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Harris, Charlaine – Ein Vampir für alle Fälle

_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 3937255141
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 393725515X)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 3937255168)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 3423244747)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006 ISBN 342324545X)
6. „Definitely Dead“ ([„Ball der Vampire“, 4870 )
7. „All Together Dead“ ([„Vampire schlafen fest“, 5450 )
8. _“From Dead to Worse“ („Ein Vampir für alle Fälle“)_

„Wenn das hier ‚Der Herr der Ringe‘ wäre…“ So beginnt „Ein Vampir für alle Fälle“, der achte Band in Charlaine Harris‘ ebenso unterhaltsamer wie erfolgreicher Romanreihe um die gedankenlesende Südstaatenkellnerin Sookie Stackhouse. Tja, wenn dieser Roman „Der Herr der Ringe“ wäre, gäbe es wohl viel mehr Herumgelaufe und Schwertgeschwinge, aber viel weniger Witz und Erotik. Auf welche Komponenten er mehr Wert legt, muss jeder Leser allerdings selbst entscheiden. Sookie Stackhouse jedenfalls bietet in gewohnter Manier wieder eine flotte Handlung mit einem umfangreichen Arsenal an übernatürlichen Charakteren, erzählt mit spitzer Zunge von der Ich-Erzählerin Sookie.

Und wenn es sich hier tatsächlich um „Der Herr der Ringe“ handeln würde, begänne das Buch sicherlich nicht mit einer Hochzeit. Einer Doppelhochzeit sogar! Harris nimmt sich die Zeit, Sookie ein wenig das kleinbürgerliche Ambiente von Bon Temps genießen zu lassen, mit einer spießbürgerlichen Hochzeit im Garten, Kleidern mit vielen Rüschen und in schreienden Farben und einer total durchschnittlichen Feier. Daran ändern auch die Vampire nichts, die ebenfalls eingeladen sind. Im Gegenteil, sie köpfen einfach eine Flasche teures französisches Blut (von echten Adligen – ein ganz edler Tropfen) und freuen sich ihres Unlebens. Doch als die Feier schon fast vorbei ist, macht Sookie dann doch noch eine Entdeckung. Halb im Gebüsch versteckt sieht sie nämlich einen unglaublich schönen Mann, der sich wenig später als ihr Urgroßvater heraus stellt. Niall Brigant ist doch tatsächlich ein Elf und ganz erpicht darauf, seine Urenkelin endlich kennen zu lernen. Sookie ist ziemlich baff, aber auch hingerissen und erfreut – schließlich hat sie außer ihrem missratenen Bruder Jason ja keine leiblichen Verwandten mehr. Und so führt Harris eine neue übernatürliche Komponente ins Sookie-Universum ein. Zwar kamen schon vorher Elfen vor (Sookie hat nämlich eine Elfe als Schutzengel), doch mit Nialls Auftauchen eröffnen sich natürlich ganz neue Möglichkeiten. Doch steckt die Beziehung zwischen Sookie und Niall in „Ein Vampir für alle Fälle“ noch in den Anfängen. Die beiden beschnuppern sich, Niall taucht immer wieder auf. Doch einen ganzen Handlungsstrang darf er noch nicht füllen. Das wird sich Harris sicherlich für einen der nächsten Bände aufsparen – schließlich ist Niall ausreichend geheimnisvoll und auch ambivalent angelegt, um später voll ins Geschehen einzugreifen.

Statt dessen findet Sookie sich bald in einem Krieg zwischen konkurrierenden Werwolfrudeln wieder. Zwar hat sie mit Alcide Herveaux, ihrem Ex, eigentlich nichts mehr zu tun. Doch sie ist immer noch eine Freundin des Rudels, und so landet sie eher unbeabsichtigt zwischen den Fronten. Und als wäre das nicht genug, sieht es auch bei den Vampiren nicht friedvoller aus. Sophie-Anne Leclerq, die Königin von Louisiana, wurde bei dem Bombenanschlag in Dallas schwer verletzt und ist immer noch so geschwächt, dass der König von Nevada seine Chance sieht, Louisiana ohne große Gegenwehr übernehmen zu können. Doch kann so etwas ohne Blutvergießen über die Bühne gehen? Werden sich die Vampire von Louisiana nicht gegen eine solche feindliche Übernahme wehren?

Mittlerweile hat Charlaine Harris‘ Universum ungeahnte Ausmaße angenommen. Es gibt zahllose Charaktere und Nebenschauplätze, denen wenigstens ein bisschen Raum zugestanden werden muss. Das führt zu einigen Problemen in der Erzählung und verhindert leider über weite Strecken, dass man als Leser das Gefühl hat, einer zielgerichteten Handlung zu folgen. So hat man schon Schwierigkeiten, die Haupthandlung überhaupt auszumachen: Ist es der Werwolfkrieg, der Vampirkrieg oder das Auftauchen von Sookies Urgroßvater? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine überzeugende Haupthandlung fallen gelassen wurde zu Gunsten vieler Fäden, die aus vergangenen Bänden übrig geblieben waren und die nun weiter gesponnen und neu verknüpft werden. Teilweise scheint es tatsächlich so, als hätte Harris ihr umfangreiches Personal per Liste abgehakt, um auch sicherzustellen, dass jeder Charakter der nun doch sehr umfangreichen Serie wenigstens einmal kurz vorkommt. Das führt jedoch dazu, dass die Romanhandlung sehr episodisch daherkommt und man als Leser zwischen all den Handlungssträngen und Charakteren reichlich verloren herumspringt.

Da wäre zum Beispiel Quinn, Sookies eigentlich Aktueller (ein Wertiger). Quinn ist seit dem Bombenanschlag verschwunden. Nicht verschollen, denn Sookie hat ja noch mit ihm gesprochen, doch hat er sich danach einfach nie wieder gemeldet. Was soll sie davon halten? Und wird er irgendwann wieder auftauchen?

Ähnlich ergeht es Sookies Mitbewohnern Amelia, die Besuch von ihrer Hexenvorgesetzten bekommt und sich einen Rüffel dafür abholen darf, dass sie einen Bettgenossen in eine Katze verwandelt hat (ohne zu wissen, wie sich das wieder rückgängig machen lässt). Außerdem bekommt Amelia Besuch von ihrem Vater und fängt eine Affäre mit Erics rechter Hand Pam an.

Auch Eric dreht meistens Däumchen. Er darf das Treffen zwischen Sookie und Niall arrangieren und mutiert zum Vieltelefonierer, als die Übernahme durch den König von Nevada droht. Er scharwenzelt von Zeit zu Zeit um Sookie herum, doch bewegt sich die (Nicht)Beziehung der beiden weder vor noch zurück. Beziehungen und Nichtbeziehungen sind jedoch Harris‘ Stärke. Alles Zwischenmenschliche (oder auch „Zwischenübernatürliche“ – aber das ist ein ziemliches Wortmonstrum) gelingt ihr spielend und bei dem umfangreichen Personal ihres Buches gibt es natürlich reichlich Möglichkeiten, Figuren miteinander agieren zu lassen. Trotzdem bleibt „Ein Vampir für alle Fälle“ in Liebesdingen ziemlich blass – weder bewegen sich die Beziehungen zwischen Sookie und ihren diversen Verehrern in irgendeine Richtung, noch wird ein neuer Mann an ihrer Seite eingeführt.

So plätschert die Handlung über weite Strecken dahin und bietet nur vereinzelte actiongeladene Höhepunkte. Der Großteil des Romans besteht dagegen aus häuslicher Routine und Alltagssituationen. So darf der Leser beispielsweise Sookie beim Einkaufen, beim Ausleihen von Büchern und beim Kirchgang begleiten. Dass das nicht wirklich spannend ist, ist ein nahe liegender Gedanke. Dabei ist es keineswegs so, dass Harris‘ ihr Schreibtalent abhanden gekommen wäre. Sie erzählt mit gewohntem Witz und flottem Charme, so dass nebensächliche Szenen nicht vollkommen irrelevant erscheinen. Trotzdem, dem Roman fehlt ein zentraler Konflikt, der sich durch die gesamte Handlung zieht und den Leser bei Laune hält. Statt dessen werden viele einzelne Handlungselemente abgearbeitet, was dazu führt, dass der Roman ziellos wirkt. Schade.

|Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3423211482
Originaltitel: From Dead to Worse
Übersetzer: Britta Mümmler|

Richard Stark – Das Geld war schmutzig [Parker 24]

Geraubtes Geld soll aus seinem Versteck geholt werden, doch nicht nur die Polizei, sondern auch gierige Trittbrettfahrer, neugierige Journalisten, nervöse Kumpane und vor allem der einfallsreich tückische Zufall lassen auch den besten Plan im Chaos versinken … – Der 24. und leider letzte Roman um den amoralischen Berufsverbrecher Parker wartet noch einmal mit allen Vorzügen dieser mit Recht gerühmten Reihe auf; wir werden Starks nur scheinbar simpel gestrickte Gangster-Krimis vermissen. Richard Stark – Das Geld war schmutzig [Parker 24] weiterlesen

Richard Stark – Keiner rennt für immer [Parker 22]

Der kühl und klug geplante Überfall auf einen schwer beladenen Geldtransporter wird für Berufsgangster Parker durch unberechenbare Komplizen und die Tücken des Schicksals zu einem Himmelfahrts-Unternehmen, das allen Risiken zum Trotz durchgezogen wird … – Die Geschichte eines zum Scheitern verteilten Coups wird in klarer Sprache, ohne stilistischen Sperenzchen und ungemein spannend erzählt: kein Epos, kein Reiten auf dem „human factor“, sondern einfach ein großartiger Gangster-Thriller. Richard Stark – Keiner rennt für immer [Parker 22] weiterlesen

Harris, Charlaine – Falsches Grab (Harper Connelly 2)

2008 veröffentlichte der Verlag |dtv|, der sich auch schon Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse angenommen hat, den Auftaktroman zu einer neuen Serie aus Harris‘ produktiver Feder. In [„Grabesstimmen“ 4704 ging es um die junge Harper Connelly, die nach einem Blitzschlag in der Lage ist, Tote aufzuspüren und deren letzte Momente nachzuerleben. Zusammen mit ihrem Halbbruder Tolliver hat sie diese Gabe zu einem Zwei-Mann-Betrieb ausgebaut. Die beiden reisen von Auftrag zu Auftrag, finden Leichen und helfen der Polizei auch schon mal dabei, einen Mord aufzuklären.

