Archiv der Kategorie: Historisches

Urbanski, Silke – Störtebekers Henker

_Klaus Störtebekers Legende_ lebt noch 700 Jahre nach seiner Hinrichtung in Hamburg und beschäftigt Autoren oder Regisseure. Das Leben des berühmt-berüchtigten Seeräubers, der zudem noch ein Anführer der Vitalienbrüder gewesen sein soll, wird in vielen Romanen heroisiert. Lange Jahre kämpfte Störtebeker mit Gödeke Michels an seiner Seite gegen die hanseatischen Pfeffersäcke.

In Nord- und Ostsee wurden die Vitalienbrüder schnell zu einer Gefahr für die hanseatischen Städte wie Hamburg und Lübeck. Der gesamte Handel mit Waren aus England und Holland war im Begriff zugrunde zu gehen, so angespannt war die Situation um das Jahr 1400. Am 22. April 1401 wurde Störtebeker in einer Seeschlacht bei Helgoland von der hanseatischen Flotte unter der Führung von Simon von Utrecht gestellt und nach einem heftigen Kampf gefangen genommen. Der 20. Oktober 1401 sollte dann zum Todestag des Seeräubers werden. Zusammen mit 30 Gefährten wurde Störtebeker auf dem Grasbrook in Hamburg enthauptet. Die Köpfe der Enthaupteten wurden entlang des Hafens zur Warnung an der Elbe aufgestellt – ein deutliches Symbol der Abschreckung für alle Seeräuber und Halunken der Meere.

Um seinen Tod, genau wie um seine historische Person, ranken sich zahlreiche Legenden, und in manchen Liedern und Überlieferungen wird Störtebeker als eine Art Freiheitsheld dargestellt. Seine Beute, die er den reichen hanseatischen Kaufleuten abgenommen hat, soll er an die Armen und Bedürftigen verteilt haben. Weiterhin soll er über immense Körperkräfte verfügt und einen Stiefel Bier mit einem Zug leeren gekonnt haben.

Was für eine Mensch war Klaus Störtebeker? Ein brutaler Seeräuber, ein Volksheld oder einfach ein willkommenes Opfer für die Politik der Hansestädte?

Silke Urbanksi, selbst in Hamburg geboren, ist promovierte Mittelalterhistorikerin mit den Schwerpunkten Kloster, Hanse- und Wirtschaftsgeschichte und hat in ihrem Roman „Störtebekers Henker“ den Mythos um den Seeräuber zum Thema gemacht.

_Inhalt_

Richard von Hardin, ein Ritter des Deutschen Ordens, ist das Töten für Gott und den Fürsten leid. Noch immer verfolgt ihn das Blutvergießen in seinen Träumen, die Sünden und die Taten seines ganzen Lebens. Über viele Umwege auf der Suche nach „Arbeit“ wird der ehemalige Deutschordensritter zur persönlichen Eskorte eines Viehtriebes in die Hansestadt Hamburg. Doch das Unglück reist mit dem armen Ritter, und so wird er aufgrund einiger Unstimmigkeiten von seinem Auftraggeber durch das Schnellgericht der Hansestadt angeklagt und am Pranger zum Gespött der Bürger.

Noch verzweifelter als zuvor, schier ohne Perspektive wird ihm ein Auftrag der Stadt angeboten. Der Hanse ist es nach Jahren gelungen, des berüchtigten Vitalienbruder Klaus Störtebeker vor Helgoland habhaft zu werden. Zusammen mit seiner Mannschaft wartet der Seeräuber auf seine nicht mehr vermeidbare Hinrichtung. In Gefangenschaft werden die Gefährten um Störtebeker durch Folter geständig, doch viele sterben lieber als Zugeständnisse zu machen. In der Stadt macht sich schnell Unruhe breit, denn viele sehen in Störtebeker einen Mythos, einen ehrenhaften Mann und würden die Vitalienbrüder lieber frei sehen.

In dieser angespannten Situation halten es die Räte der Stadt für wichtig, die Hinrichtungen nicht lange aufzuschieben. Doch leider ist das Geschick mit dem Richtschwert des amtierenden Henkers nicht wirklich zufriedenstellend. Also sieht man in dem armen, aber sicheren Schwertkämpfer Richard von Hardin angemessen Ersatz …

_Kritik_

„Störtebekers Henker“ von Silke Urbanski ist eine facettenreiche und inhaltlich spannende Geschichte aus der glorreichen Hansezeit. Besonders gut gelungen sind ihre detaillierten Schilderungen der gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge in der Stadt Hamburg und der Hanse überhaupt.

Hauptplot des Romanes ist eine Intrige, die der ehemalige Ritter und jetzige Henker zusammen mit einer heilkundigen Begine aufdeckt. „Störtebekers Henker“ ist also ein historischer Krimi, und ein recht guter dazu.

Silke Urbanski, die studierte Historikerin und deren Schwerpunkt die Hansezeit ist, begeistert und überzeugt mit einer spannenden Geschichte und gut ausgearbeiteten Charakteren. Vielseitig und abwechslungsreich erzählt sie den Mythos um den berüchtigten Störtebeker und entwirft ein kritisches Bild um die damaligen Patrizier und ihre korrupte Machtstellung.

Fakten und Fiktion kombiniert die hanseatische Expertin Silke Urbanski gekonnt und stilistisch einwandfrei. Phasenweise erkennt man allerdings die tiefe historische Verwurzelung, und die Autorin driftet manches Mal zu sehr ab in die sozialen und gesellschaftlichen Gruppen, sodass der Leser manchen Leerlauf in der Handlung über sich ergehen lassen muss.

Die Protagonisten sind überschaubar und absolut gekonnt in die Handlung eingewoben, sodass der Leser sich auch hier nicht von vielen Nebenhandlungen und weiteren Personen verwirren lassen muss. Im Anhang befinden sich neben der Danksagung und dem Nachwort ein Personenregister und ein sehr gutes Glossar, das neben den Personen auch Begrifflichkeiten aus dem Mittelalter und der Hansezeit anschaulich erklärt.

_Fazit_

„Störtekers Henker“ von Silke Urbanski aus dem |Emons|-Verlag wird dem Leser von historischen Romanen und Krimis lange in Erinnerung bleiben. Fabelhaft recherchiert, überzeugt die Geschichte mit viel Hintergrundwissen und einer spannenden Handlung.

|Taschenbuch: 382 Seiten
ISBN-13: 978-3897056701|
[www.emons-verlag.de]http://www.emons-verlag.de

Pötzsch, Oliver – Henkerstochter und der König der Bettler, Die

_Die |Kuisl|-Serie:_

01 [„Die Henkerstochter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4987
02 „Die Henkerstochter und der schwarze Mönch“
03 _“Die Henkerstochter und der König der Bettler“_

_Auch im dritten_ historischen Roman von Oliver Pötzsch, „Die Henkerstochter und der König der Bettler“, geht es rasant und spannend zu, diesmal allerdings muss Jakob Kuisl sich seiner Vergangenheit stellen und erfährt selbst, was die Qualen der Folter einem Mann antun können.

_Inhalt_

Wir befinden uns im Jahr 1662, zwei Jahre nach den Ereignissen in „Die Henkerstochter und der schwarze Mönch“. Der junge Medicus Simon Fronwieser und die Tochter des Schongauer Henkers Jakob Kuisl, Magdalena, sind ein Paar. Doch die verliebte Verbindung der beiden jungen Menschen ist nicht gern gesehen und findet im Verborgenen statt. Magdalena gilt als ehrlos, auch wenn sie zusammen mit einer Hebamme in Schongau arbeitet und das tägliche Leid der Schongauer Bürger behandelt. In deren Augen ist Magdalena eine zu tabuisierende Person, die in „Unehrlichkeit“ als eine Henkerstochter geboren wurde. Ihr Freund Simon Fronwieser ist ein talentierter, aber unausgebildeter Medicus, der sich ständig mit seinem Vater, dem in Schongau ansässigen Arzt, überwirft. Trotzdem verbindet Simon und den Henker Jakob Kuisl eine tiefe und respektvolle Freundschaft.

Nach einem Vorfall bei einem bekannten Ratsherrn hat Magdalena gestrichen die Nase voll und verliert die Geduld mit den Schongauer Bürgern, die ihr mit Hass und Feindlichkeit begegnen, sodass in der Nacht die Situation fast eskaliert. Jakob Kuisl kann seiner Tochter in der gefährlichen Situation nicht zur Seite stehen, da er sich auf die Reise nach Regensburg aufgemacht hat, um seiner Schwester Lisbeth zu helfen, die schwer erkrankt sein soll.

Die Reise nach Regensburg auf dem Floß ist ein gefährliches Abenteuer, und nur mit Hilfe von Jakob Kuisl erreicht das wackelige Floß die Reichsstadt Regensburg. Auf dem Floß folgt dem Henker ein Blick voller Hass, den sich Jakob Kuisl nicht erklären kann: Woher kennt er den Mann? Hat er ihn schon einmal foltern oder aus der Stadt peitschen müssen?

Es scheint wie verflucht zu sein. Kuisl wird von den Stadtwachen vor den Toren der Stadt Regensburg provoziert und sieht sich wenig später im Gefängnis wieder. Allerdings wird er schon nach einer Nacht entlassen und macht sich zum Badehaus seiner Schwester und ihrem Mann auf. Dort findet er die beiden mit durchgeschnittener Kehle im Badezuber vor. Wie bestellt tauchen urplötzlich die städtischen Büttel auf, verhaften den Schongauer Henker und bezichtigen ihn des Mordes.

Jakob Kuisl, der immer und immer wieder seine Unschuld beteuert, macht sich mit seinem Sturschädel nicht gerade beliebt, und vor dem Rat der Stadt gelingt es ihm nicht, die Herren von Regensburg von seiner Unschuld zu überzeugen. In einer peinlichen Befragung soll sein Geständnis erzwungen werden. Der erfahrene Regensburger Henker Teuber zeigt nun seinem inhaftierten Kollegen die fürchterlichen Folterwerkzeuge, die Jakob selbst bald spüren soll: Streckbank, Stachelwalze, Seilzug und Daumenschrauben. Zwar kann Jakob Kuisl seinen Kollegen davon überzeugen, dass es einige Ungereimtheiten bei diesem brutalen Mord gibt, der ihm zur Last gelegt wird, doch muss der Regensburger Henker dem Auftrag des Rates Folge leisten, und die Folter an Kuisl beginnt.

Kuisl ist sich sicher, dass alles eine perfekt inszenierte Falle gewesen ist, und dass jemand, aus welchen Gründen auch immer, den Henker sterben sehen möchte.

Inzwischen entschließen sich die Henkerstochter Magdalana und ihr Liebster Simon, der Stadt Schongau den Rücken zu kehren, die ihr nur mit Hass und nun auch mit Gewalt begegnet. In Regensburg möchte das junge Paar in einer gewissen Anonymität von vorne anfangen und ihre Liebe zusammen ausleben. Als die beiden in Regensburg ankommen, erfahren sie schnell von dem Monster Jakob Kuisl, der seine eigene Schwester brutal umgebracht hat und nun unter den Händen des Henkers seine Tat gestehen soll.

Magdalena und Simon geraten schnell in eine städtische Intrige und haben nur die Möglichkeit, ihr Schicksal in die Hände des Bettlerkönigs zu legen, um Jakob Kuisl zu befreien. Doch auch dieser hat seine eigenen Interessen, die er durchsetzen möchte.

_Kritik_

Es wird nun sehr persönlich für den Henker Jakob Kuisl und seine Familie. Aber auch Simon Fronwieser, der immer wieder nicht einer Meinung mit seinem in Selbstmitleid badenden Vater ist, muss sein Leben und damit auch seine Ziele neu finden.

Der Autor Oliver Pötzsch schleudert seinen Jakob Kuisl in die Konfrontation mit seiner Vergangenheit, die dieser am liebsten aus seinen Leben gestrichen hätte. Im großen Krieg (1618-1648) war Jakob Kuisl Soldat, Offizier einer Bande von brutalen Schlächtern, die mordeten, vergewaltigten und plünderten, wo sie nur konnten. Und so erfährt der Leser viel über die Vergangenheit des brummigen Henkers, der es immer gut verstanden hat, seine Vergangenheit nicht erklären zu müssen. Auch die Vergangenheit seiner Ehefrau, die er über alles liebt, bekommt nun eine vervollständigte, runde Erklärung.

Erzählt wird dieser historische Roman in zwei Handlungssträngen aus der jeweiligen Perspektive der Protagonisten: Jakob Kuisl, der inhaftiert und unter Folter einen Ausweg sucht, und Magdalena und Simon, die unterdessen unter Zeitdruck einen Weg finden müssen, die Intrige aufzuklären, um Jakob Kuisl zu befreien.

Beide Parts sind ungemein spannend, aber hauptsächlich wird sich der Leser auf das Schicksal des Henkers konzentrieren, der nun mit seinem eigenen Beruf konfrontiert wird. Allerdings auf der Seite des hilflosen Opfers, auf das die Tortur wartet, und er vermag nur seinen starken Willen als Waffe einzusetzen. Hier zeigt Jakob Kuisl auch ganz andere Aspekte seines Charakters. Alleine in der Dunkelheit seiner Zelle, kommen die Schatten seiner Vergangenheit näher, und diesmal muss sich der stattliche Henker ihnen stellen. Auch unter der Folter wird ihm klar, dass man ihn brechen kann, und er weiß nicht, wann der Zeitpunkt kommen wird. So stark und bärbeißig er in den letzten beiden Romanen auftrat, so schwach und vor allem verletzlich, auch psychisch gesehen, zeigt sich nun das andere, menschliche Gesicht des Henkers.

Ganz nebenbei vermag es der Autor noch, einen vielschichtigen und realistischen Blick in dieses Jahrhundert zu werfen. Durch die Beschreibung der Politik und der sozialen Strukturen der Gesellschaft ermöglicht es der Autor, dem Leser zu zeigen, wie interessant diese Zeiten waren, aber auch wie schwer es die Bevölkerung hatte und welchen täglichen Gefahren sie ausgesetzt war.

Die Geschichte spielt hauptsächlich in ´, und das, so erzählt der Autor im Nachwort, ist seine Liebeserklärung an die Stadt. Und er beschreibt so einige Sehenswürdigkeiten und Orte dieser schönen bayrischen Stadt, die eine bewegte Geschichte besitzt. Oliver Pötzsch erzählt in seinem Rundgang mehr über die Orte, die Magdalena und Simon zwangsläufig passieren, was bei dem Leser, der vielleicht selbst in Regensburg oder Umgebung ansässig ist, einige geschichtliche Wissenslücken schließen wird.

Durchweg ist der vorliegende dritte Teil der „Henkerstochter“ der intensivste, was durch die persönlichen Erlebnisse der Protagonisten erklärbar ist. Spannend und abwechslungsreich sind die Erlebnisse der Protagonisten, und die sind vielseitig formuliert, sodass der Leser den Wendungen und Irrungen gut folgen kann. Doch einige Überraschungen wissen den Lesespaß gut zu fördern.

Einen großen Minuspunkt stellt die städtische Intrige da, denn diese ist so haarsträubend, dass man sich als Leser doch am Ende etwas ärgern muss. Unrealistischer kann es gar nimmer sein, und nach der Auflösung war ich doch ein wenig enttäuscht. Doch diesen Aussetzer umschifft Oliver Pötzsch am Ende doch noch, denn wie gesagt: Manchmal ist ein „Ende“ doch nur ein neuer „Anfang“ und der Leser wird sich auf den vierten Teil freuen. Denn das Ende birgt so viel Potenzial, dass man doch zu gerne wissen möchte, wie es denn nun weitergeht.

_Fazit_

Der stärkste, intensivste und zugleich sensibelste Teil um die Abenteuer der Kuisl. Historie kann spannend sein, wenn Oliver Pötzsch sie beschreibt. Fabelhafte Unterhaltung, die überzeugt, Spannung, die sich gezielt aufbaut, und Charaktere, in denen man sich wiederfindet. Bravo, Herr Pötzsch!

|Taschenbuch: 589 Seiten
ISBN-13: 978-3548281148|
[www.oliver-poetzsch.de/]http://www.oliver-poetzsch.de
[www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc]http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc

Bertram, Gerit – Goldspinnerin, Die

_Lübeck, 1396. Die junge Cristin Bremer_ führt zusammen mit ihrem Mann Lukas eine erfolgreiche Werkstatt in der Hansestadt Lübeck. Das Ehepaar ist allseits beliebt und Cristin ist schwanger mit Lukas‘ erstem Kind. Mit der Geburt der gemeinsamen Tochter ist das Glück der beiden perfekt. Doch plötzlich ändert sich alles, denn nach einer Feier im Hause Bremer wird Lukas schwer krank, und gerade als Cristin meint, er erhole sich, stirbt Lukas unter fragwürdigen Umständen.

