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Sassenberg, Volker – Abseits der Wege. Kapitel 2: Stromabwärts

Der Auftakt war episch, geheimnisvoll und der Beginn eines fantastischen Abenteuers. Acht Monate sind seit der Veröffentlichung von [„Kapitel 1: Unweit“ 3269 des Hörspiels „Abseits der Wege“ vergangen. Ein für eine fortlaufende Hörspielreihe ungewöhnlich langer Zeitraum. In Internetforen wurde bereits hitzig über die neue Serie diskutiert. Zwar war man sich über die technische Qualität einig; die komplexe Handlung, die bereits nach den ersten 80 Minuten mehr Fragen offen ließ als manch andere Serie nach 20 Folgen, wurde jedoch sowohl begeistert aufgenommen als auch bis ins kleinste Detail kritisiert. Häufig genannt: Produzent Volker Sassenberg („Point Whitmark“, „Gabriel Burns“) hätte sich ein wenig von seinen Wurzeln lösen und nicht schon wieder so viele mysteriöse Verwicklungen einbauen sollen, schließlich war sein ureigener Anspruch der einer klassischen Fantasy-Geschichte. Als lange Zeit kein zweiter Teil in Sicht kam, wurden bereits erste Vermutungen laut, die Serie würde nicht fortgeführt werden, vielleicht sogar aufgrund der vielen negativen Äußerungen. Allen Befürchtungen zum Trotz tauchten dann jedoch die ersten Informationen über eine Fortsetzung auf. Und nun, wenige Woche später, geht mit „Kapitel 2: Stromabwärts“ das Abenteuer weiter. Denn ob nun positiv oder negativ, die Erwartungshaltung ist enorm. Und als wäre der lange Zeitraum genutzt worden, um sich einige der Kritiken zu Herzen zu nehmen, ist der zweite Teil von „Abseits der Wege“ linearer und klarer geworden, fällt aber gerade dadurch im Vergleich zu seinem Vorgänger ab.

_Inhalt_

Eingerahmt wird „Kapitel 2“ von einem langen, orchestralen Musikpart, der in die Geschichte einführt und den Hörer schnell in die Fantasywelt eintauchen lässt. Das Dorffest ist vorüber, und schon seit einigen Tagen steht die Gaststätte Tebald Glücks leer, abgesehen von der geheimnisvollen Myrell und dem Purpurnen Prüfer, die nach Tiefenhag gekommen sind, um nach dem Welkenwerk zu suchen. Der Prüfer ist bei der Suche von Faiyen verletzt worden und kämpft um sein Leben. Myrell kann seine Blutungen stoppen, doch damit der Prüfer wieder ganz genesen kann, muss sie ihn zu einem Heiler in eine Stadt bringen. Per Floß über den Silbersee verlassen die beiden das Dorf, doch Tebald, der sie am Steg verabschiedet, weiß, dass zumindest Myrell nicht lange fortbleiben wird. Sie hat nämlich sein Geheimnis gelüftet, dass er zu einer Verbindung gesuchter Männer gehört, die sich verbotener Magie bedienen und möglicherweise für das Welkenwerk verantwortlich sind – zu eben jenen Männern also, die eigentlich der Purpurne Prüfer ausfindig machen wollte. Doch Myrell will dem Prüfer nichts verraten, wenn Tebald sie gänzlich mit seinen Geheimnissen vertraut macht. Während Tebald am Steg dem kleiner werdenden Floß hinterhersieht, wägt er hin- und hergerissen seine Alternativen ab, als er über einen Fischboten eine neue Botschaft zugespielt bekommt. Schnell überfliegt er sie sie und ist sich sicher: Alle Alternativen sind soeben zu einer einzigen zusammengeschmolzen. Überhastet bricht er auf, stromabwärts.

Gaston Glück, einziger Sohn Tebalds, schwelgt währenddessen unweit vom Dorf entfernt in Gedanken, als der Unliche Lyssandrer in Erscheinung tritt. Gaston will Reißaus nehmen, ist der Unliche doch ein Zeichen dafür, dass das Welkenwerk seinen Lauf nimmt. Doch Lyssandrer kann Gaston zum Zuhören bewegen. Der Unliche berichtet ihm, dass sein Vater verschwunden sei und er sich sofort auf den Weg machen solle, um ihn zu verfolgen, nur so könne das Geheimnis, das Vater mit sich trägt, gewahrt werden. Gaston zweifelt an den Worten des Unlichen, macht sich aber sofort zurück zum Dorf auf. Als er in der Gaststube nur einen hastig verfassten Zettel findet, auf dem sein Vater die Worte „Bin nach Flusskreuz“ geschrieben hat, muss Gaston die Wahrheit der Worte Lyssandrers anerkennen. Zusammen mit seinen Freunden Dunring und Halmir und dem Knorpelgnom Po macht er sich auf, um das auf Holzpalisaden erbaute Städtchen an der großen Flussmündung rechtzeitig zu erreichen.

In der Dunkelheit kommen die Freunde endlich in Flusskreuz an. So weit von ihrem Dorf Tiefenhag haben sie sich noch nie entfernt, und so sind sie vom Anblick regelrecht überwältigt. Doch die Stadt scheint in Aufruhr, denn obwohl die Straßen voller Leben sind, ist kein Boot an den Stegen vertäut, als ob niemand den Ort verlassen dürfte. Ohne entdeckt zu werden, legen die vier Gefährten an und durchkreuzen dabei einen Ring aus Laternen, der um die ganze Stadt gezogen ist. Der Knorpelgnom Po, dem die Licht erzeugenden Funkelfliegen zuwider sind, reißt zwei Laternen nieder. Gaston ist zwar verärgert und lässt den Gnom zurück im Boot, während er und seine Freunde die Stadt nach seinem Vater Tebald absuchen, misst aber der Handlung keine Bedeutung bei. So bleibt zunächst unbemerkt, dass Po den Schutzkreis, den diese Laternen dargestellt haben, eingerissen hat und den Weg für das Welkenwerk ebnet, das in Form von Laub nun ungehindert in die Stadt wehen kann.

Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Gaston kann seinen Vater, der den Adressaten der ihm übermittelten Botschaft gefunden und von diesem ein wichtiges Dokument erhalten hat, finden, doch der Hauptmann des Königs, der das ganze Land auf der Suche nach den letzten, im verborgenen arbeitenden Nebelchronisten durchstreift, ist ebenfalls in der Stadt und sucht nach Tebald Glück. Als Gaston mit seinem Vater vor dem Hauptmann fliehen will, manifestiert sich das eingedrungene Laub zu einem Efeu-Lichen, ein Herbststurm, der die Umrisse eines Ungeheuers bildet und Flusskreuz in Schrecken und Chaos versetzt. Der Hauptmann ist nun das deutlich geringere Übel.

_Umsetzung_

Wie schon der erste Teil überzeugt auch „Kapitel 2: Stromabwärts“ technisch auf ganzer Linie. Die Produktion ist auf höchstem Niveau und hat, obwohl das visuelle Element fehlt, Kinoqualität. Die orchestrale Musik umrahmt die Folge und wird mehrere Minuten ausgespielt, ohne hastig ausgeblendet zu werden. Zwischendurch dient sie dann zur Untermalung, drängt sich er aber nie in den Vordergrund, sondern verstärkt vielmehr die einzelnen Szenen. In gleicher Weise verhält es sich mit den Soundeffekten, die nicht übermäßig stark eingesetzt werden, nur dann, wenn es der Stimmung zuträglich ist. Das leise Plätschern des Wassers, das Knarren des Holzes und das Pfeifen des Windes lassen durch die Boxen hindurch das Bild der Landschaft und der auf Palisaden errichten Flussstadt entstehen. Die Sprecher gehören allesamt der ersten Liga an und schaffen es, ihre Stimmen gekonnt einzusetzen, so dass man sich die Figuren plastisch und mit ihren Ecken und Kanten vorstellen kann. Jürgen Kluckert als Tebald Glück, der mehr verbirgt, als er offenbart, Timmo Niesner als Gaston, der überzeugend den jugendlichen, ins Abenteuer hineingeschlitterten Helden spielt (ein Vergleich zu Frodo, den er ebenfalls im Deutschen spricht, ist aber stets unumgänglich) und Knorpelgnom Po, den Volker Sassenberg persönlich gibt und dabei hörbar Spaß hat, sind nur einige Beispiele. Heinz Ostermann, der mit seiner Stimme kraftvoll durch das Hörspiel führt und aufgrund seiner vieler Passagen als außenstehender Erzähler die Geschichte mit der nötigen epischen Distanz herüberbringt, so als handle es sich um die wahre Erzählung einer lange zurückliegenden Geschichte, hält schließlich „Abseits der Wege“ gekonnt zusammen.

_Bewertung_

Auch das zweite Kapitel von „Abseits der Wege“ ist ein gelungenes Fantasy-Hörspiel geworden. Im Gegensatz zum ersten Teil ist die Handlung deutlich weniger komplex und spielt sich weitgehend in der Stadt Flusskreuz ab. Dadurch verliert der mystische Hauch, den die Serie am Anfang umgeben hat, etwas an Kraft, denn gerade das Geheimnisvolle hat den Reiz ausgemacht. Die Kritik, der Auftakt wäre viel zu verworren gewesen, mag berechtigt sein, doch im Vergleich zu „Stromabwärts“, wo vieles klarer wirkt und bereits erste Geheimnisse hinsichtlich der Bedeutung der Nebelchronisten oder auch des Welkenwerks offenbart werden, hat die Geschichte deutlich stärker begonnen. Was nicht heißt, dass „Stromabwärts“ nicht mehr überzeugen könne, denn weiterhin bleibt noch vieles im Verborgenen; vor allem die Rolle Gastons, der im Debüt in Berührung mit einem Splitter vom Welkenwerk gekommen ist, wird sich erst in den kommenden Folgen festigen. Der Pfad, der von den Gefährten eingeschlagen werden muss (und den Volker Sassenberg und sein Team für ihre Geschichte wählen), erscheint jedoch nun etwas klarer.

Unterm Strich weiß „Abseits der Wege“ zu gefallen, und das nicht nur durch seine technische Qualität. Die Handlung ist logisch gestrickt und fast alle zu Beginn eingeführten Figuren werden konsequent weiterentwickelt. Zudem laufen keine Elfen, Zwerge und zauberschleudernden Magier durch die Welt, von denen man wahrhaftig genug gehört, gelesen und gesehen hat. Stattdessen stehen Menschen und ihre Verschwörungen im Zentrum, mit den Unlichen und Faiyen haben aber auch fantastische Geschöpfe ihren Platz. Es bleibt also interessant und spannend, und obwohl schon auf hohem Niveau, ist das Potenzial der Serie noch längst nicht ausgereizt. Immerhin sollen noch zehn weitere Episoden folgen, bis „Abseits der Wege“ abgeschlossen ist.

_Die Sprecher_

Heinz Ostermann
Timmo Niesner
Stefan Krause
Hannes Maurer
Jürgen Kluckert
Martina Treger
Volker Carsten Sassenberg
Engelbert von Nordhausen
Bernd Vollbrecht
Heinz-Werner Krähkamp
Tim Moeseritz
Mario von Jaschroff
Helga Uthmann

http://www.abseitsderwege.info
http://www.abseits-der-wege.net
http://www.dg-literatur.de
http://www.karussell.de

[„Kapitel 3: Wehrlos“ 5389

anonym – Till Eulenspiegel (Europa-Originale 37)

_Besetzung_

Till – Sven H. Mahler
Sein Pate – Herbert A.E. Böhme
1. Dieb – Rudolf Ferner
2. Dieb – Rudolf Oeser
Tills Mutter – Heike Kintzel
Bäckergeselle – Herman Lenschau
Schneidergeselle – Eggert Jlgner
Pfarrer – Hans Meinhardt
Bäckermeister – Herbert A.E. Böhme
Wirt – Jürgen Hering-Lunau
Ausrufer – Hans Meinhardt
Schneidermeister – Benno Gellenbeck
König Kasimir – Hermann Lenschau
Koch – Hans Meinhardt
Herzog – Jürgen Hering-Lunau

Regie: Claudius Brac

_Story_

Till Eulenspiegel hatte als Jugendlicher stets den Schalk im Nacken. Er überlistete einige Bienendiebe, die ihn unwissend entführen wollten, tanzt über der Saale auf einem Seil und erleichtert einen wohlhabenden Bürger wortgewandt um ein ganzes Säcklein Taler. Doch nicht überall waren seine Streiche gerne gesehen. Als er in Berlin einen Schneidermeister um seinen Brotlaib betrog, war dieser eben so erbost wie die Menge in Braunschweig, die Till beim Sturz vom Rathaus zusehen wollte. Aber immer wieder entkommt der junge Eulenspiegel mit einem blauen Auge, entwischt Scharfrichter und Galgen und schafft es sogar, dem König Kasimir einen Kranichschenkel abzuluchsen. Denn immer derjenige, der zuletzt lacht, lacht am besten – und dies war in all seinen lustigen Abenteuern stets Till Eulenspiegel.

_Persönlicher Eindruck_

Till Eulenspiegel gehörte in meiner frühen Kindheit zu meinen absoluten Helden. Ich erinnere mich noch an mein erstes Märchenbuch, welches für jeden Tag eine Gute-Nacht-Geschichte bereithielt, die ausgerechnet den bunten Schelm zur Zeit meines Geburtstags wählte. Und selbst zur Faschingszeit, eigentlich das Hochfest des geliebten Narren, kleidete ich mich traditionell in ein grün-rotes Gewand, um meine Identifikation mit dem listigen Halunken auszudrücken.

Dementsprechend freudig habe ich nun die Neuauflage des Hörspielklassikers um die berüchtigte Fabelfigur in Empfang genommen und mich einmal mehr an den schönen Streichen des Eulenspiegels ergötzt. Die 37. Folge der |Europa|-Originale enthält dabei zwar nicht alle bekannten Geschichten, die die Sagenfigur im Laufe ihrer literarischen Karriere durchstreift hat, bietet aber einen wirklich repräsentativen Überblick über die Gaunereien und Listen, mit denen Eulenspiegel noch jedes Mal sein Publikum begeisterte. Darunter fallen auch die Betrügereien im Pfarrhaus zu Buddenstedt, als Till den Geistlichen um seinen Lohn bringt, oder die Intrige gegen die beiden Bienendiebe, die Till gegeneinander aufbringt, um sich selber aus dem Versteck des Bienenstocks zu befreien.

Ähnlich wie bei der Hörspiel-Fassung zu den Abenteuern von Sindbad dem Seefahrer werden auch hier kurz und bündig wesentliche Kapitel des Titelhelden wiedergegeben, dies jedoch gottlob ohne jegliche Hektik und Unruhe. Sven H. Mahler, der in der Rolle des Eulenspiegels unter anderem auch die Erzählerposition bekleidet, führt die Hörerschaft vorzüglich durch die Possensammlung und verbreitet auf unterhaltsamste Art und Weise den steten Witz, der den Protagonisten umgibt. Zwar bemüht er dabei häufig die immergleichen Ausdrücke, wenn es darum geht, die wütenden Reaktionen von Eulenspiegels Kontrahenten darzustellen, doch andererseits sind diese Running Gags mit wachsender Spieldauer zunehmend köstlicher und entwickeln sich zum markantesten Punkt der ganzen Handlung. Wie oft hört man nicht Schmähungen wie „Du elender Halunke, Possenreißer, Spitzbube, etc.“ – und stets rufen sie ein breites Grinsen auf den Lippen des Zuhörers hervor.

