Archiv der Kategorie: Rezensionen

Hartwig Hausdorf – Die Rückkehr der Drachen

Auf der Voodoo-Wissenschaft-Schiene reisendes ‚Sachbuch‘, das stets nur zweifelhafte ‚Beweise‘ für, aber nie gegen „Die Rückkehr der Drachen“ liefert, dabei aus trüben Quellen fischt, sich in ein Gespinst nie belegbarer Kreuzverweise verwickelt, aus Legenden und realen Naturphänomenen abenteuerlich Traumsaurier konstruiert sowie sich überhaupt im Besitz der einzigen, nur von Blinden & Blöden negierten Wahrheit wähnt: amüsant als Kompendium längst bekannter Pseudo-‚Rätsel‘, dies aber eindeutig unfreiwillig = ein überflüssiges (Mach-)Werk. Hartwig Hausdorf – Die Rückkehr der Drachen weiterlesen

Vinge, Vernor – Eine Tiefe am Himmel

Das All ist seit Jahrtausenden von der Menschheit besiedelt, aber außerirdische Intelligenz wurde dabei bislang nicht entdeckt. Als vom sogenannten EinAus-Stern nahe des galaktischen Zentrums nichtmenschliche Funksignale aufgefangen werden, scheint sich der Traum eines Erstkontaktes zu erfüllen. Das Händlervolk der |Dschöng-Ho| rüstet eine Flotte aus, um sich bei den Aliens umzusehen. Der Stern ist schon für sich genommen seltsam genug, da er in langen Zeitabständen pulsiert und auch schon mal für Jahrzehnte verlöscht.

Bei der Ankunft müssen die |Dschöng-Ho| allerdings feststellen, das sie nicht die Einzigen sind, welche sich für die Fremden interessieren. Eine zwischenzeitlich in die Barbarei versunkene Zivilisation in der interstellaren Nachbarschaft des EinAus-Sterns hat sich wieder weit genug erholt, um ebenfalls eine Expedition losschicken zu können. Leider ist die soziale Entwicklung der spöttisch „Aufsteiger“ genannten Neuankömmlinge weit hinter ihren technischen Möglichkeiten zurückgeblieben: Ihre faschistisch anmutende Gesellschaft ist auf der Versklavung und Ausbeutung Schwächerer aufgebaut. In einem Überraschungsangriff übernehmen sie auch die Schiffe der Dschöng-Ho. In den Kämpfen werden die Schiffe beider Parteien allerdings so schwer beschädigt, dass ein weiterer Weltraumflug nicht mehr im Bereich des Möglichen liegt.

Die |Aufsteiger| nutzen skrupellos das überlegene technologische Know-how der |Dschöng-Ho| für ihre Zwecke, nachdem sie alle Führungspersönlichkeiten der Händler exekutiert haben. Der Rest der versklavten Händler ist von der kaum vorhandenen Gnade der |Aufsteiger| abhängig. Die Versklavung wird durch exzellente Biotechnologie gewährleistet, welche in das Gehirn der Opfer eingreift und sie zu willenlosen Robotern macht. Wer von den Händlern gerade nicht benötigt wird, kommt in die Schlafkammern und wird „auf Eis“ gelegt.
Trotz all der scheinbaren Erfolge der |Aufsteiger| ist die übrig gebliebene Wirtschaftsbasis der verbliebenen Flotte viel zu gering, als dass ein langfristiges Überleben möglich scheint. Ohne Unterstützung einer planetaren Wirtschaft würde die Menschheit im System nach wenigen Jahrzehnten untergehen. Die planetaren Bewohner sind so wenig menschlich, wie man es nur sein kann: Sie stammen von einer Art Riesenspinne ab. Obwohl sie sich inzwischen an die Ökologie des Planeten gut angepasst haben, spricht doch vieles dafür, dass es sich bei ihnen keineswegs um Eingeborene handelt; die menschlichen Wissenschaftler vermuten eher, dass sie Nachfahren gestrandeter Raumfahrer sein könnten. Würde man ihnen ihre Geheimnisse entreißen können, hätte sich die Expedition trotz aller Verluste doch noch gelohnt! Vorerst müssen die |Aufsteiger| allerdings noch ein paar Jahrzehnte warten, denn die derzeitige technische Entwicklung wäre etwa mit der Erde um 1900 vergleichbar.

Aber während die |Aufsteiger| nun die Versklavung der Spinnen planen, proben die letzten überlebenden Händler den Aufstand…

Wie hält man eine Rebellion im Gang, wenn jedermann jederzeit überwacht wird und selbst Gedanken nicht mehr frei sind? Dieses Buch behandelt einen echten Alptraum eines Überwachungsstaates, in dem alle Menschen nur Verfügungsmasse der Aristokraten darstellen. Dagegen erscheint einem das geschilderte Leben des demokratischeren Spinnenvolkes fast schon als romantisches Idyll. Trotz ihrer körperlichen Fremdartigkeit sind die Spinnen geistig der Menschheit stark verwandt. Ich wäre ja von dieser Spiegelung menschlicher Denkungsart auf Aliens ein wenig enttäuscht gewesen, wenn Vinge nicht einen echten Kunstgriff angewandt hätte: Wir bekommen die Spinnen nämlich nicht direkt geschildert, sondern eher durch die Augen einer menschlichen Übersetzerin. Jede unpassende Vermenschlichung würde demnach das Werk dieser Sklavin sein, welche zu Analogien greift, um ansonsten nicht vermittelbare Gedankenwelten verständlich zu machen.

Vinges Werk wurde hoch gelobt und hat mir ebenfalls gut gefallen. Er hat sich auch jede billige direkte Kritik am ach so bösen Menschen verkniffen, selbst wenn sein Spinnenvolk im Vergleich mit den Aufgestiegenen als die Liebenswertere von beiden Lebensformen erscheint. Auch bei den Menschen gibt es „Gute“, während die Spinnen ebenso ihren Teil an bösartigen Intriganten aufweisen können. Mir hat das Buch wirklich gut gefallen, und die Geduld, mit der die Händler um ihre Freiheit kämpfen, hat durchaus etwas Bewegendes. Ich kann es auf alle Fälle empfehlen.
Die „Tiefe am Himmel“ des Buchtitels benennt übrigens ein lebenswichtiges Überwinterungsversteck in der Spinnensprache…

_sgo_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht, dem großen deutschsprachigen Onlinemagazin für Fantasy, Science-Fiction, Horror und Rollenspiele.|

Fehn, Oliver – Schule des Teufels, Die

Oliver Fehn ist auf dem Gebiet des deutschsprachigen Satanismus kein Unbekannter. Literarisch hat er sich bisher als Co-Übersetzer von Anton LaVeys „Satanischen Essays“ (erschienen bei |Second Sight Books|) und als Autor von „Satans Handbuch“ (erschienen im |Bohmeier|-Verlag) hervorgetan. Laut Verlagsinfo hat Fehn (Jahrgang 1960) ursprünglich Theologie studiert, sein Studium aber dann aufgrund ideologischer Differenzen abgebrochen und sich in einer Vielzahl von Jobs versucht. Mit der „Schule des Teufels“ liegt nun sein persönlicher Output zum zweiten Mal in Buchform vor.

Das Buch soll, wie Fehn in seinem Vorwort erläutert, als eine Art Brückenschlag verstanden werden. Seit Anton Szandor LaVey in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die Grundlagen des modernen Satanismus explizit gemacht hatte, ist von Seiten der Church of Satan aus nicht mehr viel Neues über den großen Teich geschwappt. Gleichzeitig lässt der Satanismus als subkulturelle Strömung im deutschsprachigen Raum LaVey-feindliche Tendenzen erkennen, ohne einen konsistenten Gegenentwurf präsentieren zu können. Satanismus im Deutschland des 21. Jahrhunderts bedeutet – entgegen der „aufklärerischen“ Bemühungen vorgeblicher Sektenexperten – keine gesellschaftliche Bedrohung, sondern in erster Linie eine plakative Mischung aus invertchristlichen Motiven, anarchistischen Versatzstücken und ästhetischen Elementen, welche der Black-Metal- bzw. Gothicszene inhärent sind. Um dieser Trivialisierung entgegenzuwirken, versucht Fehn die Ideen LaVeys weiterzuentwickeln und an unseren kulturellen Standard anzupassen – die [„Satanic Bible“ 117 wurde schließlich im Kalifornien der 60er Jahre geschrieben, und es ist somit nicht verwunderlich, wenn dies bei Interessenten der Gegenwart für Irritationen sorgt. Nun könnte man argumentieren, dass ein intelligenter Satanist in der Lage sein müsse, die komplexen Hintergründe seiner Weltanschauung selbständig nachzuvollziehen, aber gerade für Neulinge kann ein wenig Orientierungshilfe sicherlich nicht schaden. Ich werde daher im Folgenden diskutieren, was die „Schule des Teufels“ im Wesentlichen zu leisten vermag und wer von seiner Lektüre gegebenenfalls profitieren könnte.

Im ersten Kapitel, „Vorsicht, Seelenfresser! oder Warum das Böse überlebensnotwendig ist“, schildert Fehn in einfacher Sprache, weshalb das gesellschaftlich Heterogene immer ein wichtiger Faktor sein wird. Die christlichen Ideen der „Schuld“ und des „Bösen“ haben eine dualistische Weltsicht produziert, welche essenzielle Bestandteile des menschlichen Lebens einfach ausklammern will. Diese Erkenntnis ist freilich nicht neu. Frater Eremor z.B. hat bereits in seinem [„Kraftstrom des Satan-Set“ 6 sehr anschaulich beschrieben, dass der moralische „Biomüll“ die Tendenz hat, ein unheimliches Eigenleben zu entwickeln. Ein Satanist muss die Ganzheit seines Wesens analysieren, was bedeutet, dass er auch vor gesellschaftlichen Tabus nicht die Augen verschließen darf.

Im zweiten Kapitel, „Geschichten vom Schicksalsschlaf oder Wie lange braucht ein Ritual, bis es zu wirken beginnt?“, entwirft Fehn einen theoretischen Überbau für rituelle Magie, welcher inhaltlich an LaVeys Essays „Das Zahlenschloss-Prinzip“ und „Phantasien aus dem Tartarus“ angelehnt ist. Zunächst nimmt Fehn eine methodische Unterscheidung zwischen „objektiver“ und „subjektiver“ Realität vor. Das bedeutet, der satanische Magier kann nur im Rahmen der naturgesetzlichen Grenzen, welche das objektive Universum festlegt, operieren. Veränderungen durch magische Rituale erfolgen daher zunächst innerhalb des subjektiven Universums bzw. (um im NLP-Jargon zu sprechen) der „Landkarte der Realität“ eines Individuums. Das Kriterium für erfolgreiche Magie ist dabei innerhalb des fehnschen Paradigmas ihre intersubjektive Überprüfbarkeit – ein geglückter Zauber manifestiert sich in der materiellen Welt und kann somit zwar nicht unbedingt kausal zurückverfolgt werden, aber es ist ggf. „objektiv“ erkennbar, dass die postrituellen Zustände dem Willen des Magiers entsprechen. Satanische Magie wirkt also indirekt – durch die rituelle Veränderung seines Unterbewusstseins nimmt der Satanist eine Korrektur der Kausalverhältnisse zu seinen Gunsten vor. Entscheidend ist hier vor allem, dass der Satanist das Ziel seines Rituals vorerst „vergessen“ muss, sobald der magische Prozess seinen Lauf genommen hat. Der Wille soll ja aktiv in die materielle Welt eingebettet werden, und nicht weiterhin passiv im Kopf des Satanisten herumspuken.