Die Fortsetzung „Falsches Grab“ geht zunächst aber durchaus beschaulich los. Harper und Tolliver wurden von dem College-Professor Dr. Nunley eingeladen, um auf einem alten Friedhof die Todesursache der dortigen Leichen zu bestimmen. Nunley gibt ein Seminar zum Thema „Unvoreingenommenes Denken“, in dem er – dem Titel des Seminars völlig entgegengesetzt – Hexen oder Hellseher vor seinen Studenten bloßstellen will. Und so hat er für Harper die perfekte Versuchsanordnung aufgebaut; schließlich ist er im Besitz der offiziellen Aufzeichnungen des Friedhofs und kann jeder Leiche eine Todesursache zuordnen.

Womit er nicht gerechnet hat, ist, dass Harper dies ebenfalls gelingt. Zielsicher wandert sie über den Friedhof und liegt mit den Todesursachen, die sie den Leichen zuweist, immer richtig. Nunley wird zusehends erboster und ungehaltener, droht doch sein Plan zu platzen. Doch das Ziel des Seminars wird in den Hintergrund gedrängt, als Harper feststellt, dass ein Grab doppelt belegt ist: Über der zu erwartenden Leiche befindet sich eine zweite: Die verbuddelten Überreste der seit einem Jahr verschwundenen Tabitha Morgenstern.

Pikanterweise wurden damals gerade Harper und Tolliver damit beauftragt, Tabitha zu finden. Dass sie nun hier zufällig auf die Leiche des elfjährigen Mädchens stoßen, lässt vermuten, dass sie jemand in eine Falle locken wollte. Aber wozu? Und wer hat die Kleine nun tatsächlich umgebracht? Harper und Tolliver finden sich plötzlich mitten in Tabithas trauender Familie wieder, sie werden von Reportern verfolgt und von der Polizei misstrauisch beäugt.

Mit „Falsches Grab“ hat Charlaine Harris eine mehr als würdige Fortsetzung geschrieben. Auf der einen Seite liefert sie einen verzwickten Krimiplot mit so vielen Charakteren, dass man sich als Leser nie recht entscheiden kann, wen man nun eigentlich verdächtigen sollte. Auf der anderen Seite konzentriert sie sich ebenfalls auf ihre Figuren, hauptsächlich natürlich Harper und Tolliver, die sie gegenüber „Grabesstimmen“ weiterentwickelt und mit Leben füllt. Offensichtlich hat sie sich seit dem ersten Roman auch vermehrt mit den medizinischen Auswirkungen eines Blitzschlags beschäftigt, denn es finden sich in „Falsches Grab“ viele Passagen, in denen Harper mit Spätwirkungen zu kämpfen hat – derartiges war in „Grabesstimmen“ noch nicht so plastisch ausgearbeitet.

Doch zurück zu Harper und Tolliver: Tolliver ist Harpers wichtigste Bezugsperson. Die beiden haben eine unglaublich enge – geschwisterliche – Beziehung, da ihre Eltern ständig zu high oder betrunken (oder beides) waren, um ihre elterlichen Pflichten wahrnehmen zu können. Das hat die beiden zusammengeschweißt. Sie planen sogar, sich ein gemeinsames Haus zu kaufen, sobald sie genügend Geld gespart haben. Harper und Tolliver hatten nie eine wirkliche Familien und gerade deswegen ist sie ihnen so wichtig. Sie stehen nicht nur einander sehr nahe, sondern versuchen auch, zu ihren Halbgeschwistern regelmäßigen Kontakt zu halten, obwohl das deren Pflegeeltern nicht gern sehen, da sie wohl denken, bei Harper und Tolliver wären mehrere Schrauben locker.

Und so sind Harper und Tolliver ständig zusammen, 24/7, wie es so schön heißt. Und obwohl sie sich selbst als Geschwister bezeichnen, sind sie tatsächlich nicht blutsverwandt. Harris macht sich einen Spaß daraus, Nebencharaktere auf die seltsame Beziehung der Protagonisten anspielen zu lassen. Ständig werden diesbezügliche Fragen gestellt: „Wollen Sie ein Einzel- oder Doppelzimmer?“ ist da noch eine der braveren Möglichkeiten. Die Häufung dieser Anspielungen führt beim Leser unweigerlich zu der Annahme, dass Harris die Beziehung der beiden bald in eine andere Richtung steuern wird. Und tatsächlich, irgendwann nach zwei Dritteln des Romans, bekommt Harper den erwarteten „Tausend mal berührt“-Blues. Natürlich weiht sie Tolliver nicht in ihre plötzlich veränderten Gefühle ein, und es bleibt abzuwarten, wie lange ihr in der Regel durchaus aufmerksamer Bruder brauchen wird, um hinter das Geheimnis ihrer plötzlichen Stimmungsschwankungen zu kommen. Mal sehen, in welche Richtung es da zukünftig weitergeht!

Abgesehen vom Krimiplot wird auch die Mystery weiter ausgebaut. Harper begegnet zum ersten Mal einem echten Geist (nämlich dem „originalen“ Bewohner des doppelt belegten Grabs), und Harris stellt ihr kurzerhand eine wahrsagende verschrobene Oma und deren schwer tätowierten und gepiercten Enkel Manfred an die Seite. Manfred, der offensichtlich Gedanken lesen kann, darf gern auch in den zukünftigen Romanen vorkommen, denn offensichtlich knistert es zwischen ihm und Harper – auch wenn diese das Knistern nicht wirklich ernst nimmt.

Man sollte sich allerdings hüten, „Falsches Grab“ als Mystery mit Krimihandlung zu bezeichnen. Gerade umgekehrt wird ein Schuh draus: Harris‘ Serie um Harper ist erster Linie Krimi, die Mystery-Handlung ordnet sich dem Mordfall immer unter.

„Falsches Grab“ baut nahtlos auf „Grabesstimmen“ auf und kommt im Ganzen noch unterhaltsamer und spannender daher als der Erstling. Der Krimiplot ist verschachtelter – es gibt mehr Verdächtige und beteiligte Ermittler – und die Charaktere bekommen mehr Tiefe. Charlaine Harris ist also ein durchgehend überzeugender Krimi mit Mystery-Einschlag gelungen, in den man wunderbar eintauchen kann. Ein Pageturner allererster Güte.

|Originaltitel: Grave Surprise
Deutsch von Christiane Burkhardt
301 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-423-21121-5|
http://www.dtv.de

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_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 978-3-937255-14-9
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 978-3-937255-15-6)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 978-3-937255-16-3)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 978-3-423-24474-9)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006, ISBN 978-3-423-24545-6)
6. „Definitely Dead“ ([„Ball der Vampire“, 4870 2007, ISBN 978-3-423-20987-8)
7. „All Together Dead“ [(„Vampire schlafen fest“, 5450 2008)
8. „From Dead to Worse“ („Ein Vampir für alle Fälle“, Juli 2009, ISBN 978-3-423-21148-2)

|Harper Connelly|

1. „Grave Sight“ ([„Grabesstimmen“, 4704 2008, ISBN 978-3-423-21051-5)
2. „Grave Surprise“ („Falsches Grab“)
3. „An Ice Cold Grave“

Welsh, Irvine – Drecksau

_Der Gossenpoet und sein blutiger Vorschlaghammer._

Irvine Welsh, der Alptraum eines jeden Feingeistes, ein Poet mit dreckiger Schnauze, ein Hooligan, ein Chronist der schottischen Arbeiterklasse und ihrer schmutzigsten Winkel. Geboren 1961 (oder 1958, da ist man sich nicht sicher) in der schmuddligen Schönheit von Edinburgh, hat er schon bald damit begonnen, seine Welt zu sezieren, mit spitzer Zunge und giftiger Feder – was ihn nach „Trainspotting“ in den Olymp der Vielgelesenen hievte. Es muss seine rabiate Offenheit sein, der Schock, der den Leser überfällt, wenn er Figuren vorgesetzt bekommt, die alle irgendwo zwischen ‚bemittleidenswert‘ und ‚verabscheuungswürdig‘ dahinvegetieren; Welsh zu lesen, ist so, wie Augenzeuge eines Autounfalls zu werden: Man kann auf keinen Fall hinschauen, aber noch weniger kann man wegsehen; wenn die Buchdeckel aufeinanderknallen, wickelt man sich ganz eng in seine Decke und ist froh, wieder in der eigenen, heilen Welt angekommen zu sein, wo es keine Typen wie Francis Begbie gibt und keine Bullen wie im vorliegenden „Drecksau“.

In diesem Roman nämlich nimmt Welsh die schottische Polizistenzunft aufs Korn, ach was, er richtet sie standrechtlich hin. Laut Klappentext wollte die britische Polizei Schritte gegen diesen Roman einleiten, was vielleicht einen kleinen Vorgeschmack dessen vermittelt, was einen erwartet, wenn man sich auf diesen Trip einlässt.

