
Einst wurde eine Hütte in den norwegischen Wäldern zum Schauplatz eines bestialischen Mordes. Jetzt fordert ihr dunkles Geheimnis neue Opfer …
In Oslo steckt Kommissar Anton Brekke mitten in einer Mordermittlung, als ihn eine schreckliche Nachricht ereilt. Sein ehemaliger Mentor und Kollege Harald Uteng ist von seinem Hausboot gestürzt und ertrunken. Scheinbar ein tragischer Unfall. Doch Anton geht der Sache nach. Denn sein Freund wirkte vor seinem Tod an einem Podcast über einen schockierenden alten Fall mit, der ihn nie losließ und an dem auch Anton als junger Polizist beteiligt war: der Mord an einem 17-jährigen Mädchen, dessen blutüberströmte Leiche man in einer verlassenen Hütte im Wald fand. Hatte Uteng eine neue Spur entdeckt und musste deshalb sterben? Auf der Suche nach der Wahrheit steht Anton schon bald vor einem dunklen Abgrund… (Verlagsinfo)
Der Autor
Jan-Erik Fjell wurde 1982 geboren und wuchs bei Fredrikstad im Osten des Oslofjords auf. Er studierte Informatik, heute ist er als Radiomoderator tätig und widmet sich dem Schreiben von Kriminalromanen. Er zählt zu den erfolgreichsten Krimiautoren Norwegens und wurde mit dem renommierten Preis des norwegischen Buchhandels und dem Frederik-Preis ausgezeichnet. Seine Thriller um den Kommissar Anton Brekke stürmen in Norwegen regelmäßig die Buchcharts und sind auch hierzulande Bestseller.
Die Anton-Brekke-Reihe
1) Nebelstille
2) Kälteeinbruch (2013)
3) Racheglut
4) Blutwinter
5) Düsterstunde
6) Nachtjagd
7) Dunkelhaus
8) Schattenwald
9) Finsterherz
Handlung
In Oslo sind der Kripo-Veteran Anton Brekke und der junge Magnus Torp wieder mal mit einer Mordermittlung befasst, als eine Nachricht Brekke veranlasst, alles stehen und liegen zu lassen und hinaus in die tiefste Provinz nahe der schwedischen Grenze zu fahren. Torp rätselt noch, was das alles soll, aber dann lässt sich Brekke dazu herab, dass der scheinbare Selbstmord von Harald Uteng zum Himmel stinkt.
Der ultimative Podcast
Denn Uteng, der Übervater aller norwegischen Kriminalisten, hatte offenbar vor, neue Fakten im Fall der ermordeten Malin Rekve zu enthüllen. Nicht in seinem Tagebuch oder in einer Zeitung, sondern weltweit in einem Podcast namens Krimipod. Der Redakteur Kristian Bolstad schickt ihm die Aufnahme des dreiteiligen Programms, doch im ersten Teil enthüllt Uteng noch nichts; vielmehr hatte er vor, die dritte Podcast-Aufnahme unbedingt LIVE zu gestalten. Als ob er etwas herausgefunden habe und es enthüllen wolle. Doch dazu kam es nicht mehr.
Vor ca. 25 Jahren
Nachdem Malin Rekve 1991 in Aremark getötet worden war, fanden zwei kleine Jungs die Leiche der 17-jährigen in einer Waldhütte, die angeblich sofort in Panik wegliefen und Malins Mutter Siw alarmierten. Diese rief den zuständigen Lensmann Larsen an, doch der war krank und so musste sein Lehrling ran, ein Polizeianwärter namens Anton Brekke. Als Brekke die Leiche Malins fand, musste er sofort sein Frühstück den Göttern des Waldes opfern. Dann rief er die echte Kripo, die Spusi und den Leichenwagen.
