Vor zweieinhalb Jahrtausenden endete ein mit Schätzen beladenes Perserheer in der ägyptischen Wüste. Jetzt wollen fundamentalistische Terroristen die Kostbarkeiten an sich bringen. Eine junge Engländerin ist jedoch schneller, was eine wilde Verfolgungsjagd anheben lässt … – Angestrengt ambitionierte, tatsächlich anspruchslose und unbeholfene Mischung aus historischer Mystery und Polit-Thriller: Lektüre vor knatterbunter Exotik-Kulisse für einen schon halb von Schlaf geprägten Feierabend.
Das geschieht:
Vor 2.500 Jahren schickte der persische Herrscher Kambyses ein vieltausendköpfiges Heer in die ägyptische Wüste, um das Orakel von Amun zu erobern. Ein dort urplötzlich losbrechender Sturm tötete alle Soldaten und bedeckte sie und einen mitgeführten Schatz von unermesslichem Wert mit Sand. Der gibt diesen nunmehr frei und sorgt für Durcheinander. Im ägyptischen Luxor untersucht Inspektor Yusuf El-din Khalifa eine Reihe seltsamer Morde. Die Leichen wurden verstümmelt im Nil gefunden. Letztes Opfer ist der zwielichtige Handwerker Abu Nayar, der nebenbei mit Antiken handelte, mit deren Herkunft er es nicht sonderlich genau nahm.
Die Sayf al-Tha’r-Bewegung hat ihre blutige Hand im Spiel, eine strikt nationalistische, betonfundamentalistische Terroristenorganisation. Der skrupellose sowie von seinem ‚göttlichen Auftrag‘ überzeugte Sayf al Tha’r hat sich in den Wirrkopf gesetzt, den Schatz des Kambyses zu heben und zu verkaufen, um mit dem Erlös Krieger und Waffen für einen „heiligen Krieg“ zu finanzieren.
Noch hat er seinen Schatz nicht gefunden. Der Zufall will es, dass eine junge Frau schneller ist. Tara Mullray arbeitet im fernen England im Reptilienhaus des Londoner Zoos. Der Kontakt zum Vater, dem berühmten Ägyptologen Professor Michael Mullray, ist nur noch lose; man versteht sich nicht. Nun hat Mullray die Tochter dringend nach Kairo eingeladen, wo er seit vielen Jahren lebt und arbeitet. Tara reist an, aber sie findet den Vater nur noch tot. Anscheinend fiel Mullray einem Herzschlag zum Opfer. In seinem Nachlass findet die Tochter ein merkwürdiges Hieroglyphen-Fragment, das den Weg zum Schatz des Kambyses weisen könnte. Das haben inzwischen die Schergen des Sayf al Tha’r ebenfalls herausgefunden. Zwar können Tara und ihr neuer Gefährte, der Archäologe Daniel Lacage, in letzter Sekunde diversen Anschlägen entgehen, aber die Fanatiker lassen sich nicht abschütteln …
Dumm-Munkeleien vor geduldigen Kulissen
Neue Besen kehren gut; manchmal wirbeln sie indessen vor allem Staub auf. Dieses Buch ist so ein Fall: Drei Jahre hat sein Verfasser dafür recherchiert, wenn man dem Klappentext Glauben schenken möchte. Wissen ist sichtlich nicht Macht, denn der fleißige Paul Sussman verpackt es in eine Story, die sich entweder sehr flott herunterlesen lässt oder die Lektüre erschwert, weil diese heftiges Kopfschütteln und lautes Stöhnen hervorruft.