_Der Bock wird zum Gärtner …_

… und frisst sich satt am Salat, den er eigentlich beschützen sollte. Bruce Robertson ist langjähriger Beamter bei der schottischen Polizei, und wenn man versuchen würde, ihn angemessen zu beschreiben, müsste man sich genau der Gossensprache bedienen, die er selbst so exzessiv gebraucht. Mit milderem Wortschatz könnte man ihn als Zyniker beschreiben, verbittert bis ins Mark, korrupt, opportunistisch, intrigant, machtbesessen, frauenverachtend, mit sexuellen Vorlieben, die man versuchshalber als ‚unangenehm‘ bezeichnen könnte. „Robbo“ Robertson stiehlt sich durch seinen Polizistenalltag, klaut Wertgegenstände von Tatorten, saugt sich konfisziertes Koks selbst in die Nase, verschafft sich sexuelle Erregung, indem er Verdächtige erniedrigt, er droht Minderjährigen mit Verhaftung, es sei denn, sie lutschen ihm seinen verschorften Pimmel.

Mit Gesundheit und Hygiene von D. S. Robertson ist es nämlich ähnlich weit her, wie mit seiner moralischen Integrität: Ihn quält ein Ekzem, dass seinen gesamten, nun ja, unteren Bereich in eine verseuchte, juckende Zone verwandelt, und außerdem hat er sich einen Bandwurm eingefangen, wovon unser Vorbildbulle am Anfang des Romans allerdings noch nichts weiß.

Robertsons Frau Carole hat sich eine Auszeit von ihrem Göttergatten gegönnt, weshalb sich der Strohwitwer alleine durch den Alltag schlagen muss. Fastfood, Bier und Fußball sind an der Tagesordnung, frische Hosen finden sich im ganzen Haus nicht, und der Dreck ist so überwältigend geworden, dass Robertson sich gar nicht erst die Mühe macht, an irgendwelche Reinigungsaktivitäten zu denken. Dementsprechend muss sich Brucy-Boy mit alten Stinkehosen begnügen, in denen sein Ekzem wachsen und gedeihen kann.

Ist ihm egal, ebenso wie der Mordfall, den er aufzuklären hätte. Anstatt sich auf seine Ermittlungsarbeit zu konzentrieren, spinnt Robbo Robertson lieber an seinem Netz aus Intrigen und Lügen, um sich selbst den Weg zu einer Beförderung zu ebnen. Dabei konzentriert er sich ganz auf Wochenend- und Nachtarbeit, weil das die fettesten Zuschläge abwirft; außerdem kann er auf diese Weise ganz ungeniert bei Nutten und verzweifelten Hausfrauen vorbeischneien, um ihnen „ordentlich einen zu verlöten“, wie er sich ausdrückt.

Es ist aber nicht alles so einfach und rosig hinter seiner verkoksten Überheblichkeit; der Bandwurm in seinen Därmen wächst prächtig und drängt sich mit schlauen Kommentaren in sein Leben, Carole bleibt länger fort als erwartet, Robbos Intrigen reißen nicht nur seine Kollegen in den Abgrund, und dann scheint es da noch etwas zu geben in Brucies Vergangenheit, etwas, das er allzu gern verdrängen würde, was aus dem Unbewussten sein ganzes Leben steuert, etwas, das nur sein Bandwurm offen auszusprechen wagt … und was seinem Dasein schließlich eine entscheidende Wendung verpasst …

_Brutale Prosa vom anderen Ende der Political Correctnes._

Welsh ist ein Meister der destruktiven Stimmung. Er beherrscht es perfekt, sich auch in die abscheulichsten Figuren hineinzuversetzen, schreibt so glaubwürdig aus ihrer Perspektive, dass es dem Leser manchmal so vorkommt, als würden ihm die Charaktere ins Gesicht atmen. Die Hintergrundstory ist wichtig, zweifellos, man möchte wissen, was es mit dem Bandwurm auf sich hat und warum Carole so lange verschwunden bleibt, außerdem brennt es einem unter den Nägeln zu erfahren, wie weit Bruce Robertson es mit seinen Intrigen treiben wird. Aber das ist nicht der eigentliche Motor, der uns zum Lesen treibt. Die Figuren sind es, ihre Respektlosigkeit, ihr Zynismus und ihre Radikalität – die abartige Kreativität, die sie antreibt und zu Taten veranlasst, über die man nur geschockt staunen kann.

„Drecksau“ ist ein Ausnahmeroman eines Ausnahmeautors. Hier werden Zäune eingerissen und Gewohnheiten niedergetrampelt; Welsh treibt ganze Herden heiliger Kühe zusammen und streckt sie ohne Wimpernzucken nieder. Dieses Buch ist wie eine Achterbahnfahrt, bei der man sich garantiert vollkotzt, es ist ein extremer Trip, der schockiert und nachhält, der beängstigt und verstört. Vor allem aber ist es spürbar anders: keine Spur von gängigen Klischees, von ausgelutschten Dialogen, oder vorhersehbaren Spannungsbögen, keine Spur von Helden oder von gefälligen Konfliktlösungen.

Was wie ein Warnung klingt, ist auch eine. Für zartbesaitete Gemüter dürfte „Drecksau“ ebenso schwer verdaulich sein wie eine Pornovorführung in einer Klosterschule, aber für jeden, der sich eine ordentliche Ladung Zynismus gönnen möchte, ist „Drecksau“ genau die richtige Medizin: bitter, aber heilsam. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man hasst Welshs Romanwelten und schickt sie mit ihm zum Teufel, oder man hasst seine Romanwelten und lässt sich von ihnen in ihren dunklen Bann ziehen. Ich gehöre zur letzten Kategorie, und kann „Drecksau“ jedem mutigen Hobby-Nihilisten nur wärmstens ans Herz legen. Aber auch wenn sich Welshs Romane einer Gut/schlecht-Kategorisierung entziehen, sei hier noch erwähnt, dass „Drecksau“ eines seiner schwächeren Werke ist. „Trainspotting“, „The Acid House“ oder auch „Porno“ haben deutlich die Nase vorne, vor allem, weil es dort mehrere Figuren gibt, aus deren Perspektive geschrieben wurde, während sich „Drecksau“ auf einen kranken Bullen mit Bandwurm beschränkt.

|Originaltitel: Filth
Deutsch von Clara Drechsler und Harald Hellmann
455 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-423-20493-4|
http://www.dtv.de
http://www.irvinewelsh.com

Harris, Charlaine – Vampire schlafen fest

„Eine Serie, die süchtig macht“, steht passend auf dem Umschlag von Charlaine Harris‘ neuestem Band aus der Sookie-Stackhouse-Reihe. „Vampire schlafen fest“ heißt er und ist mittlerweile der siebte Band der Reihe. Bisher zeigt Harris kaum Ermüdungserscheinungen; sie scheint sich immer noch mit der gleichen Begeisterung in dem von ihr geschaffenen Universum zu tummeln wie vor sieben Jahren, als sie den ersten Band der Serie, „Vorübergehend tot“, zu Papier brachte. Geradezu verspielt fügt sie immer wieder neue Details hinzu und denkt sich neue Verstrickungen für die Kellnerin Sookie Stackhouse aus, die im südamerikanischen Bon Temps lebt, Gedanken lesen kann und gelegentlich mit übernatürlichen Wesen ins Bett geht.

Sookie hat zugesagt, die Königin von Louisiana auf eine Vampirkonferenz zu begleiten. Sie braucht das Geld – zwar nicht so dringend wie noch vor einigen Bänden, doch scheint die Königin eine ebenso königliche Summe zu zahlen, denn Sookie will auf die Moneten keineswegs verzichten. Das Geld sollte ihr zumindest die Tatsache versüßen, dass ihr Ex Bill mit von der Partie sein wird. Sie hat sich vorgenommen, ihn nach Gestaltwandlerart zu ignorieren, und spricht von ihm nur noch als dem „Mann, dessen Name nicht genannt wird“. Auch Eric, mit dem sie zwischendurch mal in die Kissen gesunken ist, wird mit dabei sein. Und Quinn, ihr Aktueller, ist ebenfalls geschäftlich auf der Konferenz, da er als Eventmanager diverse Hochzeiten, Gerichtsverfahren und Abendveranstaltungen auszurichten hat. Sookie wird also ausgiebig damit beschäftigt sein, sich die eine Sorte Männer vom Hals (buchstäblich) zu halten und die andere in ihr Bett zu ziehen.

Darüber hinaus geschehen in dem Hotel, in dem die Konferenz stattfindet, seltsame Dinge. Herrenlose Koffer finden sich an, eine Bombe in einer Dr.-Pepper-Dose liegt einfach in einem Blumenkübel und draußen demonstrieren die fanatischen Vampirhasser. Im Verlauf der Handlung wird es immer wahrscheinlicher, dass irgendjemand einen Anschlag auf die Konferenz plant. Nur wer? Und wann? Und mit welchen Mitteln?

Der Vorgängerband „Ball der Vampire“ schwächelte etwas; gerade der Anfang des Romans trieb etwas richtungslos dahin und man konnte sich der Befürchtung nicht erwehren, dass Harris Probleme hat, sich Handlungsstränge auszudenken, die einen 300-Seiten-Roman tragen können. „Vampire schlafen fest“ beginnt wieder beschaulich, doch nimmt Harris ihren Plot diesmal an die Kandarre. Das Häusliche, Normale, ja geradezu Spießige (diesmal in Form einer Junggesellinnenparty und einer kurzfristigen Hochzeit) wird recht kurz abgehandelt, sodass Sookie bald mit einem Tross aus Vampiren und Dämonen zur besagten Konferenz aufbrechen kann.