Als die trauernde Witwe kurz darauf auf dem Markt einkaufen geht, wird sie gefangen genommen. Keiner sagt ihr, was sie verbrochen haben soll, und sie hat eine schwere Zeit in der Fronerei. Als es dann endlich zum Prozess kommt, mag sie die Vorwürfe kaum glauben: Sie soll ihren geliebten Lukas getötet haben und eine Hexe sein. Sogar ihr Schwager und seine Frau belasten Cristin schwer. Das Urteil lautet schließlich, dass sie bei lebendigem Leibe begraben werden soll, und Cristin bleibt keine Hoffnung mehr.

Der Henkerssohn Baldo verliebt sich indes in die junge Frau und befreit Cristin nachts heimlich aus ihrem Grab. Zusammen fliehen die beiden nach Hamburg. Cristin hat nur ein Zie:, den wahren Mörder ihres Mannes zu überführen und ihre Tochter zurückzubekommen.

Auf dem Weg nach Hamburg wird Baldo im Wald von einem Wildschwein angegriffen und ist dem Tode näher als dem Leben. Cristin tut ihr Bestes, um sein Leben zu retten. Hilfesuchend wendet sie sich an eine alte Frau, die aus Lübeck kommt. Diese erzählt ihr von dem Bader Ludewig, der ebenfalls auf der Reise nach Hamburg ist und den Weg bald entlangkommen müsste. Auch warnt sie Cristin, deren Flucht in der Hansestadt nicht unbemerkt geblieben ist.

Endlich kommt der Bader des Weges und ist bereit, Cristin und Baldo zu helfen. Um nicht verraten zu werden, gibt Cristin sich fortan als Agnes aus und Baldo wird zu ihrem Bruder Adam.

Der Bader Ludewig nimmt Cristin und Baldo mit nach Hamburg. Um für die Pflege Baldos und ihre Unterkunft bei dem Bader aufzukommen, geht Cristin Ludewig zur bei der Arbeit zur Hand. Baldo erholt sich in dieser Zeit, ist aber nicht begeistert von den Lügen, mit denen sich Cristin umgibt. Cristin ist eines Tages auf dem Markt in Hamburg, um einige Besorgungen für Ludewig zu machen, als sie sich beobachtet fühlt. Zwei Büttel sind auf sie aufmerksam geworden und beginnen Cristin zu folgen. Cristin flüchtet, und wieder in Ludewigs Haus angekommen, bereiten sie und Baldo ihre Flucht vor.

Unterwegs schließen sie sich einer Trupper Gaukler an, und die Reise geht wieder in Richtung der Hansestadt Lübeck und weiter in das heutige Polen. Wird es Cristin gelingen, dem Mörder ihres Mannes auf die Schliche zu kommen und sich ein neues freies Leben aufzubauen?

_Kritik_

„Die Goldspinnerin“ ist der Debütroman der Autorin Gerit Bertram. Von Anfang an bleibt der Leser gefesselt. Spannend und temporeich entwickelt sich ab der ersten Seite ein Spannungsbogen, der zu immer neuen Höhen findet. Es gibt zwar kaum überraschende Wendungen, und gerade bei dem Mord an Cristins Ehemann kommt oft nur der Zufall zu Hilfe, trotzdem gelingt es Gerit Bertram, die Aufmerksamkeit des Lesers zu binden.

Der packende, lebendige und detailreiche Schreibstil der Autorin vermag es, den Leser in die damalige Zeit eintauchen zu lassen. Auch werden die historischen Begebenheiten kurz, aber exakt erklärt, und so entsteht ein rundes Bild in „Die Goldspinnerin“.

Der Roman ist in drei Teile untergliedert, die jeweils eine große Etappe der Protagonisten Baldo und Cristin beschreiben. Der erste Teil bezieht sich auf das Leben der Protagonisten in Lübeck, bis zum Zeitpunkt, an dem sie auf den Bader Ludewig treffen. Im zweiten Teil werden das Leben in Hamburg und die erneute Flucht und das Versteckspiel von Cristin und Baldo in Lübeck beschrieben. Dann endlich im dritten Teil kommen Cristin und Baldo dem Mörder Lukas auf die Spur und unternehmen eine Reise, die erst an den polnischen Königshof führt und schließlich wieder nach Lübeck.

Geschichtlich ist der Roman zweckdienlich recherchiert und auch der Sprachstil passt sich der damaligen Zeit an, ohne unverständlich zu werden. Erzählt wird der Roman aus der Sicht eines Beobachters, der sich hauptsächlich auf Cristin fixiert. Dadurch wird dieser Charakter am besten präsentiert, aber auch die weiteren Figuren kommen nicht zu kurz.

Die Protagonisten sind sympathisch, wenn auch nicht grundsätzlich glaubhaft konzipiert. Sehr lebendig und vielschichtig beschrieben, bieten die einzelnen Charaktere eine Fülle von Charaktereigenschaften. Lediglich die Beziehungen untereinander sind nicht grundsätzlich für die damalige Zeit glaubhaft, denn eine Liebesbeziehung eines Henkerssohnes zu einer Kauffrau war doch durch gesellschaftliche Stellung eher unwahrscheinlich.

Cristin muss viel durchmachen, lässt sich aber dennoch niemals unterkriegen und verfolgt trotz der vielen Schwierigkeiten ihr Ziel, den Mord an ihrem Mann aufzuklären und ihre Tochter zurückzugewinnen. Sehr glaubwürdig ist auch der Henkerssohn Baldo, der trotz seiner Liebe zu Cristin nicht immer mit ihrem Vorgehen einverstanden ist und dieses auch kundtut. Die übrigen Charaktere bestechen ebenfalls durch Lebendigkeit und sind sehr menschlich und sympathisch gezeichnet.

Die Autorin Gerit Bertram hat einen farbenfrohen und mitreißenden historischen Roman geschrieben, der dem interessierten Leser einiges zu bieten hat. Auch das Cover wirkt sehr ansprechend und die goldene Prägeschrift fällt ins Auge. Im Innenteil ist zu Anfang eine Karte Lübecks abgedruckt, und zum Schluss die Reiseroute von Cristin und Baldo aufgezeichnet. Ein Glossar erklärt historische und nicht jedem bekannte Begriffe.

_Autor_

Gerit Bertram ist das Pseudonym eines Autorenpaares, das sich 2007 durch ein Internet-Schreibforum kennenlernte. Schnell entdeckten sie ihre gemeinsame Liebe zum historischen Roman. Seitdem schreiben sie erfolgreich zusammen. Iris Klockmann ist gelernte Arzthelferin und lebt mit ihrer Familie in ihrer Geburtsstadt Lübeck. Peter Hoeft war fast dreißig Jahre lang in der stationären Altenpflege tätig und wohnt mit seiner Frau und seinem Sohn in Bad Oeynhausen. (Verlagsinfo)

_Fazit_

„Die Goldspinnerin“ von Gerit Bertram hat mich überzeugen können. Die spannende und farbenprächtige Unterhaltung wird auch dem geschichtlich interessierten Leser einiges bieten können. Ich kann diesen Roman allen Lesern des historischen Genres klar empfehlen.

|Broschiert: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3764503710|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet

_Nadine Warnke_

Marten, Helena – Porzellanmalerin, Die

_Inhalt_

Meißen, 1750: Die Eltern der 20-jährigen Friederike eröffnen ihrer Tochter, dass sie einen wohlhabenden Kaufmann heiraten soll, um die verschuldete Familie aus der Misere zu retten. Das klingt ja alles soweit ganz logisch, aber das Mädchen mag den Mann nicht und findet es unfair, dass ihre Eltern, die sich selbst eine Liebesheirat erlaubt hatten, sie zu einem solchen Schritt zwingen wollen.

Außerdem könnte sie, wäre sie erst einmal verheiratet, wohl kaum mehr ihrer heimlichen Leidenschaft nachgehen, der Porzellanmalerei. Ihr Bruder Georg ist Porzellanmaler, verbringt seine Zeit aber lieber auf angenehmere Art und Weise als mit feinen Pinseln und Figuren, darum hat er nichts dagegen, wenn seine Schwester ihm heimlich die Arbeit abnimmt. Er bekommt das Lob, sie die Erfahrung, und damit sind beide zufrieden. Das ginge natürlich in der arrangierten Ehe nicht mehr, und auch mit ihrer heimlichen Schwärmerei für einen Freund des Bruders, Caspar Ebersberg, wäre es dann vorbei.

Mit einem Mal aber ist es nicht nur die drohende Ehe, die Friederike bedrückt: Georg benimmt sich zunehmend seltsam, ihre beste Freundin behauptet, auf einmal in ihn verliebt zu sein, und plötzlich sieht Friederike sich völlig isoliert. Statt sich aber in ihr Schicksal und in die arrangierte Ehe zu fügen, tauscht sie ihre Röcke gegen Hosen und die Identität der Friederike gegen die des Friedrich Christian Rütgers. Als Mann verkleidet macht sie sich auf nach Höchst, um bei der Konkurrenz Arbeit zu finden – die Manufaktur hier ist jünger als die in Meißen, und erfahrene Porzellanmaler werden immer gesucht.

Allein der Weg ist jedoch schon abenteuerlich, und Friederike geht schmerzlich auf, dass sie trotz Hosen noch immer eine Frau ist. Um ihr das vor Augen zu führen, braucht es nur einen mysteriösen Italiener und einen hilfsbereiten Fremden. In Höchst schließlich holt sie die Vergangenheit ein, auf eine Art und Weise, die sie sich in ihren Träumen nicht hat ausmalen können, und dann fordert ihre wahre Natur unerbittlich einen Tribut für die lange Zeit der Unterdrückung …

_Kritk_

Die Beschreibungen des Berufs eines Porzellanmalers, der Feinheiten der Farbgewinnung und der Schwierigkeiten, das richtige Verfahren für die Nutzung von Brennöfen zu finden, sind interessant zu lesen und gut gelungen. Hier haben die beiden Autorinnen, die sich hinter dem Pseudonym Helena Marten verbergen, bei der Recherche sorgfältige Arbeit geleistet.

Stilistisch ist „Die Porzellanmalerin“ kein Wunderwerk, aber man eckt auch nicht gedanklich an, während man sich durch die Geschichte einer schönen jungen Frau liest, die in Männerkleidern vor einer arrangierten Heirat flieht, sich in ihrem Beruf behauptet und verschiedene historische Persönlichkeiten trifft.

Habt ihr das Gefühl, dass ihr die Handlung kennt? Bei mir läutete da so etwas. Natürlich muss man zu derartigen Unkonventionalitäten Zugriff nehmen, wenn man eine Protagonistin haben möchte, während man doch über eine Zeit schreibt, in der den wenigsten Frauen etwas Beschreibenswertes geschah. Nur wenn man schon auf so ausgetretenen Pfaden wandelt, dann muss der Rest des Werks schon sehr überzeugen, um den Gesamteindruck zu retten, und das tut er leider nicht. Zu viele Klischees sammeln sich hier zwischen den Buchdeckeln: Die jahrelang als Mann überzeugende Heldin ist in ihrer Frauenrolle natürlich eine total feminine Schönheit, harte Schicksalsschläge wechseln sich ab mit wilden Leidenschaften, die Bösewichte sind wirklich total niederträchtig und schurkisch, die bösen Weiber schrecklich lasterhaft, während es selbstredend auf der anderen Seite die beste Freundin der Welt gibt und die einzig wahre große Liebe. Und einen sehr schlecht erzogenen König, ja, den auch. Von großer Stringenz in der Charakterbildung der Heroine kann leider ebenfalls keine Rede sein.

_Fazit_

„Die Porzellanmalerin“ ist ein Buch, an das man achselzuckend zurückdenkt, vielleicht mit dem Gedanken: „ganz nett“. Aber es ist wirklich nur etwas für seichte Stunden, zum Abschalten, vielleicht wenn man verkatert ist oder so, denn wenn man mit dem Anspruch herangeht, überzeugende Charaktere vor einer informativen historischen Kulisse kennenzulernen, wird man hier doch zuverlässig enttäuscht.

|Gebundene Ausgabe: 624 Seiten
ISBN-13: 978-3453290617|
[www.randomhouse.de/diana]http://www.randomhouse.de/diana

Lawrence Goldstone – Anatomie der Täuschung

Ein junger Arzt gerät im Philadelphia des späten 19. Jahrhunderts in eine Verschwörung krimineller Mediziner und gesellschaftlicher Honoratioren sowie beim Versuch, die Wahrheit aufzudecken, in Lebensgefahr … – Kenntnisreiche und erzählerisch dichte, aber allzu breit angelegte, nicht immer geglückte Mischung aus Historien-Roman und Krimi; vor allem medizinhistorische Exkurse stoppen den Handlungsfluss, der erst wieder in Gang gebracht muss, was dem Verfasser in der Regel gelingt. Lawrence Goldstone – Anatomie der Täuschung weiterlesen

Penalver, Mónica – Flamme und das Schwert, Die

_Inhalt_

Hispanien, frühes 8. Jahrhundert: Morvan de Bres, der für seine treuen Dienste unter Pelagius, dem Gründer des Königreichs Asturien, ein Lehen in den Bergen im Norden der iberischen Halbinsel zugesprochen bekommen hat, ist erst wenig begeistert: Der Großteil seines neuen Landes scheint vertikal, und die störrischen Bewohner stehlen ihm als erstes seine Pferde. Dem räuberischen Trupp gehört sogar eine junge Frau namens Lua an, der man den Mund mit Seife auswaschen sollte.

Morvan weiß leider nur zu gut, dass er sich mit den Bewohnern seines Landes arrangieren muss, um die Gegend vor den immer häufiger werdenden Angriffen der Araber zu schützen. Zähneknirschend willigt er also ein, eines der Mädchen des störrischen Clans zu ehelichen, um als einer der ihren akzeptiert zu werden. Aia, die ältere Schwester Luas, bringt dieses Opfer gern, verheißt es ihr doch sozialen Aufstieg. Und Morvan sieht ja auch sehr gut aus, da kommt es dem Mädchen nicht darauf an, dass er ein Westgote und damit streng genommen ein Feind ist.

Lua ist sehr wenig begeistert von der Aussicht auf diesen Schwager, und Morvan wiederum gerät wegen der kleinen Wildkatze von Brautschwester immer wieder in Wut. Und doch, irgendeine Macht, die sie beide nicht benennen können, zieht sie unwiderstehlich zueinander hin. Und als wären die dräuenden Angriffe durch die Mauren und ein verwirrendes Spiel der Gefühle nicht schon genug an Ärger, verfinstert zudem noch eine sehr persönliche Bedrohung den Horizont des neuen Lehnsherren: Eine Familienfehde überschattete bereits sein ganzes Leben, und nun hat der Feind ihn ausfindig gemacht …

_Kritik_

„Historischer Roman“, sagt der Einband. Das ist, um mit Günther Grass zu sprechen, ein weites Feld: Da gibt es die sehr sorgfältig recherchierten Romane, in denen ein großer Schriftsteller den Lücken zwischen den historischen Fakten mit Zauberhand Leben und Seele verleiht, da gibt es weiterhin die vielleicht ebenfalls sorgfältig recherchierten, in denen die Lücken mit Klamauk und Klischees gefüllt sind, und dann gibt es jene, die „historisch“ sind, weil sie irgendwann in der Vergangenheit spielen, die ein kurzes Gerüst skizzieren und dann stillvergnügt auf gänzlich eigenen Pfaden wandeln. Der vorliegende Roman gehört der letzten Gattung an: Im Vordergrund steht ganz klar die Romanze zwischen zwei nicht wirklich alltäglichen (um nicht zu sagen, leicht überzeichneten) Charakteren. Der Rest ist irgendwie Beiwerk, und sowohl im Hauptstrang der Geschichte wie in den Nebenarmen wird auf Altbekanntes zurückgegriffen: Der perfekte Krieger mit dem Herzen aus Stein. Das wilde Mädchen, schön und unbezähmbar. Wahnsinnig treue Freunde. Die weise alte Frau. Der Antagonist, der sein ganzes Leben der Zerstörung seines Feindes gewidmet hat.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, aber es dürfte klar sein, worauf ich hinaus will. Und bis jetzt klingt alles sehr negativ – ist es aber nicht. Das altbewährte Rezept geht hervorragend auf, wenn man den Roman aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet: Er hat keinen Lehrauftrag, er ist schlicht Unterhaltung. Kurzweil, seicht und angenehm, schrecklich romantisch und in so einfachem Stil, dass man binnen kürzester Zeit damit fertig ist. Und das ist, man kann es kaum deutlich genug sagen, auch mal wieder klasse. Man kann nicht andauernd große Literatur lesen, und für die Zwischenzeit ist dieses Buch quasi perfekt: Es hat mich gar nicht geärgert, niemand hat zum Beispiel aus Hörnern getrunken, trotz Frühmittelalters wird fast überhaupt nicht vergewaltigt, und niemand sagt andauernd schreckliche Dinge wie „holde Maid“ oder so. Dafür gibt es jede Menge Missverständnisse, Aussprachen, dunkle Gefühlswallungen und seufzende Küsse, und da verzeiht man auch schon mal so biologische Bedenklichkeiten wie die Person, die mit einem Schwert im Herzen noch all die Reden schwingen kann, die man noch schwingen muss, ehe man abtritt. „Die Flamme und das Schwert“ ist deshalb ein sympathisches Buch, weil es sich selbst nicht ernster zu nehmen scheint als es ist.