Innerhalb der sympathischen Dreiviertelstunde wird man schließlich genügend Gelegenheit zum Lachen bekommen, weil dieser Knabe wirklich einiges auf dem Kerbholz hat. Alleine deswegen hat „Till Eulenspiegel“ auch schon den Status des bislang witzigsten Hörspiels dieser nunmehr schon 50 Titel umfassenden Sammlung inne. Und genau darum sollte „Till Eulenspiegel“ auch als eines der wichtigsten Hörspiele der diesjährigen Saison auf dem Einkaufszettel stehen. Denn wenn eines feststeht, dann, dass diese kauzige Sagenfigur über all die Jahrzehnte keinen Deut ihrer umwerfenden Ausstrahlung verloren hat – weder in der literarischen Geschichtensammlung noch in diesem Hörspiel!

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traditionell / Halver, Konrad – Sindbad der Seefahrer (Europa-Originale 40)

_Story_

Während seiner Seefahrten erlebte Sindbad wahrlich großartige Abenteuer. Er entdeckte die geheimnisvolle Insel, die in Wahrheit ein großer Fischrücken war, rettete den Hengst mit den magischen Kräften und wurde zur Belohnung am Hofe des Maharadjas verwöhnt. Bereits wenige Wochen später stach er wieder in See und musste sein Leben am Affenberg und in der Burg des Riesen verteidigen. Doch die Reichtümer, die er im Ei des Riesenvogels Roch zur Belohnung nach Hause tragen durfte, entschädigten ihn für all die Strapazen und ermutigten ihn zu einer weiteren Reise. Mit einer List überwand er den Magnetberg, bewahrte seine Gefährten einmal mehr vor der Gier im Inneren der Schatzkammer und heilte den lebensmüden König von Sarandib. Seine letzte Seereise wäre ihm jedoch beinahe zum Verhängnis geworden; er unterliegt in einer mörderischen Schlacht und wird auf dem Sklavenmarkt für tausend Goldstücke verkauft. Doch der erfahrene Seefahrer wusste sich auch in dieser prekären Lage zu helfen.

_Persönlicher Eindruck_

Die 40. Folge der mittlerweile längst etablierten |Europa|-Originale beschäftigt sich mit den vielen Abenteuern des legendären Sindbad und greift wirklich alle bekannten Sagen um den Helden aus Tausendundeiner Nacht auf. Aus diesem Grunde war zunächst auch zu befürchten, dass der Overkill verschiedener Geschichten der Story von Anfang an die Luft rauben würde, zumal es immerhin rund zwanzig Abenteuer sind, von denen Erzähler und Sindbad-Sprecher Benno Gellenbeck hier berichtet. Dennoch ist es Regisseur Konrad Halver sehr gut gelungen, die separaten Inhalte fließend miteinander zu knüpfen und das große Gesamtabenteuer sehr stimmig und dennoch detailliert zusammenzufassen. Etwaigen Vermutungen, einzelne Nebenstränge würden nicht gebührend zur Geltung kommen, kann also sofort der Wind aus den Segeln genommen werden.

Dementsprechend schreitet die Erzählung jedoch rasant voran und gibt dem Zuhörer keine Pause zum Durchatmen, wobei man allerdings nie das Gefühl bekommt, die Fülle an Geschichten würde einen über kurz oder lang erschlagen. Dies hat man vorwiegend dem fantastisch aufgelegten, für diese Rolle geradezu prädestinierten Gellenbeck zu verdanken, der sich von Beginn an prächtig in seinen Part einfügt und auch die nötige Überzeugungskraft aufbringt, um den sympathischen, weisen Seemann zu verkörpern. Davon abgesehen hat Halver einige nette Running Gags in die Story eingefügt. So wird Sindbad auf allen Reisen von einem Schwarzmaler begleitet, der in jeder Gefahr bereits den nahenden Tod sieht und bereits mit großem Jammer zur Tat schreitet, bevor sein Auftraggeber dann wieder alles zu Guten wendet. Der Titelheld tritt indes ständig sehr überzeugend auf und erfüllt seinen Part mit Würde. Ob er nun seine Mannschaft vor der Kollision mit dem Magnetberg bewahrt, mit Listigkeit und Tücke die reichen Könige und Kalifen um ein Vermögen bringt oder aber liebreizend seine Befreiung aus der Sklaverei erwirkt – der Sindbad, wie er in dieser Geschichte dargestellt ist, besteht in der Tat aus dem Stoff, aus dem Helden gemacht sind.

Insofern ist „Sindbad der Seefahrer“ zweifellos eines der schönsten Hörspiele aus dieser nach wie vor wachsenden Serie: inhaltlich aufgrund der grundlegenden Basis sowieso überzeugend, dazu dynamisch aufgebaut und mit durchweg guten, spürbar ambitionierten Sprechern ausgestattet. Man muss sicherlich nicht jedes einzelne der |Europa|-Originale entführen; die Abenteuer des Sindbad sind jedoch unter denjenigen, die man sich als Fan solch klassischer Hörspiele dringend anschaffen sollte.

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Rohrbeck, Oliver / Wilhelm, Andrea – Trek nach Westen, Der. Sammelbox Teil 1 – 3

_Westernparodie: wilde Knutschereien und Verfolgungsjagden_

Ein klassischer Western in 3 Teilen: Als der Westen noch wild ist, schließt sich ein junger Ire einem Treck mit dem Ziel Kalifornien an, um sich eine neue Zukunft aufzubauen: Bill Buffalo (sehr irischer Name). Auf dem Ritt lernt er die schöne Helen kennen und heimlich lieben. Aber das gefällt ihrem Vater Taylor Hackford, dem ehrgeizigen Anführers des Trecks, gar nicht. Gemeinsam mit seinem Freund Joe Jackson flieht Bill Buffalo vor Hackfords Rache bis in die Wüste von Mexiko. Können die beiden den wütenden Verfolgern entkommen?

_Die Macher_

Die Aufnahmen des Hörspiels fanden während der Live-Aufführungen der |LauscherLounge| im Jahr 2005 statt. Die Mitwirkenden sind die bekannten Sprecher von Hollywood-Stars wie Richard Gere, Leonardo DiCaprio, Reese Witherspoon (Ranja Bonalana), Ben Stiller (Regisseur Rohrbeck), Jackie Chan, George Clooney (Detlef Bierstedt), Jamie Foxx und „Colt Seavers“, um nur einige zu nennen.

Buch und Konzeption gehen auf das Konto von Andrea Wilhelm und Oliver Rohrbeck, die Geräusche erzeugten Jörg und Peter Klinkenberg, die Musik komponierte Dirk Wilhelm. Für Livemix und Aufnahmen war Stefan Lohr verantwortlich. Regie führte Rohrbeck. Mehr Informationen zum Studio und dessen Angeboten: http://www.lauscherlounge.de.

_Handlung_

Durch das Death Valley in Nevada galoppieren zwei Reiter. Es sind Joe Jackson und Bill Buffalo. Was hat sie nur in diese gottverlassene Gegend verschlagen? Es kann nur an ihren Verfolgern liegen, die von Taylor Hackford angeführt werden, dessen Tochter Helen Bill angeblich verführt hat …

Doch von Anfang an. Alles begann in Little Rock, Arkansas, wo der Landarbeiter Bill Buffalo im Saloon von Taylor Hackford angesprochen wird. Hackford, ein Selfmademan, braucht noch Leute, die seinen Treck nach Westen gegen die Indianer beschützen. Es soll nach Kalifornien gehen, wo der Krösus bereits eine eigene Stadt errichtet hat. Bill ist nicht abgeneigt, aber er braucht in Kalifornien ein wenig Kapital für die Existenzgründung. Null problemo! Wozu ist Hackford nicht auch der Besitzer der Bank von Hackfordville?

Wenig später überlistet Hackford am Pokertisch auch Joe Jackson, einen Cowboy, der seinen Colt schneller zieht als sein Schatten. Leider hat er stets Pech im Spiel, und da er bei Hackford Schulden hat, soll er sie beim Beschützen des Trecks abarbeiten (abzüglich Kost und Logis, versteht sich).

Eine Woche später lernen sie beim Start des Wagenzuges die ausnehmend hübsche und freundliche Helen kennen, und Bill hat keinerlei Skrupel, ihr seine Aufwartung zu machen. Sie hat nur einen Fehler: einen höchst eifersüchtigen Vater mit dem Namen Taylor Hackford! Dieser droht Bill alle Qualen der Hölle an, sollte er seine Finger nicht von seinem Goldschatz lassen. Dabei will der Goldschatz eigentlich gar nicht ins ferne Kalifornien, durchs Gebiet garstiger Indianer. Bill bringt sie schnell auf andere Gedanken …

Bill und Jackson müssen rasch verduften, denn Bill hat Helen Küsse geraubt und Joe Hackford dessen prall gefüllte Portokasse! Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt, die unsere beiden Superhelden nicht nur durch Indianergebiet, Wüste und wüste Saloons führen wird, sondern auch ins Banditengebiet von Tucson … Ob Bill wohl seine Angebetete jemals wiedersehen wird?

_Die Inszenierung_

Da die Handlung nur so von Klischees aus sämtlichen Western strotzt, lohnt es sich meines Erachtens nicht, ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Alle Figuren sind überzeichnet, wie es sich für eine Western-Parodie gehört. Um unterhalten zu können, muss der Western daher entsprechend amüsant und spannend präsentiert werden. Und dies gelingt dem Live-Hörspiel überraschenderweise sehr gut!

Die schon tausendmal gehörten Sätze, die die Sprecher dennoch immer noch mit Gusto – oder wenigstens halbwegs ernsthaft – vortragen, sind nicht gegen Fehler gefeit, und das macht den besonderen Charme der Live-Aufführung aus: Fast jeder Sprecher macht mal Fehler, jeder wird mal korrigiert, beschwert sich über seltsame Satzkonstruktionen und sogar über einen Druckfehler. Aber das bleibt die Ausnahme, denn dies ist eine Aufführung von Profis in ihrem Fach.

|Musik|

Eine weiterer wesentlicher Beitrag sind Musik und Geräusche. Es war eigentlich zu erwarten, aber als wirklich Ennio Morricones Titelmusik zu „Für eine Handvoll Dollar“ (Teil 1 der Trilogie) aufgeführt wird, breitet sich richtig gutes Western-Feeling aus. „Hey, hey-ho!“ Die obligate Westerngitarre und das Honkytonk-Piano im Saloon ergänzen das musikalische Ensemble, zwischendurch erklingen sogar eine gezupfte Ukulele, ein geblasener Kamm (Kazoo) und – du ahnst es nicht – eine Maultrommel! Aber wenigstens wird nicht gesungen. So kann ordentlich Stimmung aufkommen, mal Richtung Action, mal Richtung Romantik.

|Geräusche und Soundeffekte|

Eine Live-Aufführung eines Western ohne Geräusche wäre wie ein Shakespearestück ohne Dialoge, daher werden die Geräusche massiv eingesetzt. Es gehört einfach zur Untermalung der akustischen Westernkulisse, dass Pferde schnauben und galoppieren (in Stereo!), Schüsse fallen und jede Menge Faustschläge ausgeteilt werden. Dieses spezielle Element setzt die Tonregie (Klinkenberg, s. o.) allerdings derartig inflationär ein, dass es schon wieder entwertet wird.

Nicht zu unterschlagen ist übrigens die „wilde Knutscherei“, der sich Bill und Helen mit Wonne hingeben. Ob dies wieder nur ein Sample oder doch „echt“ ist, lässt sich schwer beurteilen. Es ist jedenfalls Bills und Helens Lieblingszeitvertreib. Es sei denn, ein Baby schreit. Dann heißt es wieder mal à la John Wayne: „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.“ Und das ist in diesem Fall das Windelnwechseln.

Zu den Toneffekten gehören auch Filter. Des Öfteren reiten unsere Helden durch Höhlen und Canyons, so dass sich hervorragend der Hall-Effekt einsetzen lässt. Vor dem Einsatz des Echos ist der Regisseur jedoch zurückgeschreckt.

Sehr lustig ist auch das Verzerren von menschlichen Stimmen. Es ist zwar nicht gerade Micky Maus, der da erklingt, aber Polly, Molly und Nelly sind nicht weit davon entfernt, in entsprechenden Stimmlagen zu kieksen. Wer genau auf die im Booklet abgedruckte Sprecherliste schaut, wird entdecken, dass der Regisseur Oliver Rohrbeck vier Rollen spricht und seine „Polly“ ist definitiv weiblich!

Außerdem tritt er als Erzähler auf, um die einzelnen Szenen miteinander zu verbinden. Da das gesamte Hörspiel in drei Akte aufgeteilt ist, ist es zudem seine Aufgabe, am Beginn eines jeden Aktes die Rückblende vorzutragen. In Teil 2 ist sie neun Minuten lang, in Teil 3 schon zehn Minuten. Dadurch wird die reine Spielzeit von rund 68-69 Minuten entsprechend verlängert. Zwischen den drei Akten soll man sich wegen dieser Länge eine gehörige Verschnaufpause gönnen. Besonders im dritten Akt erwartet den Hörer ein verzwickter Handlungsverlauf mit häufigen Szenenwechseln, der hohe Aufmerksamkeit fordert.

Ich könnte jetzt anfangen, noch einzelne Sprecher und Sprecherinnen sowie ihre „stimmsynchronen“ Pendants aus Hollywood (Clooney, Witherspoon, DiCaprio) hervorzuheben, aber das wäre unfair gegenüber den nicht erwähnten Sprechern. Das gesamte Ensemble legt sich unheimlich ins Zeug, um die beste Wirkung zu entfalten. Und wenn mal wieder alle Faustschläge ausgeteilt sind und die „wilde Knutscherei“ die Gemüter erhitzt hat, ist dem Gesamtensemble und nicht bloß Einzeldarstellern der rauschende Applaus sicher – das ist ebenfalls zu hören.

Die Aufnahmequalität der Aufführung ist durchaus annehmbar, und wie gesagt, gibt es auch Stereoeffekte. Man muss sich das Ganze aber als Liveaufführung vorstellen und gegenüber einer Studioaufnahme entsprechende Ansprüche zurückschrauben.

_Unterm Strich_

Mir haben der erste und der zweite Teil am meisten Spaß gemacht. Ich beging den Fehler, vor Teil 3 keine Verschnaufpause einzulegen und verlor zwischendurch ein wenig den Überblick über die durch viele Szenenwechsel relativ verzwickte Handlung. Der Epilog ließ aber an Einfachheit und Verständlichkeit nichts zu wünschen übrig. Wer schon immer mal George Clooney, Reese Witherspoon und Leonardo DiCaprio in einem Western hören wollte, kommt hier voll auf seine Kosten.

Dies ist eine Westernparodie und folglich nicht ernst zu nehmen, aber man kann trotzdem seinen Spaß daran haben, wie das Beispiel „Der Schuh des Manitu“ gezeigt hat. Im Gegensatz zu Bullys Film werden hier aber keinerlei Indianer veräppelt, sondern ganz im Gegenteil tritt ein Medizinmann als Heiler auf, um unseren Lieblingshelden Bill Buffalo wieder auf die Beine zu bringen. Dieser Aspekt hat mir sehr gut gefallen. Vielleicht hätte sich sogar Pierre Brice darüber gefreut, dem bekanntlich Abahatschi als Winnetou-Karikatur völlig gegen den Strich ging.

Im Gegensatz zu den sonst so erhältlichen Hörspielen zeichnet sich diese Aufnahme durch die lebhafte Live-Atmosphäre aus. Dazu gehören aber auch, dass Fehler auftreten und sich die Sprecher manchmal wiederholen oder über Druckfehler im Skript beschweren. Aber Toneffekte und Musik sind vom Feinsten, so dass eine gute Westernstimmung aufkommt. Wer solche humorvollen Hörspiele ebenso wie Live-Aufführungen mag, der sollte hier zuschlagen.

|228 Minuten auf 3 CDs|
http://www.luebbe-audio.de

lauscher news

Xiaolong, Qiu – Tod einer roten Heldin

Inzwischen gibt es bereits vier Romane um Qiu Xiaolongs poetisch veranlagten Krimihelden Kommissar Chen. „Tod einer roten Heldin“ war seinerzeit Xiaolongs Debütroman, der nun im |DAV| als Hörspiel vorliegt.