Außerdem beschenkt Harris ihre Hauptheldin mit einer Mitbewohnerin: Die Hexe Amelia, die im letzten Band eingeführt wurde, hat sich in Sookies Haus wohnlich eingerichtet. Die beiden sind zu Mitbewohnerinnen und Freundinnen geworden – etwas, das der Serie bisher gefehlt hat. Sookie hatte zwar schon immer weibliche Bekannte, meistens Kolleginnen oder ehemalige Schulfreundinnen. Doch bisher hatte sie nie eine beste Freundin, eine echte Kumpeline, eine weibliche Bezugsperson, mit der sie wirklich offen reden kann. Es scheint, als wäre Amelia auf dem besten Weg dazu, diese beste Freundin zu werden.

Das beschauliche Heim in Bon Temps und die neue Freundin sind allerdings schnell vergessen, als Sookie auf der Konferenz eintrifft. Wo so viele Vampire aufeinandertreffen, da müssen zwangsläufig Köpfe rollen, und so dauert es kaum ein paar Stunden, bis es die ersten Leichen gibt. Von da an wird eigentlich alles nur noch schlimmer, da es Hinweise darauf gibt, dass jemand die Konferenz stören oder zumindest einige der Teilnehmer ausschalten will. Wie immer ist es an Sookie, den Plan zuerst zu durchschauen und dann zu vereiteln, wobei man aber anmerken muss, dass Harris diesmal auf den Krimiplot kaum Wert gelegt hat. Sie hinterlässt Hinweise in blinkender Leuchtschrift und selbst völlig unbedarfte Leser werden kein Problem haben, die Verstrickungen weit vor der Protagonistin zu entwirren. Immerhin, man muss Harris Respekt zollen, dass sie den Mut hatte, die Handlung derartig aufzulösen, dass man sich unweigerlich an 9/11 und die darauffolgende Terrorpanik erinnert fühlt. Derartiges in einen Unterhaltungsroman zu packen, verlangt dem Autor und dem Leser einiges ab. Die Serie verliert damit einen Teil ihrer spritzigen Leichtigkeit, bekommt dafür aber mehr Ecken und Kanten – und damit auch Tiefe. Leider wird vieles davon in der letzten Szene des Romans revidiert, als Harris das Postulat des Kleinbürgertums wiederherstellt, dem eine Hochzeit wichtiger ist als die großen politischen Ereignisse.

Abschließend muss natürlich auch noch etwas zu Sookies Männergeschichten gesagt werden: Mittlerweile hat sie eine ziemliche Anzahl an Typen angesammelt: Bill, Eric, Alcide und jetzt Quinn. Wobei Quinn – groß, stark, glatzköpfig und ein Wertiger – irgendwie zu fröhlich und nett ist, um die geneigte Leserin bei Laune zu halten. Ja, er ist ein guter Liebhaber. Ja, Sookie hat endlich das Gefühl. mit jemandem auch etwas gemein zu haben. Und ja, Quinn kann sogar kochen. Und trotzdem, irgendwie ist Quinn langweilig, auch wenn Harris darauf hinarbeitet, ihn zu einem richtig harten Typen zu machen (so erfährt Sookie auf Umwegen, dass Quinn mehrere Jahre als eine Art übernatürlicher Gladiator Kämpfe bis auf den Tod ausgefochten hat). Immerhin nimmt Harris die Liebeswirren, die sie Sookie durchstehen lässt, selbst nicht bierernst. An einer Stelle lässt sie einen frustrierten Bill fragen, ob sich Sookie eigentlich in jeden Mann verliebt, den sie trifft. Und mal ehrlich, es gibt wohl kaum eine Leserin, die das nicht auch mal – wenigstens heimlich – gedacht hat!

„Vampire schlafen fest“ liest sich flotter als der Vorgänger. Es gibt Action, sogar richtig viel davon, wir treffen viele alte Bekannte wieder und werfen erste Blicke auf bisher unbekannte Wesen. Offensichtlich hat Harris noch lange nicht genug von ihrer paranormalen Kellnerin. Und auch die geneigte Leserin fühlt sich wieder bestens unterhalten. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass „True Blood“, die HBO-Serie, die auf den Sookie-Büchern basiert, endlich auch nach Deutschland kommt!

|Originaltitel: All Together Dead
Deutsch von Britta Mümmler
398 Seiten
ISBN-13: 978-3-423-21068-3|
http://www.dtv.de

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|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 978-3-937255-14-9
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 978-3-937255-15-6)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 978-3-937255-16-3)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 978-3-423-24474-9)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006, ISBN 978-3-423-24545-6)
6. „Definitely Dead“ ([„Ball der Vampire“, 4870 2007, ISBN 978-3-423-20987-8)
7. „All Together Dead“ („Vampire schlafen fest“, 2008)
8. „From Dead to Worse“ („Ein Vampir für alle Fälle“, Juli 2009, ISBN 978-3-423-21148-2)

|Harper Connelly|

1. „Grave Sight“ ([„Grabesstimmen“, 4704 2008, ISBN 978-3-423-21051-5)
2. „Grave Surprise“
3. „An Ice Cold Grave“

Richard Stark – Fragen Sie den Papagei [Parker 23]

Nach einem Raubzug auf der Flucht, muss Berufsverbrecher Parker in der US-Provinz mit sehr unsicheren Komplizen einen neuen Coup versuchen. Sorgfältige Planung löst sich im Chaos auf und sorgt für ein spektakuläres Ende … – Endlich ist Parker, Kultfigur des Gangsterkrimis, wieder mit neuen Abenteuern in Deutschland präsent. Er ist der alte Profi geblieben, der in kleine, schmutzige Verbrechen verwickelt wird und dem nicht selten am Ende nur das nackte Leben bleibt: ein angenehm altmodisches, spannendes, routiniert geschriebenes Lesevergnügen. Richard Stark – Fragen Sie den Papagei [Parker 23] weiterlesen

Joyce Carol Oates – Mit offenen Augen

Eigentlich führt die fünfzehnjährige Francesca ein glückliches Leben in Seattle mit ihrem älteren Bruder Todd und der kleinen Schwester Samantha. Ihr Vater Reid Pierson ist ein ehemaliger Football-Star, der inzwischen als Sportkommentator Karriere gemacht hat. Doch die Idylle zerbricht in einem Sommer: Auf einer Party will ein älterer Junge Franka zum Sex zwingen. Nur mit Mühe kann sie sich befreien und fliehen. In diesem Moment wird „Freaky Green Eyes“, ihr Alter Ego geboren, ihre starke, kämpferische Seite, die sich von niemandem schikanieren lässt.

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Harris, Charlaine – Ball der Vampire

Wenn man einmal in die Welt von Sookie Stackhouse, der gedankenlesenden Kellnerin aus dem südamerikanischen Bon Temps, eingetaucht ist, dann will man nicht so schnell in die reale Welt zurückkehren. Denn auch wenn Sookie mit ganz alltäglichen Problemen zu kämpfen hat (sie braucht eine neue Einbauküche, außerdem ist sie wie immer knapp bei Kasse und überhaupt hat sie Männerprobleme zuhauf), so ist ihre Welt doch einfach viel spannender und bunter als die, in der wir uns tagtäglich bewegen. In Sookies Umkreis tummeln sich nämlich Vampire, Gestaltwandler, Elfen und Hexen und das macht das Leben in einer provinziellen Kleinstadt doch gleich viel interessanter – wenn auch gefährlicher.

Sookie kann ein Lied davon singen. Seit der Vampir Bill in ihr Leben getreten ist, kommt sie kaum noch zur Ruhe. Erst schlüpft sie mit Bill unter die Laken, dann mit dessen Vampirvorgesetztem Eric. Als nächstes nimmt sie sich den Werwolf Alcide vor und zwischendurch muss sie ständig zusehen, dass sie nicht zusammengeschlagen, erschossen, ausgeblutet oder ihr das Dach über dem Kopf angezündet wird. Entspannend ist das sicherlich nicht!

Und so hat Sookie zu Beginn von „Ball der Vampire“, des sechsten Bands der Serie von Charlaine Harris, die Nase mal wieder gestrichen voll. Ihre große Liebe Bill hat eine neue Flamme, die er zu allem Überfluss ständig ins |Merlotte’s| schleppt und damit Sookie unter die Nase hält, was diese natürlich wenig erbaulich findet. Eric, der mittlerweile weiß, was während seines Gedächtnisverlusts zwischen ihm und Sookie passiert ist, scheint peinlich berührt ob der ganzen Geschichte und geht Sookie aus dem Weg. Und die Familie von Alcides Ex-Verlobter drängt Sookie ständig, ihnen doch zu erzählen, was mit Debbie Pelt passiert ist. Doch das wird Sookie sicherlich nicht ausplaudern wollen, schließlich ist Debbie tot und Sookie daran nicht ganz unschuldig.

Und so plätschert Sookies Leben zunächst relativ unspektakulär dahin. Um den Alltagstrott mal hinter ihr zu lassen, verabredet sie sich mit dem Wertiger Quinn, der sich als echt netter Kerl herausstellt. Durch ihre „Begabung“ schafft sie es, einen vermissten Jungen aufzufinden, bevor dieser an seiner Kopfverletzung sterben muss. Sie wartet sehnsüchtig darauf, dass ihre neue Küche eingebaut wird und sonnt sich im Garten. Und sie schafft es, Eric eine Abfuhr zu erteilen, als dieser sie in seinem Gefolge auf eine Vampirkonferenz schleppen will.