Kapitel 3, „Schleichwege zum Teufel oder Schwarze Magie für die Hosentasche“, vermittelt ein paar Rituale aus dem Bereich „lesser Magick“. Das „Instant-Ritual“ basiert auf einem sympathetischen Prinzip und wurde in ähnlicher Form bereits in der „Satanic Bible“ beschrieben. Die „Entlade-Methode“ ist denkbar einfach: Der Satanist staut ein negatives Gefühl auf und „pustet“ es auf einen seiner Kontrahenten. Der „magische Wille“ wird hier also nicht auf Papier oder Wein, sondern einfach auf einen Luftzug übertragen. Abschließend listet Fehn noch ein paar Dämonen- und Götternamen zwecks ritueller Anrufung auf. Ziel soll hier sein, das Wesen der angerufenen Entität in seinen momentanen Gemütszustand zu integrieren. All dies kann m.E. funktionieren, wenn der Magier davon überzeugt ist, aber im Grunde ist mir dieses Kapitel zu simpel gestrickt.

Kapitel 4, „Von menschlichen Fleischfressern und Humankaninchen oder Satans Energieerhaltungsgesetz“, beschäftigt sich mit individuellem Durchsetzungsvermögen. Souveränität ist, wie Fehn treffend bemerkt, auch in der modernen Zivilisation größtenteils immer noch auf animalische Verhaltensweisen zurückzuführen. Emotionen (von Fehn in diesem Kontext als „Energien“ definiert) können gemäß des fehnschen Paradigmas weder einfach verloren gehen, noch ohne weiteres in andere „Energieformen“ transformiert werden. Sie können allerdings von einem Subjekt auf ein anderes oder sogar auf unbelebte Objekte übertragen werden. Ferner können bestimmte Menschentypen für bestimmte „Energien“ prädestiniert sein. Wer Angst ausstrahlt, bekommt Aggression zurück. In diesem Sinne sollte ein Satanist daher laut Fehn seinen „Energiehaushalt“ gemäß seines Willens ausbalancieren. Hat er zu wenig oder zu viel von einer bestimmten Emotion, so muss er sein Verhalten gegebenenfalls ins Gegenteil verkehren, um das Kausalverältnis der „Energieströmungen“ zu korrigieren. Ich will nicht abstreiten, dass dieses Modell brauchbare Arbeitshypothesen produzieren kann, aber mir persönlich ist es einfach zu esoterisch.

Kapitel 5, „Wo kommen all die Teufel her? oder Wie der Mensch seinen Zecken-Gott erschuf“, beschreibt jenes Phänomen, welches in der jungschen Psychologie als „Archetyp“ und im traditionellen Okkultismus als „Egregor“ bezeichnet wird. Es ist im Grunde völlig egal, ob Leute wie Buddha, Jesus Christus oder Elvis Presley jemals existiert haben – im „kollektiven Unterbewusstsein“ erzeugen sie eine eigendynamische Struktur. Auf diese Weise entstehen jene Entitäten, welche gemeinhin als „Götter“ oder auch „Dämonen“ bezeichnet werden. Ich selbst empfehle in diesem Kontext zur persönlichen Erbauung die Lektüre von Terry Pratchetts Roman „Einfach göttlich“ 😉

Kapitel 6, „Satans Selbstverteidigungskurs oder Kann man sich vor magischen Angriffen schützen?“, analysiert die Möglichkeiten magischer Angriffe und Verteidigungen. Fehn sieht (wie auch LaVey) bereits in den Suggestionstechniken der Werbeindustrie magische Attacken. Diese „Subliminals“ wirken dann besonders effizient, wenn der Empfänger der Werbebotschaften gerade geistig abwesend oder sogar in Trance ist. Das Gleiche gilt für gezielte Attacken von feindlich gesonnenen Personen, wobei hier noch der sympathetische Faktor hinzu kommt, wenn der Kontrahent Magie anwendet. Magische Angriffe erfordern laut Fehn primär a) kausale Verhältnismäßigkeit und b) räumliche Erreichbarkeit. Die entsprechende Verteidigungsstrategie besteht daher folgerichtig in a) Vorenthaltung persönlicher Gegenstände und b) räumlicher Distanz.

In Kapitel 7, „Stairway to Hotel California oder Starb John Denver, weil er den Teufel traf?“, widerlegt Oliver Fehn einmal mehr das alte Märchen vom satanischen „Backwardmasking“. Überflüssig.

Kapitel 8, „Das Zeichen im Gesicht der Schafe oder Satans neue Kampfstrategien für den Alltag“, beschäftigt sich primär mit dem Schließen von den physiologischen Merkmalen eines Menschen auf seinen Charakter. Diese recht spekulative Technik erfordert m.E. präzise wissenschaftliche Kenntnisse; Fehn allerdings versucht sich in einem eher laienhaften Rundumschlag. Insofern eine äußerst zweifelhafte Angelegenheit. Die sinnigste Anmerkung dieses Kapitels wäre noch, dass die Qualität eines Magiesystems sich nicht an den moralischen Überzeugungen seines Erschaffers bemisst.

Kapitel 9, „Die vier magischen Geheimnisse oder Wie wir zu vollautomatischen Göttern werden“, greift inhaltlich das zweite Kapitel wieder auf. Vom Standpunkt der Kausalität aus betrachtet, wirken wir alle permanent „magisch“, aber aufgrund unserer beschränkten Sinne erkennen wir nie das vollständige Potenzial, über welches wir verfügen. Unsere „Landkarte“ versperrt uns den Zugang zu etlichen Ressourcen. Durch die „magische“ Manipulation unseres Unterbewusstseins wird gemäß Fehns Paradigma dieser Missstand ausgeglichen und wir können das „Gewebe“ der Kausalität für uns arbeiten lassen. Die „vier magischen Geheimnisse“, welche Fehn in diesem Kontext vorstellt, lassen sich dabei im Grunde zu einem einzigen Prinzip zusammenfassen: Separation. Abseits von den Konventionen der homogenen Gesellschaft verfügt der Satanist über einen unabhängigen Raum, in welchem er sich sammeln und seine Eingriffe in das ökonomische System präzise planen kann.

Kapitel 10, „Jekyll, wo ist dein Hyde? oder Die Angst vor dem Bösen macht uns böse“, greift wiederum Kapitel 1 auf. Fehn analysiert den moralischen Umbruch, welcher im Deutschland der letzten Jahrzehnte erfolgt ist. Das Christentum (welchem ja sowieso eine Tendenz zur Säkularisierung innewohnt) ist inzwischen mehr oder weniger dem „Gutmenschen“ gewichen. Anstatt Probleme und Tabus direkt anzugehen, neigen die Gutmenschen zur „politisch korrekten“ Verdammung und Zensur – was eben jene Bedrohung durch das Heterogene erst |ermöglicht|. Robert Steinhäuser ist nicht Amok gelaufen, weil er SLIPKNOT gehört hat, aber in einer Gesellschaft, welche sich offen und ehrlich mit Gewalt auseinandersetzen würde, hätte ihm SLIPKNOT vielleicht genügend Kompensationsmöglichkeiten für seine Aggressionen geboten. Fehn fasst seine soziale Bestandsaufnahme folgendermaßen zusammen:

„Sucht euch die dümmste, stupideste Person im Lande, die den größten potentiellen Gefahrenherd darstellt – und gratuliert ihr. Sie ist der ungekrönte Herrscher über all unsere Gesetze, all unsere Entscheidungen.“

Für mich ein Highlight dieses Buches!

Kapitel 11, „Reservate der Fantasie oder Satans Heilmittel gegen Depressionen“, hingegen fällt wieder ab – es ist nichts als ein dreister Verschnitt aus LaVeys Essays „Ein Heilmittel gegen Melancholie oder Wie man D.P.s vermeidet“ und „Geschlossene Erlebniswelten – einige neue Vorschläge“. Kann im Original – nun, origineller nachgelesen werden. Für Satanisten kann dieses Kapitel allerdings ein Anreiz sein, sich mal etwas ausführlicher mit ihrer Kindheit zu befassen und diese als Ressource zu begreifen – frei nach Erich Kästner: „Nur wer erwachsen wird, und dennoch ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“

Kapitel 12, „Jeder Tag ein Fest in eurem Herzen! oder Die Satanischen Feiertage“, ist ein Katalog von Feiertagen, die alle irgendwie mit Satanismus in Verbindung gebracht werden können. Nett.

Kapitel 13, „In der Schule des Teufels oder Fundamentalsätze der niederen Magie“, vermittelt noch ein paar Tricks und Kniffe für den Alltagsgebrauch: 1. Wenn man vom Mob gemieden werden will, verpasse man sich absichtlich einen schlechten Ruf. (Meiner Erfahrung nach reicht es allerdings völlig aus, man selbst zu sein; das hält die Idioten mindestens genauso sicher fern.) 2. Wer sich über Bagatellen aufregt, möge sich die wirklich relevanten Probleme ins Gedächtnis zurückrufen (ja, klingt plausibel). 3. Mache Bekannten bewusst, dass deine Freundschaft auf Unabhängigkeit basiert (sehr wichtig). 4. Entferne falsche Freunde bzw. psychische Vampire aus deinem Leben (essenziell). 5. Sei ein Gentleman. Mit Höflichkeit erreicht man mehr als mit unkultiviertem Benehmen (korrekt, sofern man keine Perlen vor die Säue wirft).

Der Anhang des Buches gliedert sich in verschiedene Sektionen. Fehns Aphorismensammlung ist von recht schwankender Qualität. Mein Favorit: „Satanismus ist die einzige Religion, für die man zu dumm sein kann.“ Die „Hymnen“ braucht dagegen kein Mensch. „Satans Neues Testament“ ist ein pseudobiblischer Text aus Fehns Feder, welcher in der Tradition von Miltons „Paradise Lost“ steht. Ich finde den Text recht gelungen, aber Michael Aquinos „Diabolicon“ ist größtenteils noch um einiges besser. Die abschließenden FAQ haben sicher auch ihre Existenzberechtigung, aber jener Text, welcher sich an satanische Kids richtet, wird wohl höchst selten zu den richtigen Empfängern finden, vermute ich.