Xiaolongs Romane spielen in Shanghai, in Zeiten des Umbruchs, die geprägt sind von veralteten Kaderstrukturen und Traditionen und einer zunehmenden Öffnung für den Fortschritt der modernen Welt. Zwischen diesen Gegensätze ermittelt Kommissar Chen, nebenberuflich Dichter, im Fall Guan Hongying, die ermordet aus einem Shanghaier Kanal gefischt wurde.

Anfangs ahnt Chen noch nichts von der politischen Tragweite des Falls und auch als sich herausstellt, dass Guan Hongying eine nationale Modellarbeiterin und damit ein Vorbild der chinesischen Gesellschaft war, will er noch nicht an einen politischen Hintergrund glauben, wie es seine Vorgesetzten tun.

Als sich dann aber herausstellt, dass Guan Hongying bis kurz vor ihrem Tod eine geheime Affäre mit dem Fotografen Wu hatte, der brisanterweise der Sohn des einflussreichen Kaders Wu Bing ist, bekommt Chen die politische Tragweite des Falls am eigenen Leib zu spüren. Wu ist Chens Hauptverdächtiger, was seinen Vorgesetzten gar nicht passt. Chens Mentor, Parteisekretär Li, ist schnell zur Stelle, um Chen zurückzupfeifen und auf einen Posten wegzuloben, auf dem er keinen Schaden anrichten kann. Doch Chen ist fest entschlossen, den Fall zu lösen …

Der Reiz von Qiu Xiaolongs Krimis liegt weniger im Krimiplot an sich als vielmehr in Zeit und Ort der Handlung begründet. Der Fall selbst ist recht klassisch konzipiert, und dennoch ist Qiu Xiaolong mit „Tod einer roten Heldin“ ein insgesamt sehr ungewöhnlicher und eigenwilliger Krimi geglückt.

Da wäre zum einen die Hauptfigur des Kommissar Chen. Ein studierter Literat im Polizeidienst ist für sich schon ungewöhnlich. Chen übersetzt neben seiner Polizeiarbeit mit einigem Erfolg westliche Kriminalromane und veröffentlich hier und da Gedichte. Das hat ihm in der Shanghaier Gesellschaft eine vergleichsweise privilegierte Stellung und den Luxus verschafft, als Junggeselle alleine eine Ein-Zimmer-Wohnung bewohnen zu dürfen.

Chen ist eine Figur mit Tiefgang, deren Gedanken oft um literarische Themen kreisen. Er fasst Ideen und Beobachtungen gerne in Verse und beschwört damit eine sehr persönliche und intensive Charakterzeichnung herauf. Chen ist einerseits eine sehr sympathische Figur, ist aber gleichsam stets darauf bedacht, politisch korrekt zu handeln, um in den starren alten Kaderstrukturen nicht unnötig anzuecken.

Es ist daher auch gerade der stetige kritische Blick auf die politische und gesellschaftliche Situation Chinas allgemein und Shanghais im Speziellen, der den Reiz der Geschichte ausmacht. Der Leser/Hörer erfährt ganz nebenbei unheimlich viel darüber, wie das Leben dort aussieht. Die anhaltende politische und gesellschaftliche Einflussnahme der alten Kader, die eklatante Wohnungssituation, in der jeder Einwohner es in Schnitt auf neun Quadratmeter Wohnfläche bringt, und die Omnipräsenz der Partei, die die Menschen dazu zwingt, stets auf der Hut zu sein, in ihrem Handeln und Denken. Gerade auch durch die lebhafte Inszenierung von Xiaolongs Roman wird die Atmosphäre Shanghais für den Hörer zum Greifen nah.

Und so ist das eigentlich Spannende an „Tod einer roten Heldin“ auch weniger die Lösung des Falls an sich (die auch recht einfach gestrickt ist) als vielmehr die Art und Weise, wie Kommissar Chen es trotz der Steine, die ihm in den Weg gelegt werden, schafft, seine von politischen Kreisen unerwünschten Ermittlungen voranzutreiben. Es sind genau diese politisch brisanten Zutaten, mit denen Xiaolong seinen Roman würzt, die ihn besonders schmackhaft machen.

Für die Hörspielfassung wurde der über 450-seitige Roman um einiges zusammengerafft und auf 107 Hörspielminuten gekürzt. In der Vergangenheit hatte ich bei ähnlich gelagerten Kriminalhörspielen im |DAV| mit einem ähnlich komplexen gesellschaftspolitischen Hintergrund oft das Gefühl, dass die Handlung zu stark komprimiert wurde (z. B. bei Yasmina Khadras Algerien-Krimi „Morituri“). Hier kann man trotz der Straffung der Geschichte aber noch ohne Probleme folgen und verliert auch im Hin und Her der vielen chinesischen Namen nicht gleich den Faden.

Die Hörspielinszenierung kann man nur als hochkarätig loben. Die Sprecher leisten durch die Bank weg überzeugende Arbeit, allen voran Erzähler Peter Fricke und Andreas Fröhlich in der Rolle des Kommissar Chen. Auch die gesamte Inszenierung, das Zusammenspiel von Musik, Geräuschen und Stimmen ist wunderbar stimmig inszeniert worden. So entsteht eine dichte Atmosphäre, in die man gerne gleich ein zweites Mal eintauchen möchte. „Tod einer roten Heldin“ ist in der Tat die Art Hörspiel, die man nicht nur einmal hört.

Bleibt unterm Strich also ein positiver Eindruck zurück. Qiu Xiaolong hat mit „Tod einer roten Heldin“ einen Roman abgeliefert, der rein als Krimi betrachtet solide ist, sich in seinem gesellschaftlichen und politischen Kontext aber als kleine Perle in der Weite der Krimilandschaft hervortut. Gerade auch die Hörspielfassung des |DAV| kann man nur loben. Sie schafft den Balanceakt zwischen einer konsequenten Komprimierung der Handlung und einer dennoch intensiven und dichten Atmosphäre, die vor allem durch die Riege hochkarätiger Sprecher und die wohltuend stimmige Inszenierung zu gefallen weiß.

http://www.audioverlag.de/

Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – R. (Folge 26)

Victor Zeysen ist tot. Viele Jahre schon. Doch wenn für die Hörspielreihe |Gabriel Burns| etwas zutrifft, dann die Tatsache, dass Totgeglaubte gerne weiterleben. Dies wird in Folge 26 mit dem mysteriösen Titel „R.“ ( der Name klärt sich im Laufe der Episode auf) umso deutlicher. Und Dr. Victor Zeysen, einstiger Leiter von Ravenstone, einer Anstalt für gestörte Kinder, ist nicht der Einzige, der tot scheint, es aber in Wirklichkeit nicht ist. So beginnt die Folge zwar mit einem regelrechten Paukenschlag und dem Tod einer der Hauptfiguren, doch sie wartet am Ende mit einer noch viel größeren Überraschung und einem Cliffhanger auf, der das Warten auf die Fortsetzung fast unerträglich macht.

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 25_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dort hin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu vernichten.

Steven weiß nun, wer er ist, oder vielmehr, was er ist. Jetzt liegt es an ihm, dieses Wissen für sich zu nutzen und den Kampf aufzunehmen. Die Zeit rennt. Bevor sich Steven seinen Gegnern im offenen Kampf stellen kann, gilt es jedoch, seinen Freunden zu helfen. Bakerman liegt im Sterben, und auch das beschaffte Unsterblichkeitselixier hat seinen Zustand noch nicht verbessert.

_Inhalt_

Während sich Steven und Larry nach den ereignisreichen Stunden, die sie mit der Suche nach Ila al Khalf verbracht haben, eine Pause gönnen wollen, bekommen sie einen Anruf. Sie vermuten Joyce am anderen Ende der Leitung mit einer Nachricht über Bakermans Zustand, da sie an seinem Bett wachen wollte. Stattdessen ist jedoch Julien Cardieux dran, der Bakerman auf dessen Wunsch hin in einen Hypnose-Zustand versetzt hat, um die Unsterblichkeitsessenz, das Ila al Khal, zu finden. Julien hat schlechte Nachrichten, sehr schlechte. Bakerman geht es nämlich immer noch nicht besser, da er das Elixier nicht getrunken hat. Joyce, die ihm dieses einflößen sollte, schlug Julien nieder und verschwand mit dem Trank.

Steven und Larry sind fassungslos, schließlich ist Joyce stets eine enge Vertraute gewesen und hat nie Anzeichen gegeben, das Team zu hintergehen. Steckt vielleicht jemand anderer dahinter, der Joyce nur für seine Zwecke missbraucht?

Steven und Larry bleibt nicht viel Zeit, und so machen sie sich in ihre Wohnung auf, um nach Hinweisen zu suchen, wo sie sich zurzeit aufhalten könnte. Tatsächlich finden sie eine Nachricht, die sie nach Ravenstone führt, jener Anstalt, in der auch Joyce als Kind untergebracht war. Kurz bevor sie aufbrechen wollen, werden sie von einem vermummten Einbrecher überrascht. Er schlägt sie nieder, noch bevor sie seine Identität klären können. Aber was immer er hier gesucht hat, Ila al Khalf ist ein Mittel, für das viele über Leichen gehen würden, nur um es in die Hände zu kriegen.

Als die Steven und Burns schließlich in Ravenstone eintreffen, wirkt alles verlassen. Aber sie sind auf der Hut, denn der Schein hat sie schon oft getrogen. Sie geben sich als Regierungsmitarbeiter aus, als sie die derzeitige Leiterin, eine Lucia Moreno, in den Hallen antreffen, wie sie gerade einen Patienten ruhigstellen will. Moreno hat kaum Hoffnung, dass die Anstalt noch lange betrieben wird. Zu viel ist in letzter Zeit vorgefallen. Von einer Joyce Kramer weiß sie allerdings nichts. So bleibt Steven und Larry nichts anderes übrig, als selbst Nachforschungen anzustellen. Sie bemerken nicht, dass Joyce ihr Kommen längst beobachtet hat. Geistig kontrolliert von Dr. Victor Zeysen, der sich im Kellergewölbe der Anstalt verschanzt hat, händigt Joyce Zeysen das Ila al Khalf aus und führt dann die weiteren Befehle aus: Larry ausschalten. Sie lockt ihn durch einen Anruf nach unten und richtet die Waffe auf ihn, während Bakerman alte Akten durchwühlt und auf Spuren von Zeysen stößt. Doch es ist bereits zu spät, denn der Doktor ist mit dem Trank längst davon und Joyce, wenn auch unter inneren Kämpfen leidend, hat Larry in ihrer Gewalt. Sie drückt zitternd ab und verpasst ihm glücklicherweise nur ein Streifschuss. Larry weiß, wenn er jetzt nicht handelt und seine Kollegin zur Strecke bringt, wird das seinen Tod bedeuten.

_Bewertung_

„R.“ setzt endlich die Haupthandlung fort und stellt Dr. Victor Zeysen, der in früheren Episoden bereits einige Auftritte gehabt hat, zu einem neuen, und sehr gefährlichen Widersacher in den Mittelpunkt. Dennoch greift die Folge 26 die in der vorigen Folge noch nicht abgeschlossenen Handlungsstränge auf und integriert sie mit dem Metaplot. Auf geschickte Weise gewinnt die Geschichte so wieder an Fahrt und treibt die Entwicklung der Charaktere voran. Zudem erfährt der Hörer, nachdem in „… dem Winter folgte der Herbst“ Bakerman seinen großen Auftritt hinlegen durfte, einiges über Joyces Vergangenheit und ihre Zeit in der Kinderklinik Ravenstone.

Emotional liegt „R.“ deutlich vor allen anderen Episoden, in denen nur einmal mehr ein „Monster der Woche“ bekämpft werden musste. Hier geht es um den Kampf mit sich selbst, um die Konflikte, die innerhalb der Gruppenkonstellation des Burns-Teams entstehen und dadurch das Gefüge zum Wanken bringen. Spannung wird nicht durch schleimiges Getier erreicht, sondern durch den Verrat, den Joyce begeht – und sei es auch durch fremde Kontrolle eines im Hintergrund agierenden Schurken. Der Tod steht im Zentrum, ist allgegenwärtig und bringt das Team am Ende sogar unverhofft in eine aussichtsreiche Position. Doch nur die Totgeglaubten wissen um ihren Vorteil, denn alle anderen gehen davon aus, dass sie wirklich gestorben sind.

Über die technische Qualität muss man kein Wort verlieren. Die Sprecher gehören zur ersten Garde, die Soundeffekte sind, wenn auch durch die Thematik der Folge nicht ganz so ausgereizt wie sonst, auf höchstem Niveau. Im Zusammenhang mit der rasanten Handlung und der geschickten Erzählweise reiht sich „R.“ in die |Gabriel Burns|-Reihe ein und lässt auf noch viele weitere Episoden dieser Machart hoffen.

http://www.gabrielburns.de/

|Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen|

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

Rademacher, Cay – Geheimsache Estonia (Lesung)

Warum am 27. September 1994 die Fähre |Estonia| auf halbem Weg zwischen Tallinn und Stockholm in der Ostsee versank, ist bis heute noch nicht restlos geklärt. Während der offizielle Untersuchungsbericht behauptet, dass die Unglücksursache die im schweren Sturm abgerissene Bugklappe des Autodecks sei, wollen die kritischen Stimmen, die behaupten, dass diese These widerlegende Beweise außer Acht gelassen und bestimmte Zeugenaussagen ignoriert wurden, nicht verstummen.

Bis heute gibt es keine zweifelsfreie offizielle Erklärung, warum die |Estonia| versank, und so wird es auch um die Verschwörungstheorien zum Untergang nicht ruhiger. Fakt ist, dass der Untergang der |Estonia| das schwerste Schiffsunglück der europäischen Nachkriegsgeschichte ist. 852 Passagiere starben in den kalten Fluten der Ostsee.

Cay Rademacher, der seit 1990 als Journalist der |Geo| arbeitet, hat sich dieses Stoffes angenommen und aus Fakten und Theorien einen Thriller geschrieben. Die Theorien, die sich um den Untergang ranken, muten teilweise so an, als wären sie einem Politthriller entsprungen – ideale Voraussetzungen für einen spannenden Plot.

Rademacher lässt seinen exzentrischen Protagonisten Claudius Graf Stackelberg bei einem Segelturn mit seiner Luxusyacht auf der Ostsee einen Attachékoffer aus der |Estonia|-Katastrophe finden. Stackelbergs Neugier ist geweckt und er fängt an, mit seinem Freund Wolf Jacobson erste Nachforschungen anzustellen. Als sie auf die ersten Widersprüche in den offiziellen Erklärungen zum Unglückshergang stoßen, ist ihr Ehrgeiz angestachelt. Stackelberg und Jacobson reisen nach Tallinn, um ihre Nachforschungen zu intensivieren.

Schon wenig später müssen sie die irritierende Erfahrungen machen, dass jeder, der etwas Genaueres über die Unglücksnacht auf der Ostsee sagen könnte, entweder schon tot ist oder wenig später unter verdächtigen Umständen stirbt. Und dann stellen Stackelberg und Jacobson auch noch fest, dass sich irgendjemand an ihre Fersen geheftet hat und alle ihre Schritte verfolgt. Doch in Tallinn finden sie auch Verbündete, die ihnen bei ihren Nachforschungen helfen.

