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Cornwell, Bernard – brennende Land, Das

Wenn man sich durch das umfangreiche (und immer weiter wachsende) Werk von Bernard Cornwell arbeitet, dann ist anzunehmen, dass man nach erfolgter Lektüre viel schlauer ist als zuvor. Zumindest, was englische Geschichte, Politik und Kriegshandwerk angeht, denn dies sind Cornwells Leidenschaften, die in seinen Romanen immer wieder das Grundgerüst bilden.

In „Das brennende Land“ entführt Cornwell seine Leser in das England des 9. Jahrhunderts, wobei es jedoch vermessen wäre, hier schon von „England“ zu sprechen. Stattdessen bedecken die Länder Wessex, Northumbrien und Mercien große Teile der Landschaft, die wir heute als England kennen. Held (im wahrsten Sinne) der Geschichte ist Uthred, ein Kriegsherr, dessen Eid ihn an König Alfred von Wessex bindet. Damit ist er jedoch weniger glücklich, denn Alfred ist ein Christ und umgibt sich mit einer stattlichen Anzahl von Mönchen, die auf den Heiden Uhtred herab blicken. Dieser wiederum hält das Christentum für eine lächerliche Religion, lässt es sich jedoch nicht nehmen, in brenzligen Situationen nicht nur zu seinen eigenen Göttern, sondern auch zu diesem ans Kreuz genagelten Christus zu beten. Man kann schließlich nie wissen …

Alfreds Hofstaat provoziert einen Eklat, der Uthred dazu bringt, seinen Eid auf Alfred zu brechen und stattdessen nach Norden zu gehen. Eigentlich will er mit Wessex auch gar nichts zu tun haben. Viel lieber würde er Bebbanburg, seine Heimat im Norden, wieder einnehmen. Doch dazu braucht er Gold und Männer – in dieser Reihenfolge. Also plant er, Skirnir zu überfallen, da er erfahren hat, dort solle sich ein Schatz befinden. Der Überfall gelingt zwar, doch fällt die Beute weit weniger reichlich aus als erhofft, und so steht Uthred immer noch am Anfang seines Plans. Bevor dieser jedoch weiter gedeihen kann, ruft ein anderer Eid ihn über Umwege zurück an Alfreds Seite und er muss ein weiteres Mal dessen Reich vor einfallenden Feinden schützen.

Bei „Das brennende Land“ handelt es sich um den fünften Band in Cornwells |Uthred|-Serie. Zwar kann man sich auch ohne Vorkenntnisse auf den Roman einlassen, doch wird man mehr aus der Lektüre mitnehmen, wenn man auch die Vorgängerbände kennt. So sind die politischen Verwicklungen, die Cornwell beschreibt, durchaus kompliziert und bei den unzähligen fremdartigen Namen wird es ohne Vorkenntnisse noch schwerer, den Überblick zu behalten, wer mit wem verbandelt, verfeindet oder verbündet ist. Eine kleine Hilfestellung bei der Orientierung bieten eine Karte, eine Liste mit Ortsnamen (und ihrer zugehörigen englischen Entsprechung) und ein Stammbaum der Wessex’schen Königsfamilie. Gerade die Liste der Ortsnamen ist eine echte Hilfe, da man ohne sie kaum erraten würde, wo man sich geographisch gerade befindet: Dass Cent der alte Name für die Stadt Kent ist, ist noch naheliegend. Aber wer käme schon darauf, hinter der Ortsbezeichnung Eoferwic das heutige York zu vermuten?