_Fazit_

Dieser Roman ist keine große Literatur. Wirklich nicht. Aber er ist ein herrlicher Schmöker, ein furchtbar romantisches Stück Unterhaltung, und wer einen geistig anstrengenden Tag hinter sich hat und bei an die Scheiben trommelndem Regen unter die Decken gekuschelt die Gedanken sachte abdriften lassen möchte, kann hier überhaupt nichts falsch machen.

|Taschenbuch: 352 Seiten
Originaltitel: La espada y la Ilama (2008)
Aus dem Spanischen von Daniela Pérez y Effinger
ISBN-13: 978-3499253850|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Meyer, Axel S. – Buch der Sünden, Das

_Inhalt_

Paris, 845: Die Normannen überfallen Paris und bringen unsägliches Leid über seine Bewohner. Einer der bitter Betroffenen ist der kleine Odo, dessen Vater getötet und dessen Mutter verschleppt wird. Nur knapp überlebt der kleine Junge die furchtbaren Tage, und danach soll ihn sein Trauma für immer verändern.

Odo wird in die Obhut der Kirche gegeben, und Jahre später fällt ihm, der vom Rachedurst und von der Sehnsucht nach seiner vielleicht noch lebenden Mutter getrieben ist, in der Bibliothek des Klosters St. Gallen eine geheime Schrift in die Hände, die seinen Weg vorzuzeichnen scheint: Er führt ihn in den Norden hinauf, in die unmittelbare Nähe seiner Feinde, nach Haithabu, dem Tor nach Dänemark. Hier beginnt er mit seiner Aufgabe, von der er glaubt, dass Gott selbst ihn dazu ausersehen habe.

In Haithabu lebt der junge Helgi, der Sohn eines Schmieds. Er selbst hat eigentlich gar keine Lust, ebenfalls Schmied zu werden, aber es scheint, als bliebe ihm nicht viel anderes übrig. Und dabei möchte er doch viel lieber Ausschau halten nach der hübschen, unglücklichen Sklavin seines Nachbarn, des hässlichen Widersachers seines Vaters! Allein, dem Jüngling ist es nicht vergönnt, seiner heimlichen Liebe nachzuschauen, denn urplötzlich gehen in Haithabu unheimliche Dinge vor sich, die sich niemand erklären kann. Und Helgi selbst ahnt nicht, dass er eine der Hauptrollen in einer höchst verwickelten und mystischen Angelegenheit spielen soll, die ihn weit von zu Hause fortführen wird. Als es schließlich soweit ist, bleibt dem jungen Mann nur, sich den Winden des Schicksals anzuvertrauen und bestmöglich zu meistern, was sich ihm in den Weg stellt …

_Kritik_

„Das Buch der Sünden“ ist der Gewinner des von Rowohlt veranstalteten Wettbewerbs „Historischer Roman des Jahres“. Er ist ziemlich gut recherchiert, wenn man bedenkt, wie wenige Aufzeichnungen aus dem 9. Jahrhundert eigentlich überliefert sind, und auch an Spannung mangelt es nicht: Man möchte zu jedem Zeitpunkt wissen, wie es weitergeht, und sobald der Wahn des Antagonisten erst deutlich zu Tage tritt, überraschen auch die krassen Situationen nicht mehr.

Was mich allerdings störte, war die Vielzahl von Klischees, mit denen die Lücken zwischen den geschichtlichen Fakten gefüllt wurden. Sehr zu Anfang, als die Normannen Paris überfallen, ist die Rede von einem 14jährigen Mädchen, hübsch, mit großem Busen. Da war dann schon klar, dass sie keine zwanzig Seiten mehr hat, bis sie vergewaltigt wird (damit verderbe ich niemandem die Geschichte; das Mädchen hat keine tragende Rolle). Überhaupt ist Vergewaltigung offenbar immer ein guter Zeitvertreib im Frühmittelalter, und die Wikinger nehmen mehr Eigenblut zu sich als die Freunde Siegfrieds in Etzels brennendem Saal. Außerdem trinken sie andauernd aus Hörnern, was ja jedem Mittelaltermarktbesucher das Herz aufgehen lassen mag, letztlich aber so nicht richtig ist: Natürlich wurden Trinkhörner bei diversen religiösen Ritualen eingesetzt, aber die Erfindung des Bechers ist keine Raketenwissenschaft, und dass man Flüssigkeit besser in etwas füllt, das nicht umfällt, war sogar wilden Wikingern im 9. Jahrhundert klar.

Natürlich weiß ich, dass diese Meinung subjektiv ist und viele Leser eher Vergnügen an den Punkten haben werden, die mir Verdruss bereiten; nicht umsonst wird ein Roman den Wettbewerb gewonnen haben, der so viele populäre Ansichten in sich vereinigt.

_Fazit_

Axel S. Meyer hat einen umfangreichen, spannenden historischen Roman verfasst, angesiedelt im gefährlichen Grenzgebiet zwischen frühem Christentum und heidnischer Religion, der mit einer quasi-mystischen Kriminalgeschichte kombiniert ist und diverse kriegerische Auseinandersetzungen der damaligen Zeit mit einer sehr persönlichen Liebes-, Lebens- und Leidensgeschichte verquickt.

Dass er mir aus oben genannten Gründen nicht gefällt, sollte niemanden von der Lektüre abhalten, der diese Ansichten nicht teilt, abgesehen davon ist „Das Buch der Sünden“ nämlich gut geschrieben.

|Taschenbuch: 784 Seiten
ISBN-13: 978-3499253805|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Walden, Conny – Bernsteinhändlerin, Die

_Lübeck im Jahre 1447:_ Die Tochter des Rigaer Bernsteinkönigs Heinrich Heusenbrink, Barbara, soll die Ehe mit dem Lübecker Kaufmannssohn Matthias Isenbrandt eingehen. Mit ihrem Vater reist Barbara Heusenbrink von Riga nach Lübeck, um die Verlobung zu feiern. Am Hafen angekommen, werden Barbara und ihr Vater von dem Schreiber und Sekretär der Isenbrandts, Thomas Bartelsen, in Empfang genommen und zum Haus der Isenbrandts geleitet. Barbara macht ihrem Unmut darüber Luft, dass ihr zukünftiger Verlobter es nicht für nötig hält, sie in Lübeck zu begrüßen. Auch der Empfang in dem Patrizierhaus fällt sehr kalt aus, und Matthias geht Barbara offensichtlich aus dem Weg, während sein Vater auf eine schnelle Eheschließung drängt.

Zur gleichen Zeit trifft der Ritter Erich von Belden in Lübeck ein, um sich als Söldner in der Lübecker Stadtwache zu verdingen. Kurz nach seiner Anstellung muss er eine Giftmischerin in Gewahrsam nehmen und dem Henker übergeben. Unter der Folter und der anschließenden Gerichtsverhandlung berichtet die Giftmischerin – neben vielen bereits vollzogenen Morden – von einem von Matthias Isenbrandt geplanten Giftmord an seiner zukünftigen Frau.

Der vom Lübecker Rat eingesetzte Richter Richard Kührsen schließt mit dieser Aussage plötzlich das Verfahren und alle Anwesenden werden bestochen, Lübeck auf schnellstem Wege zu verlassen. Erich kann es allerdings mit seiner Ehre nicht vereinbaren, die junge Barbara in ihr Unglück laufen zu lassen, und sucht diese am Abend ihrer Verlobung auf, um sie zu warnen. Kurz darauf bekommt Erich Besuch von einem Meuchelmörder in seinem Mietzimmer. Erich kann sich wehren und tötet den Mörder im Kampf. Er nimmt eine Münze an sich, die der Mörder um den Hals trägt. Diese zeigt drei Kreuze auf goldenem Grund mit schwarzem Rand.

Drei Jahre später: Barbara ist für ihren Vater geschäftlich unterwegs und auf dem Landweg auf dem Heimweg nach Riga. Auf der kurischen Nehrung wird sie mit ihrem Gefolge überfallen und alle Männer werden getötet. Als sie schon keine Hoffnung mehr hat, taucht plötzlich Erich von Belden auf und rettet sie. Schnell wird klar, dass Barbara niemandem mehr trauen kann, und sie begibt sich unter den Schutz von Erich. Eine abenteuerliche Reise durch das Baltikum beginnt. Nicht nur einmal begegnen sie den drei Kreuzen, die schon in Lübeck beider Leben bedrohten und in Zusammenhang mit den Bernsteinschmugglern zu stehen scheinen.

_Kritik_

Mit „Die Bernsteinhändlerin“ hat Conny Walden – ein Pseudonym für das Autorenehepaar Alfred und Silke Bekker – einen eindrucksvollen historischen „Debütroman“ geschrieben. Das Autorenduo baut ab der ersten Seite einen Spannungsbogen auf, der sich bis zum Schluss stetig steigert. Der Sprachstil passt sich der Zeit verständlich an und ist flüssig zu lesen. Findig eingewobene Intrigen rund um den Bernsteinhandel dieser Zeit und einen Geheimbund, der nach Macht und dem Gold der Ostsee giert, entsprechen der Erwartungshaltung, die der Leser an historische Romane richtet.

Conny Walden beschreibt in ihrem Roman „Die Bernsteinhändlerin“ eindrucksvoll und glaubwürdig den Bernsteinhandel, der durch das Monopol des Deutschen Ordens Schmuggler und manch andere kriminelle Energie auf den Plan rief. Die Schauplätze der Handlung werden aussagekräftig und lebendig beschrieben und die Zeit um 1450 dem Leser so nahegebracht.

Ein kleiner Fehler des Autorenduos: Das in dem Roman vorkommende Holstentor wurde erst ca. 20 Jahre, nachdem Barbara Heusenbrink dieses durchschreitet, gebaut – zumindest jener Teil der Toranlage, der heute unter diesem Namen bekannt ist. Dies ist verzeihbar, schließlich gehört das Holstentor als Wahrzeichen und Symbol zu Lübeck.

Erzählt wird der Roman aus der Sicht eines Beobachters, der sich auf die Erlebnisse der Protagonisten Barbara Heusenbrink und Erich von Belden konzentriert. Die Protagonisten sind für ihre Zeit realitätsnah konzipiert, bleiben aber aufgrund mangelnder Beschreibung und Tiefe ein wenig im Schatten ihrer selbst. Hier hätte das Autorenduo auf mehr charakterlicher Tiefe und Detailreichtum in etwaigen Nebengeschichten setzen sollen. So wären die Figuren nachhaltiger in Erinnerung geblieben.

Die Protagonisten Barbara Heusenbrink und Erich von Belden sind sympathisch, werden aber aufgrund der fehlenden Lebendigkeit schnell in die Vergessenheit gedrängt. Dies wird allerdings durch die spannende Handlung und den schön zu lesenden, dem Mittelalter angepassten Stil wieder wettgemacht. Die Beziehungen der einzelnen Charaktere sind klar umrissen und nachvollziehbar dargestellt.

Trotz kleiner Schwächen ist dem Autorenduo Conny Walden ein fesselnder und lesenswerter Debütroman gelungen, der die Zielgruppe von Lesern historischer Romane ansprechen wird.

_Fazit_

Conny Waldens Erstlingswerk „Die Bernsteinhändlerin“ ist ein durchaus lesenswerter Roman, der durch seine Schauplätze und die spannende Handlung besticht. Der Roman ist leicht zu lesen und bietet verwirrende Intrigen, eine glaubhafte Romanze und jede Menge Spannung, die auch ihren Höhepunkt findet.

Mir hat dieser Roman gut gefallen, und Lesern historischer Romane kann ich dieses Werk mit ruhigem Gewissen als leichte Lektüre ans Herz legen.

_Autor_

Conny Walden ist das Pseudonym für das Autorenduo Alfred und Silke Bekker. Alfred Bekker schreibt Fantasy, historische Romane, Kinder- und Jugendbücher. Seine Frau Silke Bekker veröffentlicht vor allem Humoresken und Erzählungen. Unter dem Pseudonym Conny Walden schreiben sie gemeinsam historische Romane. Weitere historische Romane des Autorenduos sind bei |Goldmann| in Vorbereitung.

|Taschenbuch, Broschur: 448 Seiten
ISBN: 978-3-442-47123-2|
[www.alfredbekker.de]http://www.alfredbekker.de
[www.goldmann.de]http://www.randomhouse.de/goldmann/

_Nadine Warnke_

Neeb, Ursula – Madame empfängt

_Frankfurt, 1836: Das_ junge Dienstmädchen Gerlinde Dietz fällt einem grausamen Giftmord zum Opfer. Da die junge Mutter nebenbei heimlich als Dirne arbeitete, verfolgt die Polizei den Fall nur mit sehr mäßigem Interesse. Bald geschehen weitere Morde nach dem gleichen Schema. Hinweise von Augenzeugen deuten darauf hin, dass der Täter aus der gehobenen Gesellschaft entstammt, aber Behörden wie auch Presse verurteilen eher das verwerfliche Leben der Opfer.

Die Dichterin Sidonie Weiß, Anfang Fünfzig und unverheiratet, ist empört über die nachlässigen Ermittlungen und die Verurteilungen. Zusammen mit ihrem Jugendfreund, dem Lebemann Johann Konrad Friedrich, und dem befreundeten Leicheninspektor Heinrich Hoffmann stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an.

Sidonie lässt sich bei ihren Ermittlungen weder von Behörden noch von der feinen Gesellschaft abhalten. Allen Widrigkeiten zum Trotz versucht sie, den Giftmörder zu fassen, recherchiert in Frankfurts Halbwelt und gerät dabei immer weiter selbst in Gefahr …

_Die schönen und_ die düsteren Seiten des biedermeierlichen Frankfurt erleben Leser in diesem Historienkrimi, der vor allem durch gelungene Charakterzeichnung besticht.

Sidonie Weiß ist die fiktive Dichterin, die man schon bald nach dem Kennenlernen ins Herz geschlossen hat. Ein kluges Fräulein mit auffälligen roten Locken, das einerseits romantische Gedichte und andererseits schauerliche Romane schreibt, die in der Frankfurter Gesellschaft weggehen wie warme Semmeln. Sidonie hadert nicht damit, niemals eine Beziehung geführt zu haben, sondern begegnet ihrem Status mit selbstironischem Spott. Sie ist eine tapfere Frau, die sich der Gerechtigkeit verschrieben hat, großherzig und scharfsinnig zugleich, ohne dabei auf Standesunterschiede zu achten. Dass auch sie ihre melancholischen Seiten hat, wird angedeutet, als die Rede auf den Dichter Friedrich Hölderlin kommt – ein ehemaliger Geliebter ihrer vestorbenen Schwester, dem einst ihr Herz gehörte, was aber immer eine unausgesprochene Sehnsucht blieb. Ihr Jugendfreund Johann Konrad Friedrich, übrigens auch eine historische, wenngleich heute fast vergessene Figur, bildet die passende Ergänzung – ein charmanter Lebemann, der sich einst in der Armee hervor tat und Frauenherzen brach, ehe er sich nun auf seine alten Tage ein ruhiges Leben gönnt. Sidonies detektivischen Ermittlungen begegnet er anfangs eher mit leisem Spott, unterstützt seine Freundin dann aber, wobei es jedoch immer wieder zu Zwistigkeiten zwischen ihnen kommt – denn Sidonie geht viel zu gerne Risiken ein.