Da wäre zum einen eine estnische Tänzerin, die an Bord der |Estonia| gearbeitet hat und nicht glauben will, dass ihre Schwester bei dem Unglück umgekommen ist. Dann wäre da noch ein ehemaliges Mitglied der schwedischen Untersuchungskommission, der nun auf eigene Faust die Unglücksursache lüften will, bevor der Lungenkrebs ihn endgültig dahin gerafft hat. Und dann wäre da noch ein schwedischer Wracktaucher, der nach dem Unglück zur |Estonia| hinuntergetaucht und sich sicher ist, dass für ihn dabei des Rätsels Lösung beinahe schon zum Greifen nahe war …

Rademacher lässt den Leser/Hörer zunächst einmal den Untergang der |Estonia| hautnah miterleben. Er schildert, wie die Passagiere an Bord in Panik darum kämpfen, der Katastrophe zu entrinnen. Nur wenige schaffen es bis in die Rettungsinseln und werden von den Rettungskräften geborgen. Rademacher schildert die letzten Minuten an Bord der untergehenden |Estonia| sehr eindringlich und sorgt so für einen intensiven und gleichermaßen beklemmenden Einstieg in das Buch.

Nach einem Zeitsprung setzt die eigentliche Handlung dann einige Jahre später ein, als Claudius Graf Stackelberg über die Ostsee schippert und, noch ahnungslos ob der Dinge, die er noch erleben wird, den Attachékoffer aus der Ostsee fischt. Stackelberg ist eine rundum exzentrische Hauptfigur: ein schwerreicher Millionenerbe, der gleich vom ersten Augenblick an so ziemlich jedes Klischee widerlegt, das man in ihm vermuten möchte. Er ist dick, Haribo-süchtig, schwul und universell gebildet. Ein Protagonist, der in keine Schublade passen will.

Sein (Hetero-)Freund Wolf Jacobson ist von nicht weniger sperriger Figurenskizzierung: ein langstreckenlaufender, erotisch gehemmter Epileptiker, der sich am liebsten hinter Büchern verkriecht. Gerade Jacobson ist eine Figur, die sich innerhalb der Handlung weiterentwickelt und sich damit zur heimlichen Hauptfigur mausert. Während man dem dicken Graf Stackelberg seine Abenteuerlust nicht immer so ganz abkaufen mag, entwickelt Jacobson einen intensiveren Bezug zur |Estonia|-Katastrophe und muss sich dabei seinen persönlichen Ängsten stellen. Auch wenn Rademacher das zum Ende hin ein wenig zu sehr auf die Spitze treibt, wirkt Jacobson insgesamt glaubwürdiger und authentischer.

Als die Handlung sich verdichtet, wirkt Stackelbergs mitunter saloppe Art irgendwie etwas deplatziert. Stackelberg wirkt nun wirklich nicht wie der Typ, der im Angesicht des Feindes noch witzige Sprüche reißt. Jemand, der bei einem Kampf nicht mehr in die Waagschale werfen kann als seine massige Leibesfülle, dürfte in Momenten körperlicher Bedrohung wohl kaum so sehr Herr der Lage sein, dass er noch Zeit für einen flotten Spruch hat. Das klingt dann doch eher nach Spider-Man.

Was den Plot betrifft, so mischt Rademacher munter Fakten und Fiktion. Er lässt die offiziellen Untersuchungsergebnisse ebenso einfließen wie den in Russland kursierenden so genannten „Felix-Report“, der ein anderes Bild der Katastrophe zeichnet. Anhand der Gedanken und Aussagen seiner Protagonisten exerziert er verschiedene Szenarien durch, die zum Untergang geführt haben könnten.

Die Theorien, die er vermutlich selbst als fiktionale Elemente einstreut, überzeugen mal mehr, mal weniger. Vor allem die Varianten, die im Verlauf der Handlung von verschiedenen Figuren zur Sprache gebracht werden, wirken doch eher haarsträubend als vorstellbar. Teilweise verknüpfen sie krampfhaft die |Estonia|-Katastrophe mit anderen Verschwörungstheorien und stehen damit als wirkliche Option eigentlich in keinem Augenblick zur Debatte. Vielmehr lassen sie die Figuren, die hinter diesen Theorien stehen, in einem etwas unglaubwürdigen Licht erscheinen.

Das finale Szenario, das Rademacher dem Leser ganz am Ende offenbart, kommt da sicherlich schon näher an die Realität. Keine schillernde Verschwörungstheorie mit unübersichtlichen, komplexen Verästelungen, sondern irgendwie fast ein bisschen banal. Aber so scheint sie immerhin schon eher im Bereich des Möglichen zu liegen, da sie sich obendrein mit einigen der offenen Fragen zum Untergang plausibel verknüpfen lässt, ohne die sonst für Verschwörungstheorien oft so gern bemühte verquere Logik.

Das wirklich Interessante an „Geheimsache Estonia“ dürfte aber die Verschmelzung von Fakten und Thrillerplot sein. Rademacher verschafft dem Leser einen schönen Überblick über das Unglück, die offizielle Version dazu und die fragwürdigen Punkte des offiziellen Untersuchungsberichtes. Hier hält sich Rademacher wirklich eng an die Tatsachen sowie Romanplot und Faktenschilderung in einer ausgewogenen Balance.

Stimmig fügt er Thrillerelemente ein, frisiert die realen Ereignisse und verhilft so der Geschichte zu ihren Spannungsmomenten. Das Ganze gipfelt in einem Finale, das erfrischend frei von übertriebenem Heldenpathos ist (wenn man mal von dem kleinen Ausrutscher Wolf Jacobsons absieht). Das Finale, das Rademacher inszeniert, wirkt durchaus glaubwürdig und hebt sich wohltuend von anderen ähnlich gelagerten Romanen ab. Rademacher scheint als Journalist eben eher einen Hang zum Realismus zu haben, und so ist das Finale geradezu bodenständig und unpathetisch.

Bleibt als schwerwiegendster Kritikpunkt eigentlich die Hörbuchproduktion von |Radioropa Hörbuch| festzuhalten. Mit Franziska Stawitz als Sprecherin wurde leider keine ganz so glückliche Wahl getroffen. Ihre Stimme klingt etwas farblos und stumpf und bringt nur wenig Variation für die verschiedenen Figuren auf. So ist der Vortrag an sich leider nicht sonderlich fesselnd, sondern eher eintönig und man wird eher durch die Spannung der Geschichte an sich bei der Stange gehalten als durch die Art und Weise der Lesung.

Es verbleibt unterm Strich ein positiver Eindruck mit vereinzelten Schönheitsfehlern. Rademacher mischt auf unterhaltsame Art Fakten und Fiktion. Seine Figuren sind interessante Antihelden, wenngleich die Figurenzeichnung des Graf Stackelberg schon ein wenig überspitzt wirkt. Umso ausgewogener und realistischer inszeniert Rademacher dafür das Ende. Ein solider Thriller, der vor allem diejenigen erfreuen dürfte, die sich für die Theorien zum Untergang der |Estonia| interessieren. Schade nur, dass die Hörbuchproduktion (gerade auch im Vergleich zu der Masse qualitativ so gut gemachter Lesungen, wie es sie derzeit am Markt gibt) den Genuss etwas schmälert.

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David Safier – Mieses Karma

Kim Lange strebt dem Höhepunkt ihrer Karriere entgegen, während ihre Ehe mit Alex ihren Zenit schon längst überschritten hat. So lässt die gefeierte Polit-Talkmasterin ihre Familie wieder einmal im Stich, als Tochter Lilly ihren fünften Geburtstag feiert. Kim hat schließlich Wichtigeres zu tun, als mit kleinen Kindern Topfschlagen zu spielen, und so nimmt sie noch am gleichen Tag stolz den Deutschen Fernsehpreis entgegen. So richtig genießen kann Kim ihren Triumph allerdings nicht mehr, da sie noch am gleichen Abend von den Überresten einer russischen Raumstation erschlagen wird. Aus und vorbei.

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Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – … dem Winter folgte der Herbst (Folge 25)

Unsterblichkeit. Kein Preis scheint zu hoch, um ein ewiges Leben führen zu können. Und gerade deshalb ist die Unsterblichkeit ein Ziel, für das man über Leichen gehen muss. Bakerman hat dies oft genug spüren müssen. Denn er ist mit einem langen Leben gesegnet. Freunde und Verwandte sind gestorben, während er weiterleben durfte. Doch auf welche Weise? Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, hat er die Identität gewechselt und den harten Kurs des Eigenbrötlers gefahren. Warum auch sollte er wieder Freundschaften schließen, wenn er weiß, dass am Ende der bittere Tod zwischen ihm und allen anderen Menschen steht?

Aber Bakerman muss erfahren, dass auch die Unsterblichkeit nicht ewig währt. Er ist noch immer auf das Elexir Ila al Khalf angewiesen, das ihn einst zu dem verlängerten Leben verholfen hat. Doch nirgends ist die Essenz mehr zu finden – natürlich heiß begehrt, wer will nicht ewig leben? So nähert sich der Tod, und es ist schon fast zu spät, als Bakerman erkennt, dass er im Sterben liegt. Es gibt nur noch einen Weg, das Elixier aufzutreiben. Ohne Hilfe wird er es nicht mehr schaffen. Er muss zurück, Jahrzehnte zurück. Und er sieht: „… dem Winter folgte der Herbst“.

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 24_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dort hin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu vernichten.

Steven weiß nun, wer er ist, oder vielmehr, was er ist. Jetzt liegt es an ihm, dieses Wissen für sich zu nutzen und den Kampf aufzunehmen. Die Zeit rennt. Doch bevor er sich seinen Widersachern stellen kann, gilt es, Bakerman zu helfen, denn dieser benötigt die Essenz eines Unsterblichkeitstranks, den er ohne Hilfe nicht mehr rechtzeitig beschaffen kann.

_Inhalt_

Bakermans Gesundheitszustand verschlechtert sich stündlich. Er benötigt Ila al Khalf, und er weiß, wie er es besorgen kann. Doch dazu müsste er in die Vergangenheit reisen, oder zumindest seinen Geist zurückschicken. Ihm fällt nur einer ein, dem es gelingen könnte, seine Seele auf diesen Trip zu schicken: Julien Cardieux. Julien ist der Sohn eines engen Vertrauten Bakermans, und zurzeit als Spiritist unterwegs, um zahlungskräftigen Kunden ihre Zukunft vorherzusagen. Joyce hat Julien stets als Schwindler abgetan. Nun muss sie sich eines Besseren belehren lassen und ihn schleunigst finden.

Glücklicherweise ist Julien schnell auszumachen, doch er ist schlecht auf Bakerman zu sprechen, der ihm einst verwehrt hat, in das Team aufgenommen zu werden. Umso erstaunter ist er, und zunächst nicht zur Kooperation bereit, als Joyce ihn flehentlich bittet, dem kranken Mann zu helfen. Nur widerwillig ist er dazu bereit, doch als er ihr folgt und sieht, wie schlecht es um Bakerman steht, beginnt er sofort mit der Hypnose, um den Geist vom Körper zu lösen und auf die Reise zu schicken.

Bakermans Hülle bleibt in der Gegenwart, doch nicht seine Seele, die es nach Vancouver zum Ende des 19. Jahrhunderts verschlägt – 120 Jahre in der Zeit zurück. Auf den Tag genau, an dem ein riesiges Feuer die damals noch kleine Stadt Kanadas heimsucht und etliche Todesopfer gefordert hat.

Bakerman gelangt jedoch nicht direkt nach Vancouver, sondern findet sich einem Waldstück einige Meilen vor den Stadttoren wieder. Die Schwäche, die seinen Körper ans Bett gefesselt hat, ist von ihm abgefallen, aber er weiß, dass die Zeit ihm davonrinnt und jede Sekunde wertvoll ist. Eine Holzhütte ist das Erste, auf das er stößt. Das Grauen will aber auch in der Vergangenheit nicht von ihm weichen: In dem kleinen Haus findet er einen blutig niedergeschlagenen Mann und einen weiteren, der gerade durch die Hintertür flieht und das Weite sucht. Bakerman kann dem Opfer nicht mehr helfen. Um mit seinem neumodischen Äußeren nicht aufzufallen, bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als dessen Kleidungsstücke anzulegen.

Dumm nur, dass die nächste Person, der er begegnet, die Kleidung dem Verstorbenen zuordnen kann. Bakerman kann ihn gerade bewusstlos schlagen, als der oberste Polizeiinspektor Vancouvers vorbeikommt. Dieser merkt jedoch nichts, so dass Bakerman sich ihm auf dem Weg in die Stadt anschließen kann und so einiges über das genaue Datum erfährt und auch über die Person, die er durch die Zeitreise finden will: Pandialo. Er ist der Schlüssel zum Unsterblichkeitselixier, so viel ist klar, doch Pandialo ist Ende des 19. Jahrhunderts offiziell nicht mehr als ein Wahrsager, der einem Wanderzirkus angehört. Und dieser ist längst aus Vancouver abgereist. Über eine Tänzerin kann Bakerman schließlich die Fährte aufnehmen und dem Wanderzirkus folgen. Doch Verfolger sind ihm dicht auf der Spur und setzen alles daran, um ein Treffen zu verhindern.

_Bewertung_

Die Folge „… dem Winter folgte der Herbst“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Ebenso wie die vorige Episode zögert sie den Metaplot in der |Gabriel Burns|-Reihe einmal mehr heraus und beginnt einen völlig neuen Handlungsstrang. Das spricht zwar für deren Komplexität und steht auch ganz im Zeichen der bisherigen Serien, in der Elemente immer erst sehr viel später wieder aufgegriffen worden sind, hat aber dennoch einen schalen Beigeschmack. Schließlich kann der Reiz auch wieder verloren gehen, wenn ein zentrales Motiv, in diesem Fall die Erkenntnis Steven Burns über seine Herkunft und sein Wesen in Folge 23, komplett in den Hintergrund rückt und nicht mehr beachtet wird. Ein Ende ist also nicht in Sicht, doch die Hoffnung stirbt zuletzt, dass die Haupthandlung in Kürze weiter an Fahrt gewinnt. Ungeachtet dieser Verzögerungstaktik, die man natürlich auch unter dem Gesichtspunkt sehen kann, dass es mit der Geschichte noch lange weitergehen soll, ist die Episode „… dem Winter folgte der Herbst“ gelungen und überzeugend übergesetzt.

In einigen früheren Folgen ist bereits mit der Verknüpfung historischer Ereignisse und der Gegenwart ein interessanter Ansatz verfolgt worden, der nun erneut genutzt wurde, um die Geschichte anhand zweier Zeitstränge zu verweben. Dabei ist nicht die Reise in die Vergangenheit an sich das, was die Folge ausmacht, sondern die Auswirkungen der in der Vergangenheit ausgeübten Handlungen, die mit der Gegenwart verwoben werden. Obwohl der Schwerpunkt auf dem Vancouver des 19. Jahrhunderts liegt, findet das Finale im jetzigen Vancouver statt.

Die Einbindung des geschichtlichen Hintergrunds in Form des Feuers, das Vancouver vor 120 Jahren heimgesucht hat, wirkt passend und ergänzt die Episode um ein weiteres gewinnbringendes Motiv. Die Sprecher, Geräuschkulisse und Musik sind wie eh und je erstklassig und machen den Trip in die Vergangenheit zu einem unterhaltsamen Hörgenuss. Eigenartig klingt nur die Stimme Steven Burns‘. Obwohl sich seine Passagen in dieser Folge im Rahmen halten, spricht er mit leicht veränderter Klangfarbe. Bloßer Zufall, die ungewollten Nebenwirkungen eines schlechten Tages oder einer Erkältung oder steckt doch mehr dahinter? Hoffentlich geben die nächsten Folgen eine Antwort – oder auf eine der anderen Fragen, die noch offen sind.

