La Galite, John – Zacharias

S. 5: |“Eine Schneeflocke hat sich auf den Ärmel meines Anoraks gesetzt, ich habe hochgeschaut. Die Frau ist auf der Höhe vom sechsten Stock. Meine Mutter und ich wohnen im siebten. Die Frau auch. Sie ist unsere Nachbarin. Sie hat sich gerade aus dem Fenster gestürzt. Die Tür der Dachterrasse darüber ist abgeschlossen; kein Mieter hat den Schlüssel. Außer mir. Niemand weiß es. Der Verwalter hat ihn eines Tages im Schloss vergessen.“|

„Zacharias“ wurde von der Kritik mit Lob überhäuft, verkaufte sich in Frankreich 100.000-mal, wurde dadurch zum Bestseller und gewann den renommierten „Grand Prix RTL/Lire“. Wenn man das schmale Buch aber in die Hand nimmt und die ersten Seiten liest, wundert man sich doch ein wenig über die Lobpreisungen. Von einem psychologischen Spannungsroman ist nichts zu spüren und die kurzen aneinandergereihten Hauptsätze stören den Lesefluss erheblich. „Zacharias“ braucht einfach seine Zeit, um sich zu entwickeln … Beginnen wir beim Inhalt:

Zacharias ist zwölf Jahre alt, recht kleingewachsen und an Diabetes erkrankt. Jeden Tag muss er sich daher zwei Insulinspritzen setzen, außerdem versuchen seine Mutter und er, Standardrituale einzuhalten, um der Zuckerkrankheit Einhalt zu gebieten. Einen Vater gibt es nicht, warum, wird uns vorenthalten. Gleich in der ersten Szene beobachtet Zacharias, wie sich die Frau aus der Wohnung nebenan aus ihrem Fenster im siebten Stock in die Tiefe stürzt. Er kann genau beobachten, wie ihr Haar nach oben gezogen wird und die Frau mit den Armen rudert, kurz darauf landet sie auf dem Boden und Zacharias deckt seinen Anorak über den reglosen Körper und wundert sich, dass in der Nachbarschaft Frauen überfallen werden. Ein Mörder hat schon drei Opfer auf seinem Gewissen.

Kurze Zeit später bezieht ein unbekannter Motorradfahrer die nachbarliche Wohnung der toten Frau. Zacharias beobachtet den merkwürdigen Mann, der des Nachts von der gegenüberliegenden Seite aus die Wohnungen in Zacharias‘ Haus ausspioniert. Während bei Zacharias Zweifel und Abneigung entstehen, beginnt seine Mutter, sich auffällig für den Nachbarn zu interessieren. Doch dann hat der Nachbar – Jacob – einen schweren Unfall, bei dem er sich den Hals bricht. Fortan liegt er als Pflegefall in seiner Wohnung. Zacharias‘ Mutter, die als Krankenschwester arbeitet, springt aufgrund ihrer finanziellen Sorgen als Pflegerin für Jacob ein. Da fasst Zacharias einen Plan: Nach einem selbstinszenierten Ohnmachtsanfall in der Schule besucht er seine Mutter beim gemeinsamen Nachbarn. Er hilft bei der Pflege mit und macht sich stückchenweise für seine überarbeitete Mutter unentbehrlich. Es dauert nicht lange, bis seine Mutter ihn mit Jacob alleine lässt, um ihren Schlaf nachzuholen.

Nun kann der Plan in die nächste Phase gehen, Zacharias beginnt kleine Psychospielchen mit dem Nachbarn und verhört ihn. Handelt es sich womöglich bei Jacob um den gesuchten Mörder? Immerhin haben die Morde aufgehört seit seinem Unfall. Durch gezielte Fragen und Beobachtungen kommt Zacharias dem Mörder langsam auf die Spur …

Lange dauert es, bis man sich in diesem Buch warm gelesen hat. Zunächst ahnt man nicht, worauf die Erzählung hinauslaufen wird, außerdem sind die kurzen Sätze und die schlicht gestrickte Sprache sehr ungewohnt. Der verschwenderische Umgang mit kurzen Hauptsätzen stört den Lesefluss erheblich, da man ständig an den nächsten Punkt gerät, nach dem man neu ansetzen muss. Auch sind die Kapitel meist nur zwei oder drei Seiten kurz; so werden künstlich immer wieder Zäsuren eingefügt, die die Erzählung unterbrechen. Sprachlich empfinde ich „Zacharias“ daher als sehr ungewöhnlich, ich würde die Sprache nicht einmal als kindlich bezeichnen, sondern eher als hektisch. Die Geschichte macht den Eindruck, als wäre sie in Konzeptform flüchtig aufs Papier geworfen worden, um hinterher vielleicht einmal entsprechend ausformuliert zu werden. Doch irgendwie passt dies zu der zugrunde liegenden Geschichte, in der ein kleiner Junge sich heimlich auf die Suche nach einem Mörder macht und in dessen Kopf dabei die merkwürdigsten Ideen zu entstehen scheinen.

Wir begleiten Zacharias stets in seinen Gedanken, er präsentiert uns seine Ideen und seinen Plan, wir sind dabei, wie er in der Schule den Ohnmachtsanfall provoziert, wie er seinen Arzt genau beobachtet und wie er sich nachts mit seinem neu erworbenen Fernglas davonstiehlt, um ebenfalls fremde Wohnungen auszuspionieren. Doch obwohl wir eigentlich immer dabei sind, enthält Zacharias uns gewisse Informationen vor, er präsentiert uns gefiltert nur die Dinge, die er uns zeigen möchte. Am Ende erfahren wir, was er uns verschwiegen hat, sodass der Leser hinterher einige Bilder verwerfen muss, die beim Lesen entstanden sind. So führen uns John La Galite und Zacharias geschickt vor, denn die meisten Leser werden von dem uns dargebotenen Ende sicher überrascht sein.

So schlicht wie „Zacharias“ erzählt ist, so tiefsinnig ist das Buch doch auch. Obwohl die Hauptfigur erst zwölf Jahre alt ist und durch seine kleine Statur und die Zuckerkrankheit so verletzbar wirkt, schafft Zacharias es dennoch, durch oscarreife Schauspielleistungen sein Umfeld zu täuschen. In kleinen psychologischen Spielchen zeigt er, dass er nicht nur seine Mutter im Griff hat, sondern dass er auch den schwer verletzten Jacob beeinflussen kann, auch wenn er hier erstmals an seine Grenzen zu stoßen scheint. Vordergründig werden uns die Figuren nur recht oberflächlich beschrieben, doch zwischen den Zeilen kann man so viel mehr herauslesen. Nur durch Zacharias‘ Denken und Handeln können wir uns ein adäquates Bild zurechtlegen, wobei man hier mit viel Einfühlungsvermögen zu Werke gehen muss, da Zacharias nicht nur seine Mutter hereinlegen möchte, sondern auch seine Leser. Dadurch erhält das Buch aber seinen besonderen Reiz, da man somit viel in die Erzählung hineininterpretieren kann, aber am Ende dann doch überrascht wird. So sitzt man im Anschluss an die Lektüre erst einmal da, blättert im Buch zurück, liest einige Passagen noch einmal und muss den Aha-Effekt nachvollziehen. Hier kann der Groschen schon einmal pfennigweise fallen, aber dann trifft uns die Erkenntnis mit voller Wucht. Klasse gemacht!

Wer jedoch mit den Erwartungen an einen (Psycho-)Thriller nach bekanntem Strickmuster an das Buch herangeht, der dürfte enttäuscht werden. Trotz der nur zweihundert Seiten, braucht „Zacharias“ mehr als hundert davon, um ins Rollen zu kommen. Die Geschichte beginnt zwar mit einem Knalleffekt, nämlich dem Fenstersturz der Nachbarin, doch anschließend plätschert die Handlung ein wenig vor sich hin und der Leser ahnt nur ganz allmählich, welchen Plan Zacharias verfolgt. Der kleine Junge ist uns immer mindestens einen Schritt voraus und nur er weiß, was noch passieren wird. Wir tappen im Dunkeln und warten auf den Beginn der Verhöre und auf die ersten Schritte auf der Mörderjagd. Doch müssen wir uns lange Zeit gedulden, denn zunächst erfolgt eine ausführliche Vorstellung von und durch Zacharias. Diese Figur steht immer im Mittelpunkt und die Suche nach dem Mörder geschieht eigentlich nur am Rande. Allerdings erfahren wir am Ende auch, wie beides miteinander zusammenhängt, erst auf der allerletzten Seite fügt sich das letzte Mosaiksteinchen in das Gesamtbild ein und rundet die Erzählung ab.

„Zacharias“ ist ungewöhnlich, unaufdringlich und anders, die Sprache schreckt etwas ab und wirkt ziemlich holperig und unausgegoren, doch ist sie ein bewusst eingesetztes Stilmittel, welches durchaus in das Gesamtkonzept passt. John La Galite präsentiert uns eine innovative Geschichte, die zu allerlei psychologischen Mitteln greift und den Leser zum Miträtseln auffordert. Alles scheint klar und eindeutig, aber das ist es nicht; am Ende wartet eine Überraschung auf uns, die es in sich hat. Man muss sich schon auf die spezielle Erzählweise des Buches einlassen und seine normalen Erwartungen an einen Spannungsroman abschalten, dann überzeugt diese so unauffällig daherkommende Geschichte und begeistert sogar, allerdings erst, nachdem man noch einmal eine Nacht darüber geschlafen und die Eindrücke auf sich wirken gelassen hat.

Abolin, Georges / Pont, Olivier – Jenseits der Zeit

Gute Freunde tun manchmal etwas merkwürdige Dinge: Mutproben, Doktorspielchen, den Nachbarn ärgern … Vielleicht haben auch Georges Abolin und Oliver Pont solche Sachen gemacht. Seit ihrer Kindheit in Südfrankreich hat sich einiges verändert, doch die gemeinsame Leidenschaft für Comics ist geblieben. Im vergangenen Jahr erschien im Verlag |Dargaud| die jüngste Produktion der beiden, der Comic-Roman „Jenseits der Zeit“, in Deutschland seit kurzem bei |Carlsen| erhältlich. Darin geht es – Wen wundert’s? – um Freundschaft.

William fühlt sich noch nicht so richtig wohl in seinem neuen Zuhause. Die Leute aus dem kleinen Dorf Barellito sind eigenartig und nicht besonders freundlich. Noch kennt er hier niemanden. Zwar ist das Wetter in Italien besser als in London, aber ihm fehlen seine alten Freunde. Das Anwesen, das seine Eltern geerbt haben, ist alt und baufällig, überall liegt Staub, und es riecht komisch. Allerdings ist die Aussicht gut und man kann jederzeit im Meer schwimmen gehen. Zu dem Haus gehört ein Landungssteg. Dort soll bald ein prächtiges Dampfschiff anlegen, mit dem sein Vater losfahren und viele Fische fangen will.

Zum Glück gibt es Lisa. Sie ist auch nicht von hier. Seit einigen Jahren lebt das schwarzhaarige Mädchen gemeinsam mit ihrem Vater nebenan, auf dem Nachbargrundstück. Sie ist ein wenig verrückt, aber freundlich und humorvoll. Zusammen erkunden William und Lisa die Steilküste, gehen schwimmen und beobachten heimlich die Dorfbewohner. Ein bisschen ist William in sie verliebt, das muss er zugegeben. Neben dem schüchternen Rotschopf gibt es in Lisas Leben noch zwei weitere Freunde, den pummeligen Nino und den halbstarken Paolo. Die Vier bilden bald eine feste Clique, albern herum und genießen den Sommer. Es scheint so, als hätte sie das Schicksal zusammengeführt.

So idyllisch das Leben an der Küste von Barellito auf den ersten Blick erscheint, so gefährlich sind auch seine Untiefen. Die alteingesessenen Fischer sehen die Pläne von Williams enthusiastischem Vater gar nicht gerne. Sie befürchten, dass er mit seinem Dampfschiff ihre Fischbestände plündert. Das Verhältnis zwischen den Fremden und den Dorfbewohnern ist gespannt. Lisas Vater warnt Williams Vater, doch der ist gut gelaunt und glaubt, alles werde sich mit der Zeit einrenken. Jedoch lassen Rüpeleien, ein Überfall auf einen Fischtransporter und ein Anschlag auf das neue Schiff das Leben von Williams Familie immer mehr zur Qual werden. Als Paolo entdeckt, dass seine Schwester ein heimliches Verhältnis mit Lisas Vater hat, spitzt sich die Situation zu. Die Fremden wissen, dass sie in Barellito nicht willkommen sind.

„Jenseits der Zeit“ gliedert sich in zwei große Abschnitte: Der erste Teil der Geschichte schildert das Kennenlernen der vier Freunde während ihrer Kindheit, der zweite Teil beschreibt ihr Wiedersehen als Erwachsene. In Frankreich erschien „Jenseits der Zeit“ in zwei separaten Bänden unter dem Titel „Où le regard ne porte pas“. Bei der deutschen Veröffentlichung wurden die beiden Teile des Comic-Romans, „Italien“ und „Costa Rica“, in einem Band zusammengefasst. |Carlsen| beschreitet mit dem hiesigen Produkt neue Wege, indem sich der Verlag von dem frankobelgischen Alben-Format verabschiedet. Das Album wird durch ein kleineres Format abgelöst, das an die Größe amerikanischer Hefte erinnert, allerdings nicht so hoch ist. Der Band liegt gut in der Hand. Schweres Papier, ein solider Einband, einhundert Prozent Farbe – da schlägt das Herz des Bücherfreunds höher.

Die Aufmachung wird den Zeichnungen von Olivier Pont und Jean-Jacques Chagnaud nur gerecht. Detailverliebte Bilder bei ruhiger Seitenaufteilung, ohne jedoch aufdringlich oder konform zu wirken, machen die eindrucksvolle Optik von „Jenseits der Zeit“ aus.

Die Geschichte erzählt von Freundschaft, von der Magie der Kindheit und von den Wundern eines Sommers. Erstaunlich ist, dass die Handlung nie ins Kitschige oder Klischeehafte abdriftet. Immer gibt es harte, schwere Untertöne. Trotz aller Leichtigkeit vergisst der Leser nicht die Sorgen, Probleme und Spannungen, die ungelöst im Raum stehen. Manchem mag die Geschichte von William, Lisa, Nino und Paolo ein wenig zu ruhig und verträumt sein. Wer auf der Suche nach einem Adrenalin-Schub ist, sollte von „Jenseits der Zeit“ besser die Finger lassen. Wer hingegen eine kleine, zauberhafte Erzählung sucht, die am Ende ein wenig ins Unwirkliche abhebt, ist gut beraten.

Lin Carter – Die Xothic-Legenden

Das geschieht:

Seit Jahrmillionen tobt in Zeit und Raum ein unerbittlicher Kampf zwischen diversen ‚Gottheiten‘. Ein Schauplatz dieses Krieges ist die Erde, auf der die „Götter“ noch immer ihr boshaftes Spiel treiben. Wer ihnen auf die Spur kommt, ist verloren:

Robert M. Price: Vorwort, S. 7-22

Die rote Opfergabe (The Red Offering), S. 23-30: Im vorzeitlichen Reich von Mu sichert sich der ehrgeizige Jungmagier Zanthu zaubermächtige Beschwörungstafeln aus dem Grab eines Vorgängers, der indes weder tot ist noch auf seine Beigaben zu verzichten gedenkt.

Der Bewohner der Gruft (The Dweller in the Tomb), S. 31-46: Viele Jahrzehntausende später – im Jahre 1913 – steht ein wagemutiger Forscher in der Gruft des besagten Zanthu und stiehlt seinerseits die uralten Tafeln, was neuerliches Grauen zur Folge hat.

Das Ding in der Tiefe (The Thing in the Pit), S. 47-62: Zanthu plant seinen Herrn Ythogtha aus dessen Knechtschaft zu befreien, doch Götter kennen keine Dankbarkeit, was dem Kontinent Mu ein atlantisähnliches Schicksal beschert.

Aus der Tiefe der Zeit (Out of the Ages), S. 63-96: Der Kontakt mit einer rätselhaften Götzenstatue verschafft einem Historiker 1928 nicht nur üble Träume, sondern schließlich sogar eine persönliche Begegnung mit lauernden Urzeit-Übeln.

Der Schrecken in der Galerie (The Horror in the Gallery), S. 97-156: 1929 setzt ein weiterer Pechvogel die Untersuchung der seltsamen Statue fort und gerät ebenfalls in ihren verderblichen Bann.