Ägypten ist ein Land mit langer und großer Geschichte. Trotzdem kann man diese offenbar problemlos auf tierköpfige Götter, überlebensgroße Pharaonen & umhergeisternde Mumien herunterbrechen. Sussman fügt dem historischen Zeichentrick-Gebräu die ägyptische Gegenwart zu. Er muss in den Nachrichten davon gehört haben, dass fundamentalistische Frömmlinge, die den Koran auf kleinlich-kleinhirnige Weise missbrauchen, die verderbten Ausländer mit Feuer und Schwert aus dem Land jagen wollen, das sie anschließend in einen Gottesstaat zu verwandeln gedenken. Flugs dachte sich Sussman einen burnusbefrackten Buhmann aus, der dieses Ziel mit Geld realisieren möchte, das er sich durch den Höker mit Antiken beschaffen will. Fest hält der finstere Schurke die hilflosen ägyptischen Behörden im Würgegriff und kann nur durch eine wackere Englischfrau aufgehalten werden.
W wir kennen diese Konstellation aus 1001 Hollywood-Filmen meist minderwertiger Güte und sind es gewohnt, uns die Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines Gelingens zu verkneifen. Fatalerweise schafft es Sussman jedoch nicht, sein Garn nur halbwegs glaubhaft zu spinnen. Wir möchten ihm ja auf den Leim gehen und unterhalten werden. Es klappt halt nicht. Zu viel buckelt der Autor einem schwindsüchtigen Plot auf, der darüber schlicht zu Boden geht. Oder liegt es daran, dass Sussman ein wenig zu offensichtlich bei Kollegen klaut?
Gewäsch & faule Tricks
Es beginnt er schon auf den ersten Seiten mit einem Flashback à la Clive Cussler ins 6. Jh. v. Chr.; aufwändig in Szene gesetzt, aber für die eigentliche Handlung ohne weitere Relevanz. Solche Episoden sind zahlreich; manchmal sind sie gut geschrieben, aber man kann sie trügerisch leibt überfliegen, ohne dabei den Faden zu verlieren.
Manchmal wird Sussman unverschämt. Bei einem nächtlichen Grabbesuch werden Tara und Daniel von einer riesigen Kobra attackiert. Seitenlang wird der lächerliche ‚Kampf‘ in der Gruft ausgewalzt, bis die Bestie erwartungsgemäß niedergerungen ist. Später legt der biedere Khalifa ninjahafte Terroristen reihenweise um. Und als gar nichts mehr geht und das Böse zu triumphieren droht, bricht ein kolossaler Sandsturm los, der böse Hundertschaften killt und nur die beiden einzigen Gutmenschen verschont. Kolportage nennt man Geschichten wie den „Fluch der Isis“ – anspruchslose, nur auf den Effekt zielende Unterhaltung ohne literarischen Wert. Das kann reizvoll sein, wenn der Autor sein Handwerk versteht. Paul Sussman ist meilenweit von diesem Status entfernt.
Oh, wie haben wir sie satt, diese „Menschen wie du & ich“, die in der Krise weit, weit über sich hinauswachsen! Unvermeidbar ist dieser Stoßseufzer, wenn wir Tara Mullray bei ihrem Sturmlauf für Gerechtigkeit & Freiheit durch Ägypten beobachten müssen. Sie flüchtet und verfolgt und findet zwischendurch immer noch Zeit genug für die Liebe & Mr. Right: eine Heldin nach dem Geschmack des größten gemeinsamen Leser/innen-Nenners, so Sussmans Kalkül. Gleich mehrfach öffnet die oder zerreißt der Heldin die Bluse und enthüllt „Brüste, die blass im Mondlicht schimmern“ und was derlei spätpubertären Frivolitäten mehr sind.
Helden: schrecklicher als Schurken
Wesentlich nervender ist allerdings Taras permanente Redlichkeit, die sie ihren Verfolgern um die Ohren zu schlagen pflegt. Man fragt sich, wann sie endlich begreift, dass dies wenig zweckvoll ist bei solchen Munkelmeuchlern. Die Klappe hält sie jedenfalls nicht.
