John D. MacDonald – Abschied in Dunkelblau [Travis McGee 1]

Bootseigner Travis McGee fahndet für eine betrogene Frau nach dem gestohlenen Familienerbe. Er gerät an einen mörderischen Heiratsschwindler, der es gar nicht schätzt, dass ihm jemand die Tour vermasselt, und soll auf dem Grund des Ozeans enden … – Der erste Band einer insgesamt 21-bändige Serie ist ein solide geplotteter Thriller und einem reizvoll angeknacksten Helden, der eigentlich ein Ritter und stets bereit ist, schönen Frauen zu helfen; leider neigt McGee zum Philosophieren, und was einst beinahe Literaturqualität erreichte, klingt heute platt und peinlich: ein zwiespältiges, immerhin endlich ungekürztes Vergnügen.
John D. MacDonald – Abschied in Dunkelblau [Travis McGee 1] weiterlesen

Harris, Charlaine – Vampir, der mich liebte; Der

„Der Vampir, der mich liebte“ ist mittlerweile der vierte Roman aus Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse. In den vergangenen drei Bänden konnte der geneigte Leser Sookies Wandlung vom schüchternen Mauerblümchen zur heißen Vampirgeliebten verfolgen – mit all den Nebenwirkungen, die so eine Beziehung mit sich bringt. Sookies Romanze mit dem Vampir Bill hat ihr zwar in Sachen Sex die Augen geöffnet (und dafür gilt es durchaus, dankbar zu sein), doch gleichzeitig führt sie zu einigen Beinahe-Zusammenstößen mit dem Tod. Da Bills Vampirvorgesetzter Eric Sookies Gedankenleserei nur zu gern für seine Zwecke einsetzt, landet sie mit schöner Regelmäßigkeit in potenziell tödlichen Situationen und wird zusammengeschlagen, gebissen und herumgeschubst.

Am Ende des dritten Bandes „Club Dead“ hatte Sookie nun die Nase voll. Sie will all diese Vampire und Gestaltwandler einfach nur noch aus ihrem Leben haben und beendet ihre Beziehung zu Bill. Für das neue Jahr nimmt sie sich vor, nicht wieder zusammengeschlagen zu werden. Doch entwickelt sich Sookies Leben in „Der Vampir, der mich liebte“ natürlich nicht zu einem erholsamen Kaffeekränzchen. Als sie von der Neujahrsfeier im „Merlotte’s“ nach Hause kommt, liest sie einen halbnackten Vampir auf der Straße auf. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich dieser als Eric, der Besitzer der Vampirbar in Shreveport. Der selbstbewusste und von seinen Reizen überzeugte Eric hat sein Gedächtnis verloren, was zu einer interessanten Nebenwirkung führt: Er wird nett und umgänglich und Sookie fühlt sich immer mehr von ihm angezogen.

Die Vampire in Shreveport sind außer sich, als sie von Erics Veränderung erfahren. Scheinbar hat sich ein Hexenzirkel im Gebiet breit gemacht und will nun die Geschäfte nicht nur der Vampire, sondern auch der Werwölfe übernehmen. Da Eric sich weigerte, seine Bar aufzugeben, wurde er mit einem Fluch belegt. Erics Untergebene organisieren einen Großangriff auf die Hexen und verstecken derweil ihren Anführer bei Sookie, um ihn aus der Schusslinie zu bringen.

Es kommt, wie es kommen muss: Während Sookie Erics unwiderstehlichen Reizen erliegt, verschwindet ihr Bruder, werden einige Gestaltwandler in Shreveport blutig niedergemetzelt, macht ein Werwolf ihr Avancen und es geht generell heiß her. Ob Sookie ihren Vorsatz fürs neue Jahr halten kann, muss der Leser allerdings selbst herausfinden.

Mit „Der Vampir, der mich liebte“ ist die Romanreihe um Sookie vom kleinen Verlag |Feder & Schwert| zum großen |dtv| gewandert, der für den unhandlichen und lieblosen Titel verantwortlich zeichnet. (Im Original führen alle Romane das Wort „dead“ im Titel.) Das lässt zunächst auf nichts Gutes hoffen. Zum Glück aber werden diese Ängste schnell beruhigt. Die Übersetzung von Britta Mümmler ist absolut flüssig und macht den Roman auch in der deutschen Fassung zum Pageturner. Und auch Charlaine Harris selbst hat mal wieder einen Schmöker allererster Güte vorgelegt.

Zwar verschwindet der Gut-Vampir Bill recht schnell von der Bildfläche, er wird jedoch elegant durch Eric ersetzt, der in diesem Band nun endlich zum Zuge kommt (im wahrsten Sinne) und zu einem Hauptcharakter avanciert. Während Bill ein Frauenversteher ist, ist Eric ein Charmeur, ein Verführer und ein Sexgott. Über drei Bände hinweg musste die weibliche Leserschaft darauf hoffen, mehr von ihm zu sehen und hier endlich übergibt Harris dem blonden Vampir die Bühne. Zwar hat sein Gedächtnisverlust zu einigen Charakterveränderungen geführt, doch ist er immer noch ein Traum von einem Mann und im Bett kaum zu schlagen, wie Sookie bald selbst am eigenen Leibe feststellen darf. Selbst eingefleischte Bill-Fans werden einsehen müssen, dass es zwischen Sookie und Eric aufs Heftigste knistert – ein wahres Fest für die geneigte Leserin.

Auch Harris‘ romaneigene Mythologie wird weiter ausgebaut. Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe wurden bereits in den vergangenen Bänden eingeführt. Nun sind die Hexen und Wiccas dran. Zwar stellen sie eine große Gefahr dar, doch dies resultiert hauptsächlich aus der Tatsache, dass man nicht recht weiß, welche Begabungen und Fähigkeiten sie besitzen. Harris hält sich hier also noch alle Türen offen und man darf hoffen, dass sie in Zukunft noch etwas näher auf die Hexen eingehen wird.

Doch wie steht es eigentlich mit der Entwicklung von Harris‘ Hauptfigur Sookie? Es ist schon erstaunlich, welche Wandlung sie in den vergangenen Romanen durchgemacht hat. Auf Grund ihrer Behinderung (das Gedankenlesen) schüchtern, unerfahren und mit nur wenigen sozialen Bindungen, hat sie sich mittlerweile zu einem heißen Feger mit etlichen Verehrern entwickelt. Zwar sind alle diese Verehrer Supras (also Übernatürliche), aber immerhin. Was sich jedoch nicht geändert hat, ist Sookies freche Schnauze. Immer noch mit viel Verve und trockenem Humor erzählt sie von ihren Abenteuern und wie sie sich mehr schlecht als recht finanziell über Wasser hält. Denn im Grunde ist Sookie eine ganz normale junge Frau mit alltäglichen Problemen. Sie hat zu wenig Geld, ihr Auto ist ein reiner Schrotthaufen, ihr Job stresst sie und ihre Beziehungen gehen in die Brüche. Nur hat sie es darüberhinaus mit lauter Vampiren und Werwölfen zu tun, was all ihre anderen Probleme nur noch verkompliziert.

Charlaine Harris‘ Vorrat an Ideen scheint unerschöpflich. Mit jedem Band werden ihre Romane flotter und unterhaltsamer, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Ihre Charaktere, obwohl bis zu einem gewissen Grad stereotyp, bleiben trotzdem immer liebenswert und überzeugend, und man kann nicht anders, als mit der gutmütigen Sookie mitzufiebern. Harris‘ Universum gewinnt immer mehr an Tiefe und Farbenfreude, je mehr übernatürliche Wesen es bevölkern. Bisher wirkt es damit auf keinen Fall überladen oder forciert. Trotz des hölzernen deutschen Titels ist „Der Vampir, der mich liebte“ also wieder eine absolute Leseempfehlung!

Home

|Charlaine Harris bei Buchwurm.info:|

[„Vorübergehend tot“ 788

[„Undead in Dallas“ 939

[„Club Dead“ 1238

Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Das Versprechen

In Las Vegas treibt wieder ein Serienkiller sein blutiges Unwesen. Das CSI-Team um Gil Grissom tappt (zu) lange im Dunkeln, weshalb sich die Leichen häufen. Schließlich taucht ein zweiter Mörder auf, der dem ersten als ‚Vorbild‘ diente, und metzelt sich empört durch die Wüstenstadt, um den frechen Nachahmer zu strafen … – Mittelmäßiger, aber routiniert geschriebener und flott zu lesender Roman zur erfolgreichen TV-Serie „CSI Las Vegas“, der den Ton der Vorlage vorzüglich trifft. Für Fans daher ein Muss, doch auch für ‚normale‘ Krimileser taugliche Lektüre. Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Das Versprechen weiterlesen

Chrono, Nanae – Peace Maker Kurogane 03

[Buch 1 1888
[Buch 2 1940
[DVD]http://www.powermetal.de/video/review-584.html

_Story:_

Nach dem Yamanami aufgrund seines Verrats an der Shinsengumi Seppuku begehen musste, trauern einzelne Mitglieder der Samurai-Schutztruppe um den verstorbenen weisen Mann. Außerdem sind die genauen Umstände seines Todes nicht bekannt, doch noch weiß man nicht, was in der Vergangenheit mit Yamanami geschehen ist. Als seine heimliche Geliebte Akesato von seinem Tod erfährt, beschließt sie, ebenfalls in das Reich der Finsternis einzutauchen und Yamanami dort wiederzutreffen.

Derweil bezieht die Shinsengumi ein neues Hauptquartier, wobei der Umzug allerdings mit großen Sorgen verbunden ist. Der Krankenstand innerhalb der Schutztruppe ist bedenklich hoch; ungefähr ein Drittel ist davon betroffen. Das ruft den berühmten Arzt Dr. Matsumoto auf den Plan, der sich vor Ort ein Bild macht und die Kranken untersucht. Während er bei einem Mitglied eine tödliche Diagnose stellt, interessiert sich sein junger Kollege für das plötzliche Dahinscheiden von Yamanami …

Tetsu hingegen wird wieder von seiner Vergangenheit eingeholt. Während einer überraschenden Begegnung mit einem scheinbaren Riesen, der sich später als sein alter Freund Suzu entpuppt, spürt er, mit welchem Hass dieser geladen ist. Tetsu stellt ihn zur Rede und erfährt dabei, was sein neuer Kontrahent in der letzten Zeit getrieben hat und dass Suzu vor nichts mehr zurückzuschrecken scheint. Tetsus Bruder Tatsu hingegen stößt überraschenderweise wieder auf den geheimnisvollen Ryoma Sakamoto. Dieser zeigt ihm seine Pistole, auf die Tatsu im Folgenden ganz versessen ist. Der coole Sakamoto will ihm seine Waffe jedoch nicht überlassen – unter anderem, weil er befürchtet, dass sich der Lauf der Pistole eines Tages auf die eigenen Leute richtet, und damit auf Tatsus kleinen Bruder.

Und am Ende ist da noch Kashitaro Ito, der hinterrücks eine Intrige spinnt, um seinen Einfluss innerhalb der Shinsengumi zu steigern und schließlich selber an die Macht zu kommen …

_Meine Meinung_

Das Abenteuer geht weiter und wird im dritten Band wieder um einiges düsterer. Nach dem etwas leichter verständlichen zweiten Band wird die Handlung im dritten Manga nun wieder ziemlich komplex, weil hier erneut sehr viele Sub-Plots abgehandelt werden. Parallel zu den neuen Geheimnissen um Suzu, Sakamoto und den seltsamen Arzt bleiben die alten Mysterien jedoch bestehen. Warum musste Yamanami sterben? Welche Geheimnisse barg seine Vergangenheit, so dass er sich gezwungen sah, aus der Shinsengumi auszutreten? Und was ist mit Akesato geschehen, die nach ihrem Todesschwur nicht mehr gesehen wurde? Wie entwickelt sich die Geschichte von Tetsunosuke zu seinem Bruder bzw. zu Suzu? Wer genau verbirgt sich hinter der Person des Ryamo Sakamoto? Und was wird aus der tödlich erkrankten Soji Okita?

Nanae Chrono hat mal wieder einige Rätsel aufgeworfen und spannt den Bogen dieses Mal sehr weit – manchmal vielleicht sogar ein wenig zu weit. Bislang ist nämlich noch keine Handlungseinheit so richtig abgeschlossen worden, und es fällt immer schwerer, dem umfangreichen Plot noch zu folgen. Es geschehen in kürzester Zeit enorm viele Dinge, und manchmal ist es auch erforderlich, bestimmte Passagen ein zweites Mal durchzublättern, um ein besseres Verständnis der jeweiligen Situation zu erreichen. Es erfordert also schon eine gewisse Übung, diese Reihe zu bewältigen und die durchaus vorhandene Logik zu durchschauen. Aber – und da bleibe ich bei meinem bestehenden Fazit zum letzten Buch – sobald man sich einmal in die Geschichte der Shinsengumi hineingearbeitet hat, lohnt sich diese Reihe voll und ganz, zumal die Zeichnungen dieses Mal auch wieder sehr gut geworden sind.

Wer sich für „Peace Maker Kurogane“ interessiert, sollte übrigens auch mal die Verlagsseite von [Tokyopop]http://www.tokyopop.de ansurfen; hier findet man alle weiteren Infos.