Den Großteil der auftauchenden Personennamen muss man sich jedoch selbst merken, wobei nur eine Handvoll davon wirklich wichtig ist. Cornwell konzentriert sich hauptsächlich auf seinen Protagonisten (darum ist der Roman wohl auch in der Ich-Form geschrieben) und arbeitet Nebencharaktere eher uninspiriert ab. Die Krieger in Uthreds Diensten bleiben, bis auf ein oder zwei Ausnahmen, durchweg farblos, und selbst der großen Gegenspielerin des Romans, der ambitionierten Skade, vermag er kaum Profil zu verleihen. Als machthungrige Schönheit hängt sie sich jeweils an den Mann, der den meisten Erfolg verspricht, und lässt ihn in dem Moment fallen, in dem ein besseres Exemplar vorbeireitet. Sie ist kaltherzig, berechnend und grausam. Doch mehr als pure Machtlust um ihrer selbst willen mag Cornwell ihr als Motivation nicht zugestehen. Es ist ein wenig schade, dass ein Charakter, der so viel Profil vermuten lässt, im Roman dann fast nichts davon einlöst.

Was Cornwell jedoch bei seinen Nebencharakteren einspart, das verwendet er samt und sonders auf Uthred, der als schillernder Kriegsheld gezeichnet wird und doch nicht eindimensional bleibt. Er ist ein echter Macher, ein Pläneschmieder und furchteinflößender Kämpfer. Kurzum, er ist ein echter Mann, der andere Männer nur dann schätzt, wenn sie mit seiner Kraft und Potenz mithalten können (darum wohl auch seine Abneigung gegen das Christentum, da ihm alle Christen als verweichlicht erscheinen). Er ist großspurig und neigt etwas zum Protzen, doch selbst diese Eigenschaften machen ihn nicht unsympathisch, sicherlich, weil der Leser realisiert, dass Uthred genügend Grund zur Eitelkeit hat. Und doch: Selbst er findet sich wiederholt als Opfer verschiedener Ränkespiele wieder und muss sich in Situationen ergeben, die sich seiner Einflussnahme entziehen. So findet er sich gänzlich gegen seinen Willen auf Alfreds Seite wieder, hat aber keine andere Möglichkeit, als zu versuchen, in der Situation etwas Positives zu finden. Ihr entfliehen kann er ohnehin nicht.

Ebenso interessant wie Uthred ist Cornwells Beschreibung des Konflikts zwischen dem aufkommenden Christentum und den alten Göttern. Uthred hängt dem nordischen Götterkreis an und wird am christlichen Hof Alfreds eigentlich nur noch geduldet, weil er so ein erfolgreicher Heerführer ist. Dass der Kampf der Religionen durchaus blutig geschlagen wurde, während andererseits in vielen Fällen auch ein friedliches Nebeneinander möglich war, das will Cornwell beschreiben. Und es gelingt ihm eindrücklich.

„Das brennende Land“ ist ein Roman für alle, die an der frühen Geschichte Englands interessiert sind und die sich – lesend, selbstverständlich – auch gern ein wenig ins Schlachtengetümmel werfen. Denn eins ist klar: Ohne eine ordentliche Schlacht lässt Cornwell keinen seiner Romane enden!

|512 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3499254147
Originaltitel:| The Burning Land|
Übersetzung: Karolina Fell|
http://www.rowohlt.de
http://www.bernardcornwell.net

_Bernard Cornwell auf |Buchwurm.info|:_
[„Stonehenge“ 113
[„Die Galgenfrist“ 277
[„Der Bogenschütze“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1) 3606
[„Der Wanderer“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3617
[„Der Erzfeind“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3) 3619
[„Sharpes Feuerprobe. 1799: Richard Sharpe und die Belagerung von Seringapatam“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5208
[„Sharpes Sieg. 1803: Richard Sharpe und die Schlacht von Assaye“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5829
[„Das Zeichen des Sieges“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6223