Doch dann muss Sookie nach New Orleans, um die Wohnung ihrer Cousine Hadley aufzulösen, die ihrerseits die Geliebte der frisch verheirateten Vampirkönigin von Louisiana war. Damit gehen Sookies Probleme dann los. Im Schlafzimmerschrank findet sich eine Leiche, Hadleys Vermieterin ist eine Hexe mit sonnigem Gemüt und die Königin Sophie-Anne lädt Sookie auf einen Vampirball ein. Klar, dass das nur in einer Katastrophe enden kann!

„Ball der Vampire“ geht sich gemächlicher an als die vorigen Bände der Reihe. Während der ersten einhundert Seiten ist der Roman praktisch handlungsfrei und Sookies Leben mäandert ziemlich richtungslos umher. Gerade als man anfängt, sich zu fragen, wann der Roman nun endlich an Fahrt gewinnt, passieren etliche Dinge auf einmal und die Handlung zersplittert in unzählige verschiedene Richtungen wie eine Streubombe. Man fragt sich zwangsläufig, wo Charlaine Harris nun eigentlich hin will. Da ist die Episode mit dem verschwundenen Kind, das Sookie wieder auffindet, und später die Fehlgeburt von Jasons Freundin Crystal. Beide Handlungsstränge, denen durchaus viel Raum eingeräumt wird, führen innerhalb des Romans nirgendwo hin, und man fragt sich verwirrt, welchen Sinn sie erfüllen sollen. Die Haupthandlung jedenfalls, Sookies Reise nach New Orleans, beginnt erst, als schon ein Drittel des Romans vorüber ist.

Da wird es dann aber auch endlich wieder gewohnt spannend. New Orleans durch Sookies (bzw. Harris‘) Augen zu sehen, ist ein sehr plastisches Erlebnis, und schon die reine Tatsache, dass die Handlung den gewohnten Boden von Bon Temps verlässt, gibt dem Plot ein gewisses Flair von Abenteuer. Die Charaktere, auf die Sookie dann in New Orleans trifft, sind echte Unikate. Da wäre zum Beispiel Amelia, die Hexe, die Hadley ihr Apartment vermietet hat. Sie ist ein bisschen naiv und leichtgläubig, aber trotzdem unglaublich liebenswert, charmant und hilfsbereit. Und auch die Vampirkönigin selbst ist eine geheimnisvolle und beeindruckende Persönlichkeit, die weniger furchteinflößend als ehrfurchtgebietend wirkt.

Hier erlaubt sich Harris dann auch einen kleinen Scherz, denn sie bedient sich großzügig des Plots von Dumas‘ „Die drei Musketiere“, wenn es um den Vampirball geht. Ähnlich wie bei Dumas muss die Königin hier nämlich unbedingt ein Armband tragen, das ihr Gemahl ihr zum Geschenk gemacht hat. Doch das Armband hatte Hadley, und da diese nun tot ist, weiß niemand, wo es sich befindet. Eine verzweifelte Suche beginnt, denn wenn Sophie-Anne ohne das Armband auf dem Ball erscheinen sollte, würde ihr Mann dies zum Anlass für einen Krieg unter der Vampiren nehmen. Und natürlich wird gerade die arme Sookie eingespannt, um die Situation zu retten.

Auch in „Ball der Vampire“ hat Sookie natürlich wieder einen Verehrer. Diesmal handelt es sich um den Wertiger Quinn, den sie beim Kampf um die Werwolfnachfolge kennengelernt hatte. Quinn scheint wirklich an Sookie interessiert, und auch diese ist alles andere als abgeneigt, denn Quinn ist nicht nur gutaussehend, sondern auch noch ein echter Charmeur. Quinn soll sie über ihre eher tragischen Liebesbeziehungen hinwegtrösten, denn Sookie hat offensichtlich ihre bisherigen Männergeschichten noch nicht ganz verwunden, denn besonders die Trennung von Bill – ihrer ersten großen Liebe – schmerzt sie noch immer. Und in New Orleans wird sie einiges über Bill erfahren, das die Wunde, die er ihr geschlagen hat, nur noch vergrößern wird.

Es lässt sich nicht leugnen, dass „Ball der Vampire“ anfangs etwas schwächelt und die Handlung nur schleppend in Gang kommt. Doch wenn sie dann endlich Fahrt aufnimmt, findet Harris schnell ihre alte Form wieder und lässt Sookie gefährliche Abenteuer und romantische Dates mit nicht ganz menschlichen Männern erleben. Wie immer besticht hier vor allem die perfekte Mischung aus Action, Mystery, Romantik und einem guten Schuss Humor. Harris nimmt ihre Welt nie allzu ernst, und so wird es dem Leser leichtgemacht, sich in ein leichtfüßiges Leseabenteuer zu stürzen, das – wie immer – viel zu schnell vorbei ist.

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_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 3937255141
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 393725515X)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 3937255168)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 3423244747)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006 ISBN 342324545X)
6. „Definitely Dead“ („Ball der Vampire“, 2007 ISBN 3423209879)
7. „All Together Dead“ („Vampire schlafen fest“, 2008)
8. „From Dead to Worse“

|Harper Connelly|
1. „Grave Sight“ ([„Grabesstimmen“, 4704 2008 ISBN 978-3-423-21051-5)
2. „Grave Surprise“
3. „An Ice Cold Grave“

Harris, Charlaine – Grabesstimmen (Harper Connelly 1)

_Harper Connelly_ ist eine ziemlich außergewöhnliche junge Frau, denn als junges Mädchen wurde sie vom Blitz getroffen. Sie überlebte nur mit Glück, kann seither jedoch die Anwesenheit von Toten spüren und deren letzte Minuten nachempfinden. Zusammen mit ihrem Bruder Tolliver hat sie diese Gabe zur Geschäftsidee entwickelt, und so tingeln die zwei durch die Vereinigten Staaten, um ihre Dienste feilzubieten.

Zu Beginn von Charlaine Harris‘ neuem Roman „Grabesstimmen“ verschlägt es Harper und Tolliver ins verschlafene Städtchen Sarne. Dort wurden sie von der einflussreichen Sybil Teague engagiert, um die Leiche der jungen Teenie zu finden. Diese war vor einiger Zeit zusammen mit ihrem Freund Dell, pikanterweise Sybils Sohn, verschwunden. Dells Überreste wurden gefunden, Teenies nicht – und so geht die Polizei davon aus, dass Dell Teenie ermordet hat, nur um sich danach selbst zu töten.

Tatsächlich findet Harper Teenies Leiche ohne Probleme, doch verkompliziert sich der Einsatz, als immer klarer wird, dass sowohl Teenie als auch Dell ermordet worden sind. Als dann ein weiterer Mord geschieht, finden sich Harper und Tolliver plötzlich in der sprichwörtlichen Schusslinie wieder und sehen sich also gezwungen, Licht in die ganze Geschichte zu bringen.

_Charlaine Harris‘ Romane_ haben leider reichlich spät die Reise über den großen Teich angetreten: Ihr erstes Buch veröffentlichte sie bereits 1981, doch erst 2004 wurde der erste Roman ihrer Serie um die Kellnerin Sookie Stackhouse ins Deutsche übersetzt. Es scheint so, dass ihre unterhaltsame Mischung als Mystery, Krimi und Humor, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Erotik, auch hierzulande eine treue Fangemeinde gefunden hat. Zumindest legt der Entschluss ihres Verlages |dtv| (zuvor bei |Feder & Schwert|), eine weitere ihrer Romanserien zu herauszubringen, diesen Schluss nahe. Und auch „Grabesstimmen“ wird zweifellos eine wohlwollende Leserschaft finden, denn Harris schafft es, sich selbst treu zu bleiben, ohne sich zu wiederholen. So kann man die Autorin der Sookie-Bücher problemlos in „Grabesstimmen“ wiedererkennen, und doch hat sie keinen billigen Abklatsch ihrer Vampirserie geschrieben.

Das Verhältnis Mystery/Krimi ist hier im Gegensatz zu den Sookie-Romanen spiegelverkehrt. Abgesehen von der Tatsache, dass Harper Leichen aufspüren und auf geheimnisvolle Weise deren letzte Momente nachempfinden kann, bleibt Harris konsequent in der „realen Welt“. Harpers Fähigkeit ist nur etwas mehr als der übliche Spleen eines jeden Detektivs – der eine züchtet Rosen und der nächste raucht Schaumpfeife. Heutzutage muss man sich also Autor schließlich schon etwas Besonderes für seinen Protagonisten ausdenken! „Grabesstimmen“ kommt also als straff durchkomponierter Krimi mit Mystery-Einschlag daher und bietet den Fans beider Genres genug, um sie durchgehend zu unterhalten.

Harris’ Spezialität ist die Beschreibung hinterwäldlerischer Südstaatennester, und auch in „Grabesstimmen“ hat sie mit Sarne wieder ein solch verqueres Stück Provinz beschrieben. Der Ort lebt im Sommer von Touristen, und die Einwohner sind sich nicht zu schade, sich in rüschige Kostüme zu werfen und in Touristenfallen Kuchen und sinnlose Souvenirs zu verkaufen. In den Wintermonaten werden die Bürgersteige jedoch hochgeklappt und Sarne präsentiert sich als das, was es in Wahrheit ist: ein ziemlich gottverlassenes Provinznest, bewohnt von Landeiern, die glauben, am Nabel der Welt zu leben. Und so wundert es kaum, dass die seltsame Harper zunächst auf Unverständnis, dann auf Ablehnung und schließlich auf offene Feindschaft stößt. Es fällt den Einwohnern leicht, sie als Außenseiterin zu brandmarken, und schlussendlich würden sie am liebsten ihr und ihrem Bruder die Mordserie in die Schuhe schieben. Wie auch schon in ihren Sookie-Romanen, legt Harris den Finger in die Wunde und zeigt Kleingeistigkeit und Provinzialität in all ihrer Härte.

