Wiebke Eymess stellt euch „Otherland“ im Rahmen ihres Essays „Fantasy als Flucht und Fluch – Der ultimative Logout“ ausführlich vor.
Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction
Mamczak, Sascha / Jeschke, Wolfgang (Hrsg.) – Science Fiction Jahr 2004, Das
Im neunzehnten Jahr seiner unverwüstlichen Existenz präsentiert sich |Heynes| „Science Fiction Jahr“ [Der Lektor zuckt geringfügig zusammen.] nicht nur äußerlich im neuen, schmucken Gewand, sondern inhaltlich geordnet. Elf Großkapitel beinhalten die trotzdem meist bekannten Kategorien. Der Auftakt ist freilich spezifisch: Das „SF Jahr 2004“ hat nun einen Themenschwerpunkt und liefert auf mehr als 250 seiner 1047 Seiten einen Abriss der Geschichte eines heiß geliebten und viel geschmähten Genres: der Space Opera.
„Die neue Space Opera“: Nie flogen sie erfolgreicher, die Riesenraumschiffe der Zukunft; sie durchmessen Raum und Zeit und durchqueren galaktische Imperien, deren menschliche oder außerirdische Bewohner von recht gegenwärtigen, aber ins Gigantische übersteigerten Alltagsproblemen umgetrieben werden. Wieso dies einst so gern gelesen ward, eine gewisse Zeit als literarisch (und auch sonst) verwerflich galt und heute wieder ganz im Trend liegt, erläutern uns Fachleute aus dem In- und Ausland mittels einschlägiger Exempel.
So informiert David G. Hartwell über den erstaunlichen Paradigmenwandel, den die Space Opera zwischen ihren primitiven Anfängen und ihrem Aufstieg zur SF-Literatur der Gegenwart erfuhr. John Klute, berühmter SF-Kritiker und inzwischen selbst Autor, verwirrt mit einem wenig aussagekräftigen Artikel, in den sich kräftige Eigenwerbung für sein Werk mischt. Thomas M. Disch präsentiert eine wunderbare Zeitreise in die „Prähistorie“ der Science-Fiction und beleuchtet das Werk der Pioniere Jules Verne und H. G. Wells aus bisher unbekannten Winkeln, wobei sich einige Überraschungen und Neubewertungen ergeben, die u. a. den Franzosen vom Ruch des chronisch kritiklosen Fortschrittsanbeters befreien. Eric Simon arbeitet ein weiteres Kapitel der lange hinter dem Eisernen Vorhang verborgenen „Ost-SF“ auf und präsentiert mit Sergej Snegow den prominentesten (und wohl auch einzigen) Space-Opera-Verfasser der seligen UdSSR.
Natürlich findet daneben die aktuelle Space-Opera-Szene ausführlich Berücksichtigung. Sie wird am Beispiel ihrer derzeit prominentesten Vertreter (Peter F. Hamilton, Dan Simmons, Vernon Vinge, Ken MacLeod, Iain Banks und David Weber) aufgerollt. Dazu gesellt sich (verdient) der wieder in die |Heyne|-Familie aufgenommene (und folglich verstärkt zu vermarktende) deutsche Repräsentant: unser Perry Rhodan, dessen Abenteuer die Themen der modernen Space Opera präziser aufgreifen als das die Kritik einem „Groschenheft- Helden“ zugestehen mochte.
Abgeschlossen wird der „Space Opera“-Komplex durch einen umfangreichen Artikel von Uwe Neuhold, der die Technik der Weltraumspektakel auf ihren Realitätsbezug abklopft. Das schwankt zwischen berechtigter Skepsis (Beamen, Subraum, Zeitmaschine) und der sympathisch naiven Hoffnung auf eine freundliche, an Forschung, Geld oder Wundern reichere Zukunft.
„Bücher und Autoren“: Hier weitet sich die thematische Bandbreite über die „Space Opera“ hinaus und arbeitet einige Kapitel der SF-Historie auf. Michael K. Iwoleit beginnt unter dem Titel „Mythen der nahen Zukunft“ mit einer Betrachtung der „Muster und Quellen im Werk J. G. Ballards“, der seit jeher von der Kritik mehr geschätzt wird als von den Lesern, die von diesem Verfasser intellektuell deutlich stärker gefordert (und belohnt) werden als von (allzu) vielen anderen Vertretern des Genres. Dass auch heute SF- Schriftsteller gibt, deren Werk anspruchsvoll ist, ohne damit das Publikum abzuschrecken, belegt Ralf Reiter in seinem Text „Auf den Schultern von Riesen“ über die Romane von China Miéville, einem neuen Star am SF-Himmel.
Kurios mutet Linus Hausers Erinnerung an eine merkwürdige Episode der Science-Fiction an. „Schweden im Weltall“ befasst sich mit den Zukunftsfantasien des „Jungdeutschen Ordens auf dem Planeten Värnimöki“. Wir erfahren quasi nebenbei, dass sich „völkische“ Tendenzen auch in der doch scheinbar dem Zukünftig-Irrealen verhafteten SF-Szene der frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts feststellen lassen. Gleitend ist der Übergang zu nationalsozialistisch-faschistischem Gedankengut: Es gab (und gibt) eben keine Nischen, die SF eignet sich als Instrument politischer und sozialer Propaganda so gut wie jede andere Sparte der Literatur.
An zwei Pioniere des Phantastischen erinnern Karlheinz Steinmüller und Erik Simon. „Der erste letzte Mensch“ ist ein Werk der ganz frühen Science-Fiction, das anders als Mary Shelleys „Frankenstein“ unverdient in Vergessenheit geriet. Steinmüller geht der Lebensgeschichte seines Verfassers Cousin de Grainville (1746-1805) nach und rekonstruiert den Weg eines Klassikers, der jetzt wieder in deutscher Übersetzung greifbar ist (wo er – da sollte man Realist bleiben – weiterhin ein Nischendasein fristen wird).
Erik Simon lässt Leben und Werk des russischen SF-Autors Igor Moshejkos Revue passieren, der unter dem Pseudonym Kir Bulytschow schrieb. Für den westlichen Leser, der diesseits des „Eisernen Vorhangs“ aufwuchs, sind die spezifischen Schwierigkeiten, mit denen Schriftsteller in einem Regierungssystem zu kämpfen hatten, das auch als „Kulturdiktatur“ bezeichnet werden könnte, schwer oder gar nicht verständlich. Insofern ist Simons Beitrag auch wertvoll als Information, die über die SF hinausgeht.
Gundula Sell schließt dieses Großkapitel des „SF Jahrs“ mit dem Aufsatz „Bücher statt Plüschtiere! Die neue Fantasy im Zeichen der Globalisierung“. Es geht um Harry Potter, Artemis Fowl und weitere Neustars des Genres, das durch pubertäts- und sonstwie realitätsgeplagte Junghelden irgendwie an Wert gewonnen hat, auch wenn der Autorin nicht recht gelingen will, uns zu sagen wie, so dass sie sich im Finale in den Gemeinplatz von der „guten“ Literatur flüchtet, die uns einerseits zum (Nach-)Denken bringt und uns andererseits an „künftige Bruchstellen“ des Alltags bringt. Aha … (Gundula Sell, Ex-Bürgerin der DDR, ist es übrigens auch, die gleich auf zwei Seiten über ihre Befindlichkeit als Konsumgeisel des überheblich-ungastlichen Westens Auskunft gibt, bevor sie mit dem eigentlichen Beitrag anhebt – das „Jahrbuch“ bietet schon immer Raum auch für persönlichen Reminiszenzen.)
Die beiden Interviews des „SF Jahrs 2004“ bleiben dieses Mal deutschen SF-Schaffenden vorbehalten. Andreas Eschbach berichtet anlässlich seines neuen Bestsellers „Der Letzte seiner Art“ von seinem oft turbulenten Alltag als Schriftsteller und seinen Erfahrungen mit Verlagen, Film und Fernsehen. Robert Feldhoff gewährt Einblick in das Räderwerk der größten SF-Serie der Welt: „Perry Rhodan“ hat im 21. Jahrhundert teilweise unauffällige, teilweise gravierende Veränderungen und Überarbeitungen hinter sich, über deren Gründe hier Näheres zu erfahren ist.
Nach der „Fiction“ geht das „Jahrbuch“ nun zur „Science“ über: 1993 erregte Vernor Vinge mit seiner Theorie der „technologischen Singularität“ gewaltiges Aufsehen. Ihre „Geburt“ erfolgt seiner Ansicht nach zu dem Zeitpunkt, an dem die „KI“ (die „Künstliche Intelligenz“) – ein alter, aber allmählich greifbar werdender Traum – das Stadium erreicht, da sie der menschlichen gleichkommt und sie schließlich übertrifft, was auf einen Schlag die bisher bekannten Regeln der menschlichen Entwicklung außer Kraft setzen würde. Vinge zieht nach zehn Jahren Bilanz und kommt zu dem Schluss, dass er eigentlich Recht hatte: Besagten Quantensprung erwartet er weiterhin circa 2030, und er ist guten Mutes, dass die KI der Menschheit einen gewaltigen technologischen und geistigen Fortschritt bescheren wird.
Es fällt auf, dass Vinge sehr „US-amerikanisch“ argumentiert, d. h. in seiner Singularität recht naiv vor allem einen Segen sieht. Sein Landsmann Alex Steffen unternimmt es, den |advocatus diaboli| (oder Spielverderber) zu mimen bzw. gewisse Aspekte anzusprechen, die Vinge einfach ausblendet, weil sie seine Vision beeinträchtigen würden. Unter dem Titel „Was passiert, wenn die Technik den Rahmen sprengt?“ stellt Steffen vor allem die ketzerische, aber überaus kluge Frage, wer denn diese schöne neue Welt bezahlen wird oder kann. Falls die Schere zwischen künstlich erschlauter Elite und armem Pöbel gar zu deutlich klafft, könnte dies die Quelle für einen Klassenkrieg der futuristischen Art werden.
Wolfgang Neuhaus zeichnet in „Eine kurze Zukunftsgeschichte der Technologie“ Leben und Werk des Freeman Dyson nach, dem das seltene Kunststück gelang, als Wissenschaftler „Kultstatus“ à la Einstein oder Hawkins zu erlangen. Neuhaus stellt einen breitfächrig gebildeten, unkonventionellen Denker vor, der sich zurückhaltend Gedanken über die Zukunft der Menschheit in und außerhalb ihrer Welt macht, sich dabei durchaus irrt und bereit ist dies zuzugeben.
Michael K. Iwoleit macht uns mit einer bilderstürmerischen Gruppe von Computerwissenschaftlern bekannt, die das Wesen der Welt entdeckt zu haben glauben: „Das Matrix-Enigma“ ist der etwas boshafte Titel dieses Beitrags. Er spielt auf die gleichnamige Schwurbel-SF-Filmtrilogie an, welche die Welt, in der wir leben, als rechnergenerierte Illusion“entlarvt“. Dem ist tatsächlich so, meinen besagte Forscher: Auch wenn keine durchgeknallten Computerviren die Menschenpuppen tanzen lassen, ist das Universum ihrer Meinung nach ein kosmischer Rechner, dessen Bausteine sich letztlich auf ein Grundelement reduzieren lassen: die Information. Im Verbund bilden diese Informationen die Bestandteile des Universums. Zu denen gehören auch wir Menschen, so dass es sein könnte, dass „Gott“ ein Überwesen ist, in dessen Notebook ein Programm namens „Universum-Simulation“ läuft …
Den längsten Beitrag des „Jahrbuchs“ liefert Rüdiger Vaas mit „Die ferne Zukunft des Lebens im All“. Ein bisschen knapper hätte es auch getan (zumal der Verfasser vor allem eigene Beiträge aus früheren Jahren „recycelt“), aber es braucht zugegebenermaßen Raum, wenn der Autor mit Jahrmillionen, dann Milliarden und schließlich mit Zahlen jongliert, an deren Ziffernschwanz sich ein Elefant Gassi führen ließe. Was geschieht mit der Erde, dem Sonnensystem, dem Universum – und mit uns Menschen? Gehen wir irgendwann mit unserem Heimatplaneten unter? Nehmen wir ihn ins Schlepptau und suchen uns einen neuen Ankerplatz, wenn unsere Sonne dereinst platzt? Oder bauen wir uns einen neuen Stern? Der wissenschaftlichen Fantasie scheint da keine Grenze gesetzt zu sein. Vaas listet übersichtlich die seltsamsten Theorien auf, die vor allem eines beweisen: Der Mensch ist erstaunlicher Denkleistungen fähig, wenn man ihn denn lässt und nicht endgültig durch globalisierte Manager-Dummköpfe und Kosten-Nutzen-Sparschweine ersetzt.
Ebenfalls Rüdiger Vaas schließt das „Science“-Kapitel mit einer kundigen Vorstellung gelungener Wissenschaftsbücher des Jahres 2003 ab. Nun wird es unterhaltsam und multimedial:
„Film“: Aufgelistet und kommentiert werden Kinofilme und TV-Premieren des Jahres 2003, hinzu kommen (Fernseh-)Wiederaufführungen klassischer Lichtspiele – dies sogar doppelt, denn es dürfen sich gleich zwei Spezialisten (bzw. ein Einzelkritiker und ein Kritikerduo) äußern. Sie kommen zu dem leider gut begründbaren Schluss, dass 2003 (nicht nur) dem Freund des phantastischen Films zum Jubel wenig Anlass gab. Lahme Fortsetzungen und missglückte Comic-Adaptionen beherrschten vor allem das auf Instant-Blockbuster fixierte Hollywood, dem entsprechende Flopp-Quittungen an den Kinokassen ausgestellt wurden.
Warum dieses Elend im Jahrbuch gleich zweifach kommentiert wird, bleibt schleierhaft, zumal sich die Kritiker in ihren Urteilen recht einig sind. Doch man ist rasch froh über die Texte von Lutz Gräfe und Jürgen Wimmer, da ihr Kollege Peter M. Gaschler sich offenbar im freien Assoziieren übt und seine Leser mit einer Flut stakkatohafter Satzfragmente zu ertränken droht, in der ponkiehaft nachgedrechselte Wortspielchen treiben. W a s er zu sagen hat, ist ihm offensichtlich weniger wichtig als das W i e – dies mit dem Ergebnis, dass sich wohl primär der Autor selbst an seinem Geistreichtum berauscht haben dürfte.
Das Kapitel „Hörspiel“ listet und wertet die aufs Ohr zielenden phantastischen Beiträge eines SF-Jahres und ist damit dieses Mal rasch fertig, da sich die Zahl der einschlägigen Spiele sowie ihre Qualität in einem beklagenswert überschaubaren Rahmen hält.
„Comic“: Die „Siebte Kunst“ ist bekanntlich aus dem Medium SF nicht wegzudenken. Helmut Kaspar blickt unter dem Titel „Der Weltraumhumorserienwettlauf – ost-west-deutsche Sektion“ auf ein Kapitel Comic-Geschichte zurück, das man in diesem Umfeld nicht erwartet hätte. Aber es gab ihn: Humor in Deutschland-West und Deutschland-Ost, und das sogar im ansonsten auch mit dem Zeichenstift geführten „Kalten Krieg“, der auch im Weltraum erbittert geführt wurde.
„Computer“: Gespielt wurde auch 2003, was die Daumen hergaben. Eine ganze Reihe neuer Games für PC und Konsole/n kamen auf den Markt, die hier jeweils kurz vorgestellt und auf ihren Spielspaß sowie ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Kritik kommt dabei nicht zu kurz, auch wenn sich die Auswahl vernünftigerweise auf die besser gelungenen Spiele beschränkt. (Diese lassen sich übrigens in die Kategorien „Ballern“, „Taktieren“ und „Taktieren mit Ballern“ einteilen.) Hinzu kommt dank des Fortschritts immer stärker die kreative Nutzung der Technik, die auch dem Privatmann die Herstellung eigener „Spielfilme“ ermöglicht, welche inhaltlich und formal nicht selten Erstaunliches zu bieten haben.
„Rezensionen“: Aus dem SF-Repertoire deutscher Verlage werden einige für repräsentativ gehaltene Titel ausgewählt und vorgestellt, was den Verfassern Gelegenheit zu ausführlichen Exkursen gibt, die über das jeweilige Buch hinaus sekundärliterarische Einblicke in die aktuelle Science-Fiction-Szene bieten. Besondere Berücksichtigung findet dabei die SF von jenseits des „Eisernen Vorhangs“, deren Geschichte für den westlichen Interessenten noch manchen weißen Flecken ausweist.
Fachkundige Rezensionen liest der SF-Fan gern, entgeht ihm doch in der zunehmend zersplitterten deutschen Verlagswelt leicht der eine oder andere interessante Titel. Das (bekannte) Problem ist dabei: Wie objektiv ist der Rezensent? Er (oder sie) ist es im Grunde nie, was ja auch einen großen Reiz ausmacht. Schlimm wird es, wenn der Kritiker sich an den eigenen Worten berauscht oder gar einen Feldzug für oder gegen ein Einzelwerk, einen Autoren oder ein Genre vom Zaun bricht. So weit kommt es im „SF Jahr“ nicht. Dennoch wirft die Auswahl der besprochenen Titel Ratlosigkeit auf – noch immer scheint didaktisch begründbare Unleserlichkeit als Qualitätsmerkmal zu gelten. Die „großen“ |Heyne|-Titel sind natürlich dabei – so viel Eigenwerbung muss sein, zumal sie begründet ist: Zwar nur mehr selten, aber immer noch bringt |Heyne| richtig gute SF, d. h. keine Simpel-Module breit getretener Endlos-Zyklen heraus.
„Marktberichte“: Die SF-Szene wird jeweils in den Regionen Deutschland, USA und Großbritannien in Zahl, Tabelle (unbedingt Lupe bereit legen!) und Wort vorgestellt. Knapp aber umfassend werden anhand der Aktivitäten der Verlage (Bücher, Hefte, Magazine) die relevanten Marktentwicklungen in 2003 nachgezeichnet, die wichtigsten Autoren und ihre Werke genannt. Weiterhin gibt es einen Ausblick auf kommende Attraktionen (von denen die meisten unübersetzt bleiben werden). Eine Würdigung der im vergangenen SF-Jahr verstorbenen Genre-Schriftsteller schließt jedes der drei Unterkapitel ab.
