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Hilbk, Merle – Sibirski Punk. Eine Reise in das Herz des wilden Ostens

_Zwischen den Welten_

Von einem „Roadmovie aus dem wilden Osten“ – so die Ankündigung auf dem Buchrücken – erwartet man, dass sich jemand in ein Auto setzt und damit sowohl nach als auch durch den wilden Osten fährt. Doch bereits die Tatsachen, dass ein relativ komfortabler Flug Merle Hilbk nach Sibirien bringt, wo sie zudem die erste Hälfte der Beschreibung ihrer Suche nach der russischen Seele, welche sich jedoch vielmehr als Suche nach sich selbst herausstellt, als Gast des erfolgreichen Geschäftsmannes Grigorij verbringt, machen recht schnell deutlich, dass es sich hier um ein eher punktuelles Eintauchen in die russische Gesellschaft denn um eine Reise durch ein Land handelt.

Doch das tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Mit sensibel gewählten Worten schildert die Autorin die Menschen, zu denen sie Kontakt aufbaut, plaudert von deren ungewöhnlichen bis absurden Lebensgeschichten und spinnt den roten Faden durch ihren Sommer in Russland. Neben Ausflügen in die nähere und fernere Umgebung des Städtchens Akademgorodok spielt der zweite Teil nach einer Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn in Ulan-Uhde, einer Stadt am Baikalsee. In Akademgorodok wie auch in Ulan-Uhde ist die Journalistin auf der Suche nach interessanten Menschen und ihren Geschichten, die sie dem Leser mit Hilfe ihrer sehr direkten und persönlichen Erzählweise so nahe bringt, dass man am Ende fast glaubt, man kenne die Baikal-Amazonen, den mürrischen Grigorij oder den Sänger der Punkband „Orgasmus Nostradamus“ persönlich.

Ihnen allen ist eigen, dass sie ihr Schicksal auf bewundernswerte Art selbst in die Hand genommen haben, um trotz aller Ergebenheit in ein oftmals nur im Rausch erträgliches Leben das Beste daraus zu machen. Sie schreibt von angesehenen Professoren, deren Leistungen nach dem Zerfall der UdSSR vergessen worden sind, von Menschen, die zwar ihr Erspartes, nicht jedoch ihren Lebensmut und die Lebensfreude in einer Bankenkrise verloren haben, aber auch von den Gewinnern der wirtschaftlichen Entwicklung in Russland, die täglich für ihr Geld arbeiten, jedoch statt mit mehreren Familien in einer großen Wohnung (Kommunalka) zu leben, eigene Häuser besitzen sowie alle Annehmlichkeiten der westlichen Welt bis hin zum täglichen Schwelgen in Champagner und Kaviar genießen. Stolz sind sie allesamt, gastfreundlich, offen und sehr darauf bedacht, dass Ausländer neben aller Nostalgie auch den Fortschritt im Land zu würdigen wissen.

Dabei findet sich die Autorin in Ortschaften wieder, die ihre durch Bauweise und fortschreitenden Verfall geprägte sozialistische Vergangenheit nicht verleugnen können, aber auf der anderen Seite bereits so von den Neuerungen der westlichen Welt wie Internetcafés (Computerclubs), Supermärkten mit europäischen Marken oder Häusern in westeuropäischen Baustilen durchdrungen sind, dass sie eine extrem widersprüchliche Welt bilden. Häufig sind die Gegensätze zwischen Alt und Neu sowie Arm und Reich nur schwer zu ertragen – am besten unter Zuhilfenahme starkalkoholischer Getränke wie den unvermeidlichen Wodka. Doch nicht nur mit dessen Hilfe, sondern auch auf einem abenteuerlichen Betriebsausflug ins Altai-Gebirge lösen sich solche Gegensätze unvermittelt im Nichts auf; und dann findet Merle Hilbk, was sie die russische Seele nennt, und etwas, das ihr auch in anderen Momenten urplötzlich wieder begegnet: eine Stimmung aus Melancholie, Erinnerungsfluten, Wärme …

|“Mein Herz zieht sich zusammen vor Sehnsucht, und dann kommt plötzlich Sascha, stellt sich neben mich und deutet auf den Himmel. Ein helles Licht, heller als alle anderen Sterne, stürzt vom Himmel herab, fällt und fällt, bis es mit einem letzten Glimmen im See versinkt. Eine Sternschnuppe! ‚Das heißt, du darfst dir was wünschen!‘ ‚Hast du dir auch etwas gewünscht? ‚Hab gerade vor mich hin geträumt.‘ ‚Wovon?‘ ‚Von einem anderen Land.‘ ‚Was für einem Land?‘ ‚In dem das Leben leichter ist.'“|

