Karl Schroeder ist einer der amerikanischen Autoren fiktionaler Literatur, die abseits der Klassiker des Genres in den letzten Jahren den Sprung über den großen Teich taten und ihren Erfolg auch bei uns belegen. So ist der vorliegende Roman erst seine zweite deutschsprachige Veröffentlichung und knüpft nahtlos an die Ereignisse des Vorgängers „Planet der Sonnen“ an:
Nachdem sich Venera Fanning von Hayden Griffins Aerobike getrennt hat und sich im freien Fall von der ersten Sonne |Candesce| entfernt, gelangt sie wie durch ein Wunder durch die fallen- und minengesäumte Umgebung des Riesenzylinders „Spyre“ aus den Anfangstagen der Weltensphäre Virga und in sein Inneres, wo sie – aufs Stärkste sonnenverbrannt durch die ungeschützte Nähe zu Candesce – bewusstlos einem alten Schwerenöter in die Hände fällt.
Ihr weiterer Weg durch die paranoide Kultur Spyres wird beschrieben durch Intrigen, Verrat, dem Trachten nach Macht und ihrem Wunsch nach Rache – Rache für den Tod ihres Ehegatten. Dabei gewinnt sie Freunde und verändert ihre durch aristokratische Erziehung entstandene Einstellung zu anderen Menschen und gerät unversehens ins Visier der mächtigsten Gruppierung Spyres, die nach ihrem wertvollsten Besitz trachtet: Dem Schlüssel zu Candesce, der die uneingeschränkte Macht über die Sphäre bedeutet …
Wie schon die knappe Inhaltsbeschreibung andeutet, handelt es sich vor allem um die Entwicklung Veneras Charakter, die Ausbreitung einer faszinierenden und fremdartigen Kultur auf ebenso interessantem Lebensraum sowie um eine abenteuerliche Erzählung in den unergründlichen Weiten Schroeders Weltentwurf, den Virga darstellt. Die schwierigen Verstrickungen, die ganz Virga und vor allem Veneras Heimatstaat Slipstream betreffen, werden in dieser an sich abgeschlossenen, introvertierten Teilwelt Spyre nur am Rande von Belang, obwohl sie für den großen Konflikt des Romans die treibende Kraft sind. Doch die Utopie, die hinter der Vielfältigkeit Virgas steht und universal das Dasein des Menschseins bedroht, wird in diesem Band nicht weiter entwickelt.
Vielmehr entwirft und verwirft Schroeder hier intrigante Charaktere, die weitgehend für die weitere Entwicklung der großen Geschichte bedeutungslos sein dürften bis auf drei oder vier Ausnahmen, die Spyre zusammen mit Venera hinter sich lassen. In dem Zusammenhang ist es schade, dass die im ersten Band entwickelten Charaktere außer Venera selbst nicht wieder zum Zug kommen. Das bleibt für den nächsten Roman zu erwarten und erhoffen, sollte man doch meinen, dass Schroeder sie nicht einfach verwirft. Was sich hier in Spyre an hintergründigen und oberflächlichen Mitspielern tummelt, nimmt bis auf die genannten Ausnahmen nicht die Tiefe anderer bisher aufgetretener Charaktere an und bleibt ausschließlich auf diesen Roman beschränkt, wie das Ende vermuten lässt.
So entwickelt Schroeder hier eine weitere Facette Virgas, die ihre Vergänglichkeit zum Thema hat, ebenso wie es ein tragendes Thema ist, wie sich Veneras Hass und ihr besonderes Trauma in dieser Welt wandeln. Sie gewinnt eindeutig Sympathien hinzu, die ihr bisher verwehrt wurden.
Den großen Zusammenhang außen vor gelassen, handelt es sich um eine spannende, abwechslungsreiche Erzählung mit SF-Elementen ebenso wie mit Eindrücken aus Fantasy und feudalem Intrigenwahn. Wie es so oft in Science-Fiction-Romanen anzutreffen ist, verwebt der Autor anachronistische Momente mit technischen Überbleibseln einer einst überlegenen Zivilisation, sodass das Dilemma einer unvorstellbaren Charakterisierung dieser weit entwickelten Menschen umgangen wird, sondern man sich auf Eigenheiten der irdischen Geschichte rückbesinnen und sie in ein faszinierendes Umfeld betten kann.
Das Buch steht in engem Zusammenhang mit dem Vorgänger, kann aber durch den Charakter des Schauplatzes auch eigenständig gelesen werden. In Erinnerung bleibt der Eindruck einer sehr unterhaltsamen und schnellen Geschichte mit einer stark herausgearbeiteten Protagonistin, was die Erwartung auf den nächsten Band anheizt.
Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3453526921
Originaltitel: Book Two of Virga: Queen of Candesce
Deutsch von Irene Holicki
Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Zwischen den wirklich guten utopischen und fiktionalen Romanen aus dem englischen Sprachraum findet man hin und wieder auch Übersetzungen aus anderen Ländern. In solchen Fällen tut der Verleger natürlich alles, das Buch irgendwie hervorzuheben – in Pierre Bordages Fall, der mit seiner Trilogie um die Krieger der Stille in Frankreich einen Direkterfolg erzielte, fand Heyne keinen Geringeren als den Bestsellerautor aus Deutschland, den es nach Frankreich verschlagen hat: Andreas Eschbach kommentiert irgendwo die Romane Bordages, und so zitiert ihn Heyne mit dem unübertreffbaren Ausspruch: „Es wäre ein Fehler, Pierre Bordage nicht zu lesen.“ Musste man das bei der Lektüre des ersten Bandes noch in Frage stellen und als eine Art Freundschaftsdienst zwischen den miteinander bekannten Autoren abtun, steigt das Flair und die Qualität der Geschichte im zweiten und dritten Teil fast kontinuierlich an, wobei man zum Ende des zweiten Bandes noch den starken Eindruck hatte, dass es immer mehr in übergeordnete Sphären abzudriften drohte. Das hat sich schließlich doch auf einem weitgehend weltlichen und verständlichen Niveau eingepegelt, bevor es in unverständliche Höhen abdriftete. Somit scheint sich der Kommentar auf die Gesamtgeschichte zu beziehen.
Beim Kampf der Krieger der Stille gegen den „Blouf“, das ultimative Böse, kristallisieren sich festgelegte und in vielerlei Mythen verankerte Strukturen heraus, die zu einem recht dauerhaften Sieg oder einer ebenso dauerhaften Niederlage führen müssen. So müssen sich zwölf der Krieger zu einer mythischen Entität verschmelzen, um dem Blouf endgültig entgegen treten zu können. Weite Strecken des Romans drehen sich also darum, wie die zwei bis dato letzten Urmenschen (die das inddikische Erbe noch nutzen können und sich der Auslöschung durch die Scaythen widersetzen) ihre Kameraden und Mitstreiter finden, befreien und mit dem Antra des Lebens schulen. Abseits davon sorgt der schon bekannte Sri Lumpa auf Hyponeros dafür, dass sich die auslöschende Entität nicht endgültig ausbreiten kann, beziehungsweise die Krieger der Stille frühzeitig erfasst und besiegt.
Blöd nur, dass Lumpa selbst einer der zwölf ist, und noch blöder, dass er Opfer der Meisterkreatoren von Hyponeros wird, die ihn schließlich als trojanisches Pferd in die Entität des Antra einschleusen wollen, um die inddikischen Annalen und damit den Ursprung und das Zentrum der Urmenschlichkeit zu vernichten. Der finale Kampf auf geistiger Ebene ist unbeschreiblich …
Der dritte und abschließende Band der Trilogie um die Krieger der Stille, das Antra des Lebens und den alles verschlingenden Blouf (eine Nichts-Entität, ursprünglich für ein zentralgalaktisches schwarzes Loch gehalten) mit seinen Gehilfen, den aus menschlicher Dummheit geborenen künstlichen Wesen und Rechnern von Hyponeros, die aus der Hegemonie der Maschinen (und dem damit verbundenen Ende der künstlichen Intelligenz) hervorgingen, entwickelt sich trotz der scheinbaren und endlich auch entscheidenden Ausrichtung auf die geistige und kreative Auseinandersetzung recht bodenständig: Verfolgungen, Intrigen, Schießereien, Tote, Hinrichtungen und Vergewaltigungen markieren den Weg des Niedergangs der menschlichen Kultur und den Weg des Kampfes um das Fortbestehen der Menschheit, den Bordages Protagonisten ausfechten müssen. Dabei bedient er sich durchaus der Triebfedern menschlichen Handelns, die sich durch unsere Geschichte ziehen: Machtgier, Kontrolle, Sex und Unterdrückung sowie religiösen Fanatismus – der in diesem Fall ironischerweise aus einem Zusammenwirken der inddikischen Wissenschaft und der christlichen Kirche entstand, indem sich Kontrollmechanismen zur Erhaltung und Verlust der ursprünglichen Ausrichtung auf das Wesen des Menschen.
Damit prangert Bordage natürlich den religiösen Fanatismus aller Zeiten an, denn natürlich ist jedem menschlichen (im Sinne des Wortes) Wesen in unserer Welt klar, dass die ursprünglichen Ideen und die Entwicklung, die zu Religionen führten, keinerlei Fanatismus dienten, sondern dem Bedürfnis zur Hilfe entsprangen.
Neben diesem kritischen Aspekt und dem transzendenten Antra entwickelt Bordage aber eine rasante Geschichte mit einigen Handlungsebenen, von denen jede ganz unterschiedlich ausgerichtet ist und jede für sich einen eigenen Reiz hat, die aber endlich zusammenfinden und ein umfassendes Bild enthüllen. Und zum Glück versäumt er es nicht, trotz des vorhersehbaren Siegs des Antras die Trägheit der menschlichen Entwicklung deutlich herauszustellen, um dem Sieg seine Endgültigkeit zu nehmen und den Menschen auch weiterhin die Wahl zu lassen zwischen Kreativität und Leben und Auslöschung, geistiger Verarmung und Niedergang.
Was sich jetzt wie eine deutliche Geschichte „Gut siegt über Böse“ anhören mag, entwickelt sich im Verlauf allerdings eher rückläufig, sodass das Gute immer wieder Rückschläge einstecken muss. Ein bisschen platitüdenhaft mutet die schließliche Übernahme der Führung an, wenn Verfolgte durch die aus Empörung geborene Rebellion im Volk befreit werden, verzweifelte Existenzen dem Partner des Lebens begegnen und durch ihn/sie aufgerüttelt und zu einstiger charakterlicher Größe zurückgeführt werden. Wenn ehemalige Unterdrücker eigentlich an der Umwälzung arbeiteten und ihrem eigens ausgewählten Nachfolger noch nach dem Tod detaillierte Anweisungen durch geniale Voraussicht zukommen lassen, und wenn die geistige Niederlage im entscheidenden Moment umgekehrt werden kann.
Das sind allerdings Kleinigkeiten vor dem Umfang des Stoffes, in dem sich viele spannende Details verbergen und in ihrem Zusammenhang zu einer faszinierenden und schließlich positiven Zukunft für und durch die Stärke des Menschen führen. Abschreckend dagegen mag das Format wirken, da der Verlag die Trilogie als schlagkräftige Tradepaperbacks herausbringt und damit noch mehr Inhalt suggeriert.
Zusammenfassend bleibt die Trilogie durchaus in positiver und empfehlenswerter Erinnerung, auch wenn das Zitat Eschbachs in diesem Zusammenhang etwas übertrieben wirkt.
Taschenbuch: 672 Seiten
ISBN-13: 978-3453525108
Originaltitel: La Citadelle Hyponéros
Deutsch von Ingeborg Ebel
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Die „Wilson Cole“-Romane bringen endlich, muss man sagen, Mike Resnicks Romane in den deutschen Sprachraum. Als einer der beliebtesten und erfolgreichsten amerikanischen Science-Fiction-Schriftsteller wurde er mit Auszeichnungen überhäuft, sodass es erstaunt, wie wenig davon über den großen Teich geschwappt ist. Allein seine Kurzgeschichten erhielten vor allen lebenden wie toten SF-Autoren die meisten Preise.
„Wilson Cole“ ist eine fünfteilige Geschichte um ein Raumschiff, seine Besatzung und ihren Captain, ebenso wie es eine Geschichte ist um Missbrauch von Staatsgewalt, Ethik, blinden militärischen Gehorsam und bedingungslose Freundschaft. „Flaggschiff“ ist der bezeichnende Titel des finalen Bandes und kündet von spannenden Auseinandersetzungen …
Der unbequem gewordene Held der Republik Wilson Cole kommt als zweiter Offizier an Bord der Theodore Roosevelt. Nachdem sein dortiger Captain die sinnlose Vernichtung eines ganzen bevölkerten Planeten befiehlt, übernimmt Cole das Kommando und setzt den Captain in Haft, bis ein offizielles Kriegsgericht sich dem fehlgeleiteten Druck der Öffentlichkeit beugt und Cole verurteilen will. Die Mannschaft der Teddy R befreit ihn und sie flüchten an die Innere Grenze, einen weitgehend gesetzlosen und unabhängigen Bereich der Galaxis.
Hier versuchen sie sich als Piraten, was sich nicht mit ihrer Moral vereinen lässt. Also wird die Teddy R ein Söldnerschiff und erfüllt militärische Aufträge, wobei Cole Wert auf Menschlichkeit legt und dadurch immer neue Schiffe in seine wachsende Flotte eingliedern kann. Das Hauptquartier wird die elf Kilometer große Station Singapur.
Als die Raumflotte verstärkt beginnt, Planeten der Inneren Grenze zu überfallen und die Bewohner zwangszurekrutieren, beginnt unter Coles Führung ein Partisanenkampf gegen jedes eindringende Raumschiff der Flotte. Der Gegenschlag lässt nicht lange auf sich warten: Durch unglückliche Umstände gelingt es der Flotte, Coles Ersten Offiziers Forrice habhaft zu werden. Sie foltert ihn vor laufender Kamera brutal zu Tode und bricht damit die letzten Reste der einstigen Loyalität, die Cole noch banden – ja, sie entfacht den unbändigen Rachedurst und Hass in ihm, der ihn dazu treibt, der Republik offiziell den Krieg zu erklären …
Wilson Cole und seine Verbündeten attackieren die Schiffe der Raumflotte, wo immer sie sich in die Innere Grenze wagen. Doch gleichzeitig lecken sie ihre Wunden, denn die große Schlacht um Station Singapur hat zu derben Verlusten bei den Rebellen geführt. Einen weiteren Angriff dieser Art kann Cole nicht stoppen, und so sucht er konzentriert nach Möglichkeiten, dem Gegner zuvor zu kommen und gleichzeitig die Station aus der Gefahrenzone zu bringen – indem er sie von allen rebellischen Streitkräften entblößt.
Seine Mitstreiter zweifeln bisweilen stark an ihren Möglichkeiten, und erst, als ein Verbündeter ihnen ein mächtiges, modernes Schlachtschiff der Republik zuführt, reift in Cole der verwegene Plan, der die Schlacht entscheiden soll. Bis es soweit ist, führen seine Mitstreiter vernichtende Angriffe auf lange verlassene Planeten der Republik aus, die den republikanischen Medien als aus Unfähigkeit der Raumflotte geborene Vernichtungsschläge der Teroni dargestellt werden und so sehr schnell zu Ängsten in der Bevölkerung führen, die schließlich in Missgunst der Regierung und der Raumflotte gegenüber umschlagen. Die Stimmung in der öffentlichen Meinung wird immer sympathischer für Cole und sein Vorhaben, das Übel an der Wurzel zu packen. Dabei will er sich als Gefangenen auf die Zentralwelt der Republik bringen lassen – natürlich mit Hilfe des erbeuteten Schiffes, das unzweifelhaft unbehelligt dorthin gelangen können sollte.