Der Winfield-Nachlass (The Winfield Heritance), S. 157-188: Sieben Jahre später wird ein etwas weltfremder Jüngling vom verschrobenen Erbonkel mit diversen wertvollen Zauberbüchern bedacht – und mit jenen Kreaturen, die er zu Lebzeiten damit heraufbeschworen hat.

Vielleicht ein Traum (Perchance to Dream), S. 189-204: Mit Anton Zarvak wird ein ‚guter‘ Magier in das „Xothic“-Geschehen verwickelt, der sich seiner Haut nachdrücklich zu wehren weiß.

Das seltsame Manuskript aus den Wäldern von Vermont (Strange Manuscript Found in the Vermont Woods), S. 205-230: Eine gemütliche Waldhütte verliert ihre Anziehungskraft, weil sie in der Nachbarschaft einer vorzeitlichen, immer noch rege besuchten Kultstätte errichtet wurde.

Etwas im Mondlicht (Something in the Moonlight), S. 231-250: Nicht jeder Irrenhäusler ist tatsächlich geisteskrank, weil er sich vor mörderischen Echsen vom Mond fürchtet.

Die Fischer von draußen (The Fishers from Outside), S. 251-272: Noch ein allzu tief schürfender Forscher kommt im tiefen Afrika einem Hilfsvolk der Alten auf die Schliche, das daraufhin die üblichen Maßnahmen zur Wahrung ihrer Anonymität trifft.

Hinter der Maske (Behind the Mask), S. 273-294: Ein unbedarfter Nachwuchs-Wissenschaftler liest einige Bücher, die er hätte meiden sollen, da sie ihm Träume bescheren, die ganz & gar keine Schäume bleiben wollen.

Die Glocke im Turm (The Bell in the Tower), S. 295-317: Ein englischer Lord entdeckt die Möglichkeit, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, die sich indes als Zweibahnstraße erweist.

(In der deutschen Ausgabe fehlen der Sonnett-Zyklus „Dreams from R’lyeh“ sowie die Storys „The Strange Doom of Enos Harker“ – begonnen von Lin Carter, vollendet von Robert M. Price – und „The Soul of the Devil-Bought“, eine Art Carter/Xothic-Parodie von Price. „The Bell in the Tower“ ist Carters postume ‚Zusammenarbeit‘ mit H. P. Lovecraft, der eine Reihe unvollendeter Storys und Entwürfe hinterließ.).

Bruchstücke einer schrecklichen Vergangenheit

Lin Carters „Xothic-Legenden“ bilden eine eigenartige Lektüre – ein Buch ohne eigentliche Handlung, sondern eine Lose-Blatt-Sammlung (fiktiver) Protokolle, historischer Bücher, bruchstückhafter Artefakt-Beschriftungen, Berichte, Tagebücher, Notizen usw., die für sich selbst stehend nur Mosaiksteinchen darstellen. Erst in der zeitlichen Ordnung und vor allem im Zusammenhang enthüllt sich das Geschehen: Die Geschichte der Welt ist so, wie wir ‚zivilisierten‘ Menschen sie ‚wissenschaftliche‘ rekonstruiert haben, falsch bzw. unvollständig. Wir sind längst nicht die Herren unseres Planeten, der seinerseits nur Spielball kosmischer Entitäten ist, deren Motive nur ansatzweise erfassbar sind.

Die ‚Fragmentarisierung‘ des „Cthulhu“-Mythos‘ geht auf seinen Schöpfer zurück. H. P. Lovecraft (1890-1937) kannte die Regeln für literarischen Horror sehr gut. Er erfand eine alternative Weltgeschichte, die sich dem erschrockenen Betrachter immer nur zufällig und in Bruchstücken enthüllt. Dem Leser ergeht es nur marginal besser, denn auch die Kenntnis aller Cthulhu-Storys ergibt kein Gesamtbild. Ob dies so geblieben wäre, hätte Lovecraft nicht ein frühes Ende ereilt, muss Spekulation bleiben. Auf jeden Fall fand der Mythos seine Anhänger, von denen nicht wenige ihm selbst Kapitel ein- und anfügten.

Hierbei stellt Robert M. Price, Lin-Carter-Biograf und Kenner des Horrors à la Lovecraft, mehrere Varianten fest. Da gibt es den „Kopisten“, der möglichst eng am Original bleibt, den „Erklärer“, der die Lücken tilgt, die der Mythos aufweist, sowie den „Neuerer“, der mit ihm ‚spielt‘, ihn sich zu eigen macht und entwickelt, ohne ihn zu entzaubern.

Lin Carter gehört zweifellos zu den „Erklärern“. Er steht ganz in der Tradition von August Derleth (1909-1971), der Lovecraft noch persönlich kannte und nach dessen Tod nicht nur sein Werk bewahrte, sondern es vermehrte. Anders als sein ‚Meister‘ wollte oder konnte Derleth das Prinzip eines rudimentären „Cthulhu“-Mythos’ nicht begreifen. Er war es, der systematisch damit begann, Lovecrafts (nicht grundlos) schemenhaft bleibenden Hintergrundinformationen zu sammeln, zu katalogisieren und in eine chronologische Reihenfolge zu bringen. In einem zweiten Schritt füllte Derleth die Leerstellen, die er bei dieser Arbeit festgestellt hatte. Er schuf einen Stammbaum der ‚Götter‘ aus dem All und ihrer Helfershelfer. Darüber hinaus erfand er neue Kreaturen, neue Orte des Grauens, neue Bücher verbotenen Wissens.

Enthüllungen im Salventakt

Lin Carter geht mit seinen „Xothic-Legenden“ noch einen großen Schritt weiter. Er greift nicht nur auf Lovecraft- und Derleth-Werke zurück, sondern berücksichtigt auch die Beiträge von Schriftsteller-Kollegen und -Epigonen wie Clark Ashton Smith, Frank Belknap Long, Seabury Quinn, Basil Copper oder Brian Lumley, die sich an Cthulhu versuchten (bzw. vergingen). Vor allem Derleths Bemühen um Ordnung im Dämonenhimmel verblasst vor Carters geradezu enzyklopädischem Wissen um den Mythos, der unter seiner Schreibhand endgültig zur ‚Tatsache‘ gerinnt.

Carters Enthusiasmus ist Segen und Fluch zugleich. Zu bewundern ist die Meisterschaft, mit welcher der Autor ‚Fakten‘ und selbst Erdachtes zu einer ‚neuen‘ Weltgeschichte fügt. Andererseits ordnet Carter diesem Ziel die Unterhaltung, die doch eigentlicher Zweck einer Geschichte sein sollte, konsequent unter. Im Vordergrund steht immer der Mythos. Die Enthüllung läuft allzu schematisch ab: Der Entdeckung rätselhafter Artefakte oder Bücher folgt die allmähliche Enträtselung, was allerlei Monster auf den Plan ruft, die für ein grausames Finale sorgen, das neue Fragen aufwirft. Deshalb ist es primär der Hardcore-Cthulhuist mit einem Faible für Mystery-Puzzles, der mit Carter auf seine Kosten kommt. Am Stück sollte man dieses Buch jedenfalls nicht lesen, da das wenig innovative Strickmuster nicht einmal vom Herausgeber bestritten wird.

Viele interessante Hintergrundinfos zum Mythos und zur Entstehung der „Xothic-Legenden“ liefert Robert M. Price, im Hauptberuf Professor für Theologie und Bibelwissenschaft, ohne den es diese Sammlung wohl nicht gäbe. Lin Carter selbst hat mit ihrer Entstehung nichts mehr zu tun; sie wurde fast ein Jahrzehnt nach seinem Tod zusammengestellt. Zwar plante Carter einen Episodenroman zum Thema, der aber längst nicht alle Storys umfassen sollte, die Price hier vorstellt. Dies spricht für Carter, der offenbar selbst erkannt hat, dass die Qualität seiner „Xothic“-Erzählungen arg schwankt.

So ist es eigentlich Price, der die „Xothic-Legenden“ schuf. Seine Chronologie, seine Bearbeitungen, seine verbindenden Texte formen aus ihnen ein Gesamtwerk, das einen gewissen roten Faden aufweist. Prices Gesamteinleitung sowie die einleitenden Texte zu den einzelnen Storys legen außerordentlich penibel deren Entstehungsgeschichten, Intentionen und ihre Stellung im Mythos dar. Gern holt Price weit aus und versucht sich an literaturkritischen, -historischen und -psychologischen Deutungen der Carter-Erzählungen. Dabei fördert er oft Unerwartetes und Interessantes zutage, übertreibt es jedoch einige Male gewaltig. Als Verfasser der Carter-Biografie („Lin Carter: A Look Behind His Imaginary Worlds“, 1992) und Lovecraft- bzw. Cthulhu-Experte verfügt Price über ein profundes Wissen, das er gern & reichlich mit seinen nicht immer begeisterten und überzeugten Lesern teilt.

Die Nase zu tief hineingesteckt

Es sind (bis auf eine Ausnahme) keine Helden, die wir in den „Xothic“-Geschichten mit den außerirdischen Unholden ringen sehen. Vergeistigte Hohepriester, Bücherwürmer und elfenbeinturmhoch entrückte Forscher entdecken Spuren einer gänzlich unerwarteten Frühgeschichte. Sie ahnen, was sie da entdeckt haben, begreifen aber stets zu spät, dass dieses Wissen handfeste Konsequenzen nach sich ziehen wird. Treten dann mordlustige Riesenschnecken, Froschmenschen oder berggroße Schleimgötzen auf den Plan, ist der Reue groß aber vergeblich; die unmittelbare Konfrontation mit Kreaturen, die es nicht geben dürfte, zieht den grausamen Tod oder zumindest den Wahnsinn nach sich.

Dabei sind diese (Un-) Wesen prinzipiell nicht ‚böse‘ in dem uns bekannten Sinn, sondern unendlich fremd. Deshalb ist es ratsam, sich ihnen fernzuhalten. Unterwerfung stimmt sie nicht gnädig, Unbotmäßigkeit strafen sie ebenso hart wie Versagen, Gehorsam belohnen sie nicht. Sie locken mit Versprechungen von Wissen, Macht und Geld, die sie nie halten oder auf eine Weise erfüllen, die den Fordernden nicht mit Freude erfüllt. Überhaupt benehmen sie sich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen – über die Statur verfügen sie -, wenn sie sich bemerkbar machen. Nach Lin Carter sind es ihrer zudem so viele, dass man sich wundert, wieso es ihnen immer wieder gelingt, ihre Spuren zu verwischen; schließlich hausen sie nicht alle in Tiefseeschluchten, Urwäldern oder auf hohen Bergen, sondern schleimen & morden durchaus in den zivilisierten Regionen dieser Erde umher.

Ja, es fällt manchmal schwer, am Ball (oder ernst) zu bleiben, wenn Carter uns, seine Leser, mit zungenbrecherisch benamten alten, hohen & minderen Göttern konfrontiert oder bombardiert. Allein Cthulhu kann plötzlich auf eine Gattin und drei Söhne – natürlich ebenso missraten wie der Vater – verweisen. Leicht verliert man da die Übersicht, sodass es hilfreich ist, dass Carter und Price die verwandtschaftlichen Konstellationen und Konfrontationen vielfach wiederholen.

Denn die xothischen Götter sind notorische Streithähne, die ihren äonenlangen Krieg bis in die Gegenwart fortsetzen. Sie alle haben ihre ‚Reviere‘, speziellen Fähigkeiten und Motive. Carter setzt sie und uns ins Licht und ignoriert dabei, dass dies eine Entzauberung darstellt: Der sterbliche Leser ‚begreift‘ die Götter schließlich doch. Lovecraft hätte das nicht gefallen.

Autor

Linwood Vrooman Carter wurde am 9. Juni 1930 in St. Petersburg, gelegen im US-Staat Florida, geboren. Er wuchs hier auf, ging hier zur Schule und kehrte kurz hierher zurück, nachdem er in den Koreakrieg gezogen, verwundet und mit einem „Purple Heart“ ausgezeichnet worden war. 1953 ging Carter nach New York und studierte zwei Jahre an der Columbia University. Anschließend arbeitete er anderthalb Jahrzehnte für diverse Agenturen und Verlage, bis er, der 1965 mit „The Wizard of Lemuria“ sein Romandebüt im Phantastik-Genre gegeben hatte, ab 1969 Vollzeit-Schriftsteller wurde – ein überaus fleißiger, der mehrere Romane pro Jahr sowie diverse Kurzgeschichten veröffentlichte und sich als Herausgeber von Fantasy-Kollektionen einen Namen machte.

Der Fantasy und hier der Sparte „Sword & Sorcery”, die Muskel bepackte Barbarenkrieger gegen Monster, Mumien & finstere Zauberer antreten ließ, galt Carters ganze Liebe. Schon als Schüler verfasste er Storys im Stil von L. Frank Baum („Der Zauberer von Oz“), Edgar Rice Burroughs („Tarzan“, „John Carter vom Mars“) oder Robert E. Howard („Conan“, „Red Sonya“). Letzterem verhalf er zur literarischen Auferstehung, indem er mit Lyon Sprague de Camp und Björn Nyberg die ‚alten‘ Conan-Storys sammelte, ordnete und Lücken mit eigenen Geschichten und Romanen füllte.

Der private Lin Carter war ein unsteter, getriebener Mensch, der sich durch unmäßiges Rauchen und Alkohol gesundheitlich ruinierte. Mitte der 1980er Jahre erforderte ein zu lange unbeachteter Lippenkrebs eine radikale Operation, die Carters Gesicht entstellte und ihn erst recht isolierte. Immer öfter unterbrochen von Krankenhausaufenthalten setzte der unterdessen auch an einem Lungenemphysem erkrankte Schriftsteller seine selbstzerstörerischen Sauftouren fort. Am 7. Februar 1988 starb er, gerade 57-jährig, in einem Veteranen-Hospital.

Website „In Memoriam Lin Carter“
Website von Robert M. Price

Gebunden: 317 Seiten
Originaltitel: The Xothic Legend Cycle: The Complete Mythos Fiction of Lin Carter (Oakland, CA : Chaosium 1997)
Übersetzung: Andreas Diesel, Hans Gerwin, Ralph Sander, Malte S. Sembten
http://www.festa-verlag.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (5 Stimmen, Durchschnitt: 1,40 von 5)

Andreas Eschbach – Die Rückkehr (Perry-Rhodan-Roman 2295)

In der unfassbar großen Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“ erscheint wöchentlich ein neuer Heftroman, in dem die Handlung linear fort gesetzt wird. So erscheint es als unmöglich, in einer einzelnen Besprechung von genau einem Roman aus mittlerweile 2295 einen umfassenden Blick auf die Serie zu bieten, ohne den Rahmen dieser Rezension zu sprengen. Dieses Vorwort ist für regelmäßige Leser der Serie uninteressant, soll jedoch allen interessierten Lesern einen groben Abriss des Geschehens liefern.

_Perry Rhodan_

Perry Rhodan startete im Jahre 1971 zur ersten Mondlandung, traf dort auf Außerirdische und erhielt im Laufe seines Lebens die Unsterblichkeit. Dadurch lebt er jetzt schon seit etwa viertausend Jahren, in denen er die Menschheit zu den Sternen führte und ihr als Berater, Staatsoberhaupt und Mentor aus vielerlei Schwierigkeiten und Bedrohungen half. Im aktuellen Geschehen wird ein Großteil der Menschheit (nämlich die Bevölkerung der Erde und des Sonnensystems) von einer geistigen Macht geknechtet, Perry Rhodan und seine Mitstreiter sind weitgehend hilflos. Trotzdem gibt es natürlich Hoffnung, obwohl die Geistesmacht gerade mit überlegenen Waffen beginnt, die Sonne zu einer künstlichen Nova zu machen.

_Abriss_

Andreas Eschbach schildert in seinem zweiten Gastroman der Serie, wie Perry Rhodan der Gefahr begegnet und welche Gefühle in diesem Krieg, der tausenden Menschen das Leben kostet, die Soldaten, Zivilisten und Kommandierenden erfüllen.

Gegen die gigantischen gegnerischen Raumschiffe sind alle klassischen menschlichen Waffen machtlos, allein eine spezielle Waffe erzielt eine sichtbare Wirkung. Leider befindet sich die wichtigste Produktionsstätte, der irdische Mond, in der Hand des Gegners. Um sie wieder in Besitz nehmen zu können, müsste Perry Rhodan den Gegner im Sonnensystem besiegen, was aber ohne die neue Waffe aussichtslos erscheint. Ein Teufelskreis, den zu durchbrechen sich Eschbach mit dem Roman vornimmt.