Dabei kommt ihr auch ihre große Begabung zupass: überzeugende und lebensechte Charaktere zu erfinden. Das zeigt sich vor allem in Harper und Tolliver. Die beiden sind Halbgeschwister, deren Eltern sich ins Nirwana getrunken haben. Die harte Kindheit hat beide zusammengeschweißt, und diese ungewöhnliche Geschwisterliebe blitzt in jeder ihrer Szenen durch. Harris schafft es, ihre Beziehung glaubwürdig und trotzdem nicht kitschig wirken zu lassen. Der Leser erfährt einiges über Harpers und Tollivers Vergangenheit, und die Tatsache, dass diese Einschübe mitunter etwas gekünstelt und forciert wirken, ist das einzige Manko des Romans.

Harris‘ Begabung für Charakterstudien zeigt sich auch in diversen Nebenfiguren. Sie hat offensichtlich ein Faible dafür, nervtötende und (fast) überzeichnete Figuren zu erfinden, die nicht nur den Protagonisten, sondern auch dem Leser auf den Wecker fallen – unterhaltsam auf den Wecker fallen, wohlgemerkt. Einer dieser Charaktere ist die junge Mary Nell, ein Teenager im anstrengendsten Alter, die sich sofort unsterblich in Tolliver verliebt und gleichzeitig in Harper eine Konkurrentin um Tollivers Gunst sieht. Mary Nell biedert sich bei Tolliver an und fährt bei Harper die Krallen aus – ein Verhalten, das durchaus seine komischen Momente hat, auch wenn man Mary Nell hauptsächlich am Kragen packen und kräftig schütteln möchte.

_“Grabesstimmen“_ ist ein überaus kurzweiliger und spannender Krimi mit Mystery-Elementen und einem Protagonisten-Paar, das mit Charme, Witz und Charakterstärke schnell die Sympathien der Leser gewinnen wird. Dazu kommt ein Krimiplot um eine steigende Anzahl von Leichen, der sich zwar lange nicht mit den Größen des Genres messen kann, aber doch ein unterhaltsames Rätselspiel für zwei oder drei vergnügliche Leseabende bietet.

Eine Warnung am Schluss: Schwangere sollten sich von dem Roman unbedingt fernhalten. Harris hat für ihre Charaktere fast durchgehend Namen an der Schwelle der Erträglichkeit gewählt. Alle, die auf der Suche nach Babynamen sind, sollten also einen Bogen um „Grabesstimmen“ machen. Denn wer will schon sein Kind Harper, Tolliver, Teenie, Dell, Vernon oder Hollis nennen …

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_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 3937255141
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 393725515X)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 3937255168)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 3423244747)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006 ISBN 342324545X)
6. „Definitely Dead“ („Ball der Vampire“, 2007 ISBN 3423209879)
7. „All Together Dead“ („Vampire schlafen fest“, 2008)
8. „From Dead to Worse“

Die Sookie-Stackhouse-Reihe wird momentan als TV-Serie unter dem Titel „True Blood“ von HBO verfilmt. Regie führt Alan Ball (Six Feet Under). Sookie Stackhouse wird von Anna Paquin („Das Piano“, ‚Rogue‘ in „X-Men“ 1-3) gespielt, Bill von Stephen Moyer („Land of the Blind“, „88 Minuten“).

William Nicholson – Sucher (Der Orden der Edlen Krieger I)

Sucher ist nicht gerade glücklich über seine Zukunftsaussichten. Sein Vater hat vorgesehen, dass Sucher als Jahrgangsbester die Schule abschließen und seinem Vater irgendwann auf den Posten des Schuldirektors folgen soll. Dabei wäre Sucher viel lieber ein Noma, einer vom Orden der edlen Krieger. Als sein Bruder Flamme vom Orden wegen Verrat ausgestoßen wird, beschließt Sucher, sich seinem Vater zu widersetzen und in den Orden einzutreten, um den Grund für diese Ungerechtigkeit herauszufinden. Doch der Orden lehnt ihn ab.

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Laura Gallego García – Finis mundi oder Die drei magischen Amulette

Michel ist um Haaresbreite der Zerstörung seines Klosters entgangen. Gerettet hat er außer seinem Leben nur eine kostbare Handschrift mit Kommentaren zur Apokalypse und, was weit wichtiger ist, ein paar lose Blätter mit der Niederschrift eines alten Einsiedlers aus Thüringen. Die Niederschrift besagt, dass zum Jahrtausendwechsel die Welt untergehe. Es sei denn … jemand finde die drei Achsen der Zeit, bringe sie zusammen und rufe den Geist der Zeit an, um der Menschheit weitere tausend Jahre Frist zu erflehen, in der sie sich zum Besseren verändern könne!

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Harris, Charlaine – Vampire bevorzugt

Band 1: [„Vorübergehend tot“ 788
Band 2: [„Untot in Dallas“ 939
Band 3: [„Club Dead“ 1238
Band 4: [„Der Vampir, der mich liebte“ 2033

„Vampire bevorzugt“ ist der fünfte Streich von Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse. Und bevor irgendwelche falschen Vorstellungen aufkommen: Wie auch schon im Vorgängerband, ist der Titel unglücklich gewählt. Denn wenn Sookie in den vergangenen Bänden etwas gelernt hat, dann auf jeden Fall, dass Vampire nicht zu bevorzugen sind. Leider hat sich |dtv| nicht auf die Masche der Autorin eingelassen, in jedem Titel das Wort „dead“ vorkommen zu lassen. Das führt leider dazu, dass die deutschen Titel reichlich hölzern und unhandlich wirken. Doch sollte man sich davon nicht abhalten lassen (genauso wenig wie vom Glitter auf dem Cover) und „Vampire bevorzugt“ möglichst an einem freien Wochenende zu Hand nehmen. Denn eines kann Charlaine Harris garantieren: dass man ihre Bücher so schnell nicht aus der Hand legt!

Um auf die Vampire zurückzukommen: Da wäre zunächst Bill, der es sich mit Sookie verscherzte, als er mit seiner Meisterin in die Laken hüpfte. Und dann wäre da noch Eric, der nordische (und untote) Sexgott, der sich während seines Gedächtnisverlustes zwar zum perfekten Liebhaber entwickelte, aber nach der Aufhebung des Fluchs keinerlei Erinnerung mehr daran zu haben scheint, dass er zusammen mit Sookie sämtliche Stellungen des Kamasutra ausprobiert hat. Kurzum: Sookie hat die Nase voll. Sie will einfach nur in Ruhe gelassen werden, zur Arbeit gehen und sich vielleicht ein neues Auto kaufen.

Doch das wäre natürlich kein Stoff für einen Roman. Stattdessen stellt sich heraus, dass in Bon Temps, Sookies provinziellem Heimatort, ein Unbekannter auf Gestaltwandler schießt. Als es auch ihren Boss Sam erwischt (der sich gern mal in einen Collie mit samtweichem Fell verwandelt), muss Sookie nach Shreveport fahren und Eric um einen Ersatzbarkeeper bitten. Der stellt ihr Charles Twining zur Verfügung, einen charmanten Piraten mit Augenklappe, der nur deshalb keinen Papagei auf der Schulter trägt, weil das Halten von Tieren in einer Bar mit zu hohen Auflagen verbunden ist. Charles, charmant und ein echter Haudegen, ist natürlich eine fleischgewordene Anspielung auf einen gewissen Piratenfilm, der in den letzten Jahren mit ziemlichem finanziellen Erfolg gesegnet war. Unser Vampir hatte sogar mal die Gelegenheit, nach Tortuga zu segeln. Wenn das kein Glück ist …

Charles soll eigentlich in der Abstellkammer des „Merlotte’s“ schlafen, doch Sam überredet Sookie, den Vampir mit zu sich nach Hause zu nehmen. Das erweist sich durchaus als sinnvoll, denn gleich in derselben Nacht legt jemand Feuer an Sookies Haus. Charles kann den Brandstifter festsetzen, bricht ihm aber im Eifer des Gefechts das Genick. Sookie hat den Toten noch nie gesehen, warum sollte dieser also ihr Haus anstecken?

Es geht ähnlich rasant weiter: Alcide, Sookies Werwolf-Bekannter, versucht ständig, ihr Avancen zu machen und schleppt sie zu Veranstaltungen seiner Werwolf-Gemeinde, die sie lieber nie gesehen hätte. Eric versucht dauernd, sie zu überreden, ihm doch zu erzählen, was während der Zeit seines Gedächtnisverlusts zwischen ihnen passiert ist. Bill ist hauptsächlich deprimiert, aber trotzdem immer zur rechten Zeit am rechten Ort. Und schließlich wird auch noch Sookie selbst angeschossen, als sie ihre Bücher zur Bibliothek bringen will.