Den Schlusspunkt des „SF Jahrs 2004“ bildet wie immer die „Bibliografie“ der Anno 2003 im |Heyne|-Verlag erschienenen, der Phantastik zuzurechnenden Titel, geordnet in ihrem ersten Teil nach Reihen und Nummern, im zweiten nach Autoren.
Damit ist es vollbracht; das SF-Feld ist abgeräumt und kann für das kommende Jahr neu bestellt werden. Das „Jahrbuch“ wird uns hoffentlich auch 2005 wieder beschert; man hat sich an dieses segensreiche, weil umfassende, kompetent informierende Monumentalwerk gewöhnt.
Wobei sich dieser Segen freilich leicht in einen Fluch verwandeln kann. In dem Bestreben, noch den letzten Genrebrocken zu erhaschen, verwandelt sich das „SF Jahr“ mehr und mehr in eine kommentierte Mega-Statistik. Muss denn wirklich jedes halbwegs der Phantastik zuschlagbare Werk vorgestellt werden? Wen interessiert das außer den fanatischen Komplettisten? Wären denn nicht aussagekräftige Beispiele nützlicher, denen – soll’s denn unbedingt vollständig sein – eine kurze Aufstellung der übrigen Titel folgt? Sind nicht Analysen des Gesamtbildes dem Leser wertvoller? Jetzt muss er es sich aus vielen Einzelstücken selbst zusammensetzen. Na gut, wir Deutsche gelten ja als Detailfanatiker, so dass sich diese Fragen womöglich als ketzerisch von selbst erledigen …
Wohlgemerkt: Diese Kritik zielt nicht auf die Themenwahl. Die ist ohnehin ein Angebot der Herausgeber, über das der Leser sich freuen oder unzufrieden sein kann. Allen kann man es bekanntlich niemals Recht machen. Es ist auch gar nicht nötig; jede/r wird Artikel von Interesse finden. Die übrigen lassen sich überspringen.
Asimov, Isaac – Best of Asimov
Isaac Asimov (1920-1992) hat in seiner langen SF-Karriere ab 1939 neben vielen Romanen – die immer noch bekanntesten und beliebtesten entstammen dem 1951 gestarteten |Foundation|-Zyklus – naturgemäß auch zahllose kürzere Erzählungen veröffentlicht, viele davon gerade in seiner frühen Phase für das Pulp-Magazin |Amazing Stories| seines Entdeckers und Förderers John W. Campbell. Die Behauptung, bei der hier vorliegenden Sammlung handle es sich um das Beste, was der SF-Pionier im Story-Bereich geschaffen hat, darf aber gleich aus mehreren Gründen nicht ganz so ernst genommen werden. Zum einen stammt „The Best of Isaac Asimov“ im Original bereits aus dem Jahr 1973 und wurde 1983 bei Bastei-Lübbe auch schon mit der Bandnummer 24113 veröffentlicht. Und auch wenn der Autor seine Glanzzeit und besonders auf dem Kurzgeschichtensektor produktivste Phase in den vierziger und fünfziger Jahren hatte, werden damit die fast 20 letzten Jahre seines Schreibens schlicht unterschlagen. Was hier ebenfalls fehlt, sind seine Robotergeschichten. Die wurden zwar an anderer Stelle oft genug veröffentlicht, doch dies trifft für einen Großteil der hier versammelten Storys ebenfalls zu, zählt also nicht als Entschuldigung. Gerade die Robotergeschichten sind nun einmal ein wesentlicher Bestandteil des Asimov’schen Schaffens. Dies wird dieser Tage gerade durch eine auf diesem Werk basierende Verfilmung namens „I, Robot“ gezeigt. Die Zusammenstellung besorgte Asimov übrigens auch nicht selbst, sondern ein namentlich ungenannter Herausgeber, so dass man über die getroffene Auswahl durchaus geteilter Meinung sein kann. Asimov gibt das im Vorwort in ungewohnt bescheidener Manier zu und schreibt, eigentlich solle das Buch besser den Titel „Die recht guten und recht typischen Geschichten Isaac Asimovs“ tragen – so viel dazu.
Höhepunkt der zwölf Storys ist „Und Finsternis wird kommen…“ (Nightfall) aus dem Jahr 1941, eine Geschichte, welcher der Autor ob ihres enormen Erfolgs recht hilflos gegenübersteht und von der er selbst erklärt, sie sei nicht seine persönliche Favoritin. Der SF-Leser an sich widerspricht dieser Meinung gern und häufig, immer wieder wird „Und Finsternis wird kommen…“ unter den beliebtesten Kurzgeschichten aller Zeiten genannt. Der Reiz dieser faszinierenden Story liegt vor allem in ihrem beeindruckenden Szenario: Der ungewöhnliche Plot – die Welt Lagash wird nur in großen Abständen mit völliger Dunkelheit konfrontiert, da ansonsten immer eine der Sonnen am Himmel steht, was in unschöner Regelmäßigkeit die Zivilisation in völligem Wahnsinn zerbrechen lässt und sie auslöscht – hat sicherlich den Löwenanteil am hohen Beliebtheitsgrad. Stilistisch ist Asimov in dieser frühen Phase sicher nicht völlig ausgereift, sondern noch sehr den |Pulps| verhaftet. Das heißt keineswegs schwach, eher einfach, fast naiv gehalten, aber auch in der relativ nüchternen Manier durchaus ansprechend. Die Charaktere dürften zweifelsfrei noch schärfer gezeichnet sein. Erst Robert Silverbergs Romanfassung, deutsch als „Einbruch der Nacht“ bei |Heyne| erschienen, hilft dem Manko der etwas wissenschaftlich-sterilen Protagonisten dann ab. Die Original-Geschichte zählt aber allein wegen der ungewöhnlichen Idee, von der sie lebt, verdientermaßen zu den Klassikern der SF der vierziger Jahre.
Die erste verkaufte Story des Autors, „Havarie vor Vesta“ (Marooned off Vesta, 1939), kann besonders durch die Plausibiltät gefallen, mit der sich die havarierten Raumfahrer an Bord der Silver Queen aus ihrer scheinbar aussichtslosen Lage retten. Ein früher Verweis auf Asimovs spätere Ausflüge ins Krimigenre? Sprachlich ist das Debüt ebenfalls sehr einfach gehalten, auch hier lebt die Geschichte mehr von der Idee. Genau zwanzig Jahre später wurde dann „Jahresfeier“ (Anniversary) geschrieben, das die Charaktere der Geretteten noch einmal aufgreift und schließlich gemeinsam mit „Havarie vor Vesta“ in |Amazing Stories| abgedruckt wurde, eben um den Geburtstag der ersten Story Asimovs gebührend zu feiern. Mehr Krimi als SF, ist diese Geschichte die wohl schwächste der hier vertretenen, da die Lösung des Falls den Leser hilflos zurücklässt und ihm kaum eine Chance bietet, wenigstens mitzuraten, wer denn nun der Täter war.
Der gereiftere Asimov begegnet dem Leser in der erstmals 1972 veröffentlichten Story „Spiegelbild“ (The Mirror Image), die auch ein Wiedersehen mit dem Detektiv Elijah Baley und dem Roboter R. Daneel Olivaw aus den frühen Romanen „Die Stahlhöhlen“ (The Caves of Steel) und „Die nackte Sonne“ (The Naked Sun) parat hält, die später in der |Foundation|-Fortschreibung auch wieder auftauchen. Zwei Wissenschaftler beschuldigen sich darin gegenseitig des geistigen Diebstahls. Baley droht an dem Fall zu verzweifeln, kann ihn dann aber dank seiner eigenen Logik – die den Roboter verblüfft – doch aufklären. Ein weiterer Kriminalfall wird in „Das Nullfeld“ (The Billard Ball) gelöst. Hier steht allerdings nicht die Frage nach dem Täter im Raum, sondern die Überlegung, ob Zufall oder Absicht die Tat lenkten und wie sie überhaupt möglich war. Eine reizvolle Story.
„Geschichte eines Helden“ (C-Chute), ursprünglich in |Galaxy| veröffentlicht, hat dann mehr von einer typischen SF-Story der frühen fünfziger Jahre. Während eines Kriegs zwischen Menschen und den Kloros, einer Insektenrasse, wird die Besatzung eines irdischen Raumschiffs gefangen genommen. Ausgerechnet der unscheinbare Buchhalter Randolph Mullen avanciert unter den Gefangenen zum Helden und findet einen Weg zur Flucht. Flott zu lesen, recht farbige Charaktere und damit eine der besseren Storys des Buchs. „Das Chronoskop“ (The Dead Past) kann ebenfalls durch die starken Charaktere, die in vielen Nuancen geschildert und so lebendig werden, überzeugen. Die weiteren Storys: „Die Verschwender vom Mars“ (The Martian Way), „Die in der Tiefe“ (The Deep), „Der Spaß, den sie hatten“ (The Fun They Had), „Wenn die Sterne verlöschen“ (The Last Question) sowie „Die schwindende Nacht“ (The Dying Night).
Alles in allem eine gute Zusammenstellung typischer Asimov-Geschichten, nicht das Beste, aber doch mehr Gutes als Schlechtes.
_Armin Rößler_ © 2001
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|
Dickinson, Peter – Suth und Noli (Die Kinder des Mondfalken)
Seit den Romanen von Jean M. Auel um ihre Urzeit-Heldin „Ayla“ sind Bücher über die Frühgeschichte der Menschheit nicht mehr aus den Regalen wegzudenken. Ob für Erwachsene oder Kinder – es scheint die Autoren zu faszinieren, 40.000 oder gar 200.000 Jahre in die Vergangenheit zu gehen und sich das Leben damaliger Menschen (oder Menschenvorfahren) vorzustellen. So geht es auch dem Engländer Peter Dickinson. Seine Geschichten um die „Kinder des Mondfalken“ erschienen in Deutschland bereits als Buch für Kinder und Jugendliche bei |Carlsen|. Für die Taschenbuchausgabe hat man die beiden ersten Bände in einen zusammengefasst.
Der Stamm der Mondfalken ist überfallen und in eine viel unwirtlichere Gegend vertrieben worden. Die Überlebenden wollen beim Marsch durch die Wüste die Kleinsten und Schwächsten zurücklassen, aber der Junge Suth, der auf der Schwelle zum Erwachsensein steht, und das Mädchen Noli, das immer wieder Visionen hat, lassen das nicht zu. Sie trennen sich vom Stamm und retten die Kinder. Auf sich allein gestellt, versuchen sie zu überleben, was nicht immer leicht ist.
Dann aber finden sie Aufnahme bei einem anderen Stamm. Suth begreift nach und nach, dass sie seine Gruppe dabehalten wollen, um das Blut des Stammes, in dem immer mehr missgebildete Kinder geboren werden, aufzufrischen. Er versucht das zu verhindern, doch selbst Noli scheint von der Magie der Anführerin des Stammes gefangen. Dann zwingt ein Vulkanausbruch die Kinder des Mondfalken zu einer Entscheidung. Sie kommen nur knapp mit ihrem Leben davon und finden in einem anderen Tal Zuflucht, wo Humanoide leben, die sie bisher nicht als Menschen betrachtet haben. Jetzt müssen sie lernen, ihre Vorurteile zu vergessen, damit auch sie hier eine Heimat finden können …
In einer bewusst einfachen Sprache schildert Peter Dickinson die Erlebnisse der Frühmenschenkinder erst aus der Sicht von Suth, dann von Noli. Jedes Kapitel wird von einer sogenannten „Ursage“ begleitet, die das Selbstverständnis und die Vorstellungswelt der jungen Helden und die Gründe für ihr Handeln plausibler macht. Er bringt dem Leser auf höchst lebendige Weise den Alltag, die Sorgen, Nöte aber auch Freuden der Kinder näher, ohne dabei belehrend oder wissenschaftlich zu werden, wenn auch der versteckte Appell an Toleranz und Offenheit nicht fehlen darf. Aber genau diese Dinge werden wohl auch in der Urzeit ein friedliches Miteinander zwischen sich fremden Stämmen und Volksgruppen ermöglicht haben, wenn genug Nahrung da war. Die Kinder sind lebendig geschildert, machen Fehler oder reagieren instinktiv richtig. Sie akzeptieren Dinge, die sind, und lassen auch das Neue zu.
Phantastische Elemente tauchen im Roman eher selten auf, meistens wenn Noli von dem Geist ihres Stammestotems berührt wird und seine Botschaften empfängt, woraufhin der Stamm in eine neue Richtung gelenkt wird.
Die Abenteuer sind klein und meistens alltäglich, wenn man einmal von dem Kampf gegen einen bedrohlichen Löwen absieht. Aber darauf kommt es auch nicht an, da Spannung anders erzeugt wird. Dennoch sollten all jene, die mit als Kinderbücher konzipierten Urzeit-Romanen, nicht viel anfangen können, ihre Finger von dem Roman lassen.
Wer eher ruhige Geschichten mit Mythen und einfachen Abenteuern mag, in dem die Figuren im Vordergrund stehen, wird an den „Kindern des Mondfalken“ seine Freude haben.
_Christel Scheja_ © 2004
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Fried, Hel – Tinnitus
Der Tinnitus ist ein beständiges, subjektives Geräusch im Ohr, welches man nicht unterdrücken oder abstellen kann. Ähnlich den Menschen mit dieser Krankheit ergeht es den Telepathen in Hel Frieds Roman. Jeder Mensch mit diesem Talent nimmt beständig ein Signal wahr, welches ihn unwiderstehlich zu einem bestimmten Ort zieht. Leider leben die Telepathen nicht in einer modernen Welt, sondern in einem postapokalyptischen Mittelalter und werden dort als Dämonen betrachtet, weswegen sie gnadenlos verfolgt und getötet werden.
200 Jahre nach der großen Katastrophe macht sich der Telepath Kramsky auf, den Ursprung des Geräuschs zu finden, um, wenn möglich, das Geräusch zu beseitigen, damit andere Telepathen nicht mehr von diesem Zwang erfüllt sind und ein freieres Leben führen können. Auf seinem Weg begegnet er anderen Personen, die entweder selbst Telepathen sind oder damit beschäftigt sind, Telepathen zu töten.
Hel Fried nimmt sich viel Zeit, seinen Hauptakteur darzustellen, seine Beweggründe aufzuzeigen und seinen Hintergrund zu erläutern. Ebenso nimmt er sich die Zeit, andere Personen gründlich einzuführen, bevor er sie oft sehr schlagartig wieder sterben lässt. Dass dabei die Akteure streckenweise dennoch flach bleiben, ist etwas schade. Besonders fällt dies bei Lazarus auf, der durch seine reine Übermenschlichkeit uninteressant wird, obwohl seine Geschichte anfänglich doch neugierig macht.
Dem Autor gelingt es dabei, alle Handlungsbögen wieder zu spannen und jeden Akteur, den er eingeführt hat, am Ende ans Ziel oder in den Tod zu führen (selbst bei Charakteren, die man bereits vergessen hatte). Dabei schöpft er aus einer Fülle von Ideen. Und hier liegt eine der größten Stärken und auch gleichzeitig Schwächen des Buches. Man bekommt zum Ende des Buches hin den Eindruck, als hätte Hel Fried versucht, 90 Prozent aller gängigen Themenkomplexe der Science-Fiction-Literatur in einem Buch unterzubringen. Geheimnisvolle Herkünfte und Mutationen sind nicht nur auf eine Art entstanden, sondern auf gleich drei verschiedene. Außerirdische tauchen auf, eine unheilbare Krankheit, Gentechnologie, Strahlung etc. Und am Ende ist der Ursprung des Ganzen doch in einer einzigen Ursache zu finden. Einen Hintergrund, den man als Leser hinnehmen oder woran man sich stören kann. Eine komplexe Hintergrundgeschichte mit vielen Akteuren, Einflüssen und Wendungen, die am Ende doch nur auf einem Umstand basieren. Der Autor läuft in solchen Fällen Gefahr, des Verdachts des |deus ex machina| ausgesetzt zu sein. So ist die Auflösung am Ende auch unbefriedigend und für meinen Geschmack zu plötzlich. Doch über das etwas abrupte Ende wird man schließlich auch mit dem letzten, nur eine halbe Seite langen Kapitel ein wenig hinweggetröstet.
Alles in allem hat die Lektüre von „Tinnitus“ Freude bereitet, nachdem ich über das erste Kapitel hinweg war, welches mich anfänglich befürchten ließ, dass die Vita des Autors interessanter sein könnte als der Roman. Hel Fried könnte vielleicht ein großer SF-Autor werden, wenn er sich ein wenig mehr Zeit für seine Ideen nehmen würde. Für den kleinen |Eldur|-Verlag ist „Tinnitus“ ein Roman, mit dem er sich durchaus nicht hinter den Großen der Branche verstecken muss. Für den Leser bleibt am Ende auf jeden Fall das Gefühl, einigen interessanten Ideen und Charakteren begegnet zu sein.
[_Kolvar_]http://www.orfinlir.de/
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Aldiss, Brian W. / Penrose, Roger – Weißer Mars – Eine Utopie des 21. Jahrhunderts
Mitte unseres 21. Jahrhunderts beschließen die Staaten der Erde, den Mars zu erkunden. Terra-Forming ist explizit ausgeschlossen, die Expedition soll ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienen. Diese Vorgehensweise wird in Analogie zur Erforschung der Antarktis auf der Erde „Weißer Mars“ genannt.
Schwerpunkt der Wissenschaftsarbeit ist die Elementarteilchenforschung, da auf dem Mars keine Störungen der sensiblen Messapparaturen durch elektromagnetische Felder, Erschütterungen durch Verkehr und Bauwesen etc. erwartet werden. Durch den endgültigen Zusammenbruch des kapitalistischen Wirtschaftssystems auf der Erde entsteht eine neue Situation für die Wissenschaftler auf dem Mars: Sie sind zwar noch kommunikationstechnisch mit der Erde verbunden, können jedoch von dort keinerlei Hilfe mehr erwarten. Um ihr Leben für eine nicht planbare Zeit auf dem Mars zu sichern und zu organisieren, beginnen sie mit dem Aufbau und der Neuorganisation ihres Zusammenlebens. Damit sind wir beim eigentlichen Inhalt des Romans: Aufbau einer utopischen Gesellschaft.