Das letzte Problem auf diesem Weg sind fehlende Legitimierungscodes. Als Cole ein Offizier der Raumflotte in die Hände fällt, greift er zu allen Mitteln, um ihm die Daten zu entlocken, und schreckt dabei zum Wohle der Allgemeinheit selbst vor nachdrücklichen Verhörmethoden nicht zurück, was bei einigen Besatzungsmitgliedern zur Befehlsverweigerung führt und ihn mächtig auf die Palme bringt.
Letztendlich ist er nicht der Einzige, der die Zentralwelt der Republik an ihrem Nerv angreift, und obwohl er selbst durch den neuen Feind am Leben bedroht wird, hilft ihm dieser Druck bei der Erfüllung seines Vorhabens …
Zwischen den Fronten oder: Die Ethik der cole’schen Rebellion
Wie nicht anders zu erwarten breitet sich vor uns eine spannende, actiongeladene und zwiespältige Geschichte aus, die die besten Attribute der Space Opera in sich vereint, ohne dabei den abgehobenen psychedelischen und übersphärischen Ambitionen der modernen Genreschriftsteller zu folgen. Nein, sie bleibt durch und durch menschlich und bodenständig, die einzigen zu verzeichnenden Höhenflüge sind in der genialen Planungs- und Rhetorikgewandtheit Wilson Coles zu finden, der wie immer seine Mitstreiter und den Leser mit Winkelzügen, Ideen und logischer Überzeugungskraft überrascht.
Betrachtet man sich die finale Charakterentwicklung, wird deutlich erkennbar, dass Resnick bei allen Protagonisten eine beherrschende Menschlichkeit herausstreicht und sie der Unmoral der Raumflotte respektive der republikanischen Regierung entgegensetzt. Die Sympathien sind also klar verteilt, und die Probleme, die sich in der Republik auftun, finden sich durchaus auch in unseren Gesellschaften wieder, sodass Resnick trotz der wenigen, zielgerichtet herausgepickten Aspekte seiner Kritik, eine große kritische Betrachtung unserer Vorgehensweisen und Billigungsmoral liefert.
Die in diesem letzten Roman herausgekehrte Kritik ist die Frage nach der Billigung von „nachdrücklichen Verhörmethoden“, wie sie zu allen Zeiten in der Geschichte unserer Erde Anwendung fanden und zu unserem Schrecken noch immer finden, legalisiert man sie doch über die Totschlagargumentation, mit ihrer Hilfe schlimme Verbrechen verhindern zu können (so geschehen bei Bombendrohungen, wo man die Position der Bomben rechtzeitig heraus fand). Die Folter, denn um nichts anderes handelt es sich – auch wenn strikt behauptet wird, beispielsweise das sogenannte „water boarding“ sei keine Folter, da man dem Verhörten keinerlei bleibende Schäden zufüge – , als terrorpräventive Maßnahme zu legalisieren ist natürlich eine gefährliche Diskussion, und an dieser Diskussion beteiligt sich Resnick konsequent im vorliegenden Roman. Eine ethische Lösung für das Problem kann er nicht aufzeigen, aber es zeugt von Mut und Kritikfähigkeit, wenn man seinen charismatischsten Protagonisten mit diesem Problem konfrontiert. Hut ab.
Dieser Streitpunkt nimmt nur einen kleinen Raum in der Geschichte ein, denn trotz allem schreibt Resnick einen grandios unterhaltenden Roman, wie er schneller oder flüssiger kaum vorstellbar ist. Gegen die modernen Totschläger von backsteindicken, langatmigen und abschweifenden Romanen nehmen sich die „Cole“-Romane richtig bescheiden aus, doch gerade darin liegt ein Teil der Faszination: Wie es Resnick schafft, auf diesem geringen Umfang ein so komplexes Bild zu entwerfen und gleichzeitig diese spannende Geschichte zu erzählen, lässt nur staunen. Mit wenigen Strichen und treffenden Dialogen skizziert er das Gefühl, hautnah dem Geschehen beizuwohnen. An Coles Erfolg besteht natürlich nie ein Zweifel, gerade auch weil er, der geistige Überflieger, sich mit Experten aller Bereiche umgibt und so ein quasi unschlagbares Team anführt. Trotzdem hat man nie den Eindruck, von einer Superheldgeschichte vorgeführt zu werden, sondern sieht hier das Mittel zum Zweck.
Während also die „Cole“-Geschichte in erwartungsübertreffender Qualität ihr Finale bestreitet, bleibt die Frage zurück, welchen Bereich Resnicks überbordenden Universums die deutsche Verlagsgemeinde als Nächstes in Angriff nimmt, um dieser besten Unterhaltung gerecht zu werden.
Taschenbuch: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3404233502
Originaltitel: Starship: Flagship
Deutsch von Thomas Schichtel
Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: (5 Stimmen, Durchschnitt: 1,60 von 5)
_Der kleine Leo_ Lausemaus freut sich auf Weihnachten. Doch während er sich im Schnee amüsiert, friert das arme Vögelchen, das den Anschluss an seinen Flug in den Süden verpasst hat und bittet Leo um seinen Schal. Leo kann sich von seinem Lieblingsschal nicht trennen und geht nach Hause. Dort plagen ihn Gewissensbisse, und er fragt seine Mutter, ob der Weihnachtsmann alles sehe, was man Böses täte. Dann schleppt er voller Eifer Wolle an und bittet die Mutter um einen gestrickten Schal, den er dem Vögelchen bringen will. Doch scheint er schon zu spät zu kommen, denn der Vogel ist in dem eisigen Schneetreiben nicht mehr zu sehen …
_Die Bilderbuchreihe um_ die kleine Maus Leo erfreut sich großer Beliebtheit – vor allem bei den Eltern, denn Leo sammelt seine Erfahrungen auf ganz menschliche Art und bringt durch seine Erlebnisse erzieherische Themen an den Mann bzw. das Kind. Titel wie „Leo trödelt mal wieder“, „Leo will nicht schlafen“ oder dem vorliegenden „Leo wartet auf Weihnachten“ sprechen für sich. Sie behandeln ganz einfach das jeweilige Thema, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Vielmehr geht es darum, ein Kind mit der Problematik vertraut zu machen und ihm zu zeigen, welche Folgen ein bestimmtes Handeln haben kann oder auch, welche Möglichkeiten es gibt, Probleme zu lösen.
Hier lernt Leo kurz die verschiedenen Aspekte der Vorweihnachtszeit kennen, das Warten, den Winter, das Schreiben eines Wunschzettels, aber auch die Tatsache, dass es nicht jedem zu dieser Zeit gut geht, dass es auch Personen gibt, die unter der Kälte des Winters leiden oder die sich nicht selbst helfen können. Und er lernt, dass es besser ist, spät zu helfen als nie – und seine Hilfe wird natürlich mit einem liebevollen Ergebnis belohnt.
Die Bilder greifen den zugehörigen Text und die Geschichte direkt auf und bleiben dabei von klarer Struktur, lenken das Auge des Betrachters nicht ab, sondern zeigen mit kindlicher Warmherzigkeit die Geschehnisse und Gefühle. Mit niedlichen Details wird deutlich, dass Leo wirklich eine Maus ist, die zum Beispiel in einer Streichholzschachtel als Bett schläft oder auf einem Korken als Stuhl sitzt. Garnrollen, Bausteine und andere Gegenstände dieser Größe bilden die Grundlagen der Einrichtung des Mäusehauses.
Die Wirkung auf meine kleinen Söhne (2 und 4 Jahre) ist unterschiedlich. Wenn sie schon in ruhiger Stimmung sind, lassen sie sich gerne das Buch von der Lausemaus vorlesen und vertiefen sich in die Bildergeschichte, erzählen manchmal ihre eigenen Gedanken zu den Bildern und entdecken die Details. Sind sie allerdings in wilderer Stimmung, scheint Leo nicht genügend Schwung zu bieten, dann müssen es schon Bagger, Feuerwehr oder andere spannende Geschichten sein, um sie an ein Buch zu fesseln.
_Insgesamt ist das_ Weihnachtsbuch der Lausemaus ein rundum schönes Bilderbuch mit einer thematisch passenden Geschichte um Hilfsbereitschaft und weihnachtliche Vorfreude, das in gewohnter Klarheit gemalt und geschrieben ist.
|Gebundene Ausgabe: 32 Seiten
Originaltitel: |Il natale di Topo Tip|
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 24 Monate – 4 Jahre
ISBN-13: 978-3937490458|
http://www.lingen-koeln.de
http://leo-lausemaus.de
Artemis Fowl blickt mittlerweile auf eine lange und verzwickte Geschichte zurück, eine Reihe von Romanen, die in chronologischer Reihenfolge die Erlebnisse des jungen irischen Genies berichten und Bezug aufeinander nehmen, wobei gerade die ersten Bände direkt zusammenhängen. Mit dem vorliegenden Roman begibt sich Colfer auf gefährliches Terrain, fügt er der Historie des Jungen doch komplexe Aspekte hinzu und läuft Gefahr, sich in den Zeitparadoxa zu verzetteln und in Widersprüche zu verwickeln. Andererseits ist die Zeitreise eine logische Folge im Konzept der Reihe, die Artemis mit immer schwierigeren Problemen konfrontiert und sein Genie herausfordert. Hier ist es ein Höhepunkt: Der Konflikt zwischen Artemis und seinem jüngeren Ich.
Angelina Fowl, die Mutter des Artemis, ist an einer Seuche der Unterirdischen erkrankt: Die Funkenpest, die sich durch Magie überträgt. Artemis kontaktiert seine unterirdischen Freunde Foaley und Holly Short, die ein Gegenmittel kennen: die Hirnflüssigkeit eines madagaskischen Lemuren. Unglücklicherweise war es Artemis selbst, der in seiner Kindheit das letzte Tier an eine Extinktionistengruppe (die das Ziel verfolgte, möglichst viele Tierarten auszurotten) verkaufte, um seinen Vater zu retten. Die einzige Chance besteht in einer Zeitreise, um dem eigenen Ich zuvor zu kommen und den Lemur in die eigene Zeit und vor der Auslöschung zu retten. Doch in der Vergangenheit wartet nicht nur der jüngere Artemis als skrupelloser und genialer Gegenspieler, sondern auch eine alte Feindin des Jungen, die machtgierige, verrückte und größenwahnsinnige Wichtelin Opal Coboi …
Ein Hörbuch lebt zum großen Teil von seinem Sprecher, und da ist Rufus Beck eine sichere Wahl: Er liest mit ruhiger, modulationsfähiger Stimme und der Erfahrung regelmäßiger Engagements. Im Hörbuchbereich ist er inzwischen eine feste Größe, und so greift man gerne zu, wenn sein Name auf dem Booklet prangt. Im vorliegenden Projekt trifft er wie gewohnt gut die Charakteristika der einzelnen Protagonisten – mit Ausnahme zweier wichtiger Figuren: Butler, dessen Name für die Öffentlichkeit Programm ist, verpasst er die tiefste und kratzigste Stimme, derer er fähig zu sein scheint, und so klingt der Freund, Beschützer und Gefährte Artemis‘ eher wie ein dumpfer Schlägertyp als wie der bestausgebildetste, hochintelligente Weltmann, der er ist. Und der Zwerg Mulch Diggums malträtiert unsere Ohren mit einem bayrischen Dialekt, dessen Herkunft eine Erklärung schuldig bleibt.
Die Intonation ist auch konsequent situationsgerecht und gerade Foaleys Zentaurwiehern ist göttlich. Man fragt sich nur, warum es zur Formulierung von Zaubersprüchen einer eintönig leiernden Stimme bedarf.
Was den Vorgängern zu Eigen war, nämlich die unbedingte Jugendlichkeit der Erzählung, wird in diesem Band verwässert zu Gunsten eines beginnenden Geschlechterkonflikts zwischen Holly und Artemis. Dadurch gewinnt der Roman natürlich vor allem für weibliche Hörer eine interessante Nuance, und natürlich bleibt genügend Fowl-Manier übrig, um komplizierte Winkelzüge und überraschende Menschlichkeit zu transferieren. Dabei nutzt Colfer das direkte Aufeinandertreffen zweier Artemisse, um seine frühere Unnahbarkeit, seine überhebliche Art und sein Genie in Abhängigkeit der Erfahrung und des Alters gegenüberzustellen. Man bekommt also fast eine (im übertragenen Sinne) tabellarische Auflistung der positiven Veränderungen, die Artemis durch Holly erfahren hat. Und Artemis selbst bekommt natürlich einen ungewollten Spiegel vorgehalten, was ihn zum Nachdenken anregt. Neben der unauffälligen Wesensentwicklung über die vorherigen Bände thematisiert Colfer also hier ganz direkt die Weiterentwicklung vom sympathischen Gauner zum typischen strahlenden Helden.
Neu ist, dass neben Artemis und seinem Freund Butler jetzt auch die Mutter Kenntnis von den Unterirdischen hat.
Ein kleiner Punkt, der negativ auffällt, ist die Mächtigkeit der Magie, die je nach Bedarf von Colfer manipuliert wird. Vor allem scheint Opal Coboi in einem Moment übermächtig und unbesiegbar, um im nächsten mit fast weltlich zu nennenden Problemen an die Grenze ihrer magischen Fähigkeiten zu stoßen. Ansonsten gestaltet sich die Erzählung sehr konsistent. Colfer umschifft geschickt die Gefahren der Zeitreisegeschichte oder nimmt sie bewusst und ironisch aufs Korn, konfrontiert seine Protagonisten mit diesen Problemen, ohne sich in pseudowissenschaftlichen Erklärungen zu ergehen. So bleibt die Frage nach der Henne und dem Ei gänzlich ungeklärt, sprich: Wäre Artemis auch in die Vergangenheit gereist, wenn seine Mutter nicht erkrankt wäre? Und Opal Coboi folgte ihm nur in die Zukunft, weil er ihr den Lemur vor der Nase wegschnappte, also hatte sie dazu keinen Grund, bevor er auf die durch sie verursachte Bedrohung seiner Mutter die Reise antrat … Demnach trägt die Geschichte zumindest ihren Titel zu Recht!
„Das Zeitparadox“ ist eine schnelle, typisch Fowl’sche mit Ironie geladene und super unterhaltende Geschichte, die durch Rufus Becks professionelle und charismatische Interpretation als Hörbuch ein Genuss ist. Dass sie dabei erwachsener wird, tut ihrer Faszination keinen Abbruch.
6 Audio CDs mit 476 Minuten Spieldauer
Gekürzte Lesung
Gelesen von Rufus Beck
Deutsch von Claudia Feldmann
Originaltitel: Artemis Fowl and The Time Paradox ISBN-13: 978-3899036534
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,33 von 5)
Science-Fiction-Romane erscheinen selten bis nie zwischen echten Pappdeckeln, doch um vom Kuchen überhöhter Buchpreise etwas abzuzwacken, verlegen sich die Verlage bei den Erstausgaben bekannter Autoren vermehrt darauf, sie in Form der sogenannten „Tradepaberbacks“ zu produzieren. Die Bücher erhalten dadurch die Maße und Ausmaße eines Hardcovers, ohne mit ihrem Inhalt diesem Umfang gerecht zu werden – die Täuschung des Kunden, der hier ein unhandliches Taschenbuch in Übergröße teuer bezahlen muss. Iain Banks‘ Romane eignen sich besonders für diese Art der Veröffentlichung, da man von ihm traditionell dicke und umfangreiche Romane erwartet. So hält sich die Augenwischerei in Grenzen.
