
Bastian Sick – Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod weiterlesen

Bastian Sick – Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod weiterlesen
In den Ochent-Sektor verirren sich seit jeher nur galaktische Glücksritter der besonders hoffnungsvollen (oder verzweifelten) Art. Er bildet eine Pufferzone zwischen den Machtbereichen der tellerköpfigen Blues und der hominiden Akonen, droht jedoch diese Funktion zu verlieren: Seit einiger Zeit mehren sich die Zeichen dafür, dass sich etwas anbahnt in diesem Winkel des Weltraums.
Um Terras Interessen zu wahren, begibt sich Perry Rhodan, seit Jahrtausenden Terras Mann für kosmische Verwicklungen, auf eine diplomatische Mission. Er möchte mit den Akonen verhandeln und sie auf der Seite der Menschheit wissen, sollte um den Ochent-Sektor ein Konflikt ausbrechen. Mit dem Prospektorenraumer „Palenque“ reist er unauffällig an, kommt aber nicht weit: Unter dramatischen Umständen stößt man auf ein riesiges Raumschiff, das erkennbar seit Jahrtausenden unterwegs ist.
Die Überraschung ist komplett, als man im Inneren auf – Menschen stößt! Eigentlich sind es Lemurer, d. h. Angehörige der „Ersten Menschheit“, die vor 50.000 Jahren von der Erde aus ein riesiges Imperium errichteten, Siedlerschiffe in die Galaxis schickten und nach einer Invasion der sechsgliedrigen „Bestien“ die Erde fluchtartig verließen.
Seit Äonen ist die „Nethack Achton“ also unterwegs. Das Wissen um die Herkunft oder den Grund der Reise ist in Vergessenheit geraten. An Bord hat sich ein eigener Mikrokosmos herausgebildet. Das Leben steht im Zeichen der stets begrenzten Ressourcen. Ein strenges Kastensystem mit quasi religiösen Zügen hat sich entwickelt. An der Spitze der Gesellschaftspyramide steht der „Naahk“ – zur Zeit Lemal Netwar -, der mit Hilfe einer Wach- und Schutztruppe – den „Tenoy“ – ein strenges Regime über sein Volk – die „Metach“ – führt. Dabei unterstützt ihn das „Netz“, eine künstliche Intelligenz, deren unsichtbare Fühler fast jeden Winkel der „Nethack Achton“ kontrollieren.
Allerdings nagt der Zahn der Zeit an der Technik. Außerdem mehrt sich unter den Metach der Unwillen über die Beschränkungen, die ihnen Naahk und Netz auferlegen. Was geht jenseits der Schiffsmauern vor, das wollen junge Männer und Frauen erfahren, die solchen Fragen Taten folgen lassen. Die Schiffsführung schlägt hart zurück, fordert Gegenreaktionen heraus. Der Konflikt schaukelt sich stetig hoch. In dieser Situation tritt Perry Rhodan auf den Plan. Um die Lage endgültig eskalieren zu lassen, nähert sich außerdem ein nicht zu Verhandlungen aufgelegtes akonisches Kommando …
Mehr als vier reale Jahrzehnte bringt Perry Rhodan nun schon Zucht & Ordnung ins Universum. Mal glückt ihm das, meist nur halbwegs und oft gar nicht. Unverdrossen versucht es stets aufs Neue. Das ist der Stoff, aus dem „seine“ Serie gestrickt ist, die sich zur „größten Science-Fiction-Serie der Welt“ gemausert hat.
Wobei „größte“ nicht „beste“ bedeutet. Spannende Unterhaltung möchte man den Lesern bieten, nicht mehr, nicht weniger. So lange die Latte auf diesem Niveau liegt, klappt das hervorragend. Übel wird’s dann, wenn „kosmisches Gedankengut“ sich im Geschehen breit macht; es scheint sich stets aus der legendären Schwurbelschaum-Materiequelle zu speisen …
Die „Lemuria“-Miniserie – bereits die dritte, die nach „Andromeda“ und „Odyssee“ im |Heyne|-Verlag läuft – lässt die großen universalen Mysterien außen vor. Stattdessen beackert man ein Feld, das seine Fruchtbarkeit bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat. Der Zyklus um die „Meister der Insel“ (PR-Bände 200-299) gehört zu den ganz großen Favoriten der Serie. Noch in deren Sturm-und-Drang-Phase entstanden, gelang die beinahe perfekte Mischung aus Science-Fiction und Abenteuer. Praktisch sämtliche Elemente des Genres kamen zum Einsatz, wurden unbekümmert mit Horror, Krimi, Krieg und allem, was die Welt der trivialen Unterhaltung sonst zu bieten hatte, verquickt. Gleichzeitig entstand zum ersten Mal in Vollendung jene „alternative“ Geschichte der Menschheit, für die PR mit Recht gerühmt wird.
Der „MdI-Zyklus“ hat – obwohl bejahrt – seine Faszination behalten. Hier war PR noch jung, bildete das Universum einen Spielplatz, auf dem sich die Autoren tummeln konnten. Sie sprudelten über vor Ideen, die nur zum Teil oder gar nicht bis zum Ende durchgespielt wurden und werden konnten. Viele rote Fäden fransten ins Leere aus – diese Lücken und angerissenen Episoden bildeten ein Futter, von dem die Saga vom „Erben des Universums“ bis heute zehren kann.
Immer wieder forderten die Fans die Rückkehr nach Andromeda. Mehrfach wurde ihnen dieser Wunsch erfüllt, denn PR mit MdI-Touch geht mit einem Bonus ins Rennen um die Gunst der Leser, was deren Griff um die Geldbörse lockert. Auf den Glanz der Vergangenheit setzt nun auch „Lemuria“ – oder möchte setzen, denn in „Die Sternenarche“ ist von dem alten, ins reale 21. Jahrhundert transponierten Zauber nur wenig zu spüren.
Sechs Bände sind zu wenig, um einen „richtigen“ Zyklus mit MdI-Patina zu schaffen. Für einen Episodenzyklus um die „Nethack Achton“ sind es möglicherweise zu viele. Grundsätzlich ist die Idee gut, an Bord eines Generationsraumschiffs zu reisen. Seit die Meister ihr Zepter schwangen, ist viel Zeit vergangen. „Neuigkeiten“ aus Andromeda können dosiert ins Geschehen eingebracht werden. Gleichzeitig kann man sich auf Bekanntes stützen – „Lemuria“ ist auch eine „Nacherzählung“ dessen, was das PR-Team um K. H. Scheer Anfang der 1960er Jahre schuf.
Leider ist so ein Generationsraumschiff auf der anderen Seite ein limitierter Ort für eine spannende, an überraschenden Wendungen reiche Story. In einem Anhang zur „Sternenarche“ gibt Hartmut Kaspar einen Überblick über das „Generationsraumschiff in der Science Fiction“, wo es eine eigene Nische besetzt – eine enge Nische, denn in solchen Dosenraumern geht es in der Regel recht ähnlich zu. Immer ist man schon so lange unterwegs, dass die ursprüngliche Mission in einem mythischen Nebel verschwunden ist. Religiöse Fanatiker und/oder der durchgedrehte Bordcomputer haben die Macht übernommen und knechten ihre „Untertanen“, die ihrerseits vergessen haben, dass sie in ihrer privaten Welt durchs All rasen. Im Schiff selbst gibt die Technik ihren Geist auf; allerlei Improvisationen müssen das ausgleichen.
Diese Melodie erklingt auch in der „Sternenarche“. Frank Borsch gelingt es nie, dem Thema etwas Neues abzugewinnen. Wenn man ihn für etwas rühmen kann, dann ist es u. a. die handwerklich saubere Umsetzung des Plots, die das Bekannte erzählerisch dicht und angenehm lesbar präsentiert. Die pseudodramatische Hast, die schlampig-saloppe, angeblich zeitgemäße und von der jugendlichen Leserschaft gewünschte Sprache (der sog. „Maddrax-Sprech“), welche beispielsweise die Lektüre der aktuellen „Atlan“-Miniserien (zu) oft zur Qual werden lassen, geht diesem ersten „Lemuria“-Band zu seinem Vorteil ab.
Viel geschieht also nicht – im Auftaktband zu einer Serie muss das Terrain halt erst vorbereitet werden für das, was noch folgt. Dies kann dem Verfasser leicht zum Korsett werden. Zudem muss der Nicht-PR-Insider bedacht werden, den man nicht durch die geballte Wucht der Serienfakten vom Buchkauf abschrecken will. Borsch versucht diese kaufmännische Intention wie gesagt nicht zu verschleiern, sondern erzählt ruhig und solide seine Story. PR-Interna streut er nebenbei ein. Der Hardcore-Fan wird sie registrieren.
Man kann folglich nicht Borsch vorwerfen, er ruhe sich auf den MdI/Lemuria-Lorbeeren aus. Er muss mit angezogener Bremse schreiben. Erst die folgenden Bände werden zeigen, ob die Verschmelzung der glorreichen PR-Vergangenheit mit der Gegenwart wirklich gelingt und womöglich etwas für die PR-Chronik Neues, Eigenständiges schafft.
Nichts Neues ebenfalls in Sachen Figurenzeichnung. Perry Rhodan ist ein schwieriger Charakter. Einerseits muss er als „normaler Mensch“ gezeigt werden, an dessen Denken und Handeln man Anteil nimmt. Andererseits ist er wahrlich steinalt und hat so viel Außergewöhnliches erlebt, dass er womöglich ein „kosmischer“ Mensch geworden ist, der in ganz anderen Sphären beheimatet ist als der Rest der Menschheit, deren Vertreter er durch seine bloße Ausstrahlung sprachlos werden lässt. Frank Borsch versucht dieses Problem zu thematisieren, indem er Rhodan quasi stellvertretend durch die Augen der „Palenque“-Besatzung beobachtet. Sie verkörpern den „Normalterraner“, der Rhodan mit einer Mischung aus (Ehr-)Furcht und betonter Kumpelhaftigkeit begegnet. Das funktioniert gut in dem begrenzten Rahmen, der in der PR-Serie die Grenze zwischen überzeugender Charakterdarstellung und hölzern-lächerlicher Gefühlsduselei markiert, denn Borsch bleibt klug innerhalb der Bildränder. (Die „Luftgitarren-Episode“ hätte er sich und uns freilich ersparen sollen.)
Natürlich kann die Rhodansche Dualität nie durchgehalten werden. Die ehernen Gesetze des auf Bewegung und Unterhaltung getrimmten Trivialromans (ein Begriff, der übrigens zunächst keinerlei negative Wertung beinhaltet) fordern ihren Tribut. Wieso ausgerechnet Perry Rhodan in das Geschehen verwickelt ist, darüber denke man lieber nicht nach. Was hat dieser Mann auf einer unwichtigen Mission in einem unwichtigen Sternensektor verloren? Für solchen diplomatischen Kleinkram dürfte Rhodan seine Leute haben. Aber wider alle Logik muss er immer wieder an einen Ort gebracht werden, wo es gefährlich und turbulent zugeht. Als weisen Ratgeber im Hintergrund mögen die Fans ihren Perry nicht sehen; er muss auch – bildhaft gesprochen – die Fäuste schwingen.
Warum hat man nicht einen seiner (Kampf-)Gefährten mit auf die Ochent-Mission geschickt? Fast durchweg agieren nur Rhodan oder Atlan an der Front. Es gibt durchaus andere, farbenfrohe, von der Leserschaft geliebte Figuren, von denen man viel zu wenig hört. Die Besatzung der „Palenque“ bietet da kein Ersatz. Allzu austauschbar wirken die Charaktere. Die Kommandantin soll eine starke Nebenfigur darstellen. Borsch fällt dazu nur ein, ihr cholerische Züge und ein exaltiertes Verhalten aufzuprägen. Immerhin übertreibt er es nicht wie so viele seiner PR-Teamkollegen und degeneriert sie zur peinlichen, eindimensionalen Karikatur einer Figur.
Ähnlich ergeht es dem Tenoy der „Nethack Achton“. Schon wieder einer dieser absolutistischen Fundamentalisten, die sich im Besitz der „einzigen Wahrheit“ wähnen, ihre Schäflein für die „gute Sache“ unterdrücken und Abweichler unbarmherzig jagen lassen! Allerdings arbeitet Borsch auch hier mit Licht und Schatten. Tenoy ist kein tumber Bösewicht, sondern ein Mensch, der unter seinem Amt leidet, sein Tun hinterfragt und neuem Gedankengut gegenüber aufgeschlossen ist.
Selbstverständlich spielen die Gegner des Tenoy ebenfalls ihre bekannten Rollen. Jung und idealistisch sind sie, neugierig und nicht gewillt, sich länger dem System frag- und klaglos zu beugen. (Seltsam, dass Rhodan stets pünktlich dort auftaucht, wo’s gerade kritisch wird …) Dazu kommen eine zarte Liebesgeschichte plus viel persönliche Tragik, denn Helden und Heldinnen müssen schließlich leiden.
Solina Tormas schließlich fällt die Aufgabe zu, die in der PR-Chronik seit langer Zeit aus dem Blickfeld geratenen Akonen wieder in die Handlung zu führen. Als Historikerin und Spezialistin für lemurische Geschichte steht sie zwischen Akonen und Terranern – eine gut gewählte Figur, um die Differenzen und Ähnlichkeiten zwischen den Völkern (die ja beide von den Lemurern abstammen) plastisch zu machen. Man bemerkt hier die Fortschritte, die PR in mehr als vier Jahrzehnten gelungen sind: Die einst eindimensionalen, arroganten und hinterlistigen Akonen gliedern sich in Gruppen und Individuen mit eigenen, durchaus nicht chronisch unredlichen Zielen, ohne gleichzeitig jene Züge zu verlieren, die sie „akonisch“ wirken lassen.
Frank Borsch (geb. 1966 in Pforzheim) studierte bis 1996 Englisch und Geschichte in Freiburg. Um sich zu finanzieren, nahm er eine lange Reihe von Jobs an, arbeitete aber auch an einem Umwelthandbuch für Osteuropa mit und war Webmeister seiner Universität. 1996 saß er unter den Teilnehmern eines Science-Fiction-Seminars, das die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel ausrichtete. Hier wurde er „entdeckt“: Wolfgang Jeschke, der langjährige Chefredakteur von Heynes SF-Reihe, heuerte ihn als Übersetzer an; ausgedehnte Auslandsaufenthalte und ein Intermezzo als Deutschlehrer im irischen Belfast hatten ihn mit der englischen Sprache vertraut werden lassen.
Zusätzlich übersetzte Borsch Comics für |Marvel Deutschland|. Gleichzeitig begann er zu schreiben, verfasste Romane und Kurzgeschichten, aber auch Artikel vor allem zum Thema Internet. 1998 stieg er mit „Der Preis der Freiheit“, seinem Beitrag zur „Atlan“-Miniserie „Traversan“ ins PR-Universum ein. Ab 2001 gehörte er als Redakteur dem PR-Team in Rastatt an. Seit 2004 ist er Stammautor der „Perry Rhodan“-Heftserie.
Frank Borsch lebt und arbeitet in Freiburg.