Cornwell, Bernard – Zeichen des Sieges, Das

Bernard Cornwells „Das Zeichen des Sieges“, das macht der relativ austauschbare deutsche Titel nicht auf Anhieb klar, ist ein Roman über die englisch-französische Schlacht bei Azincourt. Diese Schlacht von 1415, bei der Henry V. einem weit größeren französischen Heer gegenüberstand und trotzdem – entgegen aller Wahrscheinlichkeit – gewann, ist ein Teil des kollektiven englischen Bewusstseins. In die Literaturgeschichte ist sie spätestens mit Shakespeares Bearbeitung des Stoffes in „Henry V.“ eingegangen. Der zentrale Monolog, Henrys „St. Crispinus-Rede“, ist seitdem zum Vorbild für Dutzende aufpeitschende Reden eines Feldherrn vor seiner verschreckten Armee geworden – entsprechende Szenen zum Beispiel aus „Braveheart“ oder auch „Der Herr der Ringe“ stehen damit alle in Shakespeares – und damit auch in Azincourts – Tradition.

Cornwell versucht gar nicht erst, damit zu konkurrieren. Anstatt die Ereignisse aus der Sicht Henrys oder zumindest eines seiner Adligen zu erzählen, sucht er sich einen ziemlich unwahrscheinlichen Protagonisten für seinen Roman aus: den Waldhüter Nicholas Hook. Hook ist zwar nicht unbedingt einfältig, aber überdurchschnittlich gebildet ist er auch nicht. Er ist ein guter Bogenschütze und das ist es, was ihm zunächst den Hals rettet. Denn gleichzeitig ist er auch vom Pech verfolgt, was dazu führt, dass er als Vogelfreier endet, weil er einen Priester schlägt (der gerade dabei war, ein Mädchen zu vergewaltigen – Hook hat also bei aller Tolpatschigkeit das Herz auf dem rechten Fleck). Doch bevor Hook nun in der Versenkung verschwinden kann, nimmt ihn Lord John Cornewaille unter seine Fittiche, der auf der Suche nach Soldaten für Henrys Feldzug in französisches Territorium ist.

Und so findet sich Hook bald bei der langwierigen Belagerung von Harfleur wieder. Er erlebt mit, wie Henrys Armee durch die Ruhr dezimiert wird und wie die Belagerung für die Engländer letztendlich nur erfolgreich verläuft, weil Harfleur schließlich kapituliert. Mittlerweile ist jedoch zu viel Zeit vergangen und die Armee ist zu stark geschwächt, um den Feldzug weiter fortführen zu können und so beschließt Henry, nach Calais (damals englisch) zurück zu marschieren. Doch bei Azincourt stellen sich dem traurigen Häufchen Engländer dann doch noch die französischen Truppen entgegen: Eine scheinbar ausweglose Situation.

Cornwell ist nicht umsonst einer der erfolgreichsten Autoren historischer Romane. Mit Hilfe genauester Recherche und literarischer Begabung schafft er es, komplizierte historische Zusammenhänge verständlich und sogar kurzweilig dar zu stellen. Bei ihm sind weder Belagerung noch Schlacht eine simple Fußnote. Stattdessen wirft er den Leser mitten hinein in diese doch sehr fremde Welt des Mittelalters und lässt ihn mit den Figuren mit fiebern. Auch wenn man den Ausgang der Schlacht kennt, gelingt es Cornwell doch immer wieder, so viel Spannung aufzubauen, dass man beim Lesen an seinen Geschichtskenntnissen zweifelt – vielleicht haben die Engländer ja doch verloren?

Ein besonderer Glücksgriff ist Cornwell mit seinem Protagonisten Hook gelungen. Man könnte in ihm durchaus den typischen Landbewohner seiner Zeit sehen. Bis er in Henrys Armee landet, hat er noch nie über den Tellerrand der Provinz geschaut. Er kennt nur sein Dorf, nur seine eigene kleine Familienfehde. Politik? Religion? Die größeren Zusammenhänge? Ein König, der die Krone von Frankreich beansprucht? Das sind alles böhmische Dörfer für Hook. Davon hat er keine Ahnung – und vor allem verspürt er auch kein großes Bedürfnis, an seiner Ignoranz etwas zu ändern. Große Gedanken sind also seine Sache nicht. Als er über Henrys Ansprüche auf den französischen Thron nachdenkt, kommt er zu folgendem Schluss: „Hook verstand den Streit nicht. Er hatte nur verstanden, dass es irgendwo in der Familiengeschichte des Königs eine Hochzeit gegeben hatte, die Henry auf den französischen Thron führte, und vielleicht war er der rechtmäßige König von Frankreich und vielleicht auch nicht, doch das kümmerte Hook nicht.“ Was ihn kümmert ist, dass Lord John ihn gut behandelt, dass er weiß, wo der Feind steht und dass sein Langbogen einsatzbereit ist.