Unterm Strich hat Oliver Fehns „Schule des Teufels“ einen guten Eindruck bei mir hinterlassen. Man braucht das Buch natürlich nicht, wenn man sich bereits mit der übrigen Fachliteratur vertraut gemacht hat. Aber der eine oder andere Neuling wird hier vielleicht ein paar nützliche Impulse vermittelt bekommen. Ich erinnere mich dabei unweigerlich daran, was Marcel Reich-Ranicki einmal über Dietrich Schwanitz‘ „Campus“ gesagt hat:

„Ich bin für dieses Buch. Ich freue mich, daß ich es gelesen habe.“

Dan Simmons – Fiesta in Havanna

1942 beschließt der patriotische (und gelangweilte) Schriftsteller Ernest Hemingway, auf eigene Faust Krieg gegen die Nazis zu führen, ohne dafür die tropische Gemütlichheit der Karibik zu verlassen; wie der Zufall will, stolpern er und seine ebenso untauglichen Kampfgefährten über echte Saboteure, woraufhin aus Spaß bitterer Ernst wird … – Autor Simmons spinnt ein Abenteuer-Garn, das gerade so in sein historisches Umfeld eingepasst ist, dass die Illusion von Wahrscheinlichkeit entsteht; in dieser Kulisse lässt Simmons unterhaltsam die Puppen tanzen.
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Crichton, Michael – Timeline

In Arizona wird ein Mitarbeiter der Firma ITC aufgefunden, der im Krankenhaus unter mysteriösen Umständen stirbt. In seinem Besitzt befindet sich der Ausschnitt eines Grundrisses. In Frankreich arbeiten Archäologen in der Dordogne. Hauptsponsor der Ausgrabungen ist ITC. Als nun der Forschungsleiter, Professor Edward Johnston, den Grundriss zugespielt bekommt, erkennt er sofort, dass die Zeichnung zu einem Kloster gehört, das gerade erst ausgegraben wird. Es kann gar keine Pläne geben. Johnston fliegt in die USA und stellt seinen Geldgeber zur Rede.

Kurz darauf entdecken Johnstons Gehilfen und Studenten eine Kammer. Dort finden sie ein Papier aus dem Mittelalter, auf dem sich ein schriftlicher Hilferuf des Professors befindet – und eines seiner Brillengläser. Doch wie kann das sein? Etwas später setzt sich der Chef von ITC – Robert Doniger – mit den Leuten des Professors in Verbindung. Mittels der Quantentheorie ist es gelungen, eine Zeitmaschine zu entwickeln. Johnston unternahm einen kleinen Ausflug und ist seitdem verschollen.

Chris, Katherine und André reisen ihrem Professor hinterher. Doch im französischen Mittelalter geht einfach alles schief. Zusätzlich zerstört ein Unfall das ITC-Labor. Außerdem werden erst nach und nach einige Punkte offenbart, die Doniger im Vorfeld einfach unter den Tisch fallen ließ. Unter anderem befindet sich bereits eine Person der Gegenwart in der Vergangenheit und erweist sich als größter Feind der Rettungsmannschaft. Diese findet zwar Johnston, allerdings sind sie ständig auf der Flucht. Scheinbar will jeder die Fremden töten …

Michael Crichton ist vor allem durch seine verfilmten Romane bekannt geworden („Congo“, „Jurassic Park“ etc.). Auch „Timeline“ schlägt in diese Kerbe und wurde von Regisseur Richard Donner verfilmt. Doch zurück zu Crichtons Roman.

„Timeline“ ist spannend zu lesen, besitzt ein ordentliches Tempo und räumt mit einigen Vorurteilen über das Mittelalter auf. Michael Crichton hat ordentlich recherchiert, wie man auch den Quellenangaben entnehmen kann. Alleine der Auftakt des Romans ist gelungen. Hier gleitet der Bestsellerautor langsam von der Realität in die Fiktion, nimmt auch während des gesamten Romans schon mal Bezug auf Personen oder Firmen der Gegenwart. Dadurch gewinnt sein Roman auch an Glaubwürdigkeit. Leider besitzt der Roman auch viele Schwachstellen, über die Crichtons guter Ruf nur schwerlich hinwegtäuschen kann.

Alleine die Motivation Donigers ist sehr merkwürdig. Er steckt sein ganzes Geld – und das seiner Teilhaber – in ein Zeitreiseprojekt, um später authentische Freizeitparks eröffnen zu können. Na ja, etwas Dümmeres als Argument ist Crichton {nach dem „Jurassic Park“ – Anm. d. Lekt.} wohl nicht eingefallen, der Doniger eigentlich als cleveren Kopf in Szene setzt.

Die Zeitreise selbst wird vom Autoren auch recht verständlich erklärt. Der Mensch wird im Computer gespeichert, in der Gegenwart zerstört und in der Vergangenheit neu aufgebaut. Eine Vergangenheit, bei der es sich allerdings um ein Paralleluniversum handelt. Dadurch wundert sich der Leser nur, warum ein Paralleluniversum Einfluss auf unsere Gegenwart in Form eines Hilfebriefs und eines Brillenglases nehmen kann. Und egal wie ähnlich es in der parallelen Vergangenheit zugeht, authentisch wäre es nicht. Außerdem zerstört die Maschine den Körper des Reisenden. Nun, damit wäre die Person tot. Auch wenn sie woanders wieder aufgebaut wird, was ist mit der Seele und sämtlichen theologischen {und philosophischen – Anm. d. Lekt.} Fragen, die dadurch aufgeworfen werden? Doch darum kümmert sich Crichton erst gar nicht. Ein weiterer Gedankengang: Wenn der Mensch vorher gespeichert wird, warum muss er erst zerstört werden, um woanders wieder aufgebaut werden zu können? Tatsächlich könnte man ihn einfach kopieren. Crichton findet zwar eine Antwort, aber die ist sehr fadenscheinig.

Tatsächlich sieht der Roman aus, als wäre eine Filmvorlage gebraucht worden, die man schön umsetzen kann. Im Kino werden selten tiefer gehende Fragen gestellt, dort soll ein Film nur zwei Stunden lang unterhalten. Das Buch trägt dem Film Rechnung. Die Protagonisten sind nur am Laufen und es gibt ständig blutige Actionszenen. Und am Ende einen überraschenden Schluss.

„Timeline“ ist ein feiner Roman, der Spaß macht und kurzweilig unterhält. Aber es ist kein großer Schlag, sondern siedelt sich mehr im Mittelfeld an. Schade, hier hätte Crichton mehr von seinem Talent zeigen können. Der Stoff besitzt genug Potenzial, das leider verschenkt wurde. Trotzdem lesenswert.

_Günther Lietz_ © 2004
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/

Fetjaine, Jean-Louis – Vor der Elfendämmerung

„Vor der Elfendämmerung“ ist der Auftakt zu einer Trilogie, die auf eine außergewöhnliche Art die Artussage nacherzählt. Außergewöhnlich deshalb, weil es zunächst überhaupt nicht um Artus geht.

Der Zwergenkönig Baldwin kommt in die Hauptstadt des Königreiches Logres. Um einen Zwergenkönig, noch dazu einen so alten, dazu zu bewegen, seinen Berg zu verlassen, muss schon etwas Außergewöhnliches passiert sein. Doch der König gibt sich reserviert. Erst auf der Ratsversammlung des folgenden Tages lässt er die Katze aus dem Sack: Der Zwergenkönig Troin wurde ermordet. Von einem Elf! Elfenkönig Llandon und seine Königin Lliane fallen aus allen Wolken.
Eine Komission wird ausgesandt, bestehend aus zwei Elfen, zwei Zwergen und zwei Menschen mit jeweils einem Pagen, die den beschuldigten Elfen finden und zurückbringen sollen. Doch sie werden verfolgt, und schon bald lichten sich ihre Reihen. Wer ist der Verfolger? Und welches Ziel verfolgt er?
Während die Komission mit den Widrigkeiten der Reise kämpft, ziehen sich dunkle Wolken über der Hauptstadt Loth zusammen…

Wie gesagt, von Artussage ist noch nicht viel zu spüren. Lediglich die angedeutete Mythologie der Kelten, die das grobe Gerüst für die Geschichte stellt, sowie einige Namen – Gorlois, Uther, Igraine, Tintagel – deuten darauf hin, was der eigentliche Kern der Geschichte ist. Aber auch wirklich nur der absolute Kern! Der keltische Anteil ist mit den magischen Artefakten der Elemente – Kessel, Stein, Speer und Schwert – bereits erschöpft, und die Handlung ist frei von den gewohnten christlich-mittelalterlichen oder neuheidnischen Interpretationen. Dieses Buch ist Fantasy in Reinform.
Natürlich spielt das Christentum trotzdem eine Rolle, allerdings eine eher untergeordnete: die Mönche und Priester sind nicht, wie anderswo, Vertreter eines selbstständigen Machtfaktors, sondern reduziert auf Handlanger des Menschenkönigs. Religion ist in dieser Version kein Thema. Hier geht es um Macht:

Die Welt, die Fetjaine zeichnet, ist trist und trübselig. Verhangener Himmel, ständiger Nieselregen, Nebel, Kälte, graubraunes Gras, eintönige Ebenen, Leere. In den Sümpfen kommen außerdem noch Gestank und Mücken dazu. Überhaupt nicht geheimnisvoll. Nur deprimierend.
In diese Grundstimmung sind die Charaktere eingebettet. Zunächst die der Völker insgesamt: Elfen, Zwerge und Menschen. Seit der großen Schlacht gegen den Dunklen Herrn sind sie Verbündete. Doch der Bund steht auf äußerst wackligen Füßen. Die Zwerge, aufgrund ihrer Körpergröße empfindlich und von übertriebenem Ehrgefühl, hegen sowohl Verachtung als auch Misstrauen für die Elfen, und lassen sie das auch deutlich spüren. Die Elfenkönige wissen um diese Eigenschaften der Zwerge, doch die hitzköpfigeren von ihnen tun sich enorm schwer mit ihrer Selbstbeherrschung, zumal ein Teil von ihnen vor dem großen Krieg mit dem Dunklen Herrn grausame Verfolgung durch die Zwerge zu erdulden hatte. Dazwischen die Menschen, mit beiden Völkern freundschaftlich verbunden und stets damit beschäftigt zu vermitteln.

Der Tod des Zwergenkönigs Troin bringt die unsichere Allianz noch mehr ins Wanken. Die Zwerge beschuldigen die Elfen des Mordes und des Diebstahls eines silbernen Kettenhemdes, und fordern Genugtuung. Der Mörder soll bestraft werden. Die Elfen dagegen wollen zunächst den Beschuldigten finden und befragen, denn sie bezweifeln seine Schuld. Es gibt zu viele Ungereimtheiten, die die Zwerge jedoch nicht interessieren. Krieg droht!