Realität und Fiktion mischen sich auch in der Gestalt des Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann. Jener Dr. Hoffmann, der heute vor allem als Verfasser des „Struwwelpeters“ bekannt ist, erscheint hier als besonders liebenswerte Gestalt – ein Gelehrter, der seiner Zeit voraus ist und sich sehr für die bessere Behandlung der Geisteskranken einsetzt und zugleich seine Umwelt durch seltsamen Humor düpiert – einer seiner Spleens ist es, Vereinigungen für Freigeister wie seinesgleichen zu gründen, denen er absurde Namen gibt wie die „Tutti Frutti und ihre Bäder am Ganges“. Sein Kollege Dr. Varrentrapp erklärt dem barschen Oberinspektor Brand fröhlich, dass sich jedes Mitglied nach einer Frucht benennen muss, er selbst sei die Himbeere, Hoffmann die Mirabelle und er fragt den verdutzten Inspektor, ob er nicht auch Interesse daran habe. Weitere interessante Nebenfiguren sind der transsexuelle Fridolin Brack, der gerne als „Fräulein Rosalind“ leben würde, der Obergendarm Max Wilde, der deutlich vernünftiger und zugänglicher als sein Vorgesetzter agiert, die sechzehnjährige Prostituierte Thekla, der Sidonie gerne helfen möchte und nicht zuletzt die strenge „Miss“, die begehrte Domina aus Madam Zinks Bordell.

Immer wieder gewährt der Roman kleine Einblicke in die zeitgenössischen Umstände, angefangen von der Polizeiarbeit über die gesellschaftlichen Konventionen bis hin zur Krankenbehandlung. Besonders reizvoll ist das Spannungsverhältnis zwischen der teilweise versnobten Oberschicht und ihrer dunklen Geheimnisse, denen Sidonie auf den Grund geht. Bei all diesen Aspekten geht die Kriminalhandlung aber zeitweise ein wenig unter. Lange Zeit beschränken sich Sidonies Ermittlungen auf Befragungen und obwohl sie dem Täter auf die Schliche kommt, wird er schließlich ohne ihr Zutun endgültig überführt, was etwas enttäuschend ist nach all der Mühe. Etwas zwiespältig ist der Epilog: Bei den meisten Figuren ist es interessant, dass noch ein paar Sätze zu ihrem weiteren Lebensweg fallen, teilweise, auch bei Sidonie, sind es aber gravierende Ereignisse, die mehr Raum als diese paar Zeilen verdient hätten. Zudem nehmen sie wohl auch die Hoffnung auf eine Fortsetzung, was doppelt schade ist, denn von der eigensinnigen Sidonie würde man gerne noch mehr lesen.

_Als Fazit_ bleibt ein gelungener Historienkrimi mit sehr sympathischer Hauptfigur und interessanten Nebenfiguren. Die Geschichte ist atmosphärisch und gibt ein anschauliches Porträt der Biedermeierzeit wieder. Die Kriminalhandlung verläuft teilweise ein klein wenig schleppend und die Auflösung könnte noch besser konstruiert sein, was den Gesamteindruck aber nur wenig schmälert.

_Die Autorin_ Ursula Neeb, geboren 1957, studierte Kulturwissenschaften, Geschichte und Soziologie und lebte heute als freie Autorin und Archivarin. Sie verfasste einige Essays und ein Sachbuch, ehe 2006 ihr Debütroman „Die Siechenmagd“ erschien. Ihr nächstes Werk war „Der Wundermann“; „Madame empfängt“ ist ihr dritter Roman.

|Broschiert: 419 Seiten
Originalausgabe
ISBN-13: 978-3839210505|
http://www.gmeiner-verlag.de/

Thorn, Ines – Mädchen mit den Teufelsaugen, Das

_Inhalt_

Frankfurt, 1530: Es ist eine kalte, nasse Nacht, in der die kleine Rosamund zur Welt kommt und von Anfang an ein Problem hat. Das kleine Mädchen hat ein braunes und ein blaues Auge, was von vielen ihrer Zeitgenossen als Teufelszeichen verstanden wird. Selbst die Mutter hat ihre Probleme damit, das Mädchen anständig zu behandeln, einzig ihre Amme, eine Zigeunerin, kümmert sich liebevoll um sie und lehrt sie die Kunst des Handlesens.

Rosamund lernt zu spät, dass sie immer und überall aufpassen muss, und durch ihre Unbedachtsamkeit passiert eine Katastrophe. Nachdem sie danach halb versteckt in des Vaters Malerwerkstatt herangewachsen ist, sieht sie in jemandes Handfläche, dass ein Unglück herannaht. Man dankt ihr allerdings nicht ihre Warnung, sondern verdächtigt sie nach Eintritt des angekündigten Ereignisses der Hexerei. Ihr gütiger, aber schwacher Vater sieht in diesem Moment keinen anderen Ausweg, als sie ins Kloster zu geben.

Auch hier ist ihres Bleibens nicht lange; Rosamund kehrt schließlich in die Stadt zurück und kämpft verbissen um ihr Anrecht auf ein normales, glückliches Leben. Es sieht so aus, als könne der junge Matteo Catalani, der über die Alpen aus dem fernen Italien gekommen ist, ihr dabei helfen – doch düstere Schatten bedrohen ihr junges Glück …

_Kritik_

Die Beschreibungen des Malerhandwerks sind recht ausführlich und scheinen gut gelungen, soweit der Laienblick das Ganze beurteilen kann: Es wird erklärt, welche Ingredienzien für welchen Farben benötigt werden und wie man sie herstellt. Bedauerlicherweise endet hier schon alles Positive, was mir an diesem Roman aufgefallen ist.

Rosamund hat sich ohne jede äußere Einwirkung zu einem kritisch denkenden Wesen entwickelt, was eine Spur unglaubwürdig ist, und die Kombination aus böser Mutter und eitler böser Schwester war schon in Aschenputtel schöner dargestellt. Es gibt die übliche Klischeereiterei, was die Kirche anbelangt: Den bösen Abt etwa, der aus reiner Hartherzigkeit handelt, und den sadistischen geilen Priester, der total auf Exorzismus abfährt. Dazu dann noch Aberglaube, Aberglaube, Aberglaube.

Ein kurzer Ausflug Rosamunds in die düsteren Viertel der Stadt ist offenbar nur dazu angetan, dem Leser noch einmal zu verdeutlichen, wie progressiv die junge Frau doch ist, da sie hier die Weiber mit den gelben Hurenzeichen trifft und feststellt, dass die ja doch ganz normale Menschen sind und so. Für spätere Gegebenheiten hat dieser Ausflug keinen Sinn.

Man menge dieser unappetitlichen Kombination noch ein wenig Geheimbündelei bei, und schon hat man alles, was einen unterdurchschnittlichen historischen Roman ausmacht.

_Fazit_

„Das Mädchen mit den Teufelsaugen“ ist leider kein großer Wurf. Die Charaktere sind überzeichnet und unglaubwürdig, der Plot eher platt. Wer etwas anfangen kann mit Sätzen wie „Und sie wusste auch, dass die Handleserehre es verbot zu lügen“, der möge sich guten Gewissens mit diesem Roman beschäftigen, allen anderen kann ich nur anraten, vielleicht doch eher vorbeizugehen und nach dem nächsten Buch zu greifen. Man erspart sich so eine Menge Ärger.

|Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3805208888|
[www.rowohlt.de/verlag/wunderlich]http://www.rowohlt.de/verlag/wunderlich
[www.inesthorn.de]http://www.inesthorn.de

Schacht, Andrea – Nehmt Herrin diesen Kranz

_Die „Beginen“-Reihe:_
[„Der dunkle Spiegel“ 369
[„Das Werk der Teufelin“ 1764
[„Die Sünde aber gebiert den Tod“ 4197
„Die elfte Jungfrau“
„Das brennende Gewand“

_Die „Alyss“-Reihe:_
„Gebiete sanfte Herrin mir“
„Nehmt Herrin diesen Kranz“

_Köln im Herbst 1402_: Eisig geht es im Hause van Doorne zu: Um Alyss ihre Mitgift zurückzuzahlen, hat ihr Gatte Arndt ihren geliebten Weingarten verkauft, und auch sonst ist von trauten Eheglück nichts mehr zu spüren. Alyss ist froh, als Arndt sich endlich auf eine seiner langen Handelsreisen begibt. Ruhe kehrt dadurch allerdings nicht in das Hauswesen der van Doornes ein. Alyss nimmt für einen Monat den (B)Engel Killian Aldenhoven auf, der mit seinen vielen Streichen für viel Aufruhe und Unruhe sorgt.

Auch die Jungfern Leocadie, Lauryn und Hedwigs, die sich zur Erziehung im Hauswesen befinden, sorgen mit Herzschmerz und diversen Launen nicht gerade für Ruhe. Besonders Leocadie, die auf einen Antrag des Ritters Arbo von Bachem hofft, verzweifelt, als diesem unterstellt wird, Yskalt, dem Mörder Roberts, bei seiner Flucht geholfen zu haben. Statt sich zu verteidigen, schmollt der Ritter nun.

Sehr zu Alyss Freude kommt John of Lynne wieder nach Köln, um seinen Geschäften nachzugehen. Als Killian entführt wird und auch Alyss‘ wertvolle Brautkrone verschwindet, stehen ihr nicht nur John, sondern auch ihr Bruder Marian, die Handlesende Gislindis und die schon aus den „Beginen“-Romanen bekannte Trine treu zur Seite, um diesen Fall zu klären.

_Kritik:_

„Nehmt Herrin diesen Kranz“ von Andrea Schacht ist der zweite historische Roman um Alyss van Doorne, die Tochter der ehemaligen Begine Almut von Spiegel.

Die Ereignisse in diesem Roman überschlagen sich direkt von Beginn an und halten den Leser dadurch geradezu in Atem. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eines Beobachters, der sich diesmal aber hauptsächlich auf die Geschehnisse, weniger auf die Personen und die Orte der Handlung, konzentriert. Der Stil ist flüssig zu lesen und die Formulierungen der Zeit um 1400 machen den Leser fast glauben, sich in dieser interessanten Epoche zu befinden. Gerade wenn man schon die „Beginen“-Reihe und auch den ersten Teil um Alyss gelesen hat, hat man das mittelalterliche Köln direkt vor Augen. Sollte man mit „Nehmt Herrin diesen Kranz“ einsteigen, dürfte dies aber schwerer fallen.

Noch bevor der Roman beginnt, werden die Protagonisten in einem Personenregister grob erklärt und zugeordnet. Ist es sonst bei Andrea Schacht üblich, dass alle Personen liebevoll gezeichnet und im Detail beschrieben sind, kommt dieses Merkmal diesmal etwas zu kurz. Da man die Personen aber schon aus dem vorangegangenen Roman „Gebiete sanfte Herrin mir“ kennt, mag man das verzeihen. Die Protagonisten sind im Handeln sehr überzeugend und liebenswürdig, die Beziehungen untereinander sind klar definiert und lassen kaum Zweifel offen.

_Fazit:_

Wer schon die Bücher um die Begine Almut und den ersten Teil der „Alyss“-Reihe gelesen hat, sollte auf jeden Fall auch zu „Nehmt Herrin diesen Kranz“ greifen und sich in das mittelalterliche Köln entführen lassen. Die Geschichte lässt sich sehr flüssig lesen und die Spannung kommt nicht zu kurz. Auch die Beziehungen der Protagonisten bauen sich weiter auf und lassen auf den nächsten Teil um Alyss hoffen.

Mir als Fan beider Reihen hat dieser Roman sehr gut gefallen und ich habe das Buch nicht aus der Hand legen können.

_Autorin:_

Andrea Schacht arbeitete als Wirtschaftsingenieurin, bevor sie sich der Leidenschaft ihrer Jugend zuwandte: dem Schreiben. Ihre historischen Romane um die scharfzüngige Begine Almut eroberten die Leserherzen im Sturm. Die SPIEGEL-online-Bestsellerautorin lebt mit ihrem Mann und zwei Katzen in der Nähe von Bonn.

|Taschenbuch: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3442371242|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet
[www.andrea-schacht.de]http://www.andrea-schacht.de

_Nadine Warnke_

Pigafetta, Antonio / Grün, Robert (Hrsg.) – Mit Magellan um die Erde

_Wir schreiben das_ Jahr 1519: Ein waghalsiger portugiesischer Seefahrer, der inzwischen unter der spanischen Krone segelt, bricht mit einer Flotte aus fünf mehr oder weniger baufälligen Schiffen auf, um als erster die Gewürzstraße zu durchqueren und mit seiner großzügigen Mannschaft die Welt zu umsegeln. Als die 234 Mann starke Mannschaft am 10. August in Sevilla in See sticht, ist allerdings noch keinem bewusst, welch geschichtsträchtiges Ereignis ihr bevorsteht, genauso wenig wie die Qualen, die diese Reise bedeuten soll – und die Opfer, der hohe Preis, den 217 Leute auf dieser Reise zahlen sollen. Dieser beträchtliche Teil der Crew kommt bei der abenteuerlichen Reise um den Erdball ums Leben und zahlt Ferdinand Magellan seinen Tribut, als dieser ähnlich unbewusst wie sein kurz zuvor aktiver Kollege Kolumbus einen Triumph in der damaligen Schifffahrt zu verbuchen gedenkt.

Und es ist Magellan selber, der als eines der ersten Opfer dieser gewaltigen Reise sein Leben hergibt. Ein Leben für die Wissenschaft, für den Kampf gegen das Unmögliche, für die Rebellion und für den Beweis, dass Wissenschaft nur dann funktionieren kann, wenn Wagemut, Risikobereitschaft und Ehrgeiz in Personalunion funktionieren.

Bevor Magellan jedoch an diesem Punkt angelangt ist, hat er sich längst einen Namen auf der iberischen Halbinsel gemacht. Von den Portugiesen mehr oder weniger in seinem Talent verschmäht, entschließt sich Magellan, der gleich mehrfach seinen Rufnamen anpasst, unter fremder Krone zu segeln und seinen Wissensdurst und den zugehörigen Abenteuerhunger für die einst befeindeten Spanier zu nutzen. Seine Mission wird harsch kritisiert, und ähnlich wie damals unter dem Banner Portugals, wird ihm die Unterstützung seiner neuen Verbündeten oftmals verwehrt. Doch auch an Bord seiner fünf Schiffe kommt es zu Meutereien, Anfeindungen, Intrigen und ständigen Meinungsverschiedenheiten, die zu den vielen Gründen gehören, warum ein beträchtlicher Teil der Mannschaft auf der Strecke bleibt. Einer der Überlebenden ist Magellans enger Gefährte und Tagebuchschreiber Antonio Pigafetta. Mit 16 anderen, schwerst ausgemergelten Kollegen erreicht er nach mehr als drei Jahren das spanische Festland und veröffentlicht kurz darauf die Memoiren dieser unglaublichen Reise – und geht ebenso wie sein gefallener Kapitän als einer der größten Helden der Seefahrt in die Geschichte ein!

_Robert Grün hat_ Pigafettas Aufzeichnungen nun ein weiteres Mal bearbeitet und zu einem umfassenden Abenteuerbericht zur berüchtigten Seereise umfunktioniert. Nah am Original orientiert, bietet er eine der besten und gleichzeitig authentischsten Zusammenfassungen der Ereignisse des fast vierjährigen Trips. Dabei legt er ein besonderes Augenmerk auf den zweiten, beschwerlichen Abschnitt der Reise, während dem die Mannschaft voller Entbehrungen lebt, wilde Stämme kennenlernt, die merkwürdigsten Inselgruppen ansteuert und mit Völkern in Kontakt und Handel tritt, deren Existenz und deren rohe Sitten bis dato niemand auch nur im Ansatz in dieser Form erlebt hatte. Leider nutzen sich gerade diese Erzählungen auf den letzten Seiten ein wenig ab, weil der Bericht immer größere Zeitlücken hinterlässt und die Erlebnisse einander ähneln. Allerdings ist dies vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um eine Tatsachenschilderung von historischem Ausmaß handelt, vollkommen in Ordnung und völlig legitim.