Der „Lemuria“-Zyklus …
erscheint im |Heyne|-Verlag:
1. Frank Borsch: Die Sternenarche
2. Hans Kneifel: Der Schläfer der Zeiten
3. Andreas Brandhorst: Exodus der Generationen
4. Leo Lukas: Der erste Unsterbliche
5. Thomas Ziegler: Die letzten Tage Lemurias
6. Hubert Haensel: Die längste Nacht
Mit diesem vierten Band des sechsbändigen „Lemuria“-Zyklus‘ leistet Leo Lukas seinen Beitrag zu der bisher außerordentlich spannenden und unterhaltsamen Geschichte um Zukunft und Vergangenheit der Menschheit. Das Wiener Multitalent wurde innerhalb der Perry-Rhodan-Fangemeinde schnell zu einem der beliebtesten Autoren, da er mit seiner überschwänglichen Art alte und festgefahrene Strukturen in der Serie öffnete und ihr nach langer Zeit wieder humorvolle Romane bescherte und immer noch beschert. Mit seiner zweiten Leidenschaft, seiner Arbeit als Kabarettist, ist er auch längst kein Unbekannter mehr. Und trotz dieses Hangs zur Verbreitung seines Lachens bringt er immer wieder hochkarätige Romane ein, deren Humor hintergründig ist.
Perry Rhodan trifft mit den beiden Forschungs- und Prospektorraumschiffen vor dem Akon-System ein, dem Heimatsystem der Akonen. Die dritte entdeckte Sternenarche steht unter dem Hoheitsanspruch der Akonen, Rhodan ist der Zutritt ohne diplomatische Schwierigkeiten verwehrt. Über einen geheimen terranischen Stützpunkt dringt er unerkannt in das System ein und erkauft sich eine Transmitterpassage zur Arche. Zeitgleich verschaffen ihm die kaltgestellten Akonen des zweiten Raumschiffs mit erpresserischen Methoden einen semioffiziellen Zugang, so dass es bei Rhodans Entdeckung einige Verwirrung gibt, die er mit gutmütiger Geschicklichkeit zur allgemeinen Zufriedenheit auflöst.
An Bord der Arche findet sich eine relativ fortschrittliche Lemurerzivilisation – kein Wunder, da der „Verkünder“ Levian Paronn Kommandant dieses Schiffes ist. Doch ist er offensichtlich abwesend. Währenddessen wurde eine vierte Arche aufgebracht, deren Bewohner unterentwickelte Klone der unsterblichen Kommandantin sind, immun gegen jene unbekannte Seuche, der schon die anderen Archenbewohner zum Opfer fielen. Dem Anführer der Klongesellschaft gelang mit parapsychischer Kraft die Ermordung der Kommandantin, seither trägt er ihren Zellaktivator.
In Zwischenspielen erhält der Leser Einblicke in Levian Paronns persönliches Tagebuch und erfährt dadurch, dass der „Verkünder“ sich in unmittelbarer Nähe befindet und die ganze Sache geplant hat, dabei seiner Ansicht nach sogar die Freundschaft des „Hüters“ Icho Tolot ausgenutzt hat, um die Menschheit vor der angeblich drohenden Vernichtung zu bewahren – was ja auch schon der Sinn des Archen-Projekts war.
Während also Rhodan die dritte Arche nach Paronn absucht, trifft dieser unerkannt mit anderen Akonen auf der vierten Arche ein und verängstigt den unsterblichen Mutanten derart, dass dieser sein Heil in der Flucht sucht. Dabei bringt er durch seine geistige Macht auch das Tagebuch Paronns an sich, der sich später voller Eifer an der Jagd nach dem Mutanten beteiligt – vorgeblich wegen der von ihm ausgehenden Seuchengefahr für die Akonen. Denn wenn das Buch in Rhodans Hände fallen sollte, geriete sein gesamter Plan in Gefahr, schließlich ließe sich niemand, und schon gar nicht Rhodan, gern manipulieren.
Zu einem vorläufigen Showdown kommt es auf einem nahe gelegenen Planeten, auf dem neben mehreren Tausend echten „Bestien“ auch eine Zeitmaschine steht, durch die Paronn eine ultimate Waffe in die Vergangenheit schaffen und damit ein gigantisches Zeitparadoxon herbeiführen will, um den Exodus der Lemurer vor fünfzig Jahrtausenden zu verhindern. Er offenbart sich Rhodan, doch nicht nur dieser will ihn an der Tat hindern. Auch Tolots Doppelgänger taucht auf und lüftet sein Geheimnis …
»Sehr groß und weit ist das Universum und vorwiegend schrecklich leer, aber auch voll der Wunder.
Ich habe Tage benötigt, um diesen Satz auszuformulieren. […] Sehr groß und weit ist das Universum und vorwiegend schrecklich. Leer, aber auch voll der Wunder…« (Seite 11)
In diesem Beispiel wird Lukas‘ Wortgewandtheit auf Anhieb deutlich. Er spielt mit den Worten, würfelt sie durcheinander. In diesem kurzen Abschnitt skizziert er den Charakter Paronns aus dessen eigener Sicht, nachdem Andreas Brandhorst sich in seinem Roman an die Außenansicht durch den Chronisten gehalten hat, und vertieft diese Studie im Laufe des Romans durch weitere Tagebucheinträge, bringt Paronns Motivation näher, so dass man endlich seine Borniertheit nicht tolerieren, aber verstehen kann, da es ihm um sein quasi ausgestorbenes Volk geht. Er kann sich nach diesen Jahrtausenden nicht mit Terranern, Akonen oder anderen Lemurerabkömmlingen identifizieren und setzt deren Existenz aufs Spiel, ja sogar dem sicheren Untergang liefert er sie aus mit der Planung des gravierenden Paradoxons.
Anfangs erscheint die Einführung der vierten Arche um die zwergenhaften Klone überflüssig in ihrer Ausführlichkeit, scheint nur eine weitere Facette der unterschiedlichen Entwicklungen auf den Generationenschiffen zu sein. Der Ausbruch des infizierten Mutanten in die akonische Gesellschaft schien eigens der Rechtfertigung dieser Geschichte zu dienen, doch im Finale findet auch er seine wirkliche, nachvollziehbare und befriedigende Berechtigung, so dass man Lukas fast keine Wortschinderei vorwerfen kann. Fast.
In zwei Handlungssträngen findet sich rhodantypisches Beiwerk: Starke, ausführliche Beschreibungen von technischen Details wie die seitenlange Erläuterung zu verschiedenen Hyperkristallarten, wo es auch ein schlichtes „notwendig für die Technik“ getan hätte; oder seriengeschichtliche Hintergrundinformationen zu den so genannten Bestien, ihrer Entstehung und schließlichen Vernichtung. Bisher konnten die Autoren des Minizyklus‘ sehr wohl auf diese typischen Ausschmückungen, die in der Heftserie einen wichtigen Teil übernehmen, verzichten, was sich wohltuend auf die Geschichte ausgewirkt hat und meines Erachtens in dieser Zyklusform nur unnötiger Ballast ist, der serienfremde Leser wahrscheinlich mehr verwirrt als erleuchtet.
Man stößt hin und wieder auf „Austriazismen“, die Lukas (wahrscheinlich unbewusst) aus seiner Heimatsprache übernimmt, die aber leider nicht immer selbsterklärend sind. So konnte ich zum Beispiel in einem informativen Internetforum herausfinden, dass „Steht das dafür?“ so viel bedeutet wie „Ist es das wert?“.
Mit Hubert Haensel als Exposéredakteur geht man bei diesem Zyklus tatsächlich neue Wege: Schon nach vier Romanen gibt es die Auflösung einer der großen Fragen, die sich so angesammelt haben. Man schindet nicht mehr Platz und Zeit mit belanglosem Nebengeplänkel, um alle Kracher ganz zum Schluss bringen zu können. Das hält die Spannung durch jeden Band. Jetzt sind nur noch wenige „große“ Fragen offen: Wer Levian Paronn ist, wissen wir noch immer nicht. Also wo er herkommt, wie er an den Zellaktivator kam und was für eine Rolle er in einem größeren Spiel spielt. Immerhin ist jetzt klar, dass ein gewisser Haluter ihn mit den Informationen über die Zukunft versorgt hat.
Insgesamt bietet dieser Roman wieder entspannenden Lesegenuss und bringt mehr Antworten als neue Fragen. Trotzdem ist er entgegen meiner Erwartungen der bisher schwächste Roman des Zyklus, was aber eine relative Aussage bleibt, da die ersten Bände und vor allem der direkte Vorgänger von Brandhorst einfach hervorragend sind.
Der Autor vergibt: 



Bisher hatte der junge Tomasu noch keine Vorstellung davon, was Menschen einander antun können – bis zu dem Tag, als die Reiter vom Tohanclan sein Dorf dem Erdboden gleichmachen, alle Menschen töten und auch seine Familie nicht verschonen. Von diesem Tag an nimmt das Leben des 15-Jährigen eine dramatische Wendung – Auf der Flucht vor den Mitgliedern des Tohanclans, denen er in jener schrecklichen Nacht noch begegnet ist, trifft er auf Lord Shigeru Otori, den Anführer der Otori, der sich seiner annimmt. Als Dank dafür, dass Shigeru ihm das Leben gerettet hat, legt Tomasu sein Schicksal vollständig in die Hände des Clans und entdeckt mit dem Leben im Schloss des Lords eine völlig neue Sichtweise auf die Dinge. Aus dem schlauen Jüngling Tomasu wird der intelligente Takeo, ein junger Schüler, der unter seinen Lehrmeistern die Bräuche des Clans, die Malerei und die Kampfkunst erlernt und darüber hinaus Fähigkeiten entdeckt, von denen er bislang noch nichts wusste.
So erlernt Takeo die Fähigkeit, für eine kurze Zeit unsichtbar zu sein oder aber an zwei Stellen zur gleichen Zeit zu erscheinen, eine Methode, die ihm an mancher späteren Stelle noch als lebensnotwendig erscheinen soll. Gleichzeitig findet Takeo aber auch vieles über seine Vergangenheit und die Geschichte seiner Familie heraus und stellt dabei fest, dass er gar nicht so zufällig auf Lord Shigeru getroffen ist.
Zur gleichen Zeit aber wird an anderer Stelle das Schicksal der jungen Kaede erzählt, die von ihren Eltern als Geisel an die Kriegsherren abgegeben worden ist und dort bis aufs Äußerste verachtet wird. Nach einigen tödlichen Zwischenfällen sagt man ihr nach, dass ihre Anwesenheit den Tod bringe. Eines Tages ändert sich auch ihr Schicksal, denn um das Bündnis zwischen den beiden Clans zu beschließen, soll Kaede den Lord des Otori-Clans ehelichen. Gegen ihren Willen tritt sie die Reise an, lernt dabei ebenfalls den mittlerweile herangereiften Takeo kennen und verliebt sich in ihn. Auch Takeo ist von der jungen Dame angetan, darf sich aber aus Respekt nicht dementsprechend verhalten.
Mit der Zeit bekommt Takeo jedoch immer mehr zu spüren, was eigentlich hinter der Geschichte der einzelnen Clans steht, welchen Zweck er in dieser ganzen Sache erfüllt und welche politischen Intrigen und Lügen sich aus den ganzen Ränkespielen seines Lords ergeben. Schließlich gerät Takeo in eine Welt der Geheimnisse, der Lüge, aber vor allem der Rache.
Liebe und Rache, Treue und Verrat, Schönheit und Tod, um all jenes geht es im ersten Teil der Reihe um den Clan der Otori, und es ist schon sehr beeindruckend, wie die Oxford-Studentin Lian Hearn all diese Werte miteinander verknüpft, ohne dass dabei auch nur annähernd Verwirrung entsteht. Im Gegenteil, von der ersten Zeile an hat die Wahl-Australiern eine fesselnde, fiktive Geschichte entwickelt, die ganz klar an die japanischen Traditionen des Mittelalters angelehnt ist, in dieser Form aber indirekt auch an aktuelle Themen anknüpft. Sehr imponierend ist, wie detailliert sie die vielen Charaktere beschreibt, ihre Verhältnisse und Beziehungen zueinander erläutert, dabei aber überhaupt nicht ausschweifen muss. Schon sehr bald hat man sich so in die Welt der Otori und ganz besonders in den Körper des Takeo, der hier aus der Ich-Perspektive beschrieben wird, versetzt und verspürt den Drang, immer weiter in die verlogene Welt der Lords und ihrer Mitstreiter einzudringen.
Dabei schafft es Hearn immer wieder, den Leser aufs Neue mit plötzlichen Wendungen und Überraschungen zu konfrontieren; Spannung ist jedenfalls von Anfang an garantiert. Lediglich die Tatsache, dass die beiden Protagonisten Kaede und Tomasu alias Takeo eines Tages aufeinandertreffen, war vorhersehbar, macht die Geschichte aber nur noch interessanter, da sich hierdurch ganz neue Verknüpfungen und Spannungsmomente ergeben, die man dringend erforschen möchte.
Trotz ihrer einfachen Schreibweise – prinzipiell konzentriert sich Lian Hearn abgesehen von einzelnen Landschaftsbeschreibungen nur auf das Wesentliche – hat die Autorin so einen Roman erschaffen, der nicht nur fasziniert, sondern auch zum Nachdenken anregt. Und noch einmal muss ich erwähnen, wie toll Hearn die Figur des Takeo lebendig werden lässt; um dies erneut zu verdeutlichen: ein Junge, der sein ganzes Hab und Gut, seine Familie, seinen ganzen Besitz, ja seine ganze Welt verliert und dennoch die einzig sich bietende Chance ergreift, um ein neues sinnvolles Leben zu starten, in dem er zur Hauptfigur eines politischen Machtspiels wird. Ebenso gelungen ist es, wie die Schriftstellerin auf geheimnisvolle Weise von den Kriegen der Clans erzählt, vom mysteriösen ‚Stamm‘ berichtet und immer wieder Hinweise zu Takeos Vergangenheit ins Spiel bringt, diese aber erst einmal offen lässt – all das zeugt von ganz großer Klasse und macht dieses Buch zu einem dringenden Lesetipp. Ganz gleich, welche Art von Belletristik man privat bevorzugt, „Das Schwert der Stille“ enthält von allen Stilelementen ein wenig und legt sich so im Hinblick auf die Zielgruppe keine Beschränkungen auf. Ich denke, genau dass ist es, was die Arbeit einer hervorragenden Autorin auszeichnet.
|Empfohlen ab 14 Jahren
Peter Pan Prize 2004 (IBBY Schweden)
Deutscher Jugendliteraturpreis 2004 (Jugendjury)
„Die besten 7 Bücher für junge Leser“, Deutschlandfunk / FOCUS: September 2003|
Deutsche Webseite: http://www.otori.de
Band 1: [„Die Brücke der Vögel“ 914
Band 2: [„Der Stein des Himmels“ 927
Meister Li und Nummer Zehn der Ochse wohnen als Zeugen der Hinrichtung eines Verbrechers bei, den sie unter vielen Mühen dingfest gemacht haben. Nur leider kommt ihnen ein Leichenfresser dazwischen, der von Grabräubern aufgestört wurde. Er trägt einen angefressenen Kopf mit sich herum, der allerdings noch frisch ist. Die dazugehörige Leiche war ein hoher Mandarin und liegt in der Nähe seiner Klause auf der Magnolieninsel im Nördlichen See Pekings. Neben ihm findet Meister Li einen seltsamen Käfig, der ihm eine Menge Kopfzerbrechen bereitet, und außerdem in einiger Entfernung einen Tunnel, der zu einer Schmugglerhöhle führt. Aber ging es bei dieser ganzen Angelegenheit wirklich nur um Schmuggel? Warum hat jemand das alte Relief im Tunnel zerschlagen? Warum stiehlt ein Mandrill Käfige, die genauso aussehen wie jener neben dem toten Mandarin? Und was sind das für seltsame Wesen, die auf die unglaublichsten Arten die vormaligen Besitzer der gestohlenen Käfige ums Leben bringen?
