüre. Diese Assoziation ist von der Wahrheit nicht besonders weit entfernt. Carol Higgins Clark hat keinen fesselnden Thriller geschrieben, sondern einen leicht verdaulichen Vorabendkrimi für das weibliche Geschlecht, ohne Leichen und ohne Action. Regans Privatleben drängt sich häufig sehr in den Vordergrund, und nicht alle Abschnitte haben auch immer einen direkten Bezug zum zu lösenden Kriminalfall. Diesen gestaltet die Autorin sehr einfach. Einen stufenweisen Spannungsaufbau gibt es nicht. Stattdessen werden während der Geschichte neue Handlungsstränge begonnen und es kommt zu teilweise nicht besonders realistischen Auflösungen einiger anderer Handlungsenden. Neben der Entführung der Brautkleider geht es um den Bankraub, ein Hochstaplerpärchen, lügende Verlobte und eine vermisste Frau, die zufällig die Freundin eines der Diebe ist. Möchte man die Handlung des Buches mit wenigen Adjektiven beschreiben, wären simpel, seicht und unrealistisch bestimmt darunter.

Trotzdem muss man der Autorin lassen, dass das, was sie erzählt, nett verpackt ist. Sie erschafft eine stimmige Atmosphäre, in der es manchmal amüsant zugeht, die aber nie bissig oder bösartig wirkt. Alle sind sehr freundlich, was dazu führt, dass einige der Figuren stereotyp wirken. Higgins Clark skizziert zwar Eigenschaften und Benehmen der Personen, geht aber selten in die Tiefe. Stattdessen greift sie an der einen oder anderen Stelle auf Klischees zurück, die sie aber ansprechend einzusetzen weiß. Es ist schwierig, der Autorin deswegen böse zu sein, weil die Figuren doch immer liebenswerte Züge aufweisen und so nett beschrieben werden, dass man sie irgendwie ein bisschen mögen muss. Sie sind einfach gestaltet, aber das hat den Vorteil, dass man sie leicht versteht und nicht viel Konzentration in sie investieren muss.

„Alptraum in Weiß“ ist trotz des Titels alles andere als furchteinflößend. Es handelt sich um eine nette kleine Geschichte, die weniger Krimi als vielmehr nette Frauenunterhaltung ist. Das, was passiert, ist zwar ganz amüsant, aber nicht unbedingt realistisch und sicherlich nicht für jeden etwas. Den einen wird das Buch zu seicht sein, die anderen werden es gerade wegen der Kürze und inhaltlichen Abgeschlossenheit lieben.

|Originaltitel: Hitched
Aus dem Englischen von Julia Walther
332 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-548-26948-1|
http://www.ullstein-taschenbuch.de
http://www.carolhigginsclark.com

Chaplet, Anne – Schrei nach Stille

Der Kinofilm „Der Baader-Meinhof-Komplex“ hat im Herbst 2008 für Furore gesorgt und lässt die 1960er Jahre lebendig werden. Anne Chaplet, ihres Zeichens eine der bekanntesten deutschen Krimiautorinnen, legt mit ihrem neuen Kriminalroman „Schrei nach Stille“ nach. Sie hat zwar nicht die RAF im Blickpunkt, setzt sich dafür aber mit dem Jahr 1968 und dem Sommer der Liebe auseinander.

Vierzig Jahre nach dem Sommer der Liebe hat sich in Klein-Roda, der Wahlheimat von Chaplets Helden Paul Bremer, nur wenig geändert. Es ist nach wie vor ruhig und beschaulich und ein bisschen verschlossen, als er von einer langen Reise mit seiner Freundin Anne zurückkehrt. Fremde mag man noch immer nicht besonders gerne in dem kleinen hessischen Dorf, wie Sophie Winter erfahren muss, die neu in eines der Häuser in der Siedlung eingezogen ist. Niemand möchte Kontakt mit der erfolgreichen Schriftstellerin haben, deren Debüt „Summer of Love“ auf Platz eins sämtlicher Bestsellerlisten stand und mittlerweile verfilmt wird.

Das findet sie selbst aber nicht besonders schade, denn sie hat genug damit zu tun, gegen die Dämonen ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Der „Summer of Love“ ist nämlich nicht ohne Spuren an ihr vorbeigezogen. Ihre Vergangenheit ist enger mit Klein-Roda verbunden, als man glaubt. Außerdem hat sie mit Gedächtnislücken zu kämpfen und glaubt, verfolgt zu werden – von einer realen Person.

Tatsächlich scheint es, als ob es jemand auf sie abgesehen hätte. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen, unter anderem wird ihr Auto sabotiert. Paul Bremer, hilfsbereit wie immer, versucht sich um die Frau zu kümmern, auch wenn sie seine Hilfe abweist. Da erfährt er, dass vor vierzig Jahren in Klein-Roda eine junge Frau verschwunden ist, die nie gefunden wurde – und dass die Dorfbewohner bei dem Verschwinden des zugezogenen Mädchens keine geringe Rolle spielten … Ganz nach seiner Art beginnt Paul, in der Vergangenheit herumzustochern und bringt dabei einiges zutage …

Das Lob und die Preise, die Anne Chaplet bisher eingeheimst hat, kommen nicht von ungefähr. Bereits auf den ersten Seiten merkt der Leser, dass er es hier nicht mit einem einfachen, faden Krimi zu tun hat, sondern mit mehr. Der Erzählstil und die Personengestaltung, die bei anderen Autoren nur als Bewertungskriterium herangezogen werden, nehmen in ihrem Roman einen eigenen Platz neben der Handlung ein. „Schrei nach Stille“ ist nämlich ein ungewöhnlich vielschichtiger Krimi, der einen literarischen, bildreichen Stil mit einer spannenden Handlung und der ein oder anderen Persönlichkeitsstudie verbindet.

