Mrs. Elizabeth Bright Murdock beauftragt PHILIP MARLOWE damit, eine gestohlene seltene Goldmünze, die wertvolle Brasher-Dublone aus dem 18. Jahrhundert, wieder zu finden. Sie ist fest davon überzeugt, dass sie von Linda Murdock – ihrer verhassten Schwiegertochter – gestohlen worden ist. Mrs. Murdock will keine Täterüberführung mit Verhaftung; vielmehr soll MARLOWE eine – möglichst kostenlose – Scheidung Lindas von ihrem Sohn Leslie erzwingen. Eigentlich nicht sein Ding. Doch MARLOWE nimmt an und konzentriert sich auf die Suche nach der Brasher-Dublone. Relativ schnell wird klar, wer die Münze genommen hat.
Der Fall bekommt aber eine weitere Dimension, als MARLOWE schon bald über ein paar Leichen „stolpert“ und merkwürdigerweise auf ein paar verschrobene Typen und die ermittelnden Polizeibeamten eine scheinbar anziehende Faszination ausübt…. (Amazon.de) Raymond Chandler – Das hohe Fenster (Philip Marlowe 3) weiterlesen →
Ein Priester, der von einem Zug überfahren wird. Ein Mädchen, das spurlos verschwindet. Eine Mutter, die niemand vermisst. Welche Verbindung besteht zwischen den dreien? Als Van Veeteren sein Antiquariat verlässt, um einigen mysteriösen Todesfällen nachzugehen, weiß er noch nicht, dass sein Gegenspieler ein zu allem entschlossener Serienmörder ist … (Verlagsinfo)
Der Autor
Håkan Nesser, Jahrgang 1950, ist neben Henning Mankell der wohl wichtigste Kriminalschriftsteller Schwedens. Wo jedoch Mankell den anklagenden Zeigefinger hebt, weiß Nesser die Emotionen anzusprechen und dringt in tiefere Bedeutungsschichten vor. Außerdem verwendet er eine poetischere Sprache als Mankell und gilt als Meister des Stils. Uns in Deutschland ist er bislang durch seine Romane um Kommissar Van Veeteren bekannt, aber auch „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“ erregte Aufsehen. Er lebt in London und auf Gotland.
Manche seiner Romane um Kommissar van Veeteren wurden 2005/2006 in einer TV-Serie verfilmt.
Übersetzte Werke
Die Van-Veeteren-Reihe (chronologisch)
1) Das grobmaschige Netz
2) Das vierte Opfer
3) Das falsche Urteil
4) Die Frau mit dem Muttermal
5) Der Kommissar und das Schweigen
6) Münsters Fall
7) Der unglückliche Mörder
8) Die Tote vom Strand
9) Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod
10) Sein letzter Fall
Die Inspektor-Barbarotti-Reihe
1. Mensch ohne Hund, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2007. ISBN 978-3-442-75148-8
2. Eine ganz andere Geschichte, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2008. ISBN 978-3-442-75174-7
3. Das zweite Leben des Herrn Roos, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2009. ISBN 978-3-442-75172-3
4. Die Einsamen, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2011. ISBN 978-3-442-75313-0
5. Am Abend des Mordes, dt. von Paul Berf; München: btb 2012. ISBN 978-3-442-75317-8
Mehr Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A5kan_Nesser (Das Werkverzeichnis reicht nur bis 2016.)
Der Sprecher
Dietmar Bär, 1961 geboren, ist mit dem Genre „Krimi“ schauspielerisch groß geworden. Erste Aufmerksamkeit als TV-Darsteller zog er durch seinen Auftritt im Schimanski-Tatort „Zweierlei Blut“ 1984 und die Hauptrolle in Dominik Grafs Fernsehspiel „Treffer“ 1984 auf sich. 1986 erhielt er den „Deutschen Darsteller-Preis für den Nachwuchs“. Als Kommissar Freddy Schenk steht er seit 1987 im „Tatort“ zusammen mit Klaus J. Behrendt vor der Kamera.
Bär hat bislang an Nesser-Krimis den vorliegenden Roman, „Der Tote vom Strand“ sowie „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“ gesprochen.
Handlung
Monica Kammerle, Schülerin, ist erst 16, aber schon eine Mörderin. Glaubt sie zumindest. Und sie hat auch allen Grund dazu. Benjamin Kerran, den sie auf dem Gewissen hat, war zunächst der Geliebte ihrer Mutter, bevor er auch ihrer wurde. Die manisch-depressive Mutter durfte von der Affäre ihrer Tochter natürlich nichts erfahren, und damit erpresste Kerran Monica schließlich.
Anfangs war es schön für sie, einen ersten Liebhaber zu haben, aber dann begann er, Monicas Körper zu benutzen. Als sie ihm nicht zu Willen sein wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn umzubringen. Alles ging so schnell: Sie rammt ihm die Schere zehn Zentimeter in den Bauch und rennt in Panik weg, während er zusammenbricht.
Merkwürdig nur, dass keine Zeitung den Tod von Benjamin Kerran meldet. Oder zumindest den Tod eines anderen in jenem Uni-Wohngebäude, wo es geschah. Monica muss zurück an den Tatort, um Gewissheit zu erlangen, und erlebt eine böse Überraschung. Denn sie war beileibe nicht das erste Opfer von „Benjamin Kerran“.
Ex-Kommissar van Veeteren kehrt am 7. Oktober aus dem Urlaub zurück, den er mit seiner Freundin Ulrike Fremdli in Rom genossen hat. Am nächsten Morgen frisst seine Katze eine zum Fenster hereingeflogene Schwalbe, und als er die Zeitung von vor drei Wochen aufschlägt, starrt ihm ein Gesicht entgegen, das er kennt: Tomas Gassel war Pastor im Maardamer Vorort Leimaar, als er sich an van Veeteren wandte, um ein Geheimnis „zu beichten“, das sein Gewissen bedrückte. Es ginge um ein junges Mädchen, das etwas Verbotenes getan habe (Monica). Offensichtlich konnte er dies nicht mit seinen Standeskollegen besprechen. Und ob van Veeteren nicht auch der Schweigepflicht unterliege?
Ulrike Fremdli ist nicht begeistert, als van Veeteren herauszufinden versucht, warum sich Pastor Gassel im Hauptbahnhof vor einen Zug geworfen haben soll. Eigentlich ist ja Ewa Moreno für den Fall zuständig. Und bald schaltet sie auch ihre Kollegen in den Fall ein, als die Verbindung zwischen Monica und Pastor Gassel sichtbar wird.
Doch dies soll nicht der einzige Tote im Umkreis des Falles bleiben. Van Veeteren stößt auf ein deutliches Muster aus der Bücherwelt: Die arme Monica Kammerle hatte einen seltenen und somit teuren Band mit Gedichten von William Blake in ihrem Regal: Hatte sie den geschenkt bekommen? Und wenn ja, von wem? Von ihrem Lover und Mörder? Besonders liebte sie das Poem „The sick rose“ (vgl. den Titel): Die Zeile „His secret love does thy life destroy“ schien Monicas Leben zu beschreiben.
Die Decknamen des Mörders sind literarische Anspielungen, seine einzigen Spuren seltene Gedichtbände. Ein winziger Hinweis, eine Vereinsnadel, führt van Veeteren und Kollegen in einen elitären Universitätszirkel, der schon seit 250 Jahren existiert. Oder ist das nur ein Ablenkungsmanöver in einem fiesen Schachspiel? Nun: Auch van Veeteren ist ein gewiefter Schachspieler, und die Lösung des Falls rückt näher.
Als jedoch van Veeteren den Mörder quasi schon vor der Nase hat, kommt ihm von völlig unerwarteter Seite jemand in die Quere. Manchmal siegt eben Rache über das Recht, wenn auch beides Gerechtigkeit bedeuten mag.
Mein Eindruck
Was für eine wunderbare Story! Nach einer psychologisch enervierenden Einleitung um den ersten Mord des Killers und um Monica Kammerles Lieben, Leiden und Ende beginnen die zähen Ermittlungen. Allmählich entwickelt sich ein Geflecht von kriminalistischen Anstrengungen, die keine Früchte tragen, sondern lediglich kleine und kleinste Puzzleteilchen zusammentragen. Ausschließlich dünnste, unscheinbare Indizien bringen die Ermittler weiter. Und so kommt es, dass in diesem seltsamen Fall mehr Emotionen, Assoziationen und „Ahnungen“ die Ermittler leiten als handfeste Fakten. Das halte ich für sehr ungewöhnlich und trägt entscheidend zur speziellen Stimmung dieses Kriminalromans bei.
Als das nächste Opfer verschwindet, ohne dass man seine Leiche findet, wird der Fall dringend und ins Fernsehen gebracht: weitere Spuren, weitere Rätsel, aber noch nichts Entscheidendes. Dann beschließt der Würger, es mit der Polizei aufzunehmen, doch mit anderen Folgen als gedacht: Statt des außer Gefecht gesetzten Kommissars Reinhart muss van Veeteren einspringen, und der führt seine Ermittlungen mit seinen eigenen, etwas gewöhnungsbedürftigen Methoden weiter. Eine überraschende Wendung folgt daher der nächsten, und im letzten Viertel beginnt ein langes, spannendes Finale.