Die Komission hat von vornherein schlechte Chancen, denn die Parteien spielen ein doppeltes Spiel. Die Zwerge haben verschwiegen, dass ihnen nicht nur ein zwar teures, aber im Grunde läppisches Kettenhemd gestohlen wurde, sondern auch Caledfwch, das Schwert der Göttin Dana, der Talisman des Volkes der Zwerge, der ihr Überleben garantiert: Excalibur. Sie haben den Erben des ermordeten Königs Troin als Pagen in ihre Gruppe eingeschmuggelt, und der fanatische Zwerg ist eine wandelnde Zeitbombe.
Die Menschen dagegen haben auf diese wichtige Mission zwei ihrer jüngsten und unerfahrensten Krieger mitgeschickt. Während diese auf dem Weg nach Norden sind, verwandelt sich die Stadt Loth ganz allmählich in ein Heerlager.
Und keiner der Angehörigen der Komission weiß, dass auch noch die Gilde ihre Finger im Spiel hat, die Gilde der Diebe und Mörder.
Irgendjemand rüttelt ganz gehörig an den Grundfesten der bestehenden Ordnung, und zwar mit Absicht. Das wird im Laufe der Handlung immer deutlicher, und es wird auch deutlich, wer da rüttelt. Allmählich wird die Reise der Komission zu einem Wettlauf mit der Zeit.

Wir haben hier also sozusagen die Vorgeschichte zur Vorgeschichte der eigentlichen Sage vor uns. Das zeigt sich allerdings hauptsächlich am Anfang und am Ende der Geschichte, wo Merlin das erste Mal ernsthaft auftaucht und die Geburt Morganas voraussagt, der Tochter von Uther und Lliane.
Dazwischen haben wir eine Handlung, die davon völlig unabhängig, aber durchaus interessant angelegt ist. Die Komission schleppt aufgrund ihrer Zusammensetzung die schwelenden Konflikte der Völker mit sich herum, die im Laufe der Reise immer stärker an die Oberfläche dringen, parallel dazu eskaliert die Sache auch auf höherer Ebene. Allerdings fehlt dem Ablauf der Geschehnisse der Schwung. Es ist, als hätte die trübe Grundstimmung des Buches dem Autor so aufs Gemüt geschlagen, dass er den Handlungsverlauf nicht mehr vorantreiben, sondern nur noch mitschleppen konnte. Die Spannung bleibt dabei fast völlig auf der Strecke.
Was deutlich rüberkommt, sind die Stimmungen, sowohl die Tristesse der Landschaft, als auch das bunte und gefährliche Treiben in der Stadt der Gnome. Die Charaktere der verschiedenen Völker sind gut herausgearbeitet, wenn auch die Vorstellung von blauhäutigen Elfen etwas gewöhnungsbedürftig und die Darstellung der Zwerge manchmal ein wenig übertrieben ist und damit ins Klischeehafte abzurutschen droht. Aber das reicht nicht.
Die Charaktere der handelnden Einzelpersonen bleiben ziemlich blass und ohne Tiefe, von ihren Gedanken erfährt man nichts. Soziale Strukturen und geographische Gegebenheiten sind nur skizziert. Schade, daraus hätte man mehr machen können!
Zwar ist das gesamte Potenzial von Fetjaines Entwurf längst nicht ausgeschöpft: Merlin kam bisher nur am Rande vor, die Dämomen ebenso, und am Ende des Buches weiß nur der Leser, wer die Intrige wirklich angezettelt hat. Allerdings neigen Fortsetzungen auch bei einem schwachen Anfang nicht unbedingt zur Steigerung, mein Interesse an den Folgebänden hält sich deshalb in Grenzen.

Sprachlich gesehen ist das Buch nicht schlecht. Fetjaine schreibt kompakt, aber elegant. Seine Sätze sind lang und voller Nebensätze, aber nicht verschachtelt. Insgesamt liest es sich sehr angenehm. Allerdings wären gelegentliche Absätze hilfreich. Wenn mitten im Text plötzlich aus dem Blickwinkel einer anderen Person erzählt wird, sorgt das kurzzeitig für Verwirrung.
Das Lektorat ist ganz in Ordnung. Außer einem gröberen Schnitzer sind mir nur zwei kleinere Tippfehler aufgefallen. Auch das Cover des Buches finde ich recht gelungen. Der Vergleich mit Tolkien dagegen hinkt wieder mal! Fejaines Elfen haben keinerlei Ähnlichkeit mit Tolkiens Elben, genausowenig wie die Menschen. Seine Gnome kommen bei Tolkien überhaupt nicht vor. Magie ist viel seltener und auch anders. Und Fetjaines Welt ist keine erfundene, sie ist die wirkliche Welt aus einer anderen Sicht heraus. Man hüte sich also vor falschen Erwartungen. Das betrifft auch alle, die vom Blickwinkel der Artussage aus an das Buch herangehen. Der Autor selbst hat seine Geschichte als Elfentrilogie bezeichnet, und das ist gut so.

Jean-Louis Fetjaine studierte Philosophie und mittelalterliche Geschichte und arbeitete dann als Journalist und Verleger. Er hat mehrere humoristische Bücher veröffentlicht, bevor er sich mit seiner Elfentrilogie der Fantasy zuwandte. Der zweite Band ist unter dem Titel „Nacht der Elfen“ erschienen, der dritte Band trägt den Titel „Stunde der Elfen“. Im Oktober dieses Jahres erscheint „Der Weg des Magiers“. Im Original trägt das Buch den Titel „Le pas de Merlin“, die Vermutung liegt also nahe, dass es zumindest mit der Trilogie in Verbindung steht. Nichts Genaues war dazu aber nicht zu finden, ebensowenig eine Homepage des Autors.

Reginald Hill – Ins Leben zurückgerufen

Das geschieht:

1963 starb auf dem Landsitz von Lord Ralph Mickledore Pamela, Gattin des US-amerikanischen Diplomaten James Westropp, durch einen Schrotschuss in die Brust. Als Täter identifizierte der mit dem Fall beauftragte Superintendent Tallantire Sir Ralph höchstpersönlich, der mit der Verstorbenen ein Verhältnis unterhielt. Mickledore fand für seine Bluttat eine Komplizin: Cecily Kohler, das Kindermädchen der Westropps, war angeblich ebenfalls die Geliebte des Lords und diesem hörig.

Sir Ralph wurde kurz vor der Abschaffung der Todesstrafe 1964 gehängt. Noch unter dem Galgen hatte er seine Unschuld beteuert. Cecily Kohler verbüßte eine lange Haftstrafe. Nie gelang es, die ganze Wahrheit ans Tageslicht zu bringen, denn unter den Gästen befanden sich an dem verhängnisvollen Wochenende auf Mickledore ein Minister, zwei hochrangige Diplomaten sowie ein reicher und spendabler Geschäftsmagnat – Männer, die alle Hebel in Bewegung setzten, sich aus dem Ermittlungsverfahren zu stehlen. Reginald Hill – Ins Leben zurückgerufen weiterlesen

Stephen King: Wolfsmond (Der Dunkle Turm 5)

Weiterhin ziehen Revolvermann Roland von Gilead und seine Gefährten dem Dunklen Turm entgegen, der Zentrum und Stütze des Universums darstellt. In der Mittwelt – Ort der Handlung – tun sich Dimensionsportale, Zeitfallen u. a. Hindernisse auf. Zusätzlich aufgehalten wird die Gruppe von den Bewohnern eines Grenzdorfes, das von einer Horde maskierter Finsterlinge belagert wird. Gemeinsam nimmt man den Kampf gegen eine gewaltige Übermacht auf … – Der fünfte Band der „Dark-Tower“-Serie ist ein Episoden-Epos mit enormen Längen, das Substanz durch Geschwätz, nur vorgeblich geheimnisvolle Andeutungen und das Recycling früheren King-Werken ersetzt. Zwar gelingen dem Verfasser durchaus fesselnde Szenen, die aber durch generellen Leerlauf entwertet werden: ein Buch für jene, die wissen wollen, wie‘s weitergeht. Stephen King: Wolfsmond (Der Dunkle Turm 5) weiterlesen

Edward Gibbon – Verfall und Untergang des Römischen Imperiums (erstmals vollständig übersetzt in 6 Bänden)

Die vorliegende Ausgabe enthält in fünf Bänden die Kapitel I-XXXVIII bis zum Ende des Römischen Reiches im Westen einschließlich der ›Allgemeinen Betrachtungen über den Untergang des Reiches im Westen‹ sowie sämtlicher Fußnoten, Nachweise und Anmerkungen des Autors. Damit liegt dieser Teil von Gibbons Werk zum erstenmal seit 1837 ungekürzt und in einer neuen, zeitgemäßen Übersetzung vor.
Der sechste Band der dtv-Ausgabe enthält ausführliche Informationen zu Leben und Werk des Autors und zur Rezeptionsgeschichte sowie Bibliografie und Register.

Die Ausgabe entspricht den Bänden 1-3 des Gesamtwerks, die zuerst zwischen 1776 und 1781 in London veröffentlicht wurden. Gibbon betrachtete das Werk hiermit zunächst als abgeschlossen und wollte eine Fortsetzung von der Reaktion der Öffentlichkeit abhängig machen. (Verlagsinfo)
Edward Gibbon – Verfall und Untergang des Römischen Imperiums (erstmals vollständig übersetzt in 6 Bänden) weiterlesen

Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Tod im Eis

Das geschieht:

„Never change a winning team“, lautet eine alte Binsenweisheit, die sich dieses Mal jedoch nicht verwirklichen lässt. Die bewährte Nachtschicht-Besatzung des „Crime Scene Investigation” (CSI) Las Vegas muss dieses Mal getrennt arbeiten, d. h. Tatorte sichern und meist quasi unsichtbare oder sogar unmögliche Spuren untersuchen. Gil Grissom, der Chef, und seine Kollegin Sara Sidle nehmen an einer Konferenz im fernen und winterlichen Bundesstaat New York teil.

Zurück bleiben Grissoms Stellvertreterin Catherine Willows und ihre Mitarbeiter Warrick Brown und Nick Stokes. Sie werden mit einem seltsamen Leichenfund konfrontiert: Weit außerhalb von Las Vegas wurde in der Wüste eine tote Frau gefunden. Der Mörder hat sich viel Mühe gegeben, die Spuren seiner Untat zu vertuschen: Sorgfältig hat er die Leiche eingefroren und sich nun erst ihrer entledigt. Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Tod im Eis weiterlesen

Stroud, Jonathan – Bartimäus – Das Amulett von Samarkand

In einer Welt, in der Zauberer die Regierung bilden und ein zwei Klassensystem regelt, wer zu der privilegierten magischen Schicht gehört, wächst der junge Nathanael auf und wird – wie es sich gehört – von einem Magier als Lehrling aufgenommen. Bald merkt der Junge, dass sein Talent weitaus größer ist als sein altbackener vorsichtiger Lehrmeister vermutet, ja sogar, dass er in jungen Jahren schon seinem Meister voraus ist. Heimlich studiert er die verbotenen Werke und alle Versuche des Meisters, ihn durch Angst und Drohungen einzuschüchtern, scheitern kläglich. Der spießige und kleinbürgerliche Zaubermeister ist ein Beamter von niedrigem Stand, der sich bei den hohen Tieren der Regierung einschmeicheln will und mehr durch Gefälligkeiten und Kriecherei Karriere macht als durch magisches Talent. Das wird dem Jungen spätestens klar, als ein besonders fieser hochrangiger Besucher sich über ihn lustig macht. Blind vor Wut und Enttäuschung will er sich rächen, beschwört ein paar nervige Kleinstdämonen, doch die sind keine Gegner für den fiesen Magier. Der wiederum ist extrem sauer und fährt mit dem Kind Schlitten, während sein Meister zuschaut. Nun ist der Hass in dem Zauberlehrling geboren und der Racheplan steht schnell fest. Doch dazu braucht es einen etwas mächtigeren Dämon. Flugs macht Nathanael sich daran und beschwört den Dschinn Bartimäus.