Viel interessanter ist indes der Einblick in die zahlreichen mittelalterlichen, in ihrer Vielzahl noch unentdeckten, Kulturen, die Pigafetta zum Vorschein bringt. Barbarische Rituale, außergewöhnliche Handelsstrategien, brutale Übergriffe und seltsame Zweckbündnisse zeichnen Magellans Weg und somit das gesamte Buch, welches nicht von künstlich erzeugter Spannung oder dergleichen zehrt, sondern in erster Linie von der greifbar realistischen Action und der Dramaturgie, die das Leben dieser 234 Seeleute seinerzeit beschrieben hat.

_Als historischer Abenteureroman_ ist „Mit Magellan um die Erde“ daher auch nicht adäquat eingruppiert. Vielmehr ist es ein begeisterungsfähiger Erlebnisbericht eines triumphalen, wenn auch mit hohen Opfern versehenen Wissenschaftsprojekts, welches in der lebhaft inszenierten Übersetzung Grüns definitiv zu den besten Werken zu diesem Thema gehört. Schlussendlich ist es nicht nur die Tatsache der Weltumsegelung an sich, die hier durch die Bank überzeugt, sondern vor allem die gelegentlich sehr dramatische Präsentation, die dem hohen Qualitätsstandard der Edition Erdmann ein weiteres Mal voll und ganz gerecht wird. Die Konsequenz ist damit verdientermaßen eine uneingeschränkte Empfehlung für „Mit Megallen um die Erde“!

|Gebunden: 281 Seiten
ISBN-13: 9783865398116|
[www.edition-erdmann.de]http://www.edition-erdmann.de/

Schier, Petra – gläserne Schrein, Der

Aachen im Jahre 1413. In der alten Kaiserstadt soll die eindrucksvolle Chorhalle des alten Doms umgestaltet werden. Grund dafür ist der Todestag Kaiser Karls des Großen, und der soll entsprechend in der alten Königsstadt gefeiert werden. Vom Marienstift und der Zunft damit betraut, die Arbeiten in der Chorhalle auszuführen, hat Bardolf Goldschläger einen lukrativen und vor allem einen sehr werbewirksamen Auftrag vor sich.

Bardolfs Stieftochter Marysa, eine aus Ungarn stammende, verwitwete Reliquienhändlerin, hat derweil ganz andere Sorgen, die sie plagen. Ihre zweijährige Frist, in der sie als Witwe die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes verwalten kann, läuft in Bälde aus. Nicht wenige wohlhabende und einflussreiche Kaufleute sowie Gesellen haben mehr als einen Blick auf die recht reiche und vor allem schöne Witwe geworfen, doch bisher ist es niemandem geglückt, Marysas Herz zu erobern. Kühl und unnahbar, trotzt die eigensinnige und selbstbewusste Frau einer neuen Ehe, die sie vielleicht wieder in Zwänge bringt, die sie sich überhaupt nicht wünscht und die gegen ihre doch recht frohe Natur sind. Ihr Vetter will sie unbedingt mit einem ihr unsympathischen Handwerker verheiraten und sieht sich als alleinigen Vormund, doch Marysas Mutter und deren Mann Bardolf stehen voll und ganz hinter ihrer Tochter.

Und nicht nur unter familiärem Schutz steht Marysa, auch der Dominikanermönch Christopherus, der als „Ablasshändler“ durch Europa pilgert, fühlt sich für das Glück Marysas verantwortlich. Marysas verstorbener Bruder Aldo war der engste Freund von Bruder Christopherus und nahm diesem auf dem Sterbelager das Versprechen ab, auf seine kleine Schwester und ihre Mutter achtzugeben. Bruder Christopherus nimmt diese Bitte ernst; schon einmal haben sich ihre Wege gekreuzt, doch nun, fast zwei Jahre später, treibt es ihn wieder in die alte Reichsstadt.

Als es in der Chorhalle zu unheimlichen und tragischen Unfällen kommt, dabei auch ein alter Geselle Bardolfs seinen ernsten Verletzungen erliegt sowie Bardolf selbst verletzt wird, ist der erste Schrecken groß. Wenig später wird Bardolfs Konkurrent, der vertretungsweise die Arbeiten in der Chorhalle übernommen hat, vergiftet. Bardolf wird von den Bütteln der Stadt Aachen ins „Grashaus“, das alte Gefängnis der Stadt, gebracht. Des vorsätzlichen Mordes angeklagt, erwarten Meister Bardolf Folter und Hinrichtung, sollte es Marysa und Christopherus nicht gelingen, den oder die wahren Mörder zu finden …

_Kritik_

„Der gläserne Schrein“ von Petra Schier ist nach „Die Stadt der Heiligen“ der zweite Band einer historischen Trilogie um die Reliquienhändlerin Marysa Markwardt und den Dominikanermönch Christopherus.

Die Autorin erzählt diesen historischen Kriminalfall mit viel Gefühl und stützt sich dabei mehr auf ihre Protagonisten als auf die eigentliche Haupthandlung. Spannung entsteht hier aber trotzdem, und das in erster Linie über die Charaktere, allen voran natürlich die selbstbewusste Marysa und der geheimnisvolle Mönch Christopherus. Letztere verleiht der gesamten Handlung die notwendige Tiefe, denn so richtig anschaulich und erklärend ist das eigentliche Geschehen um den oder die Mörder, welche in der Chorhalle für Unfälle gesorgt haben, nicht. Weder am Anfang noch im weiteren Verlauf der Handlung wird dem Leser klar, worum es denn eigentlich geht. Weder kann der Leser ein Motiv vorab erkennen, noch Verdächtige ausmachen. All das ist erst mal verwirrend, wären da nicht das persönliche Umfeld Marysas und ihre Vergangenheit.

Ganz zu schweigen von Bruder Christopherus, der mehr Geheimnisse verbirgt, als man glauben mag. Doch schon in den ersten Kapiteln offenbart sich der Mönch als ein Mann mit vielen Facetten und einigen hilfreichen Eigenschaften sowie einem hellwachen Geist. Amüsant und vor allem auch spannend ist die Verbindung zu Marysa, auch wenn sie natürlich etwas naiv und vorhersehbar ist. Lobenswert ist hierbei, dass Petra Schier fabelhaft die Mysterien von Christopherus bis zum Ende im Dunklen lässt. Alles andere hätte dem Roman die inhaltliche Spannung vollends genommen.

Interessant und abwechslungsreich sind die Figuren in „Der gläserne Schrein“ geraten. Diese sind im Grunde überschaubar, aber so in miteinander verwoben, dass man wie gewünscht mit den Figuren fiebert. Stets das mittelalterliche Leben im Blick, erzählt Petra Schier von den täglichen Schwierigkeiten einer Handwerkswitwe, die in ihrer sozialen Stellung immer wieder zeigen muss, dass sie mehr ist als ’nur‘ eine Frau, die ihren ehelichen und mütterlichen Pflichten nachzukommen hat. Marysa trägt Verantwortung – nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Menschen, die ihr wichtig sind, egal ob es sich nun um einen einfachen Knecht handelt oder um ihre eigene Mutter. Sie trägt ihr Herz am rechten Fleck, auch wenn ihr Mundwerk und ihr Temperament so feurig sein können wie ungarisches Gulasch.

Emanzipation hin oder her – „Der gläserne Schrein“ ist nicht nur für die weibliche Leserschaft, auch wenn natürlich die Liebe einen Großteil der Handlung einnimmt. Besonders nett und unterhaltsam sind die kleineren und größeren Wortgefechte zwischen dem ‚braven‘ Mönchlein Christopherus und Marysa. Diese beiden Schlüsselpersonen sind der Dreh- und Angelpunkt in der gesamten Dramatik.

Man kann den Roman „Der gläserne Schrein“ unabhängig vom ersten Band „Die Stadt der Heiligen“ lesen, doch ist davon klar abzuraten, denn die Protagonisten sind so intensiv ausgearbeitet, dass man sich anderenfalls als Leser immer fragt, was da wohl passiert sein mag. Immer wieder wird im Laufe der Handlung auf die Geschehnisse im ersten Teil hingewiesen, so dass der Leser, wenn er schon den ersten Teil verpasst haben sollte, daran interessiert sein wird, diesen ebenfalls zu lesen.

_Fazit_

„Der gläserne Schrein“ ist mehr Sein als Schein und damit eine größere Überraschung in diesem Genre. Neben gut recherchiertem geschichtlichem Material verspricht die Handlung mit ihren liebenswerten Figuren absolute Lesefreude. Lesen Sie das Buch, oder besser, fangen Sie mit dem ersten Teil „Die Stadt der Heiligen“ an: Sie werden es nicht bereuen.

|336 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3499248610|
http://www.petralit.de
http://www.rowohlt.de

Kinkel, Tanja – Im Schatten der Königin

_Inhalt_

England, September 1560: Das Land hat seit knapp zwei Jahren eine neue Königin. Im Vorfeld hat es einiges durchmachen müssen, etwa die Abspaltung von Rom unter Heinrich VIII., dann die Rekatholisierung unter Mary I., der Krieg an Spaniens Seite gegen Frankreich – kurz, England ging es schon einmal besser als zu dem Zeitpunkt, an dem Elizabeth an die Macht kam. Nun war man also wieder protestantisch. Vor allem aber war man neugierig darauf, welchem europäischen Fürsten die Königin ihre Hand versprechen würde: Eine Verbindung mit Spanien oder Frankreich würde den jeweiligen anderen Staat schwer verärgern, aber es gab ja auch noch die Schweden, ihrerseits gute Protestanten.

Nur Elizabeth scheint wenig von diesem Angebot auf dem Heiratsmarkt zu halten. Sie scheint dafür ein fatales Faible für ihren Jugendfreund Robert Dudley zu hegen, den Sohn eines als Verräter hingerichteten Mannes. England ist entsetzt, aber glücklicherweise ist Dudley verheiratet. Eine solche Mesalliance kommt also nicht in Frage – bis zu dem Tag, an dem wie ein Lauffeuer das Gerücht die Runde macht, dass Robert Dudleys Gemahlin Amy tot am Fuß der Treppe ihrer derzeitigen Residenz gefunden worden ist.

Fast alle sind sich sicher: Dudley hat seine Frau beiseitegeschafft, um die Königin heiraten zu können!

Dudley wird von der Königin fortgeschickt, bis die Untersuchung des Todesfalls abgeschlossen ist. Doch er kann nicht ganz untätig bleiben, und so schickt er seinen Cousin Tom Blount los, damit der die wahren Umstände von Amys Tod herausfindet.

Für Tom ist es ein schwieriger Auftrag, voller Zweifel und Vorwürfe, gegen andere und gegen sich selbst. Er hat Amy lange gekannt und stand ihr nicht gleichgültig gegenüber. Und was ihm alles an Stöcken zwischen die Beine geworfen werden wird, das kann er beim besten Willen nicht ahnen, als er sich aufmacht, zum Todesort von my lady Dudley …

_Kritik_

Tanja Kinkel hat einmal mehr treffsicher ein unglaublich interessantes Kapitel der Geschichte herausgesucht, um es mit literarischem Leben zu füllen. Der Hintergrund für die Untersuchung Tom Blounts, das so oft völlig umgekrempelte England, mutet bei näherer Überlegung schon fast wahnwitzig an. Und gerade diese erste Phase der Regierungszeit muss für Elizabeth hartes Ringen bedeutet haben, da die Hälfte ihrer Untertanen sie noch immer als Bastard ansah, der den Thron nicht verdient hatte.

Ein Skandal wie der Tod der ungeliebten Gattin des Mannes, mit dem der Volksmund sie verkuppelt hatte, wirkt in einer solchen Situation natürlich wie Sprengstoff. Aber so hart Elizabeths Los in diesem Moment erscheinen mag, sie ist hier nur eine Nebenfigur. Im Mittelpunkt steht Tom Blount, loyaler Mann Robert Dudleys, mit all seiner Hochherzigkeit und all seinen Fehlern, seinen Sünden und seiner Reue, aber auch seinem Scharfsinn und seinem Wortwitz. Wie dieser liebevoll gezeichnete Charakter den Leser sanft erklärend durch die Untiefen der Zeitpolitik lotst und dabei die ganze Zeit fast verrückt wird vor Angst, was die Wahrheit in diesem Fall sein könnte, das ist absolut meisterlich gemacht.

Dass sich von der anderen Seite auch Kat Ashley, Elizabeths Zofe und Freundin, der Wahrheit nähert und wie beide der überraschenden Lösung des Falles zusteuern, wobei sie allerlei Gefahren in Kauf nehmen, macht die Lektüre des Buches noch unterhaltsamer. Nicht zwingend ist nämlich die von Seiten der Leute der Königin ersehnte Wahrheit dieselbe wie die der Dudley-Seite. Und wenn man schon fast gedanklich in den Intrigen des Hofes unterzugehen droht, dann wendet sich plötzlich der Blickwinkel wieder zum Privaten hin, und betroffen stellt man fest, dass die harten Räder der Politik manchmal das zarte Pflänzchen des privaten Lebens unerbittlich zerquetschen. Wow.

_Fazit_

Es gibt wenig zu sagen als Fazit. „Im Schatten der Königin“ ist ein akribisch recherchierter, mit Detailreichtum geschilderter, glaubhafter historischer Roman voller besonderer Charaktere, stilistisch schön verfasst, spannend und unterhaltsam. Kurz: Dieser Roman ist all das, was man als treuer Kinkel-Leser erwartet hatte, als man hörte, dass ein neues Buch erscheint. Tanja Kinkel scheint einfach unfähig, zu enttäuschen. Großes Lob und wärmste Empfehlung, ein Spitzenbuch!

|Gebundene Ausgabe: 424 Seiten
ISBN-13: 9783426198179|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de
[www.tanja-kinkel.de]http://www.tanja-kinkel.de

_Tanja Kinkel bei |Buchwurm.info|:_
[Die Puppenspieler 83
[Der König der Narren (Die Legenden von Phantásien) 1181
[Götterdämmerung 1409

Felsch, Philipp – Wie August Petermann den Nordpol erfand

_Als John Franklin_ zur Mitte des 19. Jahrhunderts beschloss, die Phantasien und Träume den Nordpol betreffend endlich mit Leben zu füllen, schien die Entdeckung des nördlichsten Erdpunkts nur noch eine Frage der Zeit. Als renommierter Seemann und erfolgreicher Entdeckungsreisender galt Franklin als absolute Bank, und insbesondere die Herrschaften in der Royal Geographics Society waren sich gewiss, dass dieses Fleckchen Erde und vor allem die Nordostpassage, die einen vorteilhaften Handelsweg nach Indien versprach, schon bald kein Märchen mehr sein würde.

Als die Franklin-Expedition sich jedoch langsam als sicher zur absoluten Katastrophe entwickelte und nach mehreren Jahren feststand, dass seine beiden Schiffe nicht mehr zurückkehren würden, avancierte der Nordpol und seine zahlreichen am Reißbrett entwickelten Gegebenheiten zu einem noch viel größeren Mysterium – und nur wenige profitierten von der Leichtgläubigkeit und Besessenheit, ihn endlich aufzuspüren, so sehr wie der berüchtigte Kartograf und Wissenschaftler August Petermann.

Petermann war bereits frühzeitig vom damals grassierenden Polarfieber gepackt und fühlte sich schnell zu den wissenschaftlich führenden Briten hingezogen. Als es ihm mit etwas Glück schließlich gelang, in die ruhmreiche Royal Geographics Society aufgenommen zu werden und dort seine teils recht wilden Thesen vorzustellen, war dies der Durchbruch, gleichzeitig aber auch der Beginn einer permanenten Revolution gegen den Verstand und die Vernunft. Petermann wurde ebenso schnell wieder vertrieben, galt aus Aufwiegler und kompromissloser Draufgänger, der den Nordpol mit aller Macht erobern wollte – allerdings nur auf dem Papier.

Immer wieder veränderte er auf seinen Karten Seewege und mögliche lokale Landschaftsbilder, bastelte aus der Phantasie, die durch die Erfahrungsberichte gescheiterter Expeditionen reifte, die Arktis komplett neu und hielt jahrelang an der These eines riesigen schiffbaren Polarmeeres fest, welches schließlich doch noch die ersuchte Handelspassage offenbaren würde. Immer wieder fand Petermann Gönner, zunächst im Provinznest Gotha, von wo aus er seine geografischen Studien als literarische Reihe publizierte, später in Regierungskreisen und zu Hofe. Unterstützung wurde ihm trotz aller Skepsis immer wieder zuteil, da es Petermann schaffte, mit der Eleganz und Überzeugungskraft seiner Machwerke Faszination auszulösen.
Und so kam es, dass aberdutzende Expeditionen, die unter anderem auch auf seinen Theorien basierten, ins Leere segelten und in ihren Träumereien baden gingen.