Um das herauszufinden, muß Meister Li unbedingt das Rätsel der Käfige lösen. Zusammen mit Ochse, dem Puppenspieler Yen Shih und dessen Tochter Yu Lan, einer Schamanin, macht Meister Li sich auf die Suche nach den Käfigen, die noch nicht gestohlen wurden.
„Die Insel der Mandarine“ ist der dritte Band von Barry Hugharts Meister-Li-Romanen. Diesmal geht es gleich um zwei Aspekte chinesischer Kultur.
Der Teeschmuggel der hohen Mandarine beleuchtet die Machenschaften der Eunuchen hinter dem Rücken des Kaisers, der zwar theoretisch als Sohn des Himmels absolute Macht besitzt, jedoch praktisch gesehen vollkommen von seinen Beamten abhängig ist, da er in seiner verbotenen Stadt vom „normalen“ Leben und den Menschen seines Volkes komplett abgeschottet ist. Dieser Umstand wird weidlich ausgenutzt, Korruption ist ohnehin selbstverständlich und die Bereicherung ungeheuerlich.
Die Käfige, die von den Schmugglern benutzt werden, bilden das Bindeglied zum Schamanismus und der Urreligion der Völker, die das Land bewohnten, ehe die Chinesen kamen. Die Urreligion wurde größtenteils ausgemerzt. Einige Götter, die zu mächtig waren, wurden in die Gruppe der taoistischen Götter aufgenommen, Götterdämonen und Ähnliches sind aus dieser Zeit übrig geblieben und auch das Ritual des Drachenbootrennens, das den Höhepunkt des Buches bildet.
Natürlich muß Meister Li erst in einigen fast vergessenen Schriften und Volkssagen kramen, ehe er die Zusammenhänge herausfindet.
Das Krimirätsel ist wieder interessant aufgebaut, allerdings ist es nur Kennern der chinesischen Kultur möglich, die Lösung allein zu finden. Der kulturelle Teil ist diesmal am stärksten gewichtet, auf Kosten anderer Elemente.
Es ist relativ rasch klar, welche Person hinter all den Verwicklungen steckt. Nach dem aufregenden Anfang hängt der Spannungsbogen deshalb zunächst etwas durch und strafft sich erst zum Finale hin. Die beteiligten Personen sind weniger skurril als bisher, die Handlung weniger turbulent. Was ich allerdings am meisten vermisste, war der Wortwitz der Vorgängerbände. Er fehlt bei diesem Buch fast völlig. Der bisher so gelungenen Mischung aus Krimi, Fantasy und chinesischer Kultur geht dadurch der Pfiff verloren. Wie überaus schade!
Das Lektorat dagegen wurde gegen Ende immer besser. Enthielt der erst Band noch einige Schnitzer, waren es beim zweiten schon weniger und beim dritten ist mir überhaupt nichts aufgefallen.
Auch die Coverentwürfe gefallen mir gut. Die Darstellungen haben zwar nicht unbedingt etwas mit dem Inhalt zu tun, passen aber zum Flair des Schauplatzes.
Insgesamt gesehen sind die Meister-Li-Krimis eine angenehme und äußerst lesenswerte Abwechslung im Fantasy-Genre. Mit ihren gut dreihundert Seiten sind die einzelnen Bände überschaubar. Sie sind inhaltlich abgeschlossen und nicht voneinander abhängig, sodass sie nicht unbedingt am Stück gelesen werden müssen, sondern auch mal etwas anderes dazwischen geschoben werden kann. Sie sind witzig, unterhaltsam und interessant. Zwar schwächelt der letzte Teil gegenüber den vorhergehenden ein wenig, trotzdem ist er immer noch ideenreich und bunt und nicht wirklich schlecht.
In diesem Schwächeln liegt aber möglicherweise der Grund dafür, dass es keine weiteren Meister-Li-Bände gibt. Nun, nicht nur das Fortsetzen einer Serie, auch das rechtzeitige Aufhören ist eine Kunst.
Barry Hughart wurde 1934 in Illinois geboren. Seine Kenntnisse über die chinesische Kultur schöpfte er aus Büchern über Religion und Kultur, Land und Leute, als er im Rahmen seiner Militärzeit bei der US Airforce in Fernost stationiert war, das Festland aber nicht betreten durfte. Die Faszination für dieses Land war so stark, dass er schließlich, zwanzig Jahre später, die Meister-Li-Romane verfasste. Außer seinen Romanen schrieb er auch Filmdialoge, unter anderem für „Devil´s Bridge“, „Man on the Move“ und „The Other Side of Hell“. Heute lebt er in Tucson, Arizona.
http://www.barryhughart.org/
Potter’s Field ist eine kleine Gemeinde im US-Staat Wyoming. Farmer stellen hier die Mehrheit der Bürgerschaft. Das Leben ist hart und schlicht, die Verbrechensrate niedrig. Das gefällt vor allem dem Polizeichef Nathan Slaughter. Nachdem er, der Star der Detroiter Mordkommission, versehentlich zwei minderjährige Diebe niederschoss, ist sein Nervenkostüm angegriffen. In der Provinz möchte er wieder zu sich finden.
Leider hat er sich keinen idealen Ort für den Neuanfang ausgesucht. Potter’s Field war vor sechs Jahren Zentrum einer bizarren Tragödie. Der Sektenguru Quiller hatte sich mit 200 Hippie-Gläubigen in der ‚unverdorbenen‘ Wildnis ein neues Utopia schaffen wollen. Im strengen Winter von Wyoming hatte der Traum im Desaster geendet; zu Dutzenden waren die Unglücklichen erfroren. Der Journalist Gordon Dunlap hatte damals einen bemerkenswerten Bericht über diese Ereignisse verfasst. Das Grauen hatte ihn niemals losgelassen. Er ist zum Säufer geworden, der wie Slaughter in Potter’s Field sein Leben wieder in den Griff zu bekommen versucht. David Morrell – Totem weiterlesen
Die Handlung des vorliegenden Romans führt uns zurück nach Mar Sara, dem Schauplatz des ersten Bandes, „Libertys Kreuzug“ (Jeff Grubb); diesmal jedoch erleben wir die Invasion der Zerg und den Fall des Planeten aus Sicht eines einfachen Marines der Konföderation.
Ardo Melnikov verlor bei einem Angriff der Zerg auf seinen Heimatplaneten Bountiful alles, was ihm etwas bedeutete: die Geliebte, die Eltern, die Heimat. Pures Glück ließ ihn überleben und so kämpft er nun in den Reihen der konföderierten Marines als einfacher Gefreiter gegen jene Aliens, die seine Welt vernichteten. Über Mar Sara erhält seine Kompanie den Auftrag, eine Kiste mit geheimem Inhalt inmitten des Zerg-Territoriums zu bergen und zum nächsten Stützpunkt der eigenen Streitkräfte zu schaffen. Doch von Anfang an läuft alles schief: nicht nur, dass die Bergung des Gegenstandes die Hälfte seiner Einheit das Leben kostet, auch die Konföderation scheint kein Interesse daran zu haben, dass irgendjemand dieses Himmelfahrtskommando überlebt. Dennoch gelingt es einigen Marines, sich in die vermeintliche Sicherheit des Stützpunktes zu retten, nur um festzustellen, dass dieser längst aufgegeben wurde. Von einer geretteten menschlichen Telepathin erfährt Ardo die schreckliche Wahrheit darüber, was die Konföderation ihm, anderen „Soldatenjungen“ und nicht zuletzt der Welt Mara Sara angetan hat, und schließlich steht die Gruppe vor der Entscheidung, auf eigene Faust die Flucht zu wagen oder aber Tausenden von Zivilisten das Leben zu retten.
Tracy Hickman dürfte den meisten Fantasy-Fans als Co-Autor vieler Drachenlanze-Romane (|Goldmann| / |Blanvalet|) und des Death-Gate-Zyklus (in Deutschland unter dem Titel [„Die vergessenen Reiche“ 13 bei |Bastei| erschienen) bekannt sein. Mit „Im Sog der Dunkelheit“ stellt er unter Beweis, dass er nicht nur im Genre (Science-)Fantasy zu Hause ist, sondern durchaus auch als Autor von harter Military-SF zu überzeugen vermag.
Die fast schon klaustrophobische Atmosphäre der Geschichte ist geprägt von Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit angesichts der Verbrechen, die von der Konföderation im Namen der Menschheit begangen werden, und eines gnadenlosen – im wahrsten Sinne des Wortes – unmenschlichen Gegners. Egal ob die Protagonisten überleben oder nicht, sie haben verloren – eine Erkenntnis, die in der Realität auf viele unserer Kriege zutrifft. Und wenn gerade zum Schluss ein deutlicher Pathos in die Geschichte Einzug hält, so ist zu bedenken, dass diese Leidenschaftlichkeit das Einzige ist, was die Helden (Opfer) bis zum eigenen Untergang kämpfen lässt.
Der bedrückenden Atmosphäre folgt in angemessener Weise die Wahl einer streng personalen Erzählperspektive, deren Perspektivfigur Ardo Melnikov ist. Durch seine Augen erleben wir das Grauen des Krieges, sehen und beurteilen die Kameraden; zu keinem Zeitpunkt wissen wir mehr, haben mehr Informationen über die Gesamtsituation als jener unbedeutende Gefreite, und dies lässt uns direkt an seiner Hilflosigkeit teilhaben. Hinzu kommt der besondere Umstand, dass der Marine einer sogenannten Neural-Resozialisation unterzogen wurde, wobei seine echten Erinnerungen durch ein „Erinnerungs-Overlay“ mit falschen, kriegsdienlichen überdeckt wurden. Immer wieder durchstoßen religiöse Visionen die Oberfläche seines konditionierten Verstandes, flüstern ihm die Worte „Du sollst nicht töten“ oder „Friede kommt von innen“ zu, während er mit seinem Sturmgewehr Feinde niedermetzelt, so dass der Leser ob dieser Zerrissenheit ständig zwischen dem Zorn darüber, was ein unmenschliches System seinen „Soldatenjungen“ antut, und Mitleid schwankt.
Auch rein stilistisch gibt es an dem Roman nichts auszusetzen. Hickman bedient sich eines gefälligen, mitreißenden Stils und ist in der Lage, sowohl lebendige Bilder als auch lebendige Dialoge zu entwerfen. Leider ist dieser gute Roman relativ kurz geraten und man ist nur zähneknirschend bereit, ihn als das akzeptieren, was er ist: ein kurzes Intermezzo in einem epischen Konflikt.
Spannend, pathetisch, düster, desillusionierend. Großartige Military-SF nicht nur für StarCraft-Fans.
_Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine.de]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Mit diesem Hörbuch präsentiert der |Hörbuch Hamburg|-Verlag einen der großen Klassiker aus der Feder Jules Vernes, vorgetragen auf sechs CDs von Rufus Beck.
Der exzentrische englische Gentleman Phileas Fogg ist ein Mann der Gewohnheit. Den Großteil seines perfekt durchorganisierten Tages verbringt er dabei in einem vornehmen englischen Herrenclub Londons, dem Reformclub. Im Herbst des Jahres 1872 beherrscht ein Bankräuber, welcher eine enorme Summe Geld gestohlen hat, die Londoner Tagespresse. Die Mitglieder des Reformclubs debattieren über die Wahrscheinlichkeit, den Dieb zu finden und dingfest zu machen. Foggs meint, man würde den Täter schon finden, da aufgrund der zunehmend besseren Verkehrsbedingungen jeder Ort der Welt schnell zu erreichen sein. Er geht sogar so weit zu behaupten, dass es möglich sei, die Erde in lediglich achtzig Tagen zu umrunden. Diese Aussage bringt ihm den Spott der anderen Gentlemen ein, sodass Phileas Fogg auf der Stelle 20.000 Pfund – die Hälfte seines Vermögens – wettet und sich fast augenblicklich auf die Reise macht, um den anderen Herren den Beweis seiner These zu liefern. Sein neu eingestellter französischer Diener Passepartout, welcher auf der Suche nach einer ausgeglichenen Tätigkeit war, begleitet ihn auf der abenteuerlichen Reise. Per Eisenbahn, Schiff, Ballon und auf dem Elefantenrücken nehmen die beiden den Wettlauf mit der Zeit auf. Dabei haben sie jede Menge Gefahren zu bestehen, wie die Rettung einer jungen indischen Witwe vor dem Scheiterhaufen.
Die überstürzte Abreise Phileas Foggs in England resultiert jedoch in einer fatalen Konsequenz. Scotland Yard, vor allem der übereifrige Detektiv Fix, vermutet in Fogg den gesuchten Bankräuber. Dieser Verdacht erhält durch den ungewissen Ursprung von Foggs Vermögen weitere Nahrung. Fix macht sich auf den Weg, den vermeintlichen Verbrecher zu stellen.
Der 1873 erschienene Roman von Jules Verne ist ein Vorzeigeexemplar des klassischen Abenteuer- und Reiseromans des 19. Jahrhunderts. Exotische Orte, undurchsichtige Gefahren, moderne und skurrile Beförderungsmittel, dazu eine intelligente, spannende Handlung, welche mit einer Prise Humor gewürzt ist. Daher resultieren auch der anhaltende Erfolg des Buches, auch 130 Jahre nach dem Erscheinungsdatum, und die zahlreichen Verfilmungen und Variationen des Themas, wobei hier lediglich auf den monumentalen Film mit David Niven in der Rolle des Phileas Fogg hingewiesen werden soll. Hierbei ist interessant, dass sich der Blickwinkel im Laufe der Jahrzehnte geändert hat. Bei Erscheinen traf Jules Verne den Nerv der Zeit, die Gesellschaft befand sich in Aufbruchsstimmung und Verne propagierte wie in anderen Werken den unglaublichen technischen Fortschritt. Mit seinem Werk belegte er glaubwürdig, dass eine solche Reise in dieser Rekordzeit tatsächlich möglich sei. Heute muten der Roman und die beschriebenen Technologien natürlich altmodisch an und die Freude an dem Werk liegt zum Teil auch in der ausgestrahlten Nostalgie begründet. Der unumstrittene Glaube an die moderne Technik ist sicherlich heute einem gewissen technologischen Misstrauen gewichen und so denkt man sich bei vielen Abschnitten der Reise von Fogg und seinem treuen Begleiter, wie schön und unberührt die Natur einst war.
Das Hörbuch stellt eine erstklassige Umsetzung des Romans dar, was hauptsächlich an dem Sprecher Rufus Beck liegt. Er schafft es durch die wohlklingende Intonation und seine klare Sprechweise, den Zauber des Buches an den Hörer weiterzugeben. Die verschiedenen Ton- und Stimmlagen passen sowohl zu dem Erzähler als auch zu den zahlreichen unterschiedlichen Charakteren. Die beiden Protagonisten, Phileas Fogg und Passepartout, werden mit all ihren Eigenheiten und Facetten widergegeben. Neben der nasalen, etwas arroganten Sprechweise des Phileas Fogg, eines Upperclass-Gentlemans des 19. Jahrhundert, hat mich besonders der Kontrast zu seinem Diener beeindruckt. Es gelingt Beck nicht nur, den französischen Akzent glaubhaft zu imitieren, sondern auch die liebenswürdige Art des Passepartouts darzustellen. Noch intensiver als beim Lesen des Romans wächst einem dieser einzigartige Butler ans Herz. Das ist wirklich eine außergewöhnliche Leistung. So vergeht die Zeit wie im Flug und schon ist der Hörer am Ende der Geschichte und bei der letzten CD angelangt und würde am liebsten wieder von vorn beginnen.
