Interview mit Andreas Gruber zum ungekürzten Hörspiel seines Romans „Todesfrist“ und mit Achim Buch als Hörbuchstimme


»Wenn Sie innerhalb von 48 Stunden herausfinden, warum ich diese Frau entführt habe, bleibt sie am Leben. Falls nicht – stirbt sie.« Mit dieser Botschaft beginnt das perverse Spiel eines Serienmörders. Er lässt seine Opfer verhungern, ertränkt sie in Tinte oder umhüllt sie bei lebendigem Leib mit Beton. Verzweifelt sucht die Münchner Kommissarin Sabine Nemez nach einer Erklärung, einem Motiv. Erst als sich der niederländische Profiler Maarten S. Sneijder in den Fall einschaltet, entdecken sie zumindest ein Muster: Ein altes Kinderbuch dient dem Täter als grausame Inspiration – und das birgt noch viele Ideen …

Das aufwendig inszenierte Hörspiel von »Todesfrist«, dem ersten Teil der Kult-Reihe von Andreas Gruber, erscheint im Oktober 2025 erstmals ungekürzt. Mit Achim Buch als Erzähler, Luise von Finckh als Sabine Nemez, Johannes Klaußner als Maarten S. Sneijder und weiteren prominenten Stimmen. (Verlagsinfo)

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Der Autor Andreas Gruber

Andreas Gruber, 1968 in Wien geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Grillenberg in Niederösterreich. Mit seinen bereits mehrfach preisgekrönten und teilweise verfilmten Romanen steht er regelmäßig auf der Bestsellerliste.

Herzlich willkommen, lieber Andreas Gruber, herzlich Willkommen, lieber Achim Buch. Ich freue mich sehr, dass Sie sich beide heute die Zeit genommen haben, um miteinander über Ihre Arbeit aus Autor und als Sprecher und natürlich über das neue Hörspiel ‚Todesfrist‘ zu sprechen. Haben Sie sich eigentlich schon mal kennengelernt?

Andreas Gruber

Ja, haben wir, bei der Filmpremiere von ‚Todesfrist‘. Es gibt sogar ein Foto davon.

Achim Buch

Ich dachte: „was für ein netter Mensch, obwohl der so fürchterlich blutrünstige Bücher schreibt.“ Ich hatte mich sehr darauf gefreut, den Film zu sehen.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus, Herr Gruber? Haben Sie feste Arbeitszeiten oder warten Sie, bis Sie von der Muse geküsst werden?

Andreas Gruber

Ich bin nicht der Künstler, der wie Charles Bukowski mit einer Rotweinflasche dasitzt und dann schreibt, wenn ihn die Muse küsst. Ich sehe das wie einen Bürojob mit fixen Bürozeiten, nur dass ich mein Schreibbüro zu Hause habe. Ich mache jeden Morgen Sport, bevor ich mich an den PC setze und bis 15:00 Uhr oder 16:00 Uhr arbeite. Danach sitze ich eineinhalb Stunden am Heimtrainer und schaue entweder einen Film an oder zwei Folgen von einer TV-Serie. Nach einem späten Mittagessen arbeite ich nochmal bis 19:30 Uhr. Am Samstag arbeite ich bis 12:00 Uhr, danach ist Wochenende.

Achim Buch

Du hast im Vorwort zu deinen Kurzgeschichten, die ich sehr geliebt habe, erwähnt, dass du auch sehr viel liest und Musik hörst, habe ich das richtig verstanden?

Andreas Gruber

Das ist richtig. Ich habe ein großes Interesse an Popkultur und bin ein großer Film-Nerd. Ich schaue alles, was seit den 40er Jahren in Schwarz-Weiß gedreht wurde, von Alfred Hitchcock bis zu den neuesten Filmen. Da sind auch alle Genres dabei, außer Liebesfilme. Musikalisch höre ich gerne Rockmusik und Metal. Außerdem bin ich ein großer Comic-Fan. Als Nerd habe ich natürlich eine Excel-Liste mit meinen ungelesenen Büchern; da sind zurzeit 433 Titel drauf. Das muss alles irgendwann gelesen werden.

Sie lassen sich nicht nur von anderen Werken inspirieren, sie recherchieren auch viel. Wie läuft die Recherche für Ihre Bücher ab? Benutzen Sie dabei auch technische Hilfsmittel wie KI?