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|Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen|

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

McIver, Joel – Metallica: Justice For All – Die Wahrheit über Metallica

Die Story von |Metallica| ist einerseits durch die jahrelange, stete Medienpräsenz prinzipiell kein Mythos mehr; zu tief haben sich die Schicksalsschläge sowie die späteren musikalischen Wandlungen eingebrannt, zu oft wurde eigentlich schon darüber diskutiert. Und dennoch bietet der Stoff, aus dem diese vier Helden gemacht sind, noch einige Geheimnisse, Enthüllungen, die nur Insidern bekannt sind, aber auch Tiefpunkte, die bislang gerne mal verschwiegen wurden, um das Saubermann-Image der wohl größten Metal-Band des Planeten zu wahren. Joel McIver veröffentlichte vor einiger Zeit in seinem Buch [„Justice For All: Die Wahrheit über Metallica“ 1303 eine ganze Palette verschwiegener Fakten und eher versteckter Hintergründe. Von den schwierigen Anfängen, den Startschwierigkeiten über den langsamen Erfolgsweg bis hin zum Sprung an die Spitze einer ganzen Bewegung, die der Autor berechtigt als ein Lebensgefühl beschreibt, zeichnet er die Geschichte der Band chronologisch nach und lässt dabei wirklich kein Detail aus. Aufgrund der aktuellen Popularität des Metiers wurde diese Dokumentation nun auch als Hörbuch veröffentlicht, als solches aber natürlich in stark gekürzter Form. Claude-Oliver Rudolph hatte die Ehre, den geschnittenen Vortrag über die Giganten zu halten – und er schlägt sich bisweilen achtbar.

Allerdings kann die Hörbuchfassung den dicken Wälzer keinesfalls ersetzen; alleine dadurch, dass man verpflichtet war, sich aufs Wesentliche zu beschränken, reduziert man die Story im Endeffekt wieder nur auf all die Inhalte, die dem geneigten Fan im Grunde genommen eh schon bewusst ist. Hier und dort gibt es zwar noch einige Infos über den Studioaufenthalt zu „Ride The Lightning“ oder den Zwist zwischen der Band und Dave Mustaine, aber es ist eigentlich nichts dabei, was man nicht schon längst in Erfahrung gebracht hätte. Dennoch wäre es im Rahmen des Hörbuchs sicherlich möglich gewesen, bei gleichem Umfang besseres Infotainment zu bieten; so ist es zum Beispiel extrem anstrengend, wenn Rudolph zu jeder Tour nahezu alle Auftrittsorte auflistet und so die gut erzählte Geschichte immer wieder aus dem Zusammenhang reißt. Der Fakt, dass das Ausmaß der Tourneen ständig ins Unermessliche wuchs, hätte als Randinformation hier ganz bestimmt ausgereicht. Des Weiteren offenbart der Lektor zumindest bei seinem Grundwissen über die Band einige Schwächen; Songtitel werden falsch ausgesprochen, und zwischenzeitlich kommt es immer wieder zu Artikulierungsfehlern, über die sich der scharfsinnige Fan – und der ist nun mal der zentrale Punkt der angesprochenen Zielgruppe – brüskieren wird.

Und genau dies sind schließlich die Mankos, die im direkten Vergleich zur Vorlage nichts anderes als den Schluss zulassen, dass die Rundumbedienung in Buchform auf jeden Fall vorzuziehen ist. Zwar kann diese nicht die musikalischen Beiträge der beiden CDs ersetzen (hier covern einige Künstler, darunter auch |Motörhead|, Songs wie ‚Enter Sandman‘ und ‚Whiplash‘), aber der tatsächliche Gehalt ist doch um ein Vielfaches größer. |Metallica|-Fans hatten es in den letzten Jahren sowieso nicht sonderlich bequem, warum sollte sich daran also nun etwas ändern: Meine Empfehlung geht an das Buch; die zugehörige Doppel-CD taugt indes lediglich als Ergänzung.

http://www.nuclearblast.de/index_entry.php

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Im Land des Vampirs (Folge 38)

_Story_

John Sinclair ist es von Beginn an nicht geheuer, dass der zwielichtige Privatdetektiv Jan Ziegler ihm einige unglaubliche Enthüllungen offenbaren möchte. Dennoch lässt er sich auf dessen Einladung ein und folgt ihm ins Kosmetik-Labor der Firma Fariac Cosmetics. Dort hat Ziegler kürzlich ein seltsames, abstoßendes Mosaik aufgespürt, das ganz und gar nicht mit dem Image der Firma zu vereinbaren ist. Und dann geschieht es: Sinclair verschwindet im Mosaik, und während Ziegler noch ungläubig nach seinem Zweckverbündeten sucht, wird er auch schon hinterrücks erstochen und anschließend in der Themse ‚entsorgt‘.

Derweil traut der Geisterjäger seinen Augen nicht; er wurde mittels eines merkwürdigen Portals ins 17. Jahrhundert teleportiert und muss dort direkt seinen Mann stehen, als eine Zigeunerfamilie von einem Söldnerheer gehetzt wird. Es handelt sich dabei um die Familie Marek, die John alsbald in Verbindung mit seinem alten Gefährten Frantisek Marek bringt, mit dem er einst Draculas Sohn pfählte. Und diese Verbindung scheint sich immer mehr zu bestätigen, als Sinclair von der Existenz des Vampirgrafen Fariac erfährt, der die Menschen unterdrückt und Leute aus der Unterschicht gnadenlos unterwirft.

Gemeinsam mit Ilona und Stephan Marek begibt er sich auf die Suche nach dem vermissten Sprössling Karel, dem einzig verbliebenen Hoffnungsträger und Stammhalter der Familie. Doch schneller als befürchtet geraten sie erneut ins Kreuzfeuer der Blutsauger und deren Anhänger. Und während man im London der Jetztzeit vergeblich nach Sinclair fahndet, muss dieser seine Qualitäten ohne die bekannten Hilfsmittel im Deutschland nach dem 30-jährigen Krieg unter Beweis stellen. Allerdings scheinen die Gegner dieses Mal geradezu unbezwingbar.

_Persönlicher Eindruck_

Wow, kaum zu glauben, dass es dem Regie-Team der Sinclair-Hörspiele immer wieder gelingt, einen echten Meilenstein – und als solchen möchte ich die grandiose, vorangegangene Folge [„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 einfach mal bezeichnen – noch einmal zu übertreffen. Zwar sollten vorschnelle Urteile bei einem Dreiteiler, wie er mit „Im Land des Vampirs“ gerade erst eröffnet wird, immer mit Vorsicht zu genießen sein, doch birgt alleine die erste Episode dieser neuen Trilogie schon ein derartiges Potenzial, dass die Spannung schon in der Anfangsphase der Riesenstory ins Unermessliche steigt.

Dabei ist der Hintergrund der Handlung alles andere als innovativ, schließlich gibt es Geschichten über unfreiwillige Zeitreisen selbst in diesem Metier wie Sand am Meer. Doch alleine schon durch die geschickte Verknüpfung mit vorherigen Hörspielen (in diesem Falle wird [„Der Pfähler“ 2019 aufgegriffen) zeigt sich wiederum die Brillanz, die Dark beim Verfassen seiner Vampirromane an den Tag legt. So ist „Im Land der Vampire“ neben der spannenden Hauptstory mit vielen Aha-Effekten und Déjà-vu-Erlebnissen angereichert worden, deren bloße Existenz das Hörspiel nicht bloß allgemein bereichert, sondern auch eine stetig wachsende Begeisterung auslöst, die sich zunächst ganz unabhängig vom neuen Plot entwickelt, in Kombination mit den frischen Ideen dann aber regelrecht zur Euphorie führt. Darüber hinaus kann die neueste Episode mit einer ganzen Reihe humorvoller Situationen aufwarten; so bringt der Protagonist immer wieder einige moderne Redewendungen ein, die an der jeweiligen Stelle ohne das entsprechende Bedeutungswissen gar nicht eingeordnet werden können. Permanent muss er sich letztendlich korrigieren, damit seine Kommentare nicht falsch interpretiert werden und seine bissige Ironie ihn nicht ins Verderben stürzt, was wiederum in mancher Passage gar vernichtende Auswirkungen haben könnte.

Andererseits soll dies nicht bedeuten, der Inhalt würde infolge dessen seine Ernsthaftigkeit verlieren. Das genaue Gegenteil ist nämlich der Fall, denn bisweilen geht es „Im Land des Vampirs“ ziemlich blutig zu, angefangen beim Attentat auf Jan Ziegler über die brutalen Übergriffe der Vampire bis hin zur Ermordung eines Hauptdarstellers. Ab und an wünscht man sich dabei zwar schon, dass man mit den einzelnen Todesfällen etwas seriöser umgehen würde – dies würde der Geschichte dann auch den letzten fehlenden Funken Authentizität verpassen – aber im Zuge der temporeich verlaufenden Ereignisse geht dies schließlich in Ordnung und sorgt ungewollt(?) dafür, dass die Story zu keinem Punkt ein Übergewicht in Sachen Pathos bekommt.

Entscheidend für den wirklich uneingeschränkt überzeugten Gesamteindruck ist indes einmal mehr die wunderbare Atmosphäre. Hier ist es Regisseur Oliver Döring sehr gut gelungen, die Kontraste zwischen den beiden Welten, in denen die Geschichte spielt, hervorzuheben und durch die starke Betonung der Wendepunkte des Geschehens echte Akzente zu setzen. Der überragende Spannungsaufbau scheint daher nur noch Formsache und ist schlussendlich das Sahnehäubchen eines brillanten Eröffnungshörspiels einer sehr viel versprechenden, neuen Trilogie um den geschätzten Geisterjäger. Wenn sich da mal kein Klassiker anbahnt …

http://www.sinclairhoerspiele.de/
http://www.luebbe-audio.de

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – Der Erste der Zehn (Folge 24)

Das Geheimnis um Steven Burns‘ Gabe ist, zumindest teilweise, aufgedeckt. Er ist ein Grauer Engel – ein Geschöpf, das er sich stets geschworen hatte zu bekämpfen. Und nicht nur das, Steven ist sogar der erste von ihnen, der gefallene Engel Gabriel. Ist er nun dazu verdammt, eine willenlose Figur im Spiel der Mächte zu sein, die an den zehn fahlen Orten die Tore ins Jenseits und der Hölle öffnen wollen, damit unaussprechliche Kreaturen die Erde verschlingen können? Ist Steven der Schlüssel, der das Grauen nicht verhindert, sondern heraufbeschworen hat? Oder gelingt es ihm, seine Gabe zu nutzen, seine Kräfte zu regulieren und die zehn fahlen Orte stattdessen zu versiegeln? Steven muss es herausfinden, und zwar schnell, denn Vancouver steht kurz vor dem Fall.

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 23_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dort hin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden sollen, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu vernichten.

Steven weiß nun, wer er ist, oder vielmehr was er ist. Jetzt liegt es an ihm, dieses Wissen für sich zu nutzen und den Kampf aufzunehmen. Die Zeit rennt.

_Inhalt_

Folge 24 „Der erste der zehn“ der |Gabriel Burns|-Reihe knüpft direkt an die vorige Folge an. In einem kurzen Rückblick erwacht Steven Burns aus seiner psychedelischen Horrorvision und findet sich in dem mittlerweile leer stehenden Gefängniskomplex von Fairlane wider. An genau diesem Ort hat ihn Bakerman einst als kleines Kind gefunden. Kann das Zufall sein? Völlig durcheinander und von Stimmen in seinem Kopf verwirrt, sucht sich Steven seinen Weg nach draußen und irrt dort durch die ebenso verlassene und öde Wildnis. Alles ist menschenleer, nirgends ist ein Dorf zu sehen. Glücklicherweise gelingt es ihm schließlich, Larry zu kontaktieren, der ihn mit Hilfe der vagen Umgebungsbeschreibung tatsächlich nach Tagen der Suche findet. Mit dem Wagen, einem alten Landrover, geht es wieder Richtung Heimat.

Steven bleibt wortkarg und lauscht während der Fahrt dem Radio. In den Nachrichten ist von einer Quarantänezone in Bukarest die Rede. Niemand weiß etwas Genaues. Larry kann Steven jedoch darüber in Kenntnis setzen, dass Bakerman und Joyce in die Region geflogen sind, um sich vor Ort über die tatsächlichen Hintergründe zu informieren. Für einen kurzen Augenblick im Gespräch vertieft und abgelenkt, bemerkt Larry nicht, wie plötzlich eine Frau auf der Fahrbahn steht. Der Landrover erwischt sie noch, doch als Larry anhält, scheint die Frau unverletzt – sie hat noch nicht einmal einen Kratzer. Einen Augenblick später ist sie spurlos verschwunden.

Steven und Larry vermuten das Schlimmste und halten an einem nicht weit entfernten Bistro an der Straße an. Die Bedienung in dem heruntergekommenen Schuppen reagiert nervös, von der Frau auf der Straße will sie aber nichts gesehen haben. Steven entdeckt jedoch draußen auf dem Parkplatz eine Frau oder besser gesagt, von einem parkenden LKW auf dem Parkplatz verdeckt, nur deren Füße und Beine. Doch er hat keinen Zweifel, dass es sich um dieselbe Person handelt. Auf alles vorbereitet, geht er nach draußen und erlebt dort wahrhaftig eine Überraschung.

Im Wechsel zum ersten Handlungsstrang, und nur lose durch die Radionachricht mit diesem verbunden, wird in einem zweiten die Perspektive auf Bakerman und Joyce gerichtet. Sie sind bereits in Bukarest angekommen und wollen einen Kontaktmann treffen, um an Informationen über die Absperrungen mehrerer Ortsteile zu kommen und ihre These, Bukarest könne einer der zehn fahlen Orte sein, zu untermauern. Anstatt ihren Kontaktmann zu treffen, finden sie am vereinbarten Treffpunkt, einer Wäscherei, jedoch nur Leichen vor. Es sieht alles danach aus, als ob jemand mit aller Macht verhindern will, dass nicht das kleinste Gerücht nach draußen dringen.

Während sich die beiden in dem Gebäude umsehen, bemerken sie, wie ein Wagen vor dem Haus hält. Mehrere schwer bewaffnete Männer kommen heraus und wollen die Wäscherei stürmen. Bakerman und Joyce bleibt nur die Treppe nach oben, wo ihr Weg sie aufs Dach führt. Dort finden sie tatsächlich ihren Kontaktmann, der ihnen verrät, dass ihm keine andere Wahl blieb, als sie in eine Falle zu locken. Aber er steht noch immer auf ihrer Seite. So fasst er einen lebensmüden Plan und wirft sich den nach oben stürmenden Männern in den Weg, um Bakerman und Joyce die Flucht über eine Feuerleiter zu ermöglichen.

Sie können tatsächlich türmen und alles in die Wege leiten, um mit einem Hubschrauber aus der Stadt geflogen zu werden. Zur ihrer Überraschung gibt ihnen das, was sie dort aus der Luft sehen, mehr Antworten als alle Nachforschungen, die sie bisher eingeholt haben. Eine riesige Traube an Menschen, geistig kontrolliert von ausgesandten Funkwellen, hat sich vor einem meterhohen Feuer versammelt und wirft sich selbst in die Flammen. Noch bevor die beiden realisieren, was dort vor sich geht, verliert auch ihr Pilot die Kontrolle über seinen Geist und steuert direkt auf das Feuer zu.