An Taras Seite: der propere Daniel, ein Franzose (oh-la-la, da weiß der Angelsachse gleich, was das bedeutet: Sex & ethische Wankelmütigkeit), der sich im Land auskennt, Hieroglyphen lesen und Motocross-Motorrad fahren kann, was im Verlauf der Handlung wichtig wird. Ansonsten bleibt er profilarm; muss er auch, denn sonst würde Sussmans große Finalenthüllung (die hier nicht verraten werden soll, obwohl es den Aufwand grundsätzlich nicht wert ist) völlig in Schwachsinn versinken.
Dann gibt es noch den eifrigen Inspektor Khalifa. Der tritt politisch korrekt als wahrer Heiliger auf, ist unbestechlich, berufserfahren, noch dem letzten Straßenbettler ein guter Kumpel, ein vorbildlicher Ehemann und Vater & was der Langweiligkeiten mehr sind. Darüber hinaus wird Khalifa von Sussman mit einem gar tragischen Familiendrama geschlagen, das wiederum zum finalen Höhepunkt für einen Leserschock sorgen soll, den jedoch der (und die) Dümmste schon hundert Seiten früher kennt.
Der Kreis schließt sich böse & dumm
Die ‚Qualität‘ dieses Roman lässt sich auch an der Figur des Caspar Dravic erkennen: Der ist riesengroß und entstellt, foltert und mordet voller Wonne mit seiner zugefeilten Maurerkelle und ist selbstverständlich ein Deutscher, sogar ein doppelt schlimmer: Sein Vater war beim DDR-Geheimdienst ein hohes Tier und vorher ein übler Nazi. Kurz: Dravic ist in Wort und Tat so übertrieben finsterboldig, dass man über seine Eskapaden nur lachen kann, was nicht im Sinne des Verfassers liegen dürfte.
Sein Chef Sayf al Tha’r ist der übliche Rattenfänger, der dumme Phrasen von Menschenrecht und Gottesfurcht drischt und dem die (anscheinend durch die Sonne hirngeschädigten) ‚Gläubigen‘ in hündischer Ergebenheit am Rockzipfel hängen. Auf diese Figur konzentriert Sussman sein Bemühen, den religiösen Fanatismus im Nahen Osten zu ‚erklären‘, welcher der Welt heute so zu schaffen macht. Daran sind schon wesentlich klügere Köpfe gescheitert, und so wundert es nicht, dass hier wiederum nur pseudo-philosophische Faseleien den Leser langweilen.
Ansonsten wird Ägypten von treuherzigen Dieben, vergeistigten Altertumsforschern und zwielichtigen Ausländern bevölkert. Die spukende Mumie fehlt, aber wenigstens das dürfen wir dem Verfasser nicht zum Vorwurf machen: „Der Fluch der Isis“ ist als Titel die zweifelhafte Schöpfung des deutschen Verlags. Von Isis keine Spur, und einen Fluch gibt es auch nicht, aber beides klingt aber gut genug, um mullbindensüchtige Leser auf eine falsche Fährte und zum Kauf dieses Buches zu locken.
Autor
Paul Sussman, geboren 1966, studierte Geschichte in Cambridge. Er ist Mitbegründer der Zeitschrift „Big Issue“. Seit 1991 arbeitet Sussman als Journalist in London. Außerdem ist er leidenschaftlicher Archäologe, der an diversen Ausgrabungen in Ägypten teilgenommen hat.
Leider bleibt ihm dabei die Zeit bleibt, als ‚Schriftsteller‘ aktiv zu bleiben. Glücklicherweise recht sporadisch beglückt Sussman den Buchmarkt mit weiteren Mystery-Thrillern auf RTL- und „The-Asylum“-Niveau.
Taschenbuch: 478 Seiten
Originaltitel: The Lost Army of Cambyses (London : Bantam Press/Transworld Publishers/The Random House Group Ltd. 2002)
Übersetzung: Angelika Felenda
http://www.piper.de
Der Autor vergibt: