Alle Beiträge von Maren Strauss

Pearson, Ridley – blinde Tod, Der

Das Timing hätte nicht passender sein können. Im November standen gerade in den Vereinigten Staaten die Präsidentschaftswahlen an. „Der blinde Tod“ von Ridley Pearson ist eine optimale Lektüre zum Thema – wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Die fiktive Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Shaler soll nämlich Opfer eines Anschlags werden, und den gilt es nun zu verhindern.

Walt Fleming ist ein junger Streifenpolizist auf der Suche nach einem abenteuerlichen Einsatz, als er Generalstaatsanwältin Elizabeth Shaler eines Abends knapp vor einem Anschlag rettet. Acht Jahre später ist Walt der Sheriff von Blane County und an dem Wochenende, an dem Elizabeth auf einer Versammlung ihre Kandidatur als Präsidentin bekanntgeben möchte, für deren Sicherheit zuständig.

Dem FBI ist nämlich zu Ohren gekommen, dass erneut ein Anschlag auf die Politikerin geplant ist. Das Security-Aufgebot ist entsprechend hoch, doch es mehren sich die Beweise, dass der Killer sich schon längst in Sun Valley befinden könnte. Der Leser, der den Ermittlern immer ein wenig voraus ist, weiß, dass dies eine Tatsache ist, denn er begleitet den Kriminellen Milav Trevalian auf Schritt und Tritt bei seinen Vorbereitungen für den Anschlag. Er weiß, dass Trevalians Plan vielleicht nicht glattgelaufen, der gute Mann aber kaum aufzuhalten ist. Seine Methoden sind zu gewieft und zu brutal …

Ridley Pearson wird auf der Buchrückseite von den Kollegen James Patterson und Lee Child enthusiastisch gefeiert. In dieses Loblied kann die Rezensentin nur bedingt einstimmen. Bereits der Einstieg in die Geschichte läuft nicht ohne Probleme ab. Trotz des Prologs, der erklärt, in welchem Verhältnis Walt zu Elizabeth Shaler steht, wird dem Leser nicht genug Hintergrundwissen zur Verfügung gestellt. Es ist schwierig zu durchschauen, wer die aufgeführten Personen sind, worin ihre Funktion besteht und auf wessen Seite sie stehen. Es werden zu viele Charaktere auf einmal eingeführt und das noch nicht einmal besonders sorgfältig. Dadurch hat man über weite Strecken richtiggehend Verständnisschwierigkeiten. Trotzdem hat „Der blinde Tod“ seine spannenden Momente. Diese finden sich vor allem dort, wo die Handlung ausbricht und nicht mehr stur dem Schema folgt, das ihr zugrunde zu liegen scheint.

Dem Buch mangelt es außerdem an Menschlichkeit. Es ist schwierig, Zugang zu den einzelnen Personen zu finden. Nur bei wenigen spielen Emotionen überhaupt eine Rolle, zum Beispiel bei Walt, der mit der Scheidung von seiner Frau und deren neuen Flamme – ein Kollege von ihm – sowie mit seinem trinkenden Vater zu kämpfen hat. Die Einblicke in seine Seele sind jedoch so rar gestreut, dass sie kaum auffallen, und ihr Beitrag zum Buch gering bleibt. Im Endeffekt bleiben die einzelnen Charaktere dadurch sehr schemenhaft, und bei einigen fällt es schwer, sie voneinander zu unterscheiden.

Der Schreibstil hat es auch nicht unbedingt einfach. Pearson schreibt sehr reduziert. Viele Beschreibungen lässt er weg, weshalb das Verständnis erschwert wird. Er bringt wenig Leben in seine Worte, sondern erzählt die Geschichte nüchtern und beinahe ein wenig steif. Das macht den Zugang zu diesem Thriller nicht einfacher.

Ridley Pearsons Buch über einen geschickten Killer und seinen Gegenspieler, den eifrigen Sheriff Walt Fleming, hält leider nicht das, was eine solche Kombination verspricht. Die Handlung ist unübersichtlich und teilweise unverständlich, die Charaktere haben wenig Leben in sich und der Schreibstil ist unbeweglich und besitzt wenig Tiefgang. Es gibt eindeutig lesenswertere Bücher.

|Originaltitel: Killer Weekend
Aus dem Englischen von Joachim Honnef
316 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15911-6|
http://www.bastei-luebbe.de

_Ridley Pearson bei |Buchwurm.info|:_

[„Die letzte Lüge“ 1602
[„Die einsamste Stunde“ 4273

Sheldon, Sidney – Blutspur

Sidney Sheldon, der 2007 verstorbene, amerikanische Bestsellerautor, kam erst spät zur Schriftstellerei. Er begann als Drehbuchautor, unter anderem am Broadway, ist heute aber vermutlich eher durch seine Thriller bekannt. Einer davon, „Blutspur“, wurde bei |Ullstein| nun neu aufgelegt.

Auf den Schultern von Elizabeth Roffe lastet ein schweres Erbe, nachdem ihr Vater bei einer Bergtour ums Leben gekommen ist. Er war der Leiter des global agierenden Familienunternehmens für Pharmazeutika, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Struktur schon oft Grund für Ärger geboten hat. Es handelt sich dabei nämlich um ein reines Familienunternehmen. Fremden ist es nur durch Heirat in die Familie möglich, eine Stimme und Aktienanteile zu erhalten, wobei man Letztere wiederum nicht veräußern darf. Dumm nur, dass sämtliche Mitglieder des Direktoriums, alles Mitglieder der Familie Roffe, Geldprobleme haben und nichts lieber täten, als die Anteile zu veräußern.

Sam Roffe war derjenige, der sich die ganze Zeit in seiner Funktion als Vorsitzender des Unternehmens dagegen sträubte, etwas an der alten Satzung zu verändern. Sein Tod kommt einigen Mitgliedern des Direktoriums daher nur recht, hoffen sie doch, nun endlich an Geld zu gelangen. Doch wider Erwarten entscheidet sich Elizabeth, die bislang nur wenig mit den Geschäften zu tun hatte, dagegen, das Erbe ihres Vaters abzutreten, und übernimmt selbst die Leitung des Unternehmens. Ihr Plan: Alles bleibt so, wie es ist, denn sie ahnt, dass irgendjemand im Direktorium darauf lauert, endlich die Aktien verkaufen zu können. Doch dieser Entschluss soll sich als lebensgefährlich für sie herausstellen …

„Blutspur“ verfügt über einen sehr ungewöhnlichen Aufbau für einen Thriller. Er orientiert sich nicht an der üblichen Spannungskurve, sondern beginnt, im Gegenteil, damit, die Situation der einzelnen Direktoriumsmitglieder in einzelnen Kapiteln darzustellen. Sheldon schlüpft dazu als Autor in vier Perspektiven in vier Städten und rekonstruiert eigenständige Hintergrundgeschichten, die mit der Handlung selbst nicht besonders viel zu tun haben. Im Anschluss berichtet er wiederum davon, wie Elisabeth im Schatten ihres Vaters erwachsen wird und ein Büchlein findet, in dem der Gründer des Familienunternehmens seinen Aufstieg beschreibt.

Und der Zusammenhang zur Geschichte? Nun, der ist in den meisten Fällen zwar gegeben, aber nicht immer. Anders als erwartet, stört dieses Drumherum aber nicht, da es erzählerisch sehr schön gestaltet wird. Dass das Buch erst wesentlich später in Gang kommt, fällt dank der schriftstellerischen Leistung kaum auf, auch wenn die eigentliche Krimihandlung recht kurz geraten ist. Die Suche nach dem Täter ist trotzdem spannend, da das umfassende Hintergrundwissen den Leser zu Verdächtigungen verführt. Wer letztendlich der Verdächtige ist, ist an keinem Punkt der Geschichte vorhersehbar, und das, obwohl die Anzahl von möglichen Tätern gering ist. Auch wenn es zuerst nicht so wirkt, aber tatsächlich schafft Sidney Sheldon es, mit wenigen Mitteln eine sehr spannende Mördersuche zu inszenieren, die den Leser in ihren Bann schlägt.

Die Personen sind aufgrund der umfassenden Einführung sehr gut ausgestaltet. Ihre Motive werden klar gemacht und ihre besonderen Charakterzüge gut hervorgehoben. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass der eine oder andere Charakter ein wenig zu sehr in bereits vorgefertigte Kerben schlägt. Da wäre der arme Ehemann, der unter einer sex- und herrschsüchtigen Gattin leidet, der blendend aussehende Skilehrer, der sich eine Erbin angelt, der unglückliche Reiche, der sich in ein liederliches Mädchen verliebt, dem das Landleben viel zu bieder ist – Sheldon verwendet an solchen Stellen Stereotype, die in der Masse, in der sie auftreten, einfach zu viel sind. Hinzu kommt, dass seine Charaktere sich ständig mit Sex beschäftigen – und zwar in allen erdenklichen Ausformungen. Davon ausgenommen sind eigentlich nur zwei: Elizabeth und Rhys Williams, die rechte Hand von Sam Roffe. Die beiden haben von allen auftretenden Personen am wenigsten Dreck am Stecken, so dass man in diesem Zusammenhang durchaus von den Guten und von den Bösen sprechen kann.

Zu den Guten gehört übrigens auch der Schreibstil von Sidney Sheldon. Leichtfüßig und elegant, eher belletristisch erzählt Sheldon und ermöglicht dadurch paradoxerweise, dass sich das Buch so spannend lesen lässt. Die vielen Nebensächlichkeiten werden dadurch anschaulich verpackt und mit der Haupthandlung verbunden, was an und für sich eine Meisterleistung ist. Ein anderer Schreibstil hätte das Buch sonst leicht zu einer Nullnummer werden lassen können.

Sidney Sheldon neu aufzulegen, ist demnach völlig gerechtfertigt. Der kunstvoll gewobene Plot sucht seinesgleichen und der Schreibstil erweist sich als leicht lesbar und wunderbar locker. Einziger Wermutstropfen sind die Klischees in der Figurenzeichnung, doch ansonsten ist „Blutspur“ ein Thriller, der mit jüngeren Veröffentlichungen ohne Probleme mithalten kann.

|Originaltitel: Bloodline
Aus dem Englischen von Martin Lewitt
445 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-548-26964-1|
http://www.ullstein-taschenbuch.de

Saintcrow, Lilith – Teufelsbraut (Dante Valentine – Dämonenjägerin 1)

Die Erfahrung, dass man mit dem Teufel nicht handeln sollte, hat bereits Dr. Faust gemacht. Dante Valentine, die Heldin von Lilith Saintcrows Dark-Fantasy-Roman „Teufelsbraut“, schreckt aufgrund ihres unerschrockenen Naturells nicht davor zurück, einen Auftrag von Luzifer anzunehmen. Das wird sie allerdings schnell bereuen …

Dante Valentine lebt in einer Welt, in der magische Wesen und Menschen, die mit Magie umgehen können, weit verbreitet sind. Sie selbst ist eine so genannte Nekromantin, das heißt, sie kann Tote für eine bestimmte Zeit zum Leben erwecken, um beispielsweise Erbrechtsfragen oder die Identität der Opfer zu klären. An und für sich ist die junge Frau aber auch für jeden anderen Job zu haben, denn die Hypothek für ihre Wohnung muss irgendwie zurückgezahlt werden.

Eines Abends steht ein Dämon vor ihrer Haustür und zwingt sie, ihm zu seinem Herren Luzifer in die Hölle zu folgen. Der Teufel höchstpersönlich möchte Dante sprechen und erteilt ihr den Auftrag, den auf der Erde wütenden Dämonen Santino zu vernichten und das Artefakt, das dieser gestohlen hat, in die Hölle zurückzubringen. Darüber hinaus hat sie auch ein persönliches Interesse an Santinos Vernichtung: Der Dämon hat ihre beste Freundin Doreen auf dem Gewissen und Dante will ihren Tod rächen.

Allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass Luzifer darauf besteht, ihr den Dämonen, der bei ihr angeklopft hat – den geheimnisvollen Japhrimel -, zur Seite zur stellen. Sie ist eine Einzelkämpferin und will Santino alleine erledigen. Doch sie hat nicht mit ihren Freunden und der Macht des abtrünnigen Dämons gerechnet …

Lilith Saintcrows Roman fällt aus dem Rahmen der aktuellen Mode von Vampirromanen, denn es gibt keinen einzigen Blutsauger in ihrer Geschichte. Sie löst sich von den Vorstellungen, die man mit Dark Fantasy im Allgemeinen derzeit verbindet und erschafft eine ganz eigene Welt, die neben ihrer sauberen Ausarbeitung durch ihre Originalität besticht. Es kommt sehr viel Magie in verschiedenen Formen vor und sie hat verschiedene Arten von Menschen mit jeweils unterschiedlichen Kräften entworfen. Andere Lebewesen spielen kaum eine Rolle, insgesamt ist alles sehr menschlich gehalten, nur eben „menschlich“ in anderem Sinne. Saintcrow hat sich zudem eine komplette Historie für ihre Welt ausgedacht und reichert das Ganze mit ausgefeilten Science-Fiction-Elementen wie Hightech-Waffen und -transportfahrzeugen an. Der Schauplatz, den die Autorin entwirft, ist auf den ersten Blick so fremd, dass man tatsächlich eine Weile braucht, um sich darin zurechtzufinden. Glücklicherweise gibt es am Ende des Buches ein umfassendes Glossar, welches das Verständnis erleichtert, auch wenn es nicht ganz vollständig scheint.

Vor dieser außergewöhnlichen Kulisse wird eine Geschichte angesiedelt, welche die Coolness eines amerikanischen Agententhrillers besitzt und die düstere Stimmung eines Mafiafilms. Diese Atmosphäre ist eigentlich Grund genug, um das Buch nicht so schnell zuzuschlagen, aber tatsächlich kreiert Saintcrow eine überaus spannende Handlung, die flott voranschreitet und so gut wie keine Längen aufweist. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, die neue, unerwartete Ereignisse in der dem Leser fremden Welt hervorbringen. Man weiß nie, was einen erwartet, und die Autorin weiß damit gut zu spielen. Leider wird sie gegen Ende der Geschichte ein wenig zu schnell, was das Erzähltempo angeht. Die große Schlacht im Finale wird rasch abgehandelt, hätte aber gerne etwas umfassender und vor allem detaillierter beschrieben sein können.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die junge Dante Valentine, die frech und angriffslustig ist. Sie ist alles andere als ein guter Mensch, denn sie ist nachtragend und greift gerne und schnell zu ihrer Waffe, einem magisch aufgeladenen Schwert. Trotzdem ist sie sehr sympathisch, da jede ihrer Handlungen verständlich erklärt wird. Sie ist die Erzählerin und berichtet aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen. Insgesamt konzentriert sich die Autorin stark auf die Gegenwart von Dante. Die Vergangenheitserlebnisse, die interessant gewesen wären, werden häufig sehr schnell erzählt – leider. Gerade ihre Kindheit und Jugend wären die eine oder andere ausgefallene Episode wert gewesen. Immerhin ist Dante unter anderen Umständen großgeworden als ihre Leser. An dieser Stelle versäumt Saintcrow es, mehr in die Tiefe zu gehen. Da dies aber das erste Buch einer Reihe ist, wird man später vielleicht noch in den Genuss weiterer Erinnerungen kommen.

Die Nebenfiguren werden natürlich durch die Augen der Protagonistin betrachtet. Ihre gute Auffassungsgabe und ihr teilweise scharfes Vokabular sorgen dafür, dass die Charaktere gut beschrieben werden. Da es nur eine begrenzte Anzahl von ihnen gibt, sind sie einfach zu unterscheiden, und vor allem die Erdhexe Eddie sorgt immer wieder für den einen oder anderen Lacher. Dantes Erzählstil ist genauso frech wie sie selbst, aber trotzdem gewandt und treffsicher. Sie wird ab und an etwas vulgär, aber da sie als temperamentvoll geschildert wird, passt es genau ins Schema. Insgesamt ist das Buch sehr flüssig geschrieben und begeistert durch die leichte Verständlichkeit.

„Teufelsbraut“ zieht den Leser in den Bann und gibt ihn erst nach über 400 Seiten wieder frei. Lilith Saintcrow – im Übrigen der echte Name der Autorin und kein Pseudonym – hat eine originelle und interessante Welt geschaffen, in der sie eine rasante Geschichte um eine junge Frau auf einem Rachefeldzug ansiedelt. Trotzdem lässt sie Platz für ruhige Momente, so dass man nebenbei Dante Valentine, von der in Deutschland bald weitere Bände veröffentlicht werden sollen, kennen und lieben lernt.

|Originaltitel: Working for the Devil
Übersetzt von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
Broschiert, 429 Seiten
ISBN-13: 978-3-8025-8175-5|
http://www.egmont-lyx.de
http://www.lilithsaintcrow.de

Sallis, James – Deine Augen hat der Tod

Der amerikanische Autor James Sallis wurde für seinen Thriller „Driver“ gerade mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet. Der Münchner Verlag |Liebeskind| veröffentlicht nun einen weiteren, deutlich älteren Roman des Autors. „Deine Augen hat der Tod“ erschien bereits 1997 als amerikanische Originalausgabe, also deutlich vor „Driver“. Die Frage, die bleibt, ist, ob Sallis damals auch schon so gut schrieb, dass das Ergebnis eine solche Auszeichnung rechtfertigt.

Hauptperson der Geschichte ist David, ein ehemaliger Geheimagent, der sich zur Ruhe gesetzt hat und ein friedvolles Leben mit seiner Freundin Gabrielle verbringt. Eines schönen Morgens erhält er einen Anruf seines ehemaligen Arbeitgebers, der ihn darum bittet, einen Agenten namens Luc Planchat zu eliminieren.

Planchat gehörte zum selben Ausbildungsjahrgang wie David und hat sich ebenfalls von der Agentur losgesagt. Trotzdem wurde er weiter beobachtet, und es scheint, als ob es in Planchats Leben ein paar Unregelmäßigkeiten gibt. Mysteriöse Mordfälle werden ihm in die Schuhe geschoben, und da Planchat zu den Besten gehörte, ist es nur schwer möglich, ihn aufzutreiben. Nur einer kann das: David. Obwohl er lieber weiterhin in Ruhe leben möchte, macht er sich auf den Weg. Er durchquert halb Amerika auf der Suche nach einem Phantom und kommt dabei immer wieder in heikle Situationen. Er weiß, er wird verfolgt, aber genau das wollte er erreichen …

„Deine Augen hat der Tod“ ist ein sehr komplexer Roman. Obwohl die Handlung ein wenig wie ein Roadmovie anmutet – und die Geschichte auch Züge davon aufweist -, handelt es sich letztendlich eher um die Charakterstudie eines Mannes, der von seiner Vergangenheit verfolgt wird und anstatt dagegen anzukämpfen eher resigniert wirkt. Auf noch nicht mal zweihundert Seiten packt der Autor neben dieser Charakterstudie außerdem eine überaus komplexe Handlung sowie Davids persönliche Gedanken und Erinnerungen – eigentlich Stoff für ein Buch, das mindestens doppelt so dick ist, und genau das ist des Pudels Kern.

Sallis reduziert alles, was die Geschichte ausmacht, auf das Nötigste. Beschreibungen von Situationen sind selten, die Schauplätze werden zumeist nur umrissen. Während Letzteres keinen wirklich störenden Effekt hat, sondern aufgrund seiner Intensität Lob verdient, ist Ersteres an mehr als einer Stelle störend. Um es ganz ehrlich zu sagen: „Deine Augen hat der Tod“ verlangt seinem Leser einiges ab. Durch die Kürze fehlt häufig Hintergrundwissen, das man sich nicht immer in ganzem Umfang erschließen kann, was wiederum dazu führt, dass einige Ereignisse unverständlich bleiben. Sie können nicht dem Handlungskontext zugewiesen werden, manchmal bleibt sogar unklar, was denn nun überhaupt passiert ist und wer die Beteiligten – neben David – waren. Bei manchen Autoren mag so etwas wie ein geschickter Schachzug aussehen, aber in diesem Fall gelingt es Sallis nicht, das Verhältnis zwischen vermittelten und zurückgehaltenen Informationen ausgewogen zu gestalten. Selbst nach erneuter Lektüre bleiben einige Fragen offen, und das ist nicht unbedingt der Königsweg, um einen Leser bei Stange zu halten.

Der Verzicht auf den Ballast hat allerdings auch eine positive Folge. Das Buch wird spannend, die Handlung schreitet flott voran und enthält keine Längen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass das Geschehen häufig zu komplex ist für jemanden, der sich mit dem Procedere bei einer solchen Agentur wie Davids nicht auskennt. Einige Handlungen Davids wirken auf den ersten Blick seltsam. Er denkt nun mal immer noch wie ein Agent. Leider breitet Sallis viel zu wenig aus, was diese Denke ausmacht, so dass auch hier Fragezeichen zurückbleiben. Dass das Buch trotzdem einigermaßen verständlich und vor allem gut lesbar bleibt, ist vor allem Sallis‘ Schreibstil zu danken, gegen den man nun wirklich nichts einwenden kann.

Der Autor schreibt mit seinen 64 Jahren Lebenserfahrung sehr gewandt und – wenn man bedenkt, wie kurz er sich hält – geradezu virtuos. Sein Stil hat etwas ganz Eigenes, wenn man sich erst mal an die Einsilbigkeit, die vielen Sprachbilder und die Chiffriertheit gewöhnt hat. Er schöpft aus einem sehr großen Wortschatz und findet stets die treffenden Bezeichnungen, um mit wenigen Worten ein Bild vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen. Ähnlich verhält es sich mit der Hauptperson. Das Wissen über David zieht der Leser hauptsächlich aus dem, was der ehemalige Agent denkt. Seine Gedanken werden, ähnlich einem inneren Monolog, auf den Buchseiten ausgebreitet. So etwas kann natürlich auch leicht danebengehen, aber Sallis‘ wortkarger, jedoch intensiver Stil sorgt dafür, dass David sehr viel Tiefe und Authentizität erlangt.

„Deine Augen hat der Tod“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Die Handlung ist sehr komplex, das Verständnis stellenweise mühsam zu erarbeiten. Auf der Habenseite steht allerdings ein Schreibstil, der unglaublich ganzheitlich, intelligent und ausgefeilt wirkt. Ob man das Buch letztendlich lesen will, ist sicherlich Geschmacksache. Wer ein Fan von undurchsichtigen Handlungen ist, wird sich hier wohlfühlen. Wer dagegen leicht verständliche, aber spannende Krimiliteratur bevorzugt, der sollte sich lieber nicht auf dieses Experiment einlassen.

|Originaltitel: Death will have your Eyes
Aus dem Englischen von Bernd W. Holzrichter
Gebunden, 192 Seiten
ISBN-13: 978-3-935890-56-4|
http://www.liebeskind.de

Meyer, Deon – Weißer Schatten

Südafrika ist auf der Weltkarte der Kriminalliteratur bislang nicht besonders stark vertreten. Einer, der sich darum bemüht, dies zu ändern, ist Deon Meyer. Mit „Weißer Schatten“ legt er einen Roman über einen weißen Südafrikaner mit unsauberer Vergangenheit vor, der als Bodyguard Staatsmänner und Privatleute auf Südafrikas Straßen beschützt.

Eines Tages bekommt Lemmer den Auftrag von Emma Le Roux, sie auf einer Reise zum Kruger-Nationalpark zu begleiten und auf sie aufzupassen. Vor kurzem hat es einen Überfall auf sie gegeben, doch die Polizei nimmt die Sorgen der jungen Frau nicht sonderlich ernst. Emma glaubt, dass der Überfall damit zusammenhängt, dass ihr Bruder, der vor Jahren spurlos verschwand, wieder aufgetaucht ist. Sie glaubt, ihn in den Nachrichten erkannt zu haben, wo er wegen des Mordes an Geierwilderern gesucht wird.

Gemeinsam mit Lemmer macht sie sich auf den Weg, um Jacobus‘ Spuren zu verfolgen, und schnell wird klar, dass der Überfall auf sie ernst genommen werden sollte. Am Abend findet sich in ihrem neuen Appartement eine hochgiftige schwarze Mamba, die Lemmer nur im letzten Augenblick beseitigen kann. Es scheint, als seien die beiden auf eine Sache gestoßen, die jemand nicht aufgedeckt haben möchte. Gemeinsam ermitteln sie weiter und finden dabei heraus, dass Jacobus möglicherweise tatsächlich am Leben ist.

Leicht ist die Suche nach ihm aber nicht. Inspector Jack Phatudi stellt sich quer und hilft den beiden nicht, sondern schickt ihnen sogar seine Männer hinterher. Als die beiden gerade unterwegs zu ihrem Quartier sind, gelangen sie in einen Hinterhalt, bei dem Emma ernsthaft verletzt wird. Lemmer, der während ihrer Reise so etwas wie Gefühle für Emma entdeckt hat, schwört, die Täter aufzuspüren und zu eliminieren – und den verschollen geglaubten Jacobus zu finden.

Man muss außenpolitisch nicht besonders bewandert zu sein, um zu wissen, dass Afrika ein Land ist, das sich mit Deutschland nicht so leicht vergleichen lässt. Recht und Ordnung werden dort anders definiert als hierzulande, und dementsprechend ist Lemmers Tätigkeit eine berechtigte. Der Autor, der seine Karriere als Journalist begann, schafft es, die Zustände, die in Südafrika herrschen, gut zu skizzieren und auch historisch wichtige Ereignisse anzureißen, ohne ins Schwafeln zu geraten. Trotzdem sind die politischen und privaten Machtspiele, denen man während der Lektüre immer wieder begegnet, nicht einfach zu durchschauen. Dadurch und durch die unübersichtliche Anzahl von Personen gerät das Buch immer wieder ins Stocken. Obwohl eigentlich spannend, fällt es manchmal schwer, bei der Stange zu bleiben. An einigen Stellen zieht sich die Geschichte unnötig in die Länge, ist an und für sich aber gut lesbar.

Die Figur des Lemmers ist ausgereift, doch Meyer erfindet das Rad bei seiner Charakterskizzierung nicht neu. Schweigsame Männer in gefährlichen Jobs, die nach einem Ausrutscher in ihrer Vergangenheit zu mehr oder minder tugendhaften Geläuterten wurden, gibt es beileibe genug. Es ist schade, dass Meyer diesem Stereotyp keine eigene Note verleiht. Auch die anderen Personen wirken oberflächlich, da der Autor zu selten ins Detail geht. Passend zum nüchternen Schreibstil spielen Emotionen keine große Rolle in der Geschichte und dementsprechend wenig Tiefe weisen die Personen auf.

Der Schreibstil ist, wie bereits erwähnt, eher trocken und sachlich. Das ist allerdings ein geschickter Schachzug, denn es wird aus der Ich-Perspektive Lemmers erzählt, und dieser ist selbst kein Mann der großen Worte. Dementsprechend flüssig und zusammenpassend wirken Hauptperson und Schreibstil. Hinzu kommt, dass Meyer insgesamt sehr versiert und sicher schreibt. Er weiß genau, was er erzählen möchte, und fasst dies in einfache, leicht verständliche Worte. Abschweifungen und unnötigen Ballast lässt der Autor von vornherein weg. Abgesehen von ein paar dramaturgischen Schleifen ist das Buch daher angenehm abgespeckt, auch wenn ab und an mehr Tiefe nicht geschadet hätte.

Deon Meyer hat mit „Weißer Schatten“ einen soliden Thriller geschrieben, der vor einer für den europäischen Leser exotischen Kulisse spielt. Abstriche muss man vor allem bei der etwas langsamen Handlung und den wenig ausgearbeiteten Charakteren machen, während der Schreibstil sowohl die Stimmung der Geschichte als auch die Ansichten der erzählenden Hauptperson gut vermittelt.

|Originaltitel: Invisible
Aus dem Englischen von Ulrich Hoffmann
Hardcover, 421 Seiten
ISBN-13: 978-3-352-00759-0|
http://www.aufbau-verlagsgruppe.de
http://www.deonmeyer.com

Daschkowa, Polina – Haus der bösen Mädchen, Das

Polina Daschkowa gehört zu den bekanntesten russischen Autorinnen in Deutschland, und mit schöner Regelmäßigkeit erscheint ein neuer Roman von ihr auf dem hiesigen Büchermarkt. „Das Haus der bösen Mädchen“ ist 2008 an der Reihe, obwohl der Roman im Original schon vor acht Jahren erschienen ist.

Ermittler Ilja Borodin hat es mit einem verzwickten Fall zu tun. Die Spielzeugdesignerin Lilja wird in ihrer Wohnung erstochen aufgefunden, und die Täterin ist der Polizei sozusagen vors Auto gelaufen: Ljussja ist die Nichte der Verstorbenen und behauptet standhaft, ihre Tante umgebracht zu haben. Viel kann man auf ihre Worte jedoch nicht geben, denn Ljussja ist debil. Borodins Vorgesetzter ist deshalb davon überzeugt, dass dieser Fall gelöst wäre, doch Borodin glaubt nicht daran. Das wäre wirklich zu einfach. Außerdem wurde ein Wollkorb aus der Wohnung der Toten gestohlen und wird bei einer Obdachlosen gefunden. Wenig später stirbt auch diese. Das kann kein Zufall sein.

Borodin beginnt in alle Richtungen zu ermitteln. Er sucht nach dem unauffindbaren Kinderheim, in dem Ljussja untergebracht war, sowie nach ihrem unbekannten Vater und gerät dabei schnell in Kreise, aus denen er seine Nase lieber heraushalten sollte …

Ein Daschkowa ist ein Daschkowa. Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Die Autorin liefert mit „Das Haus der bösen Mädchen“ nichts ab, was man in dieser Form nicht von ihr erwartet hätte. Es ist ihr Glück, dass die Daschkowa-Standardware anderen Büchern immer noch weit voraus ist. Was diesen Krimi ebenso wie ihre anderen auszeichnet, ist eine dichte, komplexe Handlung. Sie überfordert den Leser an der einen oder anderen Stelle vielleicht, aber alles Ungewisse wird sich im späteren Verlauf klären. Dadurch entsteht sehr viel Spannung, denn die Autorin beweist großes Geschick bei der Zusammenführung der verschiedenen Handlungsstränge. Wer es gerne verworren und spannend mag, mit einem Hauch Moskauer Unterwelt gewürzt, wird in diesem Roman gut bedient.

Eine weitere Spezialität, die Polina Daschkowas literarisches Schaffen auszeichnet, ist ihr Auge fürs Detail. Sie verwendet Kleinigkeiten, um ihre Personen möglichst lebendig und interessant zu schildern. Dazu benutzt sie eine amüsante Sprache, die häufig mit einem Augenzwinkern arbeitet und die Charaktere fast schon komödiantisch darstellt. Jede einzelne Figur ist gut ausgearbeitet und überrascht durch passende und ungewöhnliche Charakterzüge.

Dadurch, dass Borodins Perspektive nicht die einzige ist, erhält man Einblicke in sehr unterschiedliche Biografien und Alltagserlebnisse. Es kommt keine Langeweile auf, denn bevor man sich versehen hat, hat Daschkowa eine weitere Person eingeführt, deren Rolle im Geschehen erst mit der Zeit deutlich wird. Die kleinen Geschichten rund um ihre Personen enthalten auch viel Unwichtiges, aber sie sind sehr schön zu lesen und erklären das Verhalten und die Taten der Charaktere. Zudem erfährt der deutsche Leser, der vielleicht nicht so viel Ahnung von Russland hat, einiges über den Alltag dieses Landes, was häufig amüsant, genauso oft aber auch erschreckend ist. Das Positive daran ist, dass Polina Daschkowas persönliche Meinung dabei nicht zum Tragen zu kommen scheint. Sie wird nie sozialkritisch oder wertend, sondern, wie es ihre Art ist, betrachtet das Ganze eher mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie verklärt es nicht, beschimpft es aber auch nicht, sondern nimmt es vielmehr ein wenig auf die Schippe.

In der Summe ist „Das Haus der bösen Mädchen“ ein weiterer guter Roman in Daschkowas Bibliografie. Fans werden ihn lieben, und wer die Autorin noch nicht kennt, kann sie durch diesen Roman gut kennenlernen. Obwohl er vor einigen ihrer anderen Werke im Original erschienen ist, kann er sich sehr wohl mit diesen messen, und das ist der einzige Ansatzpunkt für Kritik: Auch wenn Polina Daschkowa es schafft, jede ihrer Geschichten eigenständig wirken zu lassen, ähneln sich die Krimis untereinander schon alleine wegen ihres Aufbaus. Der verworrene Kriminalfall, der Stück für Stück entwirrt werden muss, erscheint beinahe in jedem ihrer Werke – allerdings auf so hohem Niveau und so spannend präsentiert, dass man gern darüber hinwegsehen kann.

|Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
Gebunden, 391 Seiten
ISBN-13: 978-3-351-03241-8|
http://www.aufbau-verlagsgruppe.de

_Polina Daschkowa bei |Buchwurm.info|:_
[„Für Nikita“ 807
[„Keiner wird weinen“ 4224
[„Der falsche Engel“ 4359

Braga, Alice – Dorf der Unsterblichen, Das (Die Chronik der Wölfe 1)

Das große Rätselraten darf beginnen … Einmal mehr hat ein deutscher Autor beschlossen, unter Pseudonym zu schreiben. Dieses Mal handelt es sich um Alice Braga (zugleich der Name einer Schauspielerin, die in „City of God“ und „I Am Legend“ zu sehen war), hinter der sich eine bekannte deutsche Schriftstellerin historischer Romane verbirgt. Mit „Das Dorf der Unsterblichen“ bewegt sie sich nicht besonders weit weg von ihren Wurzeln. Der Roman spielt zur Zeit der Inquisition, begibt sich aber gleichzeitig aufs Terrain der Dark Fantasy, wenn auch in der Light-Version. Nicht umsonst ist das Buch der Auftakt von „Die Chronik der Unsterblichen“, die sich, wie der Titel schon sagt, auch über andere Jahrhunderte erstrecken soll.

Es ist das Jahr 1503, und Alessando Varese, ein junger Inquisitor, wird nach Oberitalien gesandt, um den Vorgängen in dem Dorf Ascolte auf den Grund zu gehen. Man sagt, dass dort Ketzer leben, und als er dort ankommt, findet er das Götzenbild einer Wolfsmutter vor. Ob das ein erster Beweis ist? Wenig später entdeckt Alessandro in den Kirchenbüchern, dass in fast hundert Jahren nur ein Mitglied des Dorfes gestorben ist. Der verängstigte, knorrige Geistliche Virgilio weigert sich, Weiteres zu diesem Thema preiszugeben, doch Alessandro kommt dem Unwesen im Dorf bald auf die Spur – allerdings anders, als er es sich erhofft hat.

Valeria, eine junge Dorfbewohnerin, deren Zauber Alessandro sich nicht entziehen kann, beißt den Inquisitor, woraufhin sich dieser in einen Werwolf verwandelt. Valeria möchte, dass Alessandro, der ein anderes Mädchen auf dem Dorf als Ketzerin auf den Scheiterhaufen gebracht hat, spürt, was es heißt, einer von ihnen zu sein. Doch er geht ziemlich ungewöhnlich damit um, denn er probiert, diese „Krankheit“ wissenschaftlich zu erforschen, und stößt dabei auf Dinge, die ihn den Kopf kosten könnten …

Obwohl als historischer Roman betitelt, ist „Das Dorf der Unsterblichen“ eher ein seichtes Gemisch aus historischer und fantastischer Literatur. Für ein historisches Werk ist das Buch nicht detailliert genug; das 16. Jahrhundert wird in seiner Besonderheit nur sehr oberflächlich geschildert. Damalige Bräuche, Sitten und charakteristische Eigenschaften kommen kaum zum Tragen, so dass Fans solcher Bücher nur wenig Freude daran haben werden. Über den Anteil fantastischer Literatur lässt sich streiten. Der Hardcore-Fan wird vermutlich die Vielfalt vermissen, denn die Werwölfe sind die einzigen „magischen“ Wesen, und auch sie sind nicht besonders fantastisch dargestellt. Sie weisen so gut wie keine magischen Kräfte auf und benehmen sich auch sonst in einem sehr normalen Rahmen. Also doch mehr Historien- als Fantasyroman? So einfach lässt sich diese Frage nicht beantworten. Das hängt sicherlich davon ab, was man von diesem Buch erwartet.

Die Handlung kann einiges am zweifelhaften Ambiente wiedergutmachen. Sie läuft langsam an und wirkt im ersten Teil zunächst etwas behäbig und uninteressant. Die Autorin schafft es aber, mit der Zeit immer mehr überraschende Wendungen einzubauen und diese konsequent zu Ende zu führen. Dadurch wird die Geschichte spannender und von der Vorhersehbarkeit der ersten Seiten ist nichts mehr zu spüren. Leider wirken dabei einige Ereignisse konstruiert, insgesamt überrascht „Das Dorf der Unsterblichen“ aber durchaus. Der Anfang lädt nicht gerade zum Weiterlesen ein, doch Braga schafft die Wende, so dass man den zweiten Teil des Buches stellenweise gierig verschlingt.

Was für die historischen Einzelheiten gilt, gilt auch für die Charaktere. Sie sind gestrichelt gezeichnet, doch es fehlt an den Farben. Zum einen hätte ein wenig mehr Geist des 16. Jahrhunderts nicht geschadet, zum anderen fehlt es an grundlegender Persönlichkeit. Valerias verschlagene Züge und Alessandros Wissensdurst und Experimentierfreude sind Eigenschaften, die sehr stark herausstechen und dementsprechend gut dargestellt werden. Zwei oder drei Charakterzüge machen aber noch lange keinen Menschen aus, und leider begeht die Autorin den Fehler, ihre Figuren nicht weiter zu vertiefen.

In der Summe ist dieses unauffällig und nüchtern geschriebene Buch zwar interessant, aber kein großer Wurf. Störend ist vor allem die mangelnde Tiefe bei Personen und dem historischen Hintergrund. Die Geschichte wird für den Leser dadurch nicht greifbar, so dass er nach Zuschlagen des Buches mehr oder minder schon wieder vergessen hat, was „Das Dorf der Unsterblichen“ eigentlich ausgemacht hat. Fans der momentan grassierenden Dark-Fantasy-Welle sollten sich ebenfalls lieber anderweitig bedienen, denn die Geschichte versprüht nur wenig untoten Charme. Der erste Band von „Die Chronik der Wölfe“ ist etwas Nettes für Zwischendurch, aber satt wird man davon nicht.

|Taschenbuch, 412 Seiten
ISBN-13: 978-3-499-24729-3|

http://www.rororo.de

Kim Harrison – Blutjagd

Der Dark-Fantasy-Trend reißt einfach nicht ab. Aus den USA eingeschleppt, können sich auch hierzulande immer mehr vornehmlich weibliche Autoren und ihre düsteren Romanreihen etablieren. Bei der amerikanischen Autorin Kim Harrison steht nicht, wie in den meisten anderen Fällen, ein Vampir im Mittelpunkt, sondern eine Erdhexe, die mithilfe von Amuletten und Kraftlinien Magie anwendet.

Die Erdhexe Rachel Morgan ist eine chaotische, dickköpfige junge Frau, die nach ihrem Weggang vom FIB – dem Federal Inlander Bureau, das sich darum kümmert, dass das Zusammenleben zwischen den Inderlander-Wesen und den normalen Menschen geregelt wird – eine glänzende Karriere als Runnerin hingelegt hat. Gemeinsam mit ihren Partnern, dem zehn Zentimeter großen Pixie Jenks und der Vampirin Ivy, bildet sie nicht nur eine Wohngemeinschaft, sondern auch eine Runneragentur, die sich um das Auffinden von vermissten Personen und derlei kümmert.

Ein solcher Job birgt natürlich einige Gefahren: Im zweiten Band der Reihe, [„Blutspiel“, 4512 hat Rachel ihre Seele an den Dämonen Algaliarept verkauft, um Piscary, den ältesten und gefährlichsten Vampir von Cincinnati, hinter Gitter zu bringen. Dadurch hat sich das Machtgleichgewicht in der Unterwelt der Stadt verschoben. Ein gewisser Saladan versucht, seinen Teil vom Kuchen abzubekommen. Er probiert es mit Schutzgelderpressung und Drogenhandel und zieht dadurch die Aufmerksamkeit zweier Männer auf sich: Kisten ist ein getreuer Anhänger Piscarys und Trent Kalamack der Drogenbaron der Stadt, der sich hinter seinem Wohltäter-Image verschanzt.

Beide bitten Rachel um Hilfe, um Saladan aus der Stadt zu vertreiben. Während Trent nach wie vor Rachels Lieblingsfeind ist, muss sie sich Kistens Annäherungsversuche gefallen lassen – und ist dabei gar nicht mal so abgeneigt. Das allerdings führt dazu, dass ihre Mitbewohnerin Ivy reichlich verstimmt ist. Schließlich ist Kisten nicht nur ihr Exfreund, sondern sie sieht Rachel, ganz nach Vampirmanier, als ihr Eigentum an …

„Blutjagd“ schließt nahtlos an die beiden bereits veröffentlichten Bände von Kim Harrison an. Ohne Vorwissen kommt man daher nicht weit. Die Autorin nimmt sich nicht die Zeit, um Wichtiges vorneweg zu klären, wobei anzumerken ist, das dies bei der Komplexität ihrer Serie auch nur schwer möglich wäre. Woran sie ebenfalls nahtlos anknüpft, ist ihre Vorliebe für eine langatmige, leicht überladene Handlung: Was in [„Blutspur“ 3253 und „Blutspiel“ ärgerlich war, wird bei der Vielschichtigkeit, die Harrisons Serie bereits erreicht hat, manchmal zur Geduldsprobe. Erst möchte die Geschichte nicht in Schwung kommen und dann ist häufig unklar, wohin die Handlung eigentlich führen soll. Erst gegen Ende des Romans kommt richtige Spannung auf; die Autorin konzentriert sich auf einen einzigen Handlungsstrang und verfolgt nebenbei nicht noch mehrere unwichtige. Zusammen mit der stellenweise überzogenen Detailliertheit bezüglich der Geschehnisse und der Beschreibungen krankt „Blutjagd“ vor allem daran, dass die Geschichte zu lang, zu umfangreich und vor allem zu unfokussiert ist. Ein roter Faden fehlt beinahe vollständig, viele Nebensächlichkeiten werden aufgebauscht – das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für ein paar spannende Lesestunden.

Auch wenn die Handlung eines Buches sehr wichtig bei dessen Bewertung ist, gibt es einige Dinge, die man Harrison abseits davon zugute halten muss. Zum einen ist das der Schauplatz, an dem die Geschichte spielt. Harrison beweist nicht zum ersten Mal, wie gut sie darin ist, eine komplett andere Welt zu entwerfen, die alleine aufgrund ihrer Darstellung schon Spannung erzeugt. Vampire, Pixies, Elfen und Hexen sind sicherlich nichts Neues, aber die Autorin siedelt diese in einem recht düsteren Setting an. Die Stadt Cincinnati verfügt mit den Hollows über ein Stadtteil, in dem man vorzugsweise Inderlander, also sämtliche fantastische Wesen, antrifft. Dass deren Zusammenleben nicht immer reibungslos abläuft, ist klar, und somit ist von vorneherein für eine Menge Reibung gesorgt. Harrisons Einfallsreichtum kennt dabei keine Grenzen. Ihre Welt ist dicht besiedelt von übernatürlichen Gestalten, denen sie gerne einen humoristischen Anstrich verpasst und die durch ihre sorgfältige Ausarbeitung glänzen. Jede der Arten besitzt bestimmte Eigenarten, die durch ihre Innovativität gefallen und „Blutjagd“ trotz der Schwächen in der Storyline über den Durchschnitt hieven.