_Bewertung_

Nach den Antworten auf eine der wichtigsten Fragen der gesamten |Gabriel Burns|-Reihe, die in der letzten Folge gegeben worden sind, muss „Der erste der zehn“ ein schweres Erbe antreten. Dies gelingt der Episode erwartungsgemäß nicht. Man merkt den beiden Geschichten an, dass sie nur als Überleitung dienen und nicht mehr sind als ein bloßes Zwischenspiel. Doch darin erfüllen sie durchaus ihren Zweck und erhöhen die Erwartungshaltung auf die kommenden Ereignisse in Vancouver nur noch stärker. Die Handlung rund um Steven spielt sich lediglich auf der – zugegebenermaßen langen – Landstraße zwischen Fairlane und Vancouver und einem an der Straße gelegenen Bistro ab. Sie erfüllt nur den Zweck, dass Steven hier zum ersten Mal bewusst und von ihm selbst gesteuert die Möglichkeiten nutzt, die ihm als Grauer Engel zur Verfügung stehen. Ein erster Eindruck also, wie Steven fortan kämpfen wird und auch kämpfen muss, um gegen die wirklichen Gegner zu bestehen.

Die Ereignisse in Bukarest tragen da schon mehr zum Metaplot bei, wenngleich sie nur schildern, wie die Vorbereitungen um die zehn fahlen Orte allmählich ihre Wirkung zeigen.

Etwas schade ist, dass beide Handlungslinien so gut wie nicht miteinander verknüpft sind und in eine Folge gepackt werden mussten, weil sie einzeln nicht genug hergegeben hätten. So bleibt es also bei einem kurzen Intermezzo und der Hoffnung, dass die Geschichte bald wieder an Fahrt gewinnt. Aber „Der erste der zehn“ deutet unweigerlich darauf hin.

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|Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen|

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

Merlau, Günter – Weißes Gold (Die Schwarze Sonne 3)

Folge 1: [„Das Schloss der Schlange“ 2317
Folge 2: [„Böses Erwachen“ 4022

_Story_

Nathaniel des Salis und Adam Salton stehen immer noch unter Schock, bedingt durch die grausamen Ereignisse, die sie durch das Wirken der brutalen Arabella March erfahren haben. Gemeinsam gelingt den beiden die Flucht nach Bombay, wo sie sich erst einmal bei einer alten Bekannten Nathaniels in Schutz wähnen. Doch das Verhältnis der beiden ist stark angeschlagen; Adam hat das Vertrauen in seinen Mentor verloren, weil er an seiner Seite die wichtigsten Menschen in seinem Leben verloren hat. Und auch die neuen Geheimniskrämereien des Herren de Salis gefallen dem jungen Salton ganz und gar nicht.

Sein Begleiter ist jedoch vorerst nicht bereit, ihm die Augen zu öffnen und die Hintergründe seiner neuerlichen Verbindung mit Helena Blavatsky zu erläutern. Salton weiß nur von dem Weißen, einer mystischen Kraft, die alles in sich einsaugt, Seelen raubt und droht, ihn und seine Gefährten um den Verstand zu bringen. Doch er kann nicht einordnen, was sich dahinter verbirgt und reibt sich immer häufiger mit dem von Wissenschaftsgeist durchtränkten de Salis. Dennoch schließt Adam sich Nathaniel fast bedingungslos an und kann zur Stelle sein, als de Salis Opfer eines verheerenden Unglücks wird, welches Adam langsam aber sicher die Augen öffnet. Nathaniel ist scheinbar hinter einem mystischen Gegenstand von unschätzbarem Wert her – und derart von seiner Aura gefesselt, dass er leichtfertig ins Verderben rennt.

_Persönlicher Eindruck_

Schon einmal vorab: Die schwierigste Aufgabe bei dieser Kritik besteht darin, eine Inhaltsangabe zu verfassen, ohne dabei zu viel zu verraten, das Geschehene aber dennoch präzise und kompakt auf den Punkt zu bringen. Mit der dritten Episode der immer noch recht frischen Hörspielreihe sprengen Günter Merlau und seine Mitstreiter nämlich sämtliche Grenzen eines jeden Genres, begeben sich inhaltlich sogar auf teils brisantes Terrain und führen die Story auf insgesamt drei verschiedenen Zeitebenen fort, wodurch so manche vorab erdachte Klarheit in Windeseile wieder aus dem Zusammenhang gerissen wird.

Abseits der abenteuerlichen Reise von Nathaniel und Adam führt der Regisseur seine Hörerschaft nämlich zwischenzeitlich ins Deutschland der Vorkriegszeit, während der SS-Reichsführer Heinrich Himmler an der Seite seines zwielichtigen Begleiters Weisthor einige okkulte Forschungen vorantreibt und im Glauben, die Ursprünge der arischen Rasse entdeckt zu haben, die Unsterblichkeit greifbar wähnt. Aber auch die Jetztzeit wird überraschenderweise mit einem Mal in die Story aufgenommen; ein Hauptmann namens Berger wird vom Geheimdienst nach Tibet entsandt, um die einstigen Forschungen des dritten Reiches fortzuführen und entdeckt dabei einen rätselhaften, mittlerweile schon vergilbten Brief, der vor einer halben Ewigkeit an einen gewissen Nathaniel de Salis gerichtet war.

Wer nun aber glaubt, dass sich bedingt durch die hier aufkeimenden Zusammenhänge der Kreis langsam aber sicher zu schließen beginnt, unterliegt einer vollkommenen Täuschung. Denn wie schon bei den vorangegangenen beiden Episoden glaubt man am Ende der Erzählung, gerade erst am Anfang des Plots zu stehen, weil sich immer wieder neue Informationen ergeben, die Zeiten mit wachsender Dauer immer verwirrender durcheinander geworfen werden, inhaltlich beinahe im Minutentakt Unglaubliches bewegt wird und zu guter Letzt so viele neue, voneinander unabhängige Charaktere in die Handlung eingeführt werden, dass man leicht den Überblick über Geschehen und Figuren verliert. Keine Frage, nach den okkulten Zwischenspielchen in Folge 2 nimmt die Geschichte nun eine weitere Kehrtwende auf, verändert dabei auch wieder völlig den Charakter der Serie und führt den konzentrierten Zuhörer minutiös von einem inhaltlichen Scherbenhaufen zum nächsten.

Verwirrung pur also und eine Verdreifachung des Anspruchs bzw. der Anforderung an den Interessenten, der mittlerweile nicht nur bloß ein guter, aufmerksamer Zuhörer sein muss, sondern auch einige historische Vorkenntnisse benötigt, um die Rolle einzelner Personen einordnen zu können. Jules Verne und Himmler sind dabei noch die Speerspitze (wie gut dieser Begriff passt, soll in Zukunft noch erläutert werden), doch ist es auch erforderlich, dass man die Bedeutung gewichtiger Personen wie Helena Blavatsky einzuordnen versteht. Weiterhin sollte man sich auch ein wenig mit den geheimen Forschungen der SS-Zeit beschäftigt haben, um die gesamte Tragweite des Dramas zu erfassen, das Merlau hier unheimlich fokussiert vorantreibt und in einen Kosmos verwandelt, den zu erfassen es schon etwas mehr bedarf als des einmaligen Durchlaufs des Hörspiels.

Doch jenseits der Konfusionen und der umfassenden, kontinuierlich komplexer werdenden Story entwickelt sich im Laufe der Zeit eine Begeisterung und vor allem eine Faszination für den Ideenreichtum des Regisseurs, wie man ihn weder im Hörspiel-Genre in den letzten Monaten, noch generell beim qualitätsbewussten |Lausch|-Label bislang erleben durfte. Der Gedanke, dass „Die Schwarze Sonne“ ein wahrhaftiges Monster ist, eine Lawine, die gerade erst ins Rollen gebracht wurde, manifestiert sich immer stärker, und je weiter man sich schließlich vertieft und von all dem mitreißen lässt, desto eindrucksvoller erscheint einem schlussendlich das Ergebnis, das in diesem Fall auf den Titel „Weißes Gold“ hört.

Doch Vorsicht ist auf jeden Fall geboten, denn Verständnisprobleme werden im Kampf mit den verzwickten und verstrickten Inhalten an der Tagesordnung sein, weil das Tempo und vor allem die Zeitsprünge den Hörer regelrecht überrollen. Aber der Lohn der Mühen ist ein großer; „Weißes Gold“ etabliert „Die Schwarze Sonne“ nämlich endgültig als die wertvollste deutschsprachige Serie auf dem Markt, bei der sowohl Inhalt, Struktur als auch die brillante Besetzung die Referenzklasse in ihrem Bereich darstellen. All diejenigen, die dem werdenden Kult bislang nicht verfallen sind, müssen spätestens jetzt zuschalten!

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Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – Bereit (Folge 23)

Die |Phase: Fleisch| ist mit Folge 22 abgeschlossen worden. Doch diese Phase hat nur am Anfang gestanden und keineswegs das Ende der |Gabriel Burns|-Hörspielreihe markiert. Im Gegenteil, das Grauen wird nun konkreter und die Geheimnisse, die sich im Laufe der Episoden angesammelt haben, harren darauf, endlich gelüftet zu werden. So steht „Bereit“, die nunmehr 23. Folge der Mystery-Reihe, ganz im Zeichen der Offenbarungen und verspricht seinen Hörern, die lang ersehnten Antworten zu geben – selbstverständlich nur häppchenweise und innerhalb eines angemessenen Spannungsbogens. Schließlich soll das Hörspielerlebnis nicht mit einem Mal zu Ende gehen.

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 22_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dort hin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden sollen, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu verschlingen.

Auf einer ihrer letzten Expeditionen hat es das Team dabei nach Vietnam verschlagen, wo die bisherigen Ereignisse um die fahlen Orte zusammengelaufen sind. Doch Steven und Co. haben es nicht verhindern können, dass die erste Phase, die Phase der Fleischwerdung, abgeschlossen worden ist. Doch an Aufgabe ist nicht zu denken: Der Kampf hat gerade erst begonnen …

_Inhalt_

Folge 23 „Bereit“ startet mit einem Rückblick. Bakerman ist in einer schottischen Kneipe in Edinburgh mit einem Norman Osgood in eine Schachpartie verwickelt, die er für sich entscheiden kann. Nicht nur einmal, jede Revanche gewinnt Bakerman für sich – bis Osgood die Beherrschung verliert und seine Waffe zieht. Doch Bakerman ist schneller und kann sein Gegenüber mit einem Messer zur Strecke bringen. Doch den Tod Osgoods hat er nicht gewünscht. Osgood war kein Bösewicht, sondern nur ein verwirrter Irrer, den er nicht ermorden wollte. Bakermane schwört sich, nie wieder hierher, nach Edinburgh zurückzukehren. Aber die Dinge nehmen ihren Lauf und zwingen ihn, ebendies Jahrzehnte später zu tun.

Bakerman ist mit dem Zug in Schottland unterwegs zum Rannoch Moor, wo er Stevens Eltern einen Besuch abstatten will. Mitten im sumpfigen Morast kommt der Zug durch die Notbremse zum Stehen und Bakerman erkennt im Moor eine Gestalt, die ihn an Osgood erinnert. Entgegen aller Warnungen steigt er aus und tritt tatsächlich einer Osgood, allerdings einer Laura Osgood entgegen. Sie hat von Bakermans Anreise erfahren und will ihren vor Jahren getöteten Vater rächen. Bakerman will Osgood beruhigen, doch die Frau reagiert völlig apathisch. Als sie sich plötzlich in einen Grauen Engel verwandelt, weiß Bakerman, dass er einen Fehler gemacht hat. Es ist zu spät. Als er in eine Moorgrube geschleudert wird und spürt, wie sein Körper nach unten gezogen wird, sieht er bereits sein Leben an ihm vorbeirauschen.

Szenenwechsel: Steven ist zu Besuch bei seinen Eltern und bereitet sie darauf vor, dass Bakerman in Kürze eintrifft, da er sie ein weiteres Mal über Daniel befragen möchte. Seine Eltern führen eine Jugendherberge in dieser düsteren Gegend und kommen mehr schlecht als recht über die Runden. Viel zu besprechen hat Steven mit ihnen über Bakermans anstehenden Besuch hinaus jedoch nicht, denn seine Aufmerksamkeit wird schnell von dem Mädchen namens Anny eingenommen. Sie leidet unter Epilepsie und wird von Stevens Mutter betreut. Es ist aber nicht die Krankheit, die ihn stutzen lässt. Anny wird nämlich nächstens in ihren Träumen von Geistern heimgesucht, von den toten Kindern aus Moat Palon. Und eine Frau sei ihr erschienen, die ihr angekündigt habe, sie bald ebenso wie die anderen Kinder zu verschleppen. Steven ist beunruhigt und glaubt dem Mädchen. Obwohl er in der kommenden Nacht bei ihr im Zimmer bleibt, kann er nicht verhindern, dass sie am nächsten Morgen verschwunden ist.

Die Ereignisse überschlagen sich. Steven sieht eine Verbindung zwischen Anny und seinem Bruder Daniel und sucht ortskundige Führer auf, die ihn nach Moat Palon, einer alten Brückenanlage weit draußen im Moor, bringen soll. Zwischenzeitlich taucht auch Bakerman auf, völlig von vertrocknetem Schlamm bedeckt. Doch die Zeit rennt davon und Erklärungen über Bakermans Erscheinen müssen warten. Als die beiden endlich Moat Palon erreicht haben, wittern sie bereits die Falle. Aber es ist zu spät zur Umkehr und Steven fühlt, dass er hier Antworten finden kann. Dann taucht plötzlich wieder Laura Osgood auf und verwandelt sich erneut in einen Grauen Engel. Bakerman will fliehen, doch Steven hat es satt, immer wieder wegzurennen. Er will kämpfen und hält direkt auf das Ungeheuer zu – als es sie beide in ihrer Berührung verschluckt, zu einem Ort, an dem Steven endlich erfährt, wer er wirklich ist.

_Bewertung_

„Bereit“ leitet eine neue Phase in der Hörspielreihe „Gabriel Burns“ ein. Mussten Steven und sein Team bisher in Erfahrung bringen, mit welchen Widersachern sie es zu tun haben, welche Monstrositäten diese Welt bedrohen und welche Geheimnisse darauf warten, gelüftet zu werden, so geht mit Folge 23 ein kleiner Bruch daher. Die zehn fahlen Orte sind bekannt, die Zeit des Abwägens vorüber. Jede Sekunde zählt, und so ist Stevens Verhalten, nicht länger vor seinen Gegnern davonzulaufen, sondern sich den Gefahren zu stellen, von einer schlüssigen und gut vorbereiteten Charakterentwicklung gezeichnet. Vor allem im letzten Drittel der Folge erfährt der Hörer endlich, was es mit dem Protagonisten auf sich hat und die Reihe eigentlich „Gabriel Burns“ und nicht Steven Burns heißt. Man konnte sich zwar schon durch den ein oder anderen Hinweis seine Gedanken machen, doch die Auflösung kommt wirklich überraschend und als fesselnder Höhepunkt der Folge 23 daher.

Nicht nur das Finale in einer psychedelischen, wunderschön umgesetzten Albtraumsequenz, die wirklich alle Vorzüge eines Hörspiels ausreizt, macht „Bereit“ zu einer gelungenen Episode. Auch die in sich abgeschlossene Handlung kann überzeugen. Es ist zwar schade, dass Stevens Eltern nur kurze Gastrollen bekommen haben, doch die überzeugende und einfühlsame Geschichte der kleinen Anny lässt diese Tatsache in den Hintergrund rücken. Ihr Verschwinden und das, was mit ihr schließlich auf Moat Palon passiert, angeleiert durch Laura Osgood, zeigen einmal mehr die Unbarmherzigkeit von Stevens Burns‘ Widersachern. Das alles ist effektvoll in Szene gesetzt und ein Hörspielgenuss erster Güte.