Andreas Gruber

Bei der Recherche muss man sehr vorsichtig sein, wenn man KI zu Rate zieht, weil KI teilweise halluziniert. Ich halte es für das Beste, mit Fachleuten zu reden. Die Eröffnungsszene in „Todesfrist“ zum Beispiel, in der eine Frau in eine Betonsäule einbetoniert und monatelang am Leben gehalten wird, ist mit Medizinern recherchiert. Ansonsten recherchiere ich mit Google oder YouTube. Ich möchte nicht wissen, was die KI für eine Antwort gibt, wenn man ihr sagt, dass man jemanden bei lebendigem Leib einbetonieren und möglichst lange am Leben erhalten möchte. (lacht)

Achim Buch

Es könnte auch sein, dass dann die Polizei bald bei dir vor der Tür steht.

Andreas Gruber

Ja. Bei den Dingen, die ich google – Terroranschläge, Selbstmord, Mord, perfekter Mord – wundere ich mich oft, warum nie jemand an der Tür läutet und sagt: „Herr Gruber, wir haben ein Problem bezüglich Ihres Browserverlaufs.“

Achim Buch

Ich bin gespannt, wann KI in deinen Krimis eine Hauptrolle spielen wird.

Andreas Gruber

Ich verwende bisher keine KI, aber meine Ermittler verwenden sie teilweise, die müssen ja mit der Zeit gehen. Wenn ich meine alten Texte ansehe, bin ich überrascht, wie schnell dieser technische Fortschritt voranschreitet. In meinen alten Kurzgeschichten benutzen die Figuren ein Fax, haben ein Modem, oder sogar Disketten. Gerade habe ich eine Kurzgeschichte überarbeitet in der geskypt wurde.

Achim Buch

Das sind inzwischen historische Romane. (lacht) Übrigens haben mir deine alten Kurzgeschichten am meisten Spaß gemacht beim Einlesen, weil ich mich überhaupt nicht um Realitätsbezug scheren musste. Bei den Romanen muss alles nachvollziehbar und realitätsnah sein. Bei den Kurzgeschichten konnte ich irrsinnigen Quatsch machen und die Grenzen des Normalen sprengen. Das war super.

Andreas Gruber

Damals war ich noch jung und habe das Geld nicht gebraucht. (lacht) Da war es mir egal, ob das kommerziell sein muss oder Lesern gefallen muss.

Am Anfang konnten Sie also nicht vom Schreiben leben. Wann war für Sie der Moment, an dem Sie gesagt haben: „Okay, jetzt bin ich professioneller Schriftsteller“?

Andreas Gruber

Zuerst habe ich meine Kurzgeschichten in Fanzines veröffentlicht. Die hatten eine Auflage von 60 bis 100 Stück, und das einzige „Honorar“ war ein Freiexemplar. Es war völlig egal, ob die Geschichten jemandem gefallen. Meine ersten Horrorromane habe ich in einem Genre-Verlag veröffentlicht und erstmals Geld verdient. Der Durchbruch kam mit dem ersten Maarten Sneijder-Roman, für den ich einen größeren Vorschuss bekommen habe. Da habe ich gespürt, dass sich meine Hoffnung vielleicht erfüllt: eines Tages hauptberuflich vom Schreiben leben zu können.

Natürlich bedeutet das auch, dass ich jetzt kommerzieller denken muss. Mein Exposé muss dem Verlag gefallen. Meine Exposés sind zwischen 60 und 100 Seiten lang. Darin steckt die komplette Handlung, alle Figuren, Locations und Recherchen. Der Verlag prüft das und entscheidet, ob daraus ein Buch wird.


Wie sind Sie eigentlich auf die Idee für das ungewöhnliche Ermittlerduo Nemez und Sneijder gekommen?

Andreas Gruber

Die Reihe wird oft die Maarten-Sneijder-Reihe genannt. Für mich ist aber Sabine Nemez die eigentliche Hauptfigur. Von Anfang an wollte ich die Perspektive einer jungen, cleveren Kripo-Ermittlerin zeigen. Sie beginnt mit 26 beim Kriminaldauerdienst in München, wird später Profilerin beim BKA und arbeitet mit Sneijder zusammen. Ihre Karriere lässt sich durch die Bücher verfolgen.