_Andreas Eschbach_ wurde in Ulm geboren, lebt und arbeitet mittlerweile in der französischen Bretagne, nachdem er in Stuttgart vom EDV-Spezialisten zum Romanautor wurde. Seine Romane [„Die Haarteppichknüpfer“ 1556 und „Solarstation“ katapultierten ihn in die Herzen der Leser, bislang hat er zahlreiche Thriller, SF-Romane und Jugendbücher sowie einige Kurzgeschichten veröffentlicht. Im September 2005 erscheint sein neuer Thriller „Der Nobelpreis“, mit dem er keinesfalls vorhat, eben diesen zu gewinnen.
Weitere Infos: http://www.andreaseschbach.de

_“Schundheftchen“_

Vielleicht verwundert es den einen oder anderen, wenn er zufällig und völlig unbeabsichtigt im Zeitschriftenhandel zwischen den sogenannten „Schundheftchen“ eines entdeckt, das vom Konterfei des Autors Eschbach geziert wird. Vielleicht greift der eine oder andere von diesen zufälligen Entdeckern nach diesem Heftchen, denn wozu sich ein Eschbach herablässt, düfte doch wohl nicht sooo schlecht sein. Nun ja, und wenn der oder die Entdecker/in nun tatsächlich zufällig hier war und den Roman unbeachtet der großen laufenden Nummer wegen Eschbachs Namen kauft, wird er oder sie vielleicht ein wenig enttäuscht sein. Denn wie oben kurz dargestellt, handelt es sich hier um einen winzigen Baustein an einer gigantischen Serie, ähnlich einer Folge „GZSZ“ oder dergleichen.

Nichtsdestotrotz ist es ein Eschbach.

Für die Stammleser der Serie dürfte der Roman ein Highlight werden, wenn er es nicht schon ist. Dabei kommt er gar nicht mal so aufschneiderisch daher, sondern bis auf den Sondervermerk auf dem Cover, dass es sich um einen Roman von Bestsellerautor Eschbach handelt, ganz normal aufgemacht wie die anderen Hefte auch. Was ihn von ihnen unterscheidet, ist natürlich der Stil. Klar, denn jeder Schriftsteller hat seinen eigenen. Mancher Stammleser fordert vielleicht nach regelmäßigen Romanen von Eschbach in der Serie. Wäre das wirklich gut? Möglicherweise heben sich Gastromane gerade durch ihren Status als Gastroman (d. h. der Autor schreibt nicht regelmäßig seine Beiträge) von den anderen ab, die wöchentlich auf dem Tisch des Redakteurs liegen müssen und deren Autoren vielleicht irgendwann in eine bestimmte Routine verfallen. Will man das auch mit Eschbach machen, einem der kreativsten Phantastikautoren Deutschlands der heutigen Zeit?

_Fazit_

Genießt man dagegen seine anderen Werke und vielleicht hin und wieder einen (für Outsider) überraschenden und (für Serienleser) erfrischenden Wurf in der größten SF-Serie der Welt, gewinnen sicherlich alle Seiten.

Nochmal zurück zum Roman „Die Rückkehr“: Er bietet neben guter Unterhaltung ein Bruchstück der Serie aus einem anderen Blickwinkel und bringt hoffentlich das eine oder andere winzige Detail ein, das einen Serienschreiber wachrütteln und zu neuer Größe auflaufen lassen kann – ein frischer Wind.

http://www.perry-rhodan.net/

Peter Straub – Esswood House

Das geschieht:

Der US-amerikanische Universitätsprofessor William Standish ist in seinem Leben festgefahren. Die Karriere an einer Provinzuniversität stagniert, daheim wartet Jean, die hochschwangere, hysterische Gattin, die ihn vor gar nicht langer Zeit betrogen hat. Da kommt ein Angebot aus dem englischen Esswood House gerade richtig: Standish wird eingeladen, in der Bibliothek des Hauses, das ein Treffpunkt berühmter Literaten und Poeten war, nach ungehobenen Schätzen zu suchen. Er arbeitet an einem Buch über seine Stiefgroßmutter Isobel Standish, eine unbekannt gebliebene Schriftstellerin des frühen 20. Jahrhunderts, um deren Schicksal sich ein Geheimnis rankt.

Esswood House ist seit jeher der Stammsitz der Seneschals. Die Familie ist auf zwei Mitglieder geschrumpft, die seit Jahren nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten sind. Standish wird nach komplizierter Anreise von Robert Wall, dem Verwalter, empfangen, einem mysteriösen Mann unbestimmbaren Alters. Er passt gut in die Atmosphäre von Esswood House, das sich als höchst merkwürdiges Anwesen erweist. Peter Straub – Esswood House weiterlesen

Neil Gaiman – Coraline – Gefangen hinter dem Spiegel

Wie gut, dass ich dem im Klappentext abgedruckten Rat von Lemony Snicket nicht gefolgt bin, sonst hätte ich eine wirklich schön schaurige Märchengeschichte verpasst. Lemony Snickets Rat sieht übrigens folgendermaßen aus: |“Wenn Sie nicht in Kürze zitternd vor Angst mit dem Daumen im Mund unter dem Bett kauern wollen, sollten Sie dieses Buch langsam und vorsichtig zurücklegen.“| Gleich vorab bemerkt, ich habe weder mit dem Daumen im Mund unter dem Bett gekauert, noch das Buch brav zurückgelegt. Und mit den Folgen meines wagemutigen Handelns kann ich auch durchaus gut leben. Also, alles gar nicht so schlimm, wie’s auf den ersten Blick erscheinen mag.

Neil Gaimans kleines Büchlein „Coraline“ dreht sich um die wundersamen Erlebnisse des kleinen Mädchens Coraline. Zusammen mit ihren Eltern ist sie in ein neues Haus umgezogen, in dem neben der jungen Familie noch ein verschrobener älterer Herr mit einem Mäusezirkus und zwei etwas beleibte, ehemals schauspielernde, ältere Damen wohnen. Es ist die Zeit der Sommerferien und während Coralines Eltern zu Hause ihrer Arbeit nachgehen, erkundet Coraline das Grundstück, bis ihr ein paar Regentage einen Strich durch die Rechnung machen.

Coraline erkundet also fortan die Wohnung und stößt dabei auf eine vermauerte Tür. Als die Mauer dann eines Nachts plötzlich verschwunden ist, schreitet Coraline hindurch und entdeckt eine Art Parallelwelt. Die Welt hinter der Tür sieht aus wie die Wohnung ihrer Eltern. Selbst Mama und Papa trifft sie dort an, auch wenn sie ein wenig verändert aussehen und statt Augen schwarze Knöpfe tragen. Die andere Mutter umgarnt sie und versucht sie zum Bleiben zu überreden. Coraline wird das alles mit der Zeit aber zu unheimlich und so kehrt sie in die richtige Welt zurück.

Als sie dort ankommt, muss sie feststellen, dass ihre richtigen Eltern verschwunden sind. Als sie zufällig in den Spiegel im Flur blickt, sieht sie dort ihre Eltern, gefangen hinter dem Spiegel, festgehalten von der anderen Mutter. Und so kehrt Coraline zurück in die Welt hinter der vermauerten Tür, um ihre Eltern zu finden. Eine äußerst schwierige Aufgabe steht ihr bevor, denn die andere Mutter will Coraline um jeden Preis für sich behalten. Sie ist hungrig nach Coralines Seele.

Schon der Untertitel des Buches („Gefangen hinter dem Spiegel“) offenbar eine sehr deutliche literarische Parallele. Mit der Figur der Coraline hat Neil Gaiman eine moderne Alice geschaffen. Die Parallelwelt hinter der vermauerten Tür ist Gaimans Pendant zu Lewis Carrolls Welt hinter dem Spiegel, durch den Alice steigt. Auch die dortige Welt scheint zunächst oberflächlich betrachtet mit der realen Welt identisch zu sein und Alice wird nach und nach mit den Unterschieden konfrontiert. Für Coraline ist die Situation ähnlich. Auch ihr erscheint die Welt hinter der Tür zunächst so wie die davor, doch schnell zeigt sich, dass sie nichts anderes als ein der Wirklichkeit nachempfundenes Trugbild ist.

Ähnlich neugierig und scheinbar furchtlos, wie Alice die Welt im Spiegelland erkundet, erforscht auch Coraline ihre neue Umgebung. Sie scheint sich kaum zu fürchten, Neugier und Forscherdrang siegen über die Angst. Ein wenig übermenschlich wirkt sie in ihrer Selbstsicherheit, was sicherlich in der eher oberflächlichen Figurenzeichnung und der Kürze der gerade einmal 175 Seiten langen Erzählung begründet liegt. Natürlich hätte eine etwas ausgefeiltere Skizzierung der Hauptfigur der Geschichte etwas mehr Tiefe verliehen. Würde Coraline etwas menschlicher erscheinen, wäre die Geschichte sicherlich noch einen Tick mitreißender und fesselnder, aber das ist ein eher kleiner Schönheitsfehler.

Das eigentlich Faszinierende an Gaimans Roman ist die Welt, die er erschaffen hat. Die Welt, die Coraline hinter der vermauerten Tür entdeckt, ist ein Abbild der Realität, die als nichts anderes als eine Falle fungiert. Die andere Mutter hat es auf Coralines Seele abgesehen. Warum das so ist, wird nicht deutlich und ist eigentlich auch bedeutungslos, aber Coraline ist nicht das erste Kind, das in ihre Falle tappt. Als Coraline in der Parallelwelt gefangen ist, trifft sie auf die seelenlosen Überreste anderer Kinder. Mit der bösen Frau, die kleine Kinder entführt, greift Gaiman zu einem geradezu klassischen Märchenelement und fügt es überzeugend in seine Erzählung ein.

Als die andere Mutter merkt, dass ihr stetiges Umgarnen nicht gerade auf fruchtbaren Boden fällt und Coraline cleverer und misstrauischer ist als erwartet, nimmt auch die von der anderen Mutter erschaffene Welt immer dunklere Züge an. Gaiman inszeniert ein raffiniertes Spiel zwischen der falschen Mutter und Coraline und reichert das Ganze mit einer Prise Horrorelemente an. Da wäre der golemartige Mensch im Keller des Hauses, die küchenschabenessende andere Mutter, eine Wohnung voller fledermausartiger Hunde, die von der Decke hängen. Gaimans Inszenierung ist schon ausgesprochen phantasievoll ausgeschmückt, obwohl sie sich auf den eng begrenzten Raum des Hauses beschränkt, und macht gerade auch wegen dieser Elemente Spaß. „Coraline“ ist letztendlich eine Geschichte, die einen Märchenplot mit Gruselelementen verbindet, und genau das ist Gaiman mit seinem Roman sehr gut gelungen.

Ursprünglich erschien die deutsche Ausgabe von „Coraline“ 2003 im |Arena|-Verlag und wurde dort als Buch für Kinder ab zehn Jahren deklariert. Tatsächlich deutet schon Gaimans Schreibstil an, dass sich „Coraline“ durchaus auch an eine jüngere Leserschaft richtet, ohne sich dem erwachsenen Leser zu verschließen. Die Bildhaftigkeit von Gaimans Sprache dürfte sich auch von Kindern durchaus gut erfassen lassen, macht aber Erwachsenen ebenso Freude.

Ob das Buch aber wirklich unbedingt für Kinder empfehlenswert ist, ist eine Frage, die die Meinungen spalten dürfte. Für Zehnjährige, die Gruselgeschichten gewohnt und entsprechend hart im Nehmen sind, mag das Buch in Ordnung sein, aber für andere Kinder sei da eher zur Vorsicht geraten. „Coraline“ ist eben nicht ganz ohne und wer ein zartes Gemüt hat, der sollte vielleicht wirklich lieber den Rat von Lemony Snicket befolgen und das Buch langsam und vorsichtig wieder zurücklegen.

Bleibt unterm Strich festzuhalten, dass „Coraline“ eine schöne kleine Portion Gruselmärchen für zwischendurch ist. Gaiman stellt einmal mehr sein Talent als phantasiebegabter Erzähler unter Beweis und liefert mit seinem Roman eine moderne Gruselvariante von Lewis Carolls Kinderbuchklassiker „Alice im Spiegelland“. „Coraline“ ist so angelegt, dass sowohl junges als auch älteres Lesepublikum Freude an dem Buch haben dürften. Dass die Figuren eher oberflächlich gezeichnet sind und die Geschichte dadurch vielleicht nicht so mitreißend ist, wie sie eventuell sein könnte, lässt sich in Anbetracht des Märchencharakters und der Kürze der Geschichte durchaus verzeihen.

Taschenbuch: 176 Seiten
Originalausgabe: Coraline, Harper Collins 2002
Aus dem Englischen übersetzt von Cornelia Krutz-Arnold

Burgwächter, Till / Oidium, Jan – Zwischen Aasbüttel und Vaalermoor – Die Wahrheit über Wacken

Till Burgwächter und Jan Oidium braucht man Lesern unseres Magazins eigentlich nicht mehr vorzustellen. Seit einiger Zeit begeistern die beiden die Szene bereits mit ihren Büchern; der eine im Bereich der Satire zum Thema Heavy Metal, der andere mit seinen Comics zu ebenjener Musikrichtung. Für ihre kritisch-satirische Zusammenfassung über das [Wacken Open-Air]http://www.wacken.com/ haben sich die beiden Originale nun zusammengetan und |das| europäische Metal-Festival mal aus Blickwinkeln betrachtet, die der gemeine Fan eigentlich alle kennt, die aber auf diese Weise noch nie in Buchform präsentiert wurden. Hier wird in einer kurzen und knappen Übersicht all das angesprochen, was den Wacken-Besucher schon jahrelang beschäftigt, was ihn ärgert, was ihn bewegt und worüber er sich freut. Jedoch schildert Burgwächter dies wie gehabt nicht in einem ganz normalen Erlebnisbericht, sondern vielmehr in einer alphabetischen Anordnung der wichtigsten Begriffe rund um das Festival.

Einleitend schildert Burgwächter aber zunächst mal sein „erstes Mal“, sprich seine erste Fahrt nach Wacken und die damit verbundenen Eskapaden. Bereits hier entscheidet sich dann auch, ob man sich mit dem Humor des Autoren anfreunden kann oder nicht, denn Burgwächter scheut vor derben Zitaten und unkonventionellen Meinungen nicht zurück, nimmt kein Blatt vor den Mund und verteilt auch einige Seitenhiebe an Teile der Szene, die sich eventuell auch für dieses Buch interessieren können. Mutig und frech auf der einen, überzeugend dargestellt und gelungen auf der anderen Seite. Burgwächter weiß genau, wie er an den Leser herantreten muss, und da es sich nun mal bei den potenziellen Konsumenten um ein limitiertes Publikum handelt, kann er dabei auch sehr direkt vorgehen.

Nach dieser kurzen Einleitung folgt dann der weitaus wichtigere Hauptteil, das Wacken-ABC, angefangen bei „A wie An-/Abreise“ bis hin zu „Z wie Zoll (temporär aktiver)“. Und genau in diesem Abschnitt gelingt es dem Autoren beinahe in jedem Satz, das Zielpublikum zum Lachen oder zumindest die Mundwinkel in die entsprechende Position zu bringen. Burgwächter macht sich lustig über das Bändchensystem und die damit verbundene „Wer ist wichtig und wer nicht“-Problematik, lässt sich ausufernd über das qualitativ minderwertige Essen auf dem Fstivalgelände aus, philosophiert über die verschiedenen Auswirkungen des Alkoholkonsums und dessen Folgen für das gesamte Festival, prangert immer wieder die Geldmaschine Holger Hübner und dessen Spießgesellen an und ergänzt seine Schilderungen dabei immer wieder mal mit prominenten Namen aus der gesamten Szene. Dass sich Burgwächter damit nicht nur Freunde macht, sollte klar sein, doch seine Feinde sind ganz bestimmt nicht unter den Lesern, denn denen spricht er mit seiner ungezwungenen und „ich schreibe frei nach Schnauze“-Art voll und ganz aus der Seele. Im Prinzip könnte man jetzt sagen, dass alle Probleme, die sich am ersten Augustwochenende im hohen Norden ergeben, hier zusammengefasst werden, nur eben auf eine Art, die einmal mehr beschreibt, dass die gesamte Szene nicht immer nur superböse sein muss, sondern auf der anderen Seite weitaus mehr Humor hat als die gesamte Gangsta-Posse und ihre Schergen. Und wenn man sich erst einmal an Burgwächters Humor herangetastet hat, gibt es kein Halten mehr. Da lacht man über Schinkengott Danzig ebenso wie über Manowar, nimmt etwas verquere Beschreibungen von Onkel Tom gerne hin, lässt zu, dass ein nicht allzu kleiner Teil der Lieblingsmusikerschaft weniger gut dabei wegkommt und lacht sich im Endeffekt immer wieder so richtig schön weg.