Der Langbogen ist in dieser Geschichte nämlich von zentraler Bedeutung. Die englischen und walisischen Bogenschützen waren Henrys entscheidender Vorteil gegenüber den Franzosen, und indem Cornwell einen Bogenschützen zum Protagonisten macht, kann er dem Leser gleichzeitig viel über das Thema Langbogen erklären. So lernt man nicht nur, wie ein Bogen oder wie Pfeile hergestellt werden, sondern unter anderem auch, welche Kraft es kostet, einen Langbogen überhaupt zu spannen. Das ist nämlich viel schwerer als es aussieht!

In der abschließenden Schlacht bei Azincourt zieht Cornwell dann alle Register. Mehr als einhundert Seiten lang schildert er die Angriffe der verschiedenen Parteien, die Schlachtordnung, den Morast, durch den die Soldaten waten müssen und auch die hinderlichen Rüstungen, die zwar einigermaßen vor Pfeilen schützen, die einen aber auch blind und schwerfällig machen. Hier, mitten in der Schlacht, fühlt sich Cornwell sichtlich zu Hause. Mit vielen Details – und selbstverständlich sind diese zum größten Teil blutiger und brutaler Natur – malt er ein Schlachtengemälde, das den Leser mit nimmt – ihn begeistert, ängstigt, fasziniert. Denn natürlich ist so eine Schlacht keine glorreiche Angelegenheit: „Dies war nicht der Ort für die feine Anmut eines Turnierkämpfers, nicht der Ort, um Kunstfertigkeit am Schwert zu zeigen, dies war ein Ort zum Abschlachten und Töten, zum Hacken und Verwunden, ein Ort, den Feind das Fürchten zu lehren.“ Und genau das machen Hook und seine Kumpane auch, als Leser sollte man also einen starken Magen mit bringen.

Mit „Das Zeichen des Sieges“ ist Cornwell wieder ein mitreißender Historienroman gelungen, der neben sympathischen Charakteren und Spannung als schönen Nebeneffekt auch noch einiges an geschichtlichem Wissen wirklich anschaulich und verständlich vermittelt. Ach, und unterhaltsam ist der Roman natürlich auch noch!

|Gebundene Ausgabe: 560 Seiten
ISBN-13: 978-3805208789
Originaltitel: |Azincourt|
Deutsch von Karolina Fell|
http://www.rowohlt.de/
http://www.bernardcornwell.net/

_Bernard Cornwell beim Buchwurm:_

[Stonehenge 113
[Die Galgenfrist 277
[Der Bogenschütze (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1) 3606
[Der Erzfeind (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3) 3619

Bernard Cornwell – Sharpes Sieg. 1803: Richard Sharpe und die Schlacht von Assaye

Vier Jahre sind vergangen, seit Richard Sharpe, seines Zeichens Sergeant der britischen Armee in Indien, in „Sharpes Feuerprobe“  Tippu, den Herrscher von Seringapatam, tötete und um dessen Juwelen erleichterte. Eigentlich führt er nun ein relativ beschauliches Soldatenleben unter dem Kommando von Major Stokes und macht sich hauptsächlich Gedanken darüber, wie er die erbeuteten Juwelen wohl am besten in seine Kleidung einnähen könnte. Doch dann führt ihn das Schicksal (oder eher Stokes‘ Befehl) nach Chasalgaon, gerade als dessen Bewohner vom Verräter Dodd hingemetzelt werden. Sharpe, als einziger Überlebender, kann nur entkommen, indem er sich tot stellt.

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Cornwell, Bernard – Sharpes Feuerprobe. 1799: Richard Sharpe und die Belagerung von Seringapatam

Private Richard Sharpe ist Soldat, offensichtlich aus Ermangelung irgendwelcher anderer Talente. Der Leser trifft ihn das erste Mal, als er 1799 unweit der indischen Festung Seringapatam herumsitzt und sich fragt, ob er nicht vielleicht desertieren sollte. Das wäre zumindest spannender als nichts zu tun, findet Sharpe, doch sein Erfinder, der britische Autor Bernard Cornwell, bringt den Jungspund schnell auf andere Gedanken, indem er ihn flugs in ein spannendes Abenteuer stürzt.

Weil er in ein Mädchen verliebt ist, auf das es auch der brutale und abscheuliche Sergeant Obadiah Hakeswill abgesehen hat, wird er ausgepeitscht. Doch bevor die Strafe komplett vollzogen werden kann, greift Colonel Wellesley ein und schickt Sharpe auf eine geheime Mission. Gemeinsam mit dem Offizier Lawford soll er sich in Seringapatam einschleichen. Wellesley vermisst nämlich einen seiner Spione und glaubt nun, dieser werde in der Festung gefangen gehalten.

Sharpe und Lawford geben sich also als gemeine Deserteure aus und werden von Tippu, dem Herrscher von Seringapatam, recht freundlich aufgenommen. Sie dürfen in dessen Armee dienen, Sharpes geschundener Rücken wird versorgt und in einem glücklichen Moment finden sie auch den verschollenen Spion, der ihnen Beunruhigendes zu berichten hat. Doch wie sollen sie die Information aus der Festung herausbringen?

Bevor die Handlung in der abschließenden Schlacht um Seringapatam kulminiert, werden Lawford und Sharpe noch gefangen genommen, in den Kerker gesteckt und von Tigern bedroht. Es gibt kleinere Scharmützel, einen fürchterlichen Obadiah Hakeswill, der einfach nicht sterben will, und einen unglaublich jungen und ungeschliffenen Richard Sharpe.

Die Abenteuer um Richard Sharpe sind Bernard Cornwells Opus Magnus. 1981 veröffentlichte er die ersten beiden Bände der Serie, „Sharpe’s Eagle“ und „Sharpe’s Gold“, denen regelmäßig neue Bände folgten. Auf ursprünglich circa zehn Bände angelegt, erhielt die Serie neuen Auftrieb, als das britische Fernsehen die Rechte an Richard Sharpe kaufte und eine stattliche Anzahl der Romane mit Sean Bean in der Titelrolle verfilmte (auf Deutsch ist die Filmreihe unter dem Titel „Die Scharfschützen“ bekannt). Mittlerweile gibt es mehr als zwanzig Romane, die im Sharpe-Universum angesiedelt sind, und es kommen ständig neue hinzu.

Chronologisch steht „Sharpes Feuerprobe“ am Anfang der Sharpe-Geschichte, auch wenn der Roman eher zu den jüngeren gehört (erstveröffentlicht 1997 unter dem Titel „Sharpe’s Tiger“). Cornwell präsentiert hier einen grobschlächtigen, ungebildeten Unterschichten-Sharpe. Als Sohn einer Hure (also im wörtlichen Sinne ein Hurensohn) ist er in einem Bordell aufgewachsen und hat demnach keine nennenswerte Bildung genossen. Aus Ermangelung an Alternativen hat er sich von der Armee anwerben lassen und erweist sich dort als ziemlich erfolgreich, da ihm seine Straßenschläue oft den Hals rettet. Er ist gewitzt, kann kämpfen, schnell schalten und Pläne schmieden, und auch wenn er ein ziemlich dreckiges Mundwerk hat, so sitzt das Herz bei ihm doch am rechten Fleck. Sharpe ist also in diesem frühen Abenteuer noch ein ungeschliffener Diamant, der erst bei seiner Kerkerhaft mit Lawford und Candless (dem verschollenen Spion) mit Hilfe einer eingeschmuggelten Bibelseite das Lesen lernt. Dank dieser neu gewonnenen Fähigkeit kann er nun endlich selbst nachlesen, ob „Du sollst dich nicht schnappen lassen“ wirklich eins der zehn Gebote ist.