Clive Staples Lewis – Die Chroniken von Narnia (Gesamtausgabe)

Die sieben Bände des angelsächsischen Kinder- und Jugendbuchklassikers in einer schön aufgemachten Gesamtausgabe. Narnia ist eine ökologisch korrekte, latent zivilisationsfeindliche, monarchistisch-autoritär regierte ‚Gegenerde‘, in der (guter und böser) Zauber, sprechende Tiere und Fabelwesen zum Lebensalltag gehören. Starke christliche Glaubensvorstellungen und Allegorien fließen in die nur scheinbar einfach gestrickte Handlung ein und verschaffen dem Werk jenseits seiner Qualitäten als spannendes, zeitloses Kinderbuch eine zweite Rezeptionsebene, die aus heutiger Sacht oft aufdringlich wirkt.
Clive Staples Lewis – Die Chroniken von Narnia (Gesamtausgabe) weiterlesen

Remes, Ilkka – Ewige Nacht

Ilkka Remes ist der meistgelesene Autor in Finnland. Sein Name ist Garant für hochkarätige Spannungsliteratur von internationalem Format. Mit „Ewige Nacht“ erscheint nun erstmals ein Thriller von ihm in Deutschland.

Remes wurde 1962 im südostfinnischen Seengebiet geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in London und war in Finnland und im Ausland im Medienbereich tätig. Remes‘ erster Thriller „Pääkallokehrääja“ („Der Totenkopffalter“, 1997) wurde auf Anhieb zum Bestseller. Seiher setzen sich seine Bücher regelmäßig an die Spitzen der Verkaufslisten.

_Story_

Als Anführer der militanten Öko-Organisation G1 arbeitet der deutsche Ralf Denk, der Sohn der RAF-Agentin Renate Kohler, schon lange an einem großen Plan. Nach dem Scheitern bei einer Demonstration in Genua muss er sein geheimnisvolles Vorhaben mit seiner neuen Komplizin Noora für eine Weile aufschieben. Zwei Jahre später scheint dann der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein. Er überfällt einen Geldtransporter auf dem Weg von Finnland nach Russland und trifft sich anschließend in einem Wald hinter der Grenze mit zwei russischen Komplizen, die ihm eine Kernladung besorgt haben. Denk tötet die beiden ‚Freunde‘ noch vor Ort und macht sich mit dem Sprengkörper wieder zurück auf den Weg nach Finnland. Den Fahrer des Transports bringt er aus Sicherheitsgründen nach dem erneuten Passieren der Grenze ebenfalls um.

Als die finnische Polizei von dem brutalen Raubmord erfährt, setzt sie den beleibten Terror-Spezialisten Timo Nortamo auf die Sache an. Nortamo ist Mitglied einer europäischen Spezialeinheit, die insgeheim auch als die modernere Version von Interpol gilt. Als er sich zusammen mit seinem Sohn in die Wahlheimat Brüssel begibt, soll er auf der Fähre nach Travemünde die dort befindlichen Gangster observieren. Doch sein Sohn, der vom mysteriösen Gerede seines Vaters fasziniert ist, vermasselt die Sache, indem er zu offensichtlich in der Nähe der Globalisierungsgegner herumschnüffelt. Timo und sein Sohn Aaro werden von Denk kurzerhand außer Gefecht gesetzt, und dieser weiß nun, dass man ihm auf der Spur ist.

Denk und seinen Helfern gelingt es schließlich zu fliehen, doch schon bald wieder taucht er wieder auf: erst als Entführer der Agentin Heidi Klötz, die mit ihrem unvorsichtigen Vorgehen den Selbstmord von Ralfs Bruder Theo einleitet, und dann in den Gemächern des Papstes, den er mit einem unentdeckten Virus, einer Mutation von Ebola, infiziert, um so ein Exempel zu statuieren. Doch die Motive seines Verbrechens bleiben weiterhin unklar, und erst als Timo und die TERA mit weltweiter Unterstützung mehr über die Vergangenheit von Ralf Denk in Erfahrung bringen, wird ihnen klar, welchen Plan Denk mit der gestohlenen Atombombe umsetzen möchte. In kürzester Zeit reist Timo Nortamo um die halbe Welt bis in den Kongo, der ehemaligen belgischen Kolonie, die sich laut eines frühen Bekennerschreibens von Denk als perfekter Zündort für die Bombe eignet. Für den Sicherheitsexperten Nortamo beginnt ein schonungsloser Wettlauf gegen die Zeit, der im weiteren Verlauf noch Wahrheiten ans Tageslicht bringen soll, die Timo sich nicht einmal in seinen grausamsten Träumen hätte vorstellen können …

_Meine Meinung_

„Ewige Nacht“ beginnt wie ein ganz normaler Krimi, der sich lediglich von anderen Sparten-Romanen darin unterscheidet, dass die Ermittlungen sich auf internationales Gebiet erstrecken. Ansonsten ist alles wie gehabt: Ein Geldtransport wird ausgeraubt, die Täter flüchten und die Polizei jagt ihnen her. Da Ilkka Remes zugleich auch noch von Anfang an beide Seiten schildert und man die Verbrecher noch vor dem eigentlichen Helden kennen lernt, ist die Befürchtung, dass die Spannung hierunter leiden wird, zunächst recht groß – aber das erweist sich zum Glück als Irrtum!

Schon nach kurzer Zeit stellt sich nämlich heraus, wie komplex die Geschichte eigentlich ist bzw. was Remes alles bedacht hat, um die Handlung mit immer neuen Wendungen zu versehen und so die Spannung ins Unermessliche zu steigern. Die große Frage nach dem ‚Warum‘ steht fortan im Vordergrund, und da holt der Wirtschaftsexperte Remes auch immer weiter aus. Im Mittelpunkt steht dabei das Land Belgien und dessen militante Vergangenheit während der Kolonialzeit. Ständig blickt der Autor in die grausame Zeit von König Leopold II. zurück, der damals gegen jegliche Menschenrecht verstieß, gegen die man nur verstoßen konnte, das Land beraubte und seine Menschen versklavte. Über diese landeseigene Geschichte entwickelt sich auch schließlich immer mehr das Verständis für das Handeln der Globalisierungsgegner. Denk, selber in Afrika aufgewachsen, hat lange Jahre als Molekularbiologe gearbeitet und sich dabei vor allem mit der Wirkung verschiedener Viren auseinandergesetzt. Auch im Bereich von Bio-Waffen kennt sich der Mann bestens aus, was ihm in den Achtzigern verschiedene Verbindungen in die Sowjetunion eingebracht hat, wo man damals schon mit einzelnen Bio-Waffen experimentierte. Schließlich hat man dort eine Waffe entwickelt, mit deren Hilfe gezielt bestimmte Rassen und Arten komplett ausgelöscht werden konnten. Dieses Wissen hat sich der Mann schließlich zur Hilfe gemacht, um seinen grausamen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Nach zähem Hin und Her gehen die Ermittler daher auch davon aus, dass Denk mit der dem Papst injizierten Krankheit die gesamte kaukasische Rasse auslöschen und die Atombombe quasi als ‚Verteiler‘ nutzen möchte.

Doch wie passt dies in die Logik dieses Menschen? Warum sollte er ausgerechnet im Kongo eine Bombe zünden, die durch die nukleare Detonation wohl auch einen großen Teil der geliebten afrikanischen Bevölkerung töten würde? Dieses für die Ermittler wie Leser absonderliche Rätsel ist das Hauptmotiv des Romans und wird auch erst am Schluss gelüftet. Ebenso dauert es auch bis zum Ende, bis man die komplexen Verstrickungen der Vergangenheit der G1 durchschaut hat. Hierbei zeichnet sich Remes vor allem durch umfassendes Wissen in Bezug auf die Hintergründe der Herrschaft von König Leopold II. im Kongo aus und glänzt auch mit sehr vielen Fakten aus der Zeit des kalten Krieges bis hin zum Ende der Sowjetunion. Der Autor weiß, wovon er spricht und bindet reichlich Faktenwissen in die Story ein; lediglich die Figur des Papstes und natürlich die Akteure des Romans bleibt fiktiv, ansonsten orientiert sich Ilkka Remes an der aktuellen Politik mitsamt ihrem Kampf gegen das weltweite Terrornetzwerk.

Und was kann schon förderlicher sein als treffend angebrachtes, fundiertes Hintergrundwissen, wenn man die Intention hat, eine Story an die Realität anknüpfen und so authentisch wie möglich erscheinen zu lassen? Im Falle von „Ewige Nacht“ zeigt sich dies jedenfalls als äußerst wertvoll und kreiert aus dem ohnehin schon sehr lebendigen Werk einen mitreißenden Roman.

Andererseits hat Remes aber auch eine ganze Menge Gesellschatskritik hineingepackt. Gerade das durch die Kindermord-Skandale geplagte Belgien kommt in der Geschichte nicht sehr gut weg, denn der Autor bezieht schon sehr klar Strellung zu der menschenverachtenden Vergangenheit des Landes. Alleine deswegen weiß man im Laufe des Buches auch nie so recht, welche Position man nun einnehmen soll: Sowohl die Globalisierungsgegner um ihren Kopf Ralf Denk als auch die Ermittler der Terrororganisation kann man verstehen, wobei die Brutalität, mit der die G1 vorgeht, natürlich bei der Entscheidung zugunsten Nortamos und der TERA hilft. Aber ein nicht gerade kleines Fünkchen Wahrheit steckt schon in den Überlegungen des G1-Anführers, und darüber lohnt es sich auch über den Roman hinaus nachzudenken.

Das letzte wichtige Kriterium sind die zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Thriller. Da wäre zum einen die schüchterne Noora, die Denk blind folgt und ihm immer wieder vertraut, obwohl sie gar nicht weiß, welche Ziele er genau verfolgt. Doch sie lässt sich von dessen schicksalhafter Vergangenheit blenden und wird so leicht zum Spielball des Öko-Verfechters, der selbst vor unnötigen Mordanschlägen nicht Halt macht. Als sie ihm jedoch endlich in die Karten schaut, ist es bereits zu spät …

Auf der anderen Seite steht dann Timo Nortamo, der genau wie seine Frau ein absoluter Karrieremensch ist, dies aber bisweilen immer wieder bitter bereut. Sein Sohn kommt viel zu kurz und die Beziehung zu seiner Frau Soile leidet ebenfalls darunter, dass sich die beiden so selten sehen. Gerade als er sich vorgenommen hat, seinem Sohn in Brüssel etwas mehr Zeit zu schenken, wird er zu den Ermittlungen im Falle ‚Denk‘ abgestellt und muss feststellen, dass sich sein Beruf und seine Rolle als Vater einfach nicht vereinbaren lassen.

Tragische Helden, eine bittere Vergangenheit und eine ungewisse Zukunft – Ilkka Remes hat in seinem aktuellen Thriller eine perfekt abgestimmte, sehr wechselhafte und sich stetig wendende Geschichte erschaffen, die uns auch im Nachhinein noch zu fesseln vermag und auch einigen Grund zum Nachdenken gibt. Beim Gedanken an den letzten Satz eines jeden Kapitels bekomme ich jetzt noch immer eine Gänsehaut, und damit hat der finnische Star-Autor wohl auch sein Ziel erreicht. „Ewige Nacht“ ist einer der spannendsten Romane, die zurzeit auf dem Markt sind, und führt hoffentlich dazu, dass auch die übrigen Romane von Remes in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Mein Fazit: Unbedingt empfehlenswert!

Loewe, Elke – Sturmflut

Nach der Veröffentlichung ihres dritten Kriminalromans [„Engelstrompete“, 1055 welcher von den Ereignissen in der kleinen idyllischen Stadt Augustenfleth erzählt, legt die deutsche Autorin Elke Loewe nun mit „Sturmflut“ einen Roman vor, der sich der großen Flut von 1717 widmet, bei der Tausende von Menschen ihr Leben verloren haben. Dass die Autorin selbst in der Ostemarsch beheimatet ist und ihr die Deichlandschaften daher besonders am Herzen liegen, kann man dabei aus jeder einzelnen Zeile herauslesen.

Im Zentrum der Geschichte aus „Sturmflut“ stehen Joenes Marten und seine gesamte Familie. Joenes‘ Frau Geeske ist hochschwanger und erwartet ihr fünftes Kind, welches schließlich an Weihnachten während der Flut geboren werden soll. Zusammen haben Joenes und Geeske bereits zwei Töchter und zwei Söhne und scheinen eine glückliche Ehe zu führen. Doch da gibt es auch noch Joenes‘ blinden Bruder Claus, mit dem Joenes sich gar nicht gut versteht. Die beiden verbindet ein schicksalhafter Unfall, über welchen wir erst im weiteren Verlauf der Romanhandlung mehr erfahren.