Sie braucht einen Mentor – aber keinen gewöhnlichen. Ich wollte eine schräge Figur mit Ecken und Kanten. Ich habe lange überlegt und letztendlich ist es ein kiffender, bücherklauender, schwuler Misanthrop mit Clusterkopfschmerzen und Zwangsneurosen geworden, dessen einziger Freund ein Basset namens Vincent ist. Sneijder basiert auf Charakterzügen von Menschen, die ich kenne. Obwohl er Menschen hasst, ist er ein Genie. Sabine ist die Einzige, die mit ihm umgehen kann. Dieses Zusammenspiel vom misanthropischen Genie mit der jungen, ambitionierten, cleveren Ermittlerin, die gemeinsam durch dick und dünn gehen, macht das Duo für mich besonders.

Was ist das Besondere am neuen Hörspiel ‚Todesfrist‘?

Andreas Gruber

Beim Hörspiel spricht Achim Buch anders als beim Hörbuch nicht alle Rollen; es gibtmehrere Sprecher, Musik und Soundeffekte. Es ist ein bisschen wie Kino im Kopf. Ich bin seit über zehn Jahren großer Hörspielfan und höre regelmäßig beim Walken im Wald. Die ersten drei Stunden von ‚Todesfrist‘ habe ich schon in der Rohfassung gehört und finde den Cast großartig. Besonders Sabine Nemez ist hervorragend besetzt. Auch die Dynamik mit Maarten Sneijder sprüht vor Enthusiasmus. Man merkt, dass die beiden Spaß bei den Aufnahmen hatten. Achim Buch tritt diesmal nur als Sprecher auf. Aber das macht er wie immer großartig. Ich war überrascht, als ich Dietmar Wunder, die Synchronstimme von Daniel Craig, in einer Nebenrolle gehört habe. Solche Details lassen mein Fanherz höherschlagen.

Achim Buch

Ich muss zu meiner großen Schande gestehen, dass ich mir noch nicht die Zeit genommen habe, reinzuhören. Aber es ist bestimmt richtig toll geworden, und ich werde es mir definitiv anhören. Ich mache meine Sache natürlich wieder sehr gut. (lacht) Ich bin sehr gespannt, wie der holländische Akzent von Johannes Klaußner rüberkommt. Ich weiß noch, wie ich vor der Entscheidung stand, ob ich mich das trauen soll, denn meine einzige Assoziation mit dem niederländischen Akzent war Rudi Carrell. Ich habe das einer niederländischen Freundin vorgestellt, und sie sagte: „Ja, das kannst du machen.“ Insofern hoffe ich, dass sich niemand veräppelt fühlt.

Andreas Gruber

Ich glaube, diese Hörbücher sind unter anderem deshalb so erfolgreich, weil du dem Sneijder mit deinem niederländischen Dialekt so richtig Leben einhauchst. Ein guter Sprecher holt mehr aus dem Text heraus, als der Autor hineingeschrieben hat. Er gibt den Figuren Tiefe und Emotion. Ich entdecke beim Hören oft Facetten, die mir beim Schreiben gar nicht bewusst waren. Inzwischen ertappe ich mich dabei, dass ich beim Schreiben von Sneijder-Dialogen an deine Stimme denke und Wörter wähle, bei denen du den niederländischen Dialekt besonders gut einbringen kannst.

Darf man sich als Autor einen Sprecher wünschen oder auswählen?

Andreas Gruber

Als Autor kann man den Sprecher in der Regel nicht wählen. Es wird ein Casting gemacht. Nachdem Achim Buch ein paar meiner Romane eingelesen hatte, hatte ich so viel positives Fanfeedback bekommen und an den Verlag weitergeleitet, dass der Hörverlag entschieden hat, dass er die feste Hörbuchstimme von Andreas Gruber ist. Ich glaube, es ist großteils dem Feedback der Fans geschuldet, dass es sich so entwickelt hat. Für andere Projekte wirst du wahrscheinlich gecastet und gebucht, oder?