Dieselbe Sorgfalt, die Harrison den Details und dem Setting angedeihen lässt, widmet sie auch den Figuren. Rachel Morgan zeigt auch nach zwei dicken Vorgängerbänden noch keine Ermüdungserscheinungen. Sie ist eine sympathische, chaotische Hexe, die mit einer spannenden Vergangenheit glänzt, die immer noch nicht völlig ausgeleuchtet ist. Auch über die anderen Charaktere lernt man immer wieder interessante Dinge, die man noch nicht wusste. Die Zahl an Figuren ist im übrigen mittlerweile ebenfalls sehr hoch. Allerdings schafft die Autorin es, die einzelnen Charaktere so voneinander abzugrenzen, das man sie nicht verwechselt. Die verschiedenen Eigenarten und Macken sind dabei abwechslungsreich und häufig witzig. Gerade die Pixies – das heißt, Jenks und seine ziemlich große Familie – sorgen immer wieder für Lacher.

Getragen wird das Ganze von Harrisons amüsantem Schreibstil. Sie berichtet aus Rachels Perspektive und benutzt dazu eine Sprache, die weniger Wert auf Erhabenheit als auf die Vermittlung von Emotionen und Gedanken legt. Der Wortschatz ist groß, klingt aber nie hochgestochen. Am prägnantesten ist Harrisons Humor. Ihre bissigen, manchmal fast schon boshaften Witze und die flapsigen Bemerkungen von Rachel lassen die Geschichte erst richtig lebendig werden. Schlagfertige Dialoge und der angemessene Gebrauch von Stilmitteln schließen das Ganze sauber ab. Stellenweise wird man zwar an einschlägige amerikanische Frauenlektüre erinnert, die sich mit einer halbwegs kessen Protagonistin schmückt, letztendlich ist „Blutjagd“ aber wesentlich bissiger und düsterer und wirkt nie seicht oder halbherzig.

Halbherzig ist ein gutes Stichwort; die Autorin Kim Harrison ist nämlich alles andere als das. Sie ist geradezu detailversessen, was ihren Figuren und ihrer Fantasy-Welt gut tut, der Handlung aber schadet. „Blutjagd“ ist damit bislang der schwächste Band der Reihe, weist aber großes Potenzial auf. Die zwischenmenschlichen Beziehungen und einzelnen Handlungssträge pochen geradezu auf eine Fortsetzung, und tatsächlich wurden in Amerika mittlerweile sechs Bücher mit Rachel Morgan veröffentlicht, ohne dass sich bereits ein Ende abzeichnete. In Deutschland ist man noch nicht ganz so weit, aber auch hier wird laut Verlag im Januar 2009 der vierte Band „Blutpakt“ auf den Markt kommen. Dann erscheint für diejenigen, die jetzt vielleicht – nun ja: Blut geleckt haben, auch der Auftaktband „Blutspur“ als preisgünstigere Taschenbuchausgabe in überarbeitetem Coverlayout.

|Originaltitel: Every which way but dead
Deutsche Übersetzung von Vanessa Lamatsch
686 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-53279-3|
http://www.kimharrison.net
http://www.heyne.de

_Kim Harrison bei |Buchwurm.info|:_
[„Blutspur“ 3253
[„Blutspiel“ 4512

Morgan, Wendy – Schlafe sanft und ewiglich

Babys, Babys, Babys … Wendy Morgan hat ein Buch geschrieben, das sich von vorne bis hinten um genau dieses Thema dreht. Das Besondere dabei: Es ist weder ein Schwangerschaftsratgeber noch ein Frauenroman. Es handelt sich um einen Thriller, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht etwas merkwürdig erscheint.

Im Mittelpunkt steht Peyton Somerset, eine erfolgreiche Karrierefrau aus Manhattan. Um endlich ein Kind zu kriegen, lässt sie sich mittels Samenspende befruchten und beschließt, ihr Baby ganz alleine auszutragen und großzuziehen, denn einen Mann gibt es nicht in ihrem Leben. Jedenfalls bis sie Tom Reilly trifft, dessen Interesse an ihr beinahe schon unheimlich ist. Manchmal hat sie sogar das Gefühl, er würde sie verfolgen, aber sie schiebt es auf ihre Schwangerschaftshormone.

Überhaupt bringt ihr Zustand ihr Leben ganz schön durcheinander. Sie hat Probleme auf der Arbeit und mit den üblichen Schwierigkeiten einer Schwangerschaft zu kämpfen. Allerdings lassen sich auch schöne Seiten daran entdecken. Peyton schließt sich einer Selbsthilfegruppe lediger Mütter an, wo sie in der schwangeren Allison und der Hebamme Rita gute Freundinnen findet.

Eines Tages jedoch verschwindet Allison spurlos. Niemand weiß, was mit ihr ist. Peyton macht sich natürlich riesige Sorgen. Dann verschwindet auch noch Wanda, ein weiteres Mitglied der Gruppe, und Peyton macht sich nicht mehr nur Sorgen, sondern ist geradezu alarmiert. Hat man es vielleicht auch auf sie abgesehen? Plötzlich sieht sie überall Verdächtige und distanziert sich stark von Fremden. Dabei bemerkt sie nicht, dass das Böse ihr viel näher ist, als sie glaubt …

Zugegeben, auf den ersten Seiten glaubt man wirklich, man hätte es mit einer weiteren rosafarbenen Geschichte über eine Karrieretussi aus New York zu tun, die auf der Suche nach Mr. Perfect in einige Verwicklungen und Fettnäpfchen gerät. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen nun mal Frauen und das Kinderkriegen, weshalb es vermutlich kaum zu vermeiden ist, dass solche Parallelen auftauchen. Allerdings zeigt Wendy Morgan sehr schnell, dass sie mehr kann. Sie greift auf eine recht große Anzahl von Perspektiven zurück, wobei häufig nicht ganz klar ist, welche Rolle die einzelnen Personen im Geschehen spielen, und manchmal auch nicht, wer sie überhaupt wirklich sind. Einige der Personen scheinen etwas zu verbergen haben, andere benehmen sich auffällig.

„Schlafe sanft und ewiglich“ ist kein Krimi, der vor Actionszenen und Blut sprüht. Es ist eher so, dass durch das erzählerische Talent der Autorin eine gewisse, subtile Spannung entsteht, die immer wieder neue Fragen aufwirft. Wer in Peytons Umkreis ist ein möglicher Verdächtiger? Welche Rolle spielt die merkwürdige Adoptionsagentur, mit der einige Charaktere in der Geschichte zu tun haben? Auch wenn Morgan keine nervenzerreißende, aufwühlende Handlung präsentiert, weiß sie den Leser doch bei der Stange zu halten. Dass sie dabei interessante Details über Schwangerschaft und viele, gut beobachtete Details einflechtet, ist ein weiterer Pluspunkt für das Buch.

Trotz der vielen Perspektiven wirkt der Roman nicht überladen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Peyton die Person ist, auf die Morgan immer wieder zurückkommt. Sie steht zwar nicht völlig im Vordergrund, ist aber eine Konstante, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite begleitet. Peyton ist, obwohl sie stellenweise doch ein bisschen dem entsprechenden Klischee ähnelt, eine sehr sympathische Figur mit wachem Verstand. Sie ist mit ganzem Herzen bei ihrer Schwangerschaft dabei und macht sich eine Menge Gedanken darüber, die häufig durch ihre Tiefe oder Ausgefallenheit überraschen. Wendy Morgan, selbst Mutter zweier Kinder, weiß worüber sie schreibt und transportiert dieses Mutterwissen gut in ihrer Protagonistin. Überhaupt ist Peyton gut ausgearbeitet. Sie besitzt erkennbare Charakterzüge und eine ausgefeilte Vergangenheit, welche die Autorin immer wieder einfließen lässt. Der andere Grund, warum das Buch nicht überladen wirkt, ist die Ausarbeitung der Nebenfiguren, die ebenfalls sehr gelungen ist. Der Autorin gelingt es, bereits beim ersten Einsatz eines bestimmten Erzählstranges die Personen so prägnant und farbig darzustellen, dass sie dem Leser im Gedächtnis bleiben. Das ist an und für sich eine große Leistung, wenn man bedenkt, dass ihr Personenkreis nicht unbedingt klein ist.

Der Schreibstil wird sehr stark durch die Personen geprägt. Je nachdem, aus wessen Sicht gerade erzählt wird, verändert sich Morgans Tonfall ein wenig. Peyton ist eine beschwingte, fröhliche Frau, während andere Charaktere nüchtern, deprimiert, verängstigt oder skrupellos sind und auch so dargestellt werden. Die Autorin schafft es vorbildlich, diese Stimmungen in Worte zu gießen, wobei ihr gehobener, flüssiger Schreibstil alles gekonnt zu einem Roman verbindet.

„Schlafe sanft und ewiglich“ ist sicherlich kein Buch für jedermann. Das hängt aber wenig mit der Qualität zusammen, denn an und für sich ist der Thriller nichts weiter als ein spannendes Stück gut erzählter Literatur. Wer allerdings auf das Thema Schwangerschaft und Babys allergisch reagiert, der sollte die Finger von Wendy Morgans Werk lassen. Über 400 Seiten über Babys, werdende Mütter und Frauenärzte sind – trotz der souveränen Handlung – kein Pappenstiel für jemanden, dem diese Themen nicht zusagen.

|Originaltitel: Lullaby and Goodnight
Übersetzt von Martin Hillebrand
413 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15896-6|
http://www.bastei-luebbe.de

_Wendy Morgan bei |Buchwurm.info|:_
[„Von schwarzem Herzen“ 2674

Giménez-Bartlett, Alicia – Stimme des Blutes. Petra Delicado ermittelt

Alicia Giménez-Bartlett gehört zu den Schriftstellerinnen, die ihren Büchern einen unverkennbaren Stempel aufdrücken, wie das auch ihre französische Kollegin Fred Vargas und einige der skandinavischen Krimiautoren tun. Sieben Bücher gibt es bereits mit dem ungleichen und höchst amüsanten Ermittlerpaar Petra Delicado und Fermín Garzón. „Stimme des Blutes“ ist wider Erwarten kein neuer Fall der beiden, sondern ein Sammelband mit vier Kurzgeschichten.

An Kriminalkurzgeschichten haben sich schon zahllose Autoren vor Alicia Giménez-Bartlett versucht. Das Problem dabei ist, dass sowohl die Kürze als auch die Handlung stimmen müssen und der Leser bei seinen geliebten Ermittlern aber nichts vermissen möchte. Die spanische Bestsellerautorin schlägt sich dabei mit ihrem Versuch ziemlich gut. Ihre Kurzgeschichten haben diesen Titel auch verdient, denn sie versuchen nicht, einen verworrenen, groß angelegten Kriminalfall auf wenige Seiten zu quetschen, sondern widmen sich mit voller Absicht sehr einfachen Fällen und der kompakt gehaltenen Suche nach Täter und Motiv.

Tiefer auf den Inhalt einzugehen, würde daher an dieser Stelle kein besonders stimmiges Bild von diesem Sammelband geben. Giménez-Bartlett lässt ihre Ermittler in sehr unterschiedliche Settings eintauchen, so viel sei gesagt. Neben dem Mord an einem arroganten Bodybuilder in einem Fitnessstudio ermitteln sie in einem Bordell, in dem vier Prostituierte umgebracht wurden. Außerdem kommen ein zwielichtiger Litauer und ein Lehrer zu Tode, wobei Petra Delicado bei Letzterem bedauert, dass es ausgerechnet ein Lateinlehrer und kein anderer war, weil die westliche Kultur dadurch noch ein wenig ärmer wird.

Die Autorin geht bei ihren vier Geschichten stets nach dem gleichen Aufbau vor: Am Anfang gibt es einen Toten, der eindeutig nicht auf natürlichem Weg verstorben ist, und eine Reihe von Tatverdächtigen. Die Ermittlung des Mörders erfolgt nun weniger über Actionszenen und tausend mögliche Spuren, sondern über die Kopfarbeit der Ermittler und die Verhöre der Verdächtigen.

Tatsächlich ähneln die vier Geschichtlein eher einem erzählten Bericht von Petra Delicado. Wie gewohnt in der ersten Person erzählt sie von den Ermittlungen und klingt dabei, als säße sie dem Publikum direkt gegenüber und würde einen kleinen Schwank aus ihrem Arbeitsleben erzählen. Dementsprechend skelettiert sind die Beiträge im vorliegenden Band. Weder das Privatleben der Ermittler noch irgendwelche äußeren Umstände spielen eine Rolle; die Autorin konzentriert sich auf die bloße Darstellung des jeweiligen Kriminalfalls. Wegen dessen Einfachheit passt die Kürze der Geschichte sehr gut. Die knapp 20 bis 60 Seiten, die eine Geschichte umfasst, sind spannend und konzentrieren sich nur auf das Kernproblem. Auflockerung erfahren sie dabei durch das Zusammenspiel von Inspectora und Subinspector.

Die beiden Hauptfiguren werden, genau wie die Nebencharaktere, mit wenigen, deutlichen Strichen skizziert. Langwierige Personeneinführungen finden keinen Platz, aber wer bereits andere Bücher von Giménez-Bartlett kennt, der wird sich in den Geschichten sofort zurechtfinden. Für Einsteiger bietet das Buch zwar gute Unterhaltung, aber sie werden einige Zusammenhänge nicht verstehen – und verpassen vor allem den Humor, der in „Stimme des Blutes“ natürlich auch etwas kürzertreten muss als sonst. Trotzdem blitzt der rabenschwarze Witz der Autorin immer wieder durch, vor allem in den fantastischen Dialogen zwischen Delicado und Garzón.

Diese Geplänkel gehören ebenso wie in den Langfassungen zu den Highlights des Erzählbandes und lockern die Geschichten unheimlich auf. Wie gewohnt schreibt Giménez-Bartlett zackig, mit Schmiss und unwiderstehlichem Charme. Sie präsentiert sich sprachgewandt und beweist, dass sie auch auf wenigen Seiten ein kleines Feuerwerk entfachen kann, um den Leser an die Geschichte zu binden. Tatsächlich fällt es vor allem dank des Humors schwer, das Buch aus der Hand zu legen, da man sehnsüchtig auf die nächste gelungene Pointe aus dem Munde der Ermittler wartet.