Catharina vom Moor erschreckt kurz vor Weihnachten die Marschbewohner mit ihren unsäglichen Voraussagen von Tod und wildem Wasser. Die wunderliche Frau ist mit dem zweiten Gesicht ausgestattet und daher bei den Deichbewohnern nicht sehr beliebt. Doch Joenes glaubt an ihre Vorhersagen und nimmt sich vor, zusammen mit seinem Bruder Claus das Familienboot auf Vordermann zu bringen. Als jedoch Claus anreist, schiebt Joenes seine Pläne auf, bis es zu spät ist. Genau an Weihnachten im Jahr 1717 nämlich, als bei Geeske die Wehen einsetzen, steigt auch das Wasser an. In den Wassermassen werden die beiden Brüder getrennt, Joenes flüchtet sich mit seinen Kindern, Claus entkommt mit Geeske. Er kann der hochschwangeren Frau gerade noch bei ihrer Geburt assistieren, da versinkt die erschöpfte Frau auch schon in den Fluten. Und auch die beiden Mädchen überleben diese Nacht nicht. Als der Morgen kommt, ist Joenes Witwer und ein verlorener Mann. Er kann seine neue Tochter nicht annehmen und sucht sein Glück in anderen Dingen …

An und für sich erzählt Elke Loewe somit eine tragische und im Grunde packende Familientragödie, die viel Potenzial enthält. Umrahmt wird die Familiengeschichte von der großen Flutkatastrophe, bei der viele Todesopfer beklagt werden mussten und etliche Menschen ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben. Im ersten Teil ihres Buches legt Loewe viel Wert auf die Vorstellung der Familie Marten. In vielen Einzelheiten lernen wir die Menschen kennen, wohlwissend, dass ihnen ein furchtbares Schicksal bevorsteht. Ungefähr auf der Hälfte der Erzählung steigt schließlich das Wasser an und führt zu einer dramatischen Wendung in der Romanhandlung. Haben wir die Familie Marten vorher noch als glücklich und zufrieden kennen gelernt, so verlieren drei geliebte Menschen in nur einer einzigen Nacht ihr Leben, sodass am Morgen nichts mehr ist wie zuvor. Auf nur wenigen Seiten wird die Nacht der Flut abgehandelt, im weiteren Verlauf widmet sich Elke Loewe ausgiebig den Folgen der Überschwemmung, denn nach dem Deichbruch schaffen es die Menschen nicht, die Löcher im Deich zu stopfen und das Wasser loszuwerden. Viele Jahre soll es dauern, bis hier erste Erfolge verbucht werden können.

In der Deichreparatur sieht Joenes Marten nach der Flut den Sinn seines Lebens; wie besessen widmet er sich den Aufräumarbeiten und verlässt dafür seine restliche Familie. Seine beiden Geschwister müssen sich fortan um die Kinder kümmern, seine neue Tochter Maria Magdalena will Joenes nicht einmal sehen. Doch obwohl Joenes eine wichtige Rolle bei den Reparaturen des Deiches spielt, rückt die Familie Marten in den Hintergrund. Leider führt dies zu einem deutlichen Spannungsabfall, denn die intensive Vorstellung der Familie hatte in mir die Erwartung hervorgerufen, dass Elke Loewe auch nach der schicksalhaften Nacht die Familiengeschichte weitererzählen würde. Während somit auf den ersten hundert Seiten durch die Ahnung der bevorstehenden Katastrophe stetig Spannung aufgebaut wird, erzählt die Autorin in der zweiten Hälfte ihres Buches viel zu viel über die Deichreparatur und die damit verbundenen Probleme. Viel mehr hätte mich das Familienschicksal interessiert, obwohl Joenes durch sein absonderliches Verhalten immer mehr Minuspunkte beim Leser sammelt. Sein Verhalten ist mir nicht verständlich geworden, selbst seinen Kindern gegenüber ist Joenes rücksichtslos und lässt sie einfach bei seinem blinden Bruder zurück. Schade, dass Elke Loewe im zweiten Teil des Buches den Schwerpunkt auf die Deicharbeiten gesetzt hat und Joenes Marten eine so wenig nachvollziehbare Wendung vollzogen hat; hierdurch wird viel Potenzial verspielt.

Sprachlich mutet das Buch gewöhnungsbedürftig an, der Satzbau ist ziemlich altmodisch und entspricht nicht den heutigen grammatikalischen Regeln, so haben Nebensätze oft den gleichen Aufbau wie Hauptsätze, worüber man beim Lesen immer wieder stolpert. Auch die Wortwahl ist ungewohnt und dadurch teilweise etwas ungeschickt. Insbesondere Metta mit ihrem ewigen „nützt nichts“ strapaziert auf Dauer sehr die Nerven der Leser.

Punkten kann Elke Loewe auf der anderen Seite durch ihre eindrucksvollen Landschaftsbeschreibungen, denen man anmerkt, wie sehr das Herz der Autorin an ihrer Heimat hängt. Hierdurch wird eine sehr dichte Atmosphäre aufgebaut, die durchaus zu überzeugen weiß, allerdings die Schwachpunkte der Romanhandlung nicht ausbügeln kann.

Insgesamt verfügt das Buch über gute Ansätze. Die Familientragödie mitten in der Naturkatastrophe hätte viele Möglichkeiten eröffnet, aber die Verwicklungen zwischen Joenes, Claus und Geeske sind dann doch zu klischeebesetzt und durchsichtig, als dass sie wirklich für Spannung hätten sorgen können. Die erste Hälfte des Buches ist recht gut gelungen und lässt auf eine spannende zweite Hälfte hoffen, die dann aber leider nicht kommt. Am Ende langweilt das Buch schließlich mehr, als es dem Leser lieb sein kann, sodass ein eher mittelmäßiger Eindruck zurückbleibt sowie der Wunsch, dass Elke Loewe als nächstes lieber wieder einen Augustenfleth-Kriminalroman schreiben möge.

Crueger, Hardy – Glashaus

„Glashaus“ ist so ein Buch, das man sehr genau und konzentriert verfolgen sollte. Klar, das ist die Voraussetzung für jedes Buch, aber beim aktuellen Werk von Hardy Crueger kann sich schon das kurze Überfliegen einiger Zeilen für den weiteren Verlauf als verheerend herausstellen, denn wirklich jeder Satz enthält hier wichtige Details, mit denen sich das schwer konsumierbare Puzzle schließlich Stück für Stück zusammensetzen lässt – oder eben nicht …

_Story_

In einem Wald wird ein zehnjähriges Mädchen tot aufgefunden. Bei den Ermittlungen forscht das LKA auch im |Glashaus|, einer Fördereinrichtung für Künstler, nach. Doch weder der dort lebende Schriftsteller Markus Holz noch die bildende Künstlerin Chantal Hartmann können der Kripo weiterhelfen. Diese bewohnen erst seit kurzem gemeinsam dieses Haus und sollen dort sechs Monate lang ausharren. Das Kunstprojekt, das von staatlicher Seite gefördert wird, soll für die beiden auch wieder eine Art Eingliederungshilfe sein, denn sie kämpfen seit einiger Zeit mit den Dämonen der Vergangenheit. Chantal hat längere Zeit in der Psychatrie verbracht, um dort einige Todesfälle in ihrer Familie zu verarbeiten. Ihr Zustand ist nach wie vor kritisch, und wäre da nicht ihre Lebensgefährtin Dagmar, die sie händeringend unterstützt, wäre ein Rückfall in alte, enorm depressive Verhaltensmuster kaum zu vermeiden.

Bei Markus sieht die Sache erst einmal anders aus. Nach außen hin versucht er, sich nicht genau in die Karten schauen zu lassen und gibt den freundlichen, bodenständigen Mitmenschen ab. Erst nach und nach stellt sich heraus, dass auch er noch hart mit seiner Vergangenheit zu kämpfen hat. Statt sich bewusst mit seinen Kindheitstraumata auseinanderzusetzen, wählt er den Weg der Verdrängung. Gerade der Konflikt mit seinem noch lebenden Vater scheint ihn zu belasten, doch nach außen hin will er sich davon zunächst nichts anmerken lassen.

Das Zusammenleben der beiden wird allerdings auch immer konfliktreicher. Chantal begegnet eines Tages einem behinderten Menschen, und dieses für sie erschreckende Ereignis wirft sie völlig aus der Bahn. Als dann auch noch Dagmar verschwindet, droht die Situation zu eskalieren. Halt findet sie nur noch bei der Katze Roland, ihrer Ersatzliebe. Doch diese wird kurze Zeit später ermordet und raubt ihr schließlich den letzten verbliebenen Mut.

Währenddessen entwickelt Markus mehr und mehr schizophrene Züge. Er fühlt sich als Versager und kann diesen Zustand nur noch überbrücken, indem er in der Rolle des „Champs“ einen Gegenpart entwickelt, der die negativen Gedanken für kurze Zeit verdrängen kann. Aber der „Champ“ hat auch seine Schwächen, und mit der Zeit bekommt diese Figur ein immer größeres Eigenleben, das auch viele Erinnerungen an die Vergangenheit Markus‘ nach oben bringt. Und außerdem war da ja noch das tote Mädchen …

_Meine Meinung_

Was Hardy Crueger sich hier in dieser verhältnismäßig kurzen Geschichte ausgedacht hat, ist schon allerhand. Der Autor wirft einen sehr tief gehenden Blick auf zwei Menschen, die zeit ihres Lebens als Aussteiger gelebt haben und im normalen Zustand für die Gesellschaft gar nicht tragbar gewesen wäre. Im „Glashaus“ versuchen sie einen neuen Anfang, um aus der Entfaltung ihrer Talente neuen Lebensmut zu schöpfen. Sie müssen jedoch feststellen, dass sie sich ihrer Vergangenheit nach wie vor stellen müssen und die neue Chance schließlich nicht auf die Schnelle die erhoffte Abkopplung der Dämonen aus dem ‚alten‘ Leben bringt.

Die Art und Weise, wie Crueger die beide Hauptfiguren beschreibt, ist allerdings sehr krass. Markus und Chantal sind nicht nur einfach zwei Menschen mit seelischen Problemen, nein, es sind Menschen, die völlig am Ende sind. Trotz ihrer sehr unterschiedlichen Ansichten und Lebenseinstellungen gibt es zwischen ihnen haufenweise Parallelen, doch auch wenn diese prinzipiell auf der Hand liegen, werden sie uns erst später genauer bewusst. Crueger beschreibt sie nämlich auf eine gänzlich unterschiedliche Weise, so dass man zunächst einmal darauf schaut, wer überhaupt hinter diesen obskuren Figuren steckt, bzw mit welchen Mitteln sie ihre Misere bekämpfen. Die hierbei entstehende, erschreckende Darstellung ist allerdings nicht einfach zu verkraften. Wenn Chantal immer weiter in ihre Depressionen abrutscht, weil sich ihr direktes Umfeld erneut auf tragische Weise verabschiedet hat, oder wenn Markus den „Champ“ mit all seinen Eigenschaften wiederbelebt, geht das unter die Haut und ist gleichzeitig sehr beängstigend. Teilweise fragt man sich da schon, was Crueger geritten hat, eine so derbe und zum Ende hin immer brutaler werdende Geschichte zu erzählen.

Doch eigentlich ist es letztendlich auch vorrangig diese Brutalität, die eine ungeheure Faszination ausübt. Die Brutalität der Charakterisierung zweier unberechenbarer Figuren, die Brutalität der Umstände, die von diesen beiden Menschen Besitz ergreifen, und schließlich eine Brutalität, die ich jetzt hier nicht näher beschreiben möchte – das ist nämlich die Auflösung der Geschichte – die sich auf den letzten Seiten derart heftig entwickelt, dass ich jetzt schon zu behaupten vermag, dass viele Menschen sich damit schwer tun wedren, dieses Buch bis zum Ende zu lesen, weil man manches gegebenenfalls nicht verkraften kann.

Andererseits: Sobald sich die transparente Hülle des Glashauses einmal offenbart hat, will man das Schicksal von Markus und Chantal bis zum Schluss verfolgen, komme was wolle. Meine Intention ist es nur, davor zu warnen, dass die Angelegenheit sehr hart und in der Art der Darstellung auch brutal ist. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass sich „Glashaus“ als Lektüre voll und ganz gelohnt hat und ich im Nachhinein noch sehr lange über das Buch und den Inhalt nachgedacht habe. Denn mal ehrlich: Wie viele Menschen kämpfen in unserer Gesellschaft ebenfalls gegen solche Dämonen wie Markus und Chantal und finden ihren einzigen Schutz durch die Fassade der Wände, die im Glashaus nicht gegeben sind? Ich will’s gar nicht wissen, doch trotzdem lässt der Gedanke mich nicht los … Nicht nur hierin hat Hardy Crueger also definitiv sein Ziel erreicht und die Gemüter bewegt!

Ian Fleming – James Bond 007: Leben und sterben lassen

Das geschieht:

Buonaparte Ignace Gallia, genannt „Mr. Big“, ist der farbige Al Capone von New York. In Afrika geboren und auf Haiti aufgewachsen, hat sich der charismatische Mann zum Herrn der Unterwelt aufgeschwungen. Handlanger findet er unter der schwarzen Bevölkerung, die er sich mit Terror und Schwarzer Magie gefügig macht. Die Behörden blieben bisher machtlos, aber jetzt mischt sich der Geheimdienst ein: Mr. Big verdingt sich als Agent der Sowjetunion und lässt seine Organisation für die roten Feinde der freien Welt arbeiten.