Ergänzt wird das Buch am Ende doch noch durch einige (leider nicht ganz so originelle) Neuinterpretationen diverser Songtitel (u. a. wird ‚Panzer Division Marduk‘ zu ‚Panzer Division Steinburrg‘), die Begründung dafür, warum Maiden nicht in Wacken spielen werden, ein ziemlich interessantes Horoskop und eine Darstellung der internationalen Beziehungen des Wacken-Festivals.
Nicht zu unterschlagen sind natürlich die Illustrationen von Comic-Zeichner Oidium, der so manche ins Lächerliche gezogene Aussage von Burgwächter mit seinen Zeichnungen bekräftigt. Auch hier zeigt sich, wie einfach es scheinbar ist, den Menschen zum Lachen zu bringen. Die meisten der hier gezeigten bildlichen Darstellungen sind nämlich keine große Kunst sondern einfache Unterhaltung. Dennoch sind sie sehr cool geworden und gefallen sofort beim ersten Anblick.

Das Fazit ist also eindeutig: Das Team Burgwächter & Oidium bietet auf leider nur 116 Seiten Spitzenunterhaltung und hat in meinem persönlichen Fall die Lachmuskeln bis aufs Äußerste strapaziert. Ich fühle mich in diesem Buch voll verstanden und habe beschlossen, meinem Unmut beim nächsten Wacken-Besuch einfach so deutlich zu machen, indem ich das Buch vorne am Infostand abgebe. Das ist zwar sicherlich nicht die Intention von Burgwächter, der hier einfach nur unterhalten will, aber wenn ich mal über meine bisherigen fünf Besuche im hohen Norden nachdenke, dann sind es gerade all die hier angesprochenen Themen, die mir zu den Rahmenbedingungen von Wacken einfallen. Hoffen wir also, dass der Oidium-Verlag eine 30.000er-Auflage parat hält, denn „Zwischen Aasbüttel und Vaalermoor – Die Wahrheit über Wacken“ sollte jeder Wacken-Fan gelesen haben. Jeder!

Anika Krüger – Charlotte & Pauline und die Erpresser

„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.
Ein Freund bleibt immer Freund – und wenn die ganze Welt zusammenfällt.
Drum sei auch nie betrübt, wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt.
Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den´s gibt.“

Dem Thema Freundschaft hat sich die Braunschweiger Autorin Anika Krüger angenommen, die mit „Charlotte & Pauline und die Erpresser“ ihr erstes Kinderbuch vorgelegt hat. Das Buch richtet sich an junge Leser ab neun Jahren, die sich auf einen kurzweiligen Kinderkrimi freuen dürfen.

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Gretelise Holm – Die Robinson-Morde

Auf einer dänischen Insel geht in einem Seniorenheim offenbar ein ‚Sterbehelfer‘ um. Eine zufällig anwesende Journalistin wird in das Geschehen verwickelt. Während die Polizei im Dunkeln tappt, kommt sie einem alten und ungesühnten Verbrechen auf die Spur, in das die meisten Inselbewohner verwickelt sind … – Skandinavien-Krimi der typischen Sorte, d. h. sorgfältig geplottet und mit mehr als einem Hauch Sozialkritik veredelt; trotz der relativen Ereignislosigkeit unterhaltsam aber kein Meilenstein des Genres.
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Bridges, Bill / Chillot, Rick / Cliffe, Ken / Lee, Mike – Welt der Dunkelheit, Die (Grundregelwerk)

|Jeden Menschen beschleicht zumindest einmal im Leben das Gefühl, irgend etwas stimme nicht mit der Welt und es sei nicht alles so, wie es auf den ersten Blick erscheine.

Man versucht, uns glauben zu machen, die mittelalterlichen Vorstellungen von Monstern und Magie seien nicht mehr als primitiver Aberglaube. Heute ist unser Denken doch viel zu aufgeklärt, als daß wir noch an derlei Unfug glauben könnten – zumindest bilden wir uns das gerne ein. Doch nachts, wenn die Schatten undurchdringlicher werden und der Wind durch die Bäume pfeift, dann schaudern wir und denken an die alten Wahrheiten – die Wahrheiten unserer Ahnen, die allen Grund hatten, die Dunkelheit zu fürchten.

Am besten schließt man die Augen und redet sich ein, dort draußen sei nichts, was sich nicht logisch erklären ließe. Denn wenn wir die Wesen da draußen nicht sehen, dann sehen sie uns vielleicht auch nicht.

Doch nur weil wir so tun, als gäbe es sie nicht, werden diese Wesen nicht verschwinden. Es macht es ihnen nur leichter, sich versteckt zu halten – und Raubtiere ziehen es vor, sich vor ihrer Beute zu verbergen, da sie sie doch nur allzu leicht verschrecken.

Es ist schwierig, an etwas zu glauben, das man nicht sehen kann.
Womöglich ist es ihnen aber auch recht so.

Willkommen in der Welt der Dunkelheit.|
(Auszug aus dem Regelwerk)

_Über die Welt der Dunkelheit_

Die Welt der Dunkelheit (WdD) von |Feder & Schwert| gleicht unserer Welt fast bis aufs Haar. Der Unterschied ist nur: Die Monster und Märchenfiguren wie Geister, Magier, Werwölfe und Vampire gibt es wirklich. Die Menschen glauben nicht an diese Geschöpfe, bzw. wollen nicht an sie glauben. So ergibt sich die Konstellation, dass die Wesen im Hintergrund verborgen bleiben.

Vampire leben unerkannt unter ihrer „Beute“ und Werwölfe machen nicht nur die Wälder unsicher. In der Welt der Dunkelheit kann sich der Spieler aussuchen, was er gerne verkörpern möchte. Er kann sowohl einen normalen Menschen spielen als auch übernatürliche Wesenheiten wie Vampire, Werwölfe oder Magier.

Im hier besprochenen „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ ist es erst mal vorgesehen, einen Menschen zu erschaffen. Wer ein übernatürliches Wesen spielen will, muss sich die Quellenbücher „Vampire: Requiem“, „Werwolf: Paria“ und „Magus: Erwachen“ zulegen. Allerdings sind diese Quellenbücher ohne das „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ nutzlos, da die grundlegenden Regeln nur hier stehen und in den anderen Veröffentlichungen die Veränderungen gegenüber den Menschen behandelt werden.

Die Grundstimmung des Spiels ist düster und bedrohlich. Es lauern nicht nur hinter jeder Ecke neue Schrecken, die Monster sind auch noch intelligent. Was bringt es schon, die Polizei auf ein Monster aufmerksam zu machen, wenn diese beim Monster auf der Lohnliste steht?

Die Reize liegen neben der ständigen Paranoia auch darin, dass das Spiel in unserer Welt angesiedelt ist. Die politischen Ereignisse stimmen überein, dieselben Kriege und Katastrophen geschehen. Nur stellt sich dauernd die Frage: Ist das der Gang der Natur oder helfen hinter den Kulissen die Monster nach? Ist der Bürgermeister meiner Stadt vielleicht nur der Handlanger eines mächtigen Vampirs? Oder warum sehe ich meinen merkwürdigen Nachbar immer nur, wenn die Sonne bereits untergegangen ist? Hat er vielleicht ungünstige Arbeitszeiten, oder hat er etwas mit dem Verschwinden meines geliebten Hundes zu tun?

Das Problem ist: Wenn man als Mensch zu viel über diese Wesen erfährt und Nachforschungen anstellt, läuft man Gefahr, sich von der Masse abzuheben und so den Blick der dunklen Wesenheiten auf sich zu richten. Und wenn das passiert ist, werden sie dich jagen! Mit gebleckten Zähnen, messerscharfen Klauen und magischen Kräften. Oder sie finden Gefallen an dir und verwandeln dich zu einem von ihnen …

Die WdD lebt von ihrem delikatem Horror (als Mensch) und der Faszination, selber diesen Horror (als Vampir, Werwolf, Magier) zu verkörpern.

_Aufmachung des Buches_

Der |Feder & Schwert| Verlag hat mal wieder ein topp gestyltes Produkt auf den Rollenspielmarkt geworfen. Von außen fällt es zunächst durch ein sehr edel gestaltetes Hardcover mit schöner Grafik und leicht hervorstehender Schrift ins Blickfeld. Trotzdem ist es ziemlich robust, gut verarbeitet und griffig. Die Gefahr, dass es nach oftmaligem Gebrauch zerfleddert, ist auf ein Geringstes minimiert. Aber auch zwischen den Buchdeckeln lässt die Qualität nicht nach. Wer ein trockenes Tabellenstöbern erwartet, hat sich geschnitten. Mit viel Detailverliebtheit sind Prologe und kleine Geschichten rund um die WdD in die Regeln eingearbeitet. Dies macht das lesen durchaus spannend, und eine interessante Lektüre lässt sich nun mal leichter lernen. So wird dem Einsteiger der Anfang im noch neuen Regelwerk erleichtert.

Auch mit der Grafik kann das „WdD – Grundregelwerk“ punkten. Ob Zeichnungen von Monstern oder mystische Fotomontagen, alles unterstützt die düstere Stimmung perfekt.

Also, in punkto Aufmachung und Qualität dürfte |Feder & Schwert| nur schwer das Wasser zu reichen sein. Super Qualität, so stellt man sich ein Regelwerk vor.

_Regeln_

Die Regeln sind nach dem altbewährten, wenn auch modifizierten |White Wolf|-System aufgebaut. Meistens werden Attribute und Fertigkeiten kombiniert und dann wird mit zehnseitigen Würfeln (W10) gewürfelt. Jeder Würfel der eine Acht oder höher zeigt, ist ein Erfolg. Natürlich gibt es verschiedene Attribute, neun an der Zahl, und jede Menge Fertigkeiten, aber letztlich läuft es meisten auf das Schema „Attribut plus Fertigkeit“ hinaus.

Wem Attribute und Fertigkeiten nichts sagen, hier eine kleine Einführung:

Attribute sind die Eigenschaften eines Charakters, wie z. B. die Körperkraft, die Gabe, andere zu manipulieren oder seine Entschlossenheit. Fertigkeiten hingegen sind die Werte, die in etwa seiner Ausbildung entsprechen, also Computer, Handwerk, Fahren, Kampffertigkeiten oder Umgangsformen.

Attribute haben Ausprägungen von eins (sehr schwach) bis fünf (unübertrefflich), Fertigkeiten von null (nicht gelernt) bis fünf (Koryphäe). Diese beiden werden dann kombiniert und schon haben wir die oben erwähnte Würfelanzahl für unsere Erfolgsprobe. Diese wird dann noch vom Spielleiter modifiziert, d. h. mit Boni oder Mali belegt, ja nach Schwierigkeit und äußeren Einflüssen.

Da das System in den Grundlagen relativ einfach zu erlernen und anzuwenden ist, ist es auch für Neueinsteiger und Anfänger geeignet. Wer noch Fragen bezüglich der Regeln und deren Auslegung hat kann die [Homepage]http://www.feder-und-schwert.com/ von |Feder & Schwert| besuchen. Dort kann man sich direkt mit den Fragen an die Profis wenden.

_Änderungen zum Vorgänger_ (für Spieler der alten |White Wolf|-Regelwerke)

Die Regeln wurden sinnvoll modifiziert. So ist das Kampfsystem einfacher. Zur Ermittlung von Angriff und Schaden ist nur noch ein Wurf erforderlich. Eingeführt wurde auch ein Wert, der sich Verteidigung nennt. Dieser Wert soll die natürlichen Abwehrreflexe im Nahkampf darstellen. Auch die Kampfsportarten und beidhändiges Kämpfen sind jetzt sinnvoller geregelt, indem man sich solche Befähigungen als Vorteile erkaufen muss.

Auch die alte Regel mit Wesen und Verhalten wurde, zum Glück, geändert. Wer jetzt Willenskraft wiedererhalten will, muss entsprechend seiner Tugend oder seines Lasters handeln. Diese Änderung erweitert den Rahmen für stimmungsvolles Rollenspiel beträchtlich. Nach der neuen Regel ist es jetzt nicht mehr möglich, sich mit Nachteilen zuzupflastern und dafür jede Menge Punkte für die Charaktererschaffung zu erhalten. Nachteile gibt es zwar immer noch, doch kommen diesen rein spielerische Aspekte zu, d. h. spiele ich meinen Nachteil gut aus, kann mir der Spielleiter am Ende mehr Erfahrungspunkte geben.

So wird dem „Powergaming“ vorgebeugt, denn wer seine Nachteile so gut ausspielt, dass er dafür zusätzliche Punkte erhalten würde, hat es nicht nötig, sich „hochzupowern“. Dadurch wird das Spielen auch wieder stimmungsvoller, denn der Vampir, der Angst vor Kreuzen hat, eine Phobie vor Kindern, eine gespaltene Persönlichkeit und nur von Nonnen mit silbergrau gefärbten Haaren trinkt, eignet sich nicht dazu, anspruchsvolles Rollenspiel zu betreiben.

Die gröbsten Schwächen der Vorgänger sind behoben. Beim ausgiebigen Studium der Regeln sind mir keine groben Fehler aufgefallen. Alles scheint mir relativ sinnvoll gelöst.

Natürlich wird wahrscheinlich jeder irgendeine Regel unsinnig finden, aber ohne das Diskutieren über Regelinhalte oder deren Auslegung macht das Rollenspiel doch nur halb so viel Spaß!

_Fazit_

Ich muss gestehen, dass ich dem neuen Regelwerk äußerst skeptisch gegenüberstand: Erst hatte ich mir die alten Ausgaben für teuer Geld angeschafft, und jetzt ändern die einfach die Regeln und die Welt im Allgemeinen! Doch ich muss sagen, „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ hat mich restlos überzeugt. Topp Präsentation, sinnvolle Regeländerungen und jetzt auch endlich der Ansatz, als Mensch zu beginnen, haben mich in der Tat für diese Neuausgabe eingenommen.

Dieses Spiel hat wirklich das Potenzial, ebensolcher Kult zu werden wie sein Vorgänger.