„Sharpes Feuerprobe“ ist auf der einen Seite ein hervorragend recherchierter Historienroman, der zu großen Teilen von den militärischen Schachzügen Wellesleys und Tippus und dem exotischen Setting in Indien lebt. Auf der anderen Seite schafft es Cornwell aber mit der gleichen Leichtigkeit, eine umfangreiche Personage einzuführen, die sich kaum in das übliche Schwarzweiß-Schema einordnen lässt. Da wäre zunächst der Gegner Tippu, von dem Sharpe in seiner jugendlichen Einfalt annimmt, er sei einfach ein „teuflischer Bastard“. Dass dem längst nicht so ist, wird dem Leser recht früh klar, denn Tippu wird als durchaus aufgeklärt beschrieben, auch wenn er zur Belustigung seiner Mannen schon mal Gefangenen Nägel durch die Schädeldecke schlagen lässt.

Eine ebenso differenzierte Betrachtung erfährt Colonel Wellesley, der sicherlich eher unter seinem späteren Titel Duke of Wellington bekannt ist und der hier in Indien auf seiner ersten Mission mit Versagensängsten und Startschwierigkeiten zu kämpfen hat. Ein bisschen unsicher und reichlich kühl gegenüber seinen Untergebenen, ist er noch weit von dem großen Staatsmann entfernt, zu dem er sich später einmal mausern wird. Nur einer ist überhaupt nicht ambivalent beschrieben, und das ist Hakeswill, der so tyrannisch und stiefelleckerisch daherkommt, dass ihm der geneigte Leser am liebsten eigenhändig das Genick brechen möchte. Dass Sharpes kleiner Mordanschlag auf den Erzfeind nicht von Erfolg gekrönt sein wird, ist wohl logisch. Hakeswill wird Sharpe noch in vielen weiteren Romanen auf dem Kieker haben.

„Sharpes Feuerprobe“ ist der spannende und mitreißende Auftaktroman einer Serie, die in England praktisch Kultstatus genießt. Da vergibt man Cornwell auch mal die gelegentliche Blut-und-Ehre-Rhetorik, wenn er sich von der Heroik seiner Charaktere ein bisschen zu sehr mitreißen lässt. Die Passagen, in denen Sharpe sich ein ums andere Mal bewährt, nie um einen dreckigen Witz verlegen ist und am Schluss dann auch noch einen Feind nach dem anderen umnietet, lassen den Leser so unerträgliche Formulierungen wie „der Stahl war hart und kalt in ihren Seelen“ gern vergessen. Schade, dass es noch bis März 2009 dauern wird, bevor |Bastei Lübbe| den nächsten Teil, „Sharpes Sieg“, herausbringt.

|Originaltitel: Sharpe’s Tiger, 1997
Aus dem Englischen von Joachim Honnef
476 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-15862-1|
http://www.bastei-luebbe.de
http://www.bernardcornwell.net
http://www.southessex.co.uk

_Bernard Cornwell auf |Buchwurm.info|:_
[„Stonehenge“ 113
[„Die Galgenfrist“ 277
[„Der Bogenschütze“ 3606 (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1)
[„Der Wanderer“ 3617 (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)
[„Der Erzfeind“ 3619 (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3)