Man sieht, als Leser hat man – wie Sookie selbst auch – auf den 300 Seiten des Romans kaum Zeit, einmal durchzuatmen. Charlaine Harris scheint mit jedem Band mehr Freude daran zu finden, ihre Handlung flott voranzutreiben und damit ein hohes Tempo vorzulegen. Dabei entfernt sie sich immer mehr vom Schnulzencharakter des ersten Bandes und setzt stattdessen auf Action, Mystery und fesselnde Charaktere. Das soll natürlich nicht heißen, dass die Romantik ganz flöten ginge, im Gegenteil: So viele Männer wie in „Vampire bevorzugt“ hat Sookie wohl noch nie geküsst. Sämtliche männlichen Supras in ihrer näheren Umgebung scheinen magisch von ihr angezogen und Sookie kann sich all der Avancen kaum erwehren. Doch läuft die Buhlerei um ihre Gunst kaum auf eine heiße Affäre hinaus. Vielmehr hat man als Leser den Eindruck, dass sie Exposition für viele neue Probleme in zukünftigen Bänden ist. Man darf also gespannt sein!

Harris‘ Pool an Charakteren und übernatürlichen Gattungen erweitert sich ständig, und es ist eine wahre Freude, ihr bei der Entwicklung ihres Romankosmos zuzuschauen. Ihre Figuren werden dreidimensionaler und Sookie ist im fünften Band weit entfernt von der scheuen und sozial zurückgezogenen Kellnerin, die sie noch im ersten Band war. Ähnliches könnte man über einen Großteil von Harris‘ Charakteren sagen – ihre Welt wird mit jedem Roman kompletter, bunter, aber auch gefährlicher. Sookie gerät ins Schussfeld von immer mehr konkurrierenden Gruppierungen und damit erhöht sich selbstverständlich auch die Spannung für den Leser. Trotzdem verliert Harris nie den Sinn für Humor und Ironie. Sie schafft es sogar, ihre eigene Schreibe auf die Schippe zu nehmen; inwiefern, wird der Leser aber erst erfahren, wenn am Ende des Romans der Bösewicht enthüllt wird.

Bis dahin kann man nur wünschen: Gute Unterhaltung!

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Herbie Brennan – Der Elfenpakt (Faerie Wars 3)

Band 1: „Das Elfenportal“
Band 2: „Der Purpurkaiser“

Wieder einmal haben Henry, Pyrgus und Holly Blue Lord Hairstreak einen Strich durch die Rechnung gemacht, als Pyrgus zu Blues Gunsten abgedankt hat. Aber selbstverständlich ist Lord Hairstreak deshalb keineswegs bereit aufzugeben! Immerhin ist die neue Kaiserin nur ein Kind … Leider hat er seit neuestem das Problem, dass seine bisherigen Verbündeten auf einmal alle mit den Lichtelfen über einen Nichtangriffspakt verhandeln wollen!

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Kevin Crossley-Holland – Artus – Der magische Spiegel (Band 1)

Wer sich einmal etwas näher mit der Artus-Sage befasst hat und einen der unzähligen Romane zu diesem bereits unzählige Male verarbeiteten Thema gewälzt hat, wird der Geschichte sicherlich kaum noch etwas abgewinnen können. Schließlich unterscheiden sich die verschiedenen Abhandlungen nur in geringen Details voneinander. Warum also jetzt einen weiteren Anlauf starten, gerade wo die hier vorliegende Auflage in erster Linie auf ein eher jugendliches Publikum zugeschnitten ist? Nun, ganz einfach: Autor Kevin Crossley-Holland betrachtet die Sage aus einer ganz anderen Perspektive und kopiert die vielen Vorlagen nicht blindwegs nach. In seiner mittlerweile schon zum dritten Mal aufgelegten Trilogie (hier erstmals im Taschenbuchformat erhältlich) beschreibt er die Geschichte aus der Sicht des jungen Artus. Und dies liest sich im ersten Band „Der magische Spiegel“ wie folgt:

Story

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Frank Beddor – Das Spiegellabyrinth

Der britische Autor Lewis Carroll schuf mit „Alice im Wunderland“ (1865) und dem Nachfolger „Alice hinter den Spiegeln“ (1871) zwei heute als Klassiker geltende Werke der Kinder- und Jugendliteratur. Auch jenseits dieser Alterklasse erfreuten und erfreuen sich diese Bücher großer Beliebtheit. Dies liegt vor allem an der fantasievollen Gestaltung des Wunderlands und seiner „Bewohner“. Mathematische Logik scheint in dieser Welt nicht zu existieren, weshalb es dort vor Absurditäten und Ungereimtheiten nur so wimmelt. So lieferten die Romane sowohl Gesprächsstoff für Intellektuellen-Diskussionsrunden, die sich gegenseitig naturwissenschaftliche Formeln um die Ohren hauen konnten, um zu beweisen, dass dieses oder jenes Ereignis der Handlung nicht möglich ist, als auch für jüngere Leser, die sich einfach nur über die lustigen Charaktere und deren Verwandlungen und Veränderungen austauschen konnten.

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Praxenthaler, Matthias – Horst der Held

Horst Gurk ist nicht gerade ein Name von heldenhafter Ausstrahlung. Jemand, der 1970 noch auf den Namen Horst getauft wird, dessen Eltern können nur der Gipfel deutschen Mittelschicht-Spießertums sein. Das Gefühl hat auch Horst Gurk, Protagonist und titelstiftender „Held“ von Matthias Praxenthalers Roman „Horst der Held“.

„Horst der Held“ ist kein neuer Roman. Praxenthaler veröffentlichte ihn erstmals 1998 im Selbstverlag, um ihn anschließend in den Straßen Münchens eigenhändig zu verkaufen. Laut eigenem Bekunden verkaufte er rund 1500 Exemplare und benutzt die übrigen ca. 5842 Exemplare seither als Bett, worauf es sich angeblich vorzüglich schläft.

Wie man sich bettet, so liest man (oder hieß das anders?) und so soll im nun Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob sich „Horst der Held“ als Lektüre gleichermaßen eignet wie zum Bettenbau.

Horst Gurk wird direkt in die wilden 70er hineingeboren – wobei selbige zugegebenermaßen in seinem Elternhaus alles andere als wild ausfallen. Horsts Vater ist Beamter im Postministerium, seine wehrte Gattin noch eine waschechte Hausfrau und das Häuschen im rheinischen Troisdorf eine Ausgeburt provinziellen Spießbürgertums und kleinbürgerlicher Mittelmäßigkeit.

Horst hat keine leichte Kindheit. Dank Segelohren, Zahnspange und Brille gibt er von der ersten Klasse an das perfekte Opfer diverser Schülerspäße ab. Horst wird zum Einzelgänger, was sich auch später auf dem Gymnasium nicht mehr ändern soll. Keine Freunde, keine Partys, kein erster Sex und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, nerven ihn seine Eltern mit ihrer Spießigkeit.

Erst mit 22 scheint sich das Blatt zu wenden. Horst, mittlerweile Maschinenbaustudent (aber selbstverständlich immer noch zu Hause wohnend), beschließt, seiner Jungfräulichkeit mit einem Puffbesuch ein feierliches Ende zu setzen. Und wie das Glück es so will, ist Horst der Zehntausendste Besucher des Troisdorfer Puffs und gewinnt zur Belohnung eine Reise nach Vietnam. Dieser Trip entpuppt sich als ungeahntes Abenteuer und verwandelt Horst schon bald darauf in einen wahrhaftigen Helden …

Schon die ersten Seiten offenbaren, dass „Horst der Held“ absolut erheiternde Lektüre ist. Praxenthaler skizziert Horsts Kindheits- und Jugendjahre und bestraft den armen Horst mit jeder Facette deutschen Spießbürgertums. Die Eltern sind langweilig, religiös und ein harter Brocken für jemanden, der zu Zeiten aufwächst, in denen Coolness ein stetig bedeutender werdender Faktor ist. Horsts Eltern sind all das, was man sich an gebündelter Spießigkeit überhaupt vorstellen kann.

Man bekommt als Leser viel zu Lachen. Praxenthaler formuliert gewitzt und kurzweilig und weiß schon mit so mancher Formulierungsart zu erheitern. Sein Humor ist ein sehr direkter und so konfrontiert er den Leser geradeheraus mit der Lachhaftigkeit seiner Figuren und dem Humor, welcher der langweiligen Alltäglichkeit ihres Daseins innewohnt.

Freunde des feinsinnigeren Humors werden Praxenthalers Roman aber vermutlich nicht über die ganze Länge als besonders erheiternd empfinden. Es ist schon recht derbe, was der Autor teilweise an Humor auspackt, und als dann schon nach wenigen Seiten der Troisdorfer Schlachter seiner Frau in einem alkoholgeschwängerten Wutanfall eine Brust mit dem Schlachtermesser abschneidet, bekommt man einen Vorgeschmack darauf, wie derbe Praxenthaler wirklich werden kann.

Praxenthaler wandelt mit seinem Humor eng an der Grenze des guten Geschmacks, und so versammelt sein Roman zum Schreien komische Momente neben überzogenen und derben Witzen, über die wohl so mancher streiten mag, ob das alles noch wirklich lustig ist. Wandelt er anfangs noch leichtfüßig durch die Kapitel, so wird der Humor mit zunehmender Derbheit auch schwerfälliger. Die unelegante Art, mit der Praxenthaler sich Horsts Eltern vom Hals schafft, wirkt genauso wenig komisch wie das völlig überzeichnete Finale.

Was so herzerfrischend lustig und locker anfängt, wird mit zunehmender Seitenzahl brachialer und unlustiger. Mangelnden Realismus sollte man einem Roman dieser Art sicherlich nicht ankreiden, um sich nicht gänzlich mit humorlosen Moralisten in eine Reihe zu stellen, dennoch kommt man nicht umhin, zu kritisieren, dass Praxenthalers Humor anfangs, als er es noch schafft, die Spießbürgerlichkeit der deutschen Provinz zu karikieren, wesentlich lustiger und bodenständiger ist. Je abgedrehter sich aber die Handlung entwickelt, desto weniger vermag der Humor zu belustigen.