Der Roman ist beileibe keine Unterhaltungsliteratur, es ist vielmehr ein utopischer Roman mit SF-Elementen. Die beiden Autoren verstehen es sehr gut, die spärlichen Handlungselemente mit den eigentlichen Themen des Romans zu verweben. Die Geschichte der Mars-Wissenschaftler wird aus der Perspektive zweier Ich-Erzähler, die Expeditionsteilnehmer sind, geschildert. Der vorliegende Roman ist in Form eines Berichts verfasst, wobei die Schilderungen von Tom Jeffries, dem geistigen Vater der utopischen Gesellschaft, und von Cang Hais, seiner Adoptivtochter, abwechseln. Diese Arbeitsteilung scheint auch vom Autorenteam Aldiss/Penrose praktiziert worden zu sein. Während Aldiss dem SF-Leser ein Begriff sein dürfte, ist die Zusammenarbeit mit einem bedeutenden Physiker unserer Zeit für einen SF-Roman eine eher seltene und daher auch interessante Angelegenheit. Sir Roger Penrose ist eine Autorität auf dem Gebiet der Quantenphysik, lehrt in Großbritannien und den USA und ist u. a. auch für seine Zusammenarbeit mit dem berühmten Physiker Stephen W. Hawking bekannt. Ein zweites Gebiet dieses Wissenschaftlers und Autors ist das der Bewusstseinsforschung. Beide Wissenschaftszweige werden vortrefflich in die Handlung des Romans integriert. Die im Roman handelnden Expeditionsteilnehmer vertreten die jeweiligen Disziplinen; Namensähnlichkeiten mit Köpfen der heutigen Wissenschaften fallen auf. Einige wenige äußere Handlungselemente werden von den Expeditionsteilnehmern in vielen öffentlichen Diskussionen, die auch zur Erde übermittelt werden, behandelt. So nährt zum Beispiel die Entdeckung von Wasserreservoirs das Wiederaufkommen der Terraforming-Befürworter. Die Entdeckung einer völlig fremdartigen Lebensform auf dem Mars veranlasst die Wissenschaftler, Theorien über den Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Materie zu überdenken und strittig zu diskutieren. Ein weiteres Beispiel ist die Diskussion um die Sinnhaftigkeit der Grundlagenforschung. Hier werden immer wieder nach bestem demokratischen Vorbild Wissenschaftler ins Rennen geschickt, die in öffentlicher Rede vor den 6000 Mars-Gestrandeten erklären müssen, warum weiterhin Ressourcen in die Fertigstellung eines Elementarteilchenbeschleunigers gesteckt werden müssen, anstatt sich um den Ausbau der medizinischen Versorgung oder kulturelle Dinge zu kümmern. Eine Diskussion, die Sir Roger Penrose mit Sicherheit nicht erst für den Roman erfinden musste.
Diese und andere strittige Themen sind eng verwoben mit der gesellschaftlichen bzw. politischen Handlungsebene des Romans. Der geistige Vater der Utopisten hat das erklärte Ziel, „uns selbst und unsere Gesellschaft neu zu erschaffen.“ In den Wortbeiträgen der diskutierenden „Robinsons“, wie sich die Mars-Gestrandeten selbst manchmal nennen, werden immer wieder bedeutende Philosophen, Religionsführer und Sozialwissenschaftler zitiert. Häufig werden diese Bezüge auch in einer Fußnote näher erläutert. Eine Kernthese dieser Handlungsebene stellt Tom Jeffries in den Raum: Die Ursachen der gesellschaftlichen Misere auf der Erde teilt er in fünf Kategorien auf. Stellvertretend für die Entwicklung seiner Thesen beispielhaft einige der dort behandelten Stichworte: Verbrechen, Erziehung, Abtreibung, Sex, Fortschrittsglaube, Ernährung, Ausbeutung der Natur, Konsumdenken, Hunger. An dieser Stelle sei an den treffenden Titel der Originalausgabe „White Mars or: The Mind Set Free“ erinnert, der dem Roman eher gerecht wird als die Wahl des Verlags oder Übersetzers.
Im Anhang des Buches findet sich ein 15-seitiges Interview des Übersetzers mit dem Autor Brian W. Aldiss. Sehr interessant zu lesen, nicht zuletzt wegen der Gegenüberstellung Wissenschaft und SF (siehe hierzu auch Stephen W. Hawking in „The Physics of Star Trek“, Lawrence M. Krauss).
Die Elemente und Handlungsebenen des Romans sind in ihrer Zusammenstellung mit Sicherheit einmalig. Allein das macht das Buch lesenswert. Der Hardcore-SF-Fan wird sich vielleicht durch einige Längen der Marke „Elementarteilchenphysik“ durchkämpfen oder auch bestimmte vordergründige Ungereimtheiten übersehen müssen. (Wie versorgen sich 6000 Menschen ohne jede Lieferung von der Erde über Jahre hinweg?) Dennoch: In den Kapiteln, wo SF anstelle des utopischen Romans in den Vordergrund tritt, kann man ohne Übertreibung von Science-Fiction in der ureigensten Bedeutung des Worts sprechen.
_Christel Scheja_ © 2002
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|
Hambly, Barbara – Drachentöter, Der
Der deutsche Titel ist Quatsch.
Im Original heißt das Buch „Dragonstar“, und das trifft es – erstens wird in dem Buch kein Drache getötet (im Gegenteil!), und zweitens spielt der |Drachenstern|, ein Komet, der alle tausend Jahre erscheint, eine wichtige Rolle. Er verstärkt nämlich die Kräfte der Dämonen, die sich seit drei Bänden im Königreich von Bel mit Ihresgleichen, aber auch mit Menschen und Gnomen um die Macht schlagen. Wenn man also partout zwecks Reklame titelmäßig etwas metzeln musste, hätte das Werk „Dämonentöter“ heißen sollen – gegen die geht es nämlich. Dass der Text auf dem Backcover auch nicht in allen Punkten stimmt, wird keinen wundern; und wen kümmert’s, wenn das Buch nur gut ist.
Aber ist es gut? – Hm. Schon meine Kollegen Martin und Wilko bemerkten in ihren Rezensionen, dass sich Hamblys Fantasy-Bücher streckenweise etwas langatmig lesen, was hier auch zutrifft. Das eigentliche Problem jedoch: „Drachentöter“ bildet den Abschluss eines vierbändigen Zyklus, und man sollte mindestens die zwei vorangegangenen Teile intus haben, um in diesen hier gut einsteigen zu können. Bastei gibt zu Anfang zwar eine Zusammenfassung von „Der schwarze Drache“, „Die dunkle Brut“ und „Der Sternendrache“, aber es haut einem da so die Namen von Menschen, Dämonen, Drachen und Dingen um die Ohren, dass man öfter mal „Wie jetzt??“ fragt.
Es geht, wie schon gesagt, um eine Invasion dieser Irgendwowelt durch Dämonen, die in Teil Zwei begann und immer noch andauert. Menschen werden zuhauf von ihnen „übernommen“, aber ihre bevorzugte Beute sind Drachen und Magier; etliche Figuren des vorliegenden Buches hatten bereits das Vergnügen, für die Höllensprösslinge den Wirt zu machen. Im Zuge solcher und anderer Katastrophen wurden die Magierin Jenny Waynest, ihr Mann John Aversin (Drachentöter, Dämonenüberlister, Than der Winterlande) und ihr Sohn Ian (auch ein Magier) voneinander getrennt; Jenny und Ian haben immer noch an den Folgen der dämonischen Symbiose zu tragen. Abgesehen davon wurde Jenny im Reich der Gnome durch einen Giftpfeil verwundet und John soll wegen Paktierens mit Dämonen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Genügend Ansätze für eine spannende Handlung also, aber die ständigen Rückblicke der Figuren machen das Buch zähflüssig, zumal der unkundige Leser immer wieder ins Vorwort blättert, um zu erfahren, wer zum Geier nun schon wieder dieser Dämon ist und welcher gegen welchen kämpft. Die Höllengeschöpfe stehen untereinander im Verbündeten- und Lehnsverhältnis, wollen sich aber gleichzeitig permanent übers Ohr hauen – das macht die Sache nicht einfacher. Irritierend wirkt anfangs auch die Bezeichnung von Johns Verbündeten-Feindin Aohila als „Dämonenkönigin“; man denkt glatt, sie herrscht über alle anderen ihrer Spezies, was aber falsch ist – sie beherrscht nur ihre eigene Hölle (es gibt deren unzählige) und ist durch die wahren Bösen auch gefährdet.
Ungefähr ab Seite 160 entwickelt sich eine leidlich durchschaubare und spannende Handlung, denn man hat sich jetzt eingelesen und kennt die meisten Zusammenhänge, außerdem schildert Hambly den Kampf der Menschen gegen die Dämonen flüssig und zielstrebig. Endlich sind die Fronten klar; später werden sie wieder unklarer. Gelegentlich fragt man sich, wieso das übermächtige Böse so (relativ) einfach besiegt werden kann; und die finale Kampfszene musste ich zweimal lesen, um Johns genialen Plan zu begreifen – aber auch dann überzeugte er mich nicht so ganz.
Interessant ist das Konzept der Parallelwelten, das Hambly entwickelt. Eine davon erinnert sehr an die dystopische Erde eines nicht allzu fernen Jahrhunderts, leider lernt man sie nur in Rückblenden kennen. Wer darüber mehr wissen möchte, muss „Der Sternendrache“ lesen. Ungeklärt bleibt das Rätsel der Drachenschatten (Morkeleb, der schwarze Drache, der Helfer der Menschen, ist zu einem geworden; angeblich hat er dazu auf den Großteil seiner Magie verzichtet, aber dafür kennt er noch recht viele Zauber). Jedenfalls bieten diese offene Frage und das magische Potenzial, das in Ian schlummert, genügend Ansätze für eine Fortsetzung; ob sie allerdings sein muss, wage ich in Frage zu stellen – so brillant ist dieses Buch hier nun auch wieder nicht.
_Peter Schünemann_ © 2004
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Diana Wynne Jones – Die Krone von Dalemark (Dalemark 4)
Dalemark-Zyklus
Band 1: „Die Spielleute von Dalemark“
Band 2: „Die heiligen Inseln“
Band3: „Der Fluss der Seelen“
Band 4: „Die Krone von Dalemark“
Im vierten Band des Dalemark-Zyklus „Die Krone von Dalemark“ geht es um die dritte Hauptperson, ein Mädchen namens Maewen. Aber auch die anderen Charaktere, die uns bisher begegnet sind, tauchen hier wieder auf, sodaß alle Vorgeschichten jetzt am selben Punkt zusammengeführt sind.
Mitt ist im Norden angekommen. Aber entgegen seiner Hoffnungen hat er den Ärger mit den Grafen nicht hinter sich. Er soll für die Gräfin von Aberath und den Graf von Hannart ein junges Mädchen beseitigen. Sie heißt Noreth und glaubt, daß der Eine ihr Vater und sie selbst dazu bestimmt ist, Königin von ganz Dalemark zu werden. Mitt ist von diesem Auftrag gar nicht begeistert, doch der Graf und die Gräfin haben Hildy und Ynen in der Hand. Also macht Mitt sich schweren Herzens auf den Weg. Kaum hat er Noreth kennengelernt, da weiß er erst recht, daß er sie weder umbringen will noch kann…
Maewen ist bei ihrem Vater zu Besuch in Karnsburg. Ihr Vater arbeitet im Tannoreth-Palast, einem riesigen Museum. Maewen darf sich dort alles ansehen. Eines Tages trifft sie einen der Museumsangestellten, der gerade ein kostbares Stück aus einer Vitrine nimmt. Weil gleichzeitig sein Funkgerät piepst, bittet er Maewen, es zu ihrem Vater zu bringen. Kaum hat Maewen die Figur berührt, als Nebel sie einhüllt. Maewen findet sich in einer völlig fremden Welt wieder und unter völlig fremden Menschen. Es dauert lange, bis sie merkt, daß sie in der Vergangenheit gelandet ist, und nicht nur das. Unter ihren Begleitern befinden sich ein junger Barde, der eine ganz außergewöhnliche Quidder trägt, ein Mann namens Wend, der genau wie der Museumsangestellte aussieht, und ein junger Bursche, der sie offenbar kennt, und sie weiß nicht woher. Außerdem ist sie auch noch die Anführerin, dabei weiß sie gar nicht, worum es geht. Und zu allem Übel hört sie auch noch eine körperlose Stimme. Maewen fühlt sich gar nicht wohl in ihrer Haut, weiß aber, daß sie nicht umkehren kann, bevor sie – was auch immer – durchgestanden hat…
Diesmal herrschen wieder zwei Erzählstränge vor, der eine aus Sicht von Mitt, der andere aus Sicht von Maewen. Charakterliche Entwicklung tritt bei diesem letzten Band jedoch eher in den Hintergrund. Mitt und Moril sind da schon durch, und Maewen wächst ziemlich schnell in ihre Rolle hinein. So verschiebt sich die Gewichtung ein wenig mehr Richtung Handlung, die zum einen von Politik, zum anderen vom Kampf gegen Kankredin beherrscht wird.
Die Grafen wollen ihre Selbstständigkeit natürlich nur ungern aufgeben. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum der Graf von Hannart und die Gräfin von Aberath Mitt auf Noreth angesetzt haben. Und sie sind ja auch nicht die einzigen Grafen.
Die politischen Zwistigkeiten setzen sich bis in die Gruppe um Maewen fort, die aus Nord- und Südländern besteht. Streit scheint vorprogrammiert. Selbst Wend, der von politischen Angelegenheiten großteils unberührt zu bleiben scheint, hat ganz offensichtlich eine Aversion gegen Mitt. Das macht Maewen zusätzliche Schwierigkeiten.
Die körperlose Stimme, die Maewen zunächst an ihrem Verstand zweifeln läßt, ist eindeutig die eines Unvergänglichen. Obwohl sie Maewen Ratschläge erteilt, fühlt diese sich von ihr eher verunsichert. Sie versucht, so wenig wie möglich allein zu sein, denn die Stimme spricht nur, wenn sie allein ist. Zumindest scheint es so…
Zusätzlich zur bereits bekannten Magie der Quidder und der Unvergänglichen kommen hier noch einige magische Artefakte, die die Abstammung vom Adon, dem letzten König Dalemarks, anzeigen. Diese sind über ganz Norddalemark verstreut, sodaß die Gruppe ständig von einem Ende zum anderen unterwegs ist. Diesmal hätte ich mir zum ersten Mal eine Karte gewünscht, denn hier häufen sich die Ortsnamen und Richtungen doch ziemlich. Leider gibt es keine.
Das Erzähltempo nimmt zum Ende hin etwas zu, erreicht aber nicht den Schwung und die Spannung, die der dritte Band bietet. Auch hier zeigt sich wieder, daß Action zugunsten von Köpfchen eher im Hintergrund steht. Der eigentliche Kampf gegen Kankredin nimmt überraschend wenig Raum ein.
Das letzte Kapitel des Buches ist sehr kurz, man könnte es fast als Epilog bezeichnen, und läßt das Ende letztlich offen. Für eine weitere Fortsetzung? Der vierte Band kam 1993 heraus. Schon ne ganze Weile her. Andererseits lagen zwischen den ersten drei Bänden, die im Abstand von je zwei Jahren entstanden, und dem vierten Band auch vierzehn Jahre Pause.
Insgesamt betrachtet fand ich den Zyklus durchaus gelungen, auch wenn der vierte Band nicht ganz hielt, was ich mir nach dem dritten erhofft hatte. Von kleinen Logikfehlern abgesehen hat Diana Wynne Jones eine interessante Welt erschaffen mit Charakteren, die echt und glaubwürdig wirken, und einem Rahmen, der durch den von der Vergangenheit bis in die Zukunft reichenden Bogen fast epische Ausmaße annimmt. Für Jugendliche mit einem Faible für Fantasy auf jeden Fall zu empfehlen, aber auch für Erwachsene, die es nicht immer hochgradig kompliziert und vielschichtig brauchen.
Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.
Taschenbuch 510 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-20468-7
Der Autor vergibt: 



Diana Wynne Jones – Der Fluss der Seelen (Dalemark 3)
Dalemark-Zyklus
Band 1: „Die Spielleute von Dalemark“
Band 2: „Die heiligen Inseln“
Band3: „Der Fluss der Seelen“
„Der Fluß der Seelen“, der dritte Band des Dalemark-Zyklus, fällt ein wenig aus der Reihe. Er erzählt von einer Zeit, die noch vor den Legenden liegt, die Moril und die Barden in ihren Balladen singen.
Tanaqui und ihre Geschwister haben es nicht leicht. Sie wachsen ohne Mutter auf, die Leute im Dorf mögen sie nicht besonders, und dann kommen auch noch Soldaten und holen die Männer des Dorfes in den Krieg gegen die Heiden, die vom Meer heraufdrängen, um dort zu siedeln. Auch Tanaquis Vater und ihr ältester Bruder Gull folgen dem Heer in den Krieg. Der Vater fällt, und als Gull aus dem Krieg zurückkommt, ist er seltsam verändert. Der Onkel, der ihn zurückbringt, meint, das läge daran, daß die Zauberer ihn mit einem Zauber belegt hätten.
Die Dörfler sind inzwischen der Meinung, daß auch Tanaquis Familie zu den heidnischen Zauberern gehöre, weil sie genauso aussehen. Tanaqui und ihre Geschwister fliehen den Strom hinunter. Die Fahrt ist mühselig, führt in feindliches Gebiet, und Gull geht es immer schlechter. Als sie das Meer erreichen ist auch Robin krank. Dort angekommen stellen sie allerdings fest, daß nicht die Heiden ihr eigentlicher Feind sind…
Außergewöhnlich ist an diesem Teil der Geschichte nicht nur, daß er in der fernen Vergangenheit spielt, was sich erst allmählich herauskristallisiert, sondern auch, daß er als einziger der vier in der Ich-Form geschrieben ist. Die Erzählerin ist Tanaqui, das zweitjüngste der Geschwister. Auch Tanaqui selbst fällt ein wenig aus der Rolle, sie ist die einzige, die nicht nach einem Vogel benannt ist.