Jules Verne wurde 1828 in Nantes geboren. Neben H. G. Wells in England und Kurd Laßwitz in Deutschland gilt er häufig als der Hauptbegründer der Science-Fiction-Literatur und ihr einflussreichster Wegbereiter. So beschrieb er viele technische Errungenschaften vor ihrer tatsächlichen Erfindung. Seinem anfänglich absoluten Glauben an den technischen Fortschritt folgte in späteren Jahren eine kritischere Auseinandersetzung mit den sich ergebenden gesellschaftlichen Konsequenzen. Bis zu seinem Tod im Jahre 1905 schrieb Verne über neunzig Romane.
Rufus Beck, Jahrgang 1957, arbeitete als Theater- und Filmschauspieler in den verschiedensten Rollen, bis er ab dem Jahr 2000 durch seine Tätigkeit als Sprecher der Harry-Potter-Bücher zahlreiche Preise erhielt und seither zu den begehrtesten Sprechern für Hörbuchproduktionen zählt.
„Untot in Dallas“ ist bereits das zweite Abenteuer um die telepathisch begabte Kellnerin Sookie Stackhouse aus der Feder von Charlaine Harris. Im Erstling [„Vorübergehend tot“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=788 stellte sich die Mittzwanzigerin Sookie aus dem provinziellen Bon Temps als schüchterne, naive Romantikerin vor, die explosionsartig aufblüht, als der Vampir Bill ins Städtchen zieht. Dazu muss man wissen, dass Vampire im Amerika von Charlaine Harris normal und legal sind, also auch ein bürgerliches Leben führen können. Das führt zu Touristenattraktionen wie der Vampirbar im nahe gelegenen Shreveport oder einer so praktischen Erfindung wie synthetischem Blut. Sookie schätzt an ihrem ungewöhnlichen Liebhaber vor allem dessen geistige Funkstille – die Gedanken von Vampiren kann sie nämlich nicht lesen, wie sie erfreut feststellt – und seine sexuelle Unermüdlichkeit. Frau hat schließlich einiges nachzuholen, wenn sie 25 Jahre ohne Sex auskommen musste. Doch mussten Bill und Sookie neben der trauten Zweisamkeit und den wilden Liebesspielen im Whirlpool auch noch einen Kriminalfall lösen, der Sookie fast das Leben gekostet hätte. Doch was einen nicht umbringt …
„Untot in Dallas“ verläuft entlang derselben Linien, die Charlaine Harris im ersten Band gezogen hat. Bill ist immer noch bevorzugt mit Sookies Haarpflege beschäftigt und berät sie mit Leichtigkeit in allen täglichen Fragen des Stils (und das, obwohl er noch nie einen Tanga in seinem natürlichen Lebensraum gesehen hat). Die beiden können nicht voneinander lassen, auch wenn Sookies Bezeichnung, dass sie „fest miteinander gehen“ eher nach Highschool-Romantik klingt denn nach einer heißen Affäre mit einem Untoten. Die hübsche Idylle wird allerdings jäh gestört, als der schwule Koch der Bar ermordet aufgefunden wird, in der Sookie arbeitet. Ziemlich schnell ergibt sich der Verdacht, dass Bon Temps seinen eigenen geheimen Sexclub besitzt, den Lafayette wohl gegen sich aufgebracht hat. Allerdings wird es bis zum Ende des Romans dauern, bis Sookie das Geheimnis um Lafayette und den Sexclub lösen kann, denn Sookie hat seit ihrer Bekanntschaft mit Bill einen neuen Nebenjob.
Bill ist in der internen Hierarchie der Vampire dem Barbesitzer Eric unterstellt. Eric betreibt die Vampirbar in Shreveport und weiß auch um Sookies besonderes Talent. Da Vampire als legale Bürger nur noch schwerlich Verdächtige einfach foltern können, bis sie mit der Wahrheit rausrücken, sind Sookies Fähigkeiten ziemlich gefragt. Und so leiht Eric Sookie nach Dallas aus, wo ein Vampir verschwunden ist. Die restlichen Vampire wollen nun herausfinden, was genau passiert ist und wo sich selbiger Vampir befindet.
Zunächst geht auch alles glatt und die texanischen Vampire scheinen gar nicht so furchteinflößend zu sein, wie Sookie zunächst vermutet hatte. Doch dann deuten alle Hinweise zum Verschwinden des Vampirs auf eine fundamentalistische Gemeinde, die den Vampiren feindlich gesonnen ist, und von da an geht es steil bergab für Sookie und ihre Gesundheit.
„Vorübergehend tot“ wäre an einigen Stellen verbesserungswürdig gewesen. So wirkte die Liebesgeschichte zwischen Sookie und Bill von Zeit zu Zeit einfach zu schwülstig und drohte, die Kriminalgeschichte zu erdrücken. „Untot in Dallas“ wiederholt diese Fehler keineswegs. Bill und Sookie haben es sich offensichtlich in ihrer Beziehung gemütlich gemacht, weswegen sie nicht ständig in den Vordergrund gerückt werden muss. Und gerade der Plot um die Vampire in Dallas nimmt einen Großteil der Handlung ein und schafft es dabei, ein ziemliches Tempo zu generieren. Charlaine Harris hat also in „Untot in Dallas“ ihren Vorgänger noch übertroffen und hier scheinbar ihren Stil gefunden. Die Handlung ist frisch, spannend und temporeich erzählt und kann daher noch besser unterhalten als „Vorübergehend tot“.
Allerdings werden auch die Ähnlichkeiten gerade zu den Romanen von Laurell K. Hamilton immer deutlicher. Die vampirfeindliche Gemeinde in Dallas erinnert stark an eine Einrichtung, die auch bei Hamilton geschildert wird, jedoch nimmt sich Harris mehr Zeit, ihre Kritik an jeglicher Art von religiösem Fundamentalismus zu verdeutlichen. Die Vampire werden hier zu Opfern von Kleingeistigkeit und der Weigerung, andersartige Lebensentwürfe zumindest zu tolerieren. Die Untoten mutieren zum Universalbeispiel; sie könnten für religiös Andersdenkende stehen, für Homosexuelle, für jede Art von Minderheit.
Eine Figur, die unbedingt Erwähnung finden sollte, ist der Vampir Eric. Er erscheint wie eine illustre Mischung aus Anne Rices Lestat und Laurell K. Hamiltons Jean-Claude. Von beeindruckender Statur, mit einer wilden blonden Mähne, weiß er um seine Wirkung und hat sich darum scheinbar angewöhnt, nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wo Bill zumeist zurückhaltend und bürgerlich wirkt, bringt Eric garantiert frischen Wind in die Handlung. Es ist unbedingt zu begrüßen, dass sein Part gegenüber dem Erstling noch vergrößert wurde. Zwischen ihm und Sookie sprühen nur so die Funken und man möchte sich fast wünschen, sie würde den biederen Bill für den aufregenden Eric verlassen.
Auch die Übersetzung hat sich, gegenüber dem Erstling, merklich verbessert. Sie liest sich generell runder und auch wenn es den einen oder anderen Ausreißer im Sprachfluss gibt, so sind diese viel seltener als in „Vorübergehend tot“. Dass man sich jedoch bis zum Schluss des Buches nicht entscheiden konnte, ob der verschwundene Vampir nun „Farrell“ oder „Farrel“ heißt, ist wohl nicht nur für Rechtschreibfanatiker ärgerlich. Beide Schreibweisen wechseln sich nämlich mit schöner Regelmäßigkeit ab.
„Untot in Dallas“ macht, ganz ehrlich, mehr Spaß als „Vorübergehend tot“. Der Plot ist flotter und es geht generell tougher zu als im ersten Band. Hier spritzt auch schonmal das Blut und es gibt ein hübsch inszeniertes Massaker im Hauptquartier der Vampire. Dagegen war „Vorübergehend tot“ viel zahmer und mehr auf das reine Frauenpublikum ausgelegt. Weniger Schwulst und dafür mehr Fights und Verfolgungsjagden darf der Leser jedoch von diesem Buch erwarten. Und die ausgewogenere Mischung tut der Lektüre wirklich gut!
|Originaltitel: Living dead in Dallas
Aus dem Englischen übertragen von Dorothee Danzmann|
Mit „Totenmontag“ veröffentlicht Bestsellerautorin Kathy Reichs bereits den siebten Erfolgsroman in ihrer Tempe-Brennan-Reihe. Ähnlich wie auch John Grisham macht sich Reichs ihr eigenes Fachwissen zunutze, um wissenschaftlich fundierte und spannende Bücher zu schreiben, die ihre Leser in eine fremde und faszinierende Welt entführen sollen. In diesem Fall begleitet der Leser erneut die forensische Anthropologin Brennan bei ihrer nicht ganz alltäglichen Arbeit.
Im Keller unter einer Pizzabude werden drei Skelette gefunden; die forensische Anthropologin Dr. Temperance Brennan macht sich sogleich an die Untersuchung der Skelette. Doch Detective Luc Claudel, mit dem sie im persönlichen Clinch liegt, setzt sie unter Zeitdruck, da er die Skelette für antik und damit aus polizeilichen Gründen für wenig wertvoll erachtet. Brennan dagegen hat von Anfang an ein komisches Gefühl im Bauch und schätzt die Gebeine als jüngeren Datums ein. Keine Spuren eines gewaltsamen Mordes sind an den Knochen zu erkennen, doch bemerkt Brennan schnell, dass es sich um die Gebeine drei junger Mädchen handelt, die aufgrund ihres Alters sicherlich keines natürlichen Todes gestorben sind.
Tempe Brennans detektivisches Gespür ist schnell geweckt, denn sie vermutet ein Verbrechen und forscht den Besitzern und ehemaligen Bewohnern des Hauses mit der Pizzabude nach. Als überraschend ihre Freundin Anne zu Besuch kommt, weil diese große Eheprobleme hat und freundschaftlichen Beistand braucht, bezieht Tempe Anne kurzerhand in ihre Nachforschungen mit ein. Als Brennan herausfindet, dass ein bekannter Mafiosi früher Besitzer des Hauses gewesen ist, wird ihr natürliches Misstrauen geweckt. Gemeinsam mit Anne besucht sie den Mann, der das Haus von dem Mafiosi gekauft hat und befragt ihn nach seinen aktuellen und ehemaligen Mietern.
Stück für Stück nähert sich Brennan dem Geheimnis der drei Skelette, während sie immer weiter nach Spuren an den Knochen forscht und schließlich feststellt, dass jedem Mädchen ein Ohr abgetrennt worden ist. Eine C14-Datierung ergibt schließlich ein Todesdatum der Mädchen in den 1980er Jahren, sodass die Knochen keineswegs als antik bezeichnet werden können. Was ist im Haus mit der Pizzabude geschehen? Und wie sind die drei jungen Mädchen umgekommen?
Schon in der ersten Szene findet sich der Leser in einem dunklen Keller mit Claudel und Brennan wieder, als ein Schuss fällt und Brennan blutiges und zerfetztes Muskelgewebe erblickt. Doch schnell wird klar, dass sie lediglich eine getötete Ratte vor sich hat, die Claudel im Eifer des Gefechts erschossen hat. Anschließend geht es wieder etwas ruhiger zu, auch wenn die beiden die Skelette dreier junger Frauen entdecken. Der Fund dreier Knöpfe, die auf das 19. Jahrhundert datiert werden, führt Claudel zu dem Schluss, dass auch die Leichen der Mädchen aus dieser Zeit stammen. Doch Brennan forscht auf eigene Faust weiter und fordert eine C14-Datierung an, um zu beweisen, dass die Skelette sehr wohl aus jüngerer Zeit stammen. Zunächst versucht Kathy Reichs, ihre Leser in die Irre zu führen und legt einige falsche Fährten aus, eine davon ist die der Mafia, die später wortlos unter den Tisch gekehrt wird. Schade, dass Reichs diese Spur, die Brennan zu dem Schluss geführt hat, dass unter der Pizzeria ein Verbrechen geschehen sein muss, später nicht mehr ausführt oder zumindest mit Erklärungen zum Abschluss bringt. So werte ich diese Mafia-Spur als einen lieblosen Versuch, am Anfang Spannung aufzubauen und später für Verwirrung zu sorgen.
Im weiteren Verlauf des Buches sorgen einige Cliffhanger für mäßigen Spannungsaufbau, auch wenn die Geschichte dennoch nicht recht in Schwung kommen mag. Reichs verzettelt sich hier manchmal in zu vielen Handlungssträngen. Neben der forensischen Untersuchung der Knochen taucht plötzlich Tempes Freundin Anne mit ihren privaten Liebesproblemen auf, außerdem hegt Brennan den Verdacht, dass ihr Geliebter Ryan eine Affäre mit einem jungen College-Mädchen hat, zu all dem Ärger kommen die persönlichen Differenzen zwischen Claudel und Brennan und schlussendlich die mühsame Ermittlung im Pizzabudenfall, die weitere Fragen aufwirft. Besonders die ausgiebigen forensischen Untersuchungen wirken hierbei langatmig, da die Details einer genauen Knochenanalyse, gespickt mit allerlei Fachvokabular, nur wenig interessant wirken und das Buch dadurch oftmals einfach nur ausbremsen. An manch einer Stelle liest sich „Totenmontag“ daher eher wie ein Ärzteblatt als ein spannender Thriller. Etwa ab der Hälfte des Buches gewinnt die Erzählung dann etwas an Tempo, da Brennan den toten Mädchen auf die Spur kommt.
Die Geschichte ist aus der Sicht der Anthropologin Temperance Brennan geschrieben, die wohl nicht nur zufällig den gleichen Beruf ausübt wie die Autorin Kathy Reichs; so gewinnt man als Leser den Eindruck, dass sich Reichs selbst in einen Thriller hineingeschrieben hat. Inwieweit sich Reichs und Brennan über den Beruf hinaus ähneln, wage ich allerdings nicht einzuschätzen. Mir erscheint Brennan in diesem Roman allerdings eher weniger authentisch, da sie als allzu tragisch dargestellt wird. Neben ihrer zerbrochenen Ehe, die immer wieder am Rande angeführt wird, scheint ihre Beziehung zu Ryan in die Brüche zu gehen, da er sich heimlich mit einer jungen Frau trifft. Auch die Untersuchung der Knochen geht nicht recht voran, schließlich stirbt die telefonische Informantin und Detective Claudel macht Brennan das Leben nicht gerade leicht. Hier erscheint die sonst eher starke Karrierefrau Brennan plötzlich schwach und bemitleidenswert, was irgendwie nicht in das Bild der intelligenten und promovierten forensischen Anthropologin passt.