Was ist nun dieses vorgebliche Roadmovie aus dem wilden Osten? Auf jeden Fall ein sehr unterhaltsames Buch, das mit einigen Vorurteilen aufräumt, andere bestätigt, interessante Einblicke in bizarre russische Verhältnisse gewährt und einen Aufenthalt schildert, der nicht immer leicht oder ungefährlich war.

|255 Seiten, mit 9 Fotos
ISBN-13: 978-3-7466-2439-6|
http://www.aufbauverlag.de

Fred Vargas – Die schwarzen Wasser der Seine

Die Französin Fred Vargas gehört wohl zu den bekanntesten Krimiautorinnen Deutschlands. Ihre vergnüglichen Romane um den schrulligen Kommissar Adamsberg, seine skurrilen Fälle und sein versponnenes Umfeld begeistern seit Jahren. Nachdem 2007 bereits „Die dritte Jungfrau“ in Deutschland erschienen ist, veröffentlicht der Aufbau-Verlag zusätzlich einen Band mit drei kurzen Geschichten um Adamsberg, der in Frankreich schon im Jahr 2002 zu haben war.

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Olsberg, Karl – System, Das

_Der Profi und sein Fachgebiet._

Karl Olsberg ist einer jener Autoren, die der Kunst des Schreibens „nur“ parallel frönen, die ihre Ideen aus dem abschöpfen, was ihre berufliche Identität ausmacht. Dementsprechend strotzt das Roman-Debüt des Unternehmensberaters und promovierten IT-Profis nur so von Fachwissen um Computertechnologie und um die „New-Economy“. Auch Hamburg, Wohnsitz Olsbergs, spielt eine ständige Rolle in „Das System“.

_Von Morden und verrücktspielenden Computern._

Eigentlich ist Mark Helius sehr zuversichtlich. Seine Firma D. I. ist kurz davor, eine bahnbrechende Software anzubieten: DINA, eine künstliche Intelligenz, mit der man via Sprache kommunizieren kann. Leider scheitert DINA ausgerechnet am Tag ihrer Präsentation und sämtliche Geldgeber springen von dem Projekt ab. Als ob das nicht schon genug des Übels wäre, findet man den D. I. Chefprogrammierer ermordet auf und alle Indizien deuten auf Mark Helius. Dessen gesamtes Leben bricht zusammen, seine Frau verlässt ihn, seine Firma geht den Bach runter und er muss untertauchen, weil ihm die Polizei auf die Pelle rückt.

Letzteres fällt ihm aber nicht so einfach, wie er sich erhofft hatte, es scheint, als bekäme die Polizei von einem unsichtbaren Dritten ständig Hinweise auf den Aufenthaltsort von Helius, Hinweise, über die eigentlich niemand verfügen dürfte. Derweilen entwickeln auf der gesamten Welt Softwareprogramme ungewöhnliche Eigenarten, in Japan klingeln Handys gleichzeitig, KIs aus Online-Rollenspielen entwickeln beunruhigende Superkräfte, und die Software in der internationalen Raumstation ISS leidet unter Systemabstürzen, die es nicht geben dürfte und deswegen das Bordklima mit Sabotagevorwürfen und Paranoia vergiften.

Helius indes wird damit konfrontiert, dass der Mord an seinem Chefprogrammierer nur die Spitze eines Eisbergs war, an dem die gesamte Menschheit zerschellen könnte, er aber steht alleine da, die Polizei auf seinen Fersen, ein bösartiger Cyberterrorist ebenfalls, während die einzige Frau, die ihm helfen könnte, sich lieber den Arm abhacken würde, als das zu tun …

_Cyberthrill Made In Germany._

Seit einer gewissen Enttäuschung aus den Hallen des |Gmeiner|-Verlages bin ich etwas skeptisch geworden, was Computerthriller aus deutscher Feder angeht, und umso mehr erfreut mich die Tatsache, das Karl Olsberg hier einen echten Pageturner gezaubert hat!