Außerdem hat Mr. Big, der auch in der Karibik einen Stützpunkt unterhält, auf der Insel Jamaica offenbar den Schatz des Piratenkapitäns Morgan gefunden. Große Mengen wertvoller Goldmünzen aus dem 18. Jahrhundert tauchen seit einiger Zeit in den USA auf; ihr Verkauf mehrt das Kapital, das Mr. Big zur Agitation gegen den Westen einsetzen kann. Ian Fleming – James Bond 007: Leben und sterben lassen weiterlesen

Higuri, You – Mondkönig, Der (Ludwig II., Band 1)

Ludwig II. von Bayern – Über den Wolken kreisend wie ein Adler, der abgewandt von prosaischer Realität majestätisch seine Schwingen erhebt, und mit seinem Anmut dem Ideal der Freiheit in jeder Bewegung huldigt. Es ist die Bürde seines Schicksals und die Last seiner Geburt, dem bayerischen Volk gerecht zu werden und um ihres Wohles willen das Land zu regieren. So ruht alle Entscheidungsgewalt auf seinen Schultern. Doch Ludwig II. ist ein Gefangener im goldenen Käfig seiner politischen Macht und der Wirklichkeit des Krieges. Der „Märchenkönig“ lebt für die Oper Wagners und sehnt sich nach der Gesellschaft seiner älteren Cousine Elizabeth, Kaiserin von Österreich. Sie ist es, die einen Weg in die Traumwelt des Königs findet und sein Leid teilt. Allerdings kann auch sie ihn nicht vor der Gefahr wahren, die außerhalb der Grenzen seines Landes und innerhalb der Wände seines Schlosses auf ihn lauern. Bismarcks preußische Vorgehensweise mit „Eisen und Blut“ strebt die Institutionalisierung eines deutschen Großreiches an. Aus Loyalität zu seiner geschätzten österreichischen Verwandten und als Protest gegen den Militärstaat muss sich Ludwig dieser Konfrontation stellen. Gleichzeitig wächst der Unmut inmitten der verarmten Bevölkerung über die kostspieligen Eskapaden und Skurrilitäten des Königs. Ein enormes Vermögen investiert der Liebhaber des Schönen und Herrlichen in die Errichtung von architektonischen Meisterwerken und die Förderung der musikalischen Künste Wagners. So unvergleichlich die Oper eines der größten Komponisten sein mag, wie sehr das Schloss Neuschwanstein als imposantes Manifest monarchischer Herrschaft anrührt – ein Volk, das dem Tod näher als dem Leben ist und dessen Oberhaupt geringes Interesse an ihrem Grund und Boden zeigt, sieht in solchen Werken lediglich die vergebene Möglichkeit, den Hunger Vieler zu stillen. Doch nicht nur das scheinbar machtlose Volk äußert Missfallen an dem königlichen Verhalten, auch die elitäre, konservative Beamtenschaft formuliert Kritik an der Regierungsweise und kann auf Dauer einen solchen König nicht hinnehmen.

Dies alles liegt fernab der Wahrnehmung des Königs. Zwar beweist Ludwig entgegen seiner Natur durchaus strategisches Geschick und scharfsinnigen Verstand, doch seine Seele erblüht lediglich in Gegenwart seines Begleiters Hornig. Als Ludwig den gutherzigen Jungen beim Diebstahl erwischt, nutzt er diese Situation kaltblütig aus. Ohne Rücksicht auf Recht und Gefühle stillt Ludwig sein Verlangen an dem außerordentlich attraktiven Mann und befriedigt seine unbändige Leidenschaft. Entgegen jeder Erwartung erduldet Hornig zunächst nur aus Schuld- und Pflichtgefühl gegenüber seinem Herrscher dieses Verhalten Ludwigs. Mit verführerischer Laszivität und emotionaler Hingabe gewinnt der bayrische Herrscher schließlich das Herz des jungen Mannes. Weder die Öffentlichkeit noch Hornigs proletarischer Zwillingsbruder könnten eine solche Verbindung akzeptieren. Folglich überwindet sich Ludwig zu einer Heirat mit der Herzogin Sophie Charlotte, ihres Zeichens eine Verwandte Elizabeths von Österreich. Diese hat ihr Herz schon seit einer Ewigkeit an den glamourösen Herrscher Bayerns verloren und akzeptiert blind vor Glück diese Verbindung. Das kühle und reservierte Verhalten Ludwigs rufen in ihr mehr und mehr Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Gefühle hervor und dieses Misstrauen findet Bestätigung, als sie ihren Geliebten in der Gegenwart seines Begleiters beobachtet. Glühender Hass weicht im Herzen der Herzogin schon bald aufrichtigem Mitleid für das unglückselige Schicksal Ludwigs, der nie Erfüllung in seinem Schicksal erfahren wird. Nachdem die Verlobung aufgekündigt ist, scheinen sich die Ereignisse zunächst dem Guten zuzuwenden. Elisabeth besucht ihren „kleinen“ Cousin und gemeinsam hängen sie ihrem Traum von Freiheit nach. Doch die idyllische Ruhe wird von mehreren Attentaten auf die Kaiserin beeinträchtigt und empfindlich gestört. Als die Ereignisse vor ihrer Aufklärung stehen, werden düstere Geheimnisse enthüllt und provozieren Konflikte.

Dieser historische Manga ist geprägt von geschichtlicher Genauigkeit in Kombination mit einer fesselnden emotionalen Komponente. In erster Linie steht die private Person Ludwig II. im Vordergrund und weniger der politische Akteur. Die Mischung von Fakt und Fantasie entfernt den Staub von den Geschichtsbüchern und weckt das Interesse, diese Epoche genauer zu beleuchten. Abschließend muss ausdrücklich erwähnt werden, dass es auch zur expliziten Darstellung der Shonen-Ai-Beziehung zwischen Ludwig und seinem Begleiter kommt, an dem sich weniger liberale Geister stoßen könnten. Ansonsten lässt sich abschließend nur ausdrücklich eine Empfehlung für dieses Werk aussprechen. Wer Angst hat, wegen Suchtgefahr sein Vermögen in eine endlose Serie zu investieren, dem sei gesagt, dass bereits nach dem dritten Band der Vorhang für Ludwig II. fällt.

© _Stefanie Borgmann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

David, Peter – Herr Apropos von Nichten

Schelmenroman: |aus Spanien stammende Romangattung, die im Ggs. zum Ritterroman das Leben spitzbübischer Schelme, Landstreicher und Glücksritter schildert. Die S. sind meist in der Ich-Form erzählt und tragen häufig satir. und sozialkrit. Züge| – so informiert uns der Brockhaus, und so kann man Peter Davids kleinen Geniestreich „Herr Apropos von Nichten“ kurz charakterisieren, mit dieser Ergänzung: Es ist ein Buch voll von Einfällen, Verwirrungen, Wendungen und Sarkasmen aller Art, es bringt einen zum Schmunzeln, zum Lachen, zum Mitfühlen und zum Lesen mit angehaltenem Atem; spöttisch zerstört es Illusionen über die Gerechtigkeit der Welt oder den Wert des Heldentums, und es präsentiert einen Anti-Helden reinsten Wassers.

Apropos hat’s aber auch nicht leicht. Seine Mutter schlägt sich als Kellnerin in einer heruntergekommenen Spelunke durch. Da sie einmal der Geburt eines Phönix zugesehen hat, glaubt sie, zu Wichtigem bestimmt zu sein – und als sechs Ritter sowie ein Mann im Umhang (vielleicht ein Magier) sie vergewaltigen und sie schwanger wird, glaubt sie um so heftiger daran: Ihr Sohn wird einmal … Sie geht ihrem Beruf weiterhin nach, arbeitet nebenbei auch als Hure und spart, was sie kann, um ihrem Sohn eine Zukunft zu verschaffen. Leider ist der lahm geboren, zum Glück jedoch auch mit einem scharfen Verstand gesegnet; außerdem hilft ihm Tacit, ein junger Robin Hood und Held von echtem Schrot und Korn. Aber gerade diese Freundschaft führt Apropos seine Unzulänglichkeit vor Augen, der Vergleich mit Tacit wird für ihn zur Manie.

Schlüsselstelle des Romans ist die Szene, in der aufgehetzte Bauern die junge Magierin Schari verbrennen wollen. Tacit stürzt los, sie zu retten; Apropos findet das schwachsinnig und überlegt, wie er sich aus der Sache heraushalten kann. Doch als Tacits Versuch scheitert und dieser zusammen mit der Magierin verbrannt werden soll, gibt sich der selbsternannte Egoist („Lieber zehn Minuten lang feige als ein Leben lang tot.“) einen Ruck und kauft die beiden mit Gold und einer List los; woraufhin die Gerettete dem guten Tacit erklärt, wie dämlich sie seine „Rettungstat“ fand. Trotzdem findet Apropos seine eigene Rolle erbärmlich. Und Schari, offensichtlich eine verwandte Seele, verschwindet bald wieder aus seinem Leben.

Kurze Zeit später wird Apropos’ Mutter umgebracht, was den Jungen endgültig aus der „heimischen“ Spelunke forttreibt, an den Königshof, um Gerechtigkeit zu verlangen – Ausgangspunkt einer Kette von Abenteuern, die ihn mal in die Nähe des Todes, dann wieder bis knapp vor den Thron führen … aber keine Sorge: Der Schelm bleibt ein Schelm, und das ist gut, denn von diesem Schelm lebt das Buch. Peter David schildert Apropos’ Innenleben einfühlsam und komisch zugleich, mit viel Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung. Selbst wenn der junge Mann mitten im Geschehen (lies: im Schlamassel) steckt, bleibt er scharfsichtiger Beobachter und scharfzüngiger Spötter: „Unsere Rösser donnerten über die Lichtung, und wir Ritter müssen einen beeindruckenden Anblick geboten haben. Nichts erregt einen wohl so sehr, wie einer Schar Ritter ansichtig zu werden, welche, wenn auch zu spät, zur Rettung heraneilen.“ Er verschont sich selbst ebenso wenig wie seine Umwelt; als er einen Mitknappen als gewissenlos charakterisiert, setzt er hinzu: „Nun gut, schlechtes Gewissen und dergleichen plagten auch mich nur selten bis nie. Aber das ließ sich doch nicht vergleichen. Bei mir stand eine bewusste Entscheidung dahinter, wohingegen Keule einfach zu dumm dafür war.“ Dergleichen bekommt man laufend zu lesen. Was Wunder, ist der Ich-Erzähler doch einer, dem das Leben meist übel mitspielt – besonders immer dann, wenn er seine erste Regel vergisst: sich niemals auf jemanden oder etwas zu verlassen. Natürlich auch nicht auf höhere Mächte. Apropos glaubt zwar an Götter, aber er kommentiert deren Walten in seinem Leben zum Beispiel so: „Ich konnte mir nur einen Grund denken, warum Runzibel mich nicht hatte hinrichten lassen: Die Götter wollten mich noch ein Weilchen länger quälen.“

Eindeutig ist Apropos kein moralisch einwandfreier, positiver Held (er ist ja nicht mal ein Held). Doch David schafft es, ihm alle Sympathie des Lesers zuzuschanzen, selbst wenn er feige oder hundsgemein handelt (was so oft nun auch wieder nicht vorkommt). Ich habe lange kein Fantasy-Buch mit einer so wirklichen Hauptfigur gelesen, und ich hoffe nur, dass der Autor seiner halben Ankündigung im Vorwort noch einen solchen Roman folgen lässt!

© _Peter Schünemann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Annegret Held – Die letzten Dinge. Roman

Der Alltag in einem Altersheim – klingt eigentlich nicht unbedingt nach dem Thema eines großartigen Romans. Wer will darüber schon eine Geschichte lesen? Diese dunklen Winkel des Lebens klammert man doch am liebsten so lange aus, wie man es noch kann. Lieber so lange ignorieren, bis sie irgendwann Realität werden. Aber bis dahin will man lieber nicht zu viel darüber hören. Na ja, es kommt allerdings immer darauf an: Es gibt Menschen, die führen uns so sanft, freundlich und mit einem Augenzwinkern an einen so düsteren Ort, dass man selbst ein Altersheim glatt noch lieb gewinnen könnte. Annegret Held kann so etwas.

Annegret Held – Die letzten Dinge. Roman weiterlesen

Mülbe, Wolfheinrich von der – Zauberlaterne, Die

Piper legt mit diesem Roman ein kleines Juwel niveauvoller Literatur vor, das mancher vorschnell unter „Kinderliteratur“ einordnen könnte. Nun, „Die Zauberlaterne“ ist ebenso Kinderliteratur wie Harry Potter, Kästners „Das fliegende Klassenzimmer“ oder Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ – will heißen, das Buch hat auch für erwachsene Leser seine Reize; manch ein Vater könnte gar finden, dass es ihm selbst besser zusagt als seinen Sprösslingen, die gerade ungeduldig auf das nächste Abenteuer des berühmtesten Zauberlehrlings der Welt warten. Und ohne J. K. Rowling zu nahe treten zu wollen: An Abwechslungsreichtum der Genres, Töne und Erzählweisen übertrifft Wolfheinrich von der Mülbe sie deutlich; er beherrscht das augenzwinkernde Fabulieren eines Münchhausen ebenso wie den melancholischen Ton eines Hans Christian Andersen, die Parodie nicht schlechter als das romantische Gedicht, das Märchen meistert er genau wie die Liebesgeschichte. 1937 erschienen, im gleichen Jahr wie Tolkiens „Hobbit“, erinnert er auch an diesen; beide Bücher entstanden gewiss unabhängig voneinander, sind sich aber an fröhlichen wie traurigen Stellen mitunter so ähnlich wie eineiige Zwillinge. Und natürlich wandelt sich auch im Verlauf dieser Geschichte ein gutherziger, doch anfangs etwas träger und einfältiger junger Mann zum wahren Helden …

Das Ganze beginnt auf Burg Scharfenstein. Mutter Schute setzt ihrem Sohn Kunibert so lange mit dem ach so leuchtenden Beispiel seines Vaters zu, bis der Junge gemeinsam mit seinem Knappen Schorse, einem ungeschliffenen, aber ergebenen und gutmütigen Burschen, auf Abenteuer auszieht. Gesucht wird eine Prinzessin: Ein Königsschloss wäre ein mehr als passender Ersatz für die Burg. Als die beiden den geheimnisvollen Goldenen Ritter treffen und einen Abend auf dessen Burg verbringen, kommt Bewegung in die Sache. Der zauberkundige Beppo zeigt Kunibert in einer Vision viele phantastische Bilder – wir werden sie alle im Roman wiederfinden. Bald darauf reiten Herr und Knappe, nun endlich gut gekleidet, bestens gerüstet und mit genug Geld versehen, in der schönen und reichen Stadt Marsilia ein; König Kasimir, Herr des gleichnamigen Reiches, will seine Tochter Sonja verheiraten. Natürlich gibt es drei Aufgaben zu bestehen. Die erste meistert Kunibert relativ leicht: Er erkennt in einer Menschenmenge die bisher sorgsam verborgen gehaltene Prinzessin, da sein Herz ihn führt. Die zweite Aufgabe führt ihn lange durch viele fremde Länder und Gefahren: Da kein Hofbarbier Kasimir richtig rasieren kann, soll er das wunderbare Rasierzeug finden, das die Fee Süffisande einst ihrem Geliebten schenkte. Leider ist das Set über die ganze Welt verstreut … Und so lernt Kunibert die Länder der Araber kennen (wo der Ritterroman parodiert wird), zieht durch die Wüste (Hauff und seine Märchen lassen grüßen), durchs Königreich Lappalien (ein Leckerbissen für alle, die Bürokraten hassen), besteht gegen einen äußerst interessanten Drachen, gerät in die Fänge eines bösen Gnoms und einer falschen Schönheit (der traurige, tragische Höhepunkt des Buches) und und und …

Mülbes Einfallsreichtum kennt nahezu keine Grenzen, aber immer schimmert durch die Zeilen die Liebe zu seiner Geschichte und zu seinen Lesern hindurch, und das macht den Zauber des Buches aus. Sicher, er schwingt nicht den groben Comedy-Hammer, sein Humor ist von feinerer Art, aber gerade darum liebenswert. Kurz, hier liegt ein Buch vor, das auf eine wundervoll frische Art altmodisch ist; genau wie die oben genannten Werke. Und es ist wie diese voll von lebendigen Figuren, freundlichen und finsteren, komischen und tragischen, realistischen und fabelhaften … Als Inspiratoren für „Die Zauberlaterne“ werden im Klappentext Tucholsky und Kästner genannt, was zweifelsohne stimmt; aber hierhin gehören auch Andersen, Hauff, Hoffmann, Cervantes, Eulenspiegel und Bürger – die besten Traditionen europäischer phantastischer und satirischer Literatur haben an der Wiege dieses Buches Pate gestanden. Und wenn ich einen von Mülbes Enkeln im Geiste nennen sollte, dann fällt mir sofort dieser Name ein: Michael Ende.

© _Peter Schünemann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Die drei ??? – Schrecken aus dem Moor (Band 123)

Marco Sonnleitner ist zwar kein neues Gesicht in der Riege der ???-Autoren, aber auch noch nicht so lange dabei wie manch einer der Alteingesessenen. Sein Debüt lieferte er 2003 mit Band 109 „Gefährliches Quiz“, auf sein Konto gehen unter anderem auch der Nachfolgeband (110) „Panik im Park“, etwas später dann „Schlucht der Dämonen“ (112), 2004 folgte „Codename: Cobra“ (116) und Anfang 2005 „Der schwarze Skorpion“ (120), sowie „Fußballfieber“ (123). Dabei wurde er sukzessive besser, hat man das Gefühl. Band 124 von September 2005 ist sein aktuellstes (und, um es vorweg zu nehmen, auch bestes) Pferd im Stall. Erschienen ist das 128 Seiten starke Stück wie üblich im |Franckh-Kosmos|-Verlag zum ebenso üblichen Preis von 7,90 Euro.

Zur Story

Die drei ??? – Schrecken aus dem Moor (Band 123) weiterlesen

Ellis, Bret Easton – Unter Null

„Less Than Zero“ ist Bret Easton Ellis‘ makaberer Abgesang auf eine von ihren resignierten, desillusionierten und verantwortungslosen Eltern im Stich gelassene, zutiefst verunsicherte Generation, welcher (außer den materiellen) keinerlei Werte vermittelt wurden, und deren Angehörige ihre von Auflösung bedrohte Psyche vor allem durch das Überfrieren der eigenen Gefühlswelt zu stabilisieren suchen.

Ellis [(„American Psycho“) 764 beschreibt hier Menschen, die ihren blassen Charakter hinter Sonnenstudiobräune verbergen, die an dem Versuch scheitern, sich durch |lifestyle| eine Persönlichkeit zu erschaffen, die ihren Porsche nicht für irgendeine Abtreibung in Zahlung geben wollen, die bedeutungslosen Sex haben, weil ihnen die einzig denkbare Gemeinsamkeit der Konsum von Drogen ist, die einander nichts weiter bedeuten als Statisten in einer Szene, die nur deshalb nicht als inzestuös zu bezeichnen ist, weil es in diesen Kreisen überhaupt keine Familiarität mehr gibt.

Gesichtslos, geschichtslos, austauschbar, drogenvernebelt und im jeweiligen Augenblick gefangen, irren sie umher, von Party zu Party, von Rausch zu Rausch, von Film zu Film, gesichtslos, geschichtslos, gefangen, und noch einmal von vorn. Der Erzähler, Clay, ist selbst ein Paradebeispiel dieser Szene: orientierungslos und willenlos dahindriftend, angeödet, zugedröhnt, beziehungsunfähig, rastlos, vor sich selbst und seinesgleichen in eine übersteigerte Konsumwelt flüchtend; so tauchen einzelne Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend – als aus dem Kontext der eigentlichen Erzählung losgelöste Flashbacks – nur sporadisch auf, blubbern durch die sonst so glatte Oberfläche nach oben, um sogleich wieder im allgemeinen Nebel zu versinken, noch bevor Clay einen klaren Gedanken fassen kann; da schimmert nur kurzfristig so etwas wie eine diffuse Sehnsucht auf, die ihm jedoch nie so richtig bewusst wird, denn vorher schon steht das nächste zerstreuende Event an.

Gar nicht mal nüchtern, wohl aber völlig gleichgültig ist der Stil, in welchem Clay sich und seine Umgebung wahrnimmt und unkommentiert an den Leser weiterreicht, so wie überhaupt von den Figuren dieser Erzählung fast alles nur durchgereicht wird: Autos, Drogen, Geld, Kleidung, Musik, und Mitmenschen; mitgenommen, ausgelutscht, weggeworfen.

„Less Than Zero“, so der Originaltitel, zeichnet ein deprimierendes Bild von L.A. und seinen Einwohnern, auch wohl ein überzeichnetes Bild; und doch entbehrt diese Erzählung nicht einer gewissen Authentizität und Ernsthaftigkeit. So vollzieht Ellis mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit eine literarische Gratwanderung: Einem ausgewogenen Arrangement sowie der flüssigen Verknüpfung einzelner Episoden ist es zu verdanken, dass die kaum vorhandene Story in der Balance bleibt (ohne etwa in beliebige Schwatzhaftigkeit abzugleiten), während die von Entfremdung wie von Distanz geprägte, gänzlich unprätentiöse, obgleich geschliffene Sprache sie gegenüber der Darstellung eines dekadenten und pervertierten Lebensstils in den Hintergrund treten lässt. So erhebt sich die Erzählung über die in ihr vorgeführte Oberflächlichkeit.

Ein amerikanischer Albtraum.

Redaktionsteam Rock Hard – Best Of Rock & Metal – Die 500 stärksten Scheiben aller Zeiten

Nach dem häufig kritisierten Rock-Hard-Special „Top 300“, in dem die besten Rock- und Metal-Scheiben aller Zeiten vorgestellt wurden, folgt jetzt eine Erweiterung auf 500 Platten sowie ein offizieller Release in Form eines schön aufgemachten Buches. Neben ausführlichen Reviews (inklusive Cover in genialer Qualität!) werden die wichtigsten Subgenres sowie die Wurzeln des Heavy Metal vorgestellt, letztere Texte allerdings nur in absoluter Mini-Ausführung. So sind 99 Prozent der knapp 240 Seiten Reviewtexte, die auch kostenlos auf der Internetseite des Magazins abrufbar sind. Außerdem ist zu sagen, dass die Artikel über die Subgenres fast allesamt bereits im oben angesprochenen Special auftauchen.

Immerhin hat man sich die Mühe gemacht, einige wenige neuere Scheiben neben den zweihundert „Erweiterungsscheiben“ einzubauen. Zwei Beispiele gefällig? Zum einen wäre da NEVERMOREs „This Godless Endeavor“, zum anderen SYSTEM OF A DOWNs „Mesmerize“. Bei 500 Scheiben nur ein paar aus den letzten Jahren mit einzubauen, ist aufgrund der Tatsache, dass Lobeshymnen auf einen Großteil der neuen CDs im Magazin an der Tagesordnung sind (besonders wenn ich an bekanntere Bands denke), eher erstaunlich als nachvollziehbar. Genauso die Tatsache, wie einige Bands besprochen werden: „Nach diesem und jenem Album versagte die Band XXX komplett …“. Seltsam, im Rock Hard tauchen viele dieser angesprochenen Alben in den berüchtigten „10 x Dynamit“-Seiten auf. Ein weiterer Punkt: Beim Durchlesen der Kritiken wird man das Gefühl nicht los, das eben nicht die Musik, sondern der Erfolg der jeweiligen CD etwas weiter im Vordergrund steht. So ist METALLICAs „Black Album“ ohne Zweifel ein wichtiges Metalwek, das vor allem viele Türen geöffnet hat. Es aber zu den besten Alben aller Zeiten zu zählen und Alben wie „… And Justice For All“ wiederum außen vor zu lassen, ist zumindest als unglücklich zu bezeichnen, da man als Leser davon ausgeht, die musikalisch besten Platten vorzufinden. Und wenn man die eine Seite mit den Türen sieht, muss man auch den Untergang der ehemals besten Metal-Band der Welt mit genau diesem Werk sehen. Ebenso unglücklich ist die Tatsache, dass die Meinungen der Chefredakteure Rensen und Kühnemund offensichtlich immer noch am meisten zählen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist absolut sinnlos, Alben nach ihren Umständen oder Verkaufszahlen zu bewerten und dabei nur wenige Köpfe entscheiden zu lassen. So ist „Back In Black“ wahrscheinlich nur zur Nummer eins gewählt worden, weil Bon Scott kurz zuvor starb und der Überraschungseffekt mit Brian Johnson dementsprechend groß war. Eine ziemlich fadenscheinige Begründung für das angeblich beste Album aller Zeiten. Eine Leserabstimmung wäre zwar aufwendig, aber wohl eindeutig vorzeigbarer gewesen.

Einige Bands sind mit mehreren CDs vertreten. Bleibt nur die Frage, wie man zwischen Götteralben wie „Powerslave“, „Somewhere In Time“, „Killers“ (übrigens das beste IRON MAIDEN-Album im Buch), „Piece Of Mind“ oder „Number Of The Beast“ entscheiden soll. Wieso nun ausgerechnet dieses und jenes Album es geschafft hat und nicht ein anderes, bleibt wohl das Geheimnis der Redakteure. Auch letzter Punkt spricht eindeutig für eine nicht gegebene Objektivität. Außerdem wird man das Gefühl nicht los, dass auch einige No-Name-Truppen nur vertreten sind und reingepresst wurden, damit man nicht von dem sprechen kann, was ich die ganze Zeit kritisiere. Wobei man Rock Hard zu Gute halten muss, dass die Genre-Grenzen äußerst weitgreifend ausgewählt wurden: Von QUEEN über GREEN DAY und NIGHTWISH bis hin zu RAMMSTEIN sind alle Bands vertreten, die irgend etwas mit Gitarren am Hut haben. Natürlich merkt man den Reviews auch an, dass dort absolute Profi-Schreiberlinge am Werk sind, darüber braucht man gar nicht erst zu diskutieren.

Bei allem Respekt vor der Größe des Rock Hard: Man hätte einfach die 500 besten Bands mit einigen empfehlenswerten Alben pro Gruppe in das Buch verbannen und somit die Reihenfolgen ad acta legen sollen. Denn wer kann schon zwischen einem 412., 318. oder 77. Platz bei mehreren zehntausend erschienenen Rock- und Metalalben unterscheiden. Besonders, wenn gerade mal ein Dutzend Leute das Sagen haben.

Im Endeffekt darf man also nicht zu viel erwarten, die subjektive Meinung der Redakteure ist ausschlaggebend und nicht die Sichtweise der Metal-Fans, die sicherlich innovative und absolut geniale Bands wie PAIN OF SALVATION (nur ein Beispiel) lieber in der Rangliste gesehen hätten als den 200. relativ unbedeutenden US-Metal-Act. Auf der anderen Seite wird ein Querschnitt durch die Rock- und Metalmusik aufgezeigt, der so noch nicht vorhanden war. Die erhoffte ultimative Rangliste bringt Rock Hard damit aber nicht heraus, und diese – meine – Meinung ist nicht subjektiv, sondern objektiv.

Feist, Raymond E. – Elfenhügel

Pittsville, wir kommen! – die amerikanische Bilderbuch-Familie Hastings nämlich: Vater Phil, geachteter Schriftsteller, aber des gemeinen Volkes nicht entrückt, weil außerdem Drehbuch-Autor für rabaukige Hollywood-Blockbuster; Mutter Gloria, einst Schauspielerin ebendort, aber längst Hausfrau & Mutter und glücklich am heimischen Herd, wo ihre Familie sie am liebsten sieht; Sean & Patrick, die achtjährigen Zwillinge, laut aber lieb, dem Baseball-Spiel zugeneigt und somit zwei richtige Jungens, die das Herz jedes braven Bürgers im Leibe lachen lassen, sowie Gabrielle, rollig erblühte Spät-Teenager-Tochter Phils aus einer ersten Ehe (gescheitert, weil die verworfene Ex ihre Karriere mehr liebte als die Familie, weshalb sie von ihrem Kind auch verstoßen wurde – recht so!).

Haben wir noch jemanden vergessen? Richtig! Bad Luck, der nicht besonders kluge, aber ulkige & tapfere Labrador-Familienhund, und Ernie, der Kater, komplettieren das Fleisch gewordene Quintett uramerikanischer Tugenden, das gerade in das kleine Städtchen Pittsville irgendwo dort im Staate New York gezogen ist, wo es noch ländlich und ehrlich zugeht. Phil ist des lockeren Hollywood-Daseins überdrüssig geworden (nachdem er ordentlich abkassiert hatte), besinnt sich tugendhaft auf seine schriftstellerischen Wurzeln und sucht sich ein ruhig gelegenes Haus, um dort endlich wieder ein Buch zu schreiben. Ganz wie im richtigen Leben folgt ihm die Familie freudig ins Exil, das sich als Idylle mit einem gewaltigen Haken entpuppt.

Denn es spukt tüchtig in und um Old Kessler Place, unter der alten Trollbrücke und auf dem Erlkönig-Hügel. Der alte Barney Doyle hat’s gesehen, und da er in Irland geboren ist (und deshalb einem guten Schluck nicht abgeneigt, wie ja die Iren überhaupt fröhliche, meist rothaarige Zecher sind, die gern zur Geige tanzen, wie der gute Amerikaner über dieses Volk weiß), wo die Kobolde seit jeher des Nachts über die Kartoffelfelder klabautern, weiß er sofort, was vorgeht: Die Weiße Königin der Feen hat sich mit ihrem übernatürlichen Hofstaat heuer ausgerechnet in Pittsville niedergelassen! Jeweils in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November – Happy Halloween! – schlägt dieser irgendwo auf der Welt sein Lager auf, um dort seinen übernatürlichen Geschäften nachzugehen. Weil im Geisterreich öfter mal ein Fenster zum Diesseits offen steht, stolpert immer wieder überraschtes Menschenvolk (siehe B. Doyle) in die Feenrunde, was ihm meist nicht gut bekommt.

Dieses Mal ist es sogar schlimmer als sonst, denn der trotz seines Namens eher finster gesonnene „Leuchtende Mann“, das dunkle Gegenstück zur Weißen Königin, hat das auf die Nacht beschränkte Spukdasein satt. Wie wir nach und nach erfahren, lebten Menschen und Elfen einst in wenig friedlicher Nachbarschaft auf dieser Welt, bis nach einem schrecklichen Krieg Erstere die Letzteren ins Exil (bzw. in die Märchenbücher) zwangen, das sie seither nur beschränkt verlassen dürfen. Besiegelt wurde der Vertrag durch ein Pfand – einen gewaltigen Goldschatz, der mit dem Hofstaat reist und folglich in diesem Jahr auf dem Erlkönig-Hügel verborgen wurde. Der Leuchtende Mann lenkt listig die Aufmerksamkeit der Hastings auf diesen Hort, der froh gestimmt – wer könnte es ihnen verdenken – aus dem Erdreich gebuddelt wird. Leider gilt dadurch der besagte Vertrag als gebrochen, was dem Leuchtenden Mann das Recht gibt, seine Herrschaft nunmehr auf das Diesseits auszudehnen. Unterstützt von seinem gruseligen Helfershelfer, dem Bösen Ding, aber immer noch unterworfen den Gesetzen der Feistschen Holzhammer-Dramatik, muss der böse König erst die Hastings aus dem Weg räumen, bevor ihm dies gelingen kann. Ganz souveräner Fürst der Finsternis, raschelt er zunächst Unheil verkündend im Unterholz umher, killt dann die Katze und entführt schließlich, als trotzdem niemand recht von ihm Notiz nehmen mag, einen der Zwillinge, um ihn gegen ein Wechselbalg – ein spukhaftes Ebenbild – auszutauschen. Dass man so vielleicht mit bangbüxigen Franzosen und anderen Europäern (sowie vielleicht noch Kanadiern), aber keineswegs mit echten Amerikanern umspringen kann, muss der Erlkönig auf die harte Tour lernen, als Zwilling Zwei und der erboste Vater im Geisterreich auftauchen, um ihn und seine Spießgesellen Mores zu lehren …

… und wenn sie nicht gestorben sind, dann wird es langsam Zeit, wie einst ein bekannter deutscher Komiker kalauerte, den ebenfalls die Zeit einholte und der inzwischen mindestens ebenso tot wie der Erlkönig ist. Mythen sind empfindliche Pflänzchen, die nur auf Humus, aber nicht auf Mist gedeihen. Da Raymond E. Feist den Unterschied nicht zu kennen scheint, wuchert sein „Elfenhügel“ schnell zu einem entarteten Bastard aus Instant-Fantastik, Rotkäppchen-Grusel und Seifenoper heran, der den Leser in Verdruss und Langeweile zu ersticken droht. Die Ausgangsidee ist eigentlich einfach, aber gut und entwicklungsfähig: Neu ist es zwar nicht, auf den Spuren Shakespeares zu wandeln und den „Mittsommernachtstraum“ in neuen Kulissen zu inszenieren. Feen, Elfen, Kobolde und andere Märchenwesen mit der realen Welt des inzwischen 21. Jahrhunderts zu konfrontieren, funktioniert aber immer noch – wenn man mit einem Mindestmaß Talent und Inspiration gesegnet ist. Beides geht Feist offensichtlich ab. Sollte das wundern bei einem Mann, dessen Ruhm und Ruf sich auf ein ebenso endloses wie mittelmäßiges Tolkien-Abklatsch-Fantasy-Epos namens „Midkemia“ gründet?

Dabei sind die echten fantastischen Elemente dem Verfasser noch am besten gelungen. Als das Hastings-Rollkommando das Elfenreich erreicht, merkt man Feist die Erleichterung an, wieder vertrautes literarisches Terrain erreicht zu haben. Die hier spielenden Szenen sprühen zwar ebenfalls nicht vor Originalität, aber sie überzeugen wenigstens und verraten vor allem endlich, wieso Feist ein so beliebter Autor von Unterhaltungsromanen ist. Aber bis es so weit ist, muss der Leser ein weites, bitteres Ödland durchqueren. Der „Elfenhügel“ erhebt sich nicht in der völlig dem Hier & Jetzt enthobenen Fantasy-Welt Midkemias, sondern in der realen Welt der Gegenwart (bzw. des Jahres 1988, denn so ganz taufrisch ist dieser Roman nicht mehr). Damit begibt sich Feist freiwillig aufs Glatteis, denn er muss hier, wo sich seine Leser mindestens genauso gut auskennen wie er, der Realität deutlich stärker Tribut zollen als dem Wunschdenken. Sein Unvermögen in dieser Hinsicht macht „(Der) Elfenhügel“/“Der Märchenhügel“ geradezu erschütternd offenbar.

Die Kritik muss sich noch mehr als am Plot an der Personenzeichnung entzünden. Feist ist Amerikaner; ein Punkt, den es sehr wohl zu berücksichtigen gilt, weil er erklärt, was primär den lesenden Europäer irritiert. Besonders gut lässt sich das am „deutschen“ Handlungsstrang der Geschichte erläutern. Den Elfenspuk und die Einhaltung des Friedens überwacht nämlich ein geheimer, uralter, geheimer Geheimbund freimaurerischer Tempelritter-Illuminaten. Er ist zuletzt in „Süddeutschland“ aktiv geworden, und das muss man in Anführungsstrichen schreiben, denn Feists Vision von Deutschland im Jahre 1905 ist die eines grotesk-pseudomittelalterlichen Märchenlandes, bevölkert von furchtsamen, abergläubischen Bauern, die von der in diesem Landstrich zwei Jahre nach dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright offenbar immer noch aktiven Inquisition brutal ausgerottet werden, als sie damit beginnen, den Alten Göttern Menschenopfer zu bringen … Kommentar wohl überflüssig.

Feist hat zwar durchaus begriffen, dass es nicht so ohne Weiteres möglich ist, die Geisterwelt von der Alten in die Neue Welt zu verpflanzen; während die Menschen zu Millionen über den Großen Teich reisten, blieben die Elfen lieber in Europa. Sie wussten schon, wieso sie dies taten, denn Feist konfrontiert sie dort jetzt mit einer kaum erträglichen Bande pappiger Popanze, dem US-Kino oder -Fernsehen dort entsprungen, wo es am verlogensten ist, schrecklicher als jeder Leuchtende Mann und jedes Böse Ding: mit der amerikanischen Durchschnittsfamilie!

„Heim ist, wo das Herz ist“, heißt das Sprichwort, aber nicht nur Al Bundy selig hat es in „…, wo der Horror ist“ abgewandelt. Feist versagt spektakulär, wo Steven Spielberg und Stephen King trotz allen Kitsches regelmäßig an unser Herz rühren: in der Beschreibung jenes seltsamen, ebenso fragilen wie unverwüstlichen, schrecklichen, wunderbaren, unersetzlichen Phänomens, das wir „Familie“ nennen. Die Hastings sind keine Familie. Sie verkörpern stattdessen jenes grässliche Zerrbild (mitsamt treudoofem Hund), wie es bevorzugt konservative Politiker, reaktionäre Kirchenfürsten oder psychisch derangierte Tugendbolde propagieren. Man fiebert und bangt nicht mit den Hastings, sondern wünscht ihnen schon sehr bald einige kräftige Trolle mit scharfen Schwertern auf den Hals. Unter der Schlangenhaut aus Affenliebe und Leutseligkeit tritt eine oberflächliche, engstirnige Gesinnung und die unbarmherzige Diktatur des manisch Tüchtigen zu Tage. Wenn das Elfengold geborgen wird, bewundert man nicht seine Schönheit, sondern taxiert aufgeregt Münze für Münze nach Dollar und Cent. Phil Hastings hält gern weitschweifige Predigten gegen Hollywood-Babylon, das er zum Frommen seiner Familie und um der hehren Kunst willen verlassen hat – um im Finale fürstlich bezahlt für einen weiteren IQ-Null-Blockbuster dorthin zurückzueilen. Der zum scheußlich schäumenden Wechselbalg zitierte Wunderarzt erläutert den gebrochenen, aber zahlungskräftigen Eltern sachlich, wie sie den scheinbar wahnsinnig und damit wertlos gewordenen Sohn in einem weit entfernten Pflegeheim entsorgen können.

Solche Passagen lassen sich viele finden in diesem an Ärgernissen reichen Werk, aber den einsamen Gipfel der Lächerlichkeit erklimmt Feist mit der Schilderung eine Plänkelei zwischen Gabrielle, der überreifen Hastings-Tochter, und Puck, dem fröhlich-geilen Luft- und Lustgeist. Zweifellos als Höhepunkt knisternder Erotik gedacht, produziert der Verfasser einen schier endlosen Schwall schwülstig-verklemmter Schweinigeleien, der peinlich gekrönt wird durch den abrupten Abbruch des Liebesspiels, als es wirklich ernst wird: Im Mutterland der frömmlerischen Doppelmoral muss sich auch ein Puck mit Petting begnügen, wenn ihm ein anständiges Mädchen gegenüberliegt.

Die deutsche Ausgabe aus dem Jahre 2000 prunkt zwar mit einem für ein Taschenbuch recht pompösen Äußeren (für das man aber seinen Preis zu zahlen hat, was unter den beschriebenen Umständen doppelt schmerzt), stützt sich aber leider immer noch auf die Übersetzung der Erstausgabe von 1991 (deren Existenz im Impressum aus unerfindlichen Gründen unterschlagen wird; sie sei an dieser Stelle bzw. weiter unten enthüllt). Diese ist weniger schlampig als schlicht und ergreifend ungenügend, weil hölzern, dilettantisch und heftige Schmerzen auf dem eigentlich kurzen Weg zwischen Sehnerv und Hirn erzeugend. Der gesellt sich dann zu der schrecklichen Leere in der Geldbörse und rundet den unerfreulichen Eindruck ab, gar zu viel kostbare Lebenszeit dem Versuch geopfert zu haben, eine ziemlich taube Nuss zum Keimen zu bringen.