Viele sind daran bereits gescheitert, aber Alicia Giménez-Bartlett meistert den Kurzgeschichtensammelband souverän. Kleine, niedliche Kriminalfälle mit einem übersichtlichen Personenkreis, die sich auf das Finden des Täters konzentrieren – die Spanierin nimmt den Begriff „Kurzgeschichte“ ernst und fasst sich kurz. Der funkensprühende Humor der Ermittler und die geschickten Personenzeichnungen dürfen sich nach wie vor austoben und sorgen dafür, dass der Leser die vier kleinen Geschichten lieben wird.

|Originaltitel der Geschichten: Muerte en el Gimnasio, El Caso del Lituano, La Voz de la Sangre, Muerte en el Liceo
Zuerst erschienen in „El Mundo“
Aus dem Spanischen von Sybille Martin
Taschenbuch, 156 Seiten|
http://www.blt.de

_Alicia Giménez-Bartlett bei |Buchwurm.info|:_

[„Das süße Lied des Todes“ 3815
[„Boten der Finsternis“ 4203

Roth, Silvia – Querschläger

Im April 2002 wurde Deutschland durch ein Ereignis erschüttert, das man bislang eher aus den Vereinigten Staaten kannte: Der neunzehnjährige Robert Steinhäuser lief in seiner ehemaligen Schule Amok und tötete dabei sechzehn Menschen. Die Autorin Silvia Roth verarbeitet in ihrem neuen Roman „Querschläger“ genau dieses Thema. Sie lässt das Ermittlungsteam Hendrik Verhoeven und Winnie Heller im Fall eines Amoklaufs ermitteln, der allerdings alles andere als „gewöhnlich“ anmutet.

Am Wiesbadener Clemens-Brentano-Gymnasium erschießt ein Schüler elf Menschen und nimmt sich anschließend selbst das Leben – so die offizielle Version der schrecklichen Tat. Doch schnell wird klar, dass der Täter, ein Außenseiter, der von seinen Mitschülern gemobbt wurde, nicht vorhatte, sich selbst umzubringen. Dafür spricht die Tatsache, dass er die Schuld einem Mitschüler in die Schuhe schieben wollte und sich vermummte, um nicht erkannt zu werden. Außerdem gibt es einen Zeugen, der ihn mit einer anderen Person hat reden hören. Ein Mittäter? Und wenn ja, hat dieser Nikolas Hrubesch mit Absicht getötet?

Die Wiesbadener Polizei ermittelt auf einmal nicht nur wegen des Amoklaufs, sondern auch wegen vorsätzlichen Mordes. Hendrik Verhoeven und seine junge Kollegin Winnie, die sich immer noch nicht so recht im neuen Team eingelebt hat, suchen nach möglichen Motiven für den Amoklauf und überprüfen die These eines zweiten Täters. Dabei stochern sie in einem Sumpf von Mobbing und Intoleranz herum. Da zwei der getöteten Schüler dafür bekannt waren, gerne auf ihren Mitschülern herumzuhacken, vermuten die Polizisten, dass der Zweittäter es explizit auf die beiden abgesehen hätte. Sie beginnen, im Umfeld der Getöteten zu ermitteln, doch es ist schwierig, durch den Mobbingsumpf durchzublicken …

Silvia Roth schreibt nicht alleine über den Tathergang und die Ermittlungen, sondern widmet auch dem Privatleben der Ermittler und den Überlebenden sehr viel Raum. Daraus ist ein über 500 Seiten starkes Buch geworden, dem man vorwerfen kann, ab und an den roten Faden zu verlieren. Gerade am Anfang geht die Autorin mehr auf das Leben der Ermittler als auf die Tat ein, und auch danach widmet sie den Gedanken und Gefühlen der Überlebenden beinahe mehr Raum als den eigentlichen Ermittlungen. Der Kriminalfall an und für sich ist daher eine zweischneidige Sache. Obwohl der Ausgangspunkt – die Vermutung eines zweiten Täters – sehr interessant ist, wird er nicht besonders konsequent umgesetzt. Der Verlauf der Geschichte deutet kaum auf den richtigen Täter hin, weshalb die Auflösung des Rätsels reichlich überraschend kommt – und auch nicht unbedingt glaubwürdig wirkt.

Die belletristischen Einschübe lassen das Talent der Autorin erkennen, denn sie zeichnen sich durch präzise Charakterbeschreibungen aus. Gefühle und Gedanken der Personen werden sehr anschaulich dargestellt, so dass man sie gut nachvollziehen kann. Besonders Winnie Heller ist interessant, da sie eine bewegte Vergangenheit hat und ihre inneren Konflikte gut dargestellt werden. Immer wieder lustig sind auch Hendrik Verhoevens Gedanken über den dicken, verzogenen Freund seiner fünfjährigen Tochter Nina. Ansonsten bleibt der Kommissar im Gegensatz zu seiner Kollegin leider etwas farblos. Auch andere Charaktere hätten etwas mehr Trennschärfe vertragen können. Zwei der Überlebenden des Amoklaufs sind beispielsweise nur schlecht voneinander zu unterscheiden, da ihre Gedankengänge zu ähnlich wirken.

Lobenswert ist der Schreibstil, der alle Elemente des Buches – den Kriminalfall, die Personenstudien, den Tathergang – gekonnt verbindet, ohne dass Bruchstellen entstehen. Silvia Roth flicht bei den Kapitelanfängen häufig Zitate von Mitschülern oder fiktive Zeitungsüberschriften ein und erweitert so den Blick auf das Geschehen um eine weitere Perspektive. Die Autorin schreibt eher nüchtern, ihre Wortwahl ist sicher und lässt keine Wünsche offen.

An und für sich bietet sie dadurch eine gute Grundlage für einen spannenden Kriminalroman, der sich auf die Lösung des Falls konzentriert. Leider franst „Querschläger“ aufgrund der ermittlungsirrelevanten Episoden stark aus. Obwohl diese stellenweise ein hohes literarisches Niveau vorweisen können, stimmt die Mischung zwischen Belletristik und Krimi in diesem Fall nicht ganz.

|511 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-455-40128-8|
http://www.hoca.de

Siegel, James – Lügenspiel

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er mal die Wahrheit spricht – dieses Sprichwort aus dem Volksmund beschreibt in einem Satz, worum es in „Lügenspiel“, dem aktuellen Thriller von James Siegel, geht. Protagonist Tom Valle ist ein ehemaliger Starjournalist, dessen Ruhm auf erfundenen Storys aufbaute – bis man ihm auf die Schliche kam. Nun lebt er in einem abgelegenen Nest namens Littleton und arbeitet für die dortige Lokalzeitung. Anders als erwartet kann dies jedoch überaus nervenaufreibend sein …

Toms beschauliches Berufsleben spielt sich zwischen der Berichterstattung über kleine Autounfälle und den Geburtstagswünschen für die ältesten Bewohner des Ortes ab. Doch er kann froh sein, dass er diesen Job überhaupt bekommen hat. Sein „Ruhm“ eilt ihm nämlich immer noch voraus. Er ist bekannt als der lügende Journalist, und niemand möchte glauben, dass er sein Leben tatsächlich herumgedreht hat.

Eines Tages gibt es einen Verkehrsunfall, bei dem ein gewisser Dennis Flaherty ums Leben kommt. Die Leiche, die unter diesem Namen begraben wird, gehört aber nicht einem Weißen, sondern einem Afroamerikaner mit unklarer Identität, wie Tom herausfindet. Selbstverständlich glaubt ihm niemand, auch nicht, als er glaubt, den Namen des Schwarzen herausgefunden zu haben – Benjamin Washington, Sohn von Belinda Washington, die er zu ihrem 100. Geburtstag im Altersheim besucht hat.

Offiziell ist Benjamin bei einer Flutkatastrophe in Littleton Flats vor fünfzig Jahren ums Leben gekommen. Damals brach ein Staudamm und spülte das kleine Dörfchen mit seinen über 800 Einwohnern weg. Niemand in Littleton möchte darüber reden, doch Tom erfährt, dass John Wren, sein Vorgänger, an genau dieser Sache dran war – und dann verrückt wurde und in den Wald in ein Blockhaus zog. Tom wittert eine große Story und macht sich auf die Suche nach John Wren, Benjamin Washington – und der Wahrheit über eine Katastrophe vor fünfzig Jahren. Dumm nur, dass jemand verhindern möchte, dass er recherchiert, und auch nicht davor zurückschreckt, sein Leben zu bedrohen …

„Lügenspiel“ ist eines jener Bücher, die sich direkt an die Leser wenden und wie aus der Erinnerung des Protagonisten geschrieben wirken. Da dieser Journalist ist, ist die Geschichte entsprechend gut aufbereitet und sorgt mit Rückblenden in die Vergangenheit, Vorgriffen in die Zukunft und sorgfältig gesetzten, bodenständigen Metaphern für Lesegenuss. Der Autor James Siegel schafft es anhand seines Schreibstils tatsächlich, dem Leser das Gefühl zu vermitteln, Tom Valle bei seinen Erlebnissen über die Schulter zu sehen und nur dessen subjektive Sichtweise serviert zu bekommen. Man macht sich dadurch automatisch Gedanken während der Lektüre, denn Tom Valles Leumund ist aufgrund seiner Vergangenheit selbstverständlich nicht der beste. Soll man ihm glauben oder soll man ihm nicht glauben? Der Autor beantwortet diese Frage nicht, sondern überlässt dies dem Leser.

Dieser wird Tom Valle vermutlich Glauben schenken, so ausgefallen die Story auch ist. Tom kommt nämlich trotz seiner Fehler sehr glaubhaft und sympathisch rüber. Auf den ersten Blick wirkt er wie einer dieser typischen abgestürzten Karrieretypen, die alleine wohnen und zu viel Alkohol trinken. Die neue, unglaubliche Geschichte rettet ihn quasi aus seiner Lethargie, wenn auch nicht unbedingt davor, stellenweise klischeehaft zu wirken. Der Loser, der den Weg zurück ins Leben findet, wurde einfach schon zu oft präsentiert, und Siegel kann diesem nur wenig Neues hinzufügen. Nichtsdestotrotz ist Tom Valle ein netter Erzähler, mit dem man sich identifizieren kann und der sehr gut ausgearbeitet ist. Die anderen Personen wirken ebenfalls realistisch und bodenständig, wenn auch stellenweise mehr wie Kulisse denn wie echte Figuren.

In der Summe ist „Lügenspiel“ jedoch eine sehr runde Sache mit einer harmonischen Personenkonstellation und einem durchgängig spannenden Plot. Die Handlung braucht eine Weile, um in Gang zu kommen, und legt auch kein sonderlich flottes Tempo vor, weiß die Spannung aber zu halten. Während der Anfang noch gut verständlich ist, wird das Buch gegen Ende immer abgedrehter und verliert beinahe den Boden unter den Füßen. Die Betonung liegt auf „beinahe“, denn James Siegel schafft es, der Geschichte trotz der teils absurden Verschwörungstheorien einen realistischen Anstrich zu geben.

James Siegels Geschichte über einen Journalisten, der einer ungeheuerlichen Sache auf die Spur kommt, hat durchaus ihre guten Seiten. Der sympathische Protagonist, der sichere Schreibstil und die gut konstruierte Handlung sorgen für eine Menge Lesespaß. Dieser wird allerdings dadurch beeinträchtigt, dass die Handlung sich an einigen Stellen verheddert und die Personen teilweise etwas stereotyp wirken.

|Originaltitel: Deceit
Übersetzt von Axel Merz
Hardcover, 428 Seiten
ISBN-13: 978-3-431-03751-7|
http://www.ehrenwirth.de

_James Siegel auf |Buchwurm.info|:_

[„Entgleist“ 690
[„Getäuscht“ 2825

Jones, Frewin – Elfennacht. Die verlorene Königin (Band 2)

Band 1: „Die siebte Tochter“

Wenn man der Buchwelt Glauben schenken darf, gibt es in London unzählige Fantasy-Parallelwelten, allen voran natürlich die Zauberwelt von Harry Potter. Frewin Jones‘ Buch „Elfennacht. Die verlorene Königin“ beinhaltet zwar auch Magie, ist aber mit den Bestsellern von Joanne K. Rowling nicht zu vergleichen. Erstens ist die entsprechende Parallelwelt das Elfenreich und zweitens gehört zu einem Bestseller ein bisschen mehr als das, was die Autorin im zweiten Band ihrer Reihe „Elfennacht“ bietet.

Die sechzehnjährige Anita Palmer hat an ihrem Geburtstag etwas schier Unglaubliches erfahren. Ihr eigentlicher Name ist Tania und sie ist die Tochter des Elfenkönigs Oberon. Lange Zeit galt sie als verschollen, weil sie auf der Erde nie alt genug wurde, um ihre magische Gabe – das Wandeln zwischen den Welten – zu entwickeln und so ins Elfenreich zurückzukehren. Im ersten Band der Reihe hat Tania genau dies gemacht: Sie ist gemeinsam mit ihrem Freund Evan, der in Wirklichkeit ein Elf namens Edric ist, ins Elfenreich zurückgekehrt.

Im zweiten Band „Die verlorene Königin“ hat Tania es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Elfenmutter Titania zu suchen. Diese ist vor vielen Jahrhunderten in die Menschenwelt gereist und nicht mehr zurückgekehrt. Ihre Suche wird dadurch erschwert, dass ihre besorgten Menscheneltern ihr den Umgang mit Evan alias Edric verbieten. In ihren Augen ist der Junge schuld daran, dass Tania im ersten Band weggelaufen ist. Trotzdem finden die beiden eine Spur, die sie zu einer Anwaltskanzlei nach Richmond führt. Titania befindet sich allerdings momentan auf Geschäftsreise in Peking.

Doch nicht nur das behindert die Mission von Tania und Edric. Eines Abends platzen Tanias fünf Elfenschwestern in ihr Zimmer und bringen schlechte Nachrichten. Ihre sechste Schwester Rathina, eine bösartige Verräterin, hat den König von Lyonesse aus dem Gefängnis befreit. Dessen Ziel ist es, sowohl die Welt der Elfen als auch die der Menschen zu beherrschen, und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Er schickt seine grauen Ritter nach London, um Tania und ihre Schwestern zu töten. Wird es den Elfen gelingen, den Feind zu besiegen?