Deswegen will ich das Gemecker auch als Erstes loswerden: Die Figuren haben manchmal etwas Schablonenhaftes an sich. In der Raumstation gibt es den paranoiden Russen, der überall nur unpatriotische Saboteure und Feiglinge wittert, es gibt die blonde Luxusschnepfe, die beleidigt zu Mamma und Papa stöckelt, weil ihre schlechtere Hälfte den Job verloren hat, die psychisch Kranke, die schweigend in ihrer Gummizelle hockt, um das Zimmer mit dunklen Wasserfarben-Fratzen zu tapezieren, und den fiesen Antagonisten in schwärzestem Schwarz, unsympathisch, gewalttätig, ehrlos, Frauen vergewaltigend und ohne eine einzige gute Eigenschaft.

Aber erstens tut das der spannenden Story keinen Abbruch und zweitens gibt es auch eine Menge Figuren, die von der ersten Sekunde an lebendig und dreidimensional sind: Protagonist Mark Helius zum Beispiel, die IT-Spezialistin Lisa Hogert oder auch Kommisar Unger, dessen Kollegen ihm seine Unschuldsvermutungen nicht abnehmen, weil sie ihn wegen der vergangenen Verhaftung eines Unschuldigen für vorbelastet halten. Auch manche Nebenfiguren sind toll getroffen, wie der philosophische Dr. Weisenberg zum Beispiel oder der nervige Nerd Dr. Christian Tobler – zwar wieder ein picklig bebrilltes Stereotyp reinsten Wassers, aber dennoch unterhaltsam und lebendig in Szene gesetzt.

Die Story selbst ist überaus kompakt und spannend, man kann nicht aufhören, weil der Spannungsbogen den Leser von Szene zu Szene zerrt, mit toll getimten Cliffhangern und Informationshäppchen, die gerade groß genug sind, damit man weiterliest, die aber nie den Hunger nach mehr stillen. Dazu kommt, dass Olsberg nicht nur ganze Register fachlichen Computer-Wissens gezogen hat, um sein „System“ bedrohlich aufzubauen, er hat es auch meisterlich geschafft, den Computerlaien in die fremdartige Welt der Cracker einzuführen, der Source Codes, Kernel-Server, oder in die Praxis von Anti-Viren-Firmen. Dementsprechend spielt sich „Das System“ auf hohem technischen Niveau ab, ohne den Leser jemals zu überfordern – nachdem man dieses Buch gelesen hat, ist man also nicht nur um ein hochspannendes Erlebnis reicher, sondern auch um eine Menge Wissen!

Auch sonst hat Olsberg handwerklich alles richtig gemacht, seine Actionszenen sind spannend, er verbeugt sich via Erwähnung vor Inspirationsquellen ([„Der Schwarm“ 731 von Schätzing zum Beispiel) und auch seine Bilder sind manchmal überaus gelungen, sodass eine Wohnung schon mal „sauber wie ein neu gekaufter Kühlschrank“ sein kann.

Nicht zu vergessen die philosophischen Streifzüge. So gibt es eine Stelle, an der sich Mark Helius mit Professor Weisenberg über das mathematische Prinzip der Evolution unterhält, über den erschreckenden Mangel an individuellen Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung unserer Gesellschaft – brrr, da krieg ich jetzt schon wieder Gänsehaut, wenn ich nur daran denke! Nebenbei sind diese Streifzüge ein sehr effektives Mittel, um die Spannung weiter anzustacheln und „Resonanz“ mit dem Leser zu erzeugen, der seinen Rechner nach diesem Buch definitiv mit anderen Augen sehen wird …

Was uns zum Finale bringt, über das ich hier natürlich nichts Entscheidendes verraten werde. Nur so viel: Es ist spitze. Klar gibt es diverse romantische Unausweichlichkeiten, aber alles andere sitzt auf dem Punkt, hat einen Nachhall, der im Leser ordentlich weiterarbeitet, obwohl die Buchdeckel schon längst wieder zugeklappt sind. Auch wenn Olsbergs System meine persönlichen Cyberthrill-Lieblinge nicht vom Olymp jagen kann („Mailstorm“ und „Intrigenspiel“ von Per Helge Sorenson), befindet es sich bei ihnen doch in sehr guter Gesellschaft. „Das System“ ist dabei kein Buch nur für Computerfreaks, sondern sei hiermit jedem Freund gepflegter Hochspannung ans Herz gelegt! Nur Paranoiker und Technophobe sollten die Finger von dieser kitzligen Abfahrt lassen, es sei denn, man möchte sich für eine ordentliche Weile um den Schlaf bringen lassen.