Wer sich noch nicht |Gabriel Burns| angehört hat, sollte dies spätestens mit dieser Folge tun. Nur wird er dann nicht umhin kommen, sich die vorigen Episoden zu besorgen. Ein Metaplot, wie er spannend begann, in der Mitte einige Hänger hatte, nun jedoch wieder völlig zu überzeugen weiß, macht die Serie zu einem wahren Erlebnis, das noch viel Raum für weitere spannende Episoden lässt.

http://www.gabrielburns.de/

|Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen|

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

Carisi, Brian / Merlau, Günter – Caine – Todesengel (Folge 2)

Steven Caine wird beherrscht vom Penumbra, jenem geheimnisvollen Artefakt, das den Geist des außerirdischen Schlächters Kartaan birgt. Nun soll Caine den Mafioso Moretti töten, der für die dämonischen Aganoi arbeitet, das Alienvolk, welches ebenso wie die Kyan’Kor die Weltherrschaft anstrebt. Caine aktiviert seine Kontakte, die er als Profikiller gepflegt hat, und holt sich Unterstützung beim chinesischen Gangsterboss Tang. Der erste Übergriff schlägt fehl. Doch bald erhält Caine eine zweite Chance. Die Organisation des Collin Drake hilft dem Auftragsmörder bei seinem Einsatz. Doch die Aganoi haben einen mächtigen Dämon entfesselt, der nur eines im Sinn hat: Töten …

Nach der Pilotfolge, in der die Person des Profikillers vorgestellt und das Grundgerüst für die Storyline aufgebaut wurde, werden in dieser Episode die Fronten abgesteckt. Alles bleibt zunächst noch recht bodenständig und entwickelt sich hier zu einer handfesten Gangsterfehde, bei der durchaus mit harten Bandagen gekämpft wird. Die Aliens bleiben als Drahtzieher im Hintergrund, lassen den Hörer allerdings die Bedrohung, die von ihnen ausgeht, schon deutlich spüren. Caine dagegen ist vollauf damit beschäftigt, seinen dunklen Widerpart namens Kartaan zu zügeln und seine Feuerprobe im Kampf gegen einen reinrassigen Dämon zu bestehen!

Hinzu kommt eine Prise deftigen, staubtrockenen Humors, der insbesondere von der markanten Stimme Torsten Michaelis‘ getragen wird. Aber auch die restlichen Sprecher sind nicht zu unterschätzen. Angefangen bei Kaspar Eichel, der hier den Mafioso Moretti spricht, bis hin zu Karl Schulz alias Sergeant Kilkenny sind alle Mitwirkenden Profis, die ihren Job ausgezeichnet machen. Man hört den Sprechern deutlich an, dass sie mit viel Spaß und Engagement bei der Sache sind.

Untermalt wird die gesamte Szenerie von einem hollywoodreifen Soundtrack und fantastischen Effekten, die dem Hörer die Ereignisse plastisch vor Augen führen. Gewarnt seien nur all diejenigen, die sich ein ruhiges Hörspiel zum Einschlafen wünschen, denn Ruhe findet man bei dieser CD sicherlich nicht; nur erstklassigen Hörspaß mit jeder Menge Action, coolen Sprüchen, einer echt abgefahrenen Story und einem Heavy-Metal-Soundtrack, der auf dem deutschen Hörspielmarkt einzigartig ist.

Das Cover zeigt in dem typischen Caine-Design das Gesicht des Killers und die Silhouette des Dämons im Vordergrund, dieses Mal in einem satten Grün gehalten. Auch die CD an sich ist exorbitant in ihrer Aufmachung. Das Antlitz von Caine mit einem dämonisch glühenden Auge, knapp unterbrochen von dem Loch in der Mitte des Silberlings.

Fazit: Grandiose Fortsetzung der Abenteuer des unglückseligen Auftragskillers Steven Caine. Der Hörer erhält einen ersten Einblick in die Komplexität der Story, die sich hier zunächst noch viel mit der Psyche des Killers auseinandersetzt.

|57:39 Minuten auf 1 CD|
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_Florian Hilleberg_

Merlau, Günter – Böses Erwachen (Die Schwarze Sonne 2)

Folge 1: [„Das Schloss der Schlange“ 2317

_Story_

1886: Ein Jahr nach den schrecklichen Ereignissen steht Adam Salton immer noch im Bann der fürchterlichen Tragödie um seine Geliebte Mimmi Watford. Seitdem hat er sich in ein permanentes Schweigen gehüllt, das auch durch den Hilferuf des berühmten Romanschreibers Jules Verne, der sich Unterstützung von Adams Freund Nathaniel De Salis erbittet, nicht aufgehoben wird. Gemeinsam reisen die beiden nach Frankreich und treffen den Autor im hektischen Treiben des französischen Städtelebens. Und genau in dieser Hektik entflieht Adam seiner Lethargie zum ersten Mal wieder, um sich bei einem plötzlichen Attentat auf Verne in die Schussbahn des tödlichen Geschosses zu werfen.

Während Adam im Koma landet, fürchtet Verne im Krankenhaus um den Verlust seiner Gehfähigkeit. Doch der Autor muss demnächst noch weitaus Schlimmeres fürchten. Gemeinsam mit De Salis hat er einst eine Expedition zum Nordpol und von dort aus ins Erdinnere hinein gestartet. Dort erlebten die beiden ungeheure Dinge, über die sie per Eid Stillschweigen vereinbarten. Nun aber hat Verne seine Geschichte für einen neuen Roman verwendet und seinen Kumpanen verraten.

De Salis reist auf sofortigem Wege zu Vernes Verleger nach Monaco, um das Manuskript sicherzustellen und ein geheimes Artefakt in seinen Besitz zu bringen. Doch währenddessen geschehen bereits weitere schreckliche Dinge, die Adam Salton in seinem komatösen Schlummer ebenfalls im Traum verarbeitet.

_Meine Meinung:_

Ich war seinerzeit schon vom ersten Teil dieser Serie schwer angetan, ahnte zu diesem Zeitpunkt aber noch lange nicht, welches Ausmaß „Die Schwarze Sonne“ in den noch folgenden Episoden annehmen sollte. War „Das Schloss der Schlange“ bereits von einigen mysteriösen, übersinnlichen Vorgängen geprägt, entführt uns Regisseur Merlau in „Böses Erwachen“ auf eine rasante gefühlsmäßige Achterbahnfahrt, deren komplexer Aufbau zwar zunächst abschrecken mag, später dann aber dieses schaudernde Kribbeln auslöst, welches einen immer dann befällt, wenn einen eine spannende Geschichte am gesamten Körper gepackt hat.

Trotzdem wollen wir erst einmal mit den Schwierigkeiten der zweiten Folge beginnen: Problematisch ist bei „Böses Erwachen“ zunächst einmal das stetige Überlagern verschiedener Stimmen. Während sich im Vordergrund die eigentliche Action abspielt, hört man aus dem Hinterhalt ständig Stimmen, die zwischenzeitlich gänzlich in die Irre führen. Dies erschwert bereits in den ersten Szenen, in denen Adam das Aufeinandertreffen mit Jules Verne über die Stimme des Sprechers aus seiner Perspektive erzählt, die Orientierung und wird besonders dann, wenn die Handlung sich immer kürzer währenden Zeitsprüngen unterwirft, wirklich verzwickt. Weil zudem auch noch einige Geschehnisse der ersten Episode rekapituliert werden, sollte man gar nicht erst in Erwägung ziehen, „Böses Erwachen“ anzutesten, wenn man den Vorgänger nicht kennt.

Weiterhin muss dem Hörer von Anfang an klar sein, dass „Die Schwarze Sonne“ nichts für zart Besaitete ist – zumindest nicht dieser zweite Teil. Definierte sich „Das Schloss der Schlange“ noch weitestgehend über eine spannend inszenierte Abenteuergeschichte, wird es in „Böses Erwachen“ stellenweise echt grausam, wobei vor allem die Schritt für Schritt aufgearbeitete Vergangenheitsbewältigung harter Tobak ist, äußern sich doch hier all die finsteren Eigenschaften der machthungrigen menschlichen Seele.

Allerdings muss man sehen, was man als Gegenleistung bekommt: ein waghalsiges, ergreifendes, mit einzelnen Horror-Elementen versetztes Hörspiel-Abenteuer mit tollen Sprechern, einer begeisternden Story und nachhaltigem Effekt. Alleine schon die Tatsache, dass Günter Merlau eine historische Figur wie Jules Verne in seine Story einbezogen bzw. auf welche Art und Weise er dies getan hat, verdient Respekt und Beachtung. Man ist tatsächlich so mutig, seinen Roman [„Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ 2282 als tatsächliches Ereignis zu interpretieren und spinnt darauf aufbauend einen Plot, der wahrlich Unfassbares beinhaltet – und sich außerdem auf gar keinen einzigen Handlungsschwerpunkt festlegt.

Schön gelungen ist auch, wie sich die tragenden Charaktere entwickeln: Adam Salton, einst neugierig, euphorisch und voller Lebensmut, hat mit sich und seiner Umwelt abgeschlossen. Sein Herz ist gebrochen, sein Lebenswille von Depressionen beeinträchtigt, die ihn zum endgültigen Schweigen geführt haben. Ausgerechnet er ist es, der ein weiteres Mal von der Realität enttäuscht wird, im Koma landet und schließlich seine persönliche Vergangenheit aufarbeitet, um das Handeln seiner Mitstreiter zu verstehen. Christian Stark gibt in dieser Rolle eine fantastische Figur ab, ebenso wie Harald Halgardt als leicht zerstreuter Nathaniel De Salis und Hörspiel-Urgestein Konrad Halver als chaotischer Romanautor Jules Verne.

Die Geschichte lebt eindeutig von diesen starken Charakteren und die durch sie hervorgerufene Stimmung. Natürlich spielen diesbezüglich auch die einmal mehr tollen Soundeffekte eine gewichtige Rolle, doch „Die Schwarze Sonne“ avanciert dennoch nicht zum typischen |LAUSCH|-Bombast-Feuerwerk. In „Böses Erwachen“ werden die Effekte indes eher zweckdienlich eingesetzt, sorgen an den entsprechenden Stellen (vor allem in den schaurigen Rückblicken) aber für ein Mehr an Intensität. Hinzu gesellen sich außerdem einige tolle klassische Musikstücke, die einfach prima mit der Zeit, in der die Geschichte spielt, harmonieren. Auch hier ist also alles nahezu perfekt.

Alles in allem muss man auf jeden Fall resümieren, dass sich „Die Schwarze Sonne“ inhaltlich enorm weiterentwickelt hat. Die Erzählung bekommt mit einem Mal eine viel größere Tragweite, so dass man mit langsamen Schritten ständigen tiefer in ein komplexes Gedankenkonstrukt eintaucht, das jedoch bis zum Schluss ein großes Mysterium mit ungewissem Ende bleibt. Es wird also definitiv auch noch eine Fortsetzung geben, auf die man bereits jetzt sehr gespannt sein darf. „Böses Erwachen“ bietet bis dahin aber genügend Stoff, der erst einmal verdaut werden will. Insgesamt wird man nämlich sicherlich länger als die Spielzeit von gut einer Stunde mit dieser Story beschäftigt sein.

|70 Minuten auf 1 CD|
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Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Dr. Tods Horror-Insel (Folge 37)

_Story_

Auf einer gerade geschlossenen Bohrinsel ereignen sich seltsame Dinge. Noch während die letzten Arbeiter auf ihren Abtransport vom stillgelegten Einsatzort warten, wird die gesamte Insel von einem seltsamen Nebel umgeben. Bereits kurze Zeit später werden Mark Brennan und seine Leute von einigen grausamen Ereignissen überrascht, als das Team der Mordliga die Bohrstation infiltriert und bis auf Brennan alle verbliebenen Angestellten tödlich zurichtet. Bei einer Routineabfrage über den Status der zurückgebliebenen Arbeiter gelingt es dem entführten Brennan, ein Signal zu senden, welches schließlich Scotland Yard auf den Plan ruft.

Sofort bricht John Sinclair auf, um die verschollene Mordliga ein für allemal zu vernichten. Aber auch ihm erscheint der Nebel, der von wahrlich Bösem kündet: Solo Morasso und seine Schergen planen nämlich die Wiederauferstehung von Vampiro del Mar und damit den endgültigen Triumph der Untoten. Erst als Sinclair dies klar wird, wünscht er sich, er hätte bei seiner neuesten Mission nicht leichtfertig auf die Schützenhilfe von Bill Conolly und Suko verzichtet …

_Persönlicher Eindruck_

Die heiß ersehnte neue Episode um den beliebten Geisterjäger offeriert mal wieder alles, was man vom modernen Sinclair erwartet, und damit in erster Linie grenzenlosen Bombast. Auf „Dr. Tods Horror-Insel“ trifft man gleich die ganze Riege der Superschurken wieder und damit auch viele alte Bekannte, die bereits in vorherigen Sinclair-Hörspielen zur echten Bedrohung für die Welt des John Sinclair avanciert waren. Nun machen sie an Seite von Dr. Tod gemeinsame Sache und greifen als Mordliga zum ersten Mal in Gesamtstärke an, was den leichtsinnigen Geisterjäger vor seine möglicherweise härteste Probe bisher stellt.

Der bestialische Tokata, der gewiefte Mr. Mondo, der unerbittliche Solo Morasso und die wegen ihrer Naivität nicht gerade ungefährliche Lupina holen zum vernichtenden Schlag aus und vollziehen gerade die letzten Schritte zur Auferstehung eines noch mächtigeren Verbündeten. Dies alles findet natürlich an einem allzu schauerlichen Schauplatz statt, einer verlassenen Bohrinsel, deren Mitarbeiter gerade Schritt für Schritt mit dem Helikopter heimgebracht werden sollen und in ihrer Euphorie ins Verderben stürzen. Und auch der überlebende Brennan wünscht sich bisweilen, er hätte lieber den Tod gefunden, als von der skrupellosen Mordliga versklavt zu werden. Ja, genau das ist der Stoff, aus dem Sinclair-Hörspiele gemacht sind!

Abgesehen vom super-spannenden Plot findet man in Episode 37 aber auch sonst die elementaren Inhalte, die diese Serie über das Gros der Konkurrenz stellen: zynischen Humor von Seiten aller Protagonisten, waghalsige Wendungen im Verlauf der Story, eine finstere Atmosphäre, deren Dichte eines der faszinierendsten Elemente des gesamten Hörspiels ist, und toll eingeführte und aufeinander abgestimmte Charaktere, die zudem auch noch das Glück haben, von jederzeit ambitionierten Sprechern begleitet zu werden. Verbleibt noch der anfangs erwähnte Bombast, der sich nicht bloß in den zahlreichen Effekten widerspiegelt, sondern generell vom Reichtum an Beteiligten und Handlung im Allgemeinen zehrt. Allein die Tatsache, dass die Schurken in gebündelter form auftreten und ein großes Finale im Kampf gegen die Mordliga unmittelbar bevorsteht, sollte den erfahrenen Hörer aufhorchen lassen, ganz zu schweigen vom drohenden Unheil, das Dr. Tods Verbündete gerade einzuleiten gedenken.