Ansonsten ist „Horst der Held“ ein Roman, der außer knapp 200 Seiten humoristischer Abhandlung nicht viel zu bieten hat. Entweder man kann über Praxenthalers Humor lachen und amüsiert sich köstlich oder man liest ungeduldig weiter bis zum Ende, um herauszufinden wie tief das Humorniveau wohl noch sinken mag. Immerhin ist man nicht so leicht geneigt, die Lektüre abzubrechen, denn Praxenthaler schreibt so locker drauflos, dass man als Leser absolut keine Mühe hat zu folgen. Und so bleibt „Horst der Held“ letztendlich unterhaltsame Lektüre, aber eben auch nicht immer unbedingt lustig.

Bleibt als Fazit festzuhalten, dass Praxenthaler in „Horst der Held“ einige absolut irrsinnig komische Momente zu Papier gebracht hat. Streckenweise macht der Roman wirklich Vergnügen, aber je mehr Praxenthaler in die Schiene des derben, geschmacklosen Humors abrutscht, desto unlustiger wird er leider auch. „Horst der Held“ ruft also gemischte Gefühle wach und bleibt als durchaus locker-flockige Lektüre im Gedächtnis, die aber ihr humoristisches Potenzial der ersten Kapitel im weiteren Verlauf leider verspielt.

Website des Autors:
[www.praxvalley.de]http://www.praxvalley.de/

Henrike Wöbking – Auf Eis

Frauen und Eishockey – das passt so gut zusammen wie saure Gurken mit Sahne, möchte man zumindest meinen. Doch Henrike Wöbkings aktuelles Buch beweist das Gegenteil. Wöbking legt mit „Auf Eis“ ihren inzwischen zweiten Roman vor und schafft es, ein Frauenbuch zu schreiben, ohne auf die typischen Klischees zurückzugreifen. Zwar stehen auch hier wieder Männer im Mittelpunkt, doch spielen diese nicht deshalb eine Rolle, weil sie verdammt gut aussehen, sondern weil sie gute Eishockeyspieler sind.

Henrike Wöbking – Auf Eis weiterlesen

Robert Louis Stevenson/Lloyd Osborne – Der Ausschlachter

Stevenson Ausschlachter Cover kleinZwei unerfahrene Freunde kaufen ein Wrack, an dessen Bord sie einen Schatz vermuten. Finstere Konkurrenten, die Südsee-Fremde und andere Schwierigkeiten bescheren ihnen statt eines Vermögens vor allem immer neue Abenteuer … – Der von Autor Stevenson und seinem Stiefsohn verfasste Roman ist ein vergnügliches, Komplikation auf Verwicklung häufendes Abenteuer mit sachter Sozialkritik.
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Harris, Charlaine – Vampir, der mich liebte; Der

„Der Vampir, der mich liebte“ ist mittlerweile der vierte Roman aus Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse. In den vergangenen drei Bänden konnte der geneigte Leser Sookies Wandlung vom schüchternen Mauerblümchen zur heißen Vampirgeliebten verfolgen – mit all den Nebenwirkungen, die so eine Beziehung mit sich bringt. Sookies Romanze mit dem Vampir Bill hat ihr zwar in Sachen Sex die Augen geöffnet (und dafür gilt es durchaus, dankbar zu sein), doch gleichzeitig führt sie zu einigen Beinahe-Zusammenstößen mit dem Tod. Da Bills Vampirvorgesetzter Eric Sookies Gedankenleserei nur zu gern für seine Zwecke einsetzt, landet sie mit schöner Regelmäßigkeit in potenziell tödlichen Situationen und wird zusammengeschlagen, gebissen und herumgeschubst.

Am Ende des dritten Bandes „Club Dead“ hatte Sookie nun die Nase voll. Sie will all diese Vampire und Gestaltwandler einfach nur noch aus ihrem Leben haben und beendet ihre Beziehung zu Bill. Für das neue Jahr nimmt sie sich vor, nicht wieder zusammengeschlagen zu werden. Doch entwickelt sich Sookies Leben in „Der Vampir, der mich liebte“ natürlich nicht zu einem erholsamen Kaffeekränzchen. Als sie von der Neujahrsfeier im „Merlotte’s“ nach Hause kommt, liest sie einen halbnackten Vampir auf der Straße auf. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich dieser als Eric, der Besitzer der Vampirbar in Shreveport. Der selbstbewusste und von seinen Reizen überzeugte Eric hat sein Gedächtnis verloren, was zu einer interessanten Nebenwirkung führt: Er wird nett und umgänglich und Sookie fühlt sich immer mehr von ihm angezogen.

Die Vampire in Shreveport sind außer sich, als sie von Erics Veränderung erfahren. Scheinbar hat sich ein Hexenzirkel im Gebiet breit gemacht und will nun die Geschäfte nicht nur der Vampire, sondern auch der Werwölfe übernehmen. Da Eric sich weigerte, seine Bar aufzugeben, wurde er mit einem Fluch belegt. Erics Untergebene organisieren einen Großangriff auf die Hexen und verstecken derweil ihren Anführer bei Sookie, um ihn aus der Schusslinie zu bringen.

Es kommt, wie es kommen muss: Während Sookie Erics unwiderstehlichen Reizen erliegt, verschwindet ihr Bruder, werden einige Gestaltwandler in Shreveport blutig niedergemetzelt, macht ein Werwolf ihr Avancen und es geht generell heiß her. Ob Sookie ihren Vorsatz fürs neue Jahr halten kann, muss der Leser allerdings selbst herausfinden.

Mit „Der Vampir, der mich liebte“ ist die Romanreihe um Sookie vom kleinen Verlag |Feder & Schwert| zum großen |dtv| gewandert, der für den unhandlichen und lieblosen Titel verantwortlich zeichnet. (Im Original führen alle Romane das Wort „dead“ im Titel.) Das lässt zunächst auf nichts Gutes hoffen. Zum Glück aber werden diese Ängste schnell beruhigt. Die Übersetzung von Britta Mümmler ist absolut flüssig und macht den Roman auch in der deutschen Fassung zum Pageturner. Und auch Charlaine Harris selbst hat mal wieder einen Schmöker allererster Güte vorgelegt.

Zwar verschwindet der Gut-Vampir Bill recht schnell von der Bildfläche, er wird jedoch elegant durch Eric ersetzt, der in diesem Band nun endlich zum Zuge kommt (im wahrsten Sinne) und zu einem Hauptcharakter avanciert. Während Bill ein Frauenversteher ist, ist Eric ein Charmeur, ein Verführer und ein Sexgott. Über drei Bände hinweg musste die weibliche Leserschaft darauf hoffen, mehr von ihm zu sehen und hier endlich übergibt Harris dem blonden Vampir die Bühne. Zwar hat sein Gedächtnisverlust zu einigen Charakterveränderungen geführt, doch ist er immer noch ein Traum von einem Mann und im Bett kaum zu schlagen, wie Sookie bald selbst am eigenen Leibe feststellen darf. Selbst eingefleischte Bill-Fans werden einsehen müssen, dass es zwischen Sookie und Eric aufs Heftigste knistert – ein wahres Fest für die geneigte Leserin.

Auch Harris‘ romaneigene Mythologie wird weiter ausgebaut. Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe wurden bereits in den vergangenen Bänden eingeführt. Nun sind die Hexen und Wiccas dran. Zwar stellen sie eine große Gefahr dar, doch dies resultiert hauptsächlich aus der Tatsache, dass man nicht recht weiß, welche Begabungen und Fähigkeiten sie besitzen. Harris hält sich hier also noch alle Türen offen und man darf hoffen, dass sie in Zukunft noch etwas näher auf die Hexen eingehen wird.

Doch wie steht es eigentlich mit der Entwicklung von Harris‘ Hauptfigur Sookie? Es ist schon erstaunlich, welche Wandlung sie in den vergangenen Romanen durchgemacht hat. Auf Grund ihrer Behinderung (das Gedankenlesen) schüchtern, unerfahren und mit nur wenigen sozialen Bindungen, hat sie sich mittlerweile zu einem heißen Feger mit etlichen Verehrern entwickelt. Zwar sind alle diese Verehrer Supras (also Übernatürliche), aber immerhin. Was sich jedoch nicht geändert hat, ist Sookies freche Schnauze. Immer noch mit viel Verve und trockenem Humor erzählt sie von ihren Abenteuern und wie sie sich mehr schlecht als recht finanziell über Wasser hält. Denn im Grunde ist Sookie eine ganz normale junge Frau mit alltäglichen Problemen. Sie hat zu wenig Geld, ihr Auto ist ein reiner Schrotthaufen, ihr Job stresst sie und ihre Beziehungen gehen in die Brüche. Nur hat sie es darüberhinaus mit lauter Vampiren und Werwölfen zu tun, was all ihre anderen Probleme nur noch verkompliziert.

Charlaine Harris‘ Vorrat an Ideen scheint unerschöpflich. Mit jedem Band werden ihre Romane flotter und unterhaltsamer, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Ihre Charaktere, obwohl bis zu einem gewissen Grad stereotyp, bleiben trotzdem immer liebenswert und überzeugend, und man kann nicht anders, als mit der gutmütigen Sookie mitzufiebern. Harris‘ Universum gewinnt immer mehr an Tiefe und Farbenfreude, je mehr übernatürliche Wesen es bevölkern. Bisher wirkt es damit auf keinen Fall überladen oder forciert. Trotz des hölzernen deutschen Titels ist „Der Vampir, der mich liebte“ also wieder eine absolute Leseempfehlung!

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