Obwohl Tanaqui erzählt, liegt das Hauptaugenmerk nicht so eindeutig auf ihr, wie es bei den vorigen Bänden mit Moril und Mitt der Fall war. Die Gewichtung ist eher gleichmäßig auf Tanaqui, ihren zweiten Bruder Hern und den jüngsten Bruder Entchen verteilt. Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, daß an jedem dieser drei etwas Besonderes ist. Das gilt im Grunde auch für Gull und die älteste Schwester Robin, doch durch ihre Krankheiten sind sie nur eingeschränkt oder gar nicht handlungsfähig und deshalb für die Entwicklung der Geschichte weniger ausschlaggebend.
Auch in diesem Buch nimmt die Entwicklung der Charaktere viel Raum ein, wenn auch auf eine etwas andere Art. Hier ist es weniger das Erwachsenwerden, sondern das Hineinwachsen in bestimmte Aufgaben. So stellt sich schon bald heraus, daß Hern derjenige mit der größten Durchsetzungskraft ist, und der kleine Bruder Entchen zeigt spätestens am Seelennetz deutlich seine Anlagen zur Magie. Bei Tanaqui ist die Entwicklung logischerweise am deutlichsten, da sie die Erzählerin ist.
Dreh- und Angelpunkt dieses Bandes sind jedoch die Unvergänglichen. Die Abbilder dreier von ihnen begleiten die Kinder auf ihrer Reise, in deren Verlauf allmählich deutlich wird, wer und was die Unvergänglichen eigentlich sind. Daraus erklären sich im selben Zug auch die besonderen Fähigkeiten der Kinder. Zwangsläufig ist dieser Band derjenige, der am stärksten von Magie geprägt ist. Am deutlichsten zeigt sich diese in Entchens Flötenspiel und Tanaquis Weberei. Tanaqui webt nicht einfach nur irgendeinen Mantel. Indem sie ihre Erlebnisse, Gedanken und Überlegungen hineinwebt, webt sie einen Zaubermantel, ein magisches Artefakt, das durch seine Wirkung beinahe ein Eigenleben besitzt.
Die Beziehung zu den vorigen beiden Bänden war aufgrund des zeitlichen Abstands nicht einfach so in den Text der Erzählung einflechtbar, weshalb die Autorin ihn durch ein Nachwort hergestellt hat. Auch wird an dieser Stelle das Glossar interessant. Nicht alle Informationen, die dort erklärt sind, hat die Autorin im Kontext untergebracht. Verständnisschwierigkeiten ergeben sich deshalb aber nicht.
Der dritte Band war bisher eindeutig der komplexeste. Man kann zwar nicht sagen, daß in Bezug auf die Magie wirklich ins Detail gegangen wurde, doch es begegnen dem Leser gelegentlich Mehrdeutigkeiten – für die ist das Glossar gut – und Überlappungen von sichtbarer und unsichtbarer Welt, die seine Vorgänger nicht hatten. So ist der große Strom viel mehr als einfach nur ein Fluß, genau wie Tanaquis Mantel nicht einfach nur ein Mantel ist.
Er war auch der spannendste bisher. Das Ende ist zwar nicht in dem Sinn offen, denn es gibt ja das Nachwort, doch Tanaquis eigene Erzählung endet vor der letzten, endgültigen Entscheidung. Was nur logisch ist, denn an dieser Stelle ist sie fertig mit Weben.
Abgeschlossen kann man also auch diesen Band nicht wirklich nennen, denn auch ihm würde, wenn man ihn einzeln läse, etwas fehlen, auch wenn die eigentliche Geschichte zuende ist. Das geht schon aus dem Nachwort hervor, das ganz eindeutig einen Bezug herstellt zu den vorangehenden Bänden, und für jemanden, der diese nicht gelesen hat, eine Menge Fragen aufwerfen würde.
Und auch nach drei Bänden aufzuhören, ist nicht drin, denn es fehlt noch der entscheidende letzte Teil, der alle anderen zusammenfügt. Das wäre, wie nach einem Aufstieg von 2000 Metern 500 Meter unter dem Gipfel umzudrehen. Wer bis hierher gelesen hat, kommt um den vierten Band einfach nicht mehr drumrum.
Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.
Taschenbuch 335 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-20463-2
Der Autor vergibt: 




Fortuin, Henny – Geheimnis der Spinnenhexe, Das
Als der alte König stirbt, verfügt er in einer Prophezeiung, dass das dritte Kind eines seiner Kinder einst herrschen solle auf dem Thron des Landes. Seine drei Kinder sollen sich das Land teilen in drei Gebiete und jedes Kind soll König sein, bis denn dereinst das dritte Kind, ein Sohn, geboren würde. Seine Kinder schworen und glücklich starb der Vater. Die Kinder zogen in ihre Lande und bald war die väterliche Burg verlassen und das Land um sie herum vergessen. Drei neue, starke Königreiche entstanden in dem Gebiet des einstigen Reiches und es verging eine lange Zeit, bis das dritte Kind sich im Bauch regte. Doch die Tochter des alten Königs fürchtete um das Leben des jungen Kindes und flehte die Nebelhexe um Hilfe an. So wurde eine Tochter geboren, doch die Mutter zahlte einen harten Preis für die Hexerei. Der Vater des Kindes war entsetzt. Hatte er doch einen Sohn erwartet, wie es prophezeit war. Verbittert wendet er sich von seinem Kind ab, das stumm in der Wiege liegt. Niemand will für das Töchterchen sorgen und schließlich ist es die alte Spinnenhexe, die im Ostturm haust und das Kind bei sich aufnimmt. Doch während es heranwächst, nimmt der Kampf um die zerteilten Königreiche zu. Jeder will die Macht für sich haben und über das gesamte Gebiet herrschen.
Die Geschichte von Henny Fortuin vereint alle Ingredienzien, die zu einem Märchen dazugehören. Es gibt einen Zwerg, Hexen, Elfen, Könige, Zauberer, Königinnen, einen Kriegsherrn, einen Barden und nebenher noch ein wenig Fußvolk. Dazu noch eine Prophezeiung in den Hexenkessel geworfen und fertig ist das Ganze. Doch ganz so einfach hat es die Autorin sich selbst und uns Lesern nicht gemacht. Ihre Arbeit beginnt schon allein mit dem Stilmittel der unterschiedlichen Erzähler. Aus der Sicht einzelner Protagonisten wird die Geschichte berichtet. Dabei ändern sich der Stil, die Kommentare und auch die Sichtweise entsprechend der erzählenden Figur. Da spricht der Zwerg, der Stimmen im Wind hört. Die Spinnenhexe enthüllt ein paar ihrer Pläne, wenn sie an den Fäden zieht. Die Nebelhexe redet nur unwillig und der Barde übt sich in Selbstdarstellung. Wenn auch die Erzählweise der einen oder anderen Figur nicht leichtgängig ist, so ergibt sich daraus zugleich ein besonderer Reiz. So schweift der Zwerg gerne ab und es dürfte einem Kind nicht leichtfallen, dem Faden zu folgen (das Buch ist ab einem Alter von 12 Jahren vorgeschlagen).
Die Geschichte selbst ist vielschichtig und in mehrer Hinsicht zauberhaft. Henny Fortuin hält sich nicht lange mit Details auf und oft erhalten wir kaum eine Beschreibung der Personen oder Orte der Handlungen. Ganz im Stil der klassischen Märchen überlässt sie es der Phantasie ihrer Leser, die leeren Stellen zu füllen. Und das klappt gut. Denn an wesentlichen Stellen, wo die Phantasie abzuschweifen droht, fängt sie diese wieder durch eine kurze Erläuterung ein und widmet sich zügig erneut der Handlung. Folglich passiert recht viel in dem kleinen Buch, was jugendlichen Lesern sehr entgegen kommen dürfte. Langeweile sollte kaum aufkommen.
Das Buch ist näher an den klassischen Märchen als an der typischen, durch Tolkiens Revival geprägten Fantasy. Hier sind Elfen noch kleine Fieslinge und Zwerge einfach nur magische Geschöpfe. Wer noch ein offenes Auge für die Welt der märchenhafte Wunder hat, der sollte das Buch in die Hand nehmen.
Henny Fortuin, 1954 in Rotterdam geboren, arbeitete nach dem Psychologie-Studium mehrere Jahre als Schulpsychologin, bis sie ihre Lust am Schreiben entdeckte. Nachdem sie zunächst Kurzgeschichten für holländische Zeitungen und Kinderzeitschriften verfasste, schrieb sie ihren ersten Roman. „Das Geheimnis der Spinnenhexe“ ist ihr viertes Buch. |(© CARLSEN Verlag)|
_Jens Peter Kleinau_
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Gentle, Mary – Untergang Burgunds, Der (Die Legende von Ash 4)
Ein gewöhnlicher Fantasy- oder mittelalterlicher Roman, das ist Mary Gentle’s Saga um die Söldnerführerin Ash gewiss nicht. Ihr Roman „Ash – A Secret History“ ist das Ergebnis ihrer umfangreichen Studien (u. a. Master in Kriegsgeschichte und Geschichte des 17. Jahrhunderts) sowie ihres eigenen, recht unkonventionellen Werdegangs.
Genauso unkonventionell ist auch „Ash“ geworden: Für die deutsche Fassung musste das Werk auf vier dicke Bände aufgeteilt werden, aber nicht nur vom Umfang her ist ihr Romanzyklus wahrlich umfassend. Historie und modernste wissenschaftliche Theorien sowie Horror, Fantasy und Science-Fiction geben sich hier ein einzigartiges Stelldichein, das ich jedem an anspruchsvoller Unterhaltung interessierten Leser nur empfehlen kann.
Um was geht es eigentlich? Kurz gesagt, um ein Mittelalter, das anders ist als historisch überliefert, dessen Ereignisse ihre Schatten bis in unsere Gegenwart werfen und sie verändern. So gibt es mechanische Golems sowie eine Invasion Europas durch die in Karthago hausenden Westgoten. Diese verwüsten Europa, das von Dunkelheit überzogen wird, mit einem Ziel: Das Herzogtum Burgund muss fallen! Warum gerade Burgund? Das wichtigste der fantastischen Geheimnisse, neben vielen anderen. An Wundern mangelt es nicht: So erfährt Ash, dass sie eine Sklavin aus dem Hause des Emirs Leofric ist, nach Plan gezüchtet, um die Stimme eines gigantischen Taktikcomputers, des so genannten Steingolems, zu hören. Doch sie hörte sie nicht, wurde als kleines Kind getötet – so glaubte man –, nur um später als Söldnerführerin die Stimme des Golems, die sie für die eines Heiligen hält, doch noch zu vernehmen. Das machte sie zu einer der erfolgreichsten Condottiere Europas. Doch ihre Halbschwester, die sogenannte „Faris“ der Karthager, ihre Generalin, hört ebenfalls die Stimme der Maschine… und befehligt mit großem Erfolg die Heere Karthagos bei ihrem Vernichtungsfeldzug nach Burgund.
Ihr erstes Treffen ist für die beiden ein Schock, aber er ist nichts gegen eine andere, noch schrecklichere Erkenntnis: Die |Ferae Naturae Machinae|, „wilde Maschinen“, Pyramiden im Wüstensand rund um Karthago, sprechen durch den Steingolem und manipulieren durch ihn die Karthager für ihre Zwecke. Sie wollen Burgund vernichten und, wie später deutlich wird, es steht nur Burgund als letztes Hindernis zwischen dem Sieg der Maschinen und der Vernichtung der gesamten Menschheit.
Fast waren die Maschinen am Ziel, als Herzog Karl von Burgund starb, aber ein Nachfolger wurde gekürt – solange dieser lebt, wird die Menschheit leben… Im belagerten Dijon rafft Ash sich zum Kampf gegen den eigentlichen Feind, die „wilden Maschinen“, auf.
Der Historiker Dr. Ratcliff erlebt beim Lesen von Ash’s Autobiographie mit, wie sich die Realität wandelt. Anfangs verändern sich nur Seiten in Büchern oder Funde von Golems im Wüstensand, bald aber wird er Personen aus dem Mittelalter in ihrer modernen Version gegenüberstehen…
Verworren, faszinierend, schwer verständlich – wer in die Welt von Ash eintauchen möchte, hat keine andere Wahl als beim Anfangsband „Der Blaue Löwe“ zu beginnen. In der Rezension zum ersten Roman finden sich zudem weitere Informationen über die Autorin selbst.
DIE LEGENDE VON ASH
Band 1: [„Der Blaue Löwe“ 303 (ISBN 3404283384)
Band 2: [„Der Aufstieg Karthagos“ 333 (ISBN 3404283406)
Band 3: [„Der steinerne Golem“ 377 (ISBN 3404283430)
Band 4: „DER UNTERGANG BURGUNDS“ (ISBN 3404283457)
Das englische Original:
„Ash – A Secret History“ (ISBN 1857987446)
„Der Untergang Burgunds“ ist ein überraschend gut gelungener und würdiger Abschlussband des Zyklus. Wie oft wird man bei solch komplexen Zyklen nicht von einem relativ platten Finale enttäuscht?
Nach dem langatmigen und nahezu ereignislosen dritten Band geht es endlich wieder richtig zur Sache: Der König-Kalif Karthagos erscheint persönlich auf dem Schlachtfeld, die letzte militärische Hoffnung der Burgunder wird erbarmungslos zerschlagen, als man die Nachricht von Tod und Schändung der Gemahlin und Tochter Herzog Karls sowie dem Untergang des Entsatzheeres aus Flandern erhält. Doch die durch die Stimmen der wilden Maschinen in ihrem Weltbild schwer erschütterte Faris der Karthager läuft, bei dem neuen Kalifen in Ungnade gefallen, zu den Burgundern über.
An diesem Punkt hat Ash einige zündende Ideen, wie man die Maschinen, auch ohne den Würgegriff der Belagerung brechen zu müssen, bezwingen könnte…
Es tut sich etwas, Ash geht in die Offensive, bemerkenswert ist vor allem ihre Konfrontation mit den Maschinen: Sie erfährt ihre Motive, die durchaus nachvollziehbar sind und mich zum Schaudern brachten – und Ash vor eine schwierige Enscheidung stellen. Was Ash auch immer tut, es wird die Weltgeschichte verändern oder die Menschheit auslöschen. Wie sich Ash entscheidet, möchte ich nicht vorwegnehmen – nur so viel: Die Menschheit wird natürlich nicht untergehen.
Ihre Entscheidung hat fast schon philosophische Dimensionen, die Auswirkungen auf die Gegenwart werden mit modernen Theorien (Wellentheorie, parallele Realitäten u. a.) erklärt, wie auch die „Wunder“ des Propheten Gundobad, deren Bedeutung von zentraler Bedeutung für die Handlung sind. Man stelle sich vor, man könnte durch Zucht und Selektion eine Menschenrasse züchten, die Kraft ihres Willens das Antlitz der Erde verändern könnte. Die Folgen wären schrecklich, die wilden Maschinen erscheinen fast als Wohltäter, wollen sie doch sich und der Menschheit diese ständigen katastrophalen Veränderungen der Realität ersparen. Auch die Bedeutung Burgunds im Zusammenhang mit den Wunderwirkern wird geklärt: warum die Linie der Herzöge Burgunds die Fähigkeit besitzt, solche „Wunder“ zu verhindern.
Dieser Roman macht nachdenklich, neben der interessanten Handlung kommen die Charaktere nicht zu kurz. Die von den Ereignissen, die ihren Horizont (Sie lebt im Mittelalter und kennt nur das Schlachtfeld!) bei weitem übersteigen, überrollte Ash kann einem leid tun, ebenso wie die um ihr blankes Leben kämpfenden Bürger Burgunds und ihre Söldner. Blutige Gemetzel und mittelalterliche Grausamkeiten sind auch in diesem Roman reichlich vorhanden und verstärken die düstere und hoffnungslose Atmosphäre. Neben Ash wissen vor allem ihre engsten Vertrauten sowie die Faris der Karthager zu überzeugen, die, etwas jünger als Ash, ohne die Weisungen des Steingolems vollkommen hilflos und verstört vor der Hinrichtung durch Kalif Gelimer fliehen muss, zusammen mit ihrer gemeinsamen Mutter und ihrer Halbschwester Violante. Sie wird wie auch der anscheinend halb wahnsinnig gewordene Emir Leofric sehr überzeugend dargestellt.
Leider trifft das nicht auf alle Figuren zu. So ist Ash’s unglücklicher und zu den Karthagern übergelaufener Gatte Fernando mittlerweile Mönch geworden, hat er doch stets Leid und Krieg verabscheut. Seine Beziehung zu Ash konnte mich jedoch nie ganz überzeugen, sie wirkt auch ein wenig lieblos in die Rahmenhandlung gepresst.
Mary Gentle hat es sich teilweise auch sehr leicht gemacht, einige Probleme haben einfach keine stimmige Lösung. So fällt Ash jetzt auf einmal ein Weg ein, wie man den Maschinen Einhalt gebieten könnte, den sie schon fast zwei Bücher zuvor hätte gehen können. Genauso ihr Überleben als Ausschuss der genetischen Experimente Leofrics – Kehle durchgeschnitten, in den Hafen geworfen, trotzdem überlebt, von Seefahrern aufgesammelt und nach Europa gebracht… als Waisenkind aufgewachsen und Söldnerführerin geworden. Hier hätte sich die Autorin ruhig etwas mehr Mühe geben können. Dazu kommen noch kleinere Details wie plötzlich erfroren vom Himmel fallende Vögel in Burgund, ganz Europa wird von düsterem Zwielicht überzogen, wie bereits Karthago. Dort wird es auch immer kälter, aber warum fallen sogar im nach wie vor exklusiv sonnendurchfluteten Burgund tote Vögel vom Himmel?
Zum Glück halten sich diese kleineren Fehler (bzw. nicht aufgelösten Fragen) in dem 2326 Seiten starken Zyklus in Grenzen. Allerdings hätte man vor allem den dritten Band gehörig straffen können, dem durchaus gelungenen Abschluss geht so ein wenig eine Schlaftablette voran. Dafür ist das Finale ein echter Paukenschlag.