Die Handlung ist dabei die eine Sache. Sie besteht aus mehreren Strängen, die am Ende gekonnt ineinander übergehen, ohne dass dies zu weit hergeholt wirkte. Als übergreifendes Motto dient der Sommer ’68, und es ist bewundernswert, wie konsequent die Autorin dies durchhält. Neben der Perspektive von Paul Bremer, der Stammlesern bekannt sein wird, kommen unter anderem einige Dorfbewohner, Sophie Winter und der Frankfurter Polizist Giorgio DeLange zu Wort, und alle haben etwas über den Sommer der Liebe zu sagen. Was genau, das offenbart sich erst mit der Zeit. Anne Chaplet schafft es, die Spannung der Geschichte immer wieder zu steigern, und sorgt durch die Person der Sophie Winter dafür, noch ein bisschen Verwirrung zu stiften. Deren Gedächtnislücken und ihre Angst, verfolgt zu werden, bringen den Leser immer wieder auf eine falsche Fährte. Besonders am Anfang ist noch nicht ganz klar, ob sie nun verrückt ist oder ob die Dinge wirklich passieren, und dies sorgt dafür, dass man das Buch nicht so schnell aus den Händen legt.

Die Personen in „Schrei nach Stille“ sind so gut ausgearbeitet, dass jede von sich aus einen ganzen Roman fühlen könnte. Über Paul Bremer muss man nicht mehr viel sagen. Er ist, als Zugezogener, für die augenzwinkernd-kritische Betrachtung des Dorfes Klein-Roda zuständig und erfüllt diese Aufgabe wie immer mit Bravour. Bodenständig und stets hilfsbereit, manchmal nachdenklich präsentiert sich Chaplets Held auch bei seinem siebten Abenteuer sympathisch und neugierig wie immer. Die Figur der Sophie Winter dagegen wird als zerrissene, von ihrer Vergangenheit gequälte Frau dargestellt, deren Leben in Scherben liegt. Unpathetisch, aber unglaublich eindrücklich, stellenweise sogar bedrückend schildert die Autorin das Leben und die Gedanken der Frau, ohne zu dick aufzutragen oder den Fortgang der Geschichte zu stören.

Am überraschendsten ist allerdings Giorgio DeLange, Opernliebhaber, alleinerziehender Vater zweier pubertärer Töchter und Meister des inneren Monologs. Sarkastisch und manchmal beinahe schon bissig schildert er seinen Alltag als Schreibtischpolizist bei der Pressestelle der Frankfurter Polizei. Sein wachsames Auge erfasst dabei viele amüsante Details des Alltags, spöttelt über das Verhalten der halbwüchsigen Töchter und darüber, wie es ist, als Berater bei einem Film beteiligt zu sein. Dieser Film heißt im Übrigen „Summer of Love“ und sorgt dafür, dass DeLange die verschreckte Sophie Winter kennenlernt. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht DeLanges letzter Auftritt war, denn seine Kommentare sind wirklich köstlich!

Die dritte wichtige Komponente in diesem Buch ist der Schreibstil, der für einen Kriminalroman unglaublich lebendig und literarisch daherkommt. Die Autorin hält sich nicht an Genregrenzen auf. Man merkt, dass es ihr wichtiger ist, ein durch und durch gutes Buch schreiben anstatt ’nur‘ einen spannende Krimi abzuliefern. Das zeigt sich schon an ihren sorgfältigen Personenzeichnungen, die viel Raum einnehmen, und ist eben auch an ihrem Schreibstil erkennbar. Sie benutzt einen sehr großen, breit gefächerten Wortschatz, mit dem sie immer wieder Akzente setzt. Sie spielt mit Satzbau und rhetorischen Stilmitteln und versucht, die einzelnen Perspektiven auch stilistisch voneinander abzusetzen. Während Paul Bremers Abschnitte gemäß seinem Wesen eher nüchtern und abgeklärt, manchmal aber auch belustigt wirken, sind die der Sophie Winter geprägt durch ihre Verwirrtheit und ihre Ängste. Abgehackte Sätze, eingestreute Erinnerungen, die verschnörkelte, metaphernreiche Umschreibung von Sophies Gedanken sorgen häufig für Gänsehaut und auch dafür, dass der Leser versteht, was in Sophies Kopf vorgeht. DeLanges Perspektive dagegen fällt aus dem Rahmen, was anfangs befremdlich wirkt, dann aber schnell zu einem dicken Pluspunkt wird. Die Form des inneren Monologs ist in diesen kleinen Dosen sehr erfrischend und sorgt vor allem ob des humoristischen, bittersüßen Tonfalls für Abwechslung.

Was bleibt am Ende noch zu sagen zu „Schrei nach Stille“? Eigentlich nicht viel. Außer dass Anne Chaplet ruhig noch einen Deutschen Krimipreis erhalten sollte.

|331 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-471-77282-9|
http://www.list-verlag.de
http://www.anne-chaplet.de

_Anne Chaplet bei |Buchwurm.info|:_
[„Russisch Blut“ 2713