Padura, Leonardo – Labyrinth der Masken (Teniente Mario Conde 3)

|(Verlagstext) Im Bosque de La Habana wird am 6ten August, am Tag der Verklärung Jesu, die Leiche eines Transvestiten gefunden. Als sich herausstellt, dass es sich bei dem Toten um Alexis Arayán, den Sohn eines angesehenen kubanischen Diplomaten, handelt, will sich bei der Polizei keiner die Finger verbrennen. Nur Mario Conde, für sechs Monate zum Erkennungsdienst strafversetzt, ist froh, nicht länger Karteikarten ausfüllen zu müssen, und springt ohne zu zögern ein. Seine Ermittlungen führen ihn zu Marqués, einen exzentrischen und legendären Theaterregisseur, der als Homosexueller geächtet in einem zerfallenden Haus lebt. Kultiviert, intelligent, und mit feiner Ironie begabt, führt dieser Conde in eine verborgene Welt ein und treibt gleichzeitig ein listiges Verwirrspiel.|

Im dritten Roman des Havanna-Quartetts „Labyrinth der Masken“ wird Teniente Mario Conde mit der Untersuchung des Mordfalls an einem jungen Homosexuellen beauftragt, der in Frauenkleidern in einem öffentlichen Park gefunden wurde. Alexis Arayán wurde mit einer roten Seidenschärpe erdrosselt und zwei Peso-Münzen steckten in seinem After. Stammt der Mörder aus dem Homosexuellen-Milieu?
Für Mario Conde ist der Mordfall eine Chance zur Bewährung, denn er ist zum Erkennungsdienst sechs Monate strafversetzt worden. Seine Kollegen beneiden ihn nicht um diesen Fall, denn das Opfer ist der Sohn des angesehenen kubanischen Diplomaten Faustino Arayán. Politische Kontrolle und Druck scheinen deshalb vorprogrammiert zu sein. Und als wäre dieses nicht genug, schnüffelt „ein Bataillon von internen Ermittlern“ im Kommissariat herum. Besonderes Interesse zeigen die Ermittler an Mario Conde.

|“Weißt du eigentlich, wo mir der Kopf steht? Meinst du, es wäre leicht, seine Arbeit zu tun, wenn ein ganzes Bataillon von internen Ermittlern hier in der Zentrale rumschnüffelt? Weißt du, wie viele Fragen mir Tag für Tag gestellt werden? Weißt du, dass bereits zwei unserer Beamten wegen Korruption entlassen worden sind und zwei weitere wegen Nachlässigkeit im Dienst suspendiert werden? Und kannst du dir vielleicht vorstellen, wem all diese Geschichten angelastet werden? Mir natürlich!“|

Die Ermittlungen führen Mario Conde und seinen Kollegen Manolo zu dem Regisseur Alberto Marqués, bei dem Alexis Arayán gewohnt hatte, seit er aus dem elterliche Domizil nach seinem Coming-out verwiesen worden war. Alberto Marqués ist ebenfalls homosexuell und wegen seiner sexuellen Orientierung vor vielen Jahren aus dem Theater verbannt worden. Alberto Marqués ist eine faszinierende Persönlichkeit: ein Mann aus der Welt der Literatur und des Theaters, ein Intellektueller und ein Individualist. Dieses muss sich auch der homophobe Mario Conde eingestehen.
Weil alle Spuren des Mordfalls auf einen Mörder aus dem Homosexuellen-Milieu hindeuten, lässt sich Conde auf Alberto Marqués ein, um mehr über Alexis‘ Bekanntenkreis zu erfahren und dabei möglicherweise den Mörder aufzuspüren. Marqués lädt ihn zu einer Homosexuellen-Party ein und Mario Conde nimmt die Einladung trotz großer Bedenken an. El Conde ist von Alberto Marqués beeindruckt, und als dieser ihm seine persönliche Geschichte erzählt, über den Hinauswurf, das nachfolgende Berufsverbot, den Strafdienst in einer kleinen Bücherei und weshalb er seitdem kein Theaterstück mehr aufgeführt hat, wird aus Condes anfänglich ablehnender Haltung allmählich Sympathie und Verständnis.

|“Wie dem auch sei, dachte (Conde), (Marqués) ist schwul, das jedenfalls ist nicht gelogen. Aber ich mag ihn, auch das ist nicht zu leugnen.“|

Leonardo Padura zeigt in „Labyrinth der Masken“ eine kubanische Gesellschaft, in der jeder eine Maske trägt – aus den unterschiedlichsten Gründen: teils, weil etwas verborgen bleiben soll; teils, weil man eine Rolle spielt, die man spielen möchte oder von der man glaubt, sie spielen zu müssen.
„Labyrinth der Masken“ ist ein packender, eindringlicher und stiller Roman, der mit seiner Kriminalgeschichte Zeitgeschichte einfängt und erklärt. Anders als in den beiden früheren Havanna-Romanen „Ein perfektes Leben“ und „Handel der Gefühle“, tritt hier die Zeitgeschichte stärker in den Vordergrund. Der Krimiplot wird deshalb nur mit dem Wohlwollen des Lesers zu einem befriedigenden Ende geführt. Dieses ist aber kein Makel, denn Leonardo Padura hat mit seiner Figur Teniente Mario Conde einen eindrucksvollen und charismatischen Protagonisten geschaffen, der auf den nicht weniger eindrucksvollen und charismatischen Homosexuellen Alberto Marqués trifft. Padura besitzt einen genauen Blick für Orte, Menschen, Situationen und Geschichte. Es gelingen ihm eindringliche Milieuschilderungen sowohl des homosexuellen Untergrunds als auch des Stadtviertels, in dem Conde aufwuchs und das einem stetigen Wandel unterliegt. Der Autor zeichnet auch Nebenfiguren mit starken Pinselstrichen und erweckt sie zu lebendigen, eigenständigen Persönlichkeiten. Mit ihnen fängt Padura die vielen Facetten des gesellschaftlichen Umbruchs ein – in kleinen, oft nebenbei erzählten Geschichten:

– von dem dünnen Carlos, dessen Ex-Freundin im Exil lebte und ihn jetzt besuchen möchte;
– von dem Roten, der illegal Bier verkauft und dabei agieren muss, als wäre er ein Drogenhändler;
– von dem Geliebten Alexis Arayáns, der sich die Maske abreißt.

Mit seiner starken Figur Mario Conde nimmt uns der Autor mit auf eine Entdeckungsreise in die kubanische Gesellschaft und auf Spuren des großen Umbruchs. Reales Vorbild der Figur Alberto Marqués ist der kubanische Dramatiker Virgilio Piñera, der mit einem Berufsverbot belegt wurde, weil er die Künstlern und Erziehenden abverlangten revolutionären Parameter als ein Ergebnis des „Kultur- und Erziehungskongresses“ von 1971 nicht erfüllte – wegen seiner Homosexualität und seiner gelebten Individualität. Heute ist Homosexualität in der kubanischen Gesellschaft kein politisches Problem mehr. „Es scheint beinahe, als ob sie nie eines gehabt hätten, so als wäre ihre Geschichte vergessen.“ (Leonardo Padura) Trotzdem werden Homosexuelle noch immer als abartig und Homosexualität als widerlich angesehen. An diese jüngere kubanische Vergangenheit möchte Leonardo Padura mit Alberto Marqués erinnern und „diese Erinnerung aus einem menschlichen Blickwinkel bewahren.“
Das „Labyrinth der Masken“ ist ein faszinierender, großartiger Roman, dem man viele, viele Leser wünscht.

_Claus Kerkhoff_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Green, Simon R. – Dunkle Fort, Das. Ein Dämonen-Roman

Simon R. Green kennen manche vielleicht noch von seinem erfolgreichen Roman „Das Regenbogen-Schwert“. Dort fiel der Amerikaner bereits durch seine Mischung aus skurriler Erzählweise und düsterer Fantasy auf und verband damit Elemente von Terry Pratchet bis hin zu den ‚handelsüblichen‘ Fantasy-Autoren dieser Zeit. Green zeichnete sich vor allem dadurch aus, in kürzester Zeit einen simplen und doch sehr spannenden Plot aufzubauen, also quasi sehr schnell auf den Höhepunkt hinzuarbeiten. Wo andere mindestens eine Trilogie brauchen, um eine eigene Welt entstehen zu lassen, legt Green ein ungeheures Erzähltempo vor, das aber sicher auch aus langjähriger Erfahrung mit dieser Materie herrührt, denn direkt nach seinem Studium in Englisch und Literatur widmete sich Green nach einer kurzen Zeit als Buchhändler phantastischen Themen und begann selber Bücher zu schreiben.

Sein aktuelles Werk heißt „Das dunkle Fort“ und wird erneut von einer sehr düsteren Atmosphäre untermalt. Leider jedoch fehlt es der Handlung an etwas Besonderem. Dieses Mal ist Green nämlich einen Schritt zu weit gegangen und hat sich eindeutig zu wenig Zeit gelassen, um der Geschichte eine Entwicklung zu ermöglichen. Detailbeschreibungen bleiben fast vollständig außenvor, was ja nicht dringend schlecht sein muss, hier aber doch sehr negativ auffällt, weil einzelne Szenarien einfach zu abgehackt beschrieben werden. Dabei hätte die Story an sich eine Menge Potenzial gehabt …

_Story:_

Nach den Dämonenkriegen herrschen an der Grenze zwischen Hagreich und Grundland weiterhin Spannungen. Eines Tages wäre es dem Herzog von Grundland beinahe gelungen, den Streit um die benachbarte Region ganz für sich zu entscheiden, woraufhin die Leute aus dem Hagreich ein Grenzfort erbaut haben. Das Ergebnis: Keine Gefechte mehr im Grenzland. Irgendwie hat das Fort die Gegner abgeschreckt, und in der Gegend ist seitdem auch wieder Ruhe eingekehrt. Doch zu lange hat man aus dem Fort nichts mehr gehört. Ranger Duncan MacNeill und seine Truppe gehen der Sache schließlich auf den Grund und wollen herausfinden, was sich genau im Fort abspielt. Die Gruppe findet das Gebäude völlig verlassen vor, und alles deutet auf ein schreckliches Verbrechen hin. Doch mithilfe der Hexe Constance finden sie heraus, dass unter dem Fort etwas Unvorstellbares lauert. Und als auch noch Gesetzlose in das Gebäude eindringen, um einen angeblichen Goldschatz zu bergen, schlagen die Mächte der Finsternis zu, und die Ranger müssen sich aus der Not heraus mit den Verbrechern verbünden. Einer nach dem anderen fällt den Angriffen der untoten Monster und Trolle zum Opfer, bis Duncan sich schließlich selbst dem finstersten aller Dämonen stellen muss …

Wie bereits angedeutet, hat der Plot an sich eine ganze Menge Potenzial: ein verlassenes, mysteriöses Gebäude, Spuren aus vergangenen Kriegen, eine Zweckgemeinschaft, die sich nicht ganz geheuer ist, und natürlich der Kampf gegen fremde Dämonen. All dies hätte sich wunderbar zu einem packenden Fantasy-Roman verarbeiten lassen. Doch Simon Green ist es nur partiell gelungen, die Geschichte auch wirklich fesselnd zu erzählen. Gerade zu Beginn verpasst der Autor es, die Leserschaft an das Buch zu binden und wirkliches Interesse für die Geschichte zu wecken. Man hat bereits ein Drittel des Buches gelesen, ist auch schon einigermaßen mit den Rahmenbedingungen vertraut, vermisst aber weiterhin die Spannung. Das liegt einerseits an Greens schlichter Schreibweise, andererseits aber auch an den abgehackten Beschreibungen, die nun wirklich gar keinen Freiraum für detaillierte Darstellungen lassen. Man weiß zwar, was passiert und warum es passiert, wird aber nicht in die Lage versetzt, die Geschichte selber so richtig mitzuerleben.

Für mich bedeutet das Lesen eines solchen Romans auch immer, ein stückweit selber Teil der Geschichte zu werden, und dieses Gefühl kann mir Green in „Das dunkle Fort“ nur relativ selten und selbst dann nur bedingt geben. Die Art und Weise, wie er an das Unterfangen herangeht, ist dabei aber auch nicht besonders günstig gewählt. Einzelne Gewaltszenen gehen zwar ein bisschen unter die Haut, verblassen aber schließlich auch wieder als Effekte, die das Buch gar nicht braucht. Von der Geschichte um die Gefährten, die sich früh für den einzig wahren Zweck zusammenraufen, will ich jetzt gar nicht erst anfangen …

Green verlässt sich zu sehr auf bekannte Stilelementen, und sobald er eigene Elemente einbringt (siehe Schreibstil), folgt darauf direkt eine Bauchlandung, weil eben Langeweile aufkommt. Die Tatsache also, dass der Autor schnell auf den Punkt kommt, muss eben nicht immer von Vorteil sein, und in diesem Fall ist sie es auch ganz klar nicht. „Das dunkle Fort“ ist daher auch bestenfalls nur ein durchschnittlicher Roman mit einzelnen wenigen Höhepunkten, einer insgesamt aber zu durchschaubaren und selten bewegenden Story. Schade um die Möglichkeiten, die sich hier geboten hätten.

Charlotte Link – Am Ende des Schweigens

Stanbury ist ein kleines Dorf im Westen von Yorkshire, eine romantische Gegend, in der einst die Bronte-Schwestern zuhause waren. In dem Anwesen Stanbury House verbringen jedes Jahr drei deutsche Ehepaare die Ferien, die Männer sind seit Schulzeiten miteinander befreundet. Patricia Roth ist die Eigentümerin des Anwesens, ihr Mann Leon ist Anwalt, die verwöhnten Töchter Diane und Sophie sind zwölf und zehn Jahre alt. Das zweite Paar bilden der Psychologe Tim und seine depressive Frau Evelin. Relativ neu im Kreis ist Jessica, die erst seit einem Jahr mit Alexander verheiratet ist. Obwohl sie ihn erst nach der Scheidung kennen lernte, steht seine fünfzehnjährige Stieftochter Ricarda ihr rigoros ablehnend gegenüber.

Charlotte Link – Am Ende des Schweigens weiterlesen

Herles, Wolfgang – Dann wählt mal schön

Fragt man den Mann auf der Straße nach seiner politischen Lageeinschätzung, wird man vermutlich hören: „Der Schröder kann’s nicht, die Merkel wird’s auch nicht packen. Im ganzen System steckt der Wurm drin.“ Wolfgang Herles, ZDF-Journalist für Politik und Kultur, sagt in seinem neuesten Buch „Dann wählt mal schön“ das Gleiche etwas ausführlicher. Das Versagen bei den drückenden Problemen wie der Arbeitslosigkeit liege an fehlendem Mut und bringe die Demokratie insgesamt in die Krise. Unter diesen Umständen bringen Wahlen – oder vorgezogene Neuwahlen – keine Besserung, wie der bitter-ironische Titel aussagt. In acht Kapiteln beschreibt Herles verschiedene Aspekte dieser Lage.

Im ersten Kapitel _Von der Politikverdrossenheit zur Demokratieverdrossenheit_ sieht Herles durch die Unfähigkeit der Parteien und die Gleichgültigkeit der Bürger eine Politikverdrossenheit, welche die Demokratie in Gefahr bringen könne. Populistische Politiker schüren falsche Erwartungen, die die Lage eher noch verschärfen. Zur Erklärung, warum nun gleich die Demokratie bedroht wäre, fällt Herles nichts anderes als das alte Klischee vom bösen Deutschen ein, der die Demokratie zu spät kennen gelernt habe, sie eigentlich immer noch ablehne und sich lieber hinter – gerne auch mal kriegerische – Führer schare. Dass die Briten sich unter unzähligen Leichen ein in der Geschichte einmaliges Kolonialreich zusammengeräubert hatten und Freiheit und Demokratie außerhalb ihrer Insel nur selten vertraten, dass die Franzosen seit 1789 gleich drei autoritäre Führer kürten (Robespierre, Napoleon Bonaparte, Napoleon III.) und dass heute in etlichen osteuropäischen Ländern die alten kommunistischen Parteien höhere Wahlergebnisse haben als die SED-PDS-Linkspartei in den neuen Bundesländern, davon lässt sich Herles seine einmal angewöhnten Vorurteile nicht durcheinander bringen. Seitenweise zitiert er dann aus Uwe Tellkamps heiß diskutiertem Roman (!) „Der Eisvogel“, als handele es sich dabei um ein wissenschaftliches Werk, und unterstellt ohne jeden Beleg, dass viele Deutsche die radikalen Äußerungen des Protagonisten teilten. Im Abschnitt über Extremismus folgt das, was man befürchten durfte: Buchhalterisch protokolliert er etliche Lappalien über die sächsische NPD und verlässt das Thema seines Buches. Linksextremismus und Islamismus kommen dagegen nicht vor, die PDS hält Herles allen Ernstes für „verfassungstreu“ (S. 43).

Der Bevölkerung wirft Herles neben der Anspruchshaltung Gleichgültigkeit und Inkompetenz vor. Doch die von ihm genannten Umweltgruppen, die zum Schutze des Feldhamsters den Ausbau der Infrastruktur verhindern, sind eine kleine Minderheit und haben nur deshalb gelegentlich Erfolg, weil Gerichte ihren Beschwerden aufgrund bestehender Gesetze recht geben. Dagegen haben vier bis fünf Millionen Deutsche 1999 gegen die doppelte Staatsbürgerschaft unterschrieben und damit mehr politischen Verstand bewiesen als die Regierung. Während in den Niederlanden und Großbritannien eingebürgerte Moslems islamkritische Regisseure oder Londoner U-Bahn-Passagiere umbringen, erhalten in Deutschland täglich neugeborene ausländische Kinder per Automatismus einen deutschen Pass. Dass die Deutschen aber heute in der Tat so gleichgültig sind, die Sache so kurz vor der Wahl nicht wieder aufs Tapet zu bringen, wäre einer Erörterung wert (aber dazu müsste einem das Thema schon eingefallen sein).

Das Kernproblem dieses Kapitels ist es, dass zentrale Begriffe wie Demokratie, Populismus und Extremismus nicht definiert werden und Herles nun fröhlich seine Floskeln und Urteile repetieren kann. Immerhin fordert er deutliche inhaltliche Auseinandersetzungen, den Mut zur Freiheit samt ihrer Risiken und bekennt sich zur Marktwirtschaft als integralem Bestandteil der Demokratie (S. 33).