Doch Uteng fand als Chefermittler einen Schuldigen, der die Tat jedoch nie gestand: Espen Skaar. Der ist inzwischen aus dem Knast freigekommen. Doch was, wenn er wirklich unschuldig ist? Was kann Uteng gefunden haben und warum entschuldigte er sich bei seinem letzten Besuch bei Malins Mutter für einen „schrecklichen Fehler“? Er hatte sich selbst die Schuld an Malins Tod gegeben, wie es klang. Liegt also ein Justizirrtum vor, der Uteng veranlasste, sich selbst das Leben zu nehmen, fragt sich Anton Brekke. Wie auch immer, er kann diese zwei Todesfälle nicht auf sich beruhen lassen.
Gegenwart
An ihrem letzten Abend 1991 war Malin mit ihrer Freundin Sandra Julsen und deren Freund Adrian Locke zusammen, vermutlich auf einer Party. Malins Mutter Siw, die sich immer noch freundschaftlich an Anton erinnert, erzählt 25 Jahre später, wie die beiden Geschwister ihre Tochter damals abholten. Anton haben damals mit Uteng Adrian Locke zur unverbindlichen Zeugenbefragung gebeten und der junge Mann, der 25 Jahre später Milliardär ist, passierte die Befragung anstandslos, ebenso seine Freundin.
Eine Wiederaufnahme des Falls ist jedoch aus rechtsbürokratischen, verfahrenstechnischen usw. Gründen nicht möglich bzw. untersagt. Nun beginnt Anton, sehr zu Marcus Torps Empörung, zu tricksen. So gelingt es ihm herauszufinden, dass Malin und ein anderes Mädchen namens Anna je eine unheimliche Begegnung mit einem Exhibitionisten hatten, der sich als Wichtelmännchen verkleidet hatte. Diese Gestalt wurde jedoch nie gefunden, obwohl Uteng und Co. alle Räder in Bewegung setzten.
Espen Skaar
Schließlich fühlt sich Anton gewappnet genug, sich mit dem damals Verurteilten zu befassen. Doch Espen Skaar, der inzwischen auf freiem Fuß ist und eine Spedition leitet, beharrt weiterhin darauf, dass er damals ebenso unschuldig sei wie heute. Uteng habe ihn insgesamt sieben Mal besucht, und das letzte Mal sei ganz anders gewesen: Uteng verachtete ihn nicht mehr, sondern gab sich versöhnlich, als habe er etwas herausgefunden, das Espen entlaste.
Torp im Schlepptau, setzt sich Brekke auf Utengs Spur, um das vielfach verschlungene Rätsel zu lösen.
Mein Eindruck
In diesem Rätselspiel fühlt sich der Leser alsbald herausgefordert, es Brekke und Torp gleichzutun und den mysteriösen Phänomenen in Aremark und Umgebung auf den Grund zu gehen. Das ist durchaus unterhaltsam, umso mehr, al der Autor keinerlei Tipps vorzeitig preisgibt. So bleibt der Leser bis zum überraschenden am Angelhaken. Und es gibt mehrere Szenen in der Vergangenheit des Jahres 1991 usw. wie auch in der Gegenwart.
Schon bald wird klar, dass die Ereignisse auf beiden Zeitebenen um das Dorf Aremark einerseits und zum anderen um jene Steinhütte im Wald kreisen, in der Malins Leiche gefunden wurde. Die Steinhütte ist das titelgebende „Dunkelhaus“, doch wie alle Begebenheiten zusammenhängen, bleibt bis zum Finale ein Rätsel.
Der gewiefte Krimikenner wird selbstverständlich sofort Adrian Locke verdächtigen, denn ein Mann, der es in wenigen Jahren vom Landei zum Milliardär gebracht hat, verdient seine gerechte, höchst moralische Strafe. Denn seit Honoré de Balzac ((https://de.wikipedia.org/wiki/Honor%C3%A9_de_Balzac)) wissen wir, dass „hinter einem großen Vermögen auch ein großes Verbrechen steht“. Zu schade, dass Locke so ein netter, leutseliger Typ ist. Zu schade aber auch, dass er für den Tatzeitpunkt von Malins Ableben ein bombensicheres Alibi durch seine Eltern bekommen hat.