Im direkten Vergleich mit Harry Potter zieht das Buch von Frewin Jones eindeutig den Kürzeren. Das liegt vor allem daran, dass es der Geschichte an Atmosphäre mangelt. Sowohl die Handlung als auch die Personen wirken oberflächlich und beliebig. Es mangelt an Tiefe und Originalität. Elfen sind beileibe nicht selten in der Fantasyliteratur, und Jones kann ihnen nur wenig Neues hinzufügen. Ihr Roman wirkt bei der Einfachheit der Handlung wie der hundertste Aufguss der „Das Gute gegen das Böse“-Geschichte. Einzig Tanias Reinkarnationen auf der Erde wirken frisch, alles andere scheint bereits dagewesen zu sein, einschließlich des Elfenreichs. Die Handlung schreitet zwar flott voran, aber es entsteht kaum Spannung. Die Erlebnisse der Elfenschwestern reißen den Leser trotz ein paar netter Ideen nicht vom Hocker, da hier erneut der Mangel an Originalität hineinspielt.

Die Charaktere sind ebenfalls sehr oberflächlich. Sie offenbaren durchschnittliches Jugendbuchniveau und es fehlt schwer, sie auseinanderzuhalten. Abgesehen von einer sehr deutlichen Schwarz-Weiß-Zeichnung sind es die Nebenfiguren, denen es gelingt herauszustechen. Tanias freche Freundin Jade und ihr Widersacher, der boshafte Lord Drake, bleiben dem Leser wesentlich besser im Gedächtnis als die Schwestern, Edric oder gar Tania selbst.

Die Geschichte wird aus Tanias Perspektive in der dritten Person erzählt, aber die geschilderten Gefühle und Gedanken ermöglichen keine Identifikation mit dem jungen Mädchen. Dafür ist das Buch zu unpersönlich geschrieben, was seine Ursache sicherlich auch in dem durchschnittlichen Schreibstil hat. Dieser lässt sich zwar flüssig lesen, ist aber nicht besonders individuell und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck.

Schlussendlich ist „Elfennacht. Die verlorene Königin“ ein Fantasybuch, das sich vornehmlich an junge Mädchen richtet und keinen generationsübergreifenden Effekt wie Harry Potter hat. Die Geschichte von Frewin Jones kann leider weder mit ihrer Handlung noch mit den Personen hervorstechen. Alles wirkt sehr beliebig und es fällt schwer, so etwas wie Originalität auszumachen.

|Originaltitel: The Lost Queen
Aus dem Englischen von Janka Panskus
349 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3-473-35289-0|
http://www.ravensburger.de

Blazon, Nina – Königsmalerin, Die

Sofonisba Anguissola, die Heldin aus Nina Blazons historischem Roman „Die Königsmalerin“, hat tatsächlich gelebt. Sie war eine der bekanntesten Malerinnen der Renaissance, und der Buchtitel kommt nicht von ungefähr. Sofonisba war tatsächlich so erfolgreich, dass sie die damalige spanische Königin und deren Gatten malen durfte. Das ist ungewöhnlich für eine Frau aus niederem Adel und auch nicht unbedingt gefahrlos …

Die junge Sofonisba erhält, wie ihre kleine Schwester Elena, auf Anweisung ihres Vaters eine gute Ausbildung als Malerin. Da die Familie nicht besonders reich ist, hofft sie, durch die Einkünfte von Sofonisbas Bildern ihr Vermögen aufstocken zu können. Sofonisba tut, was sie kann, und schließlich ist ihr Ruf in Italien so gut, dass sie eine Anstellung als Hofmalerin am spanischen Königshof erhält.

Dort soll sie nicht nur ihre beliebten Porträts anfertigen, sondern auch der jungen Königin Isabel de Valois Kunstunterricht geben. Kaum in Toledo angekommen, läuft Sofonisba die junge Holländerin Lien über den Weg, die bei ihrem Onkel, einem Maler, die Farben mischt. Liens größter Traum ist das Malen, und sie wünscht sich Sofonisba als Lehrmeisterin. Diese nimmt das junge Mädchen als Schülerin zu sich, beeindruckt von deren Talent, Emotionen zu Bildern zu verarbeiten. Sie ahnt allerdings nicht, dass das Bild, welches Lien immer wieder malt, das einer Ketzerin ist: Lien zeichnet Ana Moreno, eine Freundin von ihr, die während der Inquisition auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden ist.

Als der Inquisitor des spanischen Königshofs herausfindet, wen Lien da auf Leinwand bannt, hat ihre Stunde geschlagen. Sie wird festgenommen und in den Kerker geworfen, um später der Ketzerei angeklagt und verbrannt zu werden. Sofonisba, der ihre Schülerin ans Herz gewachsen ist, beschließt, Lien zu retten. Mithilfe ihres alten Kindermädchens Bertola, des jungen Adligen Flavio Gonzaga und des Apothekers Martín Segundo schmiedet sie einen Plan …

Nina Blazon hat ihren Einstand in der Literaturwelt mit ihren Fantasyromanen begangen, doch mittlerweile hat sie schon mehr als einmal bewiesen, dass sie sich auch in anderen Genres bestens zurechtfindet. Vor allem historische Romane scheinen es ihr angetan zu haben. Nach [„Der Maskenmörder von London“, 3983 das im England des 18. Jahrhunderts spielt, begibt sie sich nun ins 16. Jahrhundert. Auch dieses Mal schafft sie es auf leichtfüßige Art und Weise, die Geschichte zum Leben zu erwecken. Abseits von jeglichem Historienschwulst entspinnt sie eine raffinierte kleine Geschichte, in deren Mittelpunkt zwei Frauen stehen: Sofonisba und Lien.

Am Anfang geht es hauptsächlich um Sofonisbas Werdegang, erst später rückt die Spannung in den Vordergrund, als es um Liens Rettung geht. Obwohl schön konstruiert, fehlt es dem ersten Teil des Buches an fesselnden Erlebnissen. Wer also or allem Spannung sucht, dem wird „Die Königsmalerin“ nicht unbedingt gefallen. Trotzdem ist das Buch interessant genug. Blazon hat gut recherchiert und neben den kleinen Besonderheiten dieser Zeit sehr viele Informationen über die Malerei eingewoben. Der junge Leser erfährt eine Menge über das Mischen von Farben in der damaligen Zeit und darüber, wie Porträtzeichnungen entstehen. Nina Blazon ersetzt dabei sicherlich keinen Kunstratgeber, schafft es aber, die Malerei für das Laienpublikum lebendig zu machen.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen allerdings die wunderbaren Charaktere. Sie sind unglaublich vielschichtig, interessant und alles andere als historisch trocken. Was vielen Autoren nicht gelingt, schafft Blazon mit Leichtigkeit: Sie erweckt die Figuren tatsächlich zum Leben, so dass auch ein Leser aus der heutigen Zeit sich mit ihnen identifizieren kann. Die Personen sind gut ausgearbeitet, mit Ecken und Kanten versehen, und in ihnen brennt eine spürbare Leidenschaft. Sofonisba, die aus der Ich-Perspektive erzählt, ist dabei sicherlich diejenige, die am besten im Gedächtnis bleibt. Ihre Gefühlen und Gedanke werden sehr anschaulich dargestellt und erklären ihre Handlungen und ihr Verhalten. Die Nebencharaktere sind nicht weniger bunt. Mit meist nur wenigen Strichen skizziert Blazon interessante Persönlichkeiten, die sich trotz der Reduziertheit an Beschreibungen einprägen.

Ein großes Plus ist erneut Blazons Schreibstil, der gewohnt locker und luftig aus dem Zeitalter der Inquisition berichtet. Wie bei ihren vorherigen Büchern, schreibt die Autorin sehr elegant, lebendig und teilweise mit einem dezenten Augenzwinkern. Sie benutzt einen großen, jugendfreundlichen Wortschatz, der frei von historischem Ballast ist und daher viel Freude bereitet. Ihre Erklärungen über die Malerei sind sehr verständlich und interessant aufbereitet und zugleich detailliert, aber nie störend. Sie schafft es, diese Zusatzinformationen reibungsfrei in den Fließtext einzuweben, so dass man „Die Königsmalerin“ ohne Probleme in einem Rutsch durchlesen kann.

Mit diesem Buch beweist Nina Blazon einmal mehr, welch eine gute Jugendbuchautorin sie ist. Erneut gelingt es ihr, eine historische Epoche mithilfe fantastischer Charaktere und des tollen Schreibstils zum Leben zu erwecken, ohne dabei wie einige Zunftkollegen schwermütig oder geschwollen zu klingen.

|346 Seiten, gebunden
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-473-35278-4|
http://www.ninablazon.de
http://www.ravensburger.de

_Nina Blazon bei |Buchwurm.info|:_

[„Im Bann des Fluchträgers“ (Woran-Saga 1) 2350
[„Im Labyrinth der alten Könige“ (Woran-Saga 2) 2365
[„Im Reich des Glasvolks“ (Woran-Saga 3) 2369
[„Die Reise nach Yndalamor“ (Die Taverne am Rande der Welten 1) 3463
[„Im Land der Tajumeeren“ (Die Taverne am Rande der Welten 2 3980
[„Das Königreich der Kitsune“ (Die Taverne am Rande der Welten 3) 4725
[„Die Sturmrufer“ (Die Meerland-Chroniken 1) 4180
[„Der Bund der Wölfe“ 2380
[„Die Rückkehr der Zehnten“ 2381
[„Der Spiegel der Königin“ 3203
[„Der Maskenmörder von London“ 3983

Baden, Michael / Kenney, Linda – Skalpell N° 5

Michael Baden und Linda Kenney, die Autoren von „Skalpell N° 5“, wissen, wovon sie reden: Er ist Gerichtsmediziner und sie Anwältin für Bürgerrechte – genau wie die gegensätzlichen Protagonisten des ersten gemeinsamen Krimis.

Diese sind die junge, energische Bürgerrechtsanwältin Manny mit Herz und verwöhntem Hund sowie der erfahrene, bedächtige Pathologe Dr. Jack Rosen. Manny kann Jake eigentlich nicht mehr riechen, seit er sie in einem Prozess, bei dem sie sich auf verschiedenen Seiten der Anklagebank befanden, blamiert hat. Als er sie jedoch um Hilfe bei einem verzwickten Fall bittet, hilft sie ihm nicht nur, weil ihre anwaltlichen Fähigkeiten gefragt sind. Immer wieder ertappt sie sich bei Gedanken, die mit der Verführung von Jake zusammenhängen, auch wenn ihre schlagfertigen Antworten zumeist etwas anderes zeigen.

Der Fall rückt bei der gegensätzlichen Liebelei zum Glück nicht in den Hintergrund. Dr. Pete Harrigan, der Gerichtsmediziner von Turner und Jakes ehemaliger Mentor, ruft Jake an, damit er ihm hilft, die Knochen zu identifizieren, die beim Bau eines Einkaufszentrums in Turner gefunden wurden. Es stellt sich heraus, dass die Knochen eben kein alter Indianerfriedhof, sondern relativ jung sind und zu vier verschiedenen Gerippen gehören.

Bei seinen Ermittlungen entdeckt Jake, dass einer der Toten ein ehemaliger Soldat ist, der nach dem Krieg in eine psychiatrische Anstalt kam. Er sucht die Angehörigen des Opfers auf und kann sie überzeugen, mit Mannys Hilfe Klage gegen den Staat einzureichen. Doch der Kampf für Gerechtigkeit währt nicht lange. Erst stirbt Pete Harrigan, dann wenig später seine Haushälterin, und schließlich ziehen die Angehörigen die Klage zurück. Es scheint, als ob jemand Druck auf sie ausgeübt hat, doch wer? Die Bauherren des Einkaufszentrums, die die zeitliche Verzögerung nicht unbedingt schätzen? Oder gibt es jemandem im Hintergrund, der unbedingt verhindern möchte, dass die Wahrheit über die Skelette zum Vorschein kommt? Würde dieser Jemand so weit gehen, Pete und dessen Haushälterin brutal zu ermorden?

Zugegeben, am Anfang wirkt „Skalpell N° 5“ so langweilig und zäh wie viele amerikanische Krimis. Es dauert einige Seiten, bis die Geschichte in Schwung kommt und die Figuren nicht mehr wie abgekupfert wirken. Hat man diese Durststrecke hinter sich gebracht, findet man einen sehr spannenden, wendungsreichen Kriminalroman vor, der häufig überrascht. Die Frage nach dem Mörder wird erst am Ende geklärt, wie es sich gehört, obwohl es genug Fährten in diese Richtung gibt. Die Autoren legen zusätzlich noch andere Spuren aus, so dass der Leser mit seinen Verdächtigungen zwischen den einzelnen Personen hin und her springt. Jeder scheint Dreck am Stecken oder ein Motiv zu haben. Das Autorenduo schafft es zwar nicht immer zu fesseln, aber die Handlung ist sauber und spannend konstruiert und lädt zum Weiterlesen ein. Die Schnipsel aus dem Privatleben der Autoren – hauptsächlich romantischer Natur – werden elegant eingebaut und wirken nicht störend, wie das in anderen Büchern dieser Machart der Fall ist.

Die Personen bedürfen ebenfalls einer gewissen Aufwärmzeit. Der Einstieg in das Buch gelingt Baden und Kenney nicht besonders gut. Manny wird als arrogante, luxusverliebte Zicke mit eiskaltem Mundwerk dargestellt, Jake als ruhiger, langweiliger Wissenschaftler. Damit unterscheiden sie sich nur wenig von Charakteren ähnlicher Bücher. Erst mit der Zeit durchbrechen die Autoren diese anfängliche Oberflächlichkeit und zeigen, dass die beiden Hauptpersonen eben nicht nur reine Klischees sind. Manny ist nicht so luxusverwöhnt, wie es scheint, und Jake kein vertrottelter Gerichtsmediziner. Diese Unterschiede zu den gängigen Klischees hätten ruhig ein wenig besser herausgearbeitet werden können, da sie immer noch zu schwach sind, um „Skalpell N° 5“ wirklich originell zu machen.