_Fazit:_
Dr. Ratcliff wird einer faszinierenden Gegenwartsversion von Ash gegenüberstehen, der Zyklus würdig und nachdenklich stimmend beendet. Angesichts des schieren Umfangs kann man Mary Gentle einige der genannten Schwächen verzeihen, bietet sie doch so viel, um sie mehr als wett zu machen. Eine echte Innovation im Bereich der Phantastik, die Genres sprengt. Ihre historischen Kenntnisse werden mit bemerkenswertem Wissen physikalischer Theorien ergänzt und zu einem spannenden Roman verwoben, in dem auch die menschliche Seite nicht zu kurz kommt, im Gegenteil, „Der Aufstieg Karthagos“ und „Der Untergang Burgunds“ sind emotional unheimlich intensive Romane, die mit einer gehörigen Prise Lovecraft’schen Grauens sehr schmackhaft gewürzt sind. Der wilde Genremix dürfte viele verschrecken, ich hoffe jedoch Interesse geweckt zu haben. Einen recht hohen Anspruch stellt Mary Gentle an ihre Leserschaft: Lässt sie elegant historische Fakten durch Fußnoten von Dr. Ratcliff erklären, fehlt leider jegliche Erläuterung zu den zahlreichen Theorien, auf denen sie ihre Realitätsveränderungen aufbaut. Selbst als erfahrener Sci-Fi-Leser und durchaus physikalisch nicht Unkundiger wird man von den abverlangten Kenntnissen oft überfordert und zum Nachlesen gezwungen!
Wer sich die Mühe macht, wird belohnt – richtig anspruchsvoll wird erst der letzte Band. „Ash“ ist sicher einer der bemerkenswertesten Romane/Romanzyklen der letzten Jahre und somit eine absolute Kaufempfehlung für Freunde ungewöhnlicher Phantastik.
Tipp: Wer des Englischen mächtig ist, kann viel Geld sparen und das englische Original kaufen. Wer lieber auf Deutsch liest, muss sich aber auch nicht grämen, das Lektorat und die Übersetzung von Rainer Schumacher sind hervorragend, kein Vergleich zu vielen oft schlampig übersetzen und nachlässig lektorierten Romanen im Fantasybereich. Dazu kommt noch die ansprechende Präsentation im edlen Hardcover-Stil von |Lübbe|’s „Bibliothek der Phantastischen Literatur“.
Wer erfahren will, wie stark Ash die Geschichte verändert hat, sollte nicht zögern und sich diese Serie besorgen, dann erfährt er, warum Cato’s berühmte Aussage von Dr. Ratcliff in das Motto „Non delenda est Carthago“ („Karthago darf nicht zerstört werden“) geändert wird.
Diana Wynne Jones – Die heiligen Inseln (Dalemark 2)
Dalemark-Zyklus
Band 1: „Die Spielleute von Dalemark“
Band 2: „Die heiligen Inseln“
Der zweite Band des Dalemark-Zyklus erzählt hauptsächlich die Geschichte von Mitt, einem Jungen aus der südlichen Grafschaft Holand, ebenfalls eine der Hauptpersonen des Zyklus.
Mitt ist auf einem Bauernhof nahe bei Holand geboren und verbringt dort eine behütete und frohe Kindheit. Bis sich eines Tages ein Steuereintreiber auf den Schlips getreten fühlt. Plötzlich steigt die Pacht so hoch, daß die Familie bankrott geht. Der Vater geht in die Stadt, um dort Arbeit zu suchen, und als die Mutter den Hof schließlich nicht mehr halten kann, folgt sie ihm.
Eines Tages kommt der Vater nicht mehr nach Hause. Aufständische haben einen Vorratsspeicher des Herzogs angezündet, wurden aber verraten. Mitt muß sich und seine Mutter, die zwar Geld verdient, aber nicht damit umgehen kann, über die Runden bringen. Gleichzeitig will er sich an den Rebellen rächen, die seinen Vater verraten haben. Doch alles kommt ganz anders. Unversehens findet Mitt sich auf einer halsbrecherischen Flucht wieder…
Parallel dazu handelt die Erzählung von Hildrida Navistochter, einer Enkelin des Grafen, und ihrem Bruder. Hildy, wie sie genannt wird, ist ein Wildfang und Sturkopf. Weil ihr Vater die Verlobung nicht lösen will, die ihr Großvater für sie eingegangen ist, reißt sie aus, zusammen mit ihrem Bruder Ynen, und geht einfach Segeln. Und zwar mit Ynens Yacht, der „Straße des Windes“, genau dem Boot, auf dem Mitt sich vor seinen Verfolgern versteckt…
Der zweite Band ist um einiges länger als der erste. Das Schriftbild ist auf „normale“ Druckgröße geschrumpft, außerdem hat er gute fünfzig Seiten mehr.
Hier kommt der Jugendbuchcharakter schon nicht mehr so deutlich raus wie beim ersten Band. Die Sätze sind immer noch relativ kurz und einfach gehalten, doch der Handlungsstrang verläuft über weite Strecken geteilt, und die Handlung hat deutlich mehr Bewegung als im ersten Band, ohne dabei actionlastig zu werden. So bleibt auch hier wieder genug Raum für die Entwicklung der Charaktere.
Das Hauptaugenmerk liegt wie gesagt auf Mitt, dem Straßenjungen vom Hafen. Wie Moril im ersten Band wird auch Mitt in eine Auseinandersetzung mit sich selbst hineingezwungen. Daß er nicht so reagiert, wie er es von sich selbst erwartet, verwirrt ihn. Außerdem sind da diese beiden adligen Gören auf dem Boot, mit denen er sich erst noch zusammenraufen muß, was im Hinblick auf Hildys zickigen Charakter gar nicht so einfach ist. Und als es endlich so aussieht, als hätten sie es geschafft, kommt der Störenfried Al dazwischen. Mitt kann von Glück sagen, daß er beim Alten Ammet einen Stein im Brett hat.
Die Figuren des Alten Ammet und Libby Bier stehen in diesem Band für den magischen Teil der Handlung. Mit ihnen sind die Bräuche des Seefest verbunden, die strikt eingehalten werden, auch wenn kein Mensch mehr weiß, was es eigentlich damit auf sich hat. Beide Figuren gelten als Glücksbringer, wie ein vierblättriges Kleeblatt oder ein Hufeisen. Daß viel, viel mehr dahinter steckt, erfährt Mitt erst, als sie die heiligen Inseln erreichen, denn dort leben die Angehörigen des letzten Volkes, das weiß, wer die beiden wirklich sind, und was sie vermögen. So kommt es, daß Mitt vom Inselvolk, vom Alten Ammet und Libby Bier ein Geschenk erhält, das der Quidder Morils und ihrer Magie in nichts nachsteht.
Auch dieser Band gilt als in sich abgeschlossen, und auch diesmal kann ich dem nur unter Vorbehalt zustimmen. Denn obwohl Mitts Flucht am Ende des Buches ebenfalls zu Ende ist, spürt man deutlich, daß etwas fehlt. Hat Mitt die Gabe der Inseln wirklich nur erhalten, um den Norden Dalemarks zu erreichen? Das erschiene mir überdimensioniert. Auch zeigt die Tatsache, daß im zweiten Band Geschehnisse aus dem ersten aus anderer Sicht erwähnt werden, deutlich den übergreifenden Zusammenhang, was eine Menge loser Handlungsfäden bedeuten würde. Die Bücher einzeln für sich zu lesen, heißt sie aus dem Zusammenhang herauszureißen und ihnen damit einen Großteils ihres Flairs zu nehmen.
Dieses Flair besitzen sie auf jeden Fall. Erwachsene mögen sie gelegentlich etwas vorhersehbar finden, aber das kann man auch von anderen Büchern behaupten, und wer Jugendliteratur liest, muß damit rechnen, daß sie vielleicht nicht ganz so scharf geschliffen ist.
Trotzdem kann man auch für den zweiten Band getrost eine Empfehlung aussprechen. Die Autorin hat sich hier durchaus gesteigert. Beide Bände haben einen soliden Grundstein für eine Weiterentwicklung gelegt, die Charaktere sind glaubwürdig, ihr Denken und Handeln nachvollziehbar. Die Handlung bietet genug Bewegung, um nicht langweilig zu werden, und läßt auch am Ende genug Rätsel offen, um die weiteren Bände damit zu füllen. Hier aufzuhören, wäre schade.
Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Awar, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.
Taschenbuch 366 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-20452-6
Der Autor vergibt: 




Tolkien, J. R. R. – Das Silmarillion
Spätestens seit den Verfilmungen von Peter Jackson ist „Der Herr der Ringe“ wohl jedem ein Begriff. Die groben Züge der Handlung sind auch denen bekannt, die die Filme nie gesehen und das Buch nie gelesen haben, und dass Mittelerde in Neuseeland liegt, wurde mittlerweile auch oft genug festgestellt. Doch die Ereignisse, die in „Der Herr der Ringe“ erzählt werden, sind nur der historische Endpunkt von Tolkiens überbordender Fantasie, erzählen sie doch den Übergang des Dritten in das Vierte Zeitalter. Dies impliziert schon recht deutlich, dass Mittelerde, das Tolkien Arda nennt, schon einige tausend Jahre Geschichte gesehen hat. Die wichtigsten Ereignisse dieser früheren Zeitalter erzählt „Das Silmarillion“. Wen also Hintergründe und Vergangenheit von Mittelerde interessieren, wer wissen möchte, wo Elben, Menschen und Zwerge herkommen, der sollte „Das Silmarillion“ ruhig einmal zur Hand nehmen. Doch der geneigte Leser sei gewarnt: Eine wirklich leichte Lektüre ist das Buch nicht!
„Das Silmarillion“ verbindet eine ganze Anzahl von in sich abgeschlossenen und doch verbundenen Erzählungen vom Anfang der Welt bis zu einer kurzen Rekapitulation des Ringkriegs, dem ja „Der Herr der Ringe“ gewidmet ist. Tolkien macht hier eine komplette Mythologie auf und beginnt naturgemäß am Anfang, nämlich mit der Musik der Ainur, seiner Götter. Durch deren Musik entsteht Arda und solange ihre Musik dauert, dauert auch Arda. Die Ainur, die auf die Erde geschickt werden, um sie zu formen, werden fortan die Valar genannt, die im heiligen Land Valinor leben – vergleichbar etwa mit dem Paradies der christlichen Religion. Zu diesem Zeitpunkt ist der Rest von Mittelerde noch ein unwirtlicher und dunkler Ort, denn einer der Vala, Melkor (später Morgoth genannt), entwickelt einen reichlich zerstörerischen Charakter und lässt sich in Mittelerde nieder, um niederzureißen, was die anderen Valar aufgebaut haben.
Als nun die Elben in Mittelerde erwachen, die Erstgeborenen, laden die Valar sie ein, mit ihnen in Valinor zu leben und ein Großteil folgt dieser Einladung auch. So verbringen die Elben zunächst viele glückliche und ungetrübte Jahrtausende in Valinor im Angesicht der Valar. Doch so handlungsarm darf die Geschichte natürlich nicht bleiben. Und so werden die drei Silmaril, Edelsteine von unbeschreiblicher Schönheit, den Elben zum Verhängnis. Sie treiben einen Keil zwischen sie und die Valar und viele der Elben verlassen Valinor, um nach Mittelerde zu ziehen. Dort aber lebt immer noch Melkor und fortan, auch nach der Ankunft der Menschen, wird das Land immer wieder von Krieg überzogen.
„Das Silmarillion“ erzählt hauptsächlich von den Wanderungen und Taten der Noldor-Elben, die Valinor verließen. Tolkien bedient sich hierbei einer seinem Thema angemessenen Sprache – der Text klingt antiquiert, da er sich hauptsächlich an alten Sagen und Mythen orientiert. Erzählt wird in großen Panoramen, Personen sind meist der Handlung untergeordnet, Dialoge oder direkte Rede sind eher selten. Da Tolkien ganze Zeitalter abhandelt, wird dem Leser automatisch große Aufmerksamkeit abverlangt. Namen und Orte tauchen reichlich und in unterschiedlichen Sprachen auf, sodass es sich anbietet, eine entsprechende Tolkien-Enzyklopädie zur Hand zu haben, um nicht schon nach den ersten Seiten komplett den Überblick zu verlieren. Klett-Cotta hat sich mit seiner Ausgabe zumindest die Mühe gemacht, ein kleines Namensregister und Wortstämme in Quenya und Sindarin (den beiden Elbensprachen) anzuhängen. Außerdem gibt es eine kurze Stammtafel ( die jedoch keineswegs umfassend ist) und zwei Karten auf den Buchklappen, auf die man während des Lesens öfter mal einen Blick werfen sollte. So gerüstet übersteht man hoffentlich auch Verwirrspiele wie jenes: „Hadors Söhne waren Galdor und Gundor; und Galdors Söhne waren Húrin und Huor; und Húrins Sohn war Túrin, Glaurungs Verderber; und Huors Sohn war Tuor, Vater Earendils des Gesegneten.“ Und so weiter und so fort. Da Tolkiens Geschichten sehr konzentriert sind, empfiehlt es sich „Das Silmarillion“ in kleinen Dosen zu genießen, da sonst kaum etwas vom Erzählten beim Leser hängen bleibt.
„Das Silmarillion“ ist sicherlich für Leser interessant, denen schon „Der Herr der Ringe“ gefallen hat und die tiefer in die Geschichte von Mittelerde eindringen wollen. Aber auch für jene, die sich allgemein für Mythologie interessieren, dürfte Tolkiens Mammutwerk eine wahre Fundgrube sein. Orientiert an alten nordischen Sagen, hat Tolkien hier eine komplette Mythologie des fiktiven Mittelerde geschaffen, die so reich an Tiefe und Details ist, dass es dem Leser glatt die Sprache verschlägt. Egal, ob man nun Tolkiens Fantasyreich verfallen ist oder nicht, diese schriftstellerische Leistung lässt sich kaum unterschätzen. Doch gerade diese Details machen „Das Silmarillion“ zu einer anstrengenden Lektüre – sprachlich wie inhaltlich. Wer nicht die Bereitschaft mitbringt, sich auf den Text einzulassen und Passagen auch mehrmals zu lesen, den wird die Lektüre schnell langweilen oder überfordern.
„Das Silmarillion“ liegt mir in der neuen Übersetzung von Wolfgang Krege vor, die ja wegen ihrer modernen Sprache in die Kritik geraten ist. Krege hält sich allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, mit Modernismen im „Silmarillion“ relativ zurück und bedient sich einer – stellenweise monotonen – „und dann, und dann“-Sprache, die den Effekt alter Sagen hervorrufen soll. Nur an einigen Stellen gehen ihm die Zügel durch und absolut unpassende Wendungen ragen plötzlich unschön aus dem Text heraus. Solche stilistischen Ausrutscher lassen sich natürlich ganz einfach vermeiden, wenn man eine der zahlreichen englischen Ausgaben zur Hand nimmt und sich damit gleich dem Original widmet.
„Das Silmarillion“ eignet sich also für Tolkien-Fans und solche, die es werden wollen. Der panoramische Stil verbietet es, Charaktere darzustellen, mit denen man sich durch das Buch hindurch identifizieren kann. Figuren werden eingeführt und wieder fallen gelassen. Tolkien erweckt tatsächlich überzeugend den Eindruck einer Sage, die von lang vergangenen Reichen erzählt. Wem dies nicht liegt, der wird sich mit dem „Silmarillion“ schwer tun. Allen anderen sei das Buch empfohlen!
(p.s.: Wer keine Tolkien-Enzyklopädie zur Hand hat, um die Lektüre gut gerüstet zu beginnen, der findet einen treuen und zuverlässigen Begleiter in der [Encyclopedia of Arda]http://www.glyphweb.com/arda/ im Internet.)
Esselborn, Hans (Hrsg.) – Utopie, Antiutopie und Science-Fiction im deutschsprachigen Roman des 20. Jahrhunderts
In Paris fand 2002 ein Kolloquium statt, das sich mit literarischen Bezügen zu Utopien im deutschen Roman des letzten Jahrhunderts befasste. Hans Esselborn gab dazu ein Jahr später im Verlag |Königshausen und Neumann| dokumentarisch die entsprechende Vortragsreihe heraus.
Auffallend ist die stark politische und gesellschaftsbezogene Auslese, d. h. Science-Fiction und Fantasy in dem Sinne, was die meisten heute unter diesem Genre verstehen, werden kaum behandelt. Das Augenmerk liegt auf historischen Ereignissen wie den Weltkriegen und dem Kalten Krieg und wie sich Schriftsteller damit auseinandersetzten. Aufgrund der in Frage kommenden Bandbreite präsentiert sich eine vielfältige Vermischung von Utopie, Antiutopie und Science-Fiction. Science-Fiction wurde früher in Deutschland ja auch als „utopischer Roman“ bezeichnet und war wurde als ausschließlich technisch-utopischer Zukunftsroman verstanden. Erst in späteren Jahren nannte man das Genre auch hierzulande Science-Fiction, und unter diesem Begriff hatte sich auch die Thematik völlig verändert und legt nunmehr das Hauptgewicht ebenso auf entspannendere Unterhaltung nach ähnlichem Muster wie der Abenteuer- oder Kriminalroman. Um diese modernen Varianten geht es allerdings in den vorliegenden Beiträgen, die zeitchronologisch geordnet sind, nicht.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts entstanden zahlreiche Kriegsromane, die man als Utopien bezeichnet. Breite Diskussion nimmt der nichtmögliche Versuch ein, den „positiv“ gewerteten Anti-Kriegsroman vom „negativ“ gewerteten Kriegsroman unterscheiden zu können. Nach politischer Gesinnung trennt man Spreu vom Weizen, d. h. wenige pazifistische Autoren von der Menge der Kriegsverherrlicher. Da der 1. Weltkrieg ein völlig neuer Kriegstypus war, gelang es nur wenigen, dies in ihren Romanen hervorzuheben und diejenigen, die das erkannt hatten, ließen ihre Romane meist in der Apokalypse enden. Der deutsche Zukunftsroman war fest in den Händen der politisch extrem rechten Autoren, die völkisch die Nation hervorhoben, mit starken Führerfiguren, und die ihre Rassenkriege normalerweise mit dem Sieg Deutschlands enden ließen. Sofern das überhaupt auf niveauvoller Ebene stattfand, orientierte man sich an der Kritik der Moderne, wie sie von Friedrich Nietzsche formuliert worden war. Um es spannend zu machen, ging man insgesamt nach dem Erzählmuster vor, wie es Jules Verne vorgelegt hatte.