_Philipp Felsch_, seines Zeichens Wissenschaftshistoriker, hat sich des renommierten Kartografen nun in einer recht übersichtlichen Dokumentation über die wissenschaftlichen Diskussionen und Entwicklungen zur Nordpolforschung des vorletzten Jahrhunderts angenommen. In „Wie August Petermann den Nordpol erfand“ berichtet er vom fleißigen Zeichner und puren Theoretiker, dies jedoch in sehr kritischem Stil. Der Person Petermann haftet in der hiesigen Darstellung schnell etwas vom Lügenbaron Münchhausen an, zwar mit dem Unterschied, dass er sein ‚Publikum‘ nicht bewusst in die Irre führte, aber dennoch jederzeit dessen Naivität und Befangenheit nutzte, um Bestätigung für seine Vermutungen zu finden.

Schade ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass „Wie August Petermann den Nordpol erfand“ in erster Linie ein Bericht aus wissenschaftlicher Perspektive ist und somit die tragische Figur, die der im Titel erklärte Protagonist definitiv war, nicht so recht zum Zuge kam. Petermann beging am Ende seiner Laufbahn überraschend Suizid und wartete eine der meist versprechenden Expeditionen erst gar nicht mehr ab. Was dahinter steckte, ist zwar nicht hinlänglich bekannt, doch wenigstens ein kleiner analytischer Abriss zum eigentlichen Menschen, und eben nicht zum Kartografen, wäre in der Gesamtübersicht wünschenswert gewesen.

Davon abgesehen ist Felschs aktuelles Werk, welches er erneut unter der übergeordneten Überschrift ‚Humboldts Söhne‘ veröffentlicht, eine sehr unterhaltsame Lektüre, die nicht nur gut recherchiert, sondern auch in nicht allzu komplexer Sprache zusammengestellt ist. Oder mit anderen Worten: Das klar adressierte Publikum wird sicher nicht enttäuscht sein!

|Taschenbuch: 270 Seiten
ISBN-13: 978-3630621784|
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Korte, Lea – Maurin, Die

_Hintergrundinformationen_

[Andalusien]http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/ff/Localizaci%C3%B3n__de__Andaluc%C3%ADa.svg im Süden Spaniens ist durch die Straße von Gibraltar nur 14 Kilometer von Afrika entfernt und stand von allen Regionen des Landes am längsten unter islamischer Herrschaft. Noch immer sieht man dort eindrucksvolle architektonische Zeugnisse dieses Einflusses, unter anderem prachtvolle Moscheen und ganz besonders die weltberühmte Alhambra, eine bedeutende Stadtburg in Granada und vielleicht das schönste Beispiel des Maurischen Stils in der islamischen Kunst. Noch heute gehört die Burganlage als Weltkulturerbe zu den imposantesten Attraktionen in Europa.

Unter der Herrschaft der Kalifen war Granada ein blühendes und reiches Land gewesen. Wissenschaften und auch die Kunst waren ebenso wie das Handwerk weltberühmt und galten in ganz Europa als Vorbild. Die Mauren bauten Schulen für die Einwohner der Städte, Krankenhäuser, Freizeitzentren und Bibliotheken. Im christlichen Europa war solch ein Luxus gänzlich unbekannt.

Die religiösen Volksgruppen der Mauren, Christen und Juden lebten untereinander in relativ friedlicher Eintracht. Der Koran predigt nicht umsonst den Respekt gegenüber anderen Religionen und Ansichten und ist damit toleranter, als es das Christentum in seinen zumeist sehr starren Ideologien jemals war.

Die katholischen Könige sahen in der Herrschaft Granadas unter den Mauren eine Gefahr und die Eskalationsspirale drehte sich zunehmend um dieses Problem. Einzelne Städte, aber auch ganze Regionen wechselten ständig ihre Zugehörigkeit zu Mauren und Christen. König Ferdinand II. und Isabella I. von Spanien gingen mit aller Schärfe und unbeschreiblicher Brutalität gegen die jüdische und muslimische Bevölkerung vor. Ihre Vorstellung von einem Spanien unter ihrer Herrschaft ging über die bestehenden Grenzen hinaus, noch heute nennt man diese Epoche „Reconquista“ (= Rückeroberung). Die Einrichtung der Inquisition gehört zu den besonders dunklen Kapiteln des spanischen Königshauses.

Die deutsche Autorin Lea Korte, die selbst in Südspanien lebt, hat in ihrem aktuellen historischen Roman „Die Maurin“ die Geschichte der fiktiven Zahra as-Sulami innerhalb dieser Epoche niedergeschrieben.

_Inhalt_

Granada – 12. Juli 1478. Die sehr junge Zahra as-Sulami, Tochter einer ehemaligen Sklavin und eines maurischen Edelmannes, führt ein wohlbehütetes und geordnetes Leben. Doch Zahra verfügt über Neugierde und Mut und findet sich mit dem ihr zugewiesenen sittsamen und eintönigen Leben nicht immer ab. Ihr strenger Vater ist der Berater des amtierenden Sultans und lässt seine Familie gern spüren, wer innerhalb der Familiengrenzen das Sagen hat.

Doch drei Tage in der Woche kann sich Zahra von ihrer Familie lösen und verbringt diese Zeit als Vertraute und Hofdame der Sultanin Aischa in der Alhambra. Zahra genießt das Vertrauen von Aischa, die sich als Zweitfrau des Sultans eher als Gefangene denn als dessen Frau betrachtet. Zahra erhält einen Eindruck der Intrigen am Hof, und auch die Politik und die sich langsam entwickelnden Feindseligkeiten zwischen Christen und Mauren bleiben ihr nicht lange verborgen.

Als am Hofe zwei Botschafter von Königin Isabella I. von Spanien zur Unterredung auftauchen, erhält Zahra von Aischa den Auftrag, als Spionin die Verhandlungen zu beobachten. Es ist ihre erste Begegnung mit Gonzalo Fernandez de Cordoba, einem Vertrauten der spanischen Königin, und dem Feldherren Juan de Gongora. Aber die anfangs friedlichen Verhandlungen eskalieren und ein kleiner Schwertkampf zwischen Yazid, Zahras älterem Halbbruder, und dem Botschafter Juan entbrennt.

Nur mit Mühe können die beiden Kontrahenten getrennt werden, und dies ist der Anfang vom Ende der maurischen Herrschaft über Granada. Hassan, der Emir von Granada, verweigert die Tributzahlungen an das Königshaus, und das Land wird überzogen mit den Schrecken des Krieges. Nicht wenige Dörfer wechseln beständig die politische Seite, je nachdem, ob gerade wieder die Mauren oder die Christen gewonnen oder verloren haben. Die Gefangenen werden jeweils zu Sklaven der Sieger und sind damit einer brutalen Willkür ausgesetzt.

Auch Zahra und ihre Familie werden in die Machtkämpfe und kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt. Die Religion spaltet nicht nur ein Land, das in voller Blüte stehen könnte, sondern auch ganze Familien. Die Familie des Sultans ist sich längst nicht einig: Aischa, die zweite, verstoßene Frau des Sultans Hasan, strebt an, ihren Sohn Muhammad XII., auch genannt Boabdil der Unglückliche, auf den Thron des Emirats zu bringen. Zahra wird von Aischa auf die heikle Mission geschickt, Boabdil aus seinem Exil zu befreien und sicher nach Granada zu führen. Für kurze Zeit hat Zahra die Möglichkeit, selbst über Schicksal zu bestimmen, und die temperamentvolle junge Frau kann der von ihrem Vater geplanten Hochzeit und seinen Zwängen entfliehen.

Zahras Familie steht dabei auf beiden Seiten des Krieges, wenn auch nicht offensichtlich. Raschid, ihr Bruder, ist ein besonnener Mann, der sich, wie auch Gonzalo auf spanischer Seite, für den Frieden einsetzt, der aber Wohlstand und respektvolles Miteinander voraussetzt. Raschid ist selbst mit der Jüdin Deborah verheiratet, die sich immer wieder sorgt, wenn Raschid vom Sultan oder von seinem Vater auf eine gefährliche Mission geschickt wird. Yazid, Zahras Halbbruder, hingegen ist ein verblendeter Kriegstreiber, ein intoleranter junger Mann, der seine Worte gern durch das Schwert unterstreicht. Auch Zahras Vater, einer der engsten Ratgeber des Sultans, muss immer wieder innerhalb seiner Familie Auseinandersetzungen schlichten. An seiner Seite agiert Zahras Mutter Leonor, eine gütige und sanfte Frau, die selbst das Leiden der Sklaverei kennt, aber aus Liebe zu ihrem Ehemann zum Islam konvertiert ist.

Zahra, die es immer wieder schafft, ihrem Leben einen Sinn von Selbstverwirklichung zu geben, gerät dabei in den Krieg zwischen die maurischen und kastilianischen Fronten. Die religiösen und kulturellen Grenzen beider Völker lernt sie dabei kennen, und immer wieder kreuzen sich ihre Wege mit denen des spanischen Adligen Gonzalo und seines Bruders Jaime, die beide eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie ausüben. Zahra findet zwischen den beiden Kulturen doch noch ihr Glück, aber ihre Liebe und ihr Drang zur Selbstbestimmung bringen nicht nur sie und ihre Familie in größte Gefahr …

_Kritik_

1492 wurde das Alhambra-Edikt der katholischen Herrscher Ferdinand und Isabella von Spanien in Kraft gesetzt. Die Juden und Mauren mussten das Land verlassen, sofern sie nicht gewillt waren, zum Christentum überzutreten. Erst 1992 entschuldigte sich der noch heutige amtierende König Juan Carlos I. für das brutale und rücksichtslose Vorgehen seiner königlichen Vorgänger, die so viel Leid über die Bevölkerung brachten.

Wer in „Die Maurin“ von Lea Korte einen seichten Liebesroman erwartet, der vor allem mit Klischees und Vorurteilen aufwartet, der wird enttäuscht sein. Die Autorin schildert eine ungemein realistisches und farbenprächtiges Drama des maurisch-kastilianischen Krieges. Ihre Recherchearbeit ist vorbildlich ausgefallen, und viele Autoren/-innen historischer Romane dürfen sich gern ebenfalls solche Mühe damit machen, die Vergangenheit vergleichbar realistisch zu schildern. Lea Korte wirft den Leser schon auf den ersten Seiten mitten ins Geschehen und stößt ihn in die kulturelle und religiöse Welt beider Volksgruppen.

So anders auch der maurische bzw. islamische Glaube den Christen vorkommen mag – der Hass und die Vorurteile sowie das Verhindern jeglichen Konsens wirken vertraut und werden in jedem Kapitel ersichtlich. Ebenso schafft es die Autorin mit Unterstützung historischer Persönlichkeiten, die hier viel Raum einnehmen, zu verdeutlichen, dass es auf beiden Seiten durchaus auch vernünftige Menschen gab, die sich für Toleranz und Frieden zwischen den Völkern einsetzten.

Betrachten wir die Protagonisten in „Die Maurin“, so ist auch hier zu loben, dass einzig Zahra und ihre Familie fiktiv sind. Die Autorin stellt die Konflikte im Süden von Spanien anhand von Fakten dar und lässt dabei Zahra als aktive Beobachterin von diesem Konflikt erzählen. Zahras Figur ist recht realistisch, auch wenn sie manchmal etwas viel er- und überlebt, aber die Autorin schafft es dann immer wieder, kleinere Klippen mit spannenden und abwechslungsreichen Szenen zu umschiffen.

Lea Korte, die sich intensiv mit dem Land und seiner kulturellen wie auch kriegerischen Vergangenheit beschäftigt hat, bezieht zu keiner der beteiligten Seiten eindeutig Stellung. Als neutrale Berichterstatterin erzählt sie vom Fanatismus und dem Streben nach Macht beider Völker und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie beschreibt, wie egoistisch die Herrscher Politik und Religion einsetzen, um ihre Macht zu vergrößern. Das Wohl der Menschen steht für sie an letzter Stelle, und Toleranz gegenüber Andersgläubigen kennen sie nicht.

Doch die Autorin beschreibt auch solche intensiven Szenen, in denen die Menschlichkeit siegt, die Vernunft sich durchsetzt und Verstand und Gefühl miteinander in Einklang stehen. Auch wenn in diesem Roman „Sinn und Sinnlichkeit“ nicht zu kurz kommen, so ist „Die Maurin“ doch viel mehr als ein klassischer Liebesroman, der auf der historischen Bühne spielt. Nicht nur die weibliche Zielgruppe wird hieran Gefallen finden – Leo Korte beschreibt die Schlachten und Kämpfe so detailreich, dass es spannender nicht sein könnte.

Das Tempo der Geschichte verläuft steigend, die Dramatik nimmt in jedem Kapitel zu, so dass der Leser den Konflikt beider Völker begleiten kann und dabei nicht aus dem Auge verliert, worum es im Eigentlichen geht. Die einzelnen Erzählstränge sind dabei abwechslungsreich und erzählen aus der jeweiligen Perspektive der Protagonisten, allen voran natürlich Zahra. „Die Maurin“ versetzt den Leser direkt in die Handlung, so dass man sich nur schwer zu lösen vermag und der Wunsch entsteht, mehr über diese Zeit und deren kriegerischen Konflikt zu erfahren.

_Fazit_

„Die Maurin“ ist ein absolut empfehlenswerter Roman, der gedanklich lange nachwirkt. Eindrucksvoll realistisch dargeboten, ist „Die Maurin“ ein Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz gegenüber Andersgläubigen – eine Mahnung, die Kultur und Lebensweise eines Landes zu achten und zu verstehen zu versuchen, anstatt mit Waffengewalt anderen Völkern seinen Willen aufzuzwingen.

Abwechslungsreich und sensibel, zugleich temperamentvoll und ehrgeizig erzählt uns Leo Korte von der Vergangenheit einer Region, die praktisch vor unserer Haustür liegt, uns aber dennoch nur wenig vertraut ist. Nie ist die Vergangenheit dieser südlichsten spanischen Region spannender und nachhaltiger erzählt worden. „Die Maurin“ legt auf menschliche Weise Zeugnis ab von einer Epoche, die weit in der Vergangenheit liegt, aber dennoch nicht in Vergessenheit geraten darf.

_Die Autorin_

Lea Korte, geboren 1963, wanderte nach Abschluss ihres Studiums nach Spanien aus, wo sie zuerst in Katalonien und später im Baskenland und in Valencia als Übersetzerin und Autorin lebte. Zusammen mit ihrem französischen Ehemann und ihren beiden Kindern lebt sie heute in Südspanien.

|Siehe ergänzend dazu auch unser [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=105 mit der Autorin.|

|663 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3426502303|
http://www.leakorte.com
http://www.leakorte.wordpress.com
[facebook: Lea Korte – Historische Romane, Lea Korte]http://www.facebook.com/pages/Lea-Korte-Historische-Romane/274631567914

Cornwell, Bernard – Zeichen des Sieges, Das

Bernard Cornwells „Das Zeichen des Sieges“, das macht der relativ austauschbare deutsche Titel nicht auf Anhieb klar, ist ein Roman über die englisch-französische Schlacht bei Azincourt. Diese Schlacht von 1415, bei der Henry V. einem weit größeren französischen Heer gegenüberstand und trotzdem – entgegen aller Wahrscheinlichkeit – gewann, ist ein Teil des kollektiven englischen Bewusstseins. In die Literaturgeschichte ist sie spätestens mit Shakespeares Bearbeitung des Stoffes in „Henry V.“ eingegangen. Der zentrale Monolog, Henrys „St. Crispinus-Rede“, ist seitdem zum Vorbild für Dutzende aufpeitschende Reden eines Feldherrn vor seiner verschreckten Armee geworden – entsprechende Szenen zum Beispiel aus „Braveheart“ oder auch „Der Herr der Ringe“ stehen damit alle in Shakespeares – und damit auch in Azincourts – Tradition.