Bartimäus hätte natürlich vieles lieber getan als einem rotznäsigen Lümmel von Zauberlehrling zu Diensten zu sein. Mit allen Mitteln versucht er sich der Beschwörung zu erwehren, doch zwecklos. Er muss gehorchen. Dabei ist die Aufgabe alles andere als einfach. Doch Bartimäus ist zwar nicht der mächtigste Dämon, dafür einer der listigsten. Und so gelingt es ihm auch, den Plan des Jungen auszuführen. Aber wenn der Dämon glaubt, damit hätte es sich auch, dann irrt er sich. Denn ohne es zu wissen, hat sein Beschwörer einen Plan der finstersten Sorte aufgedeckt und die mächtigen Magier, die dahinter stehen, sind ziemlich sauer. Und so stecken Bartimäus und Nathanael in echten Schwierigkeiten.

Der Roman gehört zu einer kleinen Reihe von Büchern, die als Debüt des Schriftstellers Jonathan Stroud in den Staaten Furore gemacht haben. Bereits kurz nach dem Erscheinen wurde das erste Buch für 20 Länder lizenziert. Dabei ist jedoch die Nähe zu einer anderen Erfolgsserie wohl eher von Bedeutung als eine ungeheure schriftstellerische Leistung, die ich hier nur bedingt feststellen kann.

Üblicherweise verzichtet ein Kritiker auf einen Vergleich. Doch da der Vertrieb des Buches sich daran orientiert und zugleich eine Menge tatsächlicher Parallelen existieren, muss man den Roman in Bezug zu der Reihe „Harry Potter“ sehen. Vertrieblich ist „Bartimäus“ sicherlich das Buch, welches überhaupt als Nachfolger des Fantasy-Jugend-Bestsellers gesehen werden kann. Wir haben England als Lokation, einen jungen Zauberlehrling und fiese Magier als Gegner. Das war es allerdings auch. Einem Vertrieb mag das reichen, doch einem Kritiker nicht.

„Bartimäus“ ist ein rundum eigenständiges Buch, das nicht nur besser geschrieben, sondern auch tiefgehender als der erste |Harry Potter|-Band ist. In dem Buch findet man alles, was ein spannendes Werk ausmacht und zudem noch eine Menge Gesellschaftskritik und Nachdenkenswertes. Der Autor nutzt die Außensicht des Dämons auf die Welt der Menschen, um kritisches Gedankengut zu verbreiten. Während die „Muggles“ bei Roawling als Menschen zweiter Klasse liebevoll akzeptiert werden, bricht der Dämon Bartimäus eine Lanze für die magisch Unbegabten. Nathanael argumentiert wie ein kleiner Rassist für das faschistische Regime der Magier über die Menschheit. Durchgehend schildert der Roman aus zwei abwechselnden Perspektiven nicht nur das Abenteuer, sondern auch die alternative Welt. So wird dem Leser nicht nur die Sicht des überzeugten Zauberlehrlings beigebracht, man erhält zusätzlich noch die fast wortwörtliche Vogelperspektive des Dämons.

Faszinierend ist dabei noch der schriftstellerische Kniff, in zwei unterschiedlichen Zeitebenen zu beginnen, die sich passend zum Spannungshöhepunkt treffen. Ab dieser Eskalationsstufe nimmt der Roman dermaßen an Fahrt auf, dass ein Weglegen des Buches zur Qual wird.

„Bartimäus“ ist sicherlich kein literarisch wertvolles Vollkornbrötchen, sondern eher ein luftig leichtes Weißbrot; schnell konsumiert mit mangelndem Sättigungsgefühl. Dementsprechend bekommt man Hunger nach mehr und glücklicherweise liefern Autor und Verlag noch weiteres Lesefutter. Wer sich nicht vor der Sucht nach spannenden Büchern fürchtet, der sollte hier zugreifen.

_Jens Peter Kleinau (jpk)_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht, dem großen deutschsprachigen Onlinemagazin für Fantasy, Science-Fiction, Horror und Rollenspiele.|

Nigel Marven & Jasper James – Monster der Tiefe. Im Reich der Urzeit

Eine Zeitreise in sieben Etappen führt einen wagemutigen Tierfilmer in die Meere der irdischen Vergangenheit. Im Auftrag des Lesers taucht Nigel Marven in geheimnisvolle Tiefen, um deren gewaltige Bewohner aufzuspüren. Im Ordovizium (vor 450 Mio. Jahren) treffen wir auf Seeskorpione und Monumental-Tintenfische in schultütenspitzen Schutzschalen, im Devon (vor 360 Mio. Jahren) auf einen Albträume verursachenden, brechscherenkiefrigen Knochenpanzerfisch. In der Trias (vor 230 Mio. Jahren) erobern die Dinosaurier die Ozeane, im Jura (vor 155 Mio. Jahren) beherrschen sie diese, in der Kreide (vor 75 Mio. Jahren) verwandelt eine Flut bizarrer Riesensaurier die Weltmeere in das Aquarium des Teufels. Im Eozän (vor 36 Mio. Jahren) haben ebenfalls nicht handzahme Säugetiere diesen Lebensraum übernommen, aber im Pliozän (vor 4 Mio. Jahren) lehrt sie ein omnibusgroßer Haifisch das Fürchten.

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Felten, Monika – Elfenfeuer

„Deutscher Phantastik-Preis“, ruft der helle Aufkleber auf schwarz-weißem Cover-Hintergrund (eine alte Burg, von Dunkel umhüllt). Deutscher Phantastik-Preis? Von wem vergeben? Da schweigt des Covers Höflichkeit … Nun ja – Preis, immerhin. Also lesen wir es doch mal.

Prolog: Die Nebelelfe Shari beobachtet, wie in der Finstermark, dem unwirtlichen Gebiet nördlich des Reiches Thale, Truppen zusammengezogen werden. Es ist der übliche Dunkle Herrscher, diesmal heißt er An-Rukhbar, und natürlich will er Thale erobern. Leider kann Shari die Elfen, Menschen und Druiden nicht mehr warnen …

Erstes Buch, viele Jahre später: Erzählt wird die Geschichte des Mädchens Ilahja, die in Zusammenhang steht mit der Prophezeiung des letzten Druiden von Thale, Anthork. Der sagte An-Rukhbar voraus, dass einst beim Schein der Zwillingsmonde ein Kind geboren werde, das ihn stürzen würde. An-Rukhbars Magie macht seitdem – eigentlich – alle Frauen unfruchtbar, aber hin und wieder eben doch nicht so ganz. Ilahja, die als Kind von einer geheimnisvollen Unbekannten vor dem Tod gerettet wurde, wird natürlich die Mutter dieses Kindes sein, und natürlich verhindern alle Machenschaften des Obersten Kriegsherren Tarek und des Meistermagiers Asco-Bahrran nicht, dass es zur Welt kommt. Zumal die Herren immer nach einem Sohn suchen lassen. Pech – diesmal darf ein Mädchen die Welt retten.

Zweites Buch: Das Mädchen heißt Sunnivah, wuchs bei den letzten Priesterinnen der Gütigen Göttin auf und wird nun geweiht. Ach ja: Die Gütige Göttin wurde von An-Rukhbar in ein magisches Gefängnis gesperrt, und er hat auch ihren Stab der Weisheit geraubt, ohne den sie fast machtlos ist. Sunnivah muss also den Stab zurückgewinnen und die Göttin befreien. Ihre Aufgabe darf sie gemeinsam mit Naemy, einer der letzten Nebelelfen, mit der Kriegerin Fayola und Vhait, dem Sohn des Obersten Kriegsherren, lösen (Vhait hat sich von seinem Vater losgesagt, als ihm klar wurde, wie grausam dieser ist).

Drittes Buch: Showdown. Rebellenarmeen, dämonische Halbwesen, Schlacht um Nimrod, Sunnivahs Aufstieg zum Himmelsturm; nur dort kann der Stab zurückgegeben werden (der Berg – ein beliebtes Symbol in der Fantasy …).

Zusammengefasst: nichts wirklich Neues. Doch das lässt sich gegen die meisten anderen Fantasy-Romane auch einwenden. Hell und Dunkel, Queste, Reifen des Helden/der Heldin, Prüfungen, Qualen, Kämpfe, Sieg. Aber warum liest man Romane wie „Der Engelsturm“ (Williams), „Grüner Reiter“ (Kirsten Britain) oder „Bannsänger“ (ADF) mit angehaltenem Atem und ohne sie wegzulegen – obwohl sie doch genauso vorhersehbar sind? Und warum weckt ein Roman, der immerhin den „Deutschen Phantastik-Preis“ erhielt, diese Anteilnahme nicht? Monika Felten erzählt einfach zu glatt (und manchmal, wie am Ende des dritten Buches oder im Epilog, hart an der Fürstenroman-Grenze). Richtig gefährlich wird es nie und somit auch nicht richtig spannend. Doch das ist es nicht allein – auch die Charaktere bleiben blass, sind „die üblichen Verdächtigen“; ich konnte nicht mit ihnen fühlen. Konflikte werden ebenso schnell gelöst, wie sie herbeigeführt werden; innere Kämpfe finden selten statt, und wenn ja, dann glaubt man sie kaum. Fantasy für Brave: Gib dir nur Mühe, dann klappt s auch. Ereignis auf Ereignis, Hürde auf Hürde, aber nichts davon vermag wirklich Angst um die Helden zu machen; und eine graue Wölfin sowie ein legendärer Riesenvogel sorgen dafür, dass sich auch die letzten Gefahren in Nichts auflösen. Kein Vergleich zu Szenen wie der am Rande der Schicksalsklüfte, als Frodo den Ring nicht hineinwerfen will – und die Welt praktisch am Ende ist. Auch nicht zu jener, in der die Helden auf dem Engelsturm stehen und begreifen, dass die Prophezeiung von den drei Schwertern sie die ganze Zeit in die Irre geführt hat. Da kann noch alles passieren, ist alles offen (auch hier weiß man ja, dass es gut ausgehen wird, aber wie bloß??). Doch wenn die dämonischen Cha-Gurrline über Feltens Gefährten herfallen, ist klar, dass die Wölfin und/oder der Vogel es schon richten werden – von vornherein …