Dann sind da noch die beiden Zwillingsbrüder Ramm, die Malis Leiche gefunden habe. Sie waren immerhin schon zwölf Jahre alt, aber waren sie auch fähig zu einem Mord, fragt sich Brekke. Rolf Ramm hat sich an der Steinhütte erhängt, doch Glenn Ramm lebt immer noch in Aremark und arbeitet in Aslak Röds Laden. Und nun freundet sich mit Evelyn an, der netten Verkaufsassistentin in Röds laden. Er wird misstrauisch beäugt von Röd und seinem Kumpel Roger, der im Nachbarhaus ganz in Evelyns Haus lebt. Alle drei Männer haben ihre jeweils eigenen Pläne mit der jungen Joggerin, die auf ihren Läufen schon bald unheimliche Geräusche aus dem Wald hört…
Die Übersetzung
Die Übersetzung ist einwandfrei, wie schon in „Schattenwald“, dem Folgeband. Doch einen Fehler habe ich dennoch nicht übersehen können:
S. 333: „…ich habe hier übernachtet, weil mich nicht getraut habe[n], zu Hause zu schlafen.“ Das N ist überflüssig.
Unterm Strich
Der O-Titel lautet „Gråsonen“ und bezeichnet nicht nur ein Marineabkommen zwischen Norwegen und Russland von 2011, sondern meint ganz allgemein eine Grauzone, sowohl in der Strafverfolgung als auch in der Ethik. Zunächst scheint Harald Uteng der tadellose Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit zu sein, der nichts falsch machen kann. Doch spätestens 25 Jahre später wird Brekke klar, dass der verurteilte „Täter“ Espen Skaar unschuldig war. Es war Uteng, der das entscheidende Detail in Skaars Wohnung „fand“: ein Foto von Malin. Doch Uteng hat damals getrickst und wollte dies in seiner letzten Podcast-Episode wiedergutmachen, indem er den – wiederum vermeintlichen – wahren Täter enthüllte. Wer das sein könnte, liegt auf der Hand.
Aber ein Cop wie Brekke darf nicht wieder wie 1991 klein beigeben und muss der Spur der Wahrheit folgen, wohin auch immer sie ihn führt. Die Spuren, die es in reichlicher Menge gibt, führt in den tiefen Wald, zu jener Steinhütte, in der Malin ihr Ende fand. Drei Männer haben hier offenbar das Sagen: Genn Ramm, Aslak Röd und Roger, Evelyns Nachbar. Der Leser zieht fleißig Beziehungslinien zwischen den exhibitionistischen Auftritten des Wichtelmännchens, dem Mädchenmord und den Akteuren in der Gegenwart.
Brekke weiß jedoch wie jeder gute Ermittler, dass zwar Beweise zur Wahrheit führen können , dass schlussendlich womöglich nur ein Geständnis die Wahrheit ans Tageslicht fördert. Ich verrate nicht zu viel, dass dieses Geständnis aus einer völlig unerwarteten Ecke des Figurennetzes kommt. Wieder einmal hat es der Autor geschafft, mich in Anspannung zu versetzen, die sich im Finale zu Spannung und schließlich zu Verblüffung steigerte.
Der Staffelstab ist an Brekke weitergegeben worden, und als Utengs Quasi-Nachfolger unterrichtet er am Schluss neue Polizeianwärter. Was er ihnen auf den Weg mitgibt, sollte sich der Leser merken. Es ist eine geeignete Diskussionsgrundlage über die Arbeit von Kriminalermittlern.
Hinweis
Der Folgeband trägt den Titel „Schattenwald“ und wurde von mir besprochen. Der Verlag ist bemüht, die gesamte Romanreihe um Anton Brekke lückenlos zu veröffentlichen. Deshalb werden auch frühere Bände dieser feinen Reihe wieder im neuen Design auf den Markt gebracht. Nicht die schlechteste Krimi-Wahl, finde ich.
Taschenbuch: 413 Seiten.
O-Titel: Gråsonen, 2020
Aus dem Norwegischen von Andreas Brunstermann
ISBN-13: 9783442206599
https://www.penguin.de/buecher/jan-erik-fjell-dunkelhaus/paperback/9783442206599
Der Autor vergibt: 