Ich denke, man liest es schon zwischen den Zeilen, aber trotzdem noch einmal explizit: Kaufen!

Ach ja, es gibt ein Interview mit Karl Olsberg als [Audio-File]http://www.earpaper.de/loudblog/index.php?id=549 und es gibt eine Website zum Buch:
http://www.system-dasbuch.de.

Beides ist allerdings ein Alptraum für Analog-Modem-Dinosaurier wie mich …

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Marc Levy – Solange du da bist

Die Story

„Solange du da bist“ von Marc Levy spielt in der heutigen Zeit in San Francisco. Die junge Assistenzärztin Lauren verunglückt eines Tages mit ihrem Auto schwer. Die Unfallärzte schaffen es aber, ihr Leben unter Anstrengung zu retten. Lauren wird dennoch zur Koma-Patientin, angeschlossen an Maschinen, die sie am Leben erhalten.

Monate später zieht der Architekt Arthur in die inzwischen leer geräumte Wohnung der Patientin. Eines Abends schaltet er sein Radio ein, geht unter die Dusche und hört ein ständiges Fingerschnippsen und Summen, als würde jemand den Song rhythmisch begleiten. Aufgeschreckt und auch leicht beunruhigt öffnet er seinen Badezimmerschrank und entdeckt eine junge Frau, dort sitzend mit geschlossen Augen, die die Musik tatsächlich begleitet. Es ist Lauren, oder besser gesagt es ist ihr „Geist“, ihre Seele, ihre Essenz des Lebens.

Damit beginnt für beide eine seltsame und verrückte Geschichte. Anfangs ist Arthur verständlicherweise genervt, dann amüsiert ihn diese Situation doch und schließlich verliebt er sich in seine Mitbewohnerin, die er immerhin als „Gespenst“ bezeichnen könnte. Er erzählt seinem besten Freund Paul von seiner Liebe, der ihm anfangs kein Wort glaubt. Er nimmt sich Urlaub, um Lauren zu helfen. In endlosen Stunden versuchen sie gemeinsam, eine Lösung zu finden, um sie aus dem Koma wecken zu können. Arthur ist der einzige Mensch, der Lauren in dieser Form sehen und, ja, auch berühren kann. Er opfert seine ganze Zeit und achtet nicht auf Mitmenschen, die ihn bei einem Restaurantbesuch seltsam beobachten, weil er Selbstgespräche führt, lacht und sich aufführt, als würde jemand an seiner Seite sitzen.

Inzwischen raten die Ärzte im Krankenhaus Laurens Mutter, die lebenserhaltenden Apparaturen abzuschalten, da scheinbar nach Monaten des Hoffens keine Möglichkeit mehr besteht, dass Lauren noch aufwachen könnte.

Arthur und Lauren lieben sich, so gut es zwischen einem Gespenst und einem lebenden, fühlenden Menschen eben möglich ist. Beide wissen, dass sie nur noch wenig Zeit haben. Arthur fasst einen Entschluss: Er will Laurens Körper aus der Klinik entführen, denn er will sie nicht verlieren …

Kritik

Selbst jetzt, einige Zeit, nachdem ich diesen Roman gelesen habe, rühren mich das erneute Durchblättern des Werkes und die Erinnerung an die Lektüre. Mancher Leser wird diesen Roman sicherlich als zu kitschig empfinden. Doch gilt es bei dieser Lovestory auch zwischen den Zeilen zu lesen. Ganz sicher ist dieser Roman, auch wenn man ihn an einem Tag durchlesen kann, nicht trivial oder rein melodramatisch; es gibt so viele einzelne, kleinere Textstellen, die den Leser zum Nachdenken inspirieren. Zum Beispiel erzählt die Figur des Gespenstes Lauren dem Architekten Arthur, was Zeit ist. Denn sie als körperloser Geist kann nicht schlafen, und kein anderer hat sie bisher gesehen oder wahrgenommen.

Dieser Roman schafft es, die Balance zwischen Komik, Trauer, Romantik, aber auch zwischen Poesie und Witz zu halten. Ich würde „Solange du da bist“ von Marc Levy nicht nur als Lovestory unserer Zeit umschreiben; dieser Roman ist viel mehr, und jeder von uns wird sich ein wenig darin wiederfinden.