Das zweite Kapitel _Die Reihen fest geschlossen_ (Preisfrage: Woher stammt dieses Zitat?) beschreibt die Machtausübung der Parteien und ist schon lesenswerter. Auch hier gibt es keine Definitionen der Begriffe Demokratie oder Führung, aber zumindest Annäherungen. Wenn die Führungsprinzipien des früheren neuseeländischen Finanzministers Douglas referiert werden, ist das ein Höhepunkt des Buches. Aber sobald es interessant wird, bricht Herles ab. Hier wäre eine Analyse der aufgezählten Grundsätze am Platze gewesen. Auch sonst, wenn Herles konkret wird und Probleme wie die Macht des Bundesrates (S. 56), die Mediendemokratie (S. 60f) oder den „Geschlossenheitskult“ der Parteien (S. 62ff) beim Namen nennt, kratzt er nur an der Oberfläche und huscht zum nächsten Punkt.

Und wieder mal ist das Volk an allem schuld: Wenn solche Politiker, die auf Show statt auf Inhalte setzen, Karriere machen und solche, die Fehler zugeben und zurücktreten, keine zweite Chance erhalten, dann nur, so Herles, weil das Volk es so wünsche, und nicht etwa weil berechnende Parteiführer dies so steuerten. Beweise oder zumindest Anhaltspunkte für diese Behauptungen? Wieder Fehlanzeige. Der Autor selbst erwähnt Friedrich Merz (CDU), Oswald Metzger (Grüne) und Horst Seehofer (CSU), der als „in der Bevölkerung und der Parteibasis verankert“ (S. 71) galt. Alle drei wurden von ihren Parteiführungen kaltgestellt, nachdem sie programmatische Defizite der eigenen Parteien angesprochen hatten. Was könnte also ein einfacher Bürger erreichen, wenn schon die Funktionäre der zweiten Reihe scheitern?

Sehr lesenswert dagegen sind Herles’ Beschreibungen der Techniken und Methoden, mit denen echte Diskussionen unterbunden werden, seien es Totschlagargumente („alternativlos“, „soziale Gerechtigkeit“), die Förderung von Anpassern oder die Zurückhaltung der Parteiführer in Grundsatzfragen. Die Weltfremdheit idealistischer Vorstellungen von „Objektivität“ oder „Gemeinwohl“ wird ebenso wie auch die unrühmliche Rolle der Presse beim Ersticken harter Diskussionen dargestellt. Das hat man selten so deutlich und rücksichtslos gelesen. Die Attacke gegen die Selbstverdummung namens „Politische Korrektheit“ bleibt bei aller Richtigkeit erstaunlich zahm.

Das dritte Kapitel _Die Entwertung der Politik_ behandelt die Entmachtung des vom Volk gewählten Parlamentes. Herles beschreibt den Abfluss der Parlamentsmacht in die sechs Richtungen Regierung, Bürokratie, Medien (und Wahlkampfmarketing), Berater, EU und internationale Wirtschaft. Die vielen Facetten der (Selbst-)Entmachtung des Gesetzgebers wie das Fehlen von Denkfabriken oder die Ein-Themen-Berichterstattung der Medien werden von Herles deutlich benannt, leider geht er auch hier nicht in die Tiefe. Weiter benennt er Probleme des Wahlrechts, so z. B. dass der Bürger am Wahltag nur eine Partei mit ihrer vorgegebenen Bewerberliste und |allen| ihren Programmpunkten wählen kann. Erfrischend ist es, wenn zu den Problemen auch mal Lösungsvorschläge gemacht werden. So liest man, dass sich in England Bewerber um ein Unterhausmandat einer fachlichen Prüfung unterziehen müssen oder der Parteienkritiker Johannes Heinrichs die Ersetzung des Bundestages durch vier Fachparlamente vorgeschlagen hat. Man hätte hier noch das Kumulieren und Panaschieren aus einigen deutschen Kommunalwahlrechten erwähnen können. Dass es aber noch tiefer liegende Konflikte gibt, die nichts mit der politischen Ordnung in Deutschland oder den gegenwärtigen Problemen zu tun haben, reißt der Autor immerhin an: Einerseits heißt Demokratie Mehrheitsentscheidung, andererseits hat die Mehrheit nicht immer Recht. Einerseits wollen wir weniger Bürokratie, andererseits mehr Einzelfallgerechtigkeit. Einerseits braucht das Parlament des Fachwissen der Experten, andererseits sind die Grenzen zwischen beraten und entscheiden fließend.

In den Kapiteln 4 und 5 _Das Elend des Populismus_ bzw. _Kleines Panoptikum der Populisten_ dokumentiert Herles den Populismus der Altparteien. Endlich erfolgen auch Definitionen dieses für das Buch so wichtigen Begriffs. Populismus ist danach die emotionale Propaganda-Nebelkerze. Man macht gute Laune, verkündet Optimismus, redet die Probleme klein und erzählt einfach, was das Publikum (mutmaßlich) hören will. Verdienstvoll ist die Entlarvung eines spezifisch bundesdeutschen Populismus, dem Gerede von der guten, alten Zeit mit Vollbeschäftigung und funktionierenden Sozialversicherungen, die bestimmt bald wiederkomme, man müsse nur etwas Geduld haben. Wenn Herles die Methoden der Politiksimulation seziert, von Job-Gipfeln (erinnert sich noch jemand?) bis zu (Ohn-)Machtworten, ertappt man sich während der Lektüre beim Grinsen und denkt an die Worte des römischen Dichters Juvenal: „Es fällt schwer, keine Satire zu schreiben“. Das Abwürgen von Diskussionen durch moralische Aufheizung von Themen wird am Beispiel Tsunami gut beschrieben, wäre aber einer tiefer gehenden Untersuchung wert gewesen. Im Panoptikum werden der Spaßkanzler, Franz „Heuschrecke“ Müntefering, Bayern-Ede, „Politpopper“ Westerwelle und Bundestaxifahrer Joschka in ihrer jeweiligen Ausprägung von Populismus beschrieben. Eine Sonderstellung hat Angela Merkel inne, die „Vorsitzende der kalten Herzen“ („Die Zeit“); sie ist offenkundig sogar für Populismus zu blass. In diesen aufschlussreichen wie witzigen Porträts kommt Herles seinem Anspruch auf Analyse am nächsten.

Die _Politik im Glashaus_ präsentiert das sechste Kapitel. Es ist zu begrüßen, wenn Politiker das Arbeitsleben kennen und auch werthaltige Arbeit leisten. Von daher sagt Herles völlig zu Recht, dass Nebentätigkeiten von Politkern nicht grundsätzlich verwerflich sein müssen … aber sein können. Es werden einige interessante Fälle von Interessenüberschneidung politischer und geschäftlicher Tätigkeiten |namentlich| genannt (S. 174 ff). Am Fall von Ludger Vollmer (Grüne) und der Bundesdruckerei sieht man, dass es beim Visa-Skandal nicht nur um Schlampereien oder Multikulti-Fanatismus ging, sondern auch gut verdient wurde (S. 175). Die Namen der Parteispendenskandale der letzten Jahre wie Hunzinger, Bimbes oder Elf-Aquitaine zu lesen, ekelt einen nur noch an. Der Abschnitt über Ämterpatronage bleibt etwas dürr; hier wird nur ein Fall besprochen, der leider immer noch nicht ganz geklärt ist.

Schwachpunkte sind die beiden letzten Kapitel _Das Versagen der Gesellschaft_ und _Der Moses-Komplex_. Zunächst gibt es einen Rundumschlag gegen das Bildungssystem, die Wirtschaftselite und die sogenannten Intellektuellen. Wieder mal hechelt Herles durchs Gelände, alles nur kurz anreißend. Peinlich ist hierbei der Abschnitt über die Manager. Gerade aufgrund ihrer Gestaltungsmöglichkeiten bilden die Manager eine sehr heterogene Gruppe. Herles wird hier selber populistisch, indem er ihnen pauschal eine rücksichtslose und kurzsichtige Profitgier unterstellt. Natürlich gibt es solche Fälle, aber dann soll man diese Beispiele beschreiben und keine Klischees verbreiten. Bezeichnenderweise enthalten die Seiten, auf denen die Meinungsäußerungen besonders wüst ins Kraut schießen, die wenigsten Belege und Quellenangaben. Im letzten Kapitel wiederholt der Autor mit dem von ihm entdeckten „Moses-Komplex“ anhand der biblischen Geschichte vom Auszug aus Ägypten noch einmal die Hauptthesen des Buches: Moses (der autoritäre Führer) führt mit Drohungen und Versprechungen die Israeliten (das Volk), die zwischen Anpassung und Murren schwanken, durch die Wüste, während sein Bruder Aaron (der Populist) ihnen erzählt, was sie hören wollen. Abschließend folgen dann doch noch einige konkrete, wenn auch altbekannte Vorschläge, von der strikten Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern bis zur Begrenzung von Amtsdauern. Geradezu rührend ist jedoch der Aufruf an die Wähler, ungültige Wahlzettel abzugeben. Mittlerweile dürfte der Anteil ungültiger Stimmen vom Promillebereich auf fünf Prozent (!) angestiegen sein. Aber die Medien, auch Herles’ Haussender ZDF, liefern uns am Wahlabend weiterhin nur die prozentualen Ergebnisse und lassen die ungültigen Stimmen ganz unter den Tisch fallen. So heißt es dann auf der letzten Seite: „Dann wählt mal schön“, aber es bringt ja eh nichts. Alles Scheiße, euer Wolfi.

_Fazit_: Die derzeitige verrückte Lage zwischen Schröders Kapitulationserklärung im Mai und dem wahrscheinlichen Neuwahltermin im September 2005 hat Wolfgang Herles zum Anlass genommen, ein Buch über die grundsätzlichen strukturellen Probleme der deutschen Politik zu schreiben. Vielleicht haben sich Autor oder Verlag höhere Verkaufszahlen erhofft, wenn das Buch noch vor den Neuwahlen erscheint, jedenfalls scheint vieles unausgereift und mit heißer Nadel gestrickt. Grundsätzlich wäre diesem Buch, das zwar kaum wirklich Neues bringt, aber sein komplexes Thema umfassend beleuchtet, eine zweite, dann aber gründlich überarbeitete Auflage zu wünschen. Wolfgang Herles könnte sich große Verdienste erwerben, wenn er dann
– sich strikt auf sein Thema konzentriert und nicht abschweift,
– seine zentralen Begriffe definiert,
– die Aspekte der verfahrenen Lage nicht nur an der Oberfläche beschreibt, sondern wirklich analysiert,
– mehr erprobte Lösungsbeispiele aus der Vergangenheit oder dem Ausland präsentiert,
– und seine teils irrationalen Meinungsäußerungen entweder belegt oder unterlässt.

Überhaupt sollte Herles seine Abneigung gegen die deutschen Bürger selbstkritisch überdenken. Wenn Patriotismus nur altmodisches Gedöns ist, warum sollte sich dann überhaupt noch jemand für unser Land einsetzen? Wenn das Volk wirklich dumm, habgierig und kurzsichtig ist, warum sollte man dann noch für die Demokratie sein? Und wenn überhaupt alle – Volk, Politik und Wirtschaft – unfähig sind und Reformen unmöglich machen, warum lohnt es sich dann noch, kritische Bücher zu schreiben?

Auf jeden Fall sollten in einer möglichen zweiten Auflage einige sachliche Fehler beseitigt werden:
Franz Schönhuber war vielleicht von Anfang an Mitglied der Republikaner, gegründet wurde die Partei aber von Ekkehard Voigt und Franz Handlos (S. 38).
Dass es in der BRD noch keine Ein-Parteien-Regierung gegeben hat, liegt an Mehrheitsverhältnissen und politischen Entscheidungen, aber keineswegs an Vorgaben des Grundgesetzes oder des Wahlrechts (S. 55).
Fremdsprachen sind nützlich. Wenn man z. B. weiß, dass im Englischen |interest| nicht nur Interesse, sondern auch Zins heißen kann, versteigt man sich nicht zu abenteuerlichen Interpretationen über die Titel britischer Dokumente (S. 178).

Goga, Susanne – Leo Berlin

Historische Krimis haben immer ihren ganz eigenen Reiz. Die Kombination aus Krimihandlung und historischen Hintergründen bereichert den eigentlichen Plot und lässt die Geschichte ganz allgemein vielschichtiger erscheinen. Dies trifft auch auf Susanne Gogas Debütroman „Leo Berlin“ zu.

Angesiedelt ist die Handlung im Berlin der zwanziger Jahre. Wir schreiben das Jahr 1922: Beginnende Inflation, das aufgeheizte politische Klima der Weimarer Republik, tristes Hinterhofleben der Arbeiterklasse im Gegensatz zu eleganten Villen der Oberschicht – eine kontrastreiche und spannende Epoche der Geschichte. Zu dieser Zeit ermittelt Kommissar Leo Wechsler in einem Mordfall. Der Wunderheiler Sartorius, der Patienten aus den besten Kreisen behandelte, wird tot in seiner Wohnung aufgefunden – erschlagen mit einer Buddhafigur aus Jade.

Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass der Wunderheiler kein unbeschriebenes Blatt war. Er „therapierte“ eine Reihe von Patienten mit Kokain. Ob hier der Grund für den Mord zu suchen ist? Wechslers Nachforschungen führen ihn in die Wohnzimmer der feinen Gesellschaft, doch die Ermittlungen treten eher auf der Stelle.

Als wenig später im Scheunenviertel eine in die Jahre gekommene Prostituierte ermordet wird, wird der Fall Sartorius zunächst einmal beiseite geschoben. Wechsler und seine Kollegen ermitteln in den dunklen Straßen des Viertels und suchen in den Kokainhöhlen und Rotlichtkaschemmen nach Anhaltspunkten. Wieder einmal scheinen alle Spuren ins Nichts zu führen. Ob ein Zusammenhang zwischen den beiden Mordfällen besteht? Eigentlich abwegig, aber Wechsler zweifelt …

„Leo Berlin“ ist ein Roman, den man schon auf den ersten Seiten lieb gewinnt. Mit Leo Wechsler präsentiert Susanne Goga eine Hauptfigur, die gleichermaßen sympathisch wie interessant ist. Wechsler ist achtunddreißig Jahre alt und Witwer, mit zwei Kindern, von denen das älteste acht ist. Wechsler lebt in einem tristen Wohnblock in Moabit, kann die Familie aber mit seinem relativ sicheren Polizistengehalt trotz der wirtschaftlich unsicheren Zeiten ordentlich ernähren. Seit dem Tod seiner Frau lebt seine Schwester Ilse bei ihm, die sich Sorgen macht, dass das Leben vollends an ihr vorbeizieht, während sie Leos Kinder hütet und ihm den Haushalt macht. Private Probleme sind da vorprogrammiert.

Wechsler ist ein vielseitig interessierter Mann. Beruflich ist er für seine Hartnäckigkeit berüchtigt, im Privaten gilt sein Interesse der Kunst. Wechsler wirkt lebensnah und ist eine echte Bereicherung für den Roman. Gogas Bild der Berliner Gesellschaft der zwanziger Jahre wird vor allem durch die privaten Erlebnisse von Leo Wechsler getragen. Sein Leben in Moabit, seine gesamte familiäre Situation ist die Projektionsfläche der historischen, gesellschaftlichen Hintergründe und damit eines der wichtigsten Elemente des Romans.

So wie bei Protagonisten ähnlich angelegter historischer Krimis, wie z. B. der Inspektor-Pitt-Romane von Anne Perry oder der Fandorin-Reihe von Boris Akunin, gehen Figurenskizzierung und zeitlicher, historischer Kontext Hand in Hand. Geschichte zum Mitfühlen sozusagen. Die Figur des Leo ist obendrein interessant genug, um ausbaufähig zu sein, und tatsächlich scheint Susanne Goga bereits einen zweiten Leo-Wechsler-Krimi zu planen. Gut so, denn „Leo Berlin“ macht durchaus Lust auf mehr.

Faszinierend ist nicht nur die Hauptfigur an sich, auch das Wechselspiel zwischen den einzelnen Figuren ist überzeugend. Die familiären Spannungen zwischen Leo und Ilse machen den Roman auf der einen Seite interessant, das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Leo und seinem Kollegen von Malchow auf der anderen. Von Malchow ist ein Gegenpol zu Leo. Während Leo eher aus ärmeren Verhältnissen stammt, ist von Malchow adeliger Herkunft, was zur damaligen Zeit im Polizeidienst offenbar nicht ungewöhnlich war.