Klar, die massiv gestreuten Zitate vergangener Hörspiele mögen letztendlich zwar die Vermutung nahelegen, dass Mr. Dark die Ideen ausgegangen sind und das Rezitieren bekannter Inhalte zu einem zwingenden Erfordernis geworden ist – doch sind es gerade die alten Bekannten, die hier in neuer Form für Begeisterung am laufenden Band sorgen und „Dr. Tods Horror-Insel“ definitiv zum besten der ’neuen‘ Sinclair-Hörspiele aufsteigen lassen. Doch selbst dies scheint nur eine Momentaufnahme zu sein, denn der nächste Dreiteiler steht bereits in den Startlöchern …

http://www.sinclairhoerspiele.de/
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_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Merlau, Günter – Böses Erwachen (Die Schwarze Sonne 2)

Ein Jahr nach den Ereignissen in Derbyshire verschlägt es Adam Salton und Nathnaile de Salis nach Frankreich. Dort treffen sie auf einen alten Freund von de Salis: Den Schriftsteller und Visionär Jules Verne. Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz, denn auf Verne wird ein Attentat verübt. Sein eigener, hochverschuldeter Sohn schießt auf seinen Vater. Adam kann eine der Kugeln abfangen und wird schwer verletzt, während Verne „nur“ einen Schuss ins Bein abbekommt. Kurz darauf wird Adam dann von Unbekannten entführt und de Salis trifft einen alten Gegenspieler wieder, der gemeinsam mit seiner Organisation nach Macht strebt. Auch die geheimnisvolle Arabella March, die Adam und Nathaniel bei ihrer Ankunft in Frankreich kennenlernten, scheint in die grauenvollen Geschehnisse verwickelt zu sein …

Im Gegensatz zu der ersten Folge basiert das vorliegende Hörspiel auf keiner direkten literarischen Vorlage, dafür aber auf historischen Ereignissen, denn tatsächlich wurde auf Verne im Jahr 1886 ein Attentat verübt. Das Mitwirken von historischen Persönlichkeiten ist aber nur ein Reiz dieser Serie und vor allem die düstere, undurchsichtige Story sowie die hervorragenden Sprecher machen die CD zu einem echten Hörvergnügen. Neben den perfekt besetzten Hauptrollen darf sich der Hörer auf Konrad Halver als Jules Verne und Reinhild Schneider als Arabella March freuen. Beide Darsteller sind Hörspiel-Fans keine Unbekannten mehr und haben bereits in Dutzenden von Produktionen mitgewirkt. Halver war unter anderem in den Winnetou-Hörspielen von |Europa| zu hören.

In dieser Folge taucht außerdem eine Figur auf, die genau wie Salton und de Salis von Bram Stoker erfunden wurde und ebenfalls in dem Roman [„Das Schloss der Schlange“ 2987 mitspielte: Arabella March. In diesem Fall steckt auch hinter dieser Figur eine Person, die in der Geschichte Berühmtheit erlangte, wenn auch auf ungleich traurigere Weise, als Verne.

War die erste Folge noch eine allein für sich stehende Geschichte, so bildet sich in diesem Hörspiel mehr und mehr der Seriencharakter heraus. Etwas störend, wenn auch nicht spannungslos gestalten sich Adams Visionen aus seiner Kindheit in Australien. Der Hörer bekommt darüber hinaus Hinweise darauf, dass Adams Vater etwas in Australien entdeckte, das für die weitere Entwicklung der Serie noch von Bedeutung sein könnte. Zudem weisen die Zeichen auf einen Konflikt von biblischen Ausmaßen zwischen den Mächten des Bösen und denen des Guten hin. Während Adam Salton in einem Dämmerschlaf vor sich hinsiecht, muss sein Freund Nathaniel alles daran setzen, um seinen jungen Gefährten aus den Fängen seiner Feinde zu befreien; dabei wird offenbart, dass auch hinter der Figur des de Salis mehr zu stecken scheint als ein Freimaurer und Detektiv.

Diese grandiose Handlung wird untermalt von einer hervorragenden orchestralen Musik. Das Cover ist wieder einmal sehr gediegen, sieht aber ein wenig zu eintönig aus und animiert nicht gerade zum Kauf, insbesondere, wenn man die Serie nicht kennt.

Fazit: Das Label |Lausch| beweist, dass es sich auf Abwechslung versteht. Neben der Fantasy-Saga [„Drizzt“ 3082 und dem Dark-Fantasy-Spektakel „Caine“, welches mit Heavy-Metal-Musik und einer rasanten Handlung den Hörer unterhält, kommt |Die Schwarze Sonne| sehr mysteriös, fast poetisch daher und begeistert vor allem mit einer gut durchdachten Handlung und einer schlichtweg genialen Besetzung.

|70 Minuten auf 1 CD|
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_Florian Hilleberg_

Merlau, Günter – Schloss der Schlange, Das (Die Schwarze Sonne, Folge 1)

Als der junge Adam Salton nach Derbyshire in England zu seinem Onkel zurückkehrt, wird er sofort in merkwürdige Ereignisse verwickelt. Unheimliche Visionen plagen den jungen Mann, dessen Eltern erst kürzlich verstorben sind. Dann wird ein Toter entdeckt, der scheinbar das Opfer einer gigantischen Schlange wurde.

Adam Salton und der ebenfalls bei dessen Onkel weilende Arzt Nathaniel de Salis wollen dem Mysterium auf den Grund gehen, stoßen jedoch sowohl bei den Dorfbewohnern als auch bei Adams Onkel auf offene Ablehnung. Doch schon bald gibt es weitere Tote, und auch die Begegnung mit dem Gutsbesitzer Edgar Caswall gipfelt in offener Feindschaft. In einem dämonischen Ritus will der tyrannische Götzendiener Adams Freundin Mimi Watford einer gigantischen, weißen Schlange opfern …

Mit diesem Hörspiel beginnt |LAUSCH| ein neues ungewöhnliches Projekt: Mystery-Thriller mit historischem Hintergrund. Bei der ersten Folge orientierte sich der Autor Günter Merlau an einem Roman von Bram Stoker, dem Schöpfer des berühmten Vampirs Dracula. „Das Schloss der Schlange“ handelt von einem heidnischen Schlangenkult, dem immer noch Opfer dargebracht werden. Die Figuren Adam Salton und Nathaniel de Salis sind ebenfalls diesem Werk entliehen und dienen auch in weiteren Folgen als Protagonisten.

Was beim ersten Hören sofort auffällt, ist die professionelle Machart des Hörspiels. Das Zusammenspiel von Effekten, Musik und Sprechern wirkt sehr harmonisch und hört sich wie die Tonspule eines millionenschweren Hollywood-Projektes an. Abgerundet wird das Hörerlebnis durch eine undurchsichtige Gruselgeschichte mit Krimi-Elementen. Den Charakteren wurden lebhafte, anspruchsvolle Dialoge in den Mund gelegt, welche die Sprecher mit Inbrunst zum Besten geben.

Allen voran glänzen Christian Stark als Adam Salton und Harald Halgardt als Nathaniel de Salis in den Hauptrollen. Ebenso lebhaft wird Edgar Caswell von Michael Prelle verkörpert, dessen markante Stimme vor allem in der Vision Saltons zu Beginn der Geschichte besonders gut zur Geltung kommt. Verena Unbehaun als Mimi Watford sprüht geradezu vor Lebensfreude und auch Peter Weis als John Watford wirkt überaus real und spielt seine Rolle mit Hingabe.

Der Spannungsbogen baut sich kontinuierlich auf und gipfelt in einem infernalischen Showdown, alles untermalt von einem perfekt komponierten Soundtrack. Die Aufmachung wurde ebenfalls sehr mysteriös und unheimlich gehalten. Die Negativbelichtung verstärkt den Eindruck des Bizarren, ebenso wie das Serien-Logo mit dem krakeligen Schriftzug.

Fazit: Meisterhaftes Hörspiel mit hochmotivierten, professionellen Sprechern und einer filmreifen Musik. Die Besetzung stimmt bis zur kleinsten Nebenrolle und die anspruchsvolle Handlung verspricht beste Gruselunterhaltung bis zum Schluss.

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_Florian Hilleberg_

Pessl, Marisha – alltägliche Physik des Unglücks, Die

Marisha Pessl hat für ihren Debütroman „Die alltägliche Physik des Unglücks“ reichlich Lobeshymnen eingeheimst. Die Presse überschlägt sich geradezu vor Lob, feiert den Roman als brillantes Debüt und eines der besten Bücher überhaupt seit langem ab. Wirft man einen Blick auf den Handlungsabriss, so hofft man wirklich, ein feines Romanjuwel in Händen zu halten, denn die Handlung klingt durchaus liebenswürdig und vielversprechend.

„Die alltägliche Physik des Unglücks“ erzählt die Geschichte der Blue van Meer. Blues Vater ist Universitätsprofessor, der als Gastdozent mal hier und mal dort lehrt, so dass Blues Kindheit und Jugendzeit vor allem von permanenten Ortswechseln geprägt ist. Doch Blue kommt damit im Grunde gut zurecht. Sie ist intelligent und vertieft sich leidenschaftlich gerne in Bücher.

Als sie ein letztes Mal vor ihrem Schulabschluss die Schule wechselt, weil ihr Vater einen Lehrauftrag in Stockton angenommen hat, ahnt sie noch nicht, was für ein turbulentes Schuljahr ihr bevorsteht. Während ihr Vater (wie üblich) die Damenwelt in Verzückungen versetzt, gerät Blue in den Bann der Lehrerin Hannah Schneider und einer mit ihr befreundeten Schülerclique.

Blue wird in die Gemeinschaft aufgenommen und beginnt das Leben zu genießen. Bis zum dem denkwürdigen Tag, an dem ein mysteriöser Mord geschieht. Blue versucht etwas Licht in die Hintergründe zu bringen, und was sie dabei entdeckt, wirbelt ihr ganzes Leben durcheinander …

„Die alltägliche Physik des Unglücks“ ist ein Buch, das im Grunde in keine Schublade passt. Was als Coming-of-Age-Geschichte anfängt, entwickelt mehr oder minder krimihafte Züge. Pessl garniert diesen sonderbaren Genremix mit einer Flut an Zitaten und mit bis an die Grenze des Vertretbaren gehenden blumigen Umschreibungen. Sie setzt sich dadurch überaus deutlich von anderen Autoren ab und legt ein Werk vor, das vor allem durch seinen konsequenten individuellen Stil besticht. Das ist es sicherlich, was die einen Leser in Verzückungen und wahre Begeisterungsstürme versetzt und die übrige Leserschaft eher irritiert zurücklässt. „Die alltägliche Physik des Unglücks“ dürfte ein Buch sein, an dem sich die Geister scheiden.

Die Geschichte fängt an sich ganz beschaulich an. Der Leser/Hörer lernt Blue und ihren Vater kennen und schmunzelt über so manchen sonderbaren Vergleich der Autorin und so manche obskure Umschreibung. Marisha Pessl bedient sich eines wunderbar reichhaltigen Wortschatzes. Sie umschreibt Menschen und Dinge auf die sonderbarste Art und Weise, so dass man immer wieder über ihre ungewöhnlichen Formulierungen schmunzeln muss. Das gestaltet bereits den Einstieg in das Buch sehr unterhaltsam und man mag gerne glauben, dass all die Lobeshymnen berechtigt sind.

Was Pessls Stil ebenfalls kennzeichnet, ist eine wahre Zitierwut. Immer wieder streut sie Zitate in Blues Schilderungen ein. Die belesene Blue neigt offensichtlich dazu, Dinge bevorzugt mit den Worten anderer zu sagen, und das stets unter Angabe von Autor, Textquelle und Erscheinungsjahr. Im Hörbuch stören diese Einschübe nicht sonderlich, im Buch könnte ich mir aber durchaus vorstellen, dass sie auf die Dauer ein wenig ermüden können.

Die Handlung gerät vor dem Hintergrund dieses prägnanten Erzählstils etwas zur Randerscheinung. Nachdem man mit den Figuren vertraut ist und Blue sich an der neuen Schule in Stockton eingewöhnt hat, beginnt die Handlung etwas vor sich hinzuplätschern. Es gibt Phasen, wo nicht viel passiert, aber die wenige Handlung durch den aufgebauschten Erzählstil als mehr erscheint, als sie wirklich ist. Es macht zwar dennoch Spaß zuzuhören und über Marisha Pessls farbenprächtige Sprache und die vielen treffenden Zitate zu staunen, aber die handlungsärmeren Phasen des Buches können (vor allem dann wenn man selbst liest und das Buch nicht so unangestrengt konsumieren kann wie bei der Hörbuchfassung) doch etwas ermüdend werden.

So wenig man einerseits Pessls ausschmückenden, bildgewaltigen Erzählstil beschneiden möchten, so sehr wünscht man sich andererseits auch eine Straffung der Handlung – gerade im Mittelteil, wo sich so manche Länge endlos hinzuziehen scheint. Und vor diesem Hintergrund fangen dann auch manche etwas zu ausschweifend geratenen Umschreibungen wenig an zu nerven. So sehr Pessls Stil auch über weite Strecken Spaß macht, manchmal treibt sie ihre originelle Umschreibungswut auch etwas zu sehr auf die Spitze.

Erst mit Beginn des letzten Drittels kommt dann wieder eine Phase, in der man neugierig und ungeduldig die Geschichte in sich aufsaugt. Mit dem mysteriösen Mord bekommt die Handlung eine Dynamik, die ihr vorher gefehlt hat. Es entsteht Spannung und man will unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht.

Doch so unvermittelt, wie der Spannungsschub die erlahmende Handlung wieder auf Touren bringt, so abrupt ist die Geschichte dann auch schon zu Ende. Plötzlich ist die Geschichte vorbei, Blue verabschiedet sich aus der Handlung und der Leser bleibt etwas irritiert und unbefriedigt zurück. Ich persönlich habe glatt die letzten Takte noch mal bewusst von CD gehört, weil ich dachte, beim Übertragen auf den |iPod| wäre mir vielleicht ein Kapitel verloren gegangen, aber dem war nicht so. Plötzlich ist die Geschichte zu Ende, ohne dass sie eigentlich wirklich richtig zu Ende erzählt ist. Da bleibt man als Leser/Hörer schon etwas ratlos und unzufrieden zurück.

Die Hörbuchfassung muss man ansonsten aber durchaus als gelungen bezeichnen. Schauspielerin Anna Thalbach liest die Geschichte und füllt sie sehr schön mit Leben. Ihre Stimme passt wunderbar zum Charakter von Blue und auch die übrigen Personen werden gut umgesetzt. Das macht es zwar ganz angenehm, der Geschichte zuzuhören, und tröstet über so manche Länge hinweg, über die man leicht mal laut aufgestöhnt hätte, wenn man die Geschichte selber lesen müsste, kann die Schwachpunkte des Buches aber eben auch nicht ausradieren.

Alles in allem ist „Die alltägliche Physik des Unglücks“ nach all den überschwänglichen Lobeshymnen eher eine Enttäuschung als eine Offenbarung. Es gibt Züge an Marisha Pessls Schreibstil, die Freude bereiten und die „Die alltägliche Physik des Unglücks“ im Grunde zu einem liebenswürdigen Roman machen. Rein sprachlich betrachtet, ist es ein wirklich schönes und ungewöhnliches Werk. Die Handlung wirkt da manchmal fast wie schmückendes Beiwerk, und genau das ist der entscheidende Schwachpunkt des Romans. Eine Straffung der Handlung hätte gutgetan und der Geschichte etwas mehr Dynamik eingebracht. So nimmt die Geschichte nach zwischenzeitlichen Durststrecken erst zum Ende hin so richtig Fahrt auf.

Abgesehen davon ist die Hörbuchfassung von |Argon Hörbuch| durchaus gelungen umgesetzt. Ich weiß nicht, ob ich bei der Lektüre auch nur halb so viel Durchhaltevermögen an den Tag gelegt hätte, wenn ich selbst hätte lesen müssen. Durch Anna Thalbachs kurzweilige Lesung lassen sich schließlich so manche Längen in der Handlung durchstehen.

http://www.argon-verlag.de/