Achim Buch

Tatsächlich wurde ich bei zwei Autoren, die neu auf den Markt kamen, direkt angefragt, weil sie sich mich als Sprecher wünschten. Das ist eine große Bauchpinselung und da sage ich immer ja. Man kann im Internet sehr viele Stimmproben anhören. Da kann es vorkommen, dass ein Autor sagt: „diese Stimme, die transportiert für mich genau das, was ich will.“ Insofern habe ich Glück, dass ich so viel Gruber gesprochen habe und man kostenlos Hörproben anhören kann. Ein weiteres Geschenk, vielen Dank, Andreas.

Andreas Gruber

Einige Fans haben mir auch geschrieben, dass sie gezielt nach Hörbüchern von dir suchen, weil ihnen deine Stimme so gut gefällt. Einige Autoren wünschen sich dich als Sprecher und einige Hörer*innen suchen Hörbücher eben nach dem Sprecher aus.

Achim Buch

Das freut mich sehr. Da werde ich ein bisschen rot.

Was macht Ihnen am meisten Spaß, Herr Buch? Schauspielen, Synchronisieren oder Texte für Hörbücher einlesen?

Mir macht alles Spaß, besonders die Vielfalt. Vor dem Mikro fühle ich mich besonders geschützt, weil es nicht darauf ankommt, wie ich aussehe. Ich habe Fernsehen, Theater und Mikrofonarbeit gemacht. Am unwohlsten war mir das Fernsehen, weil man dort kaum Einfluss hat – ob man im Bild ist, ob der Take genommen wird. Man braucht eine Art inneren Ellbogen, um sichtbar zu bleiben. Im Theater ist man mehr im Team, das Publikum entscheidet, wohin es schaut. Das liegt mir mehr. Beim Hörbuch ist es noch entspannter. Man ist allein im Studio, auch beim Synchronisieren, und wird selten erkannt.

Wie lange brauchen die Aufnahmen für einen Gruber-Krimi? Sie werden hoffentlich nicht entführt und müssen in einem Keller ausharren und das ganze Buch in einem Stück lesen.

Achim Buch

Doch, doch, ich habe mich auch einbetonieren lassen. (lacht) Sonst kann ich das nicht so authentisch rüberbringen. Ich habe auch immer wieder Schnitt- und Schussverletzungen beim Einlesen. Deswegen liebe ich Andreas‘ Bücher auch so. Nein, auch das ist eine Arbeit, bei der man die Zeit planen muss. Ich rechne grundsätzlich für eine Seite mit fünf Minuten Vorbereitung und drei Minuten im Studio, inklusive Pausen. So kann man sich das ausrechnen. Im Schnitt lese ich pro Studiotag hundert Seiten.

Wie ist das mit der Regie? Wie viele Vorgaben erhält man als Sprecher vom Regisseur, was Betonung oder Tempo beim Einsprechen betrifft?

Achim Buch

Ich würde schätzen, dass maximal 10 Prozent von Einlesungen überhaupt noch von Regie betreut werden. Das finde ich eine traurige Entwicklung. Mir ist es bisher immer gelungen, dass ich mit Regie lesen kann. Ich finde es ein viel angenehmeres Aufnehmen, wenn drei Leute zuhören. Einer, der den Text nicht kennt, nämlich der Tontechniker. Der ist immer das Versuchskaninchen und kann Feedback geben, ob alles verständlich ist. Dann der Regisseur, der den Text gut kennt und gut vorbereitet hat und sowohl Aussprachen als auch Inhalt recherchiert hat. Bei ihm kann ich nachfragen, wenn etwas unklar ist.

Andreas Gruber

Ich dachte, es muss einen Regisseur geben, damit du keine Regieanweisung übersiehst und Teile des Textes mehrfach lesen musst.

Achim Buch

Ich bereite mich natürlich auch vor. Ich lese Texte immer vorher durch und bearbeite sie. Wenn man sich nicht vorbereitet, kann es natürlich passieren, dass man Anweisungen übersieht. Aber man kann immer wieder neu ansetzen, man liest nie ohne Versprecher und Fehler durch. Manchmal gefällt mir eine Stelle noch nicht richtig, dann setze ich noch mal an, weil ich noch mehr rauskitzeln will. Oder ich halte Rücksprache und frage, ob das
übergekommen ist, was ich transportieren wollte. Ich möchte es für die Zuhörer*innen natürlich möglichst spannend machen.

(c) Penguin-Verlag.

Die Redaktion dankt dem Penguin-Verlag für die freundliche Erlaubnis, dieses Interview veröffentlichen zu können.