Von Malchow trägt seine adelige Herkunft recht aggressiv zur Schau und sorgt damit im Arbeitsalltag für einige Turbulenzen. Sein politisches Denken bestimmt sein Auftreten und immer wieder provoziert er den eher gemäßigten Leo Wechsler mit seinen rechtsnationalen Ansichten. So gibt es auch auf der Arbeit einiges an Zündstoff, und die politische Situation der Weimarer Republik wird sehr gut in die Geschichte einbezogen.

Doch „Leo Berlin“ ist nicht nur eine interessante Studie der zwanziger Jahre, auch die Spannung kommt nicht zu kurz. Dabei ist der Leser den Ermittlern stets einen Schritt voraus. Goga wechselt immer wieder die Perspektive und teilt dem Leser in eingeschobenen Absätzen immer wieder die Gedanken des Täters mit. So kann der Leser schon herausfinden, wer der Täter ist, bevor die Geschichte zur Hälfte erzählt wurde. Doch dieser Umstand entpuppt sich kaum als Spannungskiller.

Goga rückt das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Ermittlern und Täter in den Mittelpunkt. Man weiß als Leser, dass der Täter noch auf einen weiteren Schachzug aus ist, und so werden die Ermittlungen zu einem Lauf gegen die Zeit. Spannend bleibt die Geschichte damit bis zum letzten Moment, zumal Goga es versteht, beide Ebenen der Hauptfigur Leo Wechsler interessant verlaufen zu lassen – die private genauso wie die berufliche. Auch der Täter ist unkalkulierbar genug, um die Spannung aufrecht zu erhalten.

Sprachlich liest sich das Ganze sehr angenehm und unterhaltsam. Gogas Stil ist recht einfach gehalten und lässt sich locker und flott herunterlesen. Eingestreute Dialoge mit Berliner Akzent sorgen für das nötige Lokalkolorit. Sowohl die Figuren als auch die Zeit werden damit für den Leser schön plastisch. „Leo Berlin“ ist ein rundum schön zu lesender Unterhaltungskrimi. Wahre geschichtliche Ereignisse werden mit der Handlung verwoben, was den Roman umso authentischer erscheinen lässt.

Alles in allem, weiß Susanne Goga mit ihrem Debütroman recht ordentlich zu überzeugen. Sie lässt gute Recherchearbeit erkennen und mixt aus Fakten und Fiktion einen schmackhaften, gut bekömmlichen Cocktail aus Krimi und sensibler Zeitstudie. Die Figuren wirken lebendig, die Handlung ist spannend und der Leser kann sich dank der so stimmig in die Handlung eingewobenen Studie der zwanziger Jahre wunderbar in die damalige Zeit versetzen.

Die zwanziger Jahren sind schon ein recht interessantes Jahrzehnt, zumal sie nicht sonderlich oft als Stoff für Romane der jüngeren Literatur herhalten müssen. Leo Wechsler kann es dabei durchaus mit viel gelesenen Kollegen wie Fandorin aufnehmen, denn die Geschichte rund um seine Ermittlungsarbeit und sein Familienleben ist spannend und atmosphärisch dicht erzählt. Schöne, erfrischend abwechslungsreiche Krimikost mit gut skizzierten Figuren, von denen man durchaus noch mehr erfahren möchte. Aber vielleicht werden wir das ja schon in absehbarer Zeit. Wünschenswert wäre es in jedem Fall.

Yamada, Futaro / Segawa, Masaki – Basilisk – Chronik der Koga-Ninja (Band 1)

Japan in der Edo-Periode: Die rivalisierenden Clans der Koga und der Iga haben nach langen Jahren des Kampfes einen Nichtangrifsspakt geschlossen, sind sich aber dennoch nicht wirklich grün. Als eines Tages zwei ihrer Oberhäupter, O-Gen von Iga und Danjo von Koga, aufeinander treffen und im Streit auseinander gehen, heben sie diesen Pakt wieder auf und beschließen, dass die engültige Herrschaft über das Reich in einem Ninja-Kampf ausgefochten werden soll. Die jeweils zehn besten Ninjas jedes Klans sollen sich in einer finalen Schlacht um Leben und Tod gegenüberstehen, darunter auch die beiden Klanführer. Doch diese sind voller Hinterlist und Tücke und bekriegen sich bereits, bevor die eigentliche Kunde an die Klans verkündet wurde. Beide sterben im direkten Duell und das Dokument über die Aufhebung des Nichtangriffspakt gerät in die Hände der Iga. Mit diesem Vorteil will sich dieser Klan bereits vor dem Endkampf seiner Gegner entledigen, doch die Koga riechen bereits Lunte …

Koga-Oberhaupt Gennosuke und seine Geliebte, Oboro aus Iga, wissen von den Geschehnisen noch nichts und planen ihre Hochzeit und den damit verbundenen Friedensplan zwischen den beiden Klans. Als ihnen bewusst wird, dass sich merkwürdige Dinge abspielen, wird ihnen bewusst, dass ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt wird …

„Basilisk – Chronik der Koga-Ninja“ basiert auf einer Story von Futaro Yamada, der 1922 in der Präfektur Hyogo geboren wurde und am 28. Juli 2001 verstarb. Yamada debütierte bereits während seines Studiums an der medizinischen Hochschule als Schriftsteller und schrieb vornehmlich Krimis und Horrorgeschichten wie zum Beispiel „Der Dämon im Auge“. Mit seinen verschiedenen Ninja-Chroniken löste er später einen richtigen Boom aus und wurde nicht zuletzt durch seine historischen Romane zum bekannten und populären Volksschriftsteller.

Masaki Segawa feierte sein Debüt 1997 mit „Senma Monogatari“ („Geschichten von den tausend Teufeln“). Anschließend kreierte er seine eigene Serie „Onikiri Jzo“ („Juzo, der Dämonentöter“) und hatte damit zwischen 1998 und 2000 großen Erfolg in seiner Heimat. „Basilisk“ ist nun seine zweite Langserie, jedoch die erste, die auf einer literarischen Vorlage basiert.

_Bewertung:_

Der Einstieg in „Basilisk“ ist gar nicht mal so einfach. In kürzester Zeit werden sehr viele Charaktere vorgestellt, und dabei ist es nicht leicht auseinander zu halten, welche Person nun zu welchem Klan gehört und wer nun wer ist. Erst in der Mitte dieses ersten Bandes ist man mit den Hauptpersonen vertraut und kann zwischen Gut und Böse unterscheiden. Bis dahin hat sich aber auch schon eine Menge getan; wichtige Menschen sind ums Leben gekommen, Intrigen wurden gesponnen und falsche Fährten ausgelegt.

„Basilisk“ ist dabei voller Überraschungen und Wendungen, und nicht alles, was auf den ersten Blick so scheint, ist im Endefekt auch tatsächlich so. Was hiermit gemeint ist, sollte man jedoch besser selber in Erfahrung bringen, ansonsten verrate ich schon zu viel.

Die Geschichte an sich ist sehr spannend dargestellt und vor allem verdammt gut illustriert. Verschiedene Handlungseinheiten verlaufen parallel und eröffnen der Geschichte fortlaufend neue Möglichkeiten, die jedoch erst einmal ungeklärt bleiben. Gut so, denn das hält den Leser die ganze Zeit über bei der Stange und lässt ihn sich nicht nur an den Action-Darstellungen laben …

Die düsteren Zeichnungen bringen die Bösartigkeit der Protagonisten dabei sehr gut zur Geltung, wobei die einzelnen Gesichtszüge eine echte Augenweide sind. Toll sind diesbezüglich besonders die finsteren Iga-Ninja, deren geheimnisvolle Aura ebenfalls sehr gut in Bilder gepackt wurde. Im Mittelpunkt stehen aber ganz klar die Kämpfe, denen dementsprechend auch vom Seitenumfang her ein großer Raum gewährt wird. Aber darum geht es ja schließlich auch bei „Basilisk“, um fesselnde Action, verpackt in eine abwechslungsreiche, zu jeder Seite offene Story. Segawa ist es sehr gut gelungen, die Romanvorlage von Futaro Yamada zu illustrieren, wobei seine Detailverliebtheit sich sowohl bei den Darstellungen der Figuren als auch bei den zunächst schlicht wirkenden Hintergrundzeichnungen zeigt. Der erste Band „Basilisk – Chronik der Koga-Ninja“ ist daher auch zweifelsohne eine echte Empfehlung für Anhänger knallharter Action in Manga-Form. Über die Nachfolgebücher werden wir hier ebenfalls in Bälde berichten. Bis dahin gilt es aber erst einmal, diese Graphic Novel hier zu verdauen!

Delano, Jamie / Ridgway, John / Alcala, Alfredo – Erbsünde (John Constantine – Hellblazer: Original Sins)

„Der Kampf zwischen Himmel und Hölle wird auf der Erde entschieden.“ Mit diesem Slogan möchte Warner Bros. das Publikum in den Horror-Streifen „Constantine“ locken beziehungsweise zum Griff zur DVD-Fassung bewegen. Gar nicht übel. Kampf, Himmel, Hölle – das sind Schlagwörter, die das Adrenalin ankurbeln. Als Grundlage für den Film diente die okkulte Comic-Serie „Hellblazer“. Die Filmfigur hat mit dem zwielichtigen Comic-Helden John Constantine nur wenig gemeinsam.

John Constantine ist Brite und trägt einen schmutzigen Trenchcoat. Er ist Kettenraucher, ein notorischer Einzelgänger und ein Spieler. Arroganz und Sarkasmus zeichnen ihn aus. Unzählige Male spazierte er auf den Pfaden zwischen Himmel und Hölle, tanzte am Rande des Vulkans. Seine Gegenspieler sind manchmal Dämonen, manchmal Erzengel. Öfter hat er es jedoch mit Seinesgleichen zu tun, mit Menschen.

Die Welt von Hellblazer ist wie ein Blick hinter die Kulissen der Wirklichkeit. Seit er in seiner Jugend begann, sich mit Magie zu beschäftigen, wandelt die Hauptfigur John Constantine auf Wegen fernab der normalen Welt. Lust am Risiko und der Wunsch nach Macht haben ihn dazu getrieben, in jungen Jahren die dunkle Kunst der Magie zu erlernen. Inzwischen ist er ein reumütiger Sünder, ein Magier, der am eigenen Leib erfahren hat, was überirdische Macht anrichten kann. Auf seinem Weg ist er einsam geworden. Regelmäßig tauchen die Geister von toten Freunden auf und verfluchen ihn. John versucht sich einzureden, nichts mit ihrem Unglück zu tun zu haben und streitet jede Schuld ab. Inzwischen ist sein einziger zuverlässiger Wegbegleiter ein schlechtes Gewissen.

In Deutschland erscheinen John Constantines Abenteuer im Verlag |Schreiber & Leser|. In der Gesamtausgabe „Erbsünde“ sind die ersten neun Hefte der Hellblazer-Reihe zusammengefasst. Obwohl es sich um eine Reihe von Einzelgeschichten handelt, lassen sich die Episoden einander zuordnen und in Zusammenhang bringen.

Die ersten beiden Hefte drehen sich um Freundschaft, Gier und falsche Entscheidungen. Gary Lester, ein alter Freund von Constantine, taucht plötzlich in der Londoner Wohnung des Magiers auf. Als John ihn findet, ist Gary über und über mit Insekten bedeckt. Ein summender Albtraum, dem der Magier pragmatisch entgegen tritt. Er läuft ins nächste Geschäft und kauft sechs Dosen Insektenspray. Nachdem die zuckenden Tierchen zu Tausenden den Boden von Johns Badezimmer bedecken, will er wissen, was los ist.

Gary ist verzweifelt und braucht dringend Hilfe. Er hat sich mit finsteren Mächten eingelassen. Wie es scheint, zog er bei einem Aufenthalt in Tanger die Aufmerksamkeit des Hungerdämons Mnemoth auf sich. Johns Nachforschungen führen ihn zunächst nach Afrika, dem Ursprung allen Übels, dann nach Amerika. In New York angekommen, erschöpft vom Jetlag und mit Gary im Schlepptau, bittet er den berühmten Voodoo-Meister Papa Midnite um Rat und Hilfe.

Schnell zeigt sich, dass Mnemoth bereits angefangen hat, seine Fühler auszustrecken. Von Lester beschworen, feiert der Dämon in der Metropole seine Ankunft. Einzelpersonen kommen in die Schlagzeilen, weil sie unersättlichen Hunger verspüren und daran zugrunde gehen. Ein Postbeamter stopft wie ein Besessener Essen in sich hinein, ein Juwelier frisst Edelsteine, ein Passant durchbricht das Schaufenster einer Fleischerei. Um das drohende Unheil aufzuhalten, hecken Midnite und Constantine einen teuflischen Plan aus, für den Gary Lester den Preis zu zahlen hat. (1: Hunger, 2: Festessen mit Freunden)

Heft 3 schildert, wie der Dämon Blathoxi versucht, mit einer Armee von dämonischen Juppies Seelen für die Hölle zu gewinnen. Die Geschichte spielt zur Zeit Thatchers und ist eine Parodie auf junge Finanzleute, die rücksichtslos das schnelle Geld machen wollen. (3: Going for it)

Im Mittelpunkt der Hefte 4 bis 9 steht die Auseinandersetzung zwischen der Damnation Army und den Erweckungskreuzrittern. Erstgenannte Gruppe wird von dem Dämonen Nergal angeführt und lebt unter der Erde in der Kanalisation. Letztgenannte ist eine Sekte von christlichen Fanatikern, die im Fernsehen Bibeln verkaufen und Seelenheil versprechen. Nur langsam wird Constantine auf den Zwist zwischen den Gruppen des Himmels und der Hölle aufmerksam. Spätestens, als seine Nichte Gemma entführt wird und er miterleben muss, wie ein kleines Dorf von Geistersoldaten heimgesucht wird, kann er sich der Sache nicht mehr entziehen. (4: Warte auf den Richtigen, 5: Wenn Johnny in die Heimat marschiert, 6: Extreme Vorurteile, 7: Der Geist in der Maschine, 8: Intensivbehandlung, 9: Auf dem Weg zur Hölle)

John Ridgway und Alfredo Alcala zeichnen die Welt von John Constantine recht grob, hauptsächlich mit dunklen Farben. Die Darstellungen entsprechen oft einer halbnahen oder einer nahen Einstellung, was nur wenig Abwechslung bringt. Ein paar mehr Details und Totalen hätten sicherlich nicht geschadet. Vielfältiger kommt die Seitenaufteilung daher. Keine geordneten Panels, sondern zerrissene, gestückelte oder zerbrochene Bilderfolgen durchziehen das Heft.

Die Geschichten von Jamie Delano sind von recht unterschiedlicher Qualität. Die Teile über den Hungerdämon Mnemoth, Papa Midnite, Gemmas Entführung und die Geistersoldaten gehören sicherlich zum Lesenswertesten, was die Hellblazer-Reihe zu bieten hat. Fesseln diese Episoden den Leser von Anfang bis Ende, so sind andere Passagen leider scheußlich langatmig geraten. Man spürt, dass die Macher noch auf der Suche nach dem Stil und der Sprache der neu entstandenen Reihe waren. Ausflüge in Computerwelten und Verweise auf Superhelden wirken aus heutiger Sicht in der Hellblazer-Reihe merkwürdig und beinahe lächerlich. Trotz holpernder Spannung und gelegentlicher Fehltritte war „Erbsünde“ ein solider Start. Inzwischen ist John Constantine angekommen bei den Autoren, den Zeichnern und den Lesern. Der Verlag |DC Vertigo| hat mit „Hellblazer“ eine Horror-Reihe erster Güte geschaffen, die zum Glück bis heute weitergeführt wird.

Trondheim, Lewis – Wie das Leben so spielt (Herrn Hases haarsträubende Abenteuer, Band 10)

Comics aus Fernost sind angesagt. Asterix und Konsorten hingegen gelten als schnarchlangweilig. Das muss verwundern, ganz besonders, wenn Lewis Trondheim zu Stift und Papier greift. Seit Jahren bringt der Zeichner aus Montpellier mit solch witzig-poetischen Figuren wie Herrn Hase, Kaput & Zösky oder Der Fliege Leben in die frankobelgische Comicbude. Im Juni zog Trondheims Herr Hase zum zehnten Mal auf Abenteuer aus.

Lewis Trondheim liebt die Abwechslung. Jedes Mal ein anderer Schauplatz, eine andere Epoche, ein anderes Genre – die Grenzen seiner Serie „Herrn Hases haarsträubende Abenteuer“ sind klar und weit gesteckt. Dabei bleiben die Figuren immer gleich. Die Hauptfigur Herr Hase kommt mit den Wechseln gut zurecht und macht gelassen alles mit. So war der schüchterne Hoppler schon im Wilden Westen, im viktorianischen England und im Skiurlaub unterwegs. Blaue Bohnen, fiese Monster und Schneeballschlachten gibt es dieses Mal allerdings nicht.

Stattdessen veranstalten Herr Hase und seine Freundin Nadia in ihrem Appartement eine Party. Eingeladen sind diverse Pärchen und Singles, für Wein und Salat ist gesorgt, der Spaß kann beginnen. Unter den Gästen ist auch Marion, eine einsame und mollige Endzwanzigerin, die ein Auge auf den introvertierten Serge geworfen hat. Doch leider bahnt sich zwischen den beiden Singles so leicht keine nähere Bekanntschaft an. Serge ist zugeknöpft bis obenhin, Marion hat wegen ihres dicken Hinterns Angst, vom Stuhl aufzustehen. Nicht gerade eine glückliche Ausgangssituation.

Schon als sie auf die Party kam, war Marion nervös. Nicht wegen Serge, sondern wegen ihres slavonischen Tarot-Spiels. Das mollige Mauerblümchen schwört auf esoterischen Hokuspokus und hat in den Karten gelesen, dass einer der Partygäste in naher Zukunft sterben wird. Zum Glück ist Richard da, ein Freund von Herrn Hase und ein notorischer Spaßmacher. Mit ein paar frechen Sprüchen versucht er, die Stimmung wieder zu heben. Die ist allerdings im Eimer, als sich herausstellt, dass etliche Damen in der Runde die Party als günstige Gelegenheit wahrnehmen, sich von ihren jeweiligen Partnern zu trennen. Viktoria gibt dem kindischen Patrick den Laufpass, Céline dem Frauenheld Thierry, Alice dem ängstlichen Vincent. Die Herren sind von der »Sitzenlass«-Party völlig überrumpelt. Besorgt blickt Herr Hase zu Nadia. Ob sie auch mit ihm Schluss macht?

Trondheims Stil kommt leicht und lebendig daher. Von seinen sanften Zeichnungen geht ein kindlicher Charme aus, der das Naturell seiner Figuren und Geschichten wiedergibt. Die Linien sind klar, die Farben kräftig. Jede Seite gliedert sich ordentlich in vier Zeilen mit ein bis vier Panels, ganz so, wie man es von frankobelgischen Alben gewöhnt ist.

Das neue Abenteuer von Herrn Hase bildet einen erfrischenden Gegenpol zu vielen actiongeladenen und sinnleeren Comic-Neuerscheinungen. Der Band besticht durch eine Mischung aus Unterhaltung, Spaß und Tiefsinn. Eine Geschichte über verärgerte Untermieter, düstere Prophezeiungen und das Glück der Liebe. Glaubt sich der Leser zunächst in einer Soap-Opera mit gelegentlichen philosophischen Entgleisungen, so steht er letzten Endes einer einfachen Frage gegenüber: Was ist im Leben eigentlich wichtig?

Sørensen, Per Helge – Intrigenspiel

Intrigenspiel ist der zweite Roman des dänischen IT-Spezialisten und befasst sich, schlicht gesagt, mit dem Manipulationspotenzial, das die neuen Medien bieten. Dementsprechend ist „Intrigenspiel“ nicht allzuweit entfernt von seinem Vorgänger „Mailstorm“, dessen Handlung sich ebenfalls auf der Plattform moderner Medien entfaltet.

_Spektakuläres aus Unspektakulärem:_ Die Grundidee von „Intrigenspiel“ reißt zunächst nicht vom Hocker – grenzüberschreitende Internet-Pornographie. Ehe man aber mit dem großen Gähnen beginnt, sollte man dem Buch unbedingt einen zweiten Blick gönnen, was Sørensen nämlich aus dem Thema herauskitzelt, ist so frisch und unverbraucht wie ein Frühlingsspaziergang:

Ausgangspunkt ist eine Internetseite, die die Vergewaltigung eines Schulmädchens darstellt. Zeitungspraktikantin Camilla Drejer sieht in dem resignierten Schulterzucken von Polizei, Politik und Kinderhilfsorganisationen einen willkommenen Aufhänger für eine Story, die sie in ihrer Karriere voranbringen soll. Der Druck, den sie mit ihrer Recherche auslöst, zwingt Ministerialrat Kristian Nyholm dazu, sich dieses Themas anzunehmen, die Kinderhilfsorganisation „Kinder in der Gesellschaft“ sieht sich gezwungen, Hilfe von außen zu holen, um den Gleichgültigkeits-Vorwürfen der Presse zu begegnen, und PR-Fachmann Morten Kyner bietet diese Hilfe in Form einer Software-Lösung, die die Kinderhilfsorganisation anwenden könnte. Und da wäre dann noch Herman, ein berufs- und beziehungsfrustrierter IT-Berater, der kurz vor der Kampagne auf eine „grenzüberschreitende Pornoseite“ gesurft ist und nun Gefahr läuft, vor die Flinte dieser Kampagne zu laufen und von den Medien geschlachtet zu werden …

_Achterbahnfahrt in Begleitung prall gezeichneter Figuren:_ Die Figuren, die der Leser vorgestellt bekommt, kann man fast atmen hören. Sie leben in ihrem eigenen, dichten Mikrokosmos und der Leser lernt so, die Situation aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu betrachten – man fiebert sogar mit manchen von ihnen mit, obwohl ihnen zweifellos das trübe Schicksal zusteht, dass ihnen droht. Dabei sind es genau ihre Schwächen, ihre Neurosen und ihre Entscheidungen, die „Intrigenspiel“ vorantreiben, ihre Schicksale verflechten sich so stark miteinander, dass jede ihrer Handlungen unmittelbare Folgen hat, die sich dominoartig über das gesamte Ensemble ausbreiten.

All das steigert sich in eine Spannungsspirale, die sich bis zum Finale zuspitzt. Man wird von Wendungen durchgeschüttelt und schnuppert vorsichtig an den Fährten, die Sørensen legt – nicht selten führen sie nämlich in die völlig falsche Richtung.

Als Paradebeispiel mag die erste Szene des Buches herhalten, startet sie doch mit scheinbar unspektakulärer Playboy-Optik, nur um einen mit einer fiesen Wendung vors Gesicht zu treten und dabei ganz nebenbei Herman vorzustellen: jene besagte Figur, die man eigentlich verabscheuen müsste, was man aber einfach nicht kann …

Das bleibt aber kein Einzelfall: Beinahe jede Szene von „Intrigenspiel“ ist in einen Spannungsaufbau eingebettet. Selbst ein Blick auf den Arbeitsalltag des Ministerialrates Kristian Nyholm presst den Leser förmlich in seinen Sessel:

|Es war 16:24 Uhr, als Nyholm die Unterlagen Korrektur las. Der Wagen des Ministers wartete mit laufendem Motor in der Tiefgarage, und Nyholm versuchte vergeblich, sich auf die letzten Verbesserungen der Pressemitteilung zu konzentrieren.
|Mit dem neuen Portal des Wissenschaftsministeriums …|
Im Vorzimmer klingelte das Telefon.
|Mit dem neuen Portal des Wissenschaftsministeriums …|
Einen Augenblick später stand Pernille im Türrahmen.
„Sag, dass es auf dem Weg nach unten ist“, bettelte Nyholm, der seine Nase in den Akten vergraben hatte. „Ich muss es nur noch ein letztes Mal lesen.“
„Es ist nicht das Ministersekretariat“, kam es von der Tür. „Es ist Leo Alting.“
|… auf gleicher Augenhöhe …|
Nyholm schüttelte den Kopf.
„Er sagt, dass es wichtig ist. Und dass er bald nach Hause gehen wird.“
|… auf gleicher Augenhöhe …|
„Kannst du ihn nicht zu Espen durchstellen?“
„Er möchte mit dir sprechen.“
|… auf gleicher Augenhöhe mit …|
„Und er ist auf dem Sprung nach Hause.“
Auf dem Telefon sprangen die Ziffern auf 16:25.|

Nur am Rande bemerkt: Sorensen konstruiert keine Spannung um der Spannung willen. Auch obige Szene ist mit dem Rest der Story verknüpft und stellt einen wichtigen Motor dar, der das Geschehen vorantreibt, zu einem Ende, an dem alles wohlkomponiert zusammenläuft.

_Da wäre aber noch …_
Es schlummern auch ein paar Schattenseiten zwischen den Buchdeckeln: Zwar vermeidet Sorensen durch seine indirekte und optische Schreibe lahme Erzählpassagen, dadurch entstehen aber auch Szenen, „gefilmte Handlungen“ sozusagen, die man verschieden auslegen könnte. Die „erklärende Stimme“ eines Erzählers wäre dort schon nötig gewesen.

Aufgrund der hohen Informationsdichte geht auch hin und wieder die Übersichtlichkeit flöten. Gerade all die Minister, Staatssekretäre und Ministerialbeauftragten, mit denen sich Kristian Nyholm herumstreiten muss, reißen den Leser stellenweise aus der Orientierung und man muss in ein früheres Kapitel blättern, um wieder Anschluss zu finden.

Oh, und wer sich die Spannung nicht verderben möchte, sollte sich möglichst vom Klappentext fernhalten …

_Fazit:_ Trotz allem ist „Intrigenspiel“ ein hervorragend geflochtenes Kabinettstückchen, das mit ziemlichem Vorsprung vor seiner Cyber-Thriller-Konkurrenz dahermarschiert.

Sørensens Insiderwissen über Internetsicherheit, über PR und über die Medien ist in jeder Zeile spürbar und tut ein Übriges, um dieses Buch auf eine Ausnahmeposition zu hieven – vor allem, da es so klar und anschaulich dargestellt ist, dass auch jemand ohne den geringsten Background die Story nachvollziehen und genießen kann. Sørensen hat übrigens selbst im dänischen Forschungsministerium gearbeitet und engagiert sich in der Organisation [Digital Rights]http://www.digitalrights.dk für die Sicherheit im Internet.

Freunden intelligent gesponnenen Thriller-Garns sei „Intrigenspiel“ daher ohne Einschränkung ans Herz gelegt. Man möge sich zurücklehnen und voller Häme die gallebitteren Spitzen genießen, die Sørensen auf Meinungsmache verschießt: „Sex mit Kindern ist der Ersatz, den die postreligiöse Gesellschaft für Blasphemie gefunden hat.“ Kein Kommentar.

Burgwächter, Till / Oidium, Jan – Zwischen Aasbüttel und Vaalermoor – Die Wahrheit über Wacken

Bei Bands entscheidet bekanntermaßen einem ungeschriebenen Branchengesetz zufolge das dritte Album über den weiteren Karrierefortgang. Ich hoffe aufrichtig, dass es bei Autoren anders ist.

Um das gleich vorweg zu schicken – „schlecht“ ist die Gemeinschaftsproduktion von Till Burgwächter und Jan Oidium, „Zwischen Aasbüttel und Vaalermoor“ betitelt, keineswegs. Aber gerade wenn man den Burgwächterschen Leistungslevel als Erwartungshorizont ansetzt, erhebt sich das Buch leider nicht über diesen hinaus.

Als Problem empfinde ich persönlich, dass Burgwächter sich viel zu oft in belanglosen und damit langweiligen Schwafeleien oder sogar der einen oder anderen schlicht niveaulosen Beleidigung ergeht. Demgegenüber stehen einige Anspielungen, Wortspiele und nadelstichgenaue Nickligkeiten, die selbst einem Oliver Kalkofe zur Ehre gereichen würden. Gerade wenn man diese Glanzlichter und die Tiefpunkte direkt gegenüberstellt, wird deutlich, dass das Buch nicht mit [„JGTHM“ 26 oder „Schmerztöter“ mithalten kann.

Weder am Autoren-Vorwort noch am „Mein schönstes Ferienerlebnis“-orientierten „Mein erstes Wacken 1997“ gibt es viel auszusetzen, allerdings gibt es bereits hier Passagen, die einfach nicht zünden. Das gilt leider auch für einige Buchstaben von „Wacken von A-Z“. Hier versucht der Autor, dem geneigten Leser anhand konkreter Aspekte Wacken in gewohnt satirischer Weise näher zu bringen – alphabetisch sortiert.

„Ein Lied für Wacken“ ist irreführend betitelt, denn nicht nur einer, sondern ganze sechs Songs wurden mit neuen Texten versehen, etwa MANOWARs ‚Carry On‘, BLIND GUARDIANs ‚A Past and Future Secret‘ oder JBOs ‚Ein guter Tag zum Sterben‘. Dieses ist allerdings leider ebenso wie ‚Panzer Division Steinburrg‘, angelehnt an Zitat „Marduk (Song egal)“, einer der Totalausfälle des Buchs.

Ganz anders die „Sternstunden“, das Wacken-Horoskop. Burgwächter setzt sternzeichentypische Eigenschaften in Bezug zum Wacken-Aufenthalt und rät, so etwa im Fall der Jungfrau, dann auch schon mal vom Besuch ab, wenn die Überlebenschancen gen null tendieren würden.

Ein mittelschweres Déjà-vu widerfuhr mir allerdings bei „Warum Iron Maiden niemals auf dem W:O:A spielen werden“. Hatte nicht auch schon [„Schmerztöter“ 981 etwas in dieser Art, nämlich den Prozess gegen den „anonymen“ Metalgott? Okay, es gibt Unterschiede, aber die Grundstruktur wirkte bedauerlich vertraut. Insgesamt allerdings erreicht diese Satire schon die Grenze des Grotesken, denn auch wenn Burgwächter sich Mühe gibt, alles möglichst surreal darzustellen, liegt der Ablauf des Interviews wohl nicht so ganz außerhalb des Möglichen …

Insgesamt sehr gut gemacht ist auch das Kapitel „Internationale Beziehungen“. Der Autor transportiert das W:O:A in verschiedene Länder dieser Erde und beschreibt den Ablauf. Hier finden sich allerdings auch einige der eingangs erwähnten niveaulosen Beleidigungen. Begriffe wie „Slawenschlampe“ etwa sind nach meinem Verständnis jenseits von Gut und Böse und nicht mehr mit „Satire“ zu entschuldigen. Auch verbrät der Autor hier zu begierig einige breit gefahrene Stereotype, die aufgrund ihrer Übernutzung einfach nicht mehr witzig wirken.

„Auf der Suche nach den Wurzeln …“ beendet das Buch dann schließlich mit einem Nicht-Wacken-Thema, dem Besuch eines Oldie-Festivals nämlich. Ich muss zugeben, dass der gesamte Text bei mir nicht mal ein Schmunzeln hervorrufen konnte. Konzentriert man sich auf das Ende des Textes und unterstellt dem Autor, hier beim Leser eher etwas Nachdenklichkeit provozieren zu wollen, muss man umgekehrt unterstellen, dass die berühmte „Moral von der Geschicht'“, auch schon einen mittelschweren Bart hat und der moralisch erhobene Zeigefinger sich hier möglicherweise in Auge oder Nase des Gegenübers verirrt haben könnte.

Das Buch basiert auf einer Idee Jan Oidiums und wurde von eben jenem mit einigen durchaus witzigen Illustrationen versehen, allerdings finden sich auch einige Bilder, die gemessen am nachweisbaren Talent des Zeichners eher die Bezeichnung „Skizze“ verdienen.

Wie bereits gesagt: „Zwischen Aasbüttel und Vaalermoor“ ist kein schlechtes Buch – es ist nur leider auch nicht Burgwächters bestes. Lesenswert dürfte es sein für Leute, die Burgwächters Stil bedingungslos verehren und Wacken-Maniacs, die die Zeit bis zum nächsten Festival mit einigen satirischen Kommentaren zu ihrem Lieblingsfestival verkürzen wollen. Mir bleibt die Hoffnung, dass Burgwächter beim nächsten Buch wieder eine Leistungssteigerung vorweisen kann wie zwischen „JGTHM“ und „Schmerztöter“, dann allerdings gemessen an „Schmerztöter“ als Ausgangsbasis.