Als Ikone des faschistischen deutschen Science-Fiction-Autors wird Hans Dominik herausgestellt, der zwar auch mit Kriegs- und Kriminalromanen begonnen hatte, aber später tatsächlich in der Hauptsache utopische Romane schrieb. Seine Bücher gehen bis heute in die Millionenhöhe. Ideologisch hielt er sich an die Gesinnung, die Oswald Spengler mit seinem „Der Untergang des Abendlandes“ vorgegeben hatte. In manchen seiner Romane streifte er auch das Okkulte und diese sind mit entsprechendem Hintergrund auch heute noch lesenswert – z.B. „Atlantis“ (1925) und „Befehl aus dem Dunkeln“ (1933). In den meisten Zukunftsromanen nach 1933 wimmelte es ansonsten ja eher von technischen Utopien: kühnen Ingenieuren und Kampffliegern, mysteriösen Luftschiffen und Atomkanonen etc. Vom Autor des Essays, der sich im vorliegenden Band mit Hans Dominik auseinandersetzt, wird bemängelt, dass dessen Bücher ständig neu aufgelegt werden und er kritisiert dabei, dass Dominik nie so leidenschaftlich politisch engagiert gewesen sei, dass man ihn für die durch ihn geschürten Vorurteile – von denen er profitabel leben konnte – nie zur Rechenschaft habe ziehen können.
Interessanterweise wird der sonst gern als faschistischer Romanautor geltende Ernst Jünger endlich einmal überhaupt nicht so eingeschätzt. Seine Romane sind ja die gesellschaftlichen Utopien überhaupt. Auch er hatte mit Kriegsfront-Romanen begonnen, aber innerhalb seines 103-jährigen Lebens danach noch sehr viele unterschiedliche Entwicklungen beschritten. Er hat mit den Technikprognosen in seinen Romanen die verblüffendsten Übereinstimmungen mit der Realität erzielt. Die heutige Realität stellt sich genau so dar, wie er sie visionierte. Diejenigen, die sich mit dem ganzen Werk Jüngers auseinandersetzen, erkennen den NS-Kritiker, Pazifisten und spirituellen Visionär eines Wassermann-Zeitalters mit seinem zyklischen Philosophieverständnis als einen tief Eingeweihten der Tradition, welcher die Gesellschaft genauestens beobachtete.
Ein weiterer großer Utopieroman stellt natürlich „Das Glasperlenspiel“ von Hermann Hesse dar. Dieses Alterswerk ist eine Kritik an den Schrecken des 3.Reiches, die so viele Fragen aufwirft, dass sich auch heute noch die Literaturwissenschaftler immer wieder mit neuen Aspekten darin auseinandersetzen. Im Vordergrund steht der Mythos, zu dessen Wurzeln auch Nietzsche zurückfinden wollte. Hesse rehabilitierte damit auch den Geist von Nietzsche, der ja durch die NS-Diktatur missverstanden und missbraucht und durch die herrschenden politischen und finanziellen Machthaber in ihren Dienst genommen wurde. Im „Glasperlenspiel“ wird deutlich, dass der Begriff des „Übermenschen“ als Ziel nicht falsch sein kann, aber bei den Nazis in Gift umgeschlagen war. Das „Glasperlenspiel“ ist das utopische Märchen für Erwachsene schlechthin.
Ähnlichen Raum nimmt der Roman „Der Stern des Ungeborenen“ ein, das letzte Werk von Franz Werfel. Diese 700 Seiten sind noch immer nicht entschlüsselt und stießen auf große Kritik und Unverständnis, aber vor allem deswegen, weil der Roman sich von sämtlichen vorherigen realistisch gehaltenen Schriften Werfels vollkommen unterschied. Dieser Roman ist weder Anti-Utopie noch Satire auf Utopie, sondern eine eschatologische Absage an die Utopie und tief religiös.
Der nächste breit behandelte Roman ist dann „Die Erben des Untergangs“ von Oskar Maria Graf. Darauf folgt abschließend ein Streifzug durch den Schauerroman und eigentlich utopisch-technischen Roman, der aber nur unter realistisch wichtigen Tatsachen Betrachtung findet, wie die Raketenforschungen und Weltraumprojekte von Wernher von Braun, der ja unter Hitler tatsächlich an den V-2-Raketen arbeitete und später seine Forschungen bei den Amerikanern weiterführen konnte. Das Buch schließt mit philosophischen Science-Fiction-Themen im Osten während der DDR-Zeit und der neueren Science-Fiction, die mit Gen-Technologie und Reproduktionstechniken von der Wirklichkeit bereits eingeholt wurde.
Der vorliegende Band ist also keine Darstellung zeitgenössischer Science-Fiction-Literatur (der man ihren Tiefgang durchaus nicht absprechen möchte), sondern kulturhistorisch wie oben beschrieben gewichtet und für ein Grundverständnis der Ursprünge dieser Gattung unter spezialisiertem Blickwinkel ein wesentlicher Beitrag. Der Leser sollte also zunächst entscheiden, ob diese Themenausrichtung und akademische Betrachtung seiner Erwartungshaltung und seinem Interessenschwerpunkt entspricht. Für einen aktuelleren und weniger der ernsthaften oder vornehmlich gesellschaftsrelevanten Literatur zugewandten Blick in die Sci-Fi-Szene sei alternativ (oder noch besser: ergänzend) die traditionell bei |Heyne| verlegte und von Wolfgang Jeschke herausgegebene Reihe [„Das Science-Fiction-Jahr“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3453878965/powermetalde-21 empfohlen. Die diesjährige Ausgabe ist bereits im Mai erschienen.
Diana Wynne Jones – Die Spielleute von Dalemark (Dalemark 1)
Dalemark-Zyklus
Band 1: „Die Spielleute von Dalemark“
„Die Spielleute von Dalemark“ ist der erste Band von Diana Wynne Jones‘ Dalemark-Zyklus. Er erzählt die Geschichte von Moril, einer der drei Hauptfiguren des Zyklus.
Moril ist ein elfjähriger Rotschopf, der mit seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester durch die Lande zieht. Die Lande bestehen in diesem Fall aus vielen verschiedenen Grafschaften, die miteinander rivalisieren oder richtig verfeindet sind. Vor allem aber stehen sich Nord und Süd feindlich gegenüber, und nur Leute mit Freibriefen dürfen die Grenze zwischen den nördlichen und südlichen Grafschaften Dalemarks überschreiten. Solche Freibriefe erhalten in der Regel nur Barden, und Morils Vater Clennen ist einer davon.
Clennens Familie lebt aber nicht nur von ihren Auftritten in den Dörfern und Städten, sie nimmt gelegentlich auch Leute mit. So auch den jungen Kialan, den Moril und seine Schwester Brid überhaupt nicht leiden können. Tatsächlich scheint es, als bringe Kialan Unglück! Clennen wird ermordet, und Morils Mutter Lenina zieht schnurstracks in die nächste Stadt, um dort zu bleiben. Die Kinder reißen aus, um Kialan auf eigene Faust in den Norden zu bringen. Diese Reise bringt eine Menge Überraschungen und Gefahren mit sich …
Was mich gleich als Allererstes an dem Buch überraschte, war das große Schriftbild. Es erinnert an ein Buch für 12-Jährige. Tatsächlich schreibt die Autorin hauptsächlich Kinder- und Jugendbücher. Den |Dalemark|-Zyklus würde ich unter „Jugendbücher“ einordnen, allerdings sollte man Jugendbücher nie unterschätzen, was auch „Das Elfenportal“ von Herbie Brennan beweist, von „Harry Potter“ ganz zu schweigen.
Dem ersten Band merkt man das Jugendbuch noch am deutlichsten an. Er ist der Kürzeste der vier, nicht nur wegen der größeren Schrift, sondern auch der Seitenzahl nach. Die Handlung verläuft einfach und linear, sie ist zwar nicht in der Ich-Form erzählt, aber konsequent aus Morils Sicht. So genannte Action gibt es so gut wie keine, erst gegen Ende kommt mehr Bewegung in die Handlung, und damit auch steigende Spannung.
Im Übrigen liegt das Hauptaugenmerk auf den Charakteren: auf der Entwicklung des Verhältnisses von Moril, Brid und Kialan, und vor allem auch auf der Entwicklung von Moril selbst. Der Verlust des Vaters zwingt ihn und seine Geschwister zum ersten Mal in ihrem Leben zu selbstständigem Handeln. Außerdem erfährt Moril eine Menge Neues und Unerwartetes, was ihn zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst zwingt. Und dann ist da natürlich noch die Quidder.
Die Quidder ist ein Saiteninstrument, ähnlich einer Laute. Die Barden begleiten sich damit, wenn sie singen. Als Clennen stirbt, vermacht er Moril seine große Tenor-Quidder. Er hat sie von seinem Vater geerbt, der sie von seinem Vater geerbt hat, und laut Clennen geht das Instrument auf Osfameron zurück, den berühmten Barden, von dem Clennen abstammen soll. Moril glaubt zuerst nicht daran, doch schon bald merkt er, dass bei diesem Instrument einiges sehr sonderbar ist.
Verbunden mit der Quidder und dem Beruf des Barden ist auch das Erzählen von Sagen aus der Vergangenheit. Diese Sagen sind voller Abenteuer und Magie, und die Quidder ist eng damit verwoben, denn Osfameron ist eine der Sagengestalten, nicht nur ein Barde, sondern auch ein Magier. Und nun hat Moril Osfamerons Quidder geerbt und muss lernen, damit umzugehen. Viel Zeit hat er nicht.
Erwachsene Leser werden sich bei der Lektüre vielleicht an kleinen Logikfehlern stören. So erklärt Kialan an einer Stelle, er hätte zuerst nicht geglaubt, dass Clennen Clennen sei, obwohl er kurz vorher noch davon gesprochen hat, er erinnere sich an Dagner, als sie noch Kinder gewesen seien. Doch das waren Kleinigkeiten, für die man passende Antworten konstruieren könnte, wenn man sich denn die Mühe machen möchte, insofern störten sie mich nicht sonderlich.
Sprachlich ist „Die Spielleute von Dalemark“ sehr einfach geschrieben, die Sätze sind relativ kurz und unkompliziert. Stimmungen, Gefühle, Gedanken und Beschreibungen von Landschaft und Leuten sind aber durchaus klar und deutlich gezeichnet und kommen gut rüber. Das Lektorat hat trotzdem wieder einige Schnitzer übersehen. Bei der relativen Kürze des Buches sollte das besser gehen. Daran muss Bastei Lübbe noch arbeiten.
Das Buch wird als in sich abgeschlossen bezeichnet. Dem kann ich nur bedingt zustimmen, insofern, als die Handlung zumindest nicht mittendrin aufhört. Genau genommen ist der erste Band aber nur die Einleitung, der noch jede Menge folgt. Wer nach dem ersten Band aufhört zu lesen, hat das Gefühl: Ganz nett, aber war’s das schon?
Tatsächlich werden in den folgenden Bänden die Handlungsfäden, die im ersten Band angelegt wurden, weitergesponnen und machen die Geschichte erst richtig interessant. Wäre der Zyklus kein Jugendbuch, wäre es vielleicht gar kein Zyklus geworden, sondern ein einziger Roman eben mit den ca. 1000 Seiten, die die vier Bände zusammenbringen. Jedem Erwachsenen, der die Geschichte lesen will, würde ich deshalb empfehlen, sie am Stück zu lesen, ohne größere Pausen. Das ist nicht weiter schwierig. Ein geübter Leser schafft den ersten Band locker in weniger als einem halben Tag. Die Folgebände gehen nicht mehr ganz so flott, wer aber den Zyklus als Einheit sieht und in einem Zug durchliest, profitiert davon im Hinblick auf Zusammenhang und Lebendigkeit, und dann ist der Zyklus durchaus auch etwas für Erwachsene.
Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Großbritanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u. a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.
ISBN-13: 978-3-404-20442-7
Der Autor vergibt: 




Bradbury, Ray – Fahrenheit 451
Auf dem Kopf den Helm mit der 451, das Salamanderabzeichen am Ärmel und die Phönixplakette – dies sind die Merkmale von Guy Montags Feuerwehruniform. Montags Aufgabe besteht nicht darin, Brände zu löschen, sondern sie zu legen. Auf dem Rücken trägt er einen Flammenwerfer, gefüllt mit Kerosin. In Bradburys Welt vollstreckt die Feuerwehr eine staatlich legitimierte Bücherverbrennung: Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der Papier brennt (233 Grad Celsius). Literatur ist verboten, wer Bücher besitzt, macht sich strafbar. Es gilt, „die kärglichen Reste der Kulturgeschichte auszutilgen“. Denunziationen lassen die Alarmglocken bei der Feuerwehr schrillen, das Haus wird ebenfalls eingeäschert, und der Delinquent erhält von einem mechanischen Hund mit Kanülenzunge eine kräftige Dosis Morphium injiziert.
Die Bücher wurden ersetzt durch Fernsehwände, auf denen interaktive hohlköpfige Soaps ablaufen -„Wozu etwas lernen, wenn es genügt, den Knopf zu drücken?“ Ansonsten amüsieren sich die Menschen in Turbinenautos, rasen mit aberwitziger Geschwindigkeit über die Autobahnen und wer zu langsam fährt, wird verhaftet. Selbstmorde sind an der Tagesordnung. Es gibt ein eigens dafür eingerichteten Express-Service, der mit Magen- und Blutpumpe anrückt und die Lebensmüden reanimiert. Das Familienleben existiert als solches nicht mehr. Kinder befördert man ins Fernsehzimmer und knipst an. „Es ist wie mit der Wäsche, man stopft sie in die Maschine und knallt den Deckel zu“.
Eines Tages trifft Montag die junge Clarisse, die nicht zu den normalen Menschen gehört, sondern zu jenen, die nicht nur wissen wollen „wie etwas gemacht wird, sondern warum“ und merkt in den Gesprächen mit ihr, wie unzufrieden und unglücklich er ist. „Er trug sein Glück wie eine Maske, und das Mädchen war damit davongelaufen; es bestand keine Möglichkeit, bei ihr anzuklopfen und die Maske zurückzufordern“. Doch die Begegnung ist von kurzer Dauer. Als man sie eines Tages verschwinden lässt, holt Montag die bei seinen Einsätzen heimlich gesammelten Bücher hervor und versucht damit die Wand zu seiner Frau und die Eintönigkeit seiner Ehe zu durchbrechen. Doch es geht um viel mehr. Er sieht die Bücher als einzigen Ausweg „aus dem Dunkel“, als einziges Mittel „zu verhindern, daß wir immer wieder dieselben unsinnigen Fehler machen.“ In den Büchern sucht er ein Mittel, einen Weg, der scheinbar unaufhaltsamen Annäherung an den Abgrund entgegenzusteuern. Seine Frau, das „Haar von Chemikalien zu sprödem Stroh zerfressen“, der Leib von Abmagerungskuren ausgemergelt und „das Fleisch weiß wie Kochspeck“, reagiert mit Befremden und Abscheu auf seine Rezitationen. Nur in dem ehemaligen Literaturprofessor Faber findet Montag einen Verbündeten, der ihn ermutigt und im Widerstand gegen seinen Vorgesetzten Hauptmann Beatty unterstützt. Einerseits bemerkenswert intellektuell und offenkundig belesen, andererseits ein fanatischer Inquisitor, entwickelt sich Beatty zu Montags entschiedenstem Gegenspieler und Feind. Als Montags eigene Frau ihn bei der Feuerwehr anzeigt und er sein Haus niederbrennen muss, hetzt Beatty den mechanischen Hund auf ihn und die Situation eskaliert. Montag muss flüchten und schließt sich einer Gruppe von Intellektuellen an, die in der Wildnis leben und durch das Auswendiglernen von Büchern das Wissen der Menschheit bewahren.
Vielleicht am falschesten verstanden wird die Rolle der Clarisse, vermutlich durch Truffauts Verfilmung des Romans. Clarisse Rolle im Buch ist kurz, sie dient nur als Katalysator, der Montags ohnehin schon schwelendes Umdenken beschleunigt. Faber, der ehemalige Literaturprofessor, unterstützt diesen Wandlungsprozeß. Hauptmann Beatty aber ist derjenige, der ihn bestätigt, indirekt vollendet und damit ist er eigentlich die wichtigste Figur des Romans. Bemerkenswert ist, dass Bradbury ähnlich wie Huxley die Wurzeln seiner Dystopie nicht in Verordnungen oder Zensur bettet, sondern in freiwilliger Lust an der Verdummung. 1953 von Bradbury publiziert, ist Fahrenheit 451 von beeindruckender visionärer Kraft. Die Dekadenz des Fernsehzeitalters, der parallele Verfall der Kultur und die hingebungsvolle Hinwendung zur Blödheit, die sich heute in den Bestsellerlisten und Reality-Soaps widerspiegelt und sicherlich noch krassere Ausdrucksformen finden wird, all das findet man in Bradburys düsterer Welt vorweggenommen.
Fahrenheit 451: ein Meisterwerk!
Ray Bradbury wurde am 22. August 1920 in Waukegan, Illinois geboren. Er besuchte die Schulen in Waukegan, Illinois, und später in Los Angeles, California. Seine schriftstellerische Karriere begann Bradbury 1940 als Zeitungsjunge in Los Angeles. 1943 fing er an, ganztägig zu schreiben, und seit damals hat er mehr als 500 Arbeiten – Romane, Kurzgeschichten, Spiele, Drehbücher, Fernsehspiele und Poesie – veröffentlicht. Als Drehbuchautor ist er durch Werke wie John Huston´s Film |Moby Dick| und François Truffaut´s |Fahrenheit 451| (wo er die Romanvorlage lieferte) bekannt. |Fahrenheit 451| ist auch der Titel, mit dem die meisten Leser den Autor in Verbindung bringen. Von den meisten zeitgenössischen Schriftstellerkollegen der Science-Fiction unterschied er sich deutlich durch das hartnäckige Ignorieren der „Science“. Bei Bradbury spielte der technologische Hintergrund immer eine untergeordente Rolle, menschliche Aspekte stehen in seinen Büchern im im Vordergrund.
Ray Bradbury gewann eine Vielzahl von Preisen für seine schriftstellerische Arbeit, zum Beispiel die |National Book Foundation Medal for Distinguished Contribution to American Letters|, 2000; zwei |O. Henry Memorial Awards|, 1947 und 1948; den |Master Nebula Award|, 1988; den |Benjamin Franklin Award|, 1954 oder den |World Fantasy Award|, 1977.