Der Schreibstil an und für sich ist sehr nüchtern. Dank der guten Recherche der Autoren können sie mit vielen Fachbegriffen aufwarten und erklären diese auch. Überhaupt ist die sorgfältige Ausarbeitung der Obduktionen und Jakes Wissen ein großer Pluspunkt der Geschichte. Baden schafft es tatsächlich, interessante Dinge, die dem Leser nicht unbedingt bekannt sind, einzuflechten und so das Interesse wachzuhalten. Das ist insbesondere deshalb gut, weil der Roman sehr trocken und sachlich wirkt und sprachlich kaum berührt – wenn es nicht die Dialoge und Mannys Gedanken gäbe. Die Dialoge sind spritzig und schlagfertig, Mannys Gedanken sind sarkastisch und häufig angenehm überdreht. Die quirlige junge Frau bringt dadurch eine Menge Leben in das Buch, was dieses von der anfänglichen Lethargie befreit.

Hat man den trockenen Anfang erst einmal überwunden, kann man „Skalpell N° 5“ nur schwer aus der Hand legen. Die Handlung ist wider Erwarten spannend und überraschend, während die Personen sich, wenigstens stellenweise, originell präsentieren. Vor allem Mannys Charakter und ihre Dialoge hieven das Buch über die Hürde des guten Durchschnitts und machen Hoffnung auf weitere Bände mit dem gegensätzlichen Ermittlerduo.

|Originaltitel: Remains Silent
Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Taschenbuch, 318 Seiten|
http://www.heyne.de

Beatrix Gurian – Prinzentod

Dass verbotene Liebe unschöne Konsequenzen haben kann, weiß man spätestens seit Shakespeares „Romeo und Julia“. Diese Erfahrung muss auch Lissie machen, die Heldin in Beatrix Gurians Thriller „Prinzentod“.

Lissie lebt in München und soll nun zu ihrer Freundin Bernadette ziehen, da ihr Vater, ein Koch, für längere Zeit mit einem Kreuzfahrtschiff unterwegs ist. Bernadette hat eine eigene Wohnung im Haus ihrer Eltern, so dass die beiden Mädchen ihre Ruhe vor den Erwachsenen haben. Oder besser gesagt: haben sollten. Bereits bei ihrem Einzug läuft Lissie Kai, Bernadettes Stiefvater, über den Weg und es kommt zu einem verhängnisvollen Kuss zwischen Umzugskartons. Obwohl Kai deutlich älter als Lissie ist, verlieben sich die beiden ineinander, und bald wird mehr aus den romantischen E-Mails, die er ihr schreibt.

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Baumm, Stephanie – Unsterblich wie der Tod

Dass Journalisten in der Literatur „wildern“, ist nichts Neues. Daher denkt sich der eine oder andere Leser auch in diesem Fall vermutlich: „Nicht noch so eine!“, denn immerhin hat diese bereits für verschiedene Zeitungen sowie Agenturen gearbeitet, bevor sie sich dem Schreiben von Büchern widmete. „Unsterblich wie der Tod“ heißt ihr Debüt und beweist, dass Journalisten sehr wohl gute Bücher schreiben können.

Das Buch steigt ohne lange Vorgeschichte direkt in die Ereignisse ein. Die Fotojournalistin Luisa lebt neuerdings in Angst und Schrecken, seit jemand ihr versucht hat, ihr die Leiche eines jungen Mädchens unterzujubeln und sie mit Anrufen belästigt. Die Polizei unternimmt wenig, hat sie sogar im Verdacht, die Täterin zu sein. Die Dinge spitzen sich zu, als man eine zweite Mädchenleiche findet, die nackt in der Nähe einer Bushaltestelle liegt. Auf ihrem Rücken steht „Für Luisa, in Liebe“ und neben ihr findet sich ein Handschuh von Luisas Lebensabschnittspartner Kurt, der allerdings ein Alibi besitzt: Er war zur Zeit des Mordes mit einer anderen Frau zusammen. Keine einfache Sache für Luisa, deren Sohn sich ebenfalls merkwürdig verhält. Der Mörder scheint alle Spuren auf sie lenken zu wollen, in ihrem kleinen Dorf in der Nähe von Kiel traut man ihr nicht. Nur der Kriminalkommissar Armin Stahl glaubt an sie – und Morten Vanderberg, ein berühmter Komponist, der ihr zufällig begegnet und in den sie sich vom ersten Augenblick an verliebt. Er verspürt das Gleiche, doch sie merkt schnell, dass Vanderberg etwas verheimlicht. Etwas, das auffällig viel mit den Mädchenmorden zu tun hat …

Was bereits auf den ersten Seiten auffällt, ist der für eine Journalistin unglaublich lebendige und emotionale Schreibstil. Das gelingt ihr vor allem durch ihr geschicktes Händchen für die Sprache und den Einsatz von Metaphern, Vergleichen sowie verkürzten Sätzen und ähnlichem. Ihr Schreibstil ist unglaublich gelenkig und aktiv und transportiert sehr viel mehr als die eigentliche Bedeutung der einzelnen Worte. Baumm schafft es, mit ausgewählten Begriffen Szenarien vor dem inneren Auge des Lesers zu erschaffen und geht dabei teilweise außergewöhnlich in die Details. Sie schafft es dabei, sich knapp zu halten, so dass die Kleinteiligkeit nicht stört, sondern im Gegenteil ein dickes Plus ist.

Ähnlich virtuos, wie sie mit Worten umgeht, gestaltet die Autorin auch die Handlung des Buches. Es gelingt ihr, eine sehr spannende Geschichte zu entwerfen, deren In-medias-res-Einstieg erst der Anfang von vielen Seiten fesselndem Lesevergnügen ist. Baumm schreitet in großen Schritten voran, so dass keine Längen auftreten, lässt Personen und zwischenmenschlichen Beziehungen dabei aber trotzdem genug Raum, sich zu entfalten. „Unsterblich wie der Tod“ ist nämlich kein eiskalter Thriller, sondern eine Geschichte, die auch psychologisch einiges zu bieten hat und die man nur schwer wieder aus der Hand legen kann. Das liegt auch daran, dass die Autorin gekonnt falsche Spuren auslegt, die den Leser spätestens ab der Mitte der Buches dazu animieren, sich selbst Gedanken über die Lösung des Falls zu machen. Die Lösung lässt zum Glück bis zum Ende auf sich warten, auch wenn sie ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr richtig überrascht. Gerade auf den letzten Seiten hat die Autorin damit zu kämpfen, dass sie sich auf einem sehr schmalen Grat zwischen Realismus und Fiktion befindet. In welche Richtung das Ende ausschlägt, liegt im Auge des Betrachters – nach vielen Seiten spannender Lektüre hat dies aber nur wenig Einfluss auf die Gesamtbewertung des Buches.

Die Figuren, die Baumm antreten lässt, zeichnen sich durch ihre Alltäglichkeit und gleichzeitig durch ihre Tiefe aus. Sie wirken sehr realistisch und werden anhand des Schreibstils treffend beschrieben. Sie sind zwar nicht unbedingt originell, aber der Leser kann sich mit ihnen identifizieren und versteht, was in ihnen vorgeht.

Überhaupt ist „Unsterblich wie der Tod“ ein sehr leserfreundliches Buch. Es ist flüssig, aber anspruchsvoll und spannend geschrieben, besitzt eine sauber aufgebaute, klar strukturierte Handlung und ermöglicht es, sich in die Geschichte hineinzufühlen. Stephanie Baumm hat einen tollen Krimi geschrieben, der Lust auf mehr Bücher der Journalistin macht.

http://www.droemer.de

Molay, Frédérique – siebte Frau, Die

Die französische Krimiautorin Frédérique Molay trägt eine schwere Last mit sich: Sie teilt ihren Vornamen mit der Grand Dame des französischen Kriminalromans, Fred Vargas. Letztere legt die Messlatte für gute Literatur ziemlich hoch. Es wäre daher nicht unbedingt fair, Molay an ihrer berühmten Namensvetterin zu messen, besonders, wenn man bedenkt, dass „Die siebte Frau“ ihr Debüt ist, das in ihrem Heimatland bereits sehr viel Lob erhalten hat.

Im Mittelpunkt steht der etwas eigentümliche Leiter der Pariser Brigade Criminelle, Nico Sirsky, der so in seiner Arbeit aufgeht, dass er ständig Bauchschmerzen hat. Diese Beschwerden führen ihn zu der bezaubernden Internistin Caroline, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Kein besonders guter Zeitpunkt, denn nur wenig später nach ihrem ersten Zusammentreffen wird Sirsky zu einem grausamen Mordfall gerufen. Eine junge Frau, im ersten Monat schwanger, wurde sadistisch gefoltert und anschließend getötet. Am nächsten Tag werden die Ermittler zu einem ähnlichen Fall gerufen. Erneut wurde eine junge Frau bestialisch niedergemetzelt, doch dieses Mal hat der Mörder es nicht dabei belassen und hat eine Botschaft hinterlassen: In sieben Tagen will er sieben Frauen umbringen.

Für die Kriminalpolizei beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der für Sirsky bald sehr persönlich wird. Sein eigener Schwager gerät in Verdacht: Die Botschaften, die der Mörder hinterlässt, richten sich direkt an ihn. Obwohl die Polizei in alle Richtungen ermittelt, kommt sie auf keinen grünen Zweig. Der Mörder hinterlässt keine verwertbaren Spuren, begeht keine Fehler, wird immer tollkühner – und der siebte Tag, jener Tag, an dem er eine Person aus Sirskys Umfeld töten möchte, rückt immer näher …

Zugegeben: Der Vergleich mit Fred Vargas und ihrer skurrilen Literatur ist gemein, denn kaum ein anderer beherrscht diesen Stil so gut wie sie. Doch auch in anderer Hinsicht hält Frédérique Molay nicht das, was der Vorname verspricht. Die Handlung des Buchs hat genau ein großes Problem: Die Geschichte des psychopathischen Serienmörders, der aufgrund seiner Kindheitserlebnisse zum Frauenhasser wird, ist nicht gerade neu – und in diesem Fall auch nicht besonders gut umgesetzt. Die Autorin erzählt ohne großes Aufheben und wirkt häufig lieblos. Sie scheint die Geschichte stur nach Schema F abzuwickeln, auch wenn sie immerhin keine unnötigen Längen einbaut. Das hängt allerdings mit der Natur der Handlung zusammen: Wenn Mörder und Ermittler nur sieben Tage Zeit haben, bleibt nicht viel Zeit für Abschweifungen. Aufgrund des flotten Tempos ist das Buch stellenweise sogar spannend – allerdings nicht aufgrund der abwechslungsreichen und überraschenden Ermittlungsarbeit. Diese gestaltet sich ähnlich zäh wie der ganze Krimi. Es fehlt an zündenden Ideen und innovativem Material.

Wie schon erwähnt, ist die Handlung des Krimis an einigen Stellen klischeeverdächtig. Das impliziert, dass es sich mit der Figur des Mörders nicht anders verhält. Ohne viel vorwegnehmen zu wollen, aber der Charakter des unfassbaren Phantoms erinnert an vielen Stellen an ähnlich geartete Täter, ohne dabei etwas Eigenes vorzuweisen. Psychologischer Tiefgang, ausgefeilte Charakterzüge – Fehlanzeige. Etwas besser sieht es für Nico Sirsky aus. Er wirkt zwar ebenfalls blass, zeigt aber Potenzial, das die Autorin allerdings nicht voll ausschöpft. Die Nebenfiguren nehmen leider nur sehr wenig Raum ein und hinterlassen dementsprechend noch weniger Eindruck. Gerade die Mitglieder von Sirskys Team sind kaum voneinander zu unterscheiden.

Der Schreibstil kann ebenfalls kaum punkten, wobei fraglich ist, inwiefern die Kritikpunkte mit der Übersetzung zusammenhängen. Molays Wortschatz und ihre Schreibe sind zwar in Ordnung, können aber keine Akzente setzen. Die Dialoge sind trocken und emotionslos und lockern die Geschichte nicht auf. Obwohl sie sich die Längen ansonsten verkneift, neigt Molay ab und an zu langatmigen Erläuterungen, die teilweise schlecht platziert sind und nur wenig Relevanz für die Geschichte haben.

In der Summe ist „Die siebte Frau“ ein eher durchwachsenes Krimidebüt, dem es an Originalität, häufig aber auch am Handwerklichen mangelt.

|Originaltitel: La 7e Femme
Originalverlag: Fayard
Aus dem Französischen von Brigitte Lindecke
Taschenbuch, 336 Seiten|
http://www.heyne.de

Weis, Margaret / Weis, Lizz – Dunkler Engel

Über (Schutz-)Engel auf Erden sind bereits einige Filme gedreht worden. Völlig neu ist das Thema also nicht. Trotzdem greift die bekannte Fantasyautorin Margaret Weis (|Drachenlanze|, |Das verbotene Land|, |Der Stein der Könige|, |Die Vergessenen Reiche – Death Gate Cycle|) in Zusammenarbeit mit ihrer Tochter Lizz auf dieses Thema zurück, und ja, der Engel auf Erden verliebt sich in einen Menschen …

Derek de Molay ist ein ehemaliger Tempelritter, dem der Zugang in den Himmel vor allem aufgrund seiner eigenen Starrköpfigkeit verwehrt geblieben ist. Er glaubt nicht an Gott, da ihm bislang so viel Schlechtes widerfuhr, und als passionierter Krieger macht es ihm auch nicht wirklich etwas aus, im Fegefeuer Krieg gegen Luzifer und die Engel der Dunkelheit zu führen.

Doch eines Tages tritt der Erzengel Michael mit einem besonderen Auftrag an ihn heran. Die Engel haben das Gefühl, dass das Böse versucht, die Menschen auf der Erde auf seine Seite zu ziehen und die Welt in Chaos zu stürzen. Es scheint, als hätten sie sich dazu ein Opfer auserkoren, das sie für ihre Zwecke einspannen möchten: die junge, erfolgreiche Börsenmaklerin Rachel Duncan. Ihr Schutzengel ist seit geraumer Zeit verschwunden, weshalb Derek auf sie aufpassen soll – unauffällig natürlich. Er soll als Portier in ihrem Appartementblock arbeiten und beobachten, mit wem sie Kontakt hat.