Neben Tempe Brennan werden nur wenige Personen ausführlicher vorgestellt, nämlich die beiden Polizisten Ryan und Claudel und Tempes Freundin Anne. Doch reichen die Beschreibungen nicht aus, um sich ein wirklich gutes Bild von den Charakteren machen zu können. Selbst von den gefundenen Skeletten erfährt der Leser leider mehr als über die handelnden Charaktere …
Kathy Reichs offenbart recht deutlich eine Vorliebe für Metaphern, so wird beispielsweise ein Steiff-Teddy als Bild für einen Knopfexperten herangezogen, an anderer Stelle spannt Brennan ihre Halsmuskeln an wie Gitarrensaiten, später vergleicht sie Montreal mit einem Fuß. Diese überschwängliche Verwendung von Bildern wirkt ab und an etwas merkwürdig. Darüber hinaus merkt der Leser recht deutlich, dass Reichs von Haus aus keine Schriftstellerin ist, denn abgesehen von den zahlreichen französischen Floskeln, die leider unübersetzt bleiben, ist die Sprache einfach und schmucklos. Kurze Sätze reihen sich aneinander, die das Buch zu einer idealen Straßenbahnlektüre machen, die nicht viel Aufmerksamkeit erfordert. Auch sind die Kapitel so kurz gehalten, dass man schnell Einschnitte findet, an denen sich das Buch beruhigt zuklappen lässt. Meist sind die Kapitelenden auch nicht so reißerisch und spannend, dass man seine Haltestelle verpassen könnte. Störend wirken in der Tat nur die medizinischen Fachausdrücke, die bei der Beschreibung der einzelnen Knochen verwendet werden, etwas weniger Details hätten hier auch ausgereicht, um sich ein gutes Bild machen zu können.
„Totenmontag“ ist ein Buch, das sich zügig durchlesen lässt und dabei auch etwas zu unterhalten weiß. Der beschriebene Leichenfund ist interessant und wirft schnell einige Fragen auf, denen Tempe Brennan nachgehen möchte. Nach und nach kommt Brennan der Lösung des Falles immer näher, verwirft allerdings zwischendurch wortlos einige Spuren, die zuvor für Spannung sorgen sollten. Auch am Ende versucht Reichs nochmals, ihre Leser zu verwirren, indem sie eine falsche Fährte auslegt, doch vermag sie hier leider nicht mehr zu überraschen, da der wahre Tatbestand bereits zu offensichtlich ist. Das Buchende wirkt mir etwas zu glatt und weichgespült, denn selbstverständlich lösen sich die Beziehungsprobleme mit Ryan in Luft auf, als er die junge Dame wie vermutet als eine Verwandte vorstellt. Wen das am Ende noch überrascht, der hat wohl noch nie zuvor ein Buch gelesen. Ein solch kitschiger Abschluss muss am Ende eines Thrillers einfach nicht sein.
Die Thematik an sich und die wahren Hintergründe der drei Gebeine im Keller der Pizzeria sind wahrlich grausam und spannend, aus diesem schaurigen Kriminalfall hätte man in der Tat ein besseres Buch fabrizieren können. Kathy Reichs verspielt hier viel Potenzial, indem sie keine rechte Spannung aufbaut und ihre Leser mit zu vielen forensischen Details langweilt. Das Buch übt einfach keine Faszination aus, kann nicht mit glaubwürdigen Charakteren aufwarten und scheut sich auch vor einer Gesellschaftskritik, die am Ende vielleicht möglich gewesen wäre.
Insgesamt ist „Totenmontag“ eine recht vergängliche Lektüre, das Buch ist schnell durchgelesen angesichts der schnörkellosen Sprache und des geringen Umfangs und auch schnell wieder vergessen. Der Unterhaltungswert ist absolutes Mittelmaß, die Charaktere bleiben entweder zu blass oder werden zu tragisch dargestellt. Für zwei Leseabende auf der heimischen Couch oder als kurzweilige Lektüre auf dem täglichen Weg zur Arbeit funktioniert das Buch recht gut, allerdings animiert es wenig zum Lesen weiterer Werke von Kathy Reichs.
Homepage der Autorin: http://www.kathyreichs.com
Jedes halbe Jahr treffen in den Presseabteilungen und Buchhandlungen umfangreiche Kataloge der _Verlagsnovitäten_ ein. Regelmäßig stöhnen die Buchhändler und zeigen sich ermüdet und überfordert, weil sie beispielsweise erst die Hälfte der Herbstvorschauen gelesen haben und schon die ersten Frühjahrsvorschauen wieder da sind. Dies ist mir als Rezensenten unverständlich, denn das gehört doch zum Interesse und zum Job dazu. Doch wahrscheinlich geht es den heutigen Buchhändlern nur noch ums reine Verkaufen, während die Inhalte für sie belastende Nebensache geworden sind. Alles tendiert zur Hektik, und auch der Buchmarkt bleibt von der allgemeinen Schnelllebigkeit und den saisonalen Trends nicht verschont.
Was das Durcharbeiten anbelangt, geht es mir manchmal durchaus nicht anders; auch ich fand letztes Jahr wenig Zeit, die von der Buchmesse noch zusätzlich mitgenommenen – nicht automatisch schon vorab per Post erhaltenen – Kataloge zu durchforsten, als schon wieder die ganzen Frühjahrsvorschauen vorlagen. Aber zwischen den Jahren nahm ich mir die Zeit, das nachzuholen und bin nicht erschlagen von den Stapeln, die sich da ansammeln, sondern hochzufrieden und begeistert. Auf das weitere Jahr bin ich sehr gespannt, nachdem es 2004 eher ruhig zuging. Interessant war der plötzliche _Trend zum „Billigbuch“_ – nicht nur durch branchenfremde Medienhäuser wie „SZ“, „Bild“, „Zeit“ und „Brigitte“ -, sondern auch durch eine Reihe neuerer Verlage, die mit ausnahmslos niveauvollen Titeln zu extrem günstigen Preisen aufwarteten. Was den Kunden zuerst erfreut, hat seine Schatten. Es wird suggeriert, Bücher seien zu teuer. Dabei handelt es sich bei diesen Reihen um Drittverwertungen und letztlich ist es für das eigentliche Verlagswesen ein schlechtes Signal. Auch für den Buchhandel, denn die Zeitungsbuchreihen gibt es am Kiosk. Es bleiben schwierige Zeiten für Verleger, denn die Menschen haben wenig Geld für kulturelle „Extras“. „Geiz ist geil“ bleibt auch in diesem Jahr das Motto der Kunden. Der gewachsene Markt wird mehr und mehr zerstört. Besonders überrascht von diesem Trend wurden die Taschenbuchverlage.
Verkaufsanalysen belegen, dass die Umsätze der Belletristik-Editionen von der „Süddeutschen Zeitung“ und „Bild“ in etwa dem entsprechen, was an Taschenbuchumsätzen im gesamten Markt fehlt. Eigentlich hatten die Taschenbuchverlage sich darauf eingestellt, dass es nach der Zerlegung der Verlagsgruppe |Ullstein-Heyne-List| in zwei Buchriesen (|Random House| mit vornehmlich |Heyne|, |Goldmann|, |btb| und |Blanvalet|, sowie die |Bonnier|-Verlage mit |Piper| und |Ullstein/List|) zur eindeutigen Marktmacht käme. Aber davon war überraschend wenig zu spüren. In den Bestsellerlisten waren alle Verlage wie zuvor gleich beteiligt. Die Marktmacht von |Heyne| & |Goldmann| ist aber unübersehbar und wird in den nächsten Jahren noch stärker zu spüren sein. Vor allem im teuren Geschäft mit den Lizenzen können die kleineren Taschenbuchanbieter nicht mehr mithalten. Konkurriert wird sogar innerhalb von |Random House|-Gruppen. |Heyne| musste dabei aber auch deutliche Einbußen hinnehmen, denn die von den Kartellwächtern geforderte Trennung von den Reihen |Fantasy| und |Esoterik|, die an |Piper| & |Ullstein| gingen, schlug zu Buche. |Ullstein| hat sich mit anspruchsvollen Sachbuchveröffentlichungen über Thriller und Krimis bis zur Esoterik und massenmarktfähigen Frauenromanen den Programmen von |Heyne|, |Goldmann|, |Bastei-Lübbe| und |Rowohlt| angeglichen. Auch im |Ullstein|-TB-Bereich sieht es positiv aus, denn durch die |Bonnier|-Hardcoververlage |Ullstein, List, Propyläen, Marion von Schröder| und |Econ| steht ein erstklassiges Lizenzreservoir im Rücken. Und |Piper Taschenbuch| im gleichen Hause hat sich auch bestens gemacht.
Die Taschenbuchverlage versuchen nun angesichts der „Billigbuch-Entwicklung“ mit Bestseller-Kampagnen und Sonderaktionen nachzuziehen. In diesen Fällen liegen zwischen Auslieferung und Verramschen nur noch sechs Wochen. Hinter dem Trend des Billigbuchs steht somit noch ein anderer negativer Trend: die generelle _Kurzlebigkeit eines Buches_. Schon oft ist eine Neuerscheinung bereits nach nur einem halben Jahr nicht mehr lieferbar. Umso schneller geht es dafür in Lizenzen an Clubs, Weltbild, Parallelausgaben für Flächenmärkte, eigene frühe Sonderausgaben, spezielle Internet-Angebote, Direktgeschäfte, Shop-Angebote in Zeitschriften, Exklusivangebote von Versendern oder, wie man es eigentlich seit längerem schon kannte, nach kürzester Zeit in die Taschenbuchausgabe. Backlist ist nicht mehr in, leider geht das immer mehr auch auf Kosten von Qualität.
_Esoterik_, in den 90er Jahren noch als Boom gewertet, ist längst nur noch ein Nischenthema. 72 Prozent der Deutschen interessieren sich nicht für das Themenspektrum von Astrologie über Lebensdeutung und Tarot bis hin zu Yoga. Für die einzelnen Strömungen der Esoterik, z. B. Meditation, östliche Weisheit oder Grenzwissenschaften, interessieren sich im Durchschnitt gerade mal um die fünf Prozent der Bevölkerung. Praxisbezogene Themen sind mit 14 Prozent noch ein wenig mehr gefragt, alternative Heilmethoden nehmen einen immer größeren Stellenwert neben der Schulmedizin ein. Der Kundenkreis bleibt weiterhin mehrheitlich weiblich. Die statistischen Zahlen belegen zehn mal so viele Frauen wie Männer. Die so genannten „esoterisch-alternativen“ Fachverlage decken dennoch entgegen dieser Verkaufszahlen etwa 20 Prozent des Marktsegmentes ab.
Esoterik versucht schon immer, Bewusstsein zu verändern und Informationen mit Gewissenhaftigkeit zur Verfügung zu stellen. In den 60er und 70er Jahren gab es keine Esoterik zu kaufen bzw. man musste zur Schikowski-Buchhandlung in Berlin, wenn man anspruchsvolle Titel aus dem damals legendären |O. W. Barth|-Verlag kaufen wollte. Dann kamen die eigentlichen Esoterikbuchläden der ersten Stunde wie |Akasha| in München, |Middle Earth| in Frankfurt, |Horus| in Bonn, |Pentagramm| in Dortmund und |Wrage| in Hamburg hinzu. Die meisten dieser Läden sind aber heute nicht mehr in den Händen ihrer Gründer oder existieren nicht mehr. Die Konkurrenz wurde ab den späten 80er Jahren zu groß, überall machten irgendwelche Eso-Läden auf – leider ohne über eigene Qualifikation auf diesem Gebiet zu verfügen. Das hatte vieles verwässert und das Interesse an der nun publizierten „Mainstream“-Esoterik hielt natürlich nicht an.
Seitdem jammern die Buchhandlungen, wie schlecht es mit Esoterik liefe und dass sie wohl „out“ sei. Viele, die sich zu ihrem Beruf wirklich berufen fühlen, wachen gerade endlich wieder auf, nachdem die meisten dieser Verlage in den letzten Jahren eher gegeneinander agierten anstatt sich an „runden Tischen“ zusammenzusetzen. In Vorstößen zur Zusammenarbeit und eigenen Vertriebssystemen ist in den letzten Jahren vor allem Andreas Lentz vom |Neue Erde|-Verlag aufgefallen. Von dort gehen seit kurzem neue Zusammenarbeiten aus, neue Verlagskooperationen wurden gegründet. Wenn nämlich nicht auf der Grundlage „gemeinsam stärker“ gegen die Marktpolitik der wenigen Großverlage vorgegangen wird, könnte es in Deutschland in fünf bis zehn Jahren Verhältnisse wie in den USA oder England geben. Dort gibt es keinen einzigen nennenswerten unabhängigen Esoterikverlag mehr. In England wurde der letzte, |C.W. Daniel|, Ende 2002 an |Random House| verkauft und zerschlagen. Es ist unglaublich, was dort in nur sechs Monaten aus dem Verlag gemacht wurde.
Auf der Frankfurter Buchmesse hatten auf Initiative des |Schirner|-Verlages seit einigen Jahren die Esoterik-Verlage Stärke gezeigt und in Halle 3.1 mit einer gemeinsamen „grünen Insel“ eine andere Welt gegenüber dem Messestrubel präsentiert. Leider war das, wie schon berichtet, in letztem Jahr nicht mehr der Fall. Zwar war ein Großteil der esoterischen Verlage zumindest noch in dieser Halle, aber viele auch ganz woanders. Die konventionellen Verlage konnten sich die Hände reiben, als sie sahen, wie der von ihnen so wenig geliebte Eso-Block geschmolzen war. Auch ich als Besucher war wirklich irritiert. Nicht eine Verlagsgruppe hat an Profil gewonnen, sondern die Stellung des spirituellen Buches in der Wahrnehmung der breiten Bevölkerung ist geschwächt worden. Der seit acht Jahren im Programm des |Neue Erde|-Verlages enthaltene |Param|-Verlag hat nun seit diesem Jahr erstmals seine eigenen Vorschauen. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Verlagen bleibt davon unberührt. Der Grund ist einfach, dass |Param| mittlerweile ein Programm von 50 Titeln aufgebaut hat , während es zu Beginn der Zusammenarbeit mit |Neue Erde| nur einen einzigen Titel gab.
Zum 1.1.2005 hat der _Aquamarin-Verlag_ den größten Teil der Esoterik-Reihe des _Hirthammer-Verlages_ übernommen, darunter die Werke von H. K. Challoner, Mabel Collins und Annie Besant sowie die dreibändige Ausgabe des „Theosophischen Weltbildes“ von Beatrice Flemming. Alle Titel werden im Verlauf des Frühjahrs in neuer Ausgabe im Aquamarin Verlag in der „Edition Adyar“ erscheinen. Der Nachdruck weiterer Werke des Hirthammer Verlages – soweit es theosophische Literatur betrifft – ist in Planung.
|Kurzmeldungen und -kommentare:|
Reformen und noch mehr Reformen und alles belastet mehr als es einspart – den einfachen Bürger auf jeden Fall. Auch die eingeführte _LKW-Maut_ macht alles für den Einzelnen noch ein bisschen teurer. Die Postpaketpreise steigen an, ebenso die Kosten für den Buchhandel für seine Zulieferer und jeder gibt die Kosten weiter an den nächsten, bis alles beim einfachen Verbraucher angekommen ist. Leben wird teurer und teurer und nicht günstiger.