Apter, Jeff – Fornication: The Red Hot Chili Peppers Story

Der Sinn oder Unsinn einer Biographie über eine Band, die noch aktiv ist oder gar auf einem Zenith ihrer Popularität steht, wäre als Diskurs mehr als nur geeignet, um auf das neue Werk von Jeff Apter über die kalifornischen Alternativrocker der |Red Hot Chili Peppers| hinzuweisen. Kompromiss der Frage? – Zumindest der Zeitpunkt scheint nicht nur arbiträr, sondern im Gegenteil ziemlich passend gewählt, da die Band, die im nächsten Jahr nach einer Pause von knapp drei Jahren ein weiteres Album veröffentlichen wird, zum erneuten Male an einem Wendepunkt stehen könnte, in jedem Fall aber den Wiederaufstieg mit mehr als nur einem Zufallshitalbum geschafft hat. Das kalifornische Quartett, das seit mehr als 22 Jahren aktiv ist und nach dem (zumindest kommerziellen) Fast-Absturz in die Bedeutungslosigkeit mit nunmehr zwei musikalisch und verkaufstechnisch herausragenden Alben („Californication“ und „By The Way“) wieder mehr als nur einen Fuß in der Tür hat, zählt zweifellos zu den wichtigsten aktiven amerikanischen Rockbands überhaupt und darf darüberhinaus als einige der wenigen Bands gelten, die Genre-übergreifend Zustimmung von diversen Musikfans erhält. Dabei liest sich die Geschichte der |Red Hot Chili Peppers| wie ein ständiges Auf und Ab zwischen Misserfolg, durchschlagenden Hits, Drogensumpf und Entziehung, bei der man kaum glauben mag, dass es am Ende doch immer wieder die kreative Magie der Musik war, die das Chaos überwinden konnte.

Der Australier Michael Apter, langjähriger australischer Musikjournalist und vormals Chefredakteur des dortigen |Rolling Stone|, der auch schon ein ähnliches Buch über die Alternativrocker |Silverchair| veröffentlicht hat, versucht sich mit seinem Zweitwerk daran, diese Geschichte nachzuerzählen. Auf 444 Seiten schildert Apter die Biographie der |Red Hot Chili Peppers| von der Kindheit der einzelnen, im Laufe der Zeit diverse Male wechselnden Bandmitglieder bis hin zum immer noch aktuellen Album „By The Way“. Wer an dieser Stelle allerdings ein klar gegliedertes und stichpunktartig strukturiertes Werk vor Augen hat, könnte kaum weiter daneben liegen. Apter hat einen deutlichen Hang dazu, weitläufig zu erzählen, schmückt den komplett fortlaufenden, offenbar nur zum Schein mit Kapitel versehenen Text mit Anekdoten, Auszügen der Geschichte des Rocks der 90er Jahre und den entsprechenden Aktivitäten verwandter Bands, Anmerkungen, Interviewschnipseln und Kommentaren von Kollegen, kann aber dabei nicht das Kunststück vollziehen, dem Ganzen eine einheitliche Struktur oder eine Ordnung außer der chronologischen zu geben, was das Buch zwar sehr informativ, aber etwas unlesbarer als Vergleichswerke macht, vor allem dann, wenn man ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Phase kurz nachschlagen will, was auch der eingebaute Stichwortindex am Ende des Werks (man wusste offenbar um diese Schwäche des Texts) nicht wirklich wettmachen kann. Die musikgeschichtlichen Verweise mögen zwar meistens recht passend sein und das Werk mit Hintergrundwissen anreichern, lassen aber zuweilen aber auch recht seltsame Blüten sprießen, etwa wenn der Autor einen Absatz über die Lyrics eines |Radiohead|-Songs aus der selben Zeit einschiebt, der zur gerade erzählten Situation bei den |Chili Peppers| zu passen scheint, mit dem Erzählten an sich allerdings gar nichts zu tun hat.

Das äußerliche recht ansprechende Musikbuch ist mit diversen Fotos garniert, die allerdings leider zum einen nur in schwarzweiß vorhanden sind, zum anderen gebündelt an ein paar Stellen des Buchs zusammengefasst sind. Wesentlich sinnvoller und illustrativer wäre wohl gewesen, die Fotos den einzelnen beschriebenen Ereignissen im Buch zuzuordnen und besser einzubinden, andererseits entspricht es natürlich dem geschlossen (Text-)Charakter dieses Werks, die Fotos eher als Beigabe denn als tatsächliches Element zu betrachten.

Insgesamt bleibt es recht schwer, für „Fornication“ eine eindeutige Wertung auszusprechen, dazu ist das Werk eindeutig zu zwiespältig: Während wir es einerseits natürlich ganz klar, schon aufgrund von fehlenden Alternativen, mit dem neuen Referenzwerk über die |Red Hot Chili Peppers| zu tun haben, das für den Fan eine Fundgrube an auch tiefer gehender (Hintergrund-)Information sein kann, muss man andererseits auch seine bereits erwähnte Weitläufigkeit und Unstrukturiertheit kritisieren, die zudem (für eine Bandbiographie) einen zu deutlichen Fokus auf Anthony Kiedis legt. Zudem kann auch bei den Zugaben (lediglich eine umfangreichere Diskographie ist zusätzlich vorhanden) und den enthaltenen Fotos auch kaum von einem deutlichen Mehrwert die Rede sein, der den doch recht hohen Preis rechtfertigen könnte. Wer die Band bereits kennt, dem ist dieses eher an einem Stück konsumierbare Buch in höchstem Maße zu empfehlen, wer allerdings ein leicht zu bedienendes, kurzweiliges und informatives Nachschlagewerk mit Zitaten wie etwa das |Nirvana|-Standardwerk „Come As You Are“ von Michael Azzerad oder Ähnliches erwartet, wird hier enttäuscht sein. Im Rahmen der genannten Prämissen kann und muss man allerdings Jeff Apter ein durchweg gelungenes Buch attestieren, welches zwar stilistisch in den einzelnen Kapiteln zu eng mit dem Musikjournalismus diverser Zeitschriften verwandt ist, allerdings als komplettes Werk äußerst lesenswert erscheint und den Anspruch einer als fortlaufender Gesamttext gestalteten Bandbiographie mehr als nur erfüllt. Der langen Rede kurzer Sinn: Fans brauchen das unbedingt. Die anderen lesen vorher mal rein.

http://www.bosworth.de

Henkel-Waidhofer, Johanna / Marx, André / Minninger, André – Die drei ??? – Flammen des Bösen (Sammelband)

Eine Serie begleitet und fasziniert heutige Thirtysomethings schon seit ihrer Kindheit. Die Rede ist vom Klassiker „Drei Fragezeichen“ oder auch „Die drei Detektive“ genannt. Letzteres kommt dabei näher an den amerikanischen Originaltitel „The Three Investigators“ heran. Hierzulande haben sich die drei verschiedenfarbigen Fragezeichen (weiß, rot, blau) auf schwarzem Cover längst als Aushängeschild und weithin bekanntes Markenzeichen der Serie etabliert. Eine weitere Vorstellung erübrigt sich eigentlich, denn DDF kennt wirklich fast jedes Kind.

Seit den Siebzigerjahren hat sich das Cover-Design jedenfalls kaum verändert. Früher firmierte man noch unter |Franckh’sche Verlagsgesellschaft|, heute ist das geändert in |Franckh-Kosmos|. Das Aussehen der Bücher blieb weitgehend gleich. Seit das Haus zur |Bertelsmann|-Gruppe gehört, verlegten diese die DDF auch mal als Taschenbuchausgaben unter ihrem Ableger „Omnibus“. Mit alternativen Titelbildern. Igitt. Diverse Sammelbände sind auch im Umlauf. Richtigen Kultstatus genießen jedoch bei Sammlern nur die Franckh-(Kosmos-)Hardcover, was anderes kommt nicht ins Regal. Wenn möglich, sogar nur Erstausgaben.

Ihren anhaltenden Erfolg in Deutschland hat die Serie im Besonderen der inzwischen berühmten Hörspielumsetzung zu verdanken, bei der bislang 120 Fälle der Jungs veröffentlicht wurden – und weiter neue Storys geschrieben und vertont werden, obwohl die ausgelaufene „Hitchcock-Lizenz“ ein geändertes Marketing des gesamten ???-bezogenen Produktkatalogs erfordert. Im Moment stehen daher die Zeichen nicht nur in den |EUROPA|-Tonstudios, sondern bei Konzernmutter Bertelsmann insgesamt auf „kreative Pause“. Derzeit sind die Bücherveröffentlichungen (125 Fälle) den Hörspielen um einige Bände voraus. Doch das nur am Rande.

_Zur Serie_

„Die drei Fragezeichen“, das sind kalifornische Jugendliche aus dem fiktiven Kaff Rocky Beach – irgendwo zwischen L.A. und Santa Monica gelegen. DDF, das ist vor allem das übergewichtige Superhirn Justus „Klugscheißer“ Jonas, der irgendwann mal mit seinen Kumpels Peter „Angsthase“ Shaw und Bob „Bücherwurm“ Andrews eine kleine Privat-Detektei eröffnet hat. Erwachsene, die darüber milde lächeln und die Ernsthaftigkeit der Jungs anzweifeln, werden stets eines Besseren belehrt. Das Trio wird nicht müde, seine berüchtigte Visitenkarte zu zücken und jedem, der es wissen will (oder auch nicht), die Bedeutung der drei großen Fragezeichen darauf zu erläutern.

Wenn man eines jedoch nicht tun darf, dann ist es, ihren kriminologischen Spürsinn sowie ihre Hartnäckigkeit zu unterschätzen. Die Jungs bearbeiten Fälle, die vielen Erwachsenen (respektive den Cops) meist zu banal oder grenzwertig erscheinen, sich aber nicht selten zu handfesten Verbrechen entwickeln. Egal ob angeblicher Geisterspuk, marodierende Urzeitwesen oder auch vermeintliche Werwölfe – Ihr Motto lautet stets: „Wir übernehmen jeden Fall“. Mag er auch noch so unglaubwürdig und abgedreht klingen. Ihre Erfolgsquote ist hoch und sie nehmen grundsätzlich kein Honorar für ihre Dienste.

_Zum Buch_

Da dies eine aktuelle 2005er Veröffentlichung ist, erscheint das Buch bereits ohne Namen und Logo von Alfred Hitchcock. Ein Anblick, an den man sich als langjähriger Fan erst einmal gewöhnen muss. Das heißt, eigentlich ist der Sammelband eine Wiederveröffentlichung, denn er enthält nicht mehr ganz taufrische Geschichten aus den 90ern – sie stehen inhaltlich in keinem Zusammenhang zueinander und sind (wie überhaupt alle ???-Storys) in sich abgeschlossen – mit Ausnahme eines „spezialgelagerten Sonderfalls“, nämlich der Nummer 100 – „Die Toteninsel“, welche aus drei einzelnen Büchern besteht, die untrennbar als Fortsetzungsgeschichte zusammengehören. Warum aber ausgerechnet hier nun diese Auswahl von Geschichten vom Bertelsmännischen DDF-Haus-und-Hof-Verlag |Frankh-Kosmos| ausgewählt wurden, ist dagegen nicht überliefert. Ist auch nicht wichtig, kümmern wir uns lieber mal detaillierter um deren Inhalte.

_Die Storys_

|“Spuk im Hotel“|
Erzählt von Johanna Henkel-Waidhofer
Erstveröffentlichung 1994

Justs Freundin Lys de Kerk bittet die drei Fragezeichen, sich doch mal bitte im „Old Star“ Hotel umzutun, ihre alte Schauspiellehrerin Armanda Black – der das ehrenwerte Haus gehört – steckt in Schwierigkeiten. Lys hat die drei Jungs wärmstens empfohlen. Die stolze Dame und Ex-Actrice hat ein Problem mit Gegenständen, die verschwinden und an höchst seltsamen Stellen wieder auftauchen. Eine Wanduhr im Swimmingpool zum Beispiel. Justus und Bob verdingen sich offiziell als Bedienstete, Peter hingegen darf sich aufgrund seines Losglückes als Gast im Hotel einmieten und die Augen offen halten. Vollkommen inkognito. Das Verschwinden betrifft zunächst nur Armandas persönlichen Dinge und Memorabilia ihrer Schauspielkarriere, später weiten sich die geheimnisvollen Übergriffe auch auf die Gäste aus. Diese sind zu Recht natürlich sauer und verunsichert. Will jemand Mrs Black in den Wahnsinn oder den Ruin treiben? Oder vielleicht sogar beides?

|Kurzkritik|
Ich persönlich mag die von JHW erdachten Geschichten generell nicht so sehr, wenngleich ihr das Verdienst zukommt, die Serie unbeirrt fast im Alleingang vorangetrieben zu haben, als sie Anfang der 90er leicht schwächelte. Allerdings gehört diese Story hier definitiv zu ihren besseren. Die Handlung schlägt einige interessante Haken, ist nachvollziehbar-logisch aufgebaut und gar einigermaßen spannend zu lesen. Auch wenn das Motiv – wie so oft bei ihr – zu schnell zu deutlich wird, so sind die wahre Täterschaft sowie die exakten Umstände dem Leser lange Zeit ein ziemliches Rätsel. Gewürzt ist das Ganze mit kleinen Rangeleien der Jungs untereinander, was die Erzählung deutlich auflockert. Natürlich darf Schlaumeier Justus am Ende wieder mal im Fast-Alleingag scharfsinnig vom Leder ziehen. Alles in allem ein guter und auch lesenswerter Mittelklasse-Fall der drei ???.