Cornwell versucht gar nicht erst, damit zu konkurrieren. Anstatt die Ereignisse aus der Sicht Henrys oder zumindest eines seiner Adligen zu erzählen, sucht er sich einen ziemlich unwahrscheinlichen Protagonisten für seinen Roman aus: den Waldhüter Nicholas Hook. Hook ist zwar nicht unbedingt einfältig, aber überdurchschnittlich gebildet ist er auch nicht. Er ist ein guter Bogenschütze und das ist es, was ihm zunächst den Hals rettet. Denn gleichzeitig ist er auch vom Pech verfolgt, was dazu führt, dass er als Vogelfreier endet, weil er einen Priester schlägt (der gerade dabei war, ein Mädchen zu vergewaltigen – Hook hat also bei aller Tolpatschigkeit das Herz auf dem rechten Fleck). Doch bevor Hook nun in der Versenkung verschwinden kann, nimmt ihn Lord John Cornewaille unter seine Fittiche, der auf der Suche nach Soldaten für Henrys Feldzug in französisches Territorium ist.

Und so findet sich Hook bald bei der langwierigen Belagerung von Harfleur wieder. Er erlebt mit, wie Henrys Armee durch die Ruhr dezimiert wird und wie die Belagerung für die Engländer letztendlich nur erfolgreich verläuft, weil Harfleur schließlich kapituliert. Mittlerweile ist jedoch zu viel Zeit vergangen und die Armee ist zu stark geschwächt, um den Feldzug weiter fortführen zu können und so beschließt Henry, nach Calais (damals englisch) zurück zu marschieren. Doch bei Azincourt stellen sich dem traurigen Häufchen Engländer dann doch noch die französischen Truppen entgegen: Eine scheinbar ausweglose Situation.

Cornwell ist nicht umsonst einer der erfolgreichsten Autoren historischer Romane. Mit Hilfe genauester Recherche und literarischer Begabung schafft er es, komplizierte historische Zusammenhänge verständlich und sogar kurzweilig dar zu stellen. Bei ihm sind weder Belagerung noch Schlacht eine simple Fußnote. Stattdessen wirft er den Leser mitten hinein in diese doch sehr fremde Welt des Mittelalters und lässt ihn mit den Figuren mit fiebern. Auch wenn man den Ausgang der Schlacht kennt, gelingt es Cornwell doch immer wieder, so viel Spannung aufzubauen, dass man beim Lesen an seinen Geschichtskenntnissen zweifelt – vielleicht haben die Engländer ja doch verloren?

Ein besonderer Glücksgriff ist Cornwell mit seinem Protagonisten Hook gelungen. Man könnte in ihm durchaus den typischen Landbewohner seiner Zeit sehen. Bis er in Henrys Armee landet, hat er noch nie über den Tellerrand der Provinz geschaut. Er kennt nur sein Dorf, nur seine eigene kleine Familienfehde. Politik? Religion? Die größeren Zusammenhänge? Ein König, der die Krone von Frankreich beansprucht? Das sind alles böhmische Dörfer für Hook. Davon hat er keine Ahnung – und vor allem verspürt er auch kein großes Bedürfnis, an seiner Ignoranz etwas zu ändern. Große Gedanken sind also seine Sache nicht. Als er über Henrys Ansprüche auf den französischen Thron nachdenkt, kommt er zu folgendem Schluss: „Hook verstand den Streit nicht. Er hatte nur verstanden, dass es irgendwo in der Familiengeschichte des Königs eine Hochzeit gegeben hatte, die Henry auf den französischen Thron führte, und vielleicht war er der rechtmäßige König von Frankreich und vielleicht auch nicht, doch das kümmerte Hook nicht.“ Was ihn kümmert ist, dass Lord John ihn gut behandelt, dass er weiß, wo der Feind steht und dass sein Langbogen einsatzbereit ist.

Der Langbogen ist in dieser Geschichte nämlich von zentraler Bedeutung. Die englischen und walisischen Bogenschützen waren Henrys entscheidender Vorteil gegenüber den Franzosen, und indem Cornwell einen Bogenschützen zum Protagonisten macht, kann er dem Leser gleichzeitig viel über das Thema Langbogen erklären. So lernt man nicht nur, wie ein Bogen oder wie Pfeile hergestellt werden, sondern unter anderem auch, welche Kraft es kostet, einen Langbogen überhaupt zu spannen. Das ist nämlich viel schwerer als es aussieht!

In der abschließenden Schlacht bei Azincourt zieht Cornwell dann alle Register. Mehr als einhundert Seiten lang schildert er die Angriffe der verschiedenen Parteien, die Schlachtordnung, den Morast, durch den die Soldaten waten müssen und auch die hinderlichen Rüstungen, die zwar einigermaßen vor Pfeilen schützen, die einen aber auch blind und schwerfällig machen. Hier, mitten in der Schlacht, fühlt sich Cornwell sichtlich zu Hause. Mit vielen Details – und selbstverständlich sind diese zum größten Teil blutiger und brutaler Natur – malt er ein Schlachtengemälde, das den Leser mit nimmt – ihn begeistert, ängstigt, fasziniert. Denn natürlich ist so eine Schlacht keine glorreiche Angelegenheit: „Dies war nicht der Ort für die feine Anmut eines Turnierkämpfers, nicht der Ort, um Kunstfertigkeit am Schwert zu zeigen, dies war ein Ort zum Abschlachten und Töten, zum Hacken und Verwunden, ein Ort, den Feind das Fürchten zu lehren.“ Und genau das machen Hook und seine Kumpane auch, als Leser sollte man also einen starken Magen mit bringen.

Mit „Das Zeichen des Sieges“ ist Cornwell wieder ein mitreißender Historienroman gelungen, der neben sympathischen Charakteren und Spannung als schönen Nebeneffekt auch noch einiges an geschichtlichem Wissen wirklich anschaulich und verständlich vermittelt. Ach, und unterhaltsam ist der Roman natürlich auch noch!

|Gebundene Ausgabe: 560 Seiten
ISBN-13: 978-3805208789
Originaltitel: |Azincourt|
Deutsch von Karolina Fell|
http://www.rowohlt.de/
http://www.bernardcornwell.net/

_Bernard Cornwell beim Buchwurm:_

[Stonehenge 113
[Die Galgenfrist 277
[Der Bogenschütze (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1) 3606
[Der Erzfeind (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3) 3619

Wagenstein, Angel – Leb wohl, Shanghai

Viele Bücher sind bereits geschrieben worden über den zweiten Weltkrieg und über jüdische Schicksale, die damit in Zusammenhang stehen. Dass viele Juden zu dieser Zeit nach Shanghai ausgewandert sind, weil man dafür kein Visum benötigte, ist bislang eher selten erwähnt worden. Angel Wagenstein bringt mit „Leb wohl, Shanghai“ Licht in dieses Dunkel und erzählt anhand einzelner menschlicher Schicksale diese beschwerliche Zeit nach.

Obwohl viele Personen und ihre Geschichten in der Handlung vorgestellt werden, liegt der Hauptfokus doch auf einer jungen Frau und einem jüdischen Paar. Hilde Braun ist eine bildhübsche blonde Schauspielerin, die bereits für Leni Riefenstahl vor der Kamera stand und dann nach Paris ging, um dort Arbeit zu suchen. Was niemand weiß: Trotz ihres Aussehens und ihrer Arbeit für Riefenstahl ist sie eine Jüdin. Als die Luft in Paris für sie knapp wird, begibt sie sich zusammen mit dem ungarischen Pianisten, den sie auf ihrer letzten Arbeitsstelle kennen gelernt hat, nach Shanghai. Dort angekommen hilft ihr erneut ihr „arisches“ Aussehen, um einen Job zu finden: Sie wird die Vorzimmerdame des deutschen Botschafters.

Für den bekannten Geiger Theodor Weisberg und seine deutsche Frau Elisabeth läuft die Flucht nicht ganz so glimpflich ab. Nachdem Elisabeth es geschafft hat, ihren Mann aus dem Konzentrationslager zu befreien, finden sie sich in Shanghais schäbigem Flüchtlingsviertel wieder, das später zu einem Ghetto umfunktioniert werden soll. Beide halten sich mit schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs über Wasser, doch seine Musik kann Weisberg einfach nicht aufgeben. Also stellt er ein jüdisches Orchester zusammen, mit dem er der unerträglichen Wohnsituation entfliehen kann.

Weitere wiederkehrende Charaktere sind beispielsweise der ungarische drogenabhängige Pianist, mit dem Hilde flieht; ihr Pariser Liebhaber Vladek, ein Spion, der seine wahre Herkunft und Beschäftigung mit viel Humor und Lügen zu verschleiern weiß; Shlomo Finkelstein, der gerissene, gnomgroße Taschendieb. Angel Wagensteins Geschichte lebt durch all diese Personen und ihre ganz persönlichen Schicksale, Charaktereigenschaften und Unzulänglichkeiten. Nebenbei erzählt der Autor chronologisch, was damals in Shanghai passierte. Häufig verpackt er diese Ereignisse in kleine Geschichten, von denen es in dem Buch nur so wimmelt. Eine stringente Handlung gibt es nämlich nicht. Vielmehr folgt man als Leser den Leben der einzelnen Personen, die durch Zufälle, Begegnungen und ähnliches geprägt sind.

Trotz dieser lockeren Herangehensweise an die jüdische Geschichte wird der Schrecken dieser Zeit durch die Verbindung mit menschlichen Charakteren wesentlich realer als in einer sachlichen Aufzählung. Man muss sich erst an Wagensteins Erzählstil gewöhnen, da er des öfteren Zeitsprünge in seine Episoden einbaut. Kennt man diese jedoch, ist das Buch nicht nur überaus interessant, eben weil es ein bisher eher wenig beleuchtetes historisches Ereignis und dies auf eher ungewöhnliche Art und Weise behandelt, sondern auch sehr lesenswert. Mit starken Worten und intensiven rhetorischen Mitteln zeichnet Wagenstein ein sehr lebendiges Bild. Seine Situationsbeschreibungen sind immer auf den Punkt gebracht, die Dialoge teilweise geradezu göttlich. Immer wieder lässt er Humor und Sarkasmus einfließen, ohne dabei respektlos zu werden.

Die wohl größte Ironie in der Geschichte ist wohl Hilde Braun und ihre Berufe. Sie führt die Nationalsozialisten in ihrer Not geradezu an der Nase herum und ist damit ein unglaublich starker Charakter. Sie ist nicht nur hübsch und intelligent, sondern auch frech und um keine Antwort verlegen. Manchmal wirkt sie geradezu modern mit ihrer selbstbestimmten Einstellung und ihrer Fähigkeit, sich durchzumogeln.

Ähnlich grundsympathisch sind die anderen Charaktere, von denen es im Buch genügend gibt. Sie haben alle eines gemein: Sie sind menschlich. Die Juden werden nicht immer als die Guten dargestellt und auch die Nationalsozialisten in der Geschichte haben menschliche Züge. Sie wirken häufig wie Mitläufer, die die Befehle von oben ausführen, aber ansonsten keine Ungeheuer sind. Der Autor verzichtet also fast gänzlich auf Schwarz-Weiß-Zeichnung. Er konzentriert sich lieber darauf, die Personen ausgewogen darzustellen, was ihm herausragend gelingt. Die Taten der Nationalsozialisten werden dadurch aber nicht weniger schrecklich.

„Leb wohl, Shanghai“ ist ein Buch, dem ein interessanter Gedanke zugrunde liegt: Juden in Shanghai. Den historischen Abschnitt, den Wagenstein in der Geschichte behandelt, stellt er hauptsächlich mit Hilfe von menschlichen Schicksalen dar. Er drückt dabei selten auf die Tränendrüse, sondern lässt im Gegensatz auch lustige und schöne Momente zu. Dadurch rückt die Geschichte von dem schulbuchartigen Charakter, den andere Bücher über die Zeit des Zweiten Weltkriegs haben, ab und wird zu einem überaus empfehlenswerten, da ungewöhnlichen Roman.

|Aus dem Bulgarischen von Thomas Frahm
348 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3570580080|
http://www.edition-elke-heidenreich.de

Schiewe, Ulf – Bastard von Tolosa, Der

Die Kreuzzüge der christlichen Staaten und ihrer Adligen und Monarchen verfolgten beileibe nicht nur religiöse Ziele. Strategisch wie auch wirtschaftlich waren diese Kriege jedoch alles andere als erfolgreich, aber darüber kann man sich wohl noch immer streiten. Die Befreiung des Heiligen Landes und die Sicherung des Grabes Christi waren für viele das eigentliche Ziel, gewiss mit dem Nebengedanken, die Expansion der muslimischen Staaten einzuschränken. Nachdem 1099 das Kreuzfahrerheer Jerusalem erobert hatte, wurden vier Kreuzfahrerstaaten gegründet – auch genannt Outremer (vom französischen |outre mer| = jenseits des Meeres). Kirchenfürsten wie auch weltliche Fürstenhäuser herrschten über die Kreuzfahrerfestungen im Heiligen Land, und die Gier nach Reichtum und wirtschaftlichem Einfluss drängte sich vor den religiösen Gedanken und den Glauben vom Erlass der Sünde.

„Deus lo vult“ – Gott will es, wie es Papst Urban II. 1095 zum ersten Kreuzzug entgegenschallte, als zigtausende von Adligen, Abenteurern und vor allem einfachen Menschen seinem Ruf schnell Folge leisteten. Doch genauso schnell vergingen aller Idealismus und Optimismus. Viele Tausende fanden den Tod, nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch der beschwerliche Weg über Land oder über das Meer war schon gefährlich genug. Hinzu kamen noch Seuchen und Krankheiten, welche die Heere dezimierten, und von Glanz und Gloria war bald nicht mehr viel zu hören.

Heroische Vorstellungen und Ideale verblassten unter den Rittern, und wer das Glück hatte, nach Jahren von Kämpfen, Gräueln und Gewalt wieder europäischen Boden unter seinen Füßen vorzufinden, der konnte durchaus vor den Trümmern seines einstigen Lebens stehen. Held hin oder her, geblieben war den heimgekehrten Herren und Rittern oft weniger als nichts. Zu groß waren die erlebten Schrecken, zu dämonisch die nächtlichen Träume und Erinnerungen, so dass viele nicht wieder Fuß fassen konnten oder wollten. Nicht selten ging die Ehefrau davon aus, dass ihr Mann verschollen und tot im Heiligen Land begraben war, sodass sie sich einen anderen Gatten suchte, oder es kam vor, dass der Heimgekehrte feststellen musste, dass die Kirche seinen Besitz vereinnahmt hatte!

Der Münchner Autor Ulf Schiewe hat in seinem Debütroman „Der Bastard von Tolosa“ die Kreuzzüge bzw. die Rückkehr eines Kreuzritters eindrucksvoll und packend geschildert.

_Inhalt_

Jaufré Montalban, ein provenzalischer Ritter aus einem kleinem Dorf in Frankreich, ist von den Kreuzzügen im Heiligen Land desillusioniert und kriegsmüde. Zu viel an Schrecken und Blutvergießen haben dem Gefolgsmann des einäugigen Fürsten Raimund von Toulouse in 14 Jahren Kriegsdienst jeglichen Idealismus genommen.

Das Heilige Land von den Ungläubigen zu befreien, das war die Motivation von Jaufré, doch er ist überdrüssig und angewidert von der Machtgier der Fürsten und Priester, die nur ihren persönlichen Vorteil vor Augen haben und dafür gewillt sind, durch Mord und Verrat an Einfluss zu gewinnen. Der Kreuzzug ist nur das Mittel zum Zweck. Aber auch Jaufré ist durch seinen Kriegsdienst reicher geworden und hat sich als Kastellan einen Namen unter der Kreuzfahrern in der Festung des Grafen Bertrand von Tolosa/Toulouse und Tripolis gemacht. In den Wirren der Kämpfe konnte er vor Jahren eine christliche Frau retten, und später auch mit ihr seine Liebe finden, aus der eine gemeinsame Tochter entsprang, doch das jahrelange Glück wird zerstört. Als seine armenische, schöne Frau von Feinden massakriert wird und sich nur seine elfjährige Tochter Adela retten kann, ist der Zeitpunkt für den ritterlichen Edelmann gekommen, das Heilige Land zu verlassen, um nach Hause zu reisen.

Aus seinem Dienst ehrenvoll entlassen, aber im Auftrag seines ehemaligen Lehnsherren Graf Bertran reist Jaufré zusammen mit seinem arabischen Freund und Kampfgefährten Hamid nach Rocafort. Dort erwartet ihn, seinen Erinnerungen nach, noch immer seine eigene Burg, mit Land und Besitz, auf dem er sich mit seiner Tochter zur Ruhe setzen und die Schrecken des Krieges vergessen kann.