_Jim Melzig_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Weis, Margaret / Hickman, Tracy – Quell der Finsternis (Der Stein der Könige)
Dem neunjährigen Gareth wird die Ehre zuteil, eine Stellung am Hofe des Königs von Vinnengael anzutreten. Und zwar als Prügelknabe des Prinzen Dagnarus. Gareth schließt schnell Freundschaft mit dem Prinzen, gerät dabei jedoch in eine Abhängigkeit, die er später bitter bereuen wird. Zur gleichen Zeit tritt der Elf Silwyth, Spion des Schildes (Kriegsherr der Elfen), die Stellung als Hofkämmerer des Prinzen an. König Tamaros erhält von den Göttern den Stein der Könige, um Einigkeit zwischen den Völkern der Elfen, Orks, Zwerge und Menschen zu schaffen. Doch der Stein hat auch einen Haken. Während Prinz Helmos, der Thronerbe, zum Paladin wird, strebt Dagnarus selber nach dem Thron. Dabei verfällt er der Magie der Leere und bringt Unheil über das Land.
Langsam und mit Ruhe führen Weis und Hickman den Leser in die Geschichte ein. Auf den ersten 250 Seiten wird beschrieben, wie Gareth Prinz Dagnarus und den königlichen Hof kennen lernt. Dies wird so ausführlich gemacht, dass man jeden Gang, jedes Zimmer und jeden Brauch direkt vor Augen hat. Es wird allerdings nie langweilig, denn mit einer Prise Humor beschrieben, lernen wir auch die anderen, dem Fantasyleser wohlbekannten Völker kennen. Doch in diesem Roman sind die Rassen alle ein wenig anders als gewöhnlich. Da wären die Orks, die in dieser Welt ein abergläubisches Volk von Seefahrern sind, deren Oberhaupt der Kapitän ist. Die Zwerge sind erstaunlicherweise ein Reitervolk (wer hätte das gedacht). Anstatt in Höhlen zu leben, lieben sie die Weite der Steppe. Und die Elfen weisen einige Parallelen zum alten Japan auf. Geistiger Führer ist der Göttliche, in Japan der Tenno (Kaiser). Der Schild des Göttlichen ist dementsprechend der Shogun (der oberste Kriegsführer). Die Elfen leben nach einem Kodex, der sehr dem der Samurai ähnelt. Verliert ein Elf seine Ehre, wird von ihm erwartet, dass er um Beendigung seines Lebens bittet. Allerdings hat ein Elf auch keine Hemmungen, einen anderen hinterrücks zu erstechen. Die Magie dieser Welt ist den Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft gewidmet. Das fünfte Element ist die Leere, deren Lehre verboten ist.
Nach 250 Seiten kommt die Geschichte dann, mit einem Zeitsprung von zehn Jahren, langsam in Fahrt. Die Fronten werden immer klarer und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Obwohl die Positionen fast aller Figuren von Anfang an klar sind, gelingt es den Autoren, ein Netz von feinsinnigen Intrigen zu spinnen. Die interessanteste und tragischste Figur ist hierbei Gareth, der es einfach nicht schafft, dem Einfluss des Prinzen zu entkommen. Obwohl dieser ein durchaus sympathisches Weichei ist, ist er neben Gareth eigentlich der „Böse“. Dadurch trägt er einen entscheidenden Teil zum verhängnisvollen Schicksal Vinnengaels bei.
Überraschenderweise hat der Verlag diesmal das Buch, obwohl 637 Seiten lang, in einem Band herausgebracht. Als erster Teil einer Reihe, von der drei Teile erschienen sind, hat der Roman trotzdem eine abgeschlossene Handlung. Und ich muss sagen, dass mich das Ende doch überrascht hat. Der zweite Band, „Der junge Ritter“, spielt 200 Jahre in der Zukunft, es tauchen dort allerdings einige bekannte Figuren wieder auf. Abgeschlossen wird die Trilogie durch „Die Pforten der Dunkelheit“, das im Frühjahr 2004 erschien.
Wer schnelle Action und große Schlachten wie in denn Drachenlanze-Romanen erwartet, der wird enttäuscht werden. Doch wer Zeit und Geduld aufbringt, sich ruhig, ausführlich und nicht ohne Humor in das Buch einführen zu lassen, der wird mit einer detailreichen und faszinierenden Welt belohnt sowie einer spannenden Geschichte, deren Ereignisse sich am Ende überschlagen.
_Markus Mäurer_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Hennen, Bernhard – Wahrträumer, Der (Magus Magellans Gezeitenwelt)
Der |Piper|-Verlag gibt derzeit deutschsprachiger Fantasy eine größere Chance in seinem Programm und setzt nicht mehr nur auf ausländische Autoren. So ist im Sommer 2003 mit „Der Wahrträumer“ auch der erste Band eines 12-teiligen Zyklus, entworfen vom vierköpfigen Autorenteam |Magus Magellan|, erschienen. Anders als viele Fantasy-Romane behandelt die Saga der „Gezeitenwelt“ nicht das unerschöpfliche Thema des „Kampfes einer Schar Auserwählter gegen das (Ur-)Böse“, sondern erschafft eine eher phantastisch-realistische Welt, für die man sachkundigen Rat von Geophysikern, Archäologen, Anthropologen und Biologen eingeholt hat. Die Autoren beschäftigen sich mit der Frage, welche Auswirkungen der Einschlag eines Asteroiden auf die Länder und Völker der Gezeitenwelt hat – und wie die Folgen der Katastrophe Gesellschaft und Kultur verändern können.
Der Autor von „Der Wahrträumer“, Bernhard Hennen, ist allerdings kein Neuling mehr. Mit etwa fünfzehn phantastischen und historischen Romanen, wie „Die Könige der ersten Nacht“, sowie seinen Arbeiten an Rollenspielsystemen ist er schon einer der bekannteren deutschen Autoren.
Alessandra Paresi hat es nicht leicht, in ihrem Dorf zu überleben. Die meisten verachten die Waise und halten sie für einen Unglücksbringer. Nur der Stumme Tormo und der kauzige Einsiedler Orlando halten zu ihr. Dann aber scheint das Mädchen sein Glück zu machen. Durch einen überraschenden Walfang – denn es ist auch noch ein Wagnis, die am Strand angespülten Riesen des Meeres zu töten -, wird sie zur reichsten Frau des Dorfes.
Daran kann sie sich aber nicht lange erfreuen. Eine Abordnung der Priesterschaft des |Abwesenden Gottes| erscheint. Um einen immer heller leuchtenden Stern zu bannen, sollen Auserwählte sich als Märtyrer zu Tode fasten, und Alessandra soll eine davon werden. Doch das Mädchen beginnt, auf der Reise an dem Sinn ihres Opfertodes zu zweifeln und wehrt sich dagegen. Schließlich flieht sie und kehrt zurück, aber sie findet ihre Heimat vernichtet vor. Nur wenige haben das Desaster überlebt und können berichten, was geschehen ist, unter ihnen auch ihre Freunde. Der in das Meer gestürzte Stern hat eine riesige Springflut ausgelöst. Diese verheerte die Küsten.
Ihre Verfolger brechen die Suche ab, denn durch die Katastrophe bricht Chaos aus und man benötigt jeden Glaubenskämpfer und Priester, um die Ordnung im Land aufrecht zu erhalten. Denn nicht weltliche Fürsten, sondern die Kirche des |Abwesenden Gottes| regiert hier mit strenger Hand. Einer ihrer Vertreter ist Francesco, der trotz seines Versagens, die Märtyrerin zum Heiligen Berg zu bringen, zum obersten Richter einer Provinz ernannt wird. In den nun folgenden Monaten hat er alle Hände voll zu tun, um Gerechtigkeit walten zu lassen, denn Missernten, Kälte und Hunger lassen die Menschen aufbegehren. Deshalb ist es umso wichtiger, die zu bestrafen, die sich an der Not bereichern wollen, wie etwa einen reicher Kaufherrn. Und dann ist da noch ein unheimlicher |Atemdieb|, der Menschen die Kraft raubt und sie dahinsiechen lässt. Ist er nur ein Hirngespinst der Kranken und Hungernden oder tatsächlich ein übernatürliches Wesen, das zum Erbe einer längst vergessenen Vergangenheit gehört? Bei seiner Suche nach Antworten entdeckt Francesco Geheimnisse, die einem Menschen den Tod bringen können.
Neben seinen Aufgaben versucht der Priester immer noch, seinen Fehler wieder gut zu machen, und lässt Alessandra, die sich mittlerweile mit Tormo und Orlando in die Berge zurückgezogen hat, jagen, bis man ihm auch dies verbietet, da andere Aufgaben wichtiger scheinen.
Die junge Frau findet indessen Unterstützung bei einer Gruppe, die gegen die strenge Herrschaft der Kirche aufbegehrt, aber um dort wirklich anerkannt zu werden, soll sie ein Zeichen setzen, und den |Atemdieb| erledigen, der in einer Stadt sein Unwesen treibt. Das bedeutet für sie aber auch, sich unter den Augen ihrer Häscher zu bewegen. Der alte Orlando ist bei diesem Unterfangen an ihrer Seite, doch auch er ist in Gefahr, da er auf der Todesliste der Kirche steht, wie sich nun herausstellt.
Fern dieser Ereignisse versucht der Seruun, die Anfeindungen verschiedener Angehöriger seines Volkes zu überleben und eine neue Heimat bei einem anderen Stamm zu finden. Der junge |Geistertänzer| ist ein mächtiger Schamane, der nicht nur die Rituale beherrscht, sondern auch über mächtige Kräfte gebietet. In seinen Träumen vermag er, die Zukunft zu sehen, doch wer hört schon gerne auf jemanden, der nur Not, Verzweiflung und Katastrophen, wie einen langen Winter, voraussieht. Erst als seine Ahnungen eintreffen, vertraut man seinem Wort, dass es besser ist, in den Süden zu ziehen, aber auch dort sind die Nomaden Widerständen ausgesetzt – durch Einheimische, die ihr Land verteidigen…
Die Idee, eine Welt zu schildern, in der nach einer Katastrophe der Mensch des Menschen größter Feind ist und Magie eine weitestgehend untergeordnete Rolle spielt, ist in der Fantasy bisher nur selten verwendet worden, da das Thema leicht in die Science-Fiction abgleiten kann. Deshalb verzichtet Bernhard Hennen bewusst auf die Verwendung technischer oder wissenschaftlicher Begriffe, sondern konzentriert sich darauf, in zwei Handlungssträngen eine spätmittelalterliche Gesellschaft zu schildern, die von Glauben und Aberglauben in festem Griff gehalten wird. Nicht zuletzt orientieren sich Kirche und Ritterschaft ganz eng an christlichen Vorbildern; Kultur, Gesellschaft, Landschaftsbeschreibungen und Namen sind an die des westlichen Mittelmeeres angelehnt. Geschickt vermischt er kirchliche Intrigenspiele und mystizistische Geheimniskrämerei, wie sie aus vielen historischen Romanen bekannt sind, mit einem eher abenteuerlichen Handlungsstrang um die eigensinnige Harpunierin Alessandra. Schamanismus und Indianerromantik bringt dagegen der dritte Handlungsstrang um den |Geistertänzer| Seruun ein, der zunächst allein und später mit seiner Gefährtin Grasfeder ums Überleben kämpft.
Bernhard Hennen weiß in „Der Wahrträumer“ das Konzept geschickt und stimmungsvoll umzusetzen, so dass kaum Langeweile aufkommt. Leider hat der Roman auch Schwächen: Zwar besitzt jeder Handlungsstrang eine eigene Dynamik, die ihn vorantreibt, aber Bernhard Hennen gelingt es nicht, die drei Themen am Ende richtig zusammenzuführen oder aufzulösen. Gerade die letzten 50 Seiten des Buches wirken gedrängt und überhastet, als sich die Ereignisse um den |Atemdieb| und Alessandra plötzlich überschlagen, und werden nur zu einem geringen Teil aufgeklärt – fast so, als würden die Geschehnisse in einem weiteren Roman fortgesetzt werden. Beschreibungen von Umgebung und kulturellen Eigenheiten oder innerkirchlichen Intrigenspielen nehmen wie in einer Rollenspielkampagne einen großen Raum ein, während die Charakterisierung der Figuren eher in den Hintergrund tritt. Selbst die Hauptfiguren Seruun, Francesco und Alessandra bleiben blass und lassen sich auf wenige Züge zusammenstreichen, der interessante Hintergrund einiger Nebenfiguren wird nicht weiter ausgeführt. Action und Spannung wird durch äußere Elemente wie Folter erzeugt.
Daher werden vor allem Leser, die dem Rollenspiel offen gegenüberstehen, auf ihre Kosten kommen. Trotzdem bleibt zu wünschen, dass die zukünftigen Autoren des Zyklus, Hadmar von Wieser, Thomas Finn und Karl-Heinz Witzko, auch der Geschichte und den Charakteren ein wenig mehr Raum geben. Auf jeden Fall lohnt es sich, das Projekt erst einmal weiter zu verfolgen, da es sich abseits der üblichen Genrethemen bewegt.
_Christel Scheja_ © 2003
|mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ |
King, Stephen – Susannah (Der Dunkle Turm VI)
|“Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste und der Revolvermann folgte ihm.“|
So begann im Jahre 1982 der Revolvermann Roland von Gilead seine surreale Jagd auf den Mann in Schwarz und seine Suche nach dem „Dunklen Turm“ in der westernähnlichen Mitt-Welt. Stephen King lag der „Turm-Zyklus“ nach eigenen Angaben seit seiner Jugend am Herzen, er ist sozusagen sein Lebenswerk. Inspiriert von einem alten Gedicht Robert Brownings aus dem Jahr 1855, „Childe Roland to the Dark Tower came“, war „The Gunslinger“/“Schwarz“ zwar nichts King’s Durchbruch, aber die Geschichte hatte ihr eigenes Flair, obwohl sie stilistisch noch ein unausgereiftes Frühwerk war. In der Tat hat King den ersten Band nach Jahren in einer neuen Fassung herausgebracht, die zahlreiche Details enthält, die in der ursprünglichen fehlen, was für diese Rezension noch von Bedeutung sein wird. Der gesamte Turm-Zyklus ist geprägt von Referenzen auf andere Figuren und Werke Kings, der in „Susannah“ sogar sich selbst in persona in die Handlung einbaut!
„Susannah“ ist der sechste und damit vorletzte Band des Zyklus. Stephen King möchte sich als Autor langsam zurückziehen, er hat sich aber noch einmal aufgerafft und in Rekordzeit die letzten drei Bände des Zyklus geschrieben.
_Ein kurzer Überblick der Turm-Saga:_
Schwarz (The Gunslinger) 1982
Drei (The Drawing of the Three) 1987
Tot (The Waste Lands) 1991
Glas (Wizard and Glass) 1997
[Wolfsmond 153 (Wolves of the Calla) 2003
Susannah (Song of Susannah) 2004
[Der Turm 822 (The Dark Tower) Ende 2004
Man beachte die großen Zeitabstände zwischen den einzelnen Bänden. Die letzten drei Bände erschienen in einem neuen, sehr hübschen und zeitgemäßen Gewand bei Heyne. Die ganze Saga wird in Kürze als Sammelbox in einheitlichem Design und mit der zweiten Version von „Schwarz“ erhältlich sein.
Wer einen Einstieg in die Turm-Saga plant, muss von vorne beginnen. Der Zyklus ist bereits für Kenner aufgrund der zwei Fassungen von „Schwarz“ und des langen Zeitrahmens schwer überschaubar.
_Was geschieht in „Susannah“?_
Mia hat im Körper der hochschwangeren Susannah die Flucht in das New York des Jahres 1977 angetreten. Detta und Susannah kämpfen um die Kontrolle ihres Körpers, während Mia sich auf ihr Kind freut, obwohl sie es nur wenige Jahre behalten darf, da sie es an zwielichtige Vampire in Diensten des Turmes verschachert hat.
Ein weiterer Balken des Turms stürzt ein und verursacht Beben in Mitt-Welt, wo es Roland, Eddie, Jake und Callahan gelingt, Susannah in ihre Gegenwart zu folgen. Dort werden sie jedoch bereits von Balazar’s Mafiosi erwartet, nur dank Rolands Schießkünsten können sie dem Hinterhalt entkommen. Sie machen sich auf den Weg zu Calvin Tower, von dem sie in der Vergangenheit das Grundstück des Dunklen Turms gekauft haben. Sie treffen sogar auf Stephen King selbst, der davon geschockt ist und ihnen bestürzende Dinge offenbart.
Derweil erfährt Susannah, wer der Vater ihres Kindes ist, und was für eine bedeutende Rolle es für das Schicksal des Turms spielt…
_Der schiefe Turmbau_
Konnte man „Wolfsmond“ noch für den deutlich erfahreneren und versierteren Schreibstil Kings loben, war eine Schwäche die langsame Weiterentwicklung der Geschichte um den Turm selbst. Das westernartige Ambiente von Mitt-Welt und die Charakterisierungen der Figuren dagegen stimmten.
„Susannah“ fängt nahtlos dort an, wo „Wolfsmond“ aufhörte – kommt aber handlungstechnisch genauso wenig vom Fleck. Große Ereignisse werden wohl für den Abschlussband aufgespart. Susannah steht im Mittelpunkt, Roland und Co. treten extrem in den Hintergrund. Dafür tritt der Autor selbst in seinem Roman auf, nicht mehr nur Figuren aus seinen anderen Werken. Für mich das eigentliche Highlight des Romans, denn Susannah’s psychologisches Duell mit Mia ist ziemlich seicht. Der Vater ihres nun auf einmal unglaublich bedeutenden Kindes ist vollkommen an den Haaren herbeigezogen, was nur noch von ihrer lächerlichen psychologischen Visualisierungstechnik getoppt wird: Mia stellt sich ein Armaturenbrett vor und dreht den Schalter „Wehen“ ein paar Grade zurück.