Um nicht missverstanden zu werden: Es handelt sich bei diesem Buch um flüssig erzählte, handwerklich saubere Fantasy, die man sich durchaus auf einer Bahnfahrt zum Zeitvertreib gönnen kann. Und es gibt Dutzende Bücher, auch aus dem anglophonen Raum, die langweiliger oder schlechter erzählt oder beides sind. Insofern kann man für „Elfenfeuer“ das Prädikat „Akzeptabler Durchschnitt“ vergeben. Bloß: Dieses Buch hat den „Deutschen Phantastik-Preis“ bekommen. Was eine Frage und/oder eine Vermutung offen lässt. Die Frage: Ist bei der Preisvergabe alles richtig gelaufen – hat die Jury alle relevanten Bücher gelesen? Die Vermutung: arme deutsche Fantasy …

_Peter Schünemann_ © 2003
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/

de Camp, Lyon Sprague – H. P. Lovecraft – Eine Biographie

Was lange währt, wird gut? Auf die ungekürzte Ausgabe der Lovecraft-Biographie mussten die deutschen Leser über 27 Jahre warten; 1975 schon hatte Lyon Sprague de Camp sie verfasst. Dem Wissbegierigen blieb nur, sich mit „Der Einsiedler von Providence – Lovecrafts ungewöhnliches Leben“ zu begnügen, einer Sammlung von Essays und Erinnerungen, die 1992 bei |Suhrkamp| erschien; und irgendwann, laut Boris Koch in „Mephisto 22“, erschien auch eine stark gekürzte Taschenbuchausgabe der Biographie. Nun aber liegt uns das vollständige Werk vor, ein 640-Seiten-Monument ohne Bilder (dafür mit vielen Fußnoten).

Eigentlich, so der Autor im Vorwort, wollte August Derleth dieses Buch schreiben – doch er starb, bevor er es in Angriff nehmen konnte. Also machte sich LSdC, der schon Artikel über Lovecraft und dessen Kollegen veröffentlicht hatte, an diese Aufgabe. Das erscheint einem legitimiert, da Sprague de Camp seit Jahren die |Conan|-Serie Robert E. Howards weiterschreibt, zum Teil nach dessen Entwürfen; Howard aber war ein enger Brieffreund Lovecrafts und zählte mit diesem und Clark Ashton Smith zu den „drei Musketieren des |Weird Tales|“, des Pulp-Magazins, ohne das wir vieles nicht hätten, wohl auch Lovecraft nicht. Kurios ist aber, dass de Camp bei intensiven genealogischen Nachforschungen tatsächlich auf seine entfernte Verwandtschaft mit HPL stieß (etwa so, wie Bilbo mit Pippin verwandt ist, glaube ich).

Doch kann man dem Autor auch zustimmen, wenn er meint, für diese Aufgabe vielleicht sogar besser geeignet zu sein: „Wo Derleth Lovecraft fast bis zur Vergötterung bewunderte, hatte ich das Gefühl, mich dem Thema objektiver nähern zu können.“ Richtig? Jedenfalls erweist sich de Camps Blick als ebenso anerkennend wie kritisch. Er würdigt sehr wohl Lovecrafts Leistungen als Erfinder guter Geschichten, als Schöpfer des |Cthulhu|-Mythos oder als Inspirator anderer; er sieht aber auch seine Schwächen auf literarischem Gebiet, allen voran die berüchtigte „Adjektivitis“. Der Leser findet im Buch kurze Inhaltsangaben zu den meisten Geschichten (ohne dass immer der Schluss verraten wird) und eine Bewertung der Texte, die oft herausfordert. Auch mit dem Schöpfer der Texte geht Sprague de Camp ins Gericht, er lässt weder Lovecrafts Unwillen (und Unfähigkeit?) aus, sich in der Erwerbswelt durchzusetzen, noch seine rassistischen Tiraden (die mitunter Hitler oder Goebbels alle Unehre machen). Andererseits betont er aber auch HPLs persönliche Konzilianz und Großzügigkeit sowie seine enorme autodidaktische Bildung und Vielseitigkeit. Er geht den Wurzeln in Kindheit und Erziehung nach, die einen Menschen von 25 sich als „alt“ und „Großvater“ bezeichnen ließen, und er verzweifelt beinahe über Lovecrafts „Talent“, sich nicht zu vermarkten. (Hier kann übrigens der angehende oder es sein wollende Schriftsteller einiges aus der Erfahrung des Profis mitnehmen, der sich seinen Rang – und sein Auskommen! – hart erkämpfen musste; man multipliziere die Schwierigkeiten aber, denn man lebt in Deutschland.)

Vieles wird präzise aufgelistet; wir erfahren ganze Tagesabläufe, Reiserouten, Einnahmen-Ausgaben-Bilanzen und dergleichen mehr. Es entsteht das Bild eines „Gentleman“, der nach dem Ideal des vermögenden vielseitigen Dilettanten lebte, ohne aber Vermögen zu haben; der sich (zu) lange an einer auf immer entschwundenen Vergangenheit und ihren Traditionen wie Vorurteilen orientierte; der nicht bereit war, von seinen Überzeugungen abzurücken. Hier trifft Sprague de Camp gut den Ton zwischen Unverständnis und Anerkennung; weder bejaht er vehement Lovecrafts hartnäckigen Widerstand gegen den Kommerz, noch lehnt er ihn rigoros ab. Ebenso steht es mit der Beurteilung des exzessiven Briefschreibers und Amateurjournalisten HPL; die enorme Leistung wird anerkannt, aber immer wieder kommentiert mit einem „Hätte er in dieser Zeit lieber Geschichten geschrieben …!“

So ist diese Biographie ein sehr persönliches Buch, das sich (so weit möglich) um Objektivität bemüht. Es macht Lovecraft und viele Personen seiner Umgebung lebendig, zeigt Zeitumstände, Widrigkeiten und Erfolge, ist farbig und engagiert verfasst, liest sich von Anfang bis Ende flüssig, lässt keine Langeweile aufkommen. Sein einziger Makel: sein Alter; in fast dreißig Jahren, sollte man meinen, hat die Forschung sich weiterbewegt, so dass Zeit für eine neue Betrachtung wäre. Hat sie noch niemand geschrieben? Wenn doch, wäre eine weitere Veröffentlichung wünschenswert. Aber vielleicht hat es noch keiner gewagt, sich mit Lyon Sprague de Camps Buch zu messen; das wäre alles andere als ein leichtes Geschäft.

_Peter Schünemann_ © 2003
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung durch [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/

Suzuki, Kôji – Ring III – Loop

Die Welt irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft: Das ringförmige MHCV-Virus löst den Erreger der AIDS-Pest als unheilbaren Massenkiller Nr. 1 ab. Vor allem in Nordamerika und Japan erkranken die Menschen an einer neuen Sorte Krebs, der sich trotz fortgeschrittener Heilungsmethoden nicht stoppen lässt.

Auch die Eltern des Medizinstudenten Kaoru Futami aus Tokio sind betroffen. Der erst 20- Jährige sucht verzweifelt nach Rettung. Eine Reihe mysteriöser Zufälle führt ihn auf die Spur des bizarren „Loop“-Projekts. Fast vier Jahrzehnte zuvor hatten Forscher in den Vereinigten Staaten und Japan mehr als 1,2 Millionen Computer zusammengeschaltet, um eine Simulation künstlichen Lebens zu erschaffen. Das Experiment glückte zunächst und schuf eine Welt, die zum Spiegelbild der Realität wurde. Bevölkert wurde der „Loop“ schließlich von „Menschen“, die nie ahnten, dass sie nur im Inneren einer digitalen Matrix existierten.

Das „Loop“-Projekt scheiterte, als eine virtuelle Epidemie ihre Bewohner befiel und aussterben ließ. Das Grauen trug die Gestalt einer jungen Frau namens Sadako Yamamura, die es mit Hilfe eines trickreich verseuchten Videobandes in die künstliche Welt brachte. Schließlich bestand der „Loop“ nur noch aus Yamamura-Kopien und starb schließlich aus. Das Projekt wurde abgebrochen, sein Schöpfer, der Amerikaner Christopher Eliott, zog sich in die wissenschaftliche Emigration zurück.

Doch ist der „Loop“ wirklich „tot“? Kaoru kommt der schreckliche Verdacht, dass der „Ring“-Virus gar nicht Ergebnis einer natürlichen Mutation ist, sondern ursprünglich aus dem „Loop“ kam. Wenn dem so ist, müssten sich in den Unterlagen des Projekts Hinweise auf seine Bekämpfung finden lassen. Kaoru macht sich deshalb auf in die USA. In der Wüste New Mexicos stößt er auf das, was er gesucht hat. Allerdings ist die Wahrheit hinter dem „Loop“-Mirakel ist weitaus grotesker als der gesunde Menschenverstand es sich träumen ließe – und Kaoru entpuppt sich als Schlüssel zur einzigen Hoffnung für die Menschheit, die in einer bizarren Verschmelzung zwischen Realität und Simulation liegt …

Erfolge in Serie – seien sie geschrieben oder verfilmt – unterliegen wie die Protagonisten unserer Geschichte einem Fluch: Sie verlieren an Wirkung und schwächen sich zur Routine ab. Auch [„Ring II – Spiral“ 251 bestätigte diese alte Binsenweisheit aufs Bedauerlichste. Das drosselt die Erwartungen, die sich an eine weitere Fortsetzung knüpfen.

Überraschung: „Ring III – Loop“ ist ein sauber geplotteter und flott geschriebener Lesespaß, der den allzu routinierten Vorgänger glatt vergessen lässt. Tatsächlich ist der dritte (und bisher letzte) Roman der „Ring“-Reihe womöglich der beste. Dafür gibt es mehrere Gründe.

So gefällt vor allem Suzukis Bereitschaft, sich von den Wurzeln seiner Saga zu lösen. [„Ring“ 170 begann als Gruselgeschichte um eine ermordete, von den Toten rächend auferstehende Geisterfrau, die sich der (zum Zeitpunkt ihres Erscheinens) modernen Technik bediente, um Schrecken und Tod über ihre Opfer zu bringen. Später löste Science-Fiction den Horror ab: Sadako Yamamura „outete“ sich als personifizierte Inkarnation eines intelligent gewordenen Virus‘, der sich die Menschenwelt untertan machen wollte.