Obwohl er sich mit der Space Opera „Der Algebraist“ in faszinierender Weise ein neues Universum schuf, kehrte er mit „Die Sphären“ in seine KULTUR zurück, konnte damit aber nicht überzeugen. Sein vorliegender neuester Roman entfaltet trotzdem nicht neue Facetten des Algebrauniversums, sondern entwirft erneut was eigenständiges, das zusammenhangslos in dem Kosmos Banks’scher Erzählungen steht. Trotz seines augenscheinlichen, paperbackinduzierten Umfangs ein schneller, intensiver Roman ohne die typischen ausufernden Längen Banks’schen Erzählstils.
Der Mann, dessen wahrscheinlichster und gebräuchlichster Name Temudschin Oh ist, hat ein besonderes Talent: Er kann mit Hilfe einer Droge zwischen den unendlichen Realitäten der Erde wechseln, in die Körper ausgesuchter Personen springen und dort eigenständig handeln. So erfüllt er im Auftrag des Konzerns (einer realitätsumfassenden Organisation) verschiedene Aufträge, deren Erfüllung Einfluss auf die Entwicklung der jeweiligen Realität nimmt und sie positiv lenkt. So denkt er.
Im Hintergrund arbeiten jedoch Strippenzieher, die neben der persönlichen Macht und Unsterblichkeit auch andere, den Forscherdrang der Menschen unterdrückende Ziele verfolgen und Temudschin und seinesgleichen für ihre Zwecke benutzen. Bis Tem eines Tages neue Talente entdeckt, die ihn der Kontrolle des Konzerns entziehen …
Adrian Cubbish hat offenbar gerade eine Glückssträhne: Er steigt vom gerissenen Drogendealer zu einem der mächtigsten Finanzmanager der Welt auf. Doch als sich ihm seine Mittelsmänner offenbaren, kann er es kaum glauben. Denn es gibt neben unserer Realität noch eine Vielzahl weiterer Welten, die von einem mächtigen Konsortium überwacht werden. Ehe sich Adrian versieht, ist er in ein weitreichendes Komplott zwischen diesen Welten verstrickt – und nicht nur sein Leben, sondern unsere gesamte Realität steht auf dem Spiel …
(Verlagsinfo)
Und wieder ein Beispiel für das ungeschickte Händchen, mit dem die Heyne-Redaktion die Klappentexte ihrer Romane gestaltet. Der erwähnte Adrian ist nicht viel mehr als eine Nebenfigur, die weder großen Einfluss auf die Geschichte nimmt, noch die im Klappentext suggerierte Erkenntnis der Zusammenhänge erlangt. Vielmehr thematisiert die Geschichte Intrigen, Machtgelüste, Geschlechtsverkehr in allen möglichen Spielarten, Folter, Solipsismus und Mord sowie den kleinen Menschen, der zwischen den Fronten steht und außergewöhnliche Leistungen erbringen muss, um nicht zerquetscht zu werden.
Banks nutzt in bisher unbekannter Ausführlichkeit sexuelle Begegnungen als erzählerische Untermalung für signifikante Dialoge, Stützpfeiler der Erzählung und Entwicklungs- und Wendepunkte. Selten sitzen die Entscheidungsträger und Protagonisten im stillen Kämmerlein zur Besprechung, sondern ergehen sich meist in ausschweifenden, durch die Realitätswechsel teils spektakulären Sexspielen, während ihre Unterhaltungen die Geheimnisse der Geschichte zu entschleiern suchen. Ob damit die Charaktere glaubwürdig geschildert werden, mag strittig sein, doch bezieht sich Banks dabei meist auf Temudschin Oh, der dadurch ja eine gewisse Charakterisierung erhält, die scheinbar auf beiden Seiten der Gegner bekannt ist und ausgenutzt werden soll. Andererseits erzählen sich die Figuren auch von ihren Erfolgen, die sie per Sex (in Hinsicht auf die Weltenwechsel) erzielten, sodass es ein Charakterzug des Konzerns wird und damit übertragbar auf jeden Angehörigen.
Banks zeigt aber mit den beiden wichtigsten Methoden zur Erzeugung starker Gefühle (Sex und Folter), wie in der Geschichte der Realitätswechsel funktioniert und beschreibt dadurch glaubwürdig, dass für dieses Talent die stärksten Gefühle nötig sind. Damit gewinnt der allgegenwärtige Sex eine neue Bedeutung, er ist quasi ein Resultat, eine logische Folge und Bedingung des Grundgedankens von „Welten“, denn wer würde sich für die andere Methode des induzierten Weltenwechsels entscheiden, wenn man es auch so kann?
Der Roman bewegt sich auf einigen unterschiedlichen Ebenen, die im ständigen Wechsel eine fast kaleidoskopische Reise durch die Erzählung darstellen und den Leser erstens rasch und intensiv in sich hinein ziehen (quasi den Realitätswechsel für uns erzeugen), zweitens von ihm auch geistige Beweglichkeit und Zusammenhangsgefühl fordern. So schleudert Banks den Leser zwischen den Ebenen hin und her und man kann nicht genau festlegen, auf welcher sich die Fäden endlich verbinden, um die Geschichte zum nötigen Zentrum zu leiten.
Es bleibt also überall gleichermaßen spannend und fordert beim Leser mehr Konzentration, um die oft angedeuteten Verbindungen zu erfassen und richtig einzuordnen. Gerade zum Ende muss man sich der Anfänge neuerlich gewärtig sein.
Während sich alles gut aus der Geschichte entwickelt, wirkt eine Figur fast wie ein Deus ex machina: die übermächtige, Realitäten kontrollierende und darüber verrückte Entität Bisquitine, derer sich der Konzern bedienen will, ohne die Folgen überblicken zu können. Zwar bemüht sich Banks um eine Einführung und man könnte sie als Produkt geheimer Forschungen sehen, doch in ihrer Wirkung drängt sich der leichte Verdacht einer Notlösung auf. Zum Glück gewinnt die Geschichte dadurch noch eine gute Seite: Sie lässt den Protagonisten nicht als Superhelden da stehen, sondern relativiert seine Talente wieder.
Trotz manchen abschreckender Dicke und unnütz aufgeblähtem Format als Tradepaperback einer der wertvollsten phantastischen Romane des Jahres. Banks hält seine Ausführlichkeit im Zaum zu Gunsten einer komplexen, faszinierenden Weltenschöpfung und intensiver Unterhaltung – eigenständig, einbändig und abgeschlossen.
Taschenbuch: 560 Seiten ISBN-13: 978-3453527102 Originaltitel: Transition Deutsch von Friedrich Mader
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (5 Stimmen, Durchschnitt: 2,20 von 5)
Robert Jordans Rad der Zeit erscheint jetzt in gekürzter Hörbuchausgabe bei Lübbe Audio, während die ungekürzte Produktion schon seit einiger Zeit bei Audible läuft. Lübbe brachte im August 2010 die ersten beiden Folgen der umfangreichen Fantasyserie unters Volk.
Band 1 beschäftigt sich mit der einsteigenden Entwicklung, die aus normalen Dorfbewohnern von übermächtigen Feinden gejagte macht, die ungeahnte Qualitäten entwickeln/entdecken und so der Gefahr immer wieder ein Schnippchen schlagen, natürlich nicht ohne die Hilfe zweier mächtiger Mentoren und williger Helfer, denen sie unterwegs immer wieder begegnen. Denn natürlich startet in diesem Band die typische „Queste“, zu der eine Gruppe von Gefährten – mehr oder weniger grün miteinander – aufzubrechen gezwungen ist. Das vorerst formulierte Ziel – ohne die Hintergedanken zu kennen – ist das Erreichen eines sicheren Ortes für die Gejagten …
Es tummeln sich typische Elemente, zwischen denen die neuen Schreckenswesen eingebettet sind und die Charakterisierung ihren Lauf nimmt. So gibt es Tolkienart nach Jordan, z. B. mit den orkähnlichen Trollocs, die in Horden morden und brandschatzen, angeführt von den Nazgûl-artigen Halbmenschen (Myrddraal) und begleitet von fliegenden, scharfäugigen und stumpfsinnigen Fledermausmenschen.
Dagegen ist die Konstruktion der Welt sehr interessant und eigenständig, denn es gibt eigene Mythologien und Prophezeihungen, das |Rad der Zeit| ist treibender Weltantrieb und Spender der thaumaturgischen Energien, die im gegensätzlichen Paar als gut und gefährlich gelten. Es gibt magiebegabte Frauen, die zu den positiven Energien eine Affinität haben, während Männer nur (wenn überhaupt) die antipolaren nutzen könnten.
Die Handlung treibt unterhaltsam und recht abwechslungsreich (unter anderem durch begleitende Einführung von Weltcharakteristika) dahin, offenbart aber keine Innovationen oder überraschende Wendungen. Von dieser Seite muss man in den Folgebänden mehr erwarten, wenn das |Rad der Zeit| seinem Ruf gerecht werden soll.
Es ist ein – auch noch gekürzter – erster Teil einer umfangreichen Geschichte, der dadurch vor allem der Einführung von Welt und Charakteren dient. Wie üblich ist die Involvierung der Charaktere typisch plötzlich; Jordan schildert aus der Sicht weniger Protagonisten, vor allem Rand al’Thor ist das Auge des Hörers. Leider springt Jordan hin und wieder kurz in jemand anderes Augen und gibt dadurch den klaren Bezugspunkt auf. Ansonsten ist noch nicht viel Charakterentwicklung erkennbar – außer einigen Grundzügen wird wenig angelegt.
Die Sprecherleistung kann als solide bezeichnet werden. Helmut Kress, bekannt zum Beispiel als Stimme von Samuel L. Jackson, liest mit seiner kratzigen Stimme sehr ruhig und gleichmäßig. Anfangs fällt es schwer, in den kaum bemerkbaren Stimmveränderungen die unterschiedlichen Charaktere zu erkennen, doch im Lauf der Lesung gewöhnt man sich daran und entwickelt ein Gespür dafür. Vor allem die Frauenstimmen sind gewöhnungsbedürftig, unterscheiden sie sich doch kaum von denen der Männer. Erstaunlich ist hier, dass man trotzdem mit voranschreitender Geschichte so tief eintaucht, dass man sich nicht mehr an den kratzigen, tiefen Frauenstimmen stört, sondern vielmehr sie in das Flair der Erzählung integriert und in ihrer Eigenart erwartet.
Ein unterhaltsamer, stark aufs Einführen ausgerichteter erster Teil mit großem Potenzial. Vor allem der Weltentwurf fasziniert!
6 Audio CDs mit 431 Minuten Spieldauer
Gelesen von Helmut Kress
Produziert von Michael Treutler (Audible)
ISBN-13: 978-3785743409
Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)
Terry Pratchetts „Scheibenwelt“ wächst und gedeiht. Wagt man in einer beliebigen Buchhandlung den Blick ins Fantasyregal in der Hoffnung, dort vielleicht einen der Scheibenwelt-Romane zu finden, wird man schier erschlagen von der Masse der versammelten Pratchett-Werke. Ein Grund, warum mancher vor dem Kauf scheuen könnte – denn wo ist der Anfang? Pratchett verspricht jedem Leser, an jedem Punkt einen Blick auf seine Scheibenwelt wagen zu können, ohne Vorwissen aus anderen Romanen mitbringen zu müssen. Schon das ist ein Kunststück für sich. Davon abgesehen ist die Scheibenwelt eine Schöpfung ohne Gleichen, die jede Beachtung mehr als verdient und mit jedem Roman, jeder Facette grandios unterhält.
Der Fußball. Die Bewohner der Scheibenwelt erfinden ihn neu, während sie ihn traditionell spielen. In den Tiefen der Unsichtbaren Universität bahnt sich ein katastrophaler Einbruch im Haushalt an, als Professor Stibbons herausfindet, dass ein Großteil des Geldes aus einem Fonds stammt, der an die Tradition des Fußballs an der Universität gebunden ist. Da die Zauberer schon lange Jahre kein Spiel mehr gespielt haben, droht der Rückzug der Fördergelder und damit ein radikaler Einschnitt in die Lebens- und vor allem Essgewohnheiten der Zauberer.
Man sucht also händeringend nach einem adäquaten Trainer für das völlig unsportliche Team der Universität, während Herr Nutt, der Kerzentropfer aus den Kellergewölben, mit seinem Freund Trevor Lightley die ersten Erfahrungen im Umgang mit Fußballfans und anderen Menschen im Allgemeinen macht. An Nutt offenbaren sich ständig neue Stärken und verborgene Talente, er überflügelt in einer Diskussion sogar den ehrgeizigen Zauberer Ponder Stibbons mit seinen philosophischen Erläuterungen und hindert einen brutalen Fußballproleten an Mord und Totschlag. Als sich herausstellt, dass Nutt einer der als ausgerottet geltenden Orks ist, gerät Ankh Morpork in hellen Aufruhr …
In der universitären Nachtküche zaubert Glenda Zuckerbohne Pasteten höchster Vollendung und versucht, ihre lebensuntaugliche Freundin Juliet, das neue Haushaltsmädchen, bei dem selbst die zölibatären Zauberer Stielaugen bekommen, vor den Annäherungsversuchen Trevors zu bewahren, den sie als Schwerenöter kennt. Sie bekommt ihre liebe Not, denn eine trendige Zwergenmodedesignerin wird auf Jules aufmerksam und engagiert sie mit einem künstlichen Bart als Model für ihr Label.
Und über allem droht die Unfähigkeit der Zauberer, die Brutalität des Pöbels und die schicksalhafte Begegnung mit Herrn Nutt, die Traditionen und den Fußball verhängnisvoll zu verändern …
Zwar ist der Fußball Anlass dieser Geschichte und zwar spielt er eine recht große Rolle (so entwickeln die Zauberer aus dem illegalen Straßenkicken gegen einen mit Leder umwickelten Holzklotz bei billigen fettigen Pasteten und ohne Blickkontakt zum Spiel für die meisten Zuschauer), doch der eigentliche Gegenstand ist eine Liebesgeschichte, ein unerkannter Ork und die erneute grandiose Charakterisierung der Zauberer. Das sind nämlich ein Haufen alter Säcke, die keine Ahnung von nichts haben und auch nichts mit sich und ihrer Zeit anzufangen zu wissen scheinen, abgesehen von regelmäßigen, häufigen und ausgiebigen Mahlzeiten bei reich gedeckten Buffets jeglicher Ausrichtung. Der Fußball rückt ihnen nur ins Bewusstsein, weil all ihre Annehmlichkeiten (nämlich die Mahlzeiten) aus einem Fonds finanziert werden, der an eine Bedingung geknüpft ist: Mindestens einmal alle zwanzig Jahre ein Fußballspiel zu bestreiten.