Ihr plötzliches Auftauchen in New York beschert einer Passantin Albträume, die sich so etwas einfach nicht vorstellen kann. Sie fühlt sich daraufhin „tervös-naub“… dies als Beispiel für die zahllosen Wortschöpfungen Kings, wie auch die penetrante Sprache der Calla „sagen Danke sehr“ dem Ka-Tet in unsere nahe Vergangenheit gefolgt ist. Diese kann man dem Übersetzer Wulf Bergner nicht anlasten, sie sind im Original genauso überflüssig. Er hat sich dafür Patzer bei feststehenden Redewendungen geleistet: „Die Welt hat sich weiterbewegt“ – Bergner hat die Übersetzung seines Vorgängers Körber dafür offensichtlich nicht gelesen…
Man erhält dadurch den Eindruck, King würde alt, kindisch und sentimental. Dieser verstärkt sich, wenn man zum interessanten Teil des ansonsten mit Susannah handlungsarm dahindümpelnden Buchs kommt: King plaudert aus dem Nähkästchen – ob real oder fiktiv, sei dahingestellt. Er gibt Roland und Eddie Informationen, die wohl eher für den Leser der Turm-Romane als diese selbst einfach bestürzend sind. So gibt King freimütig zu, sich nie groß Gedanken über den Zyklus gemacht zu haben, es existierte einmal ein Exposé, aber er hat es verloren und weitgehend vergessen.
Er selbst wusste nicht, wie sein Zyklus enden soll, während er ihn geschrieben hat. Das mag auch die langen Pausen zwischen den einzelnen Romanen und das langsame Voranschreiten der Kernhandlung während der letzten Bände erklären. Man darf gespannt sein, wie King das alles auflösen will. Wahrscheinlich entzaubert er nur sein eigenes Werk, bei dem die Spekulationen um den Turm interessanter sind als die tatsächliche Geschichte. Diese bietet keine Ereignisse, über die man spekulieren könnte, sie ist voller |deus ex machina|-Elemente, die Handlung ohne besondere Konsistenz und Richtung, dazu wird zu viel einfach an den Haaren herbeigezogen. Musterbeispiele dafür das plötzliche Auftauchen Callahans im letzten Band und in diesem der Vater von Mias Baby. Wenn die eigenen Ideen ausgehen, greift man halt auf alles zurück, was einem gerade so durch den Kopf geht: Seien es Harry Potter, die Jedi-Ritter, Marvel-Comics oder eben als Krönung der Bezug des einstürzenden WTC zum ebenfalls wankenden Dunklen Turm. Es ist zu viel; die gute Idee, das reale Weltgeschehen in die Geschichte einzubeziehen, wirkt so langsam zwanghaft.
Reale Anmerkung oder Fiktion?
Die „Seiten aus dem Tagebuch eines Schriftstellers“ beschreiben im Anhang quasi, wie der Turm entstand und was sich King dabei dachte. Beeindruckend und entlarvend dabei seine eigene Niedergeschlagenheit über einen Fanbrief der todkranken Coretta Vele im Jahr 1992, die vor ihrem Ende gerne von King wissen würde, wie die Turmsaga endet… sie würde es niemandem verraten. King selbst schreibt, wie niedergeschlagen er war, er wusste es selbst nicht.
Es folgt eine fast philosophische Abhandlung über das Dasein als Schriftsteller und seinen schweren Autounfall im Jahr 1999, hier kann man sich fragen, ob King nicht der psychologischen Betreuung bedarf, wurde dieser doch bereits in anderen Werken von ihm ausführlich aufgearbeitet und integriert. Die Zahlen 19, 99 und Prim, auf die auch zu Beginn des Romans Bezug genommen wird (eine fette 99 in der Seitenmitte, links unten eine kleine 19 – steht vermutlich für das Jahr 1999, daneben das Wort „Reproduktion“) fehlen zudem in den ersten Bänden der Saga, erst in der von King neu aufgelegten zweiten Fassung sind diese Elemente enthalten, was für zusätzliche Verwirrung und einen gewissen Groll sorgt: Muss man als King-Fan jetzt wirklich noch einmal die vier alten Romane oder die ganze (zugegeben: Das Metallic-Design ist sehr gelungen!) Sammelbox kaufen, um in den Genuss einer abgeschlossenen und in sich schlüssigen Reihe zu kommen?
_Mehr Schein als Sein_
„Susannah“ ist als Buch handlungsarm, von schwachen Charakterisierungen, inkonsistenten und völlig willkürlichen, unvorhersehbaren Ereignissen geprägt. Der interessante Teil ist ironischerweise Kings eigenwilliges Philosophieren über seine Beziehung zu seinem Turm-Zyklus. Leider auch eine einzige Entzauberung und Selbstoffenbarung: King hat mehr die Fantasie der Fans angeregt, als er sich selbst jemals im Traum vorstellen konnte. Er hatte kein Konzept, nicht einmal eine Idee, wie der Zyklus enden soll. Jetzt biegt er schnell alle losen Enden zusammen und geht danach in Rente. Ende.
Die Atmosphäre und der surreale Reiz von Mitt-Welt geht „Susannah“ vollkommen ab, der Roman hat keinerlei Charme, erzeugt keine Immersion. Dafür zahllose Seiten der Langeweile und Horror der besonderen Art: Was – das soll es jetzt gewesen sein?
Der Roman endet mit der Geburt von Mias Kind und einem der nervig werdenden Gesänge, die jedes Kapitel einleiten oder beenden:
VORSÄNGER: |Commala-come-kass!|
|The child has come at last!|
|Sing your song, O sing it well,|
|The child has come to pass.|
CHOR: |Commala-come-kass,|
|The worst has come to pass.|
|The Tower trembles on its ground;|
|The child has come at last.|
Wäre King bei seinem Autounfall tatsächlich ums Leben gekommen, man hätte den Turm-Zyklus als ein Musterbeispiel innovativer Phantastik angesehen, trotz seiner Schwächen. Jetzt entzaubert er ihn selbst als Machwerk überbordender Symbolik. Vielleicht gelingt es King, mit dem Abschlussband „Der Turm“ seine Fans wieder zu versöhnen, für sich gesehen ist „Susannah“ viel Lärm um nichts, ein grauenhaft langweiliger, uninteressanter Roman, der selbst hartgesottene King- und Turm-Fans enttäuschen wird. Es würde mich sehr wundern, wenn das Finale den Anfängen gerecht werden und der Turm-Zyklus sich nicht als Konglomerat einiger faszinierender Ideen ohne klares Ziel und jegliche Konzeption erweisen sollte.
Für das Lesen sagen Danke sehr.
P.S.: Es empfiehlt sich definitiv nicht, eine Zusammenfassung zu lesen bevor man sich an den Turm-Zyklus wagt. Aber für Fans, die gerne ein paar Karten, ein Personenregister sowie Hinweise auf welche Werke Kings im Turm-Zyklus eingegangen wird haben möchten, ist Robin Furth’s „Das Tor zu Stephen Kings Dunklem Turm I-IV“ (ISBN 3453875559) eine Empfehlung wert. Ein Folgeband für die Bände V-VII ist in Vorbereitung. Das definitive Nachschlagewerk für Turm-Fans – als zusätzliches Schmankerl ist die exklusive Kurzgeschichte „Die Kleinen Schwestern von Eluria“ enthalten.
Heitz, Markus – Schatten über Ulldart (Die Dunkle Zeit 1)
In den letzten Jahren hat sich eine auffällige Entwicklung bei den Verlagen ergeben: Man entsinnt sich immer öfter einheimischer Autoren und schielt nicht mehr länger nur über den großen Teich, um sich dort die Sahnehäubchen abzufischen. Aus finanziellen Gründen – amerikanische Verlage haben die Kosten für Lizenzen drastisch erhöht, ohne zu begreifen, dass der deutsche Markt einen Bruchteil der Größe des englischsprachigen besitzt – werden neben Wolfgang Hohlbein und Bernhard Hennen auch immer öfter unbekanntere Autoren gefördert, die zumindest etwas Schreiberfahrung besitzen, wie etwa Markus Heitz, der Autor des Zyklus um „Die dunkle Zeit“, von dem bei |Heyne| auch zwei |Shadowrun|-Romane erschienen sind und der nunmehr mit „Die Zwerge“ und „Der Krieg der Zwerge“ Erfolge feiern konnte.
Vor etwas mehr als 400 Jahren überzog der Eroberer Sinured mit seinen Horden und der Macht des gebrannten Gottes Tzulan den Kontinent Ulldart mit Angst und Schrecken. Menschenopfer und Zerstörungen, Krieg, Not und Leid wurden erst beendet, als die Mutigsten der unterdrückten Völker mit Hilfe ihres Schutzgottes Ulldrael Sinured besiegten und damit auch dem Gott die Macht nahmen. Magie wurde verbannt und alle Spuren beseitigt. Ulldart kehrte zum Frieden zurück. Dennoch lebte man seither in Furcht vor einer Rückkehr Sinureds und Tzulans, die für ein Jahr angekündigt wurde, in dem alle drei Zahlen gleich waren. Doch die Jahre 111 bis 333 verstrichen ereignislos und die Menschen begannen wieder zu hoffen.
Nun naht aber das Jahr 444. Eine neuerliche Prophezeiung spricht von einem Mann, der das Schicksal Ulldarts in den Händen hält: Lodrik, der Thronerbe von Tarpol. Doch dieser ist ein fetter, fauler und träger Knabe von 14 Jahren, den man gemeinhin den „Keksprinzen“ nennt.
Die Handlung setzt ein, als sein Vater, der dem genießerischen Treiben seines Sohnes nicht länger zusehen kann, den jungen Prinzen als Gouverneur in die Verbannung schickt. Im einsamen Granburg soll er lernen, ein Mann zu werden. Nur sein Lehrer und Berater Stoiko und eine kleine Leibgarde unter dem rauen, geheimnisvollen Waljakow begleiten den Jungen, der zunächst mit seinem Schicksal hadert, dann aber plötzlich Ehrgeiz entwickelt, als er Gefühle für Norina Miklanowo, ein kluges, aber schnippisches Mädchen, entwickelt und von seiner älteren Cousine Aljascha zutiefst gedemütigt wird. Er beginnt abzunehmen, seine Waffenübungen zu vertiefen und die Politik aufmerksamer zu beobachten. Das ist auch bitter nötig, denn sein Vorgänger will Lodrik das Amt des Gouverneurs nicht kampflos überlassen, und er muss sich mehrfach der Anschläge unbekannter Attentäter erwehren.
Der Prinz reift mit Hilfe von Stoiko und Waljakow zu einem verantwortungsvollen Regenten heran, der Güte und Gerechtigkeitssinn besitzt, aber auch gnadenlose Härte zeigen kann. So gewinnt er auch das Herz Norinas, die wie er von einer besseren und gerechteren Zukunft für das ganze Volk Tarpols träumt und die Rechte des Adels beschneiden möchte. Das Glück scheint vollkommen.
Doch dann stirbt Lodriks Vater, und als neuer Kabcar, d.h. Herrscher von Tarpol, muss Lodrik seine Cousine Aljascha heiraten, um ein Bündnis mit den nachbarschaftlichen Baronien zu festigen. Das führt jedoch zu Krieg mit einem Nachbarland, das ebenfalls Ansprüche auf die Baronien erhebt. Als sei dies nicht genug, löst Lodrik durch seine tiefgreifenden Reformen zur Verbesserung der Lebensbedingungen des einfachen Volkes einen Aufstand des Adels aus.
In dieser Krisenzeit taucht der geheimnisvolle Mortva Nesreca auf, der behauptet, ein entfernter Cousin Lodriks zu sein. Trotz der Warnungen seiner väterlichen Freunde Stoiko und Waljakow hört Lodrik von nun an auf die Einflüsterungen Nesrecas, der ihm eine glorreiche Zukunft verheißt, wenn er nur seinen Weg weiter geht und Widerstände aus dem Weg räumt. Warum soll er nicht ganz Ulldart seine Reformen bringen?
Und wie durch einen Wink des Schicksals wird der Adelsrat Tarpos vergiftet und der Feind an den Grenzen besiegt – durch einen unerwarteten Helfer. Sinured ist aus den Tiefen seines Grabes auferstanden, um Lodrik beizustehen.
Berauscht von seinen Erfolgen, vertraut der junge Herrscher seinem neuen Berater immer mehr und stößt die alten Freunde von sich. Selbst Norina, seine Geliebte, muss fliehen, obwohl sie ein Kind von ihm unter dem Herzen trägt. Waljakow begleitet sie, um das Kind zu beschützen, Stoiko aber landet im Kerker. Von Mortva Nesreca überzeugt, lässt auch Aljascha ihren Abscheu gegen Lodrik fallen und schenkt ihm drei Kinder.
Lodrik feiert einen Sieg nach dem anderen und glaubt immer noch, Ulldart Glück und eine glorreiche Zukunft zu schenken, denn Mortva schenkt ihm durch die Einführung von Schusswaffen einen Vorteil gegenüber den anderen Reichen.
Fünfzehn Jahre später hat Tarpol bis auf ein Reich an der Südspitze des Kontinents ganz Ulldart erobert, und auch der Fall dieses Landes steht bevor. Dann jedoch begreift Lodrik, dass er in all den Jahren nur von seinen vermeintlichen Freunden benutzt worden ist, um die Macht Tzulans zu stärken und dessen Rückkehr vorzubereiten. Er versucht noch, sich mit der Macht des Herrschers gegen seine Frau und seinen Berater zu stellen – aber zu spät. Seinen Sturz besiegelt jemand, von dem er es am allerwenigsten vermutet hätte. Nun scheint „Die dunkle Zeit“ nicht mehr aufzuhalten zu sein …
Man mag von der deutschen Fantasy denken, was man will, aber in den letzten Jahren beweist gerade die jüngere Generation, dass Romane und Erzählungen aus unseren Landen nicht nur märchenhaft, versponnen oder belehrend sein müssen, sondern auch einfach nur abenteuerlich unterhalten dürfen. Dabei folgt man hier durchaus den gängigen Trends, wie sie in Amerika vorgegeben werden. Roman-Zyklen im Stil von Rollenspiel-Romanen, die in den 80er Jahren ihren Siegeszug antraten, sind dort keine Seltenheit, wie R. A. Salvatore und Robert Jordan mit ihren Romanen beweisen, die in eigenerdachten Welten spielen.
Markus Heitz folgt mit dem Zyklus um „Die dunkle Zeit“ der Tradition. Seine Romane sind eindeutig auf die Zielgruppe ausgerichtet, die man der Fantasy allgemeinhin zuordnet, dem jugendlichen Leser, der vertraute Kulturen, in die man sich nicht erst seitenlang einlesen muss, eine spannende, aber gradlinige Handlung und einfache Charaktere bevorzugt, die sich genau so verhalten, wie man sie sich als Jugendlicher vorstellt. Nicht die Weiterentwicklung der Personen und das Zusammenspiel der Figuren stehen im Vordergrund, sondern die Präsentation von neuen Waffen, detaillierte Schilderungen von Kriegen, Kämpfen und neuen Strategien – die auf ein nachvollziehbares Maß vereinfacht sind.
Subtile Beschreibungen von Verhaltensweisen, die auf den Charakter einer Person hinweisen, fehlen ganz, es wird klipp und klar gesagt, dass Person X genüsslich die nächsten Schritte plant, um den Kabcar zu verführen, Figur Y eine sexsüchtige, machtgierige und auf ihr Äußeres fixierte rothaarige Giftspritze ist und Charakter Z ein wilder, fröhlicher Wikinger-Freibeuter mit Herz und Übermut.
Auch die übrigen Personen lassen sich auf gängige Archetypen mit nur wenigen herausragenden Eigenschaften reduzieren: den rauen, geheimnisvollen Waffenmeister mit durchschlagender Kampfkraft und liebevollem Herz oder den weisen und väterlichen Lehrer, der den jungen Helden auf den richtigen Weg zu bringen versucht.
Humorvolle, aber auf Dauer etwas nervige Abwechslung, bieten der Feinschmecker-König von Ilfaris und sein Hofnarr, die auch für den unaufmerksamsten Leser die Entwicklung der ulldartschen Politik zusammenfassen, wenn sie nicht der Erforschung der neusten Kreationen ihrer Konditoren frönen.
Die Frauenfiguren des Zyklus sind auf die heute üblichen Rollen als Geliebte des Helden mit Mutterrolle, machtgierige und intrigante Hure im Herrscherkostüm, zufriedene Hausfrau oder geschlechtslose Kameradin im Kampf gegen die anderen reduziert, führen aber kein eigenständiges Dasein.
Weitere vertraute Inhalte dürfen nicht fehlen: Magie ist hier zunächst verbannt und auf die reine Heilkunst reduziert. Natürlich zeigt der Held entsprechende Fähigkeiten und wird wie ein gewisser junger Jedi-Ritter mit der Macht seiner Gaben vertraut gemacht und zum Bösen verführt. Sie gewinnt im Laufe des Zyklus einen immer größeren Stellenwert als Waffe der Bösen und der Guten.
Wichtiger für den Fortlauf der Handlung ist die Entwicklung und Benutzung von pulverbasierenden Schusswaffen, wobei wenig auf wissenschaftliche Logik bei der Einführung und Weiterentwicklung der Waffen gelegt wird – sie sind einfach da und werden benutzt, wie man sie braucht.
Mit Kreaturen wie dem wieder auferstandenen Sinured, der untoten Priesterin Belkala, die als Vampirin Blut und Fleisch Lebender benötigt, oder nicht zuletzt den geheimnisvollen grünhaarigen und spitzzähningen Kensustrianern, die sich nicht in die Karten schauen lassen, werden auch die Monster und Fremdrassen-Fans zufriedengestellt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Zyklus um „Die dunkle Zeit“ durchaus spannende, gefällig geschriebene Unterhaltung bietet, die erst im fünften Band nachlässt, da die sich dort überstürzende Handlung Brüche und Längen zeigt, als ob der Autor den Zyklus schnell zu einem Ende bringen wolle. Die fünf Romane verlangen insgesamt keine großen Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Lesers und sind gut zu konsumierende Bahn- und Urlaubslektüre – solider Durchschnitt, der einem aber nicht längerfristig im Gedächtnis haften bleibt.
Wer jedoch hintergründige, ineinander verwobene Handlungsstränge sucht, bei denen nicht alles gleich verraten wird, über interessante Charaktere mit nachvollziehbaren Entwicklungen lesen möchte, die einem im Gedächtnis bleiben, oder etwas mehr Logik in den Beschreibungen von Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur erwartet, könnte ziemlich enttäuscht werden.
_Christel Scheja_ © 2004
|mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ |






