Dies lesen und sich fragen, wie es jetzt noch weitergehen könnte, lag nahe. Verfasser Suzuki ließ sich vier Jahre Zeit. Ihm gelang es in der Tat, eine logische Fortsetzung für seine Geschichte zu finden. Das muss freilich an dieser Stelle betont werden, denn inzwischen ist Suzuki ein Opfer der Zeit geworden: „Loop“ scheint die Imitation der Hollywood-Blockbuster-Trilogie „Matrix“ zu sein, so zahlreich sind die inhaltlichen Parallelen. Tatsächlich ist es höchstens umgekehrt, denn „Ring III“ war früher da. Offenbar haben sich eher die Wachowski-Brüder „inspirieren“ lassen …

Wobei die Idee der simulierten zweiten Realität ohnehin ein alter Hut der Science-Fiction ist. Daniel F. Galouye hat mit „Simulacron-3“ (dt. „Welt am Draht“/“Simulacron-Drei“) 1964 sicherlich den (verfilmten) Klassiker geschaffen. Der von der Kritik verehrte Philip K. Dick hat diese Idee gleich mehrfach kongenial durchgespielt, vielleicht am effektvollsten 1969 mit [„Ubik“ 652 (dt. „Ubik“).

Auch Suzuki hat also das Rad nicht erfunden, aber er weiß es im Rahmen seiner Möglichkeiten geschickt rollen zu lassen. Selbstverständlich könnte man mäkeln – über den allzu kunstlosen Erzählstil, die nur scheinbar dreidimensionalen Figuren, über die unnötige Reise nach USA, die vollständige Entzauberung des Yamamura-Mythos … Doch was ist die „Ring“-Saga eigentlich? Doch „nur“ Unterhaltungs-Handwerk, eine spannende Geschichte, die hier mutig ein neue Wendung nimmt und nicht nur ihre gelungene Fortsetzung, sondern auch eine zufriedenstellende Auflösung erfährt.

Dass „Ring III“ in der Zukunft spielt, wird übrigens nur am Rande deutlich. Science-Fiction kommt höchstens ins Spiel, wenn Suzuki (halbwegs) glaubhaft Technobabbel kreiert, wo virtuelle Welten oder Klone geschaffen werden. Politisch und gesellschaftlich hat sich sonst offenbar auf der Erde nichts Gravierendes getan.

Es klang bereits an: Von liebgewonnenen Figuren der „Ring“-Folgen 1 und 2 müssen wir uns verabschieden. Ein Trostpflaster schenkt uns der Verfasser jedoch: Der allzu neugierige Journalist Asakawa, die böse Sadako Yamamura sowie der zynische Ryuji Takayami tauchen in einer ausführlichen Rückblende auf, die (da war Suzuki im zweiten Teil wesentlich ungeschickter) nicht einfach eine Nacherzählung der Vorgeschichte ist, sondern diese gleichzeitig des besseren Verständnisses wegen und zur Erinnerung erzählt und gleichzeitig in ihren neuen, veränderten Handlungsrahmen stellt.

Ansonsten treffen wir – nicht ohne Grund, wie wir schließlich erfahren – in der Person des Kaoru Futami die typische „Ring“-Hauptfigur wieder: Der junge Mann ist eigentlich nur neugierig (bzw. in diesem Fall wissbegierig), ein Jedermann, der eher zufällig in das bedrohliche Geschehen verwickelt wird und dabei mächtig einstecken muss. Eine unglückliche Liebesgeschichte gehört ebenfalls zum Plot, während es dieses Mal keinen guten Freund an der Seite des Helden gibt.

Die japanische Welt ist dem westlichen Leser in „Ring III“ nur mehr bedingt fremd. Suzuki hat seine Geschichte „globalisiert“, lässt sie auf vielen Seiten sogar in den USA spielen. Nur noch selten finden sich die interessanten Eigenheiten der japanischen Gesellschaft. Weiterhin Unzufriedenheit dürfte bei den weiblichen Lesern die traditionelle asiatische „Unterwürfigkeit“ der auftretenden Frauen hervorrufen.

Christopher Eliott zieht als ebenso weiser wie undurchsichtiger „Gottvater“ aus dem Hintergrund die Fäden. Wie er seinen „Sohn“ zur Rettung der Welt schickt, weist durchaus Parallelen zur biblischen Geschichte auf, was zweifellos beabsichtigt ist und immer noch dazu taugt, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen und der Kritik Vielschichtigkeit vorzugaukeln.

Suzuki Kôji wird uns auf dem Cover inzwischen nicht mehr als „Japans Antwort auf Stephen King“ verkauft, sondern hat es zu „Japans Bestsellerautor #1“ gebracht; praktisch, wenn ein Land so weit entfernt und fremdartig ist, dass sich solche Behauptungen kaum überprüfen lassen … So enthusiastisch dröhnt jedenfalls die Werbung, die stets auf der Suche nach einer Schublade für neue, kommerziell noch unerprobte Talente ist.

Ob Kôji im Land der aufgehenden Sonne tatsächlich den zugewiesenen Ruhm genießt, müssen wir glauben oder nicht. Was wir wissen: Bis 1991 kannten auch die Japaner Kôji nicht. Der 1957 geborene Schriftsteller rackerte da noch redlich um Lohn, Brot und Ruhm; für die ersten beiden musste für einige Jahre seine Ehefrau, eine Lehrerin, sorgen. Als Absolvent der Keio University in Tokio hatte Kôji 1990 einen (japanischen) „Fantasy Novel Award“ für seinen Roman „Rakuen“ gewonnen, aber erst „Ring“ gab ab 1991 seiner dahindümpelnden Karriere den ersehnten Schub. Aus dem Geheimtipp wurde Gruselvolkes Eigentum, als Regisseur Hideo Nakata 1998 diesen Roman verfilmte. Trotz vieler Änderungen wurde „Ring“ zum internationalen Erfolg, der selbstverständlich mehrfach fortgesetzt wurde sowie die übliche verwässerte Hollywood-Interpretation erfuhr.

Wen es drängt, sich tiefer in das „Ring“-Universum ziehen zu lassen, sei auf die zahlreichen einschlägigen Websites verwiesen. Ihrem Rezensenten gefiel am besten http://ringworld.somrux.com – außerordentlich ausführlich und wunderbar gestaltet. Hier kann man sich wirklich verlieren.

Ruth Rendell – Dunkle Wasser

Das geschieht:

Kingsmarkham ist eine Kleinstadt in der britischen Grafschaft Sussex. In diesem Spätherbst haben sintflutartige Regenfälle den Kingsbrook und die anderen Flüsse über die Ufer treten lassen. Ganze Landstriche versinken in den Fluten, ein Ende der Wolkenbrüche ist nicht abzusehen. Auch dem Haus von Chief Inspector Reginald Wexford droht die Überflutung. Der Kriminalist ist daher abgelenkt, als dem Dezernat für Kapitalverbrechen ein seltsames Vorkommnis gemeldet wird: Die Geschwister Giles (15) und Sophie (13) Dade sind verschwunden. Ebenfalls vermisst wird Joanne Troy, eine Freundin der Familie, die ein Auge auf sie halten sollte.

Während Vater Roger, ein strenger und humorloser Mann, das Verschwinden seiner Kinder vor allem als Ärgernis zu betrachten scheint, verfällt Mutter Katrina der Hysterie und vermutet Sohn und Tochter irgendwo ertrunken in den Hochwasserfluten. Ein bei der Suche angeschwemmtes Shirt von Sophie könnte dies bestätigen, aber Wexford glaubt eher an eine Entführung. Ruth Rendell – Dunkle Wasser weiterlesen

Matute, Ana María – vergessene König Gudú, Der

Dicke Fantasy-Romane fordern wohl geradezu schicksalhaft den Vergleich mit dem Werk eines gewissen J. R. R. Tolkien heraus. (Dünne übrigens auch. Aber dicke eher.) So konnte es nicht ausbleiben, dass Ana María Matutes 590-Seiten-Buch das x-hundertste „Tritt-das-Erbe-an“-Prädikat bekam. Fairerweise muss hinzugefügt werden: nicht vom Verlag selbst. Die Leute, die das Buch herausbrachten, scheinen wohl gewusst zu haben, dass hier etwas doch sehr von Tolkien Verschiedenes ans Licht gelangt ist. Aber wer einmal unter amazon.de nachschaut, der wird finden, dass sowohl Redaktion als auch Leser den berühmt-berüchtigten Vergleich bemühen, der in diesem Fall so fehlgeht wie nur irgend möglich. Denn schon ein Anlesen der ersten Seiten verrät, dass Matutes Diktion, Aufbau der Geschichte und Absicht sich deutlich von denen Tolkiens im „Herr der Ringe“ unterscheiden. Was kein Tadel sein soll; aber man kann Wein und Bier, Erdbeeren und Tomaten nun einmal nur im Allgemeinen miteinander gleichsetzen. Das Allgemeine heißt hier: Fantasy. Heißt also: große Themen mit den Augen des Träumers und des Kindes betrachten und ein wunderbares „Was-wäre-wenn“-Spiel spielen. Liebe und Tod, Treue und Verrat, Gut und Böse sind natürlich Motive, die seit dem Gilgamesch-Epos überall und immer wiederkehren; der Fantasy-Schreiber aber hat seine besondere, verfremdende Sicht auf diese Alltagsdinge.

Zur Geschichte Gudús: Sie geht so bald noch nicht richtig los. Geboren wird der Kleine auf S. 219; auf S. 256 wird er durch einen Zufall – eine Fügung des Schicksals? – zum König des Reiches von Olar. Der sterbende König Volodius liebt ihn nicht sonderlich, ebenso wenig wie seine Mutter, Königin Ardid – die einem unterworfenen Volk entstammt und Volodius nur geheiratet hat, um Rache nehmen zu können; da war sie erst sieben Jahre alt. Doch auch diese Hochzeit findet recht spät statt; zuvor muss man noch weitere Herrscher und Geschichte(n) Olars kennenlernen. Die Meinungen hierüber mögen geteilt sein: Wer an halb legendenhaften, halb historischen Erzählungen seinen Spaß hat, wird jede Seite genießen, wer allerdings eine stringente Handlung mit |action| erwartet, wird diesen Teil wohl überblättern. Ana María Matute, meine ich, hat diesen langen Anlauf nicht umsonst gewählt; es geht ihr darum zu zeigen, wie die Biographie eines Menschen schon durch die Biographien seiner Vorfahren geformt wird, und es geht ihr um die Verbindung von Geschichte und Menschenschicksalen. So haben wir es hier mit einem Werk zu tun, das sich eher mit den Gesta Danorum des Saxo Grammatikus vergleichen lässt, jener bis in die mythische Vorzeit zurückgreifenden Geschichte der dänischen Herrscher. Vor allem das Thema des Strebens nach unumschränkter Macht prägt das Buch – Volodius ist ein Machtmensch, Gudú will zum Herrscher der gesamten bekannten Welt werden. Und der einzige gute Prinz, Nobel (die redenden Namen stören ein wenig), erleidet das Schicksal aller, die nicht um Macht, sondern um Liebe bemüht sind – er stirbt. Mit seinem Tod endet dieses Buch, das ja eigentlich nur ein erster Teil ist. Gudú, auf der Höhe seiner Macht, hat sich an Prinzessin Naivia gerächt, die ihn zurückwies, und hat auch seiner klugen, machtbewussten Mutter gezeigt, wer hier der Herr im Hause ist. Den Opfern bleibt nur der Rückzug in eine Märchenwelt, in das Land der Phantasie jenseits des Todes.