Cornwell, Bernard – Stonehenge

Einen Roman über die Entstehung von Stonehenge konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen. Geben die „aufgehängten Steine“, so eine mögliche Übersetzung des Namens Stonehenge, doch seit jeher Rätsel auf. Bis heute konnte nur die Frage nach dem Wann? zufrieden stellend gelöst werden, jedoch die Antworten auf das Wie?, Wer? und vor allem Warum? bestehen aus Spekulationen, Vermutungen und purem Rätselraten. Optimale Voraussetzungen für einen umfangreichen historischen Roman rund um das berühmteste Bauwerk dieser Art, dessen sich der britische Autor Bernard Cornwell – u.a. durch seine Arthur-Trilogie bekannt geworden – leidenschaftlich annimmt.

Wahrheit und Fiktion – was was ist, erklärt der ehemalige BBC-Reporter in einem ausführlichen Nachwort selbst, das auch die wissenschaftlichen Ergebnisse in Bezug auf vorgeschichtliche Steinkreis-Anlagen – die in der Zeit von 4000 bis 1500 v.Chr. in ganz Nordwesteuropa entstanden sind – und im Besonderen auf Stonehenge zusammenfasst. Sehr informativ und gut erklärt! Darum werde ich mir einen Vergleich auch sparen, nur so viel sei erwähnt, dass der Autor die geschichtlichen Fakten für ein glaubwürdiges, mitreißendes Spektakel geschickt verwendet und den Leser gekonnt glauben macht: Genau so und nicht anders ist es passiert!

Aber was ist nun passiert?

Fremdländisches Gold zerstört die Idylle von Ratharryn und bringt die Gottheiten zum Wüten. Aufgefunden in einem nicht mehr benutzten Tempel, weiß niemand, woher es stammt und warum es aufgetaucht ist. Und die Fremdländischen wollen es zurück, denn es sind göttliche Schätze, deren Verlust nur Unglück bringen kann. Zwietracht bringt es auch nach Ratharryn, denn des Clanführers ältester Sohn Lengar will es zum Krieg gegen den Nachbarn Cathello verwenden. Doch sein Vater entscheidet, dass es nun zum Stamm gehört, und um die Götter zufrieden zu stellen, muss der Tempel neu erbaut werden.

Lengar kehrt mit den Fremden in ihr Land zurück, womit sein jüngster Bruder Saban nun der zukünftige Clanführer ist, denn der mittlere Bruder Camaban ist verkrüppelt und damit aus dem Stamm ausgestoßen. Doch Camaban schafft es, bei der mächtigen Zauberin Sannas von Cathello in die Lehre zu gehen. Er geht ebenfalls zu den Fremden, mit dem Plan, Slaol, dem Sonnengott, den größten, beeindruckendsten Tempel aller Zeiten zu bauen, denn als Ausgestoßener hat er in eben jenem verfallenen Tempel gelebt, als das Gold kam und Slaol hat schon immer zu ihm gesprochen. Und er will einen Steintempel, genau wie Cathello, nur mächtiger und größer.

Nachdem Saban die Mannbarkeitsprüfung überstanden und Derrewyn aus Cathello geheiratet hat, kehrt Lengar mit einem Vernichtungsfeldzug zurück, tötet seinen Vater, schickt Saban in die Sklaverei zu den Fremden nach Saramennyn und erhebt sich selbst zum neuen Clanführer.

In Saramennyn angekommen, wird Saban wieder frei und lernt die Gebräuche der Fremden kennen. Jedes Jahr zur Mitsommerwende wird eine Sonnenbraut dem Sonnengott durch Verbrennen geopfert, jedoch ist diese Sonnenbraut für einen Monat vorher eine Göttin. Als Aurenna, die neue Sonnenbraut, vom Gott verschont bleibt, wird sie seine neue Frau, allerdings bleibt sie immer in Kontakt mit dem Gott.