Eines der niveauvollsten Buchprojekte „_Die Andere Bibliothek_“ war vor einigen Jahren an den |Eichborn|-Verlag gegangen und wurde dort von _Hans Magnus Enzensberger_ verlegt. Dessen Vertrag geht noch bis 2007, aber er möchte nun vorzeitig beenden. Damit wird auch unwahrscheinlich, dass die Reihe überhaupt ihre Fortsetzung über das Jahr 2006 hinaus finden wird. Franz Greno, zuständig für die ästhetische Gestaltung dieser Reihe, geht von ihrem Ende aus, signalisiert allerdings auch, dass es in neuen Konstellationen zu einer Fortführung kommen wird.
Beim Gerangel zweier deutscher Buchpreise – neben Leipzig nun auch Frankfurt – halten Verlage zumindest dem „_Preis der Leipziger Buchmesse_“ die Treue. Alle wichtigen und großen nationalen Verlage haben sich mit Vorschlagsnominierungen beteiligt und die Erwartungen der Messeveranstalter übertroffen. Der Preis wird in den Kategorien Belletristik, Sachbuch und Essayistik am 17. März von der Leipziger Messe mit Unterstützung des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig vergeben. Partner ist das |Literarische Colloquium Berlin|.
Auf der Frankfurter Messe wird dann erstmals der beste Roman des Jahres mit dem „_Deutschen Buchpreis_“ gekürt. Diese neue Auszeichnung wird vom Börsenverein gemeinsam mit dem |Spiegel|-Verlag, |Langenscheidt| und der Stadt Frankfurt vergeben. Die Jury wird von der |Akademie Deutscher Buchpreis| jährlich neu gewählt.
Ab April steht der Frankfurter Buchmesse mit _Jürgen Boos_ ein neuer Direktor vor. Er ersetzt _Volker Neumann_, dessen Vertrag nicht verlängert wurde. Die Nichtverlängerung war innerhalb der Branche heftig kritisiert worden. Nach Geschäftsvertrag muss Neumann aber seinen Nachfolger noch bis Ende des Jahres einarbeiten. Dass das nicht ohne Reibungen geschehen wird, ist Insidern ziemlich klar.
Auch das Gastland der Messe für 2006 steht jetzt schon fest: Zum zweiten Mal wird sich _Indien_ präsentieren.
Im Alter von 89 Jahren verstarb der sozialkritische Pulitzerpreisträger _Arthur Miller_, der auch durch seine Ehe mit Marylin Monroe von sich reden machte. Die bekanntesten Werke des Schriftstellers und Dramatikers sind „Tod eines Handlungsreisenden“ sowie „Hexenjagd“.
Ende Januar verstarb der israelische Satiriker und Romancier _Ephraim Kishon_ achtzigjährig in seiner schweizerischen Wahlheimat. Sein Werk umfasst mehr als fünfzig Bände, die in vierunddreißig Sprachen übersetzt wurden und insbesondere in Deutschland Bestsellerstatus in Millionenauflage erreichten.
„Perry Rhodan“-Erfinder und Autor _Walter Ernsting_ ist nach längerer Krankheit im Alter von 84 Jahren in Salzburg gestorben. Er schrieb unter dem Pseudonym Clark Darlton. Die |Perry Rhodan|-Reihe startete 1961 und noch heute kommt jede Woche ein neues Heft heraus.
_Susan Sonntag_, die 2003 mit dem |Friedenspreis des Deutschen Buchhandels| ausgezeichnet wurde, ist im Alter von 71 Jahren an Krebsleiden gestorben. Die einflussreiche New Yorker Intellektuelle übte nach dem 11. September 2001 scharfe Kritik an der Politik von Präsident George Bush, wurde aber in Europa mehr beachtet als in ihrer Heimat.
Im letzten Jahr hatte die ARD zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren die Verleihung des _Friedenspreises_ des deutschen Buchhandels nicht mehr im Hauptprogramm übertragen. Die Mitglieder der |Arbeitsgemeinschaft Publikumsverlage| im Börsenverein haben nun in einem Appell die Sendeanstalt aufgefordert, dies 2005 wieder zu tun. Der Börsenverein selbst hatte schon im letzten Jahr kritisiert, dass die ARD ihren Kulturauftrag als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt nicht erfülle. Der Preis ist die bedeutendste internationale Auszeichnung, die in unserem Land vergeben wird.
|Das Börsenblatt, das die hauptsächliche Quelle für diese Essayreihe darstellt, ist selbstverständlich auch im Internet zu finden, mit ausgewählten Artikeln der Printausgabe, täglicher Presseschau, TV-Tipps und vielem mehr: http://www.boersenblatt.net.|
Renwald Legroeder ist mit Leib und Seele Rigger. Er steuert Raumschiffe durch den Flux, einen mehrdimensionalen Hyperraum, den er mit seiner Gedankenkraft formen, sich in ihn und seine Strömungen einfühlen kann. Die Begegnung mit der Impris, einem seit mehr als hundert Jahren verschollenen Schiff, endet für ihn verhängnisvoll. Legroeders Schiff wird von Raumpiraten überfallen, er gerät in Gefangenschaft und kann erst nach sieben Jahren fliehen. Doch auf Faber Eridani, dem nächsten besiedelten Planeten, ist der Empfang alles andere als freundlich. Man unterstellt ihm, heimlich mit den cybertechnisch aufgerüsteten Raumpiraten zusammengearbeitet zu haben. Von der Impris will man nichts wissen.
Legroeder wird misstrauisch und beginnt mit seiner Anwältin nachzuforschen. Schon bald darauf befindet er sich mitten im größten Abenteuer seines Lebens: Er flieht von Faber Eridani, wird von den Narseil, amphibischen Außerirdischen, als Agent angeworben und lässt sich von ihnen sogar Cyber-Implantate einsetzen, die er während seiner Gefangenschaft noch vehement abgelehnt hatte. Sein Weg führt ihn wieder zu den Cyber-Piraten und auf die gefahrvolle Mission, die Impris aus ihrer Fluxschleife zu retten.
Dies ist nur eine sehr vereinfachte Zusammenfassung der aufwendig konstruierten Handlung. Carver ist kein Autor von einfachen Romanen, seine Bücher sind meist sowohl inhaltlich als auch stilistisch komplex, lassen sich nicht „nebenher“ lesen, sondern erfordern Konzentration.
„Am Ende der Ewigkeit“ ist ein unabhängiger Teil der lose durch einen gemeinsamen Hintergrund zusammenhängenden |Star Rigger|-Serie Carvers und schaffte es 2001 immerhin in die Endausscheidung zum |Nebula Award|. Es ist ein Hard-SF-Roman – in dem ungewöhnlicherweise ein Hauptelement, nämlich der Flux, deutliche New-Wave-Elemente aufweist (vermischen sich doch hier die Realität des Weltraums und die innere Vorstellungskraft) -, der einige nette Einfälle besitzt, jedoch insgesamt etwas zu lang geraten ist (die eine oder andere Wendung hätte in meinen Augen ohne Verlust gekürzt werden können).
Schwächen liegen in einer ungleichmäßigen Handlungsentwicklung zwischen den Schauplätzen Weltall und Faber Eridani, einer zu oft aus bekannten Versatzstücken zusammengesetzten Thrillerhandlung (bei der man etliche Male Szenen aus einschlägigen Filmen vor Augen hat) und vor allem in der Charakterzeichnung. Die ist manchmal wirklich schlecht.
Aber auch manchmal richtig gut: Zum Beispiel gibt es den Journalisten Robert McGinnis, der gegen die Cyber-Piraten kämpfen will, es aber vor allem gegen sich selbst tun muss, gegen seine Implantate, die ihn (von außen unerkannt) fernsteuern, ihn in einen Killer wider Willen verwandeln können. In dieser Figur steckt wirklich Potenzial!
Auch sonst gibt es Dinge an dem Roman, die ich mag: Die Verwendung von Seemannsjargon in der Beschreibung der Arbeit der Schiffe zum Beispiel. Auch Legroeders Undercover-Einsatz auf einer Piratenfestung, bei dem seine Tarnung jedoch schon von Anfang an aufgeflogen ist, oder die Rettung der Impris aus ihrer Falle im Flux und alle dabei auftauchenden (Zeit-)Phänomene sind absolut lesenswert. Sehr gelungen fand ich die Dialoge zwischen Legroeder und seinen (zuerst ungeliebten) Implantaten – und die Rolle der Implantate in der Beziehung zwischen ihm und der Cyber-Piratin Tracy-Ace / Alfa.
Jeffrey A. Carver beherrscht sein Handwerk. Ihm liegt der große Science-Fiction-Entwurf mehr als das Spinnen eines Krimi- bzw. Thrillergarns. „Am Ende der Ewigkeit“ ist ein interessanter, nicht immer leicht zu lesender Abenteuerroman, der neben vielen positiven Eigenschaften auch deutliche Schwächen besitzt. Dennoch ist er für Hard-SF-Fans und Freunde von Piratengeschichten, die einer reizvollen Neuinterpretation verschiedener klassischer Motive aufgeschlossen gegenüberstehen, zu empfehlen.
Weblink: http://www.starrigger.net
|Originaltitel: Eternity’s End, 2000|
© _Andreas Hirn_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|
Wir schreiben das Jahr 1999. Offiziell herrscht Waffenstillstand zwischen den verfeindeten katholischen und protestantischen Bürgerkriegsparteien in Nordirland, als ein schwerer Bombenanschlag auf den britischen Premier die zarten Bande des Friedens erschüttert. Jonathan, der in Belfast aufwuchs und nach einer Karriere bei der |Royal Ulster Constabulary| im britischen Sicherheitsdienst arbeitet, wird mit den Ermittlungen vor Ort beauftragt. Für ihn wird es ein Trip in die eigene Vergangenheit und die alte Heimat Belfast.
Er trifft seine Exfreundin Katie wieder, die er vor Jahren wegen seiner Karriere bei der Polizei verlassen hat und die immer der Meinung war, es wäre besser sich aus den „Troubles“ rauszuhalten. Er denkt an Raymond, seinen alten Freund aus Kindertagen, mit dem er zusammen etwas gegen Terror und Krieg unternehmen wollte und darum mit ihm zur Polizei ging. Und er erinnert sich an ihren früheren katholischen Freund Sean, der sich immer raushalten wollte und dann bei einem Anschlag auf einen protestantischen Pub durch eine katholische Granate ein Bein verlor.
Im Wirrwarr dieser Erinnerungen versucht Jonathan zusammen mit seinem Partner James, die Urheber des Anschlags zu finden. Doch er rennt gegen eine Mauer des Schweigens. Mehr und mehr bekommt er den Eindruck, für die Geheimdienstbosse in London nur den Sündenbock abgeben zu sollen, dem man bei ausbleibendem Fahndungserfolg die Schuld in die Schuhe schieben kann.
Doch in einer Ecke, in der er nicht mit Unterstützung rechnen kann, haben einige Leute plötzlich ein gesteigertes Interesse daran, dass Jonathans Ermittlungen erfolgreich sind. Aber welche Rolle spielt sein alter Freund Raymond, der vor Jahren den Dienst quittierte, eigentlich bei der ganzen Sache? Interessiert er sich wirklich nur noch so wenig für die „Troubles“, wie er Jonathan glauben lassen möchte?
„Belfast Blues“ ist grob betrachtet ein solider Agententhriller, der etwas abseits der gängigen Genreklischees angesiedelt ist. Einerseits spielt er vor dem Hintergrund des Nordirlandkonflikts, andererseits aber zumindest teilweise auch im Dunstkreis von ehemaliger Stasi und NVA im Deutschland nach der Wende.
Mueller greift einen recht interessanten Aspekt auf, der sicherlich auch auf andere Konflikte als den Nordirlandkonflikt übertragbar ist. Er zeigt, dass es trotz aller Friedensbemühungen immer noch Interessensgruppen gibt, denen ein Fortdauern des Krieges lieber ist, damit sie ihre liebgewonnene Macht nicht verlieren. Dies trifft beispielsweise auf die IRA zu, die in vielen Wohnvierteln oft mehr zu sagen hatte als die britischen Besatzer. Doch nicht nur im terroristischen Spektrum, auch in der Politik gibt es einige, denen der Sinn ganz und gar nicht nach Frieden steht, und um diesen Konflikt dreht sich vieles bei „Belfast Blues“.
Anfangs entwickeln sich Jonathans Ermittlungen sehr schleppend. Niemand scheint sich zu dem Attentat bekennen zu wollen und so kommt der Fall nur ziemlich schwer in Gang. Nachdem Mueller mit der Schilderung des Attentats die Bombe im wahrsten Sinne des Wortes gleich zu Beginn zündet, passiert erst einmal nicht mehr viel und so nutzt er das Papier für lange Rückblenden in Jonathans und Raymonds Vergangenheit.
Mueller schildert alles sehr genau, sowohl das Leben in den protestantischen und katholischen Wohnvierteln als auch den Verlauf der Ermittlungen. Das Buch macht dabei einen durch und durch gut recherchierten Eindruck, sowohl mit Blick auf die politischen Hintergründe als auch auf Ballistik und Geheimdienstarbeit. Mueller scheint also durchaus gut informiert zu sein. Ein Eindruck, der sich auch beim Blick auf seine Biographie bestätigt, denn er war schon als freier Fernsehautor und Reporter in Nordirland tätig und hat 1992 ein Buch zum Thema RAF/Stasi herausgebracht.
„Belfast Blues“ kommt zwar zu Beginn nicht so wahnsinnig schnell auf Touren, aber man muss Mueller lassen, dass er ein sehr ausgefeiltes Komplott inszeniert, das sowohl Jonathan als auch dem Leser erst ganz langsam Seite für Seite bewusst wird. Der Leser ist dabei zwar oft einen kleinen Schritt voraus, dennoch kann man sich teilweise noch keinen Reim auf die Indizien machen, die Mueller dem Leser unterjubelt. Und das ist durchaus eine der Qualitäten des Romans. Scheinen die Ermittlungen zunächst noch im Sande zu verlaufen und Jonathan mehrmals kurz davor zu stehen, die Nachforschungen aufzugeben, so gewinnt die Handlung mit der Zeit immer mehr an Fahrt und entwickelt gegen Ende ein geradezu erschreckendes Tempo. Die Geschichte rast unaufhaltsam einem düsteren Ende entgegen und man wird als Leser völlig gefangen genommen. Ganz am Ende bedient Mueller sich dann auch noch eines feinen Kniffs. Er blendet mitten im Showdown aus und erzählt das Ende der Geschichte aus der Rückblende. Eine Inszenierung, die ich ziemlich gelungen und spannungssteigernd fand.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei „Belfast Blues“ nicht nur auf der Thrillerhandlung, sondern ganz besonders auch auf der Biographie der beiden Jugendfreunde Jonathan und Raymond. Immer wieder wechselt Mueller die Perspektive, erzählt mal Gegenwärtiges, mal Vergangenes, mal aus der Sicht von Jonathan, mal aus der von Raymond und hin und wieder auch aus der Perspektive ihres gemeinsamen Freundes Sean. Dadurch wird die Geschichte nicht nur spannender, sondern auch facettenreicher und tiefgründiger.
Die Rückblenden wirken dagegen hier und dort ein wenig lang. Wenn beispielsweise Seans Geschichte erzählt wird und Mueller sich seitenlang über seine Erlebnisse nach dem Anschlag, bei dem er sein Bein verlor, auslässt, vergisst man ein wenig, dass man eigentlich einen Thriller liest, bei dem es im Grunde um eine ganz andere Sache geht. Sicherlich will der Autor mit diesen Rückblenden zeigen, wie sehr die Biographien der Protagonisten ihre Handlungsweise in der Gegenwart bestimmen und das ist ein durchaus wichtiger Aspekt, dennoch hätte ich an seiner Stelle die Rückblenden entweder mehr gesplittet oder gestrafft, denn so tragen sie den Leser oft weit von der eigentlichen Geschichte fort.