Das ist gar nicht so einfach für einen Mann, der im vierzehnten Jahrhundert geboren ist. Er muss ihr die Tür aufhalten, Taxis für sie rufen und ihr stets zu Diensten sein. Natürlich funktioniert das nicht ohne Reibereien, besonders da Rachel manchmal nicht gerade umgänglich ist und sich zu Derek hingezogen fühlt. Aber zu einem Portier?! Da geht sie doch lieber mit einem ihrer Kunden, dem reichen Zanus, aus. Er schmeichelt ihr, macht ihr Geschenke, und doch hat sie das Gefühl, dass er sie nicht ernst nimmt. Derek dagegen glaubt, dass Zanus hinter etwas ganz anderem her ist. Sein Auftrag lautete eigentlich, die junge Frau zu beschatten, doch er als Ehrenmann kann es natürlich nicht unterlassen, sie auch zu beschützen …

Margaret Weis widmet sich zusammen mit Tochter Lizz zum ersten Mal dem Genre Urban Fantasy. Auch ohne Kenntnis ihrer vorherigen Werke lässt sich sagen, dass „Dunkler Engel“ nicht unbedingt etwas für die Allgemeinheit, sondern eher für bestimmte Zielgruppen geeignet ist, vornehmlich Frauen, denen romantisch-witzige Bücher mit einem Hauch des Paranormalem gefallen. Die Autorinnen konzentrieren sich sehr stark auf die Anziehung zwischen Derek und Rachel, so dass die Handlung häufig im Hintergrund steht. Sie kommt nicht richtig zum Tragen und ist rückblickend recht simpel gestrickt. Das ist schade, denn das Buch hat einige Ansätze, aus denen man mehr hätte machen können. Zum einen ist da das Zusammentreffen eines Ritters aus dem vierzehnten Jahrhundert mit dem modernen New York. Derek gewöhnt sich ausgesprochen schnell an die neuen Umstände, die denen seiner Zeit und auch des Fegefeuers sicherlich nicht entsprechen – zu schnell, um ehrlich zu sein. Auch die Feindschaft zwischen den guten und den bösen Engeln wird nur am Rande erwähnt, von Verschwörungstheorien oder spannenden Showdowns sehen die Autorinnen gänzlich ab.

Im Mittelpunkt der Erzählung steht Rachel, ein einsamer Workaholic, die sich in einer Männerwelt durchzusetzen hat. Das macht sie auf der einen Seite zu einer taffen Frau, auf der anderen befindet sie sich in einem Zwiespalt, da sie nie so sein kann, wie sie wirklich ist, nämlich verletzlich. Neben ihrer Arbeit beschäftigt sie sich vor allem mit ihrer aufkeimenden, nicht immer reibungslosen Beziehung zum generösen, aber dennoch unnahbaren Zanus und mit dem neuen Portier, dessen Verhalten sehr merkwürdig ist und der unglaublich gut aussieht. Der Grundtenor des Buches entspricht dadurch weniger anderen Urban-Fantasy-Büchern, sondern eher Frauenromanen à la „Bridget Jones“, auch wenn Rachel lange nicht so witzig dargestellt wird. Ab und an schimmern ein wenig Biss und Ironie durch, aber letztendlich bleibt Rachel als Charakter eindimensional. Sie wirkt beinahe klischeehaft, ein Kritikpunkt, den man sicherlich auch bei den anderen Charakteren anbringen kann.

Diese brechen zu selten aus dem Rahmen aus, der ihnen zugedacht ist. Sie sind zwar gut gezeichnet und weisen keine Inkonsistenzen auf, aber wirklich interessant sind sie, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nicht. Diese Ausnahmen sind der Erzengel William, der Derek zur Seite steht und als Obdachloser verkleidet immer wieder ins Geschehen eingreift, und der Cherub Sampson, der Derek später als Partner an die Seite gestellt wird. Allerdings muss Sampson sich dazu in eine Katze verwandeln. Er zieht in Rachels Appartement ein und spioniert sie so direkt aus. Die Situation, dass er plötzlich in einem Katzenkörper lebt und Derek alles andere als ein Katzenliebhaber ist, führt immer wieder zu witzigen Momenten, und Sampsons Humor ist einer der Lichtblicke der Geschichte.

Obwohl das Buch von der Handlung und der Personenzeichnung her wie romantische Frauenliteratur wirkt, fehlen der Schwung und der Witz, die vielen solcher Romane zueigen sind. Margaret und Lizz Weis leisten sich keine Patzer in handwerklicher Hinsicht. Sie erzählen flüssig und lebendig – viel mehr aber auch nicht. Von einigen witzigen Stellen abgesehen, ist das Buch auf weiten Strecken eine reine Wiedergabe von Rachels Gefühlen und Gedanken, die nicht immer sonderlich tief gehen. Die Autorinnen finden die richtigen Worte dazu, schaffen es aber nicht, der Geschichte noch etwas mehr Kick zu verpassen.

„Dunkler Engel“ erreicht mit seinem romantischen Grundthema und dem paranormalen Touch sicherlich seine Zielgruppe. Der breiten Leserschaft wird der Urban-Fantasy-Versuch des Mutter-Tochter-Gespanns allerdings weniger gefallen. Dafür hat der Roman zu wenig abseits der Liebeswirrungen zu bieten – sowohl handlungstechnisch als auch in Bezug auf den Schreibstil.

|Originaltitel: Warrior Angel, 2007
Aus dem Englischen von Catrin Lucht
Taschenbuch, 351 Seiten|
http://www.blanvalet.de
http://www.margaretweis.com

_Margaret Weis bei |Buchwurm.info|:_

[„Die Vergessenen Reiche“ 13
[„Quell der Finsternis“ (Der Stein der Könige) 394
[„Drachenzwielicht I“ (Die Chronik der Drachenlanze) 3499
[„Drachenzwielicht II“ (Die Chronik der Drachenlanze) 3764

Briggs, Patricia – Bann des Blutes (Mercy Thompson 02)

_Mercy-Thompson-Serie:_

Band 1: [„Ruf des Mondes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4490
Band 2: _Bann des Blutes_
Band 3: Spur der Nacht
Band 4: Zeit der Jäger

Nachbarn müssen nicht immer nett und freundlich sein. Davon kann die Automechanikerin Mercedes Thompson, Heldin von Patricia Briggs‘ gleichnamiger Buchreihe, ein Liedchen singen. Ihr Nachbar ist ein gutaussehender Werwolf, der Alpha des Rudels in den Tri-Cities, der ein Auge auf sie geworfen hat und dummerweise ein Kontrollfreak ist.

Dementsprechend ist Adam nicht sonderlich begeistert, als sich Mercy vom Vampir Stephan breitschlagen lässt, ihm bei einer Aufgabe beizustehen. Stephan soll herausfinden, welcher fremde Vampir sich im Revier seiner Herrin Marsilia befindet, ohne sich vorgestellt zu haben. Da er befürchtet, dass der Fremde magische Kräfte besitzt, die ihn beeinflussen könnten, soll Mercy, die sich als Walkerin in eine Koyotin verwandeln kann, ihm in Tierform beistehen.

Diese Aufgabe wird ihnen beinahe zum Verhängnis, denn es stellt sich heraus, dass Cory Littleton, so der Name des Zugereisten, kein gewöhnlicher Vampir ist, sondern ein Zauberer. Mit seinen Kräften schafft er es, Vampire zu lenken und ihre Erinnerungen zu verändern. So bildet sich Stephan nach dem Zusammentreffen mit Littleton ein, einen Menschen umgebracht zu haben. Zum Glück hatte er Mercy, auf die Vampirmagie keine Wirkung besitzt, dabei und sie kann seine Unschuld bezeugen. Sie schaffen es, vor Littleton zu fliehen, doch der treibt weiterhin sein Unwesen in den Tri-Cities.

Die Fälle von Gewalttaten nehmen zu, die Menschen werden aggressiver. Marsilias Vampire wie auch Adams Werwölfe machen sich daher auf die Suche, um Littleton zu töten. Zu gefährlich ist es, wenn er durch seine Taten die anderen Wesen in Gefahr bringt. Die Werwölfe haben sich zwar, genau wie das Feenvolk vor einigen Jahren, „geoutet“ und der Öffentlichkeit gestellt, doch das bedeutet noch lange nicht, dass die Menschen ihnen vertrauen.

Die Jagd nach Littleton wird Mercys Freunden allerdings zum Verhängnis. Ein Werwolf wird schwer verletzt, mehrere andere und Stephan verschwinden plötzlich von der Bildfläche. Mercy beschließt zu handeln und sucht Marsilia, die intrigante Führerin von Stefans Sidhe, auf. Sie stellt der Walkerin einen Partner an die Seite, mit dem sie den Zauberer auffinden und unschädlich machen soll. Mercy hat nur wenig Vertrauen in ihren Partner Andre, da er Stephan nicht wohlgesonnen war, und so ist sie mehr oder weniger auf sich alleine gestellt. Zu allem Überfluss stellt sich heraus, dass nicht jeder der Beseitigung Cory Littletons zustimmt …

„Bann des Blutes“ ist der zweite in Deutschland erschienene Teil der Mercy-Thompson-Reihe. Er nimmt häufig Rückgriff auf die Ereignisse in [„Ruf des Mondes“ 4490, stellt an und für sich aber eine eigenständige, abgeschlossene Geschichte dar. Während im ersten Band hauptsächlich die Werwölfe im Vordergrund standen, konzentriert sich die Autorin dieses Mal stark auf die Vampire. Da Mercy in deren Sitten und Bräuche nicht besonders eingeweiht ist, erfährt der Leser durch ihre Augen eine Menge interessanter Dinge. Leider fehlt die Komponente der persönlichen Erfahrung, wie das bei den Werwölfen der Fall ist, da Mercy unter diesen aufwuchs. Trotzdem ist die Geschichte von diesem Gesichtspunkt aus sehr interessant.

Patricia Briggs hat eine abwechslungsreiche, detaillierte Welt geschaffen und sehr gut in die reale integriert. Die Eigenschaften von Werwölfen, Vampiren und Feen sind zwar nicht immer neu, werden aber häufig sehr schön dargestellt oder interessant differenziert. Sie bekommen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die in der Geschichte immer wieder durchschimmern. So reden Vampire beispielsweise gerne um den heißen Brei herum, während Werwölfe sehr autoritäre, kontrollierende Tiere sind, die auch in Menschenform einer bestimmten Hierarchie gehorchen, deren Aufbau durch Rangkämpfe des Öfteren neu geordnet wird. Gerade an solchen Stellen merkt man, dass Patricia Briggs mit der grassierenden Vampir-Liebesroman-Epidemie nur wenig am Hut hat. Ihr geht es nicht darum, romantische Verbindungen zwischen ihren Charakteren zu knüpfen. Im Vordergrund stehen die spannende Handlung sowie die schön erdachte Welt.

Die Handlung ist allerdings nicht immer gelungen. Das Drumherum hat beinahe mehr zu bieten als die Geschichte an sich. Schuld daran sind der konstruiert wirkende Aufbau sowie die nicht klar erkennbare Spannungskurve. Die Geschichte hat zwei Höhepunkte, die ungeschickt miteinander verknüpft sind, und Briggs versäumt es von Anfang an, eine stufenweise Steigerung aufzubauen. Das ist sehr schade, denn ansonsten ist wirklich alles stimmig bei „Bann des Blutes“. Doch gerade das Ende wirkt wie nachträglich angeklebt. Es hat zwar einen Bezug zu den vorherigen Erlebnissen, wirkt jedoch unnötig beziehungsweise ungeeignet integriert. Trotzdem muss man Patricia Briggs lassen, dass sie es schafft, eine gewisse Atmosphäre zu schaffen, die es dem Leser an der einen oder anderen Stelle kalt den Rücken hinunterlaufen lässt. Dazu gehören beispielsweise Mercys Zusammentreffen mit Cory Littleton oder auch ihre Besuche im Hauptquartier der Vampire.

Briggs‘ Dark-Fantasy-Reihe hebt sich auch dadurch von anderen Büchern ab, dass Mercy als Charakter nicht den üblichen Klischees entspricht. Abgesehen von ihrem Geschlecht hat sie nur wenig mit den Frauen zu tun, die in Büchern des gleichen Genres verführerischen Vampiren zum Opfer fallen. Zum einen ist Mercy keine Außenstehende. Sie ist als Walkerin direkt in das Treiben integriert, nimmt aber durchaus eine Außenseiterrolle ein, was ihr erlaubt, einen frischen, kritischen Blick auf die drei Völkchen – Vampire, Werwölfe, Feen – zu werfen. Sie gehört nirgends dazu, was ihre Persönlichkeit insofern beeinflusst, als sie eine sehr starke, unabhängige Frau ist. Sie ist jedoch nicht unnahbar oder unsterblich, sondern begeht Fehler und zeigt Schwächen, die sie sehr sympathisch werden lassen. Da aus ihrer Perspektive erzählt wird, baut der Leser schnell eine Beziehung zu ihr auf. Da sie überdies sehr realistisch gezeichnet ist, kann man sich gut mit ihr identifizieren, obwohl sie eine Walkerin ist und ein sicherlich nicht alltägliches Leben führt.

Eng mit Mercy verknüpft ist der Schreibstil von Patricia Briggs. Sie präsentiert sehr ausführlich über Mercys Gedanken und Gefühle, vergisst darüber hinaus aber nicht die nachvollziehbaren Erklärungen und die saubere Beschreibung der Ereignisse. Sie schwankt dabei zwischen nüchtern und humorvoll, denn Mercy tendiert zu (selbst-)ironischen Gedanken. Das Buch entwickelt in dieser Hinsicht zwar keinen solchen Sog, wie das beispielsweise bei den Büchern von Kim Harrisson der Fall ist, hat sich allerdings im Gegensatz zum ersten Band der Reihe schon wesentlich gesteigert. Briggs ist bissiger geworden, ohne dabei zu sehr abzuschweifen. Geradlinig und sehr flüssig schreibt sie ihre Geschichte herunter, ohne störende Einschübe oder Nebensächlichkeiten. Dementsprechend einfach und zügig lässt sich das Buch lesen. Tatsächlich fällt es manchmal schwer, es überhaupt zuzuschlagen, da es solchen Spaß bereitet, an Mercys Leben teilzuhaben.

Im Großen und Ganzen ist „Bann des Blutes“ sicherlich kein Überwerk. Dazu ist die Handlung zu wenig ausgefeilt, obwohl sie den Anspruch erhebt (und teilweise auch erfüllt), spannend zu sein. Auf der Habenseite stehen allerdings die fantastische Hauptperson, der verbesserte Schreibstil und vor allem die sorgsam ausgearbeitete Welt – alles Punkte, die nicht jeder Roman, der sich mit dem Label „Dark Fantasy“ schmückt, für sich verbuchen kann. Dementsprechend dürfte es Fans freuen, dass am Ende des Buches bereits der dritte Band „Spur der Nacht“ für Februar 2009 angekündigt wird.

|Originaltitel: Blood Bound
Aus dem Amerikanischen von Regina Winter
Taschenbuch, 415 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.patriciabriggs.com

_Patricia Briggs bei |Buchwurm.info|:_
[„Ruf des Mondes“ 4490
[„Drachenzauber“ 3933
[„Rabenzauber“ 4943