|“… und das brennende Schwert“|
Erzählt von André Marx
Erstveröffentlichung 1997

Onkel Titus macht eine sehr seltsame Erbschaft. Ein sehr flüchtiger Bekannter von vor über 20 Jahren ist kürzlich verstorben und hat ihm unerwartet einen bemerkenswerten Glasstein vermacht, den er laut Testament nicht mal behalten darf, sondern an einen ominösen „Beany“ weitergeben soll. Titus kennt aber niemanden diesen Namens und beauftragt die drei Detektive damit, diesen Beany zu finden. Zwei weitere Erben gibt es und sollen es ihm gleichtun und ihre vererbten (ebenfalls seltsame) Gegenstände weitergeben. Diese beiden kennt Titus aber auch nicht. Keine üppige Ausgangslage für die Satzzeichen, die aber nach zähen Ermittlungen herausfinden, dass die insgesamt drei Teile zusammengesetzt das sagenumwobene und lange verschollene „brennende Schwert“ ergeben – das ultimative Heiligtum einer nicht gerade als zimperlich verschrienen Sekte. Es sind einige krumme Gestalten hinter dem Kultgegenstand her – Verspricht er doch die uneingeschränkte Macht über die Bruderschaft des Schwertes.

|Kurzkritik|
André Marx hat nicht nur mehr Geschichten verfasst als alle anderen Autoren der Serie, er ist auch immer für besonders aktuelle, zeitgeistige Themen gut. Diesmal sind es Gefahren des Sektentums respektive der Geheimbündelei, welche er dreifragezeichenpädagogisch aufbereitet. Das war und ist allerdings nicht ganz neu, das hatten wir schon bei der „singenden Schlange“ und dem „magischen Kreis“, zwei absoluten Klassikern. Das „flammende Schwert“ ist jedoch kein Abklatsch davon, zwar mit ähnlichem Charme ausgestattet, dabei aber naturgegeben moderner sowie psychologisch und erzählerisch ausgefeilter geraten als seine doch eher naiv anmutenden Serien-Vettern aus den Sechziger- und Siebzigerjahren. Der heutigen (zumeist jugendlichen) Leserschaft kann man eben nicht so platte Geschichten vorsetzen wie damals. Das flammende Schwert gilt zu Recht als eine der besten Geschichten der Serie – sowohl als Buch als auch als Hörspiel.

|“Stimmen aus dem Nichts“|
Erzählt von André Minninger
Erstveröffentlichung 1997

Justus wird bei einem Arztbesuch Zeuge, wie die alte Mrs Holligan beinahe zusammenbricht. Auf der Praxis-Damentoilette ertönte angeblich die drohende Stimme ihrer Schwester. Die Sache hat einen klitzekleinen Haken: Abigails Schwester Tesla weilt seit drei Monaten nicht mehr unter den Lebenden. Dennoch terrorisiert sie Abigail weiter, wie schon zu Lebzeiten. Kurzerhand bietet Justus ihr die Dienste der Detektive an, denn obwohl die nervlich arg angeschlagene Dame sich wegen dieser quälenden Stimme aus dem Nichts in psychologischer Behandlung befindet, glaubt Just, dass Mrs Holligan alles andere als verrückt ist. Trotz der zunächst erteilten Zustimmung, ihr helfen zu dürfen, gebärdet sie sich den Dreien gegenüber plötzlich sehr seltsam und abweisend. Ist sie doch reif für die Klapse? Rationale Erklärungen für die Geisterstimme weist sie jedenfalls entschieden zurück und die drei Detektive müssen sich ganz schön reinknien, wenn sie den offensichtlich oberfaulen Zauber auch als solchen entlarven wollen.

|Kurzkritik|
André Minninger zeichnet sich seit einigen Jahren in erster Linie als Drehbuchautor der Hörspielserie aus, wobei er in H.G. Francis‘ große Fußstapfen steppte und dabei bis heute eine sehr gute Figur abgab und -gibt. Vielleicht liegt es daran, dass die ausgeklügelte, tiefsinnige Geschichte eher in der audiblen Darreichungsform zündet. Die Dramaturgie der ansonsten sehr gut durchdachten und spannenden Psycho-Story scheint nämlich irgendwie von vornherein gleich darauf ausgelegt zu sein, später leichter vertont werden zu können – dort kann man mit Soundeffekten und anderen Tricks arbeiten, was im Buch schlechterdings unmöglich ist. Das muss naturgegeben ohne solche Kunstgriffe auskommen und hat es dementsprechend schwerer. das nötige Flair zu schaffen. Und tatsächlich liegt die atmosphärische Dichte des Kopfkinos eine Nasenlänge hinter der des Hörspiels, was man ja doch eher selten antrifft. Dennoch ein sehr guter unter den ???-Fällen.

_Fazit_

Ob nun mit oder ohne Hitchcock-Label: Diese Zusammenstellung leistet sich, anders als der 25-Jahre-Jubiläums-Sammelband „Schrecken der Nacht“ (zusammengestellt von Konzernmutter |Bertelsmann|) aus dem Jahr 2004, keine wirkliche Schwächen. Alle drei Geschichten gehören durchweg zur gehobenen Ausstattung der Serie. Unangefochtener Top-Star ist „Das flammende Schwert“, dicht gefolgt von den zunächst nicht verstummen wollenden „Stimmen aus dem Nichts“ und dem immerhin noch überdurchschnittlichen faulen Zauber beim „Spuk im Hotel“. Die moderate 9,95 Euro teure Compilation kann man ruhigen Gewissens weiterempfehlen. Auch – und gerade – Einsteiger in die Serie bekommen hier einen repräsentativen Blick in die Welt der drei sympathischen Junior-Schnüffler. Bibliophile Sammler und eingefleischte Fans werden auch diesen 3er-Band, obwohl preislich sicherlich sehr attraktiv, höchstwahrscheinlich wieder mit Nichtachtung strafen.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
„Die drei ???® – Flammen des Bösen“
basierend auf den Charakteren von Robert Arthur
Random House, New York
Franckh-Kosmos, Stuttgart / Bertelsmann Gruppe
Erstauflage 02/2005
380 Seiten, Hardcover, ISBN: 3-440-10206-8

Hobb, Robin – Wahre Drache, Der (Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher IV)

Band 1: [Der lohfarbene Mann 230
Band 2: [Der goldene Narr 232
Band 3: [Der weiße Prophet 1969
außerdem: [Der Adept des Assassinen 229 (Die Legende vom Weitseher 1)
und ergänzend: [Der Ring der Händler 281 (Die Zauberschiffe 1)

„Der Wahre Drache“ stellt die zweite Hälfte des aufgeteilten englischen Originals „Fool’s Fate“ dar und schließt Robin Hobbs in der deutschen Version vier Bände umfassende Trilogie „Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher“ ab. Im Mittelpunkt steht das Schicksal des Geschlechtes der Weitseher, das aus der Warte des Weitseher-Bastards FitzChivalric geschildert wird, dessen bewegtes Leben schon in der ersten Trilogie im Mittelpunkt stand.

Gleichzeitig verbindet Hobb damit ihre beiden großen Sagas um die Weitseher und die Zauberschiffe miteinander, denn das Partnerproblem der letzten Drachenkönigin Tintaglia sowie das Schicksal der Bleichen Frau, die in der ersten Weitseher-Trilogie hinter dem Überfall der Roten Korsaren auf die Sechs Herzogtümer und der Entfremdung (grob gesagt, ein Raub der Seele und menschlichen Gefühle) zahlloser Bürger stand.

Tief im Eis der Insel Aslevjal ruht der letzte männliche Drache, Eisfeuer, und Prinz Pflichtgetreu soll ihn auf Wunsch der Narcheska Elliana erschlagen. Ohne diesen Gunstbeweis gäbe es keine Heirat und somit auch kein Bündnis zwischen den Sechs Herzogtümern und den Outislandern. Zwar hegt Elliana mittlerweile echte Gefühle gegenüber Pflichtgetreu, aber sie und ihr Beschützer Peottre werden von der Bleichen Frau erpresst.

Diese wünscht den Tod des Drachen, Fitz zweifelt jedoch immer mehr und neigt dazu, dem Zwiehaften Web und dem Narr zu glauben, die ihn anflehen, Eisfeuer nicht zu töten, da dies die Zukunft der Welt zum Schlechten beeinflussen würde. Fitz und der Narr geraten in die Gefangenschaft der Bleichen Frau und erfahren, womit sie Elliana erpressen konnte. Die Bleiche Frau will etwas von Fitz, und sie foltert den Narren und droht Fitz mit seinem Tod, sollte er Eisfeuer nicht umbringen. Sie droht, ihn an ihren wahnsinnigen, von Hass und Leid genährten Steindrachen zu verfüttern.

Fitz steht vor einer schweren Entscheidung: Ist es wirklich wahr, was der Narr sagte? Würde die Befreiung eines Monsters wie Eisfeuer und damit das Sicherstellen des Überlebens der Drachen als Rasse der Menschheit wirklich eine bessere Zukunft ermöglichen? In diesem Fall muss er ihn opfern; will er ihn retten, muss er den Drachen töten, aber dann könnte die düstere Prophezeiung des Narren wahr werden, und die Bleiche Frau hätte ihr Ziel erreicht.

_Furioser Auftakt, schwaches Ende_

Aufgrund der Teilung des Originals endete der Vorgänger genau an der Drachenhöhle, dem Ort der Entscheidung. Somit beginnt dieses Buch auch furios: Fitz und der Narr werden entführt, erfahren Hintergründe und Geheimnisse in den Kerkern und Gängen im Versteck der Bleichen Frau. Zudem hat diese einen starken und überzeugenden Auftritt, und die Prophezeiung des Narren, er werde auf Aslevjal sterben, scheint sich zu bewahrheiten. Die daraus resultierenden Konflikte innerhalb der Gruppe geben der Handlung Pep und Tempo, so dass dieser wirklich gelungene Teil des Buches sehr spannend und vergnüglich zu lesen ist.

Leider scheinen Hobb dann die Ideen auszugehen. Ob Eisfeuer nun stirbt oder nicht, einen direkten Einfluss auf die Welt oder die Zukunft kann man in diesem Buch beim besten Willen nicht ausmachen. Vielmehr ist man enttäuscht, ebenso über den kurzen Auftritt der Bleichen Frau, die im Nachhinein sogar hinter dem Aufstand der Gescheckten gesteckt haben soll.

Es schließt sich ein langezogenes, antiklimatisches Happyend mit einigen unnötigen Konstruktionen hinsichtlich der Bedeutung und Funktion der weißen Propheten an. Die Hochzeit Pflichtgetreus und Ellianas wird ebenso hinausgeschoben, damit Fitz Gelegenheit hat, seine Familienangelegenheiten zu regeln.

Hobb verschwendet den gesamten Rest des Buchs darauf; leider wird Fitz hier wieder einmal zum Zögerer und Zauderer, ein Charakterzug, der bereits in den ersten beiden Bänden nervte, im dritten begrüßenswerterweise in der Hintergrund trat und nun aufgrund der allgemeinen Trägheit und Belanglosigkeit der Handlung wieder auftaucht.

Das ist schade, denn gerade die Drachen und die Bleiche Frau hätten viel mehr zu bieten gehabt, wohingegen die familiären Probleme von Fitz bereits schon viel zu lange breitgetreten wurden und nicht mehr unterhalten noch überzeugen können. Mehrere logische Brüche werten das Finale zusätzlich ab. Die Bleiche Frau hat den Drachen als Köder für Fitz und den Narren verwendet. Aber warum es ihr und ihren zahlreichen Helfern nicht möglich ist, den eingefrorenen und hilflosen Drachen ohne Hilfe von Fitz und seinen Gefährten zu töten, kann Hobb nicht erklären. Ebenso bleibt Hobb zumindest die Andeutung einer Erklärung schuldig, warum die Rettung der Drachen der Welt nutzen würde, werden sie doch stets als gefährliche Wesen geschildert, denen Tod oder Leben anderer schlichtweg unwichtig ist.

Rainer Schumacher übersetzte wie bereits den Vorgänger auch diesen Roman anstelle von Eva Bauche-Eppers. Dass man gerade das Finale der Trilogie von einem anderen Übersetzer schreiben lässt, ist ziemlich enttäuschend. Allerdings macht er seine Sache sehr gut, leider hat er einige Namen von Nebenfiguren anders übersetzt als Eva Bauche-Eppers und das Korrektorat hat viele Sätze mit falschen Bezügen sowie nicht mehr erkennbaren Sinn und überflüssigen, falschen Wörtern mitten im Satz nicht korrigiert.

_Fazit:_ Nach dem Handlungsteil auf Aslevjal rund um die Bleiche Frau und den Drachen Eisfeuer hätte Hobb zu einem schnelleren Ende kommen sollen. Das Finale zieht sich dahin und bietet nicht die lange erwarteten Höhepunkte, als Zusammenführung der Weitseher- und Zauberschiffe-Trilogie kann man es im Nachhinein nicht mehr bezeichnen. Die Figur des FitzChivalric ist mittlerweile ausgelutscht, ohne seinen Wolf Nachtauge verfällt er immer öfter in die Rolle eines weinerlichen und unentschlossenen Zögerers, sein in der Weitseher-Trilogie noch spannend und bewegend geschildertes Leben ist aus dieser Warte unerträglich und uninteressant geworden. Hobb kann nach wie vor faszinierende Charaktere erschaffen, leider hat sie in diesem Buch die Schwerpunkte falsch gesetzt oder konnte keine angemessen faszinierenden Antworten auf die wirklich interessanten Fragen um die Bleiche Frau und die Drachen bieten.

Viele Fragen bleiben zudem offen. Sollte Hobb sich ihrer in einer weiteren Trilogie annehmen, kann man nur empfehlen, dass sie einen Neuanfang ohne Fitz wagt. Das kitschige Happyend zerstört die Figur Fitz und viele andere leider – oder zum Glück – so vollständig, dass man darauf nur hoffen kann.

Homepage der Autorin:
http://www.robinhobb.com/