Was dagegen absolut überzeugen kann, ist die Zeichnung der Charaktere. Dadurch, dass man die Lebensgeschichten der wichtigsten Figuren relativ genau kennen lernt, kann man ihre Motivation und ihr Verhalten verstehen. Man merkt, dass Mueller dieser Aspekt sehr wichtig ist. Er zeigt, was der alltägliche Terror, so wie ihn die Nordiren seit den frühen Siebzigern tagtäglich erlebt haben, aus den Menschen macht. Wie zwei Jungen schon früh das hässliche Gesicht des Bürgerkrieges kennen lernen, einen Beitrag zu seinem Ende leisten wollen und ihn dann doch nur weiterführen, weil auch sie dieser Spirale der Gewalt ohnmächtig gegenüberstehen. Auf welche unterschiedliche Art und Weise beide daraufhin resignieren, ist ein weiterer Aspekt des Buches.
Was dabei hilft, die 523 Seiten des Romans relativ schnell hinter sich zu lassen, ist Muellers Schreibstil. Oft wirkt seine Sprache etwas schnörkellos, aber nicht emotionslos. Viele Sätze fallen eher kurz und knapp aus, aber Mueller wählt klare Worte und schafft es bei aller sprachlichen Schlichtheit auch immer wieder etwas Tiefgang in die Geschichte zu bringen. Das Buch liest sich sehr gut, ohne sich in kühler Oberflächlichkeit zu verlieren.
Mueller hat mit „Belfast Blues“ einen durchaus packenden Thriller abgeliefert, der vor allem zum Ende hin ein geradezu rasantes Tempo entwickelt und den Leser ein Stück weit nachdenklich stimmt. Wen neben einem politischen Thriller auch noch die Facetten des Nordirlandkonflikts interessieren, der findet hier auf jeden Fall spannenden Lesestoff.
2004 beschenkte |Ripper Records| die Hörspielfans mit [„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=525 – einer sowohl unterhaltsamen als auch klugen Bearbeitung der berühmten Anekdote um die Entstehung zweier vampirischer Urtexte: Byrons „Ein Fragment“ und Polidoris „Der Vampyr. Eine Erzählung“. Der exzentrische Byron nämlich war zusammen mit seinem Leibarzt Polidori in die Schweiz geflohen (wohl vor Geldeintreibern und empörten Müttern junger respektabler Mädchen) und verbrachte dort den Sommer zusammen mit Percy und Mary Shelley sowie deren Cousine Claire Clairmont. Man vertrieb sich die Zeit mit dem Lesen von Gespenstergeschichten, die Percy Shelley so schockierten, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt. Die Dichter beschlossen, sich jeweils selbst an einer Gespenstergeschichte zu versuchen. Mary Shelleys Beitrag zum Wettstreit ist wohl der heute berühmteste: Ihr gab der „Gespenstersommer am Genfer See“ die Idee zu ihrem „Frankenstein“ ein. Byron verlor offensichtlich schnell das Interesse an der ganzen Sache, und so blieb sein Beitrag nur Fragment. Polidori jedoch, mittelmäßiger Arzt und verkappter Schriftsteller, beteiligte sich mit seiner schauerlichen Erzählung „Der Vampyr“.
Seine Erzählung war offensichtlich ein kaum verhüllter Exorzismus der unerträglichen Beziehung zu seinem Brotgeber Byron, den er in „Der Vampyr“ als ruchlosen Blutsauger darstellt, der Jagd auf unschuldige Mädchenhälse macht und den Erzähler Aubrey damit zunächst ins Unglück und schließlich in den Tod stürzt. Der junge und naive Aubrey nämlich fühlt sich in der englischen Gesellschaft sofort von dem exotischen und weltgewandten Lord Ruthven angezogen und lädt ihn dazu ein, die Grand Tour durch Europa mit ihm zu absolvieren. Auf dem Kontinent angekommen, häufen sich jedoch bald die Verdachtsmomente, dass es sich bei Ruthven um einen Mann von fragwürdigem Lebenswandel handelt, und Aubrey versucht, sich von ihm zu trennen. Er setzt die Reise allein fort, doch offensichtlich folgt ihm Ruthven, tötet ein griechisches Mädchen und setzt, wieder in England, Aubreys Schwester nach.
Polidoris Erzählung mag literarisch kein großer Wurf sein, doch stellt sie erstmals ausführlich die Urform des romantischen Vampirs vor, wie er uns auch noch heute geläufig ist. Ruthven ist blass und von einem gewissen Weltschmerz geplagt. Er ist weltgewandt, exzentrisch, verführerisch und dabei ohne jede Moral. Auch heute noch bedienen sich Autoren von Vampirromanen gern bei diesen Charakteristika und das macht den „Vampyr“ auch heute noch so gut lesbar, auch wenn nirgends von Kreuzen, Knoblauch oder Holzpflöcken die Rede ist.
Byrons „Fragment“ dagegen umfasst nur ein paar Seiten und bricht, leider, genau an der spannendsten Stelle ab. Und so ist die Betitelung mit „Der Vampyr. Ein Fragment“ für dieses Hörbuch ein wenig irreführend, da durchaus nicht klar wird, um was für ein Wesen es sich bei Darvell handeln soll. Dieser zeigt zwar auch die mittlerweile bekannten Charakteristika des Vampirs (reich, exzentrisch, gebildet, melancholisch), doch kann man ihn ansonsten nur schwer mit dem gemeinen Blutsauger in Verbindung bringen. Auch er wird vom Ich-Erzähler zur Grand Tour eingeladen. Doch als die beiden auf einem türkischen Friedhof ankommen, erleidet Darvell einen unvorhergesehenen Schwächeanfall, dem er einige Tage später erliegt. Jedoch nicht, ohne dem Ich-Erzähler das Versprechen abzuringen, nichts von seinem Tod verlauten zu lassen und ihm genaue Instruktionen zum Umgang mit seiner Leiche zu hinterlassen. Nun wäre es natürlich interessant zu wissen, welche Art Wiederauferstehung Darvell geplant hatte, doch – wie bereits erwähnt – hält uns Byron dieses Wissen vor und bricht die Erzählung überraschend ab.
„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“ behandelte die Ereignisse rund um die Entstehung der beiden Texte und flocht auch einige Ausschnitte aus den Erzählungen mit ein. Dies scheint die Hörer neugierig gemacht zu haben, denn mit „Der Vampyr. Die Erzählungen“ hat Ripper Records die beiden zugrunde liegenden Texte nun auch als Hörbuch zugänglich gemacht. Die Sprecher wurden beibehalten: Joachim Tennstedt, der im Hörspiel den Byron sprach, liest nun dessen Erzählung. Und Andreas Fröhlich, der Polidori mimte, gibt dessen „Vampyr“ zum besten. Beide lesen in gewohnter Qualität und versuchen, die Atmosphäre einer abendlichen Geschichtenlesens zu evozieren, wie sie wohl am Genfer See stattgefunden haben muss. Im Hintergrund knackt ein Feuer, es rollt der Donner (der Sommer 1816 war von heftigen Gewittern durchzogen) und man kann sich der Vorstellung nicht erwehren, Polidori und Byron säßen uns im Ohrensessel gegenüber und läsen ihr neuestes Manuskript.
So kommt das Hörbuch ganz ohne große Knalleffekte oder Überraschungsmomente aus. Die Erzählungen wirken ausschließlich aus sich selbst heraus, zum Leben erweckt von zwei großartigen Sprechern. „Der Vampyr. Die Erzählungen“ vervollständigt das Hörspiel „Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“. Die Appettithäppchen, die im Hörspiel aus den beiden Erzählungen geliefert wurden, werden hier in einem intimen Mahl aufgetragen. Wen das Hörspiel also neugierig gemacht hatte, dem wird hier geholfen. Wer die beiden Erzählungen ohnehin aus Anthologien kannte, wird ihnen in der Hörbuchfassung durchaus noch neue Seiten abgewinnen können. Ein Gewinn ist das Hörbuch also in jedem Fall!
Die CD ist im Handel oder direkt unter http://www.ripperrecords.de erhältlich.
Seit mehr als vierzig Jahren erforscht der Mensch das Weltall. Die relativ nahe am Heimatplaneten gelegenen Ziele nahm er noch persönlich unter die Lupe. Gleichzeitig drangen jedoch bereits unbemannte Raumsonden immer weiter vor. Bis zum heutigen Tag verdanken wir diesen technischen Dienern das Bild eines Sonnensystems, das beinahe bei jeder neuen Mission teilweise oder ganz auf den Kopf gestellt wird.
Satelliten und Sonden umkreisen fremde Planeten, Monde, Asteroiden, landen auf ihnen, nehmen Proben, machen Fotos. In vielen Jahren hat sich ein Archiv von Informationen und Bildern angesammelt, das wohl niemals vollständig ausgewertet werden kann – und die Flut steigt ständig höher. Michael Benson hat es unternommen, diese Archive zu durchforsten. Nicht weniger als eine Foto-Reise durch das Sonnensystem schwebte ihm vor. Solche Bildbände gab es schon oft, aber wohl niemals zuvor ging ein Autor so unbeeindruckt vom Wust scheinbar lebenswichtiger Fakten an seine Aufgabe heran. Michael Benson – Jenseits des Blauen Planeten weiterlesen
Lachlan Harriot ist 29 Jahre alt und gelernter Mediziner. Er hat aber nie praktiziert, denn fehlender Ehrgeiz, eine auf die Karriere konzentrierte Gattin und eine Erbschaft ermöglichen es ihm, zuhause bei seiner kleinen Tochter zu bleiben. Eine Haushaltshilfe und ein Kindermädchen machen es ihm dabei leicht, den Hausmann zu spielen und vage schriftstellerische Pläne zu wälzen. Dann wird plötzlich Susie, seine Frau, entlassen. Sie hat als Gefängnispsychologin gearbeitet und angeblich vertrauliche Unterlagen entwendet. Doch nicht einmal das kann Lachlan aus seiner Zufriedenheit reißen, denn finanziell ist die kleine Familie nicht auf dieses Einkommen angewiesen. Allerdings stürzt seine rosarote Welt brutal in sich zusammen, als Susie wegen Mordes am Serienkiller Andrew Gow angeklagt und schließlich zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wird. Das Gericht warf ihr vor, ihren ehemaligen Patienten Gow aus blinder Eifersucht getötet zu haben.
Lachlan will das nicht wahrhaben, kann sich weder vorstellen, dass seine vergötterte Gattin in Gow verliebt war noch dass sie die ihr zur Last gelegten Verbrechen tatsächlich begangen hat. Nun sitzt er mit seiner Tochter und einem Au-Pair-Mädchen zuhause und versucht, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen und seiner Frau auf irgendeine Weise zu helfen. Zu diesem Zweck begibt er sich in deren „Refugium“, in ihren kleinen Arbeitsraum unter dem Dach und sichtet auf der Suche nach potenziellem Entlastungsmaterial für die anstehende Berufungsverhandlung ihre Dokumente und Computerdateien. Als er Susie bei einem Besuch davon erzählt, reagiert sie zornig und befiehlt ihm, seine Finger davon zu lassen. Was befindet sich in diesen Unterlagen, was er nicht zu Gesicht bekommen soll? Je mehr sich Lachlan in das Material einarbeitet, desto misstrauischer wird er … Ist seine Frau am Ende etwa doch schuldig? Was hat sie vor ihm zu verbergen? Er durchläuft ein Wechselbad der Gefühle, denn mal findet er Hinweise, die auf ihre Unschuld hindeuten, dann wieder stößt er auf Indizien, die die Wahrscheinlichkeit ihrer Schuld erhöhen. Wo liegt die Wahrheit?
_Kommentar:_
Denise Mina bedient sich eines uralten literarischen Tricks: sie gibt vor, nur aufgefundene Dokumente wiederzugeben. Im konkreten Fall handelt es sich dabei um die Tagebucheintragungen von Lachlan. Weil der vieles, was für ihn selbstverständlich ist, nicht extra erläutert, erschließen sich für die Leser verschiedene Aspekte des linearen Ablaufs und der inneren Zusammenhänge des Geschehens erst nach und nach. Einen Teil seiner Spannung bezieht der Roman aus dem Versuch, diese einzelnen Puzzleteilchen zusammenzusetzen. Auf einer zweiten Ebene kann man Lachlan dabei zusehen, wie er für sich selbst die essenzielle Frage, ob Susie schuldig ist oder nicht, zu klären versucht.
Dabei verzichtet die Autorin zur Gänze auf sonst übliche plakative Spannungsszenarien und Action, sondern verlässt sich vollkommen auf die undurchsichtige Geschichte und auf ihre psychologisch genauen Beobachtungen, womit sie sich z. B. in die Tradition einer Patricia Highsmith oder eines Andrew Taylor stellt. Diese beiden zum Vergleich herangezogenen Schriftsteller können einerseits auf ein treues Stammpublikum zählen, andererseits gibt es auch gar nicht so wenige, bei denen bei Erwähnung dieser Namen das große Gähnen ausbricht. Anzunehmen ist, dass Denise Mina mit „Refugium“ ebenso zwiespältig aufgenommen wird: Die einen werden sich aufgrund ihrer einfühlsamen psychologischen Schilderungen begeistern lassen, die anderen eventuell die Lektüre vorzeitig aufgeben, weil sie sich langweilen. Ich für meinen Teil zähle mich zur ersten Gruppe.
Es ist faszinierend mitzuverfolgen, wie Lachlan verschiedene emotionale Zustände durchläuft; in einem bestimmten Aspekt macht man als Leser eine analoge Erfahrung, denn man weiß nie so recht, was von ihm zu halten ist: Mal erscheint er sympathisch, dann wieder lächerlich und weinerlich, bemitleidenswert, großherzig oder kleinlich … Und jeder Eindruck hat seine Berechtigung, denn Denise Mina zeichnet ihre Hauptfigur als Menschen mit vielen Facetten und kommt dabei der Realität viel näher als in den sonst ziemlich eindimensionalen Charakterisierungen, die üblicherweise in der Unterhaltungsliteratur zu finden sind. In Lachlans Tagebucheintragungen finden sich viele bissige Kommentare und entlarvende Aussagen, die sowohl zum Schmunzeln anregen als auch unzählige kleine Erbärmlichkeiten vor Augen führen, mit denen Herz & Hirn der Spezies Homo sapiens oft angefüllt sind.
Allerdings gibt es einen gewaltigen blinden Fleck im Plot: Warum hat die Polizei nicht das Haus der Mordverdächtigen durchsucht und ihre Aufzeichnungen beschlagnahmt? Ein solches Vorgehen gehört doch ganz einfach zur unverzichtbaren Ermittlungsroutine! Über diese gravierende Ungereimtheit muss die Autorin hinweggehen, weil sie ansonsten ihre Geschichte nicht in vorliegender Form hätte erzählen können. Um die Story richtig zu genießen, muss man bereit sein, dieses grundlegende Manko zu ignorieren.
_Fazit:_
Dieser Roman lässt uns in die chaotische Gefühls- & Gedankenwelt eines zutiefst verunsicherten und schwachen Mannes stürzen. Dabei überzeugt das Buch trotz des Verzichts auf konventionelle Spannungsmomente durch seine Intensität und Sensibilität. Dadurch wird jedoch der Kriminalfall etwas in den Hintergrund gedrängt, was mit ein Grund dafür ist, dass „Refugium“ für alle jene, die es gerne deftiger und plakativer haben, wahrscheinlich eine schlechte Wahl sein dürfte. Wer allerdings ein Faible für subtilere Unterhaltung hat, die zugleich einen Blick in seelische Abgründe bietet, sollte zugreifen.
_Martin Weber_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine.de]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|
Es ist schon ein recht ungewöhnlicher Thriller, den der französische Krimiautor Thierry Jonquet mit „Die Unsterblichen“ abgeliefert hat. Eine Geschichte, die einen beim Lesen des Klappentextes oder beim Blick auf die Kurzbeschreibung im Internet erst einmal die Stirn runzeln lässt. Klingt irgendwie abgedreht. Doch der Roman, der sich dahinter verbirgt, ist überraschend bodenständig.
In „Der Stein des Himmels“, dem zweiten Meister-Li-Roman von Barry Hughart, hat Nummer Zehn der Ochse es vom Klienten zum Adlatus des Meisters gebracht. Der ist allerdings ziemlich mieser Laune. Das ändert sich erst, als der Abt eines kleinen Klosters ihn in seiner Stammkneipe aufsucht und um Hilfe bittet. Ein Mönch wurde ermordet und eine Schrift aus der Bibliothek gestohlen, die eigentlich völlig bedeutungslos ist und außerdem aus bestimmten Gründen eine Fälschung sein muss. Sie stammt aus einer Zeit, in der ein wahnsinniger Herrscher, genannt der lachende Prinz, über die Gegend des Klosters gebot und sie völlig verheerte. Nun glauben die Bauern, er sei zurückgekehrt, wie er es einst bei seinem Tod geschworen hat.
Meister Li besucht mit einem Nachkommen des Prinzen dessen Gruft, aus reiner Routine, um den Bauern die Angst zu nehmen: Der steinerne Sarg ist leer! Und Meister Li nicht mehr zu halten – Er geht buchstäblich bis in die Hölle, um dieses Rätsel zu lösen …
Meister Li geht auch in diesem Band mit gewohnter Hartnäckigkeit seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Da er einfach jeden zu kennen scheint, weiß er auch immer, wen er fragen muss, wenn er eine Auskunft braucht. Aber der größte Schatz an der Art von Wissen, wie Meister Li sie zur Lösung seiner Fälle benötigt, liegt verschlüsselt in den Sagen und Geschichten, die das Volk sich seit altersher zu erzählen pflegt, auch wenn ein wenig klassische Bildung gelegentlich nicht schadet. So setzt er auch diesmal wieder Teil für Teil sein Puzzle zusammen, indem er sich bei den Bauern umhört, alte Beziehungen spielen lässt und natürlich seine Nase in jedes Loch steckt, über das er stolpert.
[„Die Brücke der Vögel“ 914 warf einen Blick in den taoistischen Götterhimmel. „Der Stein des Himmels“ schildert noch weit ausführlicher die chinesische Vorstellung vom Jenseits. In einer Weltanschauung der Wiedergeburt sieht das alles natürlich ganz anders aus. Aber abgesehen vom kulturellen Hintergrund und den Puzzleteilen, die Li dort findet, dient die Darstellung dieser Hölle als Basis für eine ganze Reihe bissiger Seitenhiebe gegen Bürokratie und Standesdünkel.
Überhaupt hat Li in diesem Band die so genannten Neokonfuzianer auf dem Kieker, seiner Beschreibung nach könnte man sie auch Neokonservative oder Die-ewig-Gestrigen nennen. Die Typen in diesem Band sind weit weniger skurril als im ersten, aber Lis trockene Kommentare zu allem, was ein Neo im Namen hat, sorgen wieder für einige Schmunzler und Lacher, und über Mondkinds Verführung eines Dämons kann man einfach nur grinsen!
Der Aufbau des Puzzlespieles ist auch diesmal wieder gut gemacht. Bei Hughart ist es nicht unbedingt so, dass alles, auch das beiläufig Erwähnte, für die Lösung des Rätsels von Bedeutung ist, was ernsthafte Krimiliebhaber auf einige falsche Fährten führen dürfte. Trotzdem kann man nicht behaupten, dass man am Ende wirklich überrascht wäre, wenn Li den Täter entlarvt. Ab einem gewissen Punkt ahnt man es einfach. Die Art und Weise der endgültigen Aufdeckung ist trotzdem allemal noch interessant genug. Im ganz speziellen Fall dieses Bandes hatte ich allerdings ein kleines, logisches Problem:
Nach dem Tod des Mädchens findet Li einen Splitter des Steins in ihrem Körper. Dieser Splitter hat bei ihrer ersten schweren Verwundung dafür gesorgt, dass sie überlebte. Der lachende Prinz wurde durch ein Stück des Steines nach seinem Tod wieder lebendig. – Wenn der Stein solche Macht hat, wieso konnte das Mädchen mit dem Stein in der Brust dann überhaupt sterben?
Abgesehen davon, dass das Ende sonst nicht zu der alten Legende vom Stein und der Blume gepasst hätte.
Letztlich tut dieser kleine Knacks der gesamten Geschichte jedoch keinen Abbruch. Der Krimi ist schließlich nur ein Teil des Buches zwischen Witz, Fantasie und chinesischen Eigenheiten. Die Mischung ist es, die Hugharts Bücher ausmacht, und ich habe auch diesmal wieder jede Seite genossen.
Hughart bedient sich einr einfachen, prägnanten Sprache, was gut zu Ochse passt, der ja als Erzähler fungiert. Die Bücher lesen sich sehr leicht und flüssig. Auch beschränkt der Autor sich bei Beschreibungen auf das Wesentliche, lässt Zeiten manchmal im Zeitraffer laufen oder weniger wichtige Informationen einfach durch Ochse kurz zusammenfassen. Das strafft den Handlungsverlauf und vermeidet Längen, wirkt aber nicht hektisch oder überstürzt. Epik liegt ihm nicht, dementsprechend sind die Bücher mit ihren ca. dreihundert Seiten verhältnismäßig kurz, was zur Abwechslung auch mal angenehm ist.
Die einzelnen Bände des Zyklus sind in sich abgeschlossen, und auch wenn in „Der Stein des Himmels“ eine kurze Anspielung auf „Die Brücke der Vögel“ enthalten ist, ist es für das Verständnis der Geschichte nicht nötig, die anderen Bände zu kennen.
Barry Hughart wurde 1934 in Illinois geboren. Seine Kenntnisse über die chinesische Kultur schöpfte er aus Büchern über Religion und Kultur, Land und Leute, als er im Rahmen seiner Militärzeit bei der US Airforce in Fernost stationiert war, das Festland aber nicht betreten durfte. Die Faszination für dieses Land war so stark, dass er schließlich, zwanzig Jahre später, die Meister-Li-Romane verfasste. Außer seinen Romanen schrieb er auch Filmdialoge, unter anderem für „Devil´s Bridge“, „Man on the Move“ und „The Other Side of Hell“. Heute lebt er in Tucson, Arizona.
http://www.barryhughart.org/
Eine neue Welt, ganz vertraut.
Endlich! Die Steuern sind abgeschafft, die Regierung nicht mehr so wichtig. Sie muss sich für all ihre Aktivitäten jeweils gezielt von den Bürgern bezahlen lassen. Die Polizei ist auch nur eine Sicherheitsfirma, genau wie die |National Rifle Association|, NRA (derzeit noch amerikanischer Lobbyverein für Waffennarren). Rechtsprechung – eine Sache des Preises.
Dazu tragen die Leute praktischerweise gleich mal den Namen ihrer Hauptgeldquelle (i.d.R. der Arbeitgeber) als Nachnamen – oder gar keinen, wenn sie selbständig sind. Überraschend aber schon, dass bei all der vermeintlichen Freiheit von Staat und Verwaltung doch nur einige wenige amerikanische Konzerne die Welt dominieren – jedenfalls außerhalb Europas.
Australien, Japan, Südostasien und Russland haben sich mit den USA zu einem amerikanisch bestimmten Superstaat zusammengeschlossen – und überall sieht es gleich aus (identische Produkte, Malls, Wolkenkratzer).
Eine munter pseudoliberale Parallelwelt, in die Max Barry da führt. Und sie als „nahe Zukunft“ bezeichnet. Wie glaubwürdig der Weltentwurf auch sein mag, immerhin zieht er einige der beliebtesten Argumentationslinien der Globalisierungsgegner durchaus sorgfältig und mit viel Spaß am Detail nur ein ganz klein wenig weiter – und baut einen rasanten Krimi hinein.
|Max Barry|
… ist Australier, im März 1973 geboren, hat mal für |Hewlett Packard| Computer verkauft – und legt mit „Jennifer Government“, so der Original-Titel, nach „Syrup“ bereits seinen zweiten Roman vor. Gerne gibt sich der junge Bestseller-Autor aus Melbourne clever, heutig, frisch – und unverschämt. In diesem Jahr wird sein dritter Roman „Company“ erscheinen.
Autorenhomepage: http://www.maxbarry.com
|Logoland|
In der deutschen Übersetzung von Anja Schünemann ist „Jennifer Government“ als „Logoland“ noch im Jahre 2003 bei |Heyne| erschienen. Das Buch scheint sich in Deutschland steter Beliebtheit zu erfreuen. Womöglich liegt das auch an der gelungenen Übersetzung, die Geschwindigkeit und Frische zuverlässig übertragen soll (habe bislang nur das Original gelesen). Barry schreibt temporeich, wendig, einfach lesbar, und immer mit ironischem Nebenton.
_Der Plot_
Hank Nike, ein rechter Tropf und armer Tor in Diensten des niedrig beleumundeten Nike-„Merchandising“ wird von gleich zwei wichtigen John Nikes aus dem megawichtigen „Marketing“ für einen besonderen Job rekrutiert. Er soll ein mutiges Stück Guerilla-Marketing verantworten. Um zu sichern, dass der seit Monaten heftig beworbene, bisher aber nur in Minimalst-Auflagen an Prominente verteilte „Mercury“-Schuh sich richtig schnell zu einem maximalen Preis (2500 $) abverkauft, gilt es ihn bei der Primärzielgruppe unglaublich begehrt zu machen: Teenager. Dazu sollen beim großen Rollout am nächsten Wochenende zehn frischgebackene Käufer gleich beim Verlassen eines beliebigen Nike-Stores erschossen werden – So begehrt sollen die Schuhe erscheinen, dass dafür auch mal ein Mord begangen werden kann. Oder auch zehn davon.
Hank wird, tropfig wie er nun mal ist, erst nach Unterschrift unter den umfangreichen Vertrag zu dieser ehrenvollen Aufgabe klar, auf was er sich da wirklich eingelassen hat. Nach Rücksprache mit seiner energischen Freundin Violet (ohne Nachnamen) entschließt er sich, zur Polizei zu gehen.
Gerne hilft die Polizei – und präsentiert gleich mal die bestmögliche Lösungsalternative für Hanks Dilemma: Wir machen das für Sie! Natürlich nur gegen einen kleinen Obulus von 150.000 $. Verstört und recht aufgelöst willigt Hank ein. Die Polizei ihrerseits allerdings hat gerade ein Ressourcenproblem und beauftragt ein weiteres Subunternehmen, die National Rifle Association. Die kann nach Auflösung der meisten Regierungseinheiten immerhin die größte Armee der neuen großen Vereinigten Staaten aufbieten. Die Jungs von der NRA erledigen den Job, sogar besser als geplant: Gleich 14 Teens mit frisch gekauften Turnschuhen finden den schnellen Tod.
An einem der Schlachtpätze treten dann auch erstmalig zwei wichtige weitere Figuren auf:
Buy Mitsui, Flüchtling aus dem überregulierten Frankreich und Börsenmakler. Er wird einem Teenmädel, Opfer, kurz vorher das nötige Geld für den Erwerb der Mercurys schenken. Einfach so, hat er doch kurz zuvor mit einem hochriskanten Deal (nicht legal) seinen Job, seinen Bonus und sein Auskommen gerettet. Das Mädel wird in seinen Armen sterben, während er für den Callcenter-Menschen von der Ambulanz nach seiner Kreditkartennummer sucht.
Auftritt Jennifer Government, Titelheldin des Romans. Sie ist zufällig dienstlich in der Nähe und erwischt einen der NRA-Attentäter fast, bevor sie mit einem Schuss auf ihre selbst gekaufte Sicherheitsweste in die Windschutzscheibe eines zwei Stockwerke tiefer zu gewinnenden Mercedes katapultiert wird (natürlich muss die Regierung den Schaden am Auto ersetzen).
Jennifer, alleinerziehende Mutter, früher mal wichtig in der Werbebranche, wird die Verfolgung der Täter aufnehmen.
Die tödlichen und abstrusen Vorfälle häufen sich. Während der eine der bösen Marketing-Johns von Hanks Freundin mittels Toaster ins Koma befördert wird, steigt der andere in der Nike-Hierarchie weiter auf. Nike ist mit anderen Firmen in einem gemeinsamen Bonusprogramm („US Alliance“) verbunden. Und eigentlich gibt es nur noch ein einziges ernsthaft zur Rivalität fähiges Bonusprogramm: „Team Advantage“. John will Krieg – und den Gegner vernichten. Doch bevor es den Firmen-Gegnern an den Kragen geht, muss noch ein anderes lästiges Hindernis beseitigt werden: Die Reste der Regierung!
Schnell gedacht, konsequent gehandelt, ein Flugzeug mit den wichtigsten Ministern und dem Präsidenten wird (für gutes Geld) von der befreundeten NRA abgeschossen. Dann geht der Krieg der Bonusprogramme auf der Straße erst richtig los. Mitten drin Buy, Hank, Violet und Jennifer, die es nach etlichen Verwirrungen tatsächlich schafft, den ultrabösen John (nebenbei auch noch Vater ihrer Tochter) hinter Gitter zu bringen. Nach den zahlreichen Todesfällen wird es den anderen Chefs der Bonusprogramme nämlich doch etwas unsicher – und vor allem zu wenig profitabel.
Moral von der Geschicht: Ohne Regierung geht es nicht, aussteigende Börsenmakler geben gute Väter ab – und geschwängert verlassene Frauen sind auf Dauer unbezwingbar!
_Was es bringt_
Wenn auch die konzernkritische Grundstimmung manchmal arg platt vorgetragen wird – dieses Buch ist sehr unterhaltsam. Immer wieder erfreuen kleine Vignetten und Seitenhiebe auf den Konsum-Absolutismus amerikanisch-japanischer Prägung. Marketing-aktive Menschen mögen so manche Situation wiedererkennen – und konstatieren, dass die Überzeichnung oft nur gering scheint.
Zudem ist das Buch bis in die Nebenfiguren hinein (tumbe Scharfschützen, blöde Teenkälber, überambitionierte Softwareentwickler) farbig und erfrischend besetzt. Sicher sind einige Charaktere eher Schablonen denn wahrhaftige Menschen – aber in einem lustigen Actionkracher darf das auch mal sein. Zumal er gelegentlich auch ein wenig zum Weiterdenken anregt.
|In der Summe:| Spannende Unterhaltung mit anregender Wirkung, gut beobachtet, humorvoll und schnell lesbar: |JUST DO IT!|