Insgesamt lässt sich sagen, dass dieses Buch weit mehr Märchenmotive aufweist als die meisten anderen Fantasy-Bücher. Darin unterscheidet es sich auch von Tolkiens Werk, das episch-legendär geprägt ist. „Der vergessene König Gudú“ hat seinen eigenen Reiz (der sich freilich nicht jedem und manchem recht spät erschließen mag). Vergleiche bringen da wenig, sie wecken nur Erwartungshaltungen, die dann enttäuscht werden könnten; dieses Buch ist sehr besonders. Ana María Matutes Neigung zur starken Verfremdung der Realität und zum Aufbau einer Traumwelt, die mir schon bei ihren Kurzgeschichten („Seltsame Kinder“, Insel-Verlag Leipzig 1979) gefallen hat, kommt hier häufig zum Tragen und macht das Lesen zu einem Erlebnis eigener Art.

_Peter Schünemann_ © 2003
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung durch [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/

Klaas, Peter – Vogelspinnen

Bevor man mit der Aufnahme von irgendwelchen Hausgenossen beginnt, sollte man sich gut informieren. Da ist das Wälzen eines oder mehrerer Sachbücher natürlich immer empfehlenswert. Gerade für Vogelspinnen gilt das besonders, denn über kaum ein anderes Tier kursieren so viele Schauermärchen, Halbwahrheiten und blanker Unfug. Doch auch wer Vorurteile oder Ängste abbauen und seine eventuell vorhandenen Bildungslücken über die faszinierenden Achtbeiner zu schließen gedenkt, kommt um Literatur nicht herum. Das Problem: Obwohl Vogelspinnen schon recht lange bekannt sind und die ersten Arten im Ausklang des 19. Jahrhunderts ausführlicher erforscht und beschrieben wurden, ist dieser Wissenschaftszweig, was die korrekte Katalogisierung und Genealogie angeht, noch recht jung und befindet sich auch heute noch im konstanten Fluss. Seit 1989 versucht Peter Klaas ein wenig Ordnung ins Chaos zu bringen.

Selbst unter Züchtern und Betreibern von Zoogeschäften herrscht immer noch teilweise Uneinigkeit, was die korrekte Haltung und Pflege von Spinnen generell angeht, von selteneren Arten mal ganz zu schweigen. Jeder hat da – wie so oft – seine Meinungen und Ansichten. Es werden immer noch bislang unbekannte Vogelspinnen entdeckt. Zudem ändert sich die Rassenzuordnung und die Einsortierung vermeintlich unlängst bekannt geglaubter Arten weiterhin, da sich die bisherigen (nicht nur aber hauptsächlich) partiell als falsch herausstellten. Damit hat sich Klaas nicht nur Freunde in der Szene gemacht, einige werfen ihm Regelungswut und Profilierungssucht vor. Inwieweit solche oft recht unsachlich geäußerten Vorwürfe gerechtfertigt sind, vermag ich nicht zu beurteilen – da schwingt aber sicher eine gute Portion Neid mit.

_Der Autor_
Peter Klaas ist Leiter des Insektariums des Kölner Zoos und beschäftigt sich seit Jahren ausführlich mit den Vertretern der Gattung Theraphosinae, den Vogelspinnen. Er pflegt und züchtet sie auch privat und bereist immer wieder die Herkunftsländer, um die Tiere in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten. Ihm gelingen dabei einige sehr beachtenswerte Entdeckungen. 1989 erscheint sein viel beachtetes Erstlingswerk „Vogelspinnen im Terrarium“, wo er einige der bis dato herrschenden Falschinformationen ausräumt und somit auch gleichzeitig den Grundstein für die private Spinnenhaltung hierzulande legt. Er gilt als Pionier auf dem Gebiet. Vor dieser Zeit ist die Pflege von Vogelspinnen außerhalb von Zoos allenfalls ein Thema für exzentrische Sonderlinge – wenn überhaupt. Klaas ist immer mal wieder zu Gast auf Symposien und Conventions, wo er Vorträge über Spinnen und ihre Lebensräume hält, welche er des Öfteren bereist.

_Das Buch_
Beide bislang erschienen Bücher gelten als Standardwerke der Thematik und sind im |Eugen Ulmer|-Verlag als A4-Hardcover mit Hochglanzseiten erschienen. Sein derzeit neuestes Werk beschäftigt sich zu Beginn mit Körperbau, Herkunft, Pflege und Zucht von Vogelspinnen im Allgemeinen. Dieser Part richtet sich vornehmlich an Einsteiger in die Materie, bietet aber auch dem vorgebildeten Leser hier und da ein paar interessante Fakten und Kniffe. Der Schreibstil ist nicht wissenschaftlich hoch gestelzt, gut verständlich, kommt aber insgesamt recht trocken rüber. Sicherlich kein Buch, das man aus lauter Vergnügen mal liest, sondern eher zur Hand nimmt, wenn man etwas nachschlagen will – wirkliches Interesse ist also zwingend Grundvoraussetzung, Vorkenntnisse hingegen nicht. Nach der Lektüre dieses Teils weiß man schon prinzipiell alles, was man so wissen sollte, wenn man sich mit den Tieren beschäftigen oder sie gar pflegen/züchten möchte.

In der zweiten Hälfte stellt Klaas einige ausgesuchte Arten im Detail vor, die in seinem Erstling von 1989 entweder noch fast unbekannt oder zuvor inkorrekt bezeichnet/einsortiert waren. Hier werden die Tipps und Informationen zu den Arten schon etwas spezieller, oft finden sich auch schöne Fotos – zum Teil – aus freier Wildbahn daneben, wodurch man sich dann auch ein Bild von dem entsprechenden Tier machen kann. Die Betonung liegt hier eindeutig auf „einige“, denn so besonders üppig fällt der Arten-Teil, was die darin besprochenen Spinnen angeht, nicht gerade aus. Auch sind längst nicht alle Arten einer Rasse verzeichnet, sondern nur ausgewählte. Informationen zur Haltung und eventuell – falls überhaupt angegeben – Eignung für Anfänger oder über den Charakter finden sich nicht tabellarisch, sondern müssen aus dem Volltext entnommen werden. Das finde ich persönlich etwas unpraktisch und hätte in Form eines (kleinen) Steckbriefs für jedes Tier für mehr Übersicht auch (und gerade) unter interessierten Anfängern gesorgt.

Apropos Übersicht: Da Klaas (und Schmidt) für eine Vielzahl von Umbenennungen in letzter Zeit verantwortlich sind, ist es aber lobenswert, dass die alten Synonyme und Handelsbezeichnungen bei den aufgeführten Arten ebenfalls genannt werden, ansonsten würde heilloses Durcheinander zwischen alter und neuer Ordnung entstehen, denn vielerorts (hauptsächlich im Ausland, doch auch hierzulande) werden häufig noch die alten Bezeichnungen verwendet. Verwirrend genug, dass mehrmals bei einigen Arten auf Klaas‘ erstes Buch verwiesen wird, wo zum Teil noch die alten Namen verwendet werden. Die alphabetische Sortierung von A(scanthoscurria) bis X(enestis) ist in Ordnung – jedenfalls solange man weiß, wie die gesuchte Spinne wissenschaftlich heißt. Wem nur der Handelsname bekannt ist, der hat ein kleines Problem mit dem Finden. Es ist dafür aber sehr hilfreich, dass neben dem Namen auch die Herleitung des selbigen – meist aus dem Lateinischen oder Griechischen entlehnt – aufgeschlüsselt wird. So wird schon mal klar, warum eine Spinne mit ihrem wissenschaftlichen Namen eben genau so heißt.

Nun erhebt das Buch auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist keine Pflegeanleitung jeder existenten Vogelspinnenart, doch ist man (vor allem als Newbie) für einen einigermaßen breiten Überblick beinahe gezwungen, sich auch noch das erste Buch zuzulegen, was – man ahnt es – ebenfalls knapp 40 Euro kostet, bei nahezu identischem Umfang. Mein Vorschlag wäre, beide Bücher zu kombinieren, vernünftig zu lektorieren und dann als erschwinglichen Taschenbuch-Ratgeber herauszugeben. Dass so etwas geht und dabei auch mehr Übersichtlichkeit durchaus machbar ist, beweist der bei |Mergus| erscheinende, mehrbändige „Aquarien-Atlas“, bei ähnlich gelagerter Thematik. Auch hier befinden sich nicht alle Fischarten in einem Band (geht bei diesem Umfang auch gar nicht), doch sieht hier zum Beispiel – anhand eines Steckbriefs – auch der Neuling schon auf einen Blick die wichtigsten Informationen.

Schon kurz nach der Ersterscheinung 2003 ging das aktuelle Buch in die zweite, komplett überarbeite Auflage. Dennoch ist der Ausgabe ein ganzes DIN-A4-Blatt mit Errata beigelegt, die man zunächst – trotz der Überarbeitung – erst nach Drucklegung entdeckt hat. Hierbei handelt es sich großteils um falsche Bilder/Bildlegenden und kleinere Macken im Text. Leider hat der Lektor auch mit dem Einleger immer noch nicht alle Missgriffe ausgemerzt (oder gar neue produziert?): Es befinden sich weiterhin eine ganze Reihe Rechtschreibfehler darin, die ziemlich augenfällig und vollkommen unnötig sind. Kein Ruhmesblatt für die „komplett überarbeitete Ausgabe“ eines relativ anspruchsvollen Sachbuchs, das mit den wenigen Seiten und einem Preis von 39.90 Euro immerhin ordentlich teuer ist.

_Das Fazit_
Die Aufmachung des Buches ist recht gelungen, die Bebilderung sehr schön, doch muss man als Erstes dem Verlag Schludrigkeit nachsagen, denn in einer überarbeiteten Ausgabe gleich eine ganze lose Seite mit Korrekturen beizulegen und dann immer noch nicht alle Fehler beseitigt zu haben, ist definitiv schlampig. Preislich inakzeptabel ist es sowieso. Vom Inhaltlichen her gibt’s auch ein bisschen was zu bekritteln, was nicht in der Sachlichkeit der Informationen liegt, sondern in der leicht drögen und unübersichtlichen Präsentation in zweispaltigem Volltextformat, ein paar mehr und aussagekräftigere Eckdaten in Tabellenform zu jeder Rasse wären durchaus wünschenswert gewesen. Das, was drin steht, ist aber kompetent dargestellt und hat Hand und Fuß. Das gilt sowohl für den allgemeinen Teil als auch für die beschriebenen Arten, allerdings fehlen eine Menge bei Terrarianern beliebter und bekannter Spinnen schlichtweg. Conclusio: Leider nur bedingt empfehlenswert.