Camaban erwählt Saban zum Baumeister und die Suche nach den richtigen Steinen beginnt ca. 135 Meilen von seiner Heimat entfernt. Sie finden nicht nur die Steine, sondern einen fertigen Tempel, den der verrückt gewordene Hohepriester der Fremden auf einem Berganhang gebaut hatte. Saban muss jetzt noch eine Lösung für den unmöglich erscheinenden Transport finden, doch Camaban lässt ihm keine Ruhe und so baut Saban Schiffe, die stark genug sind, um die mannshohen Steine fortbewegen zu können. Der Transport der Steine und der neue Aufbau erstreckt sich über viele Jahre und als der neue Tempel steht, ist er enttäuschend klein und unscheinbar. Ein neuer Tempel soll gebaut werden, diesmal der richtige, denn hinzu kommt, dass der Tempel nun noch mehr Bedeutung hat: Er soll den Sonnengott und die Mondgöttin zusammenführen und damit den Tod, den Winter und alles Leid aus der Welt vertreiben …

Mit jeder Seite von „Stonehenge“ bricht eine Informationswelle über den Leser herein, die einerseits ein wenig erdrückend erscheint, andererseits so detailliert und fesselnd ist, dass ich zumindest nichts überlesen konnte und wollte. Die Story wird nie langweilig, da immer wieder Drehungen und Windungen den roten Faden zu einer Schleifenlinie werden lassen und neue Charaktere einen völlig anderen Wind hineinbringen. Die Charaktere sind überhaupt großartig, allein Camaban fasziniert durch seine herausfallende Entwicklung und den heranwachsenden Wahnsinn, der in der damaligen Zeit sicherlich bei Priestern und Zauberern vorherrschte und somit das Volk in Schach hielt.

Jeder von ihnen besticht durch Lebendigkeit, Kraft und eine ureigene, perfekt ausgearbeitete Persönlichkeit, die zusammengebracht ein Feuerwerk höchsten Lesegenusses auslösen. Lengar, der eiskalte Krieger, Saban, der ruhige, kluge Baumeister, Camaban, der sich selbst als die Verkörperung des Sonnengottes sieht, Derrewyn, die hasserfüllte, gnadenlose Zauberin und schließlich auch Aurenna, die, durch Camaban angesteckt, selbst dem Wahn anheimfällt und glaubt, die Mondgöttin zu sein – sie alle verfolgen ihre eigenen Ziele, haben ihre eigenen Wünsche und doch verbindet sie der Bau des Tempels. Freiwillig oder unfreiwillig, sie beugen sich den Göttern.

Ebenfalls ein wichtiger Beitrag zu diesem Meisterwerk sind die Beschreibung der Gedanken von Camaban, die geistige Entstehung des Tempels und das stetige Wachsen seiner Bedeutung. Beeindruckend schildert Cornwell, wie das Leben seiner Protagonisten voll und ganz auf den Glauben ausgerichtet ist, wie alles mit den Göttern zusammenhängt und welche Abhängigkeit sich daraus ergibt.

Es ist natürlich sehr wahrscheinlich, dass Stonehenge zur Himmelsbeobachtung genutzt wurde, aber auch Rituale wie Beerdigungen, Hochzeiten, Opferungen etc. werden dort stattgefunden haben, doch warum dieses große, beschwerliche, fast übermenschliche Unterfangen? In vielen Urvölkern gibt es die Legende, dass die Sonne und der Mond vor Beginn der Zeit Liebende waren und sich im Streit getrennt haben – vielleicht wurde Stonehenge ja wirklich erbaut, um beide wieder zueinander zu führen?

Auf jeden Fall ist „Stonehenge“ ein Buch, das allemal lesenswert ist, für mich eines der besten historischen Werke, die ich bis jetzt in der Hand hatte.

Homepage des Autors: http://www.bernardcornwell.net

Mehr zu dem Thema:
http://www.england-seiten.de/specials/stonehenge
http://www.stonehenge.brain-jogging.com