Levy beschreibt in seinem Debüt wundervoll die beiden Hauptdarsteller in ihrem Glauben und ihrer Hoffnung auf ein Leben. Mit viel Witz und schöner Situationskomik entführt er den Leser in ungemein vielschichtige Gefühlswelten. Tragödie und Komödie liegen hier eng beisammen, und ich kann diesen Roman nur wärmstens weiterempfehlen.

Der Autor

Marc Levy, 1961 geboren, entdeckte schon früh sein Faible für Kino und Literatur. Diesen ersten Roman schrieb er eigentlich für seinen Sohn Louis, der ihn lesen sollte, wenn er zwanzig Jahre älter ist. Levy sagt, er wollte von einem Mann erzählen, der sich in den Inhalt eines Menschen verliebt und nicht in seine äußere Verpackung.

Der Roman wurde ein Welterfolg: „Solange du da bist“ wurde in 28 Sprachen übersetzt und verkaufte sich alleine in Deutschland über 600.000-mal. Der US-amerikanische Regisseur Mark Waters verfilmte den ersten Teil der Geschichte im Jahr 2005 mit Reese Witherspoon. Seit seinem Welterfolg lebt Marc Levy als freier Schriftsteller in London und Paris.

Broschiert: 277 Seiten
Aus dem Französischen von Amelie Thoma
www.aufbauverlag.de

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Taavi Soininvaara – Finnisches Requiem

Auch Taavi Soininvaara zählt zu den glücklichen Preisträgern eines bekannten Buchpreises, denn sein Roman „Finnisches Requiem“ wurde als bester finnischer Kriminalroman ausgezeichnet. Zugegebenermaßen verliere ich langsam den Überblick über die verliehenen Kriminalpreise, auch wenn mich derlei Werbung auf den Buchdeckeln immer wieder zum Kauf eines Buches überzeugt. Doch „Finnisches Requiem“ zeigt einmal mehr, dass Autoren oft völlig zu Recht ausgezeichnet werden. Der vorliegende Roman stellt allerdings keinen herkömmlichen Kriminalroman dar, Soininvaara präsentiert uns eher einen packenden politischen Thriller, in welchem er aktuelle Probleme und Meinungen im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung diskutiert.

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DBC Pierre – Jesus von Texas

Eigentlich hätte DBC Pierre ein Buch wie „Jesus von Texas“ gar nicht nötig gehabt. Wozu sich Geschichten ausdenken, wenn man eine Vita wie dieser Mann hat? Angeschossen, hoch verschuldet, ehemals drogen- und spielsüchtig, nach einem Unfall mit chirurgisch wiederhergestelltem Gesicht und Stationen als Filmemacher, Schatzjäger, Schmuggler und Grafiker. Zweifelsohne hätte eine Autobiographie hier ihren Reiz. Doch auch „Jesus von Texas“ hat seinen Reiz und dafür hat der Autor nicht ohne Grund 2003 den Booker-Preis verliehen bekommen.

_Shit happened_

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Hanjo Lehmann – Die Truhen des Arcimboldo

Hanjo Lehmann, Jahrgang 1946, sitzt in seinem nach meinem Ermessen fabelhaften Kirchen-Thriller nicht gerade zimperlich mit den Machenschaften der Träger von blütenrein gewaschenen Talaren zu Gericht; insofern hätte das Buch auch der Rubrik „Zeitkritik“ zugeordnet werden können. Was das angeht, sei direkt eine Vergleichsmöglichkeit zu ähnlich gelagerten Werken von Vandenberg gezogen, auch Stilelemente des ewig gern heran zitierten Eco-Klassikers „Der Name der Rose“ lassen sich formgebend antreffen.
Lehmann studierte Germanistik, Philosophie und Medizin. Der einzige mir bekannte weitere Roman des Autors ist das 2001 erschienene „I killed Norma Jeane“, das wohl missglückt sein soll, wie ich aber nur als Hörensagen wiedergeben kann. Die gebundene Ausgabe des vorliegenden Werkes „Die Truhen des Arcimboldo“ wurde 2002 von Rütten & Loening erneut aufgelegt, die zunächst beim Aufbau-Taschenbuch-Verlag erschienene Broschur gab es dann als Neuausgabe von Bastei-Lübbe, nun wurde von |Aufbau| die Broschur in der 19. Auflage wieder herausgebracht; beides kommt zum echten Kaufmichpreis.

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