Doch in Rocafort angekommen, findet Jaufré noch immer nicht seinen langersehnten Frieden. Seit Jahren für tot gehalten, muss Jaufré feststellen, dass sich seine dortige Gemahlin Berta und seine beiden Söhne von ihm abwenden und ihm keine Gelegenheit geben, seine eigene Burg wieder in Besitz zu nehmen. Die resolute Berta ist alles andere als erfreut, denn seit Jahren hat sie niemals auch ein Lebenszeichen ihres Gatten erhalten und musste Land und Burg selbst verwalten, die inzwischen dazu noch hoch verschuldet sind.

Sein Onkel und auch einige seiner Freunde wie auch Feinde sprechen von seiner Herkunft und einer Verantwortung und deuten immer wieder mit einigen Anmerkungen auf etwas hin, was Jaufrè nicht interpretieren kann und ihn stutzen lässt: Wieso gibt sein Onkel und Erzbischof Jaufrè den Rat, sich militärisch zu rüsten?

Die Situation spitzt sich zu, als seiner Gemahlin von einen benachbarten Fürsten ein Heiratsantrag gemacht wird und dieser Jaufré per Urkunde Land und Burg nehmen möchte, notfalls auch unter Anwendung von Gewalt. Entgegen aller Hoffnungen muss Jaufré erneut das Schwert ziehen …

_Kritik_

„Der Bastard von Tolosa“ von Ulf Schiewe ist ein großartiger historischer Roman mit einer dichten, atmosphärisch spannend erzählten Geschichte. Daas der vorliegende Roman das Debüt von Herrn Schiewe ist, kann man kaum glauben, denn so intensiv, wie er seine Geschichte um Jaufré erzählt, kommt eher das Gefühl auf, dass der Autor in seinem Fach schon längst ein alter Hase wäre.

Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive Jaufrés ca. 15 Jahre nach der eigentlichen Handlung. Jaufré berichtet die Erlebnisse im Heiligen Land und die Ereignisse in seiner eigentlichen Heimat Rocafort einem jungen Priester und weiht den jungen Mann in seine Familiengeschichte ein. Allerdings nimmt er diesem auch den Schwur ab, die intimen Geheimnisse seiner Herkunft zu achten und zu ehren.

Dass Ulf Schiewe diese Form von Erzählung wählt, ist bei einem historischen Roman nichts Neues, und vielleicht werden einige Leser der Meinung sein, dadurch, dass Jaufrè offensichtlich überlebt hat, nähme dies der Story die Spannung. Weit gefehlt, denn in „Der Bastard von Tolosa“ ist der Weg das Ziel. Die Erzählung wird eingeleitet durch Jaufrés Dienst im Heiligen Land, wobei es dem Autor gelingt, die Kreuzzüge und deren religiöse und wirtschaftliche Motivation deutlich hervorzuheben. Die Fürsten und Priester mit ihren heldenhaften Parolen und ihrer Politik, die nur darauf abzielt, die eigenen Taschen möglichst schnell mit viel Gold zu füllen, fehlen hier nicht. Jaufré wird in diesem Kapiteln realistisch geschildert; als einfacher und junger Edelmann, der vor der eigenen Verantwortung für sich und andere gen Osten entflieht und Jahr später trotzdem von seiner eigenen Vergangenheit quasi überholt und überrollt wird. Vielen realen Persönlichkeiten wird es ebenso ergangen sein. Die heroisierte Ritterlichkeit ohne Furcht und Tadel wird schnell aller Illusionen beraubt, und was übrig bleibt, sind das nackte Überleben und das Verstehen, dass die Kreuzzüge gemeingefährlicher Wahnsinn waren. All das findet der Leser immer wieder zwischen den Zeilen, wenn er Jaufrés Erzählungen lauscht, die vom Schrecken und der Grausamkeit gegenüber der einheimischen Bevölkerung berichten.

Im Hauptteil wird der Leser mit der Heimkehr und den Schwierigkeiten auf Jaufrés Burg und Besitz konfrontiert. Wie viele Ritter sind nach Jahren an Körper und Geist verkrüppelt in der Heimat angelangt und haben nichts mehr von dem vorgefunden, was ihnen an Erinnerungen oder Besitz gehörte? Ähnlich wie die Soldaten in der heutigen Gegenwart waren sie traumatisiert, und nicht wenige verloren auch ihre Menschlichkeit und ihre sozialen Bindungen.

Doch auch die gesellschaftliche Rolle der Frau im Mittelalter kommt zur Sprache, ebenso wie die soziale Verantwortung gegenüber anderen auf dem eigenen Besitz. Die Frauen waren damals mit Sicherheit nicht die edlen Burgfräulein, sondern eher die resoluten und anpackenden Damen, die keine Scheu kannten, die verwalteten, regelten, kontrollieren, Fehden und Bedrohungen ankämpften und die Rolle des Mannes einnahmen, der sich vielleicht mal wieder Hoch zu Ross und gepanzert mit Schwert und Speer auf dem Schlachtfeld für seinen Lehnsherren oder Fürsten befand. Diese Rolle übernimmt in „Der Bastard von Tolosa“ die ziemlich selbstbewusste Berta, die eigentliche Gemahlin des tot geglaubten Jaufré. Nicht ohne Humor erzählt der Autor die ersten Begegnungen zwischen Berta und Jaufré, und der Leser wird dabei mit Sicherheit fast so laut auflachen wie Jaufrés Freund, der Araber Hamid.

„Der Bastard von Tolosa“ wird spannend und abwechslungsreich präsentiert. Im Verlauf der Handlung, deren Spannungsbogen sich immer weiter aufbaut, wird der Leser die Protagonisten schnell kennen und lieben lernen. Gut konzipiert und mit einem Auge fürs Detail erschaffen, sind die Haupt- und Nebenfiguren an Zahl überschaubar. Packend erzählt Ulf Schiewe von harten und brutalen Kämpfen, menschlichen Verlusten, Siegen wie auch traurigen Niederlagen.

Die Sprache des Autors ist klar und rein, es gibt keine inhaltlichen oder logischen Fehler innerhalb der Zeiten und der Handlung. Der Leser wird in eine realistische Welt zur Zeit der Kreuzzüge katapultiert und findet sich wieder inmitten einer atemberaubenden Erzählung, in der weder etwas beschönigt noch übertrieben wird. Gerade hier muss man dem Autor Respekt zollen, denn seine Recherchearbeit ist absolut zu würdigen.

_Fazit_

„Der Bastard von Tolosa“ ist ein überzeugender Newcomer im historischen Genre und absolut empfehlenswert. Bemerkenswerter Sinn für Spannung und Realismus bieten mehr als unterhaltsame Stunden, und im Nachhinein wird es einige Leser geben, die mehr über diese grausame wie auch interessante Epoche wissen möchten. Neben fabelhafter Unterhaltung bietet der Roman eindrucksvolles Hintergrundwissen, was leider bei historischen Romanen immer seltener wird.

Ulf Schiewe wird sich mit seinem Debütroman unter den vielen, nicht mehr überschaubaren Autoren seiner Zunft schnell einen Namen machen – „Prädikat Platin“, und ich hoffe doch sehr darauf, mehr Historisches von Herrn Schiewe zu lesen, auch wenn die Erwartungshaltung an sein nächstes Projekt sicherlich sehr hoch sein wird.

_Der Autor_

Ulf Schiewe wurde 1947 geboren. Eigentlich wollte er Kunstmaler werden, doch statt der „brotlosen Kunst“ widmete er sich der Technik und wurde Software-Entwickler und später Marketingmanager für Softwareprodukte. Seit frühester Jugend war Ulf Schiewe eine Leseratte, den spannende Geschichten in exotischer Umgebung faszinierten. Im Lauf der Jahre erwuchs aus der Lust am Lesen der Wunsch, selbst einen großen historischen Roman zu schreiben, der in den „Bastard von Tolosa“ mündete. Ulf Schiewe ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt in München.

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Sardou, Romain – Advocatus Diaboli

1288, im südfranzösischen Dorf Cantimpré: Während Pater Guillem Aba gerade die Dorfkinder unterrichtet, stürmt ein Trupp schwarz gekleideter Männer in das Pfarrhaus, tötet einen Jungen, verletzt den Pater schwer und entführt den kleinen Perrot, von dem nur der Pater und die Mutter des Kindes wissen, dass er die Fähigkeit besitzt, andere zu heilen. Kaum hat sich Pater Aba von seinen schlimmsten Wunden erholt, macht er sich auf die Suche nach den Tätern und findet heraus, dass Perrot nur eines von vielen entführten Kindern in der Gegend ist.

In Rom führt zur gleichen Zeit ein junger Gelehrter einen Laden mit der Aufschrift „Benedetto hat auf alles eine Antwort“. Tatsächlich ist Benedetto Gui außergewöhnlich belesen, hat ein phänomenales Gedächtnis und hat bisher jedes Geheimnis entschlüsselt. Außerdem hat er ein Herz für die Armen, denen er gerne hilft.

Jetzt bittet ihn ein junges Mädchen, ihren siebzehnjährigen Bruder Rainero zu finden, der seit Tagen verschwunden ist. Rainero arbeitete im Lateranspalast für den Advocatus Diaboli – den Kirchenanwalt, der als kritische Instanz bei den Verfahren zur Heiligsprechung auftritt. Schon bald ahnt Benedetto, dass Rainero offenbar in eine groß angelegte Kirchenverschwörung geraten ist und dass es einen Zusammenhang zu den Kindesentführern gibt, die Pater Aba verfolgt …

_Schon sein Bestseller_ [„Das dreizehnte Dorf“ 276 spielte im 13. Jahrhundert, sodass Romain Sardou mit der Zeit des Hochmittelalters gut vertraut ist und mit einzelnen Orten und Personen eine Verbindung herstellt, auch wenn es sich um keine direkte Fortsetzung handelt.

|Spannung und Dramatik|

Kirchenverschwörungen sind ein dankbares Thema für Historienthriller und schon gleich zu Beginn wird der Leser mit der machtgierigen und verräterischen Welt des Vatikans konfrontiert. Die Handlung wechselt immer wieder zwischen zwei Strängen: Da ist einmal Benedetto Gui, der sich auf die Suche nach Rainero begibt und dabei den Intrigen des Laterans gefährlich nahe kommt. Sein Weg führt ihn in Skriptorien, zu hilfreichen Verbündeten, lässt ihn in Verkleidungen schlüpfen und immer wieder um sein Leben fürchten. Auch Pater Aba reist zeitweise inkognito und immer neue Enthüllungen verändern die Zusammenhänge. Die Geschichte spielt nicht nur in Rom und in Cantimpré, sondern auch durch Böhmen, Latium, Umbrien und Ancona, bis alle Fäden wieder in Rom zusammen laufen. Spannend sind vor allem die Fragen, ob Rainero noch am Leben ist, ob er fliehen musste oder beiseite geschafft wurde, ob Pater Aba den kleinen Perrot retten kann und was genau hinter der Entführung der Wunderkinder steckt. Mehrfach sterben Menschen, von denen es man nicht unbedingt erwartet hätte, sodass ein guter Ausgang nicht gewährleistet ist, und es gibt Wendungen, die manch einen Charakter als anders präsentieren, als man zunächst dachte. Interessant sind nicht nur die Machtspielchen der hohen Würdenträger, sondern auch die Thematiken rund um die Wunderkinder und um die Heiligenverehrung, die schon damals die Lager spalteten.

|Gelungene Charaktere|

Benedetto Gui ist die erste Hauptfigur des Romans und ein sehr sympathischer Zeitgenosse. Mit stoischer Gelassenheit kommt er jedem Rätsel auf die Spur und er genießt unter der Armenbevölkerung Roms eine ehrfürchtige Bewunderung. Er befasst sich hauptsächlich mit Testamentsstreitigkeiten, Verträgen mit für Laien undurchschaubaren Klauseln und verschlüsselten Nachrichten und komplizierten Übersetzungen, hat aber auch ein detektivisches Gespür. Bei all seiner Gelehrsamkeit besitzt er auch über eine gesunde Portion Humor, die ihn immer wieder zu augenzwinkernden Bemerkungen verleitet und den Leser rasch für ihn einnimmt. Lange Zeit im Dunkeln bleibt dagegen seine Vergangenheit, immer wieder nur vage angedeutet durch die Trauer über seine verstorbene Frau, der er immer noch treu ist und auch wenn man im weiteren Verlauf der Handlung ein bisschen mehr darüber erfährt, wird dieser Aspekt nie ausgiebig thematisiert. Mit seinem fofografischen Gedächtnis und seiner Kombinationsgabe, die ihn ausgerechnet beim wichtigsten Fall seines Lebens, der Aufklärung des Mordes an seiner Frau, im Stich lässt, erinnert er die Leser womöglich ein wenig an die Titelfigur der Krimiserie „Monk“, ohne allerdings über dessen Schrullen zu verfügen.

Ein gelungener Gegenpart zu ihm ist der Protagonist der Parallelhandlung, Pater Guillem Aba. Zu Beginn des Geschehens ist er ein beliebter Geistlicher von fast engelhafter Schönheit, dessen Leben sich binnen weniger Minuten schlagartig wandelt. Die vermummten Eindringlinge töten nicht nur ein Kind vor seinen Augen und entführen ein weiteres, sondern verletzen ihn auch noch so schwer, dass er tagelang ums Überleben kämpfen muss. Vom Überfall trägt er ein von Narben gezeichnetes Gesicht davon und sein Auge muss ihm in einer schmerzhaften Operation entfernt werden. Am stärksten verletzt ist aber seine Seele, denn nur Perrots Mutter weiß, dass der entführte Junge tatsächlich sein Sohn ist. Der Versuch, Perrot wieder zu finden wird zu Abas Lebensinhalt, der gerne bereit ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen, und die Verwandlung vom friedfertigen Geistlichen zum düsteren Racheengel ist trotz 180-Grad-Wandlung überzeugend.

|Kleine Schwächen|

Wer sich auf Einblicke in das Kirchenwesen des Mittelalters freut, wird mit Sicherheit zufrieden gestellt – wer aber das Alltagsleben der Zeit kennenlernen möchte, wird unter Umständen enttäuscht. Der Roman verbringt nicht viel Zeit damit, dem Leser Details zu präsentieren, die nicht unmittelbar wichtig für die Handlung sind. Sei es nun, dass man erfahren möchte, was die Menschen damals gegessen haben, wie sie ihren Berufen nachgingen, wie sie eingerichtet sind, das alles wird nur angedeutet oder gar nicht näher beleuchtet. Schade ist das beispielsweise, wenn mehrfach Medizin hergestellt wird, über deren genaue Zusammensetzung der Leser aber nichts erfährt. Das führt dazu, dass das Bild des Mittelalters abseits des Kirchenwesens ein wenig blass bleibt. Das Ende kommt ein bisschen überhastet daher im Vergleich zur vorherigen Handlung. Die Hintergründe des Kompolotts werden so zusammen gefasst, dass dem Leser keine Fragen offen bleiben, allerdings erscheint diese kompakte Präsentation der Zusammenhänge zu gerafft, als habe die Zeit für das letzte Kapitel gefehlt. Stilistisch fällt der übertrieben häufige Gebrauch der Formulung „er erbleichte“ auf, was gerade bei vergleichsweise harmlosen Szenen zu aufgesetzt wirkt. Ein Schnitzer unterlief dem Autor außerdem bei einer Formulierung, in der Pater Aba sich etwas „vor seinen Augen auftat“ – obwohl er doch zu diesem Zeitpunkt nur noch über ein Auge verfügt, was auch noch auf der gleichen Seite eine Rolle spielt.

_Als Fazit_ bleibt ein unterhaltsamer Historienthriller, der im Spätmittelalter spielt. Die Handlung überzeugt vor allem durch die beiden Hauptfiguren und Spannung, der Lesegenuss wird allerdings durch ein paar Kleinigkeiten geschmälert. Empfehlenswert für alle, die Kirchenkrimis aus dem Mittelalter mögen.

_Der Autor_ Romain Sardou wurde 1974 in Boulogne-Billancourt als Sohn des Sängers Michel Sardou geboren. Er arbeitete an der Oper, am Theater und als Drehbuchautor in Los Angeles, ehe er sich dem Romanschreiben widmete. 2004 gelang ihm gleich mit seinem Debütwerk „Das dreizehnte Dorf“ der internationale Durchbruch. Weitere Werke sind: „Salomons Schrein“, [„Kein Entrinnen“ 4566 , „Der kleine Weihnachtsmann“ und „Rettet Weihnachten“.

|Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3896673688
Originaltitel: Delivrez-nous du mal
Deutsch von Hanna van Laak|
http://www.romainsardou.com/