Der Vorleser Boris Aljinovic, der sich aufgrund der Geschichte vor allem mit den Stimmen älterer Männer beschäftigen muss, macht einen sehr guten Job, obwohl man im Verlauf der ersten CD manchmal den Eindruck gewinnt, er würde einen Charakter doppelt belegen – so meint man im Erzkanzler Ridcully den Kerzenknappen Trevor Lightley wiederzuerkennen, wobei Letzterer bei einem Aufeinandertreffen der beiden mit einer plötzlich höheren Stimme belegt und dadurch unkenntlich gemacht wird. Es bleibt aber bei diesem einen Fall, im weiteren Verlauf pegelt sich Aljinovic auf jeweils eigenständige Charakterisierungen mit Wiedererkennungswert ein, die auch dem entsprechenden Protagonisten gerecht wird. So bekommt beispielsweise Nutt eine recht hohe, zurückhaltende Stimme mit intellektuellem Touch, während Trevor einen leicht verwaschenen, schwammigen Ausdruck bekommt, der seinen Stand und seinen Umgang mit den Straßenbanden im Fußballfieber verdeutlicht.
Neben den Zauberern, die in ihrer fast unbeschreiblichen Art ein bedeutendes Charisma ausstrahlen, ist Natt ein Hauptinteresseträger der Geschichte. Hier drückt Pratchett auch die nächste Fantasygattung, den Ork, auf seine Scheibenwelt und wirft ein Schlaglicht auf seine Entstehung, seine Geschichte und die Problematik seiner Existenz. In diesem Zusammenhang nimmt die Geschichte eine gewisse Ernsthaftigkeit an, als eine filmähnliche Sequenz von wenigen Sekunden Länge Zeugnis von der Rolle der Menschen bei den brutalen und unbeschreiblich blutrünstigen Kriegen der Orks ablegt und sie als Sklaventreiber offenbart. Damit erhalten die verfolgten Orks auf der Scheibenwelt eine zukünftige Chance, sich zu einem eigenen Volk ohne die Klischeebehaftung als Kopfabreißer zu entwickeln. Nutts Rolle hierbei ist noch nicht beendet – ein interessantes Detail ist seine Begegnung mit dem immer wieder auftauchenden Tod, der Nutts Lebensuhr neu stellt.
Trevor ist der Sohn des Fußballidols aller Fans, der brutal nach einem Spiel ermordet wurde. Er schwor seiner Mutter, dem Fußball zu entsagen, doch vor allem seine unerwartete Romanze, die dem Roman eine auf witzige Weise seicht kitschige Note verleiht, bringt ihn doch ins Team der Zauberer. Und mit Glenda wirkt noch eine resolute junge Frau mit einem großen Herz (und einer herausragenden Qualität in der Küche) mit am Glück des jungen Paares wie auch am Glück der Stadt, der Universität und der Orks, insbesondere Natts.
Es ist also ein pratchetttypisch vielschichtiger Roman, dessen absurde Zusammenhänge, überhaupt die schrägen Entwicklungen, mehr das Charisma der Scheibenwelt transportieren als die Handlung an sich, die trotz des geringen Umfangs schwer in wenige aussagekräftige Worte zu fassen ist, da sie eigentlich recht banal anmutet. Der Fußball ist zwar der Fußball und mag damit für den einen oder anderen Leser abschreckend wirken, doch zumindest in der für das Hörbuch bearbeiteten Fassung überwiegt das Pratchett-Flair mit seinem Witz und seiner ausufernden Skurrilität.
6 Audio-CDs mit 420 Minuten Spieldauer
Deutsch von Gerald Jung
Originaltitel: Unseen Academicals
ISBN-13: 978-3837104028|
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Dieses Buch ist kein Roman. Das ist an sich schon eine recht seltene Form von in Deutschland veröffentlichter Literatur aus Übersee, finden wir in den Buchhandlungen doch vorwiegend backsteinähnliche Klopper von über 500 Seiten Umfang. Nein, dieses Buch hat zwar immerhin 416 Seiten, doch tummeln sich darauf der Autoren ihrer fünf, die sich den Platz für jeweils eine – Kurzgeschichte? Nein, eher Novelle – teilen.
Eine Anthologie also. Typischerweise versammeln sich in Anthologien die Geschichten einiger Autoren, möglicherweise sogar zu einem Thema, doch meist völlig zusammenhanglos. Auch hier macht „Metatropolis“ einen Unterschied: Das Autorenteam entwarf gemeinsam eine utopische Welt, der sie jeweils eigene Facetten durch ihre eigene, von den anderen unabhängig lesbare Geschichte verliehen. Das Gesamtergebnis ist nicht nur eine Sammlung, sondern ein zusammen gewachsenes Ganzes mit fünf spektakulären Blickwinkeln.
Jay Lake, in Deutschland bis dato nicht weiter bekannt, doch von John Scalzi in gleicher Weise wie die anderen Kollegen hochgelobt, erzählt von einer unsichtbaren Stadt, deren Bewohner „ausgestiegen“ sind und sich weitgehend ohne energetische Hilfsmittel bewegen. So sind sie auch für Satellitenüberwachung unsichtbar, zumal sie ihre Hauptarbeitszeit in den dunklen Stunden der Nacht haben. Es sind die hellen Köpfe, die sich hier versammeln und versuchen, ein „footprint-neutrales“ Leben zu entwickeln, um der Menschheit zu retten, was vor einem endgültigen Kollaps noch zu retten ist. In dieser Stadt, Cascadia, die entlang Amerikas Westküste wie eine Kaskade verläuft, finden sich die meisten der revolutionären Techniken, die zwar OpenSource darstellen, von den Vertretern des Kapitals aber unzugänglich gehalten/gemacht werden sollen. Lake berichtet von der Tragödie, die ein paar unabhängige Agenten des Kapitals nach Cascadia verschlägt, wo sie von ihrem Charme belegt werden oder ihr auch ihr Charisma aufprägen, bis sie miteinander und den Zielen konfrontiert werden.
Mit wenigen Worten streut Lake ein blühendes Bild der entworfenen Gesellschaft wie auch der Landschaft, der „grünen“ Stadt, in die Fantasie des Lesers. Er nutzt den knappen Raum und ergeht sich nie in weitschweifigen Erklärungen oder Darstellungen. Zentrum seiner Geschichte sind zwei Protagonisten und ihr menschliches Umfeld, wobei Lake zu einem Mittel greift, was ihm eine Raffung mancher Geschehnisse erlaubt: Auszüge aus Chroniken und Abhandlungen geben den anderen Abschnitten, in denen die Geschichte live erzählt wird, einen tieferen Hintergrund und bereiten das richtige Verständnis beim Leser vor. Umso erstaunlicher ist, wie menschlich die Charaktere in Erinnerung bleiben, selbst wenn die folgenden vier Geschichten mit ihrem eigenen Flair den ersten Eindruck überpinselt haben.
Lakes Geschichte „In den Wäldern der Nacht“ ist ein wunderschöner Einstieg in diesen Band, auch wenn er sich einem Blickwinkel widmet, der in den folgenden Geschichten nur knappe Erwähnung findet – doch vielleicht macht es ihn gerade deshalb so wichtig und bietet den ersten Hintergrund für alles Kommende.
Tobias S. Buckell hat bereits einige Romanübersetzungen nach Deutschland geschafft (falls es für englischsprachige Literatur als Erfolg gilt, ins Deutsche übersetzt zu werden). Er bringt zwei neue Aspekte in das Gesicht dieses Entwurfs ein: Die vertikalen Farmen und das Insten. In seiner Geschichte erfährt man, dass große Häuser, Wolkenkratzer und Ähnliches, zu teuer und zu energieaufwändig sind in diesen Zeiten der Energieknappheit. Um trotzdem mit den vorhandenen Bauwerken etwas anfangen zu können, sollen sie als „Farmen“, als Ackerland umgestaltet und nutzbar gemacht werden – ein übermenschliches Projekt. Hieraus entsteht das „Raumschiff Detroit“, wie der Titel Buckells Geschichte ist. Das Insten ist eine in alle Belange der Dienstleistung verbreitete Form der Auftragsvergabe, die Buckell an den unterschiedlichsten Beispielen beschreibt – sei es nun, dass man ein Paket an eine Straßenecke legt und jemand mit der gleichen Richtung nimmt es ein Stück mit und wird dafür bezahlt, oder man organisiert Aufstände oder Observationen, ohne dass die Auftragnehmer dafür zu belangen sind, da sie zum Beispiel „einfach nur an einer Kreuzung stehen und immer, wenn ein Streifenwagen vorbei fährt, eine SMS an eine bestimmte Nummer schicken“.
Buckell beschreibt anschaulichst die Möglichkeiten mit geinsteten Armeen oder Aufständischen, wenn ein gutes Organisationstalent alle Fäden in der Hand hält. Doch er macht auch auf die moralischen Probleme aufmerksam, die sich hieraus entwickeln. Die Geschichte selbst ist eine Art Heldengeschichte, denn der Protagonist, obwohl durch widrige Umstände am Ende der Gesellschaftsleiter, ist ein Profi und Genie in dem, was Buckell für ihn vorgesehen hat …
Elizabeth Bear ist die Dritte im Bunde und ebenfalls im deutschen Sprachraum unbekannt. Ihr Beitrag wirft allerdings die Frage auf, wieso das so ist.
Sie schickt die einzige Protagonistin ins Rennen, eine charmante Frau mit Dreadlocks und einem schnellenden Mittelfinger, die flott mit dem Fahrrad unterwegs ist, um ihre Tochter zu retten. Bear entwirft eine urbane Subkultur mit Erkennungsmerkmalen, die sie einander zugehörig machen und unabhängig von der öffentlichen sozialen Schicht je nach Leistungen für das gemeinsame Projekt mit entsprechendem Zugang zu den Mitteln der Gruppierung ausstatten. Es ist eine angenehme Erzählung über die Hoffnung, die Gestaltung einer Kultur, die auf Vertrauen basiert und in der jeder zum Wohl der Allgemeinheit Zeit und Energie investiert, wofür er mit Vertrauenspunkten belohnt wird, die ihn in der Kultur quasi aufsteigen lassen. Ein Utopia findet die Protagonistin, allerdings eines, für das es sich zu kämpfen lohnt, denn „Das Rot am Himmel ist unser Blut“ …
John Scalzi selbst widmet sich als Herausgeber, wie er im Vorwort zu seinem Beitrag schreibt, der Aufgabe, zwischen den einzelnen Beiträgen zu kitten, das heißt, ein Loch zu finden, das es noch gilt zu stopfen. Und so nimmt er sich einer einfachen Szenerie an, die mit dem Start eines normalen Jungen in das Berufsleben einer der abgeschotteten Städte beginnt. Hier geht es um Systeme, um die Vor- und Nachteile des Abriegelns, um die Selbstbestimmung und Freiheit. Der Titel ist, wie er selbst kritisiert, kaum auszusprechen, doch „Utere nihil non extra quiritationem suis“ ist so aussagekräftig und erfasst einen Aspekt der neuen Gesellschaften sehr genau, die mit verbesserten Strukturen den Energiemangel auszugleichen angehalten sind: „Nutze alles außer dem Quieken“ – hier bezogen auf Schweine, die gentechnisch soweit verändert sind, dass sie außerordentlich produktiv sind – in jeglicher Hinsicht, wie der Protagonist schmerzlich erfahren muss.
Scalzi erzählt auch, dass es bei abgeschotteten Systemen immer jemanden gibt, der die Informationen zum Allgemeingut machen will – und ebenso, dass auf dieser Revolte gegen die Exklusivität auch stets solche mitreiten, die aus der Sache persönlichen Nutzen ziehen wollen.
Karl Schroeder schwappt derzeit mit einer Romanserie über den großen Teich, in der er selbst eine grandiose Zukunftsgesellschaft entwirft. Auch für Metatropolis hat er laut Scalzi einen Großteil der Ideen beigesteuert, und Scalzi schwärmt in seinem Vorwort zu dieser abschließenden Geschichte „Ins ferne Cilenia“ von einer Bewusstseinserweiterung, an der Schroeder den Leser teilhaben lässt.
Hier geht es um eine ganz andere Form der Stadtentwicklung: Über ARGs, Alternate Reality Games, bildeten sich nicht nur Städte, sondern gar nationsähnliche Gebilde, deren Mitglieder in der zugehörigen Zukunft sogar die Staatsbürgerschaft ihrer „realen“ Staaten ablehnten, weil sie sich anderen Gemeinschaften, die sich über die Kultur, Sozialität und Wirtschaft von onlineunterstützten Spielwelten definieren, stärker verbunden fühlten. Schroeder entführt den Leser in eine umso fremdartigere Welt, als deren Bewohner zwar in realen Städten wie Stockholm „anwesend“ sind, sich durch Overlaybrillen, die sowohl Gegenständen, Häusern und Personen neue Texturen verleihen, beziehungsweise auch Dinge und Personen einblenden, die vielleicht auf der anderen Seite der Welt weilen, jedoch auf einer anderen Realitätsebene befinden und dort engagieren. Und was wäre eine dieser Welten über der Welt, wenn es nicht noch Unterstufen davon gäbe, die verwirren könnten, wenn nicht ein Karl Schroeder ihnen faszinierendes Leben einhauchen würde?
Allen Geschichten zu eigen ist ein ungewöhnlicher Charme, der den Leser sofort in seinen Bann schlägt und nicht wieder entlässt, bis der nächste Erzähler sich zu Wort meldet und seine eigene Epiphanie verbreitet. Es ist ein dünnes, schnelllesiges und fantastisches Buch, das gerade durch die Gemeinsamkeiten der grundlegenden Dinge gewinnt, ebenso wie durch die verschiedenen Blickwinkel über die verschiedenen Schriftsteller und ihren jeweiligen Stil. Scalzi schreibt, dass es ursprünglich als Hörproduktion verfasst wurde, doch es ist ohne Frage eine Produktion, die auch selbst sehr überzeugend lesbar ist. Projekte dieser Art sind gerade in Deutschland ein seltener Genuss, den man aber jedem Leser warm ans Herz legen muss!
Taschenbuch: 416 Seiten
Originaltitel: Metatropolis
Deutsch von Bernhard Kempen
ISBN-13: 978-3453526846
Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Für Wulf Dorn, den man nach verschiedenen kurzgeschichtlichen Veröffentlichungen erst 2009 mit „Trigger“ im Romansektor entdeckte, scheint die Schriftstellerei bergauf zu gehen. Schon der Romanerstling erschien bei dem großen Publikumsverlag Heyne und wurde zeitgleich als Hörbuch unter das Volk gebracht. In gleicher Weise ging man auch dieses Jahr mit dem zweiten Thriller aus seiner Tastatur um und präsentiert ihn so an vorderster Front – zu Recht, wie die Lektüre zeigt.
Der Psychiater Bernhardt Forstner erlitt einen Autounfall auf einer verschneiten Straße im Wald. Seine Gedanken kreisten um seinen Sohn Sven, doch seine letzten Worte waren abgrundtiefer Hass auf den Mann, der ihn kurz vor seinem Tod fand und verenden ließ.
Jahre später kehrt sein Sohn Jan Forstner in seinen Heimatort zurück. Er ist ebenfalls Psychiater und ein herausragender Arzt, doch ein Zwischenfall, bei dem er einen Patienten verprügelte, ließ seine Reputation ins Bodenlose fallen. Der Klinikleiter in seinem Heimatort, ehemals guter Freund seines Vaters, bietet ihm einen Posten an – unter der Auflage, dass er sich von einem Kollegen therapieren lässt. Denn Jan Forstner hat ein schweres Trauma aus der Kindheit: Sein Bruder Sven verschwand in eiskalter Winternacht spurlos, und Jans laufendes Diktiergerät enthält nichts – nur kalte Stille …
Der Titel scheint sich an typischen Vorgaben zu orientieren und mehr auf rhetorischer Ebene eine Wirkung anzustreben, zumindest, solange man noch keinen Einblick in die Geschichte erhalten hat: Dort hat er nämlich eine handfeste Bedeutung, in erster Linie für den Protagonisten Jan Forstner, der seit jener Nacht seiner Kindheit das Tonbandgerät stets bei sich trägt und in der Aufzeichnung der eisigen Winternacht nach Spuren sucht, die ihm Anhaltspunkte über den Verbleib seines jüngeren Bruders geben könnten.
Wulf Dorn hat sich wirklich einen traumatisierenden Aufhänger gesucht. Das Verschwinden des kleinen Sven hat nichts mit konstruierten Fällen zu tun, die einem so häufig in anderen Romanen begegnen und deren einziger Zweck es ist, die Situation notdürftig zu erklären. Bei Dorn hat das Ganze Hand und Fuß und wirkt darum umso schrecklicher. Man stelle sich vor: Ein Kind lässt seinen Bruder nachts für wenige Momente allein auf einer Parkbank, um ungestört zu pinkeln – und als er zurückkehrt, ist der Bruder spurlos verschwunden! Der Schrecken und die Panik müssen für die Familie unerträglich sein, und so ist es auch nicht Jan allein, der traumatisiert aus dem Geschehnis heraus kommt.
Der Verdacht liegt vom ersten Moment an bei einem Arbeitskollegen von Jans Vater. Um wen es sich handelt, wird natürlich nicht verraten, doch Dorn versteht es geschickt, den Hörer in die Irre zu führen. Man meint recht schnell – zu schnell – , des Rätsels Lösung gefunden zu haben, was zum einen ein enttäuschendes Gefühl ist, zum anderen aber auch misstrauisch macht, da es einfach zu leicht anmutet. Doch sprechen lange alle Indizien für den Verdacht, die Enttäuschung nimmt zu und mündet schließlich in einer umso größeren Überraschung – hoffentlich nicht zu spät, denn es ist zwar ein durchweg spannendes und gut erzähltes Hörbuch, doch bleibt hier jeder Leser am Ball, wenn er mit jedem Indiz seinen Verdacht bestätigt sieht und sein Unmut über diese Einfachheit wächst? Die Qualität der Irreführung ist hier vielleicht zu hoch, der Hörer zu einseitig auf ein Ziel fokussiert.
Die für einen Psychothriller typischen Verdächtigungen, Erinnerungen, die Steuerung zur Katastrophe und die damit verbundene Anhäufung von Indizien, die dem Hörer Ahnungen bescheren und bei vorangeschrittener Geschichte die Erwartung auf den finalen Schlag und Beinahe-Sieg des Gegners mit der Adrenalinpeitsche hoch jagt, all das sind handwerkliche Eigenschaften, die Wulf Dorn in hoher Meisterschaft beherrscht und zu einem runden Ganzen formt, in das sich der Hörer schon nach wenigen Sätzen hineinversetzt fühlt. Die Auflösung aller Rätsel geschieht dann schwupp-diwupp in einem kaum unterbrochenen Monolog des Bösewichts, auf den ein typischer rasanter Showdown folgt, bei dem sich der Protagonist zwischen Rache und Menschlichkeit entscheiden muss.
Nach dem Höhepunkt scheint es so, als wolle Dorn die Geschichte noch entspannt ausklingen lassen, doch hat er auch für das Ende noch einen Gänsehautfaktor parat, der mit der kalten Stille auf dem Tonbandgerät und einer übernatürlichen Lektüre des kindlichen Jan Forstner erzeugt wird.
David Nathan, bekannt zum Beispiel als Synchronsprecher Johnny Depps, macht einen hervorragenden Job als Leser. Die Schnitzer, die Wulf Dorn selbst bei seiner Autorenlesung seines Romanerstlings „Trigger“ unterliefen, braucht man bei Nathan nicht zu suchen. Allerdings hat es auch einen ganz eigenen Charakter, wenn ein Autor seine Geschichte selbst erzählt und die Stimmung genau so transportiert, wie er es sich beim Schreiben vielleicht vorstellte.
„Kalte Stille“ ist ein insgesamt sehr überzeugender Psychothriller, dessen hohe irreführende Qualität anfangs für Unruhe beim Hörer sorgt, dessen Unterhaltungswert aber jeder Empfehlung gerecht wird. Der Roman bietet Gänsehaut, betroffenes Mitgefühl, Adrenalinschauer, eine wirklich durchdachte Story und nochmals Gänsehaut, womit er das Prädikat „Besonders Unterhaltsam“ auf jeden Fall verdient.
6 Audio-CDs mit 431 Minuten Spieldauer
Gelesen von David Nathan
ISBN-13: 978-3785744390
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Es ist fast wie ein Krimi: Während Sue, ihres Zeichens Seargeant bei der schottischen Polizei, in einem Einbruch ermitteln soll, wird die Versicherungsangestellte Elaine zum gleichen Fall hinzugezogen, um eventuelle Haftungsausschlüsse zu eruieren. Die betroffene Firma ihrerseits engagiert einen Spiele- und Softwareentwickler, der durch sein Verständnis der Spielewelten Zugang zu den Schemata und Vorgehensweisen der Täter finden und so den Ermittlern die Möglichkeit geben soll, den Fall zu klären.
Verwirrung stiftet vor allem die Tatsache, dass das Verbrechen in einer Online-Spielewelt verübt wurde. Die betroffene Firma Hayek stellt ihrerseits nämlich die Versicherung einer spielübergreifenden Bank dar, in der die Spieler ihre Beute einlagern und bei Bedarf abholen können. Und in dieser Bank wurden eben jene Artefakte „gestohlen“, was einen Schaden in unvorstellbaren Höhen darstellt.
Die verschiedenen Parteien geraten bei ihren Ermittlungen in einen Strudel geheimdiensttechnischer Absurditäten und undurchschaubarer Zusammenhänge zwischen Onlinespielen, Staatenverwaltung und Mastercodes, sodass als Essenz die Erkenntnis Gestalt annimmt, vor einer allübergreifenden Infiltration und Übernahme des schottischen Verwaltungsapparates zu stehen. Die Verwicklungen reichen bis in die höchsten Machtebenen, bestimmen die Geheimdienste Chinas, Schottlands und der EU und sind nur ein Spielball einer unbekannten Gruppe von Onlinespielern, die sich „Das rote Team“ nennt und mit den Systemen der Staaten eine Art „Capture the flag“ spielen.
Die Handlungsebenen sind vielschichtig und zu Anfang schwer zu durchschauen, da der Blickwinkel von Kapitel zu Kapitel wechselt, wobei der Stil der Erzählung es nicht sofort offenbart, wer sich als Protagonist oder Betrachter oder Angesprochener präsentiert. Nur eine ungünstig platzierte Überschrift in der falznahen oberen Ecke jedes Kapitelbeginns nennt den Namen desjenigen, durch dessen Augen wir die Szenerie betrachten. Stross bedient sich einer ungewöhnlichen Erzählstimme, er schreibt in der Du-Form und spricht damit immer den jeweiligen Protagonisten an, wodurch eine öftere Nennung des Namens entfällt, wie sie beim unpersönlichen Erzähler in der dritten Person sonst gegeben wäre. Damit erreicht er natürlich eine ungeheure Nähe zum Leser, der sich stets vom „Du“ angesprochen fühlt, auch wenn es beispielsweise um Sätze geht, wie „Du setzt deine Datenbrille auf und loggst dich in den Copspace ein“.
Apropos Copspace: Wir befinden uns in einer recht nahen Zukunft, in der sich Schottland Souveränität erworben hat, die EU aber weiterhin existiert und auch sonst noch typische Strukturen vorherrschen. Das Internet ist allgegenwärtig, man ist über die Datenbrillen ständig damit gekoppelt, verfügt somit über direkte Navigation im Straßenverkehr, über immer abrufbare Informationen über seine Umgebung (zum Beispiel das nächste Hotel, Kritiken von Restaurants, Suchergebnisse über unbekannte Personen etc.) und ist immer erreichbar. Ohne Brille fühlt man sich nackt, die Brille bietet eine erweiterte Sicht auf das Umfeld, indem auch Markierungen und Informationen direkt beim Auftauchen von Objekten im Sichtfeld eingeblendet werden. Erweitert wird das Ganze im Copspace, einer den Polizisten vorbehaltenen Ebene, die auch Wohnungen und Personen polizeirelevant charakterisiert.
So viel zum Umfeld. Die Geschichte selbst entwickelt sich anfangs etwas verworren durch oben genannte Charakterzüge und den Umstand, dass die oberflächlichen Probleme recht unbedeutend erscheinen – wie als Mittel zum Zweck, als sei die Zukunftsdarstellung das Motiv der Geschichte. Doch die Täuschung löst sich bald auf, wenn die Zusammenhänge immer undurchsichtiger werden und sich nur langsam ein Bild von den Geschehnissen ergibt, die ein extrapoliertes Gefahrenpotential auch heute schon vorhandener Mängel im digitalen Datenverkehr aufzeigen und thematisieren. Im Gegensatz zu anderen ähnlichen Ansätzen des Genres zu diesem Thema im Jahr 2010 (wie Doctorows „Little Brother“ oder Suarez‘ „Daemon“) umspinnt Stross dieses Zentrum mit einer verwickelten Agenten- und Ermittlungsgeschichte, aus der sich erst spät die Betroffenheit beim Leser herausschält, mit der man als uneingeweihter Bürger, als reiner Nutzer der Datensphäre und machtloses Opfer zahlreicher diesbezüglicher Fehlentscheidungen und -einschätzungen durch Regierungen reagiert, wenn der Daumen so brutal auf die wunden Stellen des ach so hilfreichen, sicheren und allmächtigen Systems der elektronischen Datenverarbeitung und Kommunikation gelegt wird.
Faszinierend für die einen, erschlagend für die anderen und vielleicht oberflächlich für die wenigen ist das Vokabular der Geschichte, wohl je nach Einweihungsgrad des Lesers. Man spricht über Onlinespiele, über Datenerfassung, Vernetzung, entsprechende Gesetze, Gesetzeslücken, Systeme und Protokolle. Dabei dürfte dem interessierten Leser sicherlich der umfangreiche Anhang helfen, auch wenn der Lesefluss es uns eigentlich verbietet, zwischendurch nach hinten zu blättern, um die Erklärung eines Fachausdrucks vielleicht zu finden. Doch muss man hier die Mühe anerkennen, die sich Stross mit seinen nichteingeweihten Lesern gemacht hat, um allen Zugang zu seinem sonst in üblicher Weise hoch unterhaltsamen und spannenden Roman zu ermöglichen.
Bei Stross erkennt man einen Trend in der modernen Sciencefiction. Wie sich schon die herausragenden Autoren früherer Jahre mit den Entwicklungen der Gesellschaft auseinandersetzten und zu extrapolieren versuchten, beschäftigt sich die moderne Genreliteratur mit den bedenklichen oder zu überdenkenden Entwicklungen, die sich aus unserer Gegenwart ergeben – und wo anders, als in Bezug auf das Internet und die Vernetzung der Kommunikation allgemein, erkennt man schon heute lebende Sciencefiction? Unbestreitbar lauern hier noch unbedachte Gefahren, die gerade durch die rasante Entwicklung vielleicht schneller zu globalen Problemen führen können, als man sich auszudenken vermag. Es gibt viele Baustellen für einen kritischen Schriftsteller, aber die Beschleunigung in der Kommunikation lässt sowohl visionäre als auch besorgniserregende Blicke in die Zukunft zu.
Mit „du bist tot“ eröffnet Stross einen unerwartet betroffenen Blick auf einen gefährdeten Nerv unserer Zivilisation – und das macht er blendend unterhaltsam! Ein Höhepunkt des Jahres!
Taschenbuch: 544 Seiten Originaltitel: Halting State Deutsch von Usch Kiausch ISBN-13: 978-3453526877
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Jutta Langreuter bringt ans Tageslicht, was ihren Kindern als Gute-Nacht-Geschichten gefällt: Käpt’n Sharky, „der Schrecken der Meere“, zieht mittlerweile in sein fünftes Abenteuer bei |Coppenrath|. Dass nebenher eine überbordende Vermarktung Sharkys als Produkt in allen Bereichen des kindlichen Lebens stattfindet, muss da nicht erstaunen. Neben Fahrrädern, Essgeschirr und Badetüchern werden die Figuren auch vertont und auf CD gepresst, und mit Dirk Bach hat Sharky selbst einen prominenten (Für-)Sprecher gefunden.
_Durch ein Gewitter_ kämpft sich Sharkys kleines Piratenschiff. Ein Blitz erhellt nicht allzu weit entfernt die bleichen Konturen eines Geisterschiffes, das halb gesunken auf einem Riff zu liegen scheint. Während die Ratte vor Angst fast erstickt, erkennt Sharky das Schiff als uraltes, sagenumwobenes Schiff, das schon viele Piraten zu bergen und plündern versuchten – ohne Erfolg.
Im Morgengrauen hat sich das Gewitter gelegt und die kleinen Piraten erblicken das Wrack bei Tageslicht – eine Chance, die sich Sharky nicht entgehen lassen will: Mit Taucherbrillen bewaffnet, dringen er und sein Freund Michi in das Schiff vor. Dort stoßen sie wirklich auf einen unglaublichen Schatz – und auf eine übermenschliche Gefahr …
_Schon der Anfang_ ist düsterer als bisher üblich, denn wo sonst ein strahlend blauer Himmel und Urlaubsstimmung dominierten, dräut jetzt ein Unwetter. Mit dem Auftauchen des Geisterschiffes geht es allerdings wieder ruhiger zu. Die Gefahren, denen Michi und Sharky ausgesetzt sind, machen bei der Lektüre einen eher harmlosen Eindruck, obwohl Kinder natürlich vor dem drohenden gigantischen Kraken mit seinen Fangarmen bibbern. Doch mit Sharkys Dreistigkeit wird auch hier eine friedliche Lösung gefunden, diesmal sogar ohne Konfrontation mit dem Erzrivalen, dem Alten Bill, oder seinem ewig unterlegenen Verfolger, dem königlichen Admiral. Was dem Buch etwas an Humor nimmt, zumindest aus erwachsener Sicht.
Beim Vorlesen ist jetzt der Erwachsene gefragt, der Geschichte Charakter zu verleihen. Wer bisher nur die Hörspiele kannte, wird hier Schwierigkeiten haben, die verwöhnten Kinder zu fesseln und zufriedenzustellen. Auch machen das Buch und der Text den Eindruck, dass für die Vertonung zusätzliche Textelemente eingefügt werden, denn insgesamt macht das Buch doche einen sehr einfachen Eindruck.
Möglicherweise gewinnt die Geschichte jedoch durch die hervorragenden Leistungen der Sprecher im Hörspiel an Qualität. Diese Doppelvermarktung bietet dem Vorleser zum einen einen Anhaltspunkt, wie die Geschichte vorgetragen werden will, andererseits macht sie es sowohl den Eltern als auch den Kindern nicht leicht, mit dem Buch und der Vorlesequalität zufrieden zu sein.
_Das Besondere an Käpt’n Sharky_ kommt in diesem Buch nicht heraus. Man sollte dafür eher zur Hörspielfassung greifen.
_|Käpt’n Sharky| bei |Buchwurm.info|:_
[„Abenteuer in der Felsenhöhle (Käpt’n Sharky 4) (Hörspiel)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6280
_Taekwondo – jeder wird_ den Begriff schon gehört haben. Dahinter verbirgt sich eine koreanische Kampfsportart, die aus mehreren historischen Kampfkünsten hervorgegangen ist und sich die besten Techniken und Methoden zu eigen gemacht hat. Der Name selbst ist ein zusammengesetztes Wort aus Tae, Kwon und Do, wobei „Tae“ Fuß bedeutet und für alle Fußtechniken des Kampfes steht, „Kwon“ bedeutet Hand oder Faust und steht demnach für die Handtechniken, während „Do“ als philosophischer Bestandteil Weg heißt und für den geistigen Weg der Entwicklung steht, worunter sich jeder seine Vorstellung machen kann, denn es lässt sich schwer beschreiben. Sicher ist, dass ein sogenannter „Taekwondoin“, also ein Ausübender des Sportes, lernen soll, sich seiner Kraft und Fähigkeiten höchst bewusst zu sein und mit Bescheidenheit – ähnlich der Shaolinmönche – das Leben zu meistern. Dass dieser Anspruch in den Niederungen der europäischen Kampfsportszene nachlässiger behandelt wird, ist schon aufgrund der Bezeichnung dieser Bewegungskunst als „Kampfsport“ klar.
Es gibt im Taekwondo natürlich, ähnlich wie in anderen Kampfkünsten, einen durch farbige Gürtel markierten Leistungsgrad, innerhalb dem jeder Ausübende sich weiterentwickeln kann. Die entsprechenden Leistungsprüfungen bestehen aus theoretischen Fragen durch die Prüfer, wie auch aus verschiedenen Aufgaben aus der Technik, die der Prüfling absolvieren muss. Dabei kommen immer die Konzentrations- und Bewegungsübungen in Form von systematisierten Kämpfen gegen imaginäre Gegner zum Zug, die für jeden höheren Grad eine anspruchsvollere Form bereitstellen. Hier gibt es zwei hauptsächliche Klassen: Der Hyong, der die historischen Übungen der Entwickler dieses Kampfsports exakt darstellt, sowie die Poomse, eine leicht abgewandelte Form, die teilweise etwas weniger kompliziert und damit leichter erlernbar ist. Abgenommen werden in Prüfungen beide Formen, so kommt es auf den entsprechenden Trainer an, welche bevorzugt und damit gelehrt wird.
_Dr. Held, der_ das vorliegende Buch konstruierte und verfasste, steht auch selbst Modell für die vielen und ausführlichen Fotoreihen, mit deren Hilfe er die Hyongs anschaulich lehren will. Die Bilder zeugen davon, dass er noch ein junger Mann ist, und die festgehaltenen Positionen, Stellungen und Techniken zeigen abseits von oftmals in anderer Literatur vorgefundenen stilisierten Skizzen sehr genau, wie der Kämpfer zu wirken hat.
Die Fotostrecken bilden den Hauptteil des Buches und nehmen auch den größten Teil der Seiten ein. Schritt für Schritt wird hier dargestellt, wie so ein Hyong abläuft und vor allem auch, mit welchen Kniffen und Rhythmen die richtigen Bewegungen zur richtigen Zeit zu erfolgen haben, um die Form exakt nachvollziehen zu können. Recht knappe wörtliche Anweisungen begleiten die Bilder und greifen dort ein, wo das Bild allein nicht ausreicht, um zum Beispiel die Richtung, die Drehung oder den Rhythmus darzustellen.
Aufgelockert wird die Folge der Übungen von historischen und philosophischen Texten zur Kampfsportart und den geistigen Ansprüchen der Erfinder, die sich durch ihre eigentliche Friedfertigkeit auszeichnen und damit eigentlich im Gegensatz zu der Tatsache stehen, dass Taekwondo eine Kunst des Krieges ist. Doch wie so viele gerade asiatische Kriegsphilosophen und Meister von konzentrationsstarken Kampfkünsten liegt ein Hauptaugenmerk in der mit den Übungen verbundenen Meditation und damit einhergehenden Selbstreinigung, wie man es umschreiben könnte. Die vielzitierte Explosion im plötzlichen Kampf und die Perfektion der Kampfkunst sind nur Ausdruck und Kanalisierung dieser Meditation.
_Insgesamt lässt sich_ sagen, dass das Buch natürlich nicht dazu dienen kann, einem Laien und Nichtsportler das Taekwondo und die prüfungsrelevanten Hyongs beizubringen. Held richtet sich an Ausübende des Sportes, die regelmäßig trainieren und für ihr eigenes Training oder die Prüfungsvorbereitung eine Hilfe oder ein Nachschlagewerk benötigen. Was das Buch trotzdem für Laien interessant macht, sind vor allem die eingeschobenen Textpassagen, die auf ihre Art eindringlich und nachdenklich sind und vielleicht das Interesse an dem Sport wecken, auf jeden Fall aber interessante Rückblicke auf die Geschichte dieser Kunst gestatten.
Nun ist es endlich soweit. Nach dem „Marsprojekt“ gewährt Andreas Eschbach seinem Geist und seiner Schöpfungskraft einen neuen Ausflug in die Sciencefiction, ein Bereich, den er weitgehend seinen Jugendromanen überlässt. So kündigt sich auch „Black*Out“ als Erster mehrerer Teile an, deren vordergründige Zielgruppe Jugendliche sind. Doch wissen wir nicht alle, dass Eschbachs erwachsene Leser vor seinen vermeintlichen Jugendromanen keinen Halt machen?
Chris, Serenity und ihr Bruder sind in der Wüste Nevadas auf der Flucht. Vor wem, ist den beiden Geschwistern noch nicht richtig klar, doch spätestens, als sie von Militärhubschraubern verfolgt und beschossen werden, nehmen sie Chris‘ Paranoia ernst. Serenitys Vater, der Aussteiger Jeremiah Jones, wird neuerdings ebenfalls von der Regierung verfolgt und für Attentate und Terroranschläge verantwortlich gemacht. Chris behauptet, ihm helfen zu können und bittet die Geschwister deshalb, mit ihm die vagabundierende Gruppe um Jones zu finden. Denn bei Jones, das ist Chris‘ persönlicher Anreiz, befindet sich ein alter Bekannter seiner Familie:
Als Neurologe und Neurochirurg besitzt er die Fähigkeiten, die Christopher braucht, um ein unheimliches Geheimnis und gefährliche Bürde loszuwerden. Ihm wurde ein Chip implantiert, mit dessen Hilfe ihm eine direkte Verbindung ins Internet möglich ist. Der Haken: Alle Träger dieser Chips bilden einen geistigen Verbund, in Folge dessen sie ihre Individualität verlieren und absolut gleichgeschaltet werden – ihre Gedanken sind kohärent wie das Licht eines Lasers, ihr gemeinsames Ziel ist – alles. Und nur Christopher ist durch einen Defekt in der Lage, seinen Chip zu deaktivieren. Er kennt die Kohärenz, wie sich die gleichgeschalteten Menschen nennen. Er ist eine Gefahr für ihr Ziel. Er ist der Sohn eines ihrer Entwickler. Und er soll zurückgeholt werden …
Das Hörbuch ist natürlich eine gekürzte „autorisierte Lesefassung“. Das Manko bei diesen Produkten ist natürlich, dass tiefer gehende Erklärungen und Zusammenhänge oft dem Rotstift zum Opfer fallen und so in manchen Details nach dem Hören weiterer Erklärungsbedarf besteht. Das führte bereits zu Fehlinterpretationen oder auch schlechteren Beurteilungen, als einem Roman angemessen und würdig wäre. Im vorliegenden Fall ist dieser Mangel zu vernachlässigen, denn es wurde eine gute Balance geschaffen zwischen erzählerischem Tempo und nötigen Erklärungen, so dass die Spannung und der innovative Wert der Geschichte erhalten bleiben.
Die letzten Jahre kristallisieren sich immer stärker zu Jahren der medienbezogenen utopischen Literatur, und die Steigerung ist noch nicht abgeschlossen. Denken wir an Autoren wie Cory Doctorow oder Charles Stross, treffen wir auf abgefahrene Abhandlungen – nein, Erzählungen – über Weiterentwicklungen der Medientechnik, des Internets und der Breitbandverbindungen. Gefahren werden aufgezeigt, Möglichkeiten beschworen und dem Trend gefolgt, denn die Apps und Blogs und Plattformen für Handy und Co. bleiben kaum hinter den Utopien zurück.
Griff Eschbach letztens das Thema der computerbasierten Manipulation sehr ernsthaft auf, beschäftigt er sich im vorliegenden Roman zwar noch beängstigender, dennoch aber sehr utopisch, mit den Gefahren, die aus überbordender Vernetzung erwachsen könnten. Direkte Vernetzung von Gehirnen mit dem Internet über implantierte Chips sind doch trotz aller beschworener Schrecken echte Sciencefiction und rufen deshalb neben dem wohligen Schauer das beruhigende Gefühl hervor, davon noch weit entfernt zu sein. Gleichwohl spielt Eschbach auf diese Art kritisch mit dem Problem der Beeinflussung und Gleichschaltung von Gesellschaften. Noch leistet bei uns die Werbeindustrie die Arbeit, die bei Eschbach unumgänglich durch Kohärenz erledigt wird.
Genug der Interpretationen, widmen wir uns lieber den greifbaren Aspekten der Erzählung. Die Charakterentwicklung ist typischerweise bei Eschbach gut nachvollziehbar. So bleibt auch nicht verwunderlich, dass ein junger Mann, der stets allein und mit seinem Genie einsam vor seinen Problemen stand, seinen Plan zwar mit Hilfe von Anderen ausführen will, die wahren Details aber für sich behält. Dass er dabei für seine Helfer eine andere glaubhafte Geschichte inszeniert und sie damit ebenso verkackeiert wie seine Gegner, zeigt nur deutlich, dass er sich weiterhin als Einzelgänger betrachtet.
Die Gefahrenentwicklung für die anderen Beteiligten erleichtert Chris natürlich die Überzeugungsarbeit, um sie für sich zu gewinnen. So bedingen alle Geschehnisse einander und führen zu logischen Konflikten, denen sich die Protagonisten dynamisch nähern und – angewiesen aufeinander – gemeinsam zu Lösen versuchen. Es rennt also nicht ein Teenager durch Amerika und überzeugt ein paar Erwachsene von seinen Ideen, sondern die Ereignisse reißen alle mit in ihren Strudel und sorgen für gegenseitige Abhängigkeit, was die gesamte Geschichte glaubwürdig macht.
Da es sich offenbar um den Start eines Mehrteilers handelt, verbleiben ein paar lose Fäden und offene Fragen in der Geschichte. So das Rätsel um die von der Kohärenz unbemerkt vorgenommene Manipulation an Christophers Chip: Ist er also doch kein Einzelfall? Gibt es noch andere Möglichkeiten, sich von der Masse der Gehirne abzukapseln? Die Gefahr ist alles andere als gebannt, der Überraschungseffekt ist dahin und die Kohärenz wird mit jedem Tag stärker – eine gute Ausgangsbasis für weitere spannende Geschichten.
Ein Wort zum Sprecher: Stefan Kaminski, der seine Fähigkeiten selbst als „Stimmen-Morphing“ bezeichnet, trifft bei jedem Auftritt einer Figur deren Stimme in gleicher Weise, wie er sie einführte. Er liefert eine ausgezeichnete Leistung und ein Hörbuch, bei dem es Spaß macht, zuzuhören.
Ein neuer jugendlicher Eschbach, der weit näher vorstellbar ist als die Vorgänger zum Marsprojekt und neben gefährlichen Visionen auch die Hoffnung für die Zukunft nicht aus den Augen verliert. Und das Wichtigste: Spannende Unterhaltung für Jedermann!
6 Audio-CDs mit ca. 406 Minuten Laufzeit Gelesen von Stefan Kaminski ISBN 13 978-3-401-26062-4
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Mit „Märchenmond“ ist dem Ehepaar Hohlbein einst der große Wurf gelungen. Seither präsentiert sich vor allem Wolfgang als äußerst produktiver Schreiberling, doch auch die Co-Produktionen mit seiner Frau Heike finden immer wieder großen Anklang. Mit „Anders“ verfassten sie ein weiteres Mal die Geschichte um einen Jugendlichen, der durch irgendwelche Umstände Zugang zu einem phantastischen Abschnitt der Welt erhält und dort gefährliche Abenteuer erlebt. Meist drehen sich diese Geschichten um nichts weniger als eine Bedrohung der Welt; ob das auch bei „Anders“ der Fall ist, bleibt nach dem ersten Band noch offen.
Anders ist anders. Natürlich. Und darüber wurden schon alle erdenklichen Sprüche geklopft, was ihn mittlerweile nicht mehr belustigt, sondern nervt. In ihm vereinigt sich sehr hohe Intelligenz mit Geld, denn sein Vater ist Führer eines großen, erfolgreichen Unternehmens. Dieses Jahr will Anders mit ihm und ihrem Angestellten Jannik Urlaub auf einer Yacht machen. Als Jannik ihn vom Internat abholt, ist er merkwürdig nervös – nicht ohne Grund, denn kaum besteigen die beiden die Privatcessna, werden sie von zwei Männern bedroht und zu einem unvorhergesehenen Kurs gezwungen. Der führt sie durch eine Gewitterfront in einem Gebirge, die selbst Jannik in Furcht versetzt.
Natürlich stürzt die Cessna ab. Nicht nur das Gewitter ist schuld, sondern auch ein merkwürdiger Hubschrauber, der im Anschluss auch eine Hetzjagd auf die beiden Überlebenden, Jannik und Anders, veranstaltet und – mit tödlichen Lichtstrahlen um sich schießt!
Außerdem hat es sie in einen unwirklichen Teil der Welt verschlagen, in eine düstere Ruinenstadt, menschenleer, ja, völlig tot erscheint sie Anders während ihrer Flucht.
Auf die Entführung sowie auf die außerirdisch anmutenden Hubschrauber und ihre schutzanzugverpackten Insassen wirft ein Geschehen ein veränderndes Licht: Einer der Männer deutet auf Anders, woraufhin kurz gestikuliert wird, ehe sie ihre tödliche Jagd umwandeln in eine Hatz, die ihn am Leben lassen soll. Und während Jannik erschossen vom Dach eines Hauses stürzt, entkommt Anders vorerst – mit Hilfe des ersten Wesens, auf das er hier stößt und das ihn in einen helleren Teil der toten Stadt bringt, in dem ihr „Volk“ lebt: grausige Missbildungen, Kreuzungen zwischen Menschen und allen möglichen Tierarten. Hier erlebt Anders den Kampf ums Überleben mit, und als eine überlegene Truppe riesenhafter Schweine auftaucht und brutal mordend durch die Stadt zieht, sucht er sein Heil in der Flucht …
Der Roman beginnt ein wenig langweilig mit der Einführung Anders‘ und seiner Eigenarten, seiner sozialen Einbindung (die eher mangelhaft ausfällt) sowie der recht unglaubwürdigen Mischung seiner Attribute. Man ist versucht, die ersten Seiten nur zu überfliegen, nur die handlungs- und dialogintensiven Abschnitte lassen die hohlbeinsche Erzählkunst durchblitzen und fangen den Leser immer wieder ein. Auch die amateurhaft durchgeführte Entführung und erst recht die zwar paranoide, aber auch gleichzeitig ahnungslose Art, mit der Anders und sein Diener in die Falle laufen, lassen einen unwillig die Stirn runzeln.
Mit dem Auftauchen der unbekannten Hubschrauber und der plötzlichen Nervosität Janniks ist dem Leser schon klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zu geht. Und sobald man die tote und versteckte Ruinenstadt erblickt, zweifelt man mit Anders an der Echtheit des Ganzen, da zumindest Satelliten von ihrer Existenz hätten wissen müssen. Hier bleibt die Erklärung, nämlich das dauerhafte schwere Gewitter, etwas mager.
Und plötzlich ist es soweit – man wird vom Strom der Erzählung erfasst und mit gerissen und findet sich, ohne es gemerkt zu haben, mitten in einer phantastischen Geschichte wieder, die es einem schwer macht, das Buch aus den Händen zu legen. Bis dahin zieht es sich gewaltig und man erwartet misstrauisch ständig neue klischierte Charakteristika, doch trotzdem schafft es das Autorenpaar, Spannung und Faszination zu erzeugen.
Bei den Charakteren sind es vor allem die beiden Schwestern, mit denen Anders eine merkwürdige Beziehung führt: Die eine, halb Katze (treffender Weise Katt genannt), rettet ihn mehrmals vor dem Tod und scheint sich auch sonst in ihn verliebt zu haben (und er natürlich umgekehrt auch). Die andere, halb Ratte (heißt natürlich Ratt), ist eifersüchtig und ärgert ihn, wo sie nur kann. Andererseits unterstützt sie ihn in seinen Versuchen, der kleinen Gruppe verstörend veränderter Wesen technische Erleichterung zu verschaffen oder auch an Informationen zu kommen, die ihm die Situation verstehen helfen könnten.
Die anderen Charaktere bleiben relativ blass, sie sind recht übliche Vertreter ihrer Stellung in solchen primitiven Gruppen: Der starke Anführer mit einem irgendwo verbuddelten Verständnis für die Protagonisten, der Stellvertreter, der ängstlich alles Neue ablehnt und mit Hass auf den Eindringling reagiert, die noch fremdartigeren Nachbarn, mit denen die Gruppe in Zwietracht liegt.
Das Eintreffen einer anderen Gruppe, die kräftiger, reicher und etwas technisierter sind, bringen eine Wendung in die Geschichte, die Anders in typischer Weise zur Flucht treibt – dass ihm dabei der Erfolg versagt bleibt und er mehr Kontakt zu den brutalen Schweinen (im wahrsten Sinne) bekommt, als ihm lieb ist, war auch keine Überraschung. Nur der radikale Cliffhanger am Ende des Buches ist so extrem, dass man das Buch auf keinen Fall eigenständig lesen kann. Es endet völlig abrupt mitten in der Handlung – warten wir also auf den zweiten Teil.
Dieser erste Teil beginnt sehr zäh, fängt sich aber überraschend und bietet ein spannendes Spektakel in einer phantastischen Umgebung. Von Anders‘ übermäßiger Intelligenz ist wenig zu bemerken, doch wird er recht sympathisch geschildert. Das radikal offene Ende ist etwas enttäuschend in diesem Moment, macht aber sehr gespannt auf den zweiten Teil, da man kurz vor einer scheinbar wichtigen Offenbarung steht.
Taschenbuch: 448 Seiten Auflage: Februar 2010 ISBN-13: 978-3453533257
Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: (4 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)
Seit Jahren beschäftigen sich auch die Medien oberflächlich mit den Gefahren, die durch den allgegenwärtigen Gebrauch der neuen Informations- und Kommunikationstechnologie erwachsen – Betrug, Datenklau, Überwachung, Missbrauch … – die Liste ist lang. Trotzdem dringt dieses Problem nur ungenügend ins öffentliche Bewusstsein, zumal die Konsequenz eine drastische Rücknahme dieses sorglosen Umgangs wäre und für die Betroffenen Arbeit im Sinne von Verstehen und sich schützen lernen bedeutete. Von den meisten Anwendern wird das Problem nicht verstanden und diese technischen Hilfsmittel machen alles so einfach, scheinbar kontrollierbar und schnell – Eigenschaften, die aus Firmen und vor allem der Finanzwelt nicht mehr wegzudenken sind.
Einige Romane beschäftigen sich mit diesem Thema, doch keiner erreicht die eindringliche Tiefe des vorliegenden Buches von Daniel Suarez, der einen DAEMON (ein Computerprogramm, das ständig im Hintergrund abläuft und zu festgelegten Zeitpunkten oder als Reaktion auf bestimmte Ereignisse spezielle Prozesse ausführt. Das Wort ist eine Zusammensetzung aus „Disk And Execution MONitor“) erdenkt, dessen Auswirkungen und scheinbare Unaufhaltsamkeit das verstörendste, weil so realitätsnah erscheinende, Bild der zivilisatorischen Zukunft der letzten Jahre entwirft. Selbst Überwachungsdystopien wie der jüngst erschienene Roman „Little Brother“von Cory Doctorow sind noch harmlos dagegen.
Mathew Sobol, Genie, Milliardär und Computerspieleentwickler, hinterlässt bei seinem durch Krebs verursachten Tod ein Vermächtnis, das jede vorstellbare Dimension sprengt: Einen DAEMON von unvorstellbarem Umfang, Ausgeklügeltheit und Zielstrebigkeit. Sobols Hintergründe bleiben vorerst verborgen, doch der DAEMON handelt mit mörderischer Effizienz, vernichtet anfangs nur die Mitentwickler, arbeitet an seiner Verbreitung und übernimmt die Kontrolle wichtiger Finanz- und Entwicklungsfirmen, die erst Notiz davon nehmen, als es zu spät ist. Selbst IT-Experten aller Sicherheitsdienste und Verteidigungsinstitutionen können das Programm nicht stoppen, da es dezentral auf kompromittierten Rechnern weltweit verteilt ist.
Es gibt Menschen, die sich gern vom DAEMON gebrauchen lassen, sich ihm anschließen oder deren Lebenssituation und die individuellen Angebote des DAEMON sie zum Anschluss zwingen. Sobald sie eine gewisse Grenze an Einblick überschritten haben, ist die Alternative dazu auch nur noch der Tod, den das Programm in jedem Fall herbeizuführen im Stande ist. Einige dieser Menschen erhalten dadurch Macht und Bedeutung, die ihnen sonst verwehrt blieben.
Und es gibt einen illegalen Einwanderer in den USA, dessen Identität nicht bekannt ist und der deshalb für den DAEMON unsichtbar ist. John Ross ist Computerfreak, kennt Sobols Spiele wie kaum jemand sonst und erkennt als Erster das Wesen der Gefahr, die so plötzlich erwacht ist. Ross ist es, der mit seinem Wissen um die Technik von Sobols Spielen und den daraus ableitbaren Charakterzügen des Genies erste Schritte zur Bekämpfung des Programms geht. Doch auch er weiß nicht, wie weit Sobol mit seinem DAEMON gegangen ist …
Ehrlich gesagt, der Titel „Daemon – Die Welt ist nur ein Spiel“ gibt nicht allzu viel her. Auch der reißerische Klappentext „es beobachtet. Es lernt. Und es tötet.“ wären für mich eher abschreckend als kaufanreizend. Das Cover jedoch und der eigentliche Klappentext, in dem Matthew Sobols post mortale Ansprache erscheint, sind sehr gelungene Indizien für den Charakter des Romans und überzeugten mich, ihn zu versuchen. Ein Erfolg, zu dem ich den Lektor beglückwünsche, denn hinter diesem zwiespältigen Cover verbirgt sich ein Roman der absoluten Empfehlungsklasse.
Wie es verschiedene Schriftsteller schaffen, allgemein verständlich über komplizierte Computer- und Internetgefahren zu erzählen, versetzt mich jedes Mal in tiefe Hochachtung und Faszination vor dem Thema, sei es nun beispielsweise die Spieltheorie (wie in Brian D’Amato, „2012“), die Zeitzonenproblematik (z. B. Cory Doctorow, „Upload“), die beschleunigte Informationstechnikentwicklung (z. B. Charles Stross, „Accelerando“), Überwachungsproblematik durch die Nutzung verschiedener Netzwerke (z. B. Cory Doctorow, „Little Brother“) oder eben im vorliegenden Roman die Online-Spielewelten und deren Auswirkungen auf das „RL“, Real Life, was aber nur unzureichend einen Aufhänger der Geschichte bezeichnet. Bleiben wir bei „Daemon“: Man steht erstmal wie die offiziellen und sogenannten seriösen IT-Spezialisten wie der Ochs vorm Berge, wenn man die Charakteristika von Sobols Gedankengängen vorgelegt bekommt. Erst die Erklärungen von Spielern, von ausgeprägten Spielern, denen man als Nicht-Computerspieler das Spielen als Fulltime-Job anhängen möchte, führen Leser wie Ermittler auf einen zwar oberflächlichen, aber doch faszinierenden Weg der Erkenntnis.
In diesem Zusammenhang sind auch die Ideen des Autors beachtlich, der die Charakteristika von Spielewelten auf das RL zu übertragen versucht und in vielerlei Richtung verknüpfbare Stellen findet, die er über den DAEMON Sobols auch zu einem ausgeklügelten Gespinst verbindet. Die AutoM8 beispielsweise, die Auto|macht|, aus ferngesteuerten und über das GPS vernetzten Autos, womit diese Verknüpfungen beginnen, sind nur ein winziges Steinchen auf dem Weg, der zumindest für die Anhänger und Jünger des Daemon eine völlige Verknüpfung von RL und Spiel bedeutet. Faszinierende technische Entwicklungen ermöglichen die Projektion von individuellen Spieloberflächen auf die Innenseite von Sonnenbrillen, wo mit charakteristischen Symbolen, die über das GPS eindeutig lokalisierbar und steuerbar sind, eine neue Sphäre erschaffen wird, die für Außenseiter nicht erreichbar ist, für die Jünger des Daemon aber Handlungspotential in ihrer ureigenen Sprache, der Sprache von Onlinespielen, bietet.
Das Abgefahrene an diesem Roman ist nicht nur die Konsequenz und nahezu perfekte Programmierung, mit der Sobol seine Ideen über sein Leben hinaus trägt und erst nach seinem Tod zu verwirklichen sucht, sondern auch und vor allem der Gedanke, der sich dem Leser aufdrängt: Es ist so naheliegend! Wenn auch hoffentlich niemand die Mittel und das Genie Sobols besitzt, um diese zerrüttenden Ideen in dieser Perfektion umsetzen zu können, so besteht doch auf längere Sicht durchaus die Möglichkeit einer Entwicklung in diese Richtung, wo Programme das Handeln der Menschen noch stärker bestimmen, ja, nicht nur Firmenschicksale, sondern persönliches Leben von Entscheidungen logischer Programme abhängen, wo sich vielleicht eine übergeordnete Sphäre entwickelt, die alles und jeden kontrollierbar machen. Letzteres ist überdies ein Ansatz, der ohne Weiteres auch jetzt schon vorstellbar ist und man kann nicht sagen, wie weit Informationsdienste mit dieser Technik beschäftigt sind.
So entwirft Daniel Suarez also neben einem ausnehmend spannend, faszinierend und wunderbar unterhaltend geschriebenen Roman eine Zukunft, in der wir wirklich nicht leben wollen, deren Entstehen aber nicht absurd, sondern sogar bestürzend naheliegend ist. Dieser Roman hat das Zeug zum Highlight des Jahres, auch wenn er sicherlich einige starke Gegner hat mit großen Namen wie Charles Stross oder Iain Banks, Cory Doctorow oder auch Andreas Eschbach, die sich alle in diesem Jahr ein Stelldichein mit ähnlich ambitionierten Neuerscheinungen geben.
Taschenbuch: 640 Seiten Originaltitel: Daemon Deutsch von Cornelia Holfelder-von der Tann ISBN-13: 978-3499252457
Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: (4 Stimmen, Durchschnitt: 3,00 von 5)
|In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Als aber die Terraner auf die sogenannten Polyport-Höfe stoßen, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof. Mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox vor, und anfangs scheinen sie kaum aufzuhalten zu sein. Dann aber entdeckt man ihre Achillesferse in ihrer stärksten Waffe: Die Vatrox verfügen mittels ihrer Hibernationswelten über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie die Herrschaft der Frequenz-Monarchie. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox, darunter den gefährlichen Frequenzfolger Sinnafoch, und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Zivilisation zusammenhängen. Sinnafoch hat es mit zwei Begleitern in einen unbekannten Raum und zu einer seltsamen Kultur verschlagen – es ist DIE STADT IN DER MITTE DER WELT …|
(Verlagsinfo)
_Das verkannte Genie_ der D’Tar, F’har, hilft seinen unbekannten Besuchern auf der Suche nach einem Weg, der sie von D’Tarka führen kann. Dabei überwindet er geistig die indoktrinierten Sperren seiner Gesellschaft und schmuggelt Kruuper und Philip in den innersten Kreis der Stadt, wo sie einen Transferkamin zu aktivieren hoffen – eine vergebliche Hoffnung, da er ausschließlich als Einbahnstraße funktioniert.
In seiner Todesmotivation (da von einem anderen Atemgemisch abhängig ist) unternimmt Kruuper im Folgenden einen Trial-and-Error-Marathon an dem Controller, den Sinnafoch in seiner Bewusstlosigkeit nicht bedienen kann. Und tatsächlich: Kruuper findet einen weiteren Transferkamin im Land D’Tarka, in einer Station am Rand der Welt. F’har erklärt sich bereit, die drei Flüchtlinge dorthin zu fahren, doch vor den Mauern der Stadt wartet eine undurchdringliche Barrikade aus den empörten Einwohnern und ihrer Zugmaschinen …
_Wieder liest Renier_ Baaken die Geschichte, der im zweiten Teilzyklus von |Stardust| mit dem Band 2550 den überzeugendsten Beitrag leistete. Auch in diesem zweiten Teil des Doppelromans von Frank Borsch erweist er sich souveräner als sein Vorgänger Michael-Che Koch, so ist zum Beispiel durch die Betonung sehr viel genauer zu hören, wie einzelne Namen gemeint sind. Was der Vorleser natürlich nicht ausgleichen kann, ist der Inhalt des Romans. Zwar liefert Borsch ein solides Stück Arbeit ab, doch die Spannung lässt leider auf sich warten. Zumindest was die Ebene der Gegenwart, das Geschehen um das Trio auf D’Tarka, betrifft.
Hier wird schnell im Hinblick auf die zweite Ebene, Sinnafochs erste Kampfeinsätze, Wiedergeburten und sein Werdegang zum Frequenzfolger, deutlich, dass die D’Tar den Ursprung der Darturka darstellen und Letztere als Zuchtform aus Ersteren hervorgegangen sind. Ein weiteres Verbrechen der Frequenzmonarchie, deren Vorgehensweise jetzt auch dem Neuleser (Hörer) deutlich gemacht wird und die auch an ihren eigenen Mitgliedern und Führerpersonen wie Sinnafoch selbst keine Grenzen kennt.
Zurück zur ersten Ebene: Es wiederholt sich der Wettkampf der beiden Kontrahenten mit ihren Zugmaschinen, wodurch nicht wirklich Spannung erzeugt werden kann. Das Eindringen in die Mitte der Welt hat ebenfalls keinen Erfolg gebracht, was nicht zu erstaunen weiß, da es sonst ein ziemlich kurzer Roman geworden wäre. Sinnafochs Rührseligkeit zum Ende des Romans ist der einzige Überraschungseffekt, denn scheinbar hat ihn die Bewusstlosigkeit der Kontrolle seines „Partners“, des implantierten Kontrolleurs im Gehirn, entrissen, was sicherlich irgendwann zu einem tragischen Tod dieses Antihelden führen wird. In einem Moment, wo er sich völlig von der Beeinflussung löst und der guten Seite anschließt. Reine Spekulation.
Die Vergangenheitsebene: Hier wird durchaus Spannung aufgebaut, da Sinnafoch scheinbar ein völlig anderer Charakter ist, voll Verantwortungsgefühl und nur durch Propaganda fehlgeleitet. Seine Erlebnisse mit Deliachlan sind tragisch geladen, da bereits die Konfrontation mit dem Frequenzfolger Okure und dessen nachwiedergeburtlichem Wandel den Weg andeutet, den diese Freundschaft gehen wird. Überraschend hingegen ist die Erkenntnis, dass dieser Wandel durch einen implantierten Chip oder Ähnliches hervorgerufen wird …
_Die Vergangenheitsebene bietet_ mehr, insgesamt gibt Borsch einen guten Einblick in Sinnafochs Entwicklung und deutet kommende moralische Konflikte an. Zumindest für gute Unterhaltung wird dies eine Basis sein können.
|MP3 Format, 235 Minuten
gelesen von Renier Baaken|
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Im fünften Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Alaska Saedelaere, der Mann mit der Maske, ist mit der Galaktischen Flotte in einer weit entfernten Galaxis unterwegs. An Bord des Trägerraumschiffes BASIS erhält er einen Auftrag von kosmischer Bedeutung.
Die Superintelligenz ES schickt ihn in den Kugelsternhaufen Bormeen. Die dort lebenden Wesen werden von einer ungeheuren Macht bedroht: Unbezwingbare Raumschiffe greifen ihre Welten an und lösen diese buchstäblich auf.
Saedelaere gelingt es dank der Hilfsmittel der Superintelligenz, den Kampf gegen die mysteriöse Macht aufzunehmen. Doch er muss erkennen, dass seine Gegner ihre Pläne schon vor urdenklichen Zeiten geschmiedet haben …
(Verlagsinfo)
In der Galaxis Bormeen landen auf den Industriewelten der Bormeener zwiebelförmige Raumschiffe, die den betroffenen Planeten in einen undurchdringlichen höherdimensionalen Energieschirm hüllen und ihrerseits jegliche höherdimensionale Technik blockieren. Kontaktversuche seitens der Bormeener erwirken keine Reaktion, gewaltsam gibt es kein Mittel gegen diese Schiffe, deren Aggregate nach einer kurzen Frist den Planeten entstofflichen.
In dieser Situation taucht der Terraner Alaska Saedelaere mit dem unmissverständlichen Auftrag der Superintelligenz ES auf, das Problem zu lösen oder bei dieser Mission zu sterben. Alaska hat ES‘ Macht nichts entgegenzusetzen und kann sich der Aufgabe nicht entziehen. Sein einziges Hilfsmittel: Ein Übersetzungsgerät, das ihm die Superintelligenz mit auf den Weg gegeben hat …
Das ist natürlich typisch ES und darum immer wieder gern gewähltes Mittel, eine kleine Gruppe von Handlungsträgern an entlegene Orte zu verfrachten, um dort ohne Unterstützung ein existenzielles Problem zu bewältigen, zu dem die ansässigen Intelligenzen keinen Zugang finden. Meist trifft es Perry Rhodan selbst und kleine Gruppen ausgewählter Partner, oft genug aber auch Einzelgänger wie den einsamen, von Selbstzweifeln zerfressenen Alaska Saedelaere, dessen Name allein bereits eigentlich jeden Schriftsteller abstoßen sollte, Texte über ihn zu schreiben.
Die Planetenromane, deren ursprüngliche Erscheinungsform das Taschenbuch war und die derzeit in günstiger Produktion neu beauflagt werden, dienten den Autoren oftmals, eigene Ideen dem Perryversum hinzuzufügen oder lieb gewonnene Figuren weiter zu entwickeln. Robert Feldhoff, der bis zu seinem Tod zuletzt die Geschicke der Rhodan-Serie leitete, widmete sich im vorliegenden Band Alaska Saedelaere, einer Figur, die in der eigentlichen Serie nie so richtig glücklich ins Rampenlicht gerückt wird, ihre Höhenflüge aber in Planetenromanen und anderen Spin-Offs hat.
Der besprochene Roman ist inhaltlich nicht sehr aufwändig oder umfangreich, fügt dem kosmischen Geheimnis, das die Superintelligenz ES noch immer umgibt, aber ein weiteres Steinchen und Spekulationsgrund hinzu und widmet sich einer Spezies, den sogenannten Molekülverformern, die in der Rhodan-Historie eine immer wieder bedeutende Rolle spielen und für viele kosmische Ereignisse und Geheimnisse wichtig sind. Ob ihr Geheimnis irgendwo in diesem unüberblickbaren Kosmos über vierzigjähriger Geschichte der Serie gelüftet wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, doch wirkt allein ihr Auftauchen in diesem Roman wie in jedweder anderen Geschichte allein als Magnet kosmischen Gefühls.
Saedelaere gewinnt eigentlich nicht an Profil, Feldhoff stellt nur erneut seine Unsicherheit, seine Selbstzweifel und seine Todessehnsucht heraus und hinterlässt ihn einmal mehr als tragische Figur, die endlich einen Weg in die persönliche Sicherheit und Geborgenheit hätte finden können, um im letzten Moment durch die grausamen Pläne ES‘ wieder in das ihm vorbestimmte Leben des Außenseiters zurückgerissen zu werden.
Trotz des geringen Umfangs schafft es Feldhoff, die Actionszenen zu dehnen, sich in Wiederholungen von saedelaereschen Überlegungen zu verlieren und im Endeffekt einen Roman abzuliefern, der kaum Handlung besitzt, trotzdem unterhält und mit kosmischem Sense of Wonder aufwartet.
Taschenheft, 161 Seiten
ASIN: B003WAKYWO
Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: (6 Stimmen, Durchschnitt: 1,33 von 5)
Toxic ist kroatischer Profikiller, dessen letzter Auftrag leider das falsche Opfer zum Ziel hatte: Als er den Bundesangestellten auf einer Mülldeponie entsorgen will, kommt ihm das Gesetz ziemlich nahe und sein Auftraggeber stattet ihn mit falscher Identität aus, zur Flucht nach Kroatien. Doch am Flughafen wird er fast vom FBI erwischt und muss sich neu orientieren: Die Flughafentoilette liefert ihm spontan ein neues Opfer, in dessen Rolle er schlüpft. Er ist jetzt Fernsehprediger, sein Ziel ist Island.
Toxic wird in eine isländische Predigerfamilie eingeführt, die seine Tarnidentität als Idol verehren und zu einem Gastspiel nach Island geladen haben, doch selbst hier in diesem kalten Land der schönsten Frauen kommt ihm die Polizei fast hinterher. Er flüchtet erneut, versteckt sich in der Wohnung der heißesten Frau Islands, die zufällig die Tochter seiner Gastgeber ist und die nun, als seine Tarnung aufgedeckt ist, scharf auf ihn und den Hauch von Gefahr wird, der ihn umgibt.
Ihre Beziehung wird von wildesten Sextreffen immer ernster, bis sie sich verlieben. Toxic will seinen Beruf an den Nagel hängen, ein weiterer Prediger soll ihm bei der Läuterung helfen, und irgendwann soll die Heirat mit seiner Liebe anstehen. Bis das Auftauchen seiner alten Auftraggeber alles zunichte zu machen droht …
Deutlichster Kaufanreiz ist der Titel, der humoristisch klingt und im Zusammenhang mit dem Verlagstext auf einen besonderen Roman hindeutet. Die ersten Kapitel sorgen dann erstmal für herbe Enttäuschung. Der Held hat zwar ein paar lockere Sprüche auf Lager, wirkt aber vorerst flach, ungehobelt und sexistisch. Sein Kriterium, Frauen zu beschreiben, formuliert er in den Worten „Wenn wir in einer einsamen Gegend wären und sie die einzige Frau der Einheit, würde ich an Tag X anfangen, von ihr zu träumen“. Er klassifiziert die Frauen häufig danach in „Tag 3-Frau“ oder „Tag 365-Frau“. Im weiteren Verlauf der Geschichte entwickelt sich zwar ein dichteres Bild von ihm, diese Kriterien kommen aber bei jeder Frau wieder, wodurch die Gewichtung seines Lebensschwerpunktes mehr als deutlich wird.
Anfangs wirken Toxics Rückblicke in die persönliche und seelische Vergangenheit wie aufgesetzte, künstliche Versuche des Autors, die Person zu charakterisieren und glaubhaft sein Wesen darzustellen. Aber im Verlauf der Geschichte führt dieser Weg erstaunlicher Weise wirklich zu einem Charakter, dem man seine Handlungen und Motivationen glaubt. Wobei auch klar ist, dass nicht der Charakter und die Persönlichkeit, sondern das Geschehen selbst und die Merkwürdigkeiten der Geschichte es sind, die den Roman unterhaltsam machen.
Die anderen Personen bleiben recht blass, sie sind wie Schlaglichter verschiedener menschlicher Typen und nötig für die Geschichte. So ist Gunhildur die eiskalte, heiße Sexgöttin mit dem menschlichen Kern, Pater Todhúr (Tortur) der fanatische, rotäugige Inquisitor und Katechist des gefallenen Sohnes (Toxic); es gibt den verräterischen Auftraggeber, die brutal kopflose Freundin, den Vatermord, große Autos, dicke Wummen und kaltschnäuzige Killer.
Um auf den Titel zurück zu kommen: „Zehn Tipps“ sind nicht erkennbar. Der Ausdruck „… um das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen“ bezieht sich klar auf Toxic und seine Vergangenheit, von der er sich reinwaschen soll. Sind die „Zehn Tipps“ auf Torturs Therapie zu beziehen, die zwar in mehreren Schritten abläuft, aber nie explizit auf die Zahl bezogen wird? Ich halte diesen Ausdruck einfach für ein strategisches Mittel, das den Titel interessant gestalten soll, um den Roman aus dem Brei der Profikillerliteratur herauszuheben, indem er doch durch die Story ziemlich versinkt. Das Bestreben durch schwarzen Humor, Komik und Sexismus mehr Interesse zu erzeugen, gelingt nur bedingt, nämlich ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschichte selbst schon für Unterhaltung sorgt.
Insgesamt zwar flüssig lesbar und unterhaltend, aber ohne viel Neues. Ein Roman für zwischendurch ohne hohes Erinnerungspotenzial.
Gebundene Ausgabe: 270 Seiten
Originaltitel: Io rad til ad haetta ad drepa
Aus dem Isländischen von Kristof Magnusson
ISBN-13: 978-3608501087
Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Michael Marcus Thurner beginnt den zweiten Abschnitt des Stardust-Zyklus‘ mit einem sogenannten Doppelroman, er erzählt also eine Geschichte verteilt über zwei Romane, die noch enger zusammenhängen, als dies ohnehin bei einer Serie schon der Fall ist. Der vorliegende Band ist der zweite Teil dieses Doppelromans.
|In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Als die Terraner die Transport-Technologie sogenannter Polyport-Höfe, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, zu entschlüsseln beginnen, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof. Mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox vor, und anfangs scheinen sie kaum aufzuhalten zu sein. Dann aber entdeckt man ihre Achillesferse ausgerechnet in ihrer stärksten Waffe: Die Vatrox verfügen mittels ihrer „Hibernationswelten“ über die Möglichkeit der „Wiedergeburt“. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie damit die Herrschaft der Frequenz-Monarchie. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox, darunter den gefährlichen Frequenzfolger Sinnafoch, und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Kultur zusammenhängen. Und zwei Drittel des Raumschiffs JULES VERNE mit Perry Rhodan an Bord wurden am Ende der entscheidenden Schlacht vom Handelsstern FATICO wegtransportiert. Die Besatzung gewahrt nunmehr DAS WUNDER VON ANTHURESTA …|
(Verlagsinfo)
_An Bord der_ JULES VERNE versucht das psimaterielle Wesen Myles Kantor mit allen Mitteln, sein Dasein weiter zu manifestieren. Es entfernt sich charakterlich absolut von seiner Vorlage und will das Schiff unterjochen. Derweil kämpft sein „geistiger Vater“ Chucan Tica um die Entwicklung eines Gegenangriffs.
Perry Rhodans Gruppe stößt im Handelsstern auf ein Wesen, das sich aus Hyperkristallen zusammensetzt und das Konzeptwesen Lloyd/Tschubai als Kontaktperson auserkoren hat. Sein Ziel ist, den Herrn des Sterns zu finden und durch ihn die eigene Existenz zu bezwecken. Rhodan erhofft sich durch seine Hilfe bei der Suche gleichfalls wertvolle Informationen zu erhalten und möglichst einen Verbündeten für seine Sache zu gewinnen. Doch als sie den Herrn endlich finden, wartet eine schreckliche Überraschung …
_Wie schon im_ ersten Teil leistet der Sprecher solide Arbeit, ohne allerdings der Leistung im Vorgänger gleichzukommen. Aber gerade auch den Wahnsinn des Myles Kantor bringt Tom Jacobs deutlich zur Geltung.
Was sich an Problemen durch die Psifolien entwickelt hat, dient natürlich deutlich der Füllung von zwei Romanen um ein Ereignis, nämlich die Entdeckung des Handelssterns und den Vorstoß in sein Inneres. Hier kommt die berüchtigte Schwäche von Serienromanen zum Tragen, die sich in ihrer Kürze um Spannung in jedem Fall bemühen müssen und dadurch die eigentliche Handlung oft vernachlässigen. Das ist hier nicht übermäßig eingetreten, jedoch deutet das Abenteuer mit den Psifolien kein Potenzial für spätere Romane an. Es sei denn, die Innenwelt von Mikru, der Schiffsseele eines seit Band 2550 nicht nochmals richtig eingeführten Schiffes MIKRU JON, dessen Rolle in diesem Spiel noch nicht richtig zu durchschauen ist, wäre im Zusammenhang mit den Psifoliencharakteren im weiteren Verlauf noch von Bedeutung.
Das Auffinden des Herrn des Sterns ist eher enttäuschend, da natürlich, um das Rätsel nicht schon jetzt zu lösen, ein erfreuliches Erlebnis ausbleibt. Zwar ist die Erscheinung ein imposantes Bild und der Wahnsinn des Wesens gut beschrieben, doch Rhodan ist mit seiner Informationssuche nur einen kleinen Schritt weiter (und den ging er schon im Vorgängerroman mit seinen Gedanken zu WANDERER und den 20.000 Welten).
Was es mit dem Titel des Romans auf sich hat, wird nicht deutlich. Ist das „Wunder von Anthuresta“ der Handelsstern selbst oder eher doch seine Einmaligkeit unter den Handelssternen mit der umgebenden Hohlkugel von 20.000 Kunstplaneten?
_Insgesamt gute Unterhaltung_ mit schönen Abenteuern, ohne jedoch die Haupthandlung weiterzubringen.
|Mp3-Hörbuch mit 181 Minuten Spieldauer
Titelbild: Dirk Schulz
Exklusiv über den Perry-Rhodan-Shop erhältlich:|
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