Es geht dem Autor nicht um die Darstellung von Grausamkeiten, auch nicht um glorreiche Ermittlungsmethoden à la FBI. Im Mittelpunkt stehen die denkenden und vor allem fühlenden Wesen, deren Zusammenspiel sich a) mit der Mordserie befasst, b) mit der erschreckenden Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern (die Leichen der Kammerles blieben über einen Monat lang unentdeckt!) und c) mit der verschrobenen Herangehensweise Van Veeterens.
Jeder der Ermittler wird als eigenständiger Charakter und als Betroffener der Geschehnisse kenntlich. Rooth ist fast so schräg drauf wie der „Hauptkommissar“, wohingegen Ewa Moreno ihr Privatleben mit Mikael Bau in den Griff zu bekommen versucht. Hier schwingt des Öfteren eine humane Ironie mit, die auch den Beteiligten selbst keineswegs entgeht. Wie soll Ewa später ihren Kindern erklären, warum sie Mikael Baus Heiratsantrag angenommen hatte – wegen seiner wundervollen Fischsuppe?! Kommissar Reinhart, seine hilfreiche Frau Winifred Lynn und der überkorrekte Polizeipräsident Hiller sind Figuren, die im Gedächtnis haften bleiben. In dieser Charakterdarstellung kommt nicht nur Nessers Sympathie für seine Figuren zum Ausdruck, sondern auch sein tiefreichender, verständnisvoller Humor.
Das Grundthema des Falles, den es aufzuklären gilt, ist fehlgeleitete Sexualität auf Seiten des Killers und gewagte erotische Gehversuche seitens der Opfer. Opfer wurden – außer Gassel – nur Frauen, die sich als verwundbar erweisen und die sich den Wünschen des Killers verweigern. Dies geht auf die Kindheit des Mannes zurück, der eine langjährige Liebesbeziehung zu seiner Mutter hatte.
Das letzte Opfer ist anders. Ester und Anna sind Freundinnen, erfolgreiche Geschäftsfrauen über 30, die von der Ehe enttäuscht wurden. Nun suchen sie sich Männerbekanntschaften per Annonce und Zuschriften aus. Leider hat Anna in die Endauswahl auch eine „Wild Card“, einen Joker eingeführt, und der wird Ester zum Verhängnis: Es ist „Benjamin Kerran“.
Wie man sieht, ist Nesser neuen gesellschaftlichen Entwicklungen durchaus aufgeschlossen. Das bedeutet nicht, dass er die Taten des Würgers entschuldigt: Er macht sie aber verstehbar, indem er ihre Wurzeln offenlegt, die zum Wahnsinn des Soziopathen führten. Das Thema Sexualität stellt Nesser offen und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen dar.
Der Sprecher
Dieter Bär hat eine bärige Stimme. Man kann ihn sich selbst gut als Kommissar vorstellen, voll Autorität und Integrität. Und wenn er die Einsatzbesprechungen der „Truppe“ im Maardamer Kommissariat vorliest, dann lässt er den Ernst der vorgebrachten Einwürfe und Meldungen und Chef-Aufforderungen für sich sprechen. Das ändert jedoch – oder gerade deswegen – nichts daran, dass viele dieser Beiträge in ihrem Zusammenspiel sehr komisch wirken. An einer Stelle dachte ich wirklich, einem Komödienstadel zuzuhören. Ex-Hauptkommissar Van Veeteren ist als knurriger Übervater natürlich der Komiker par excellence – obwohl er stets selbst ernst ist und ernst genommen wird. Nur Münster, der aufgeweckteste von allen Inspektoren, wagt es, seine kryptische Bemerkungen zu hinterfragen – natürlich auch ohne Erfolg.
Die Glanzpunkte von Bärs Sprechkunst sollen nicht verschwiegen werden. Der eine Fall ist der 89 Jahre alte Vater Koschinski. Der ehemalige Feinschmied oder Schlüsselmacher, der sich an sämtliche Vereinsnadeln erinnert, die je in Maardam produziert wurden, lebt als mürrischer Einsiedler mitten in der Stadt, wo ihm nur zwei Katzen Gesellschaft leisten. So knurrig, markig und abweisend wie Koschinski könnte durchaus auch Bärs eigener Großvater geklungen haben.
Das andere Beispiel ist Hauptkommissar Reinhart, wie er im Krankenhausbett liegt und in seinen Kopfverband nuschelt. Er wurde vom Bus angefahren und ist in keinem guten Zustand. Bärs Genuschel wirkt authentisch. Weniger echt wirkt hingegen der griechische Akzent des Polizisten Georgios Jakos auf der Insel Kefallonia, auf der der Showdown zwischen dem Killer und seinem letzten Opfer, seiner Nemesis, stattfindet. Dieser Akzent, nun ja, so stellt man sich als Nichtgrieche vielleicht den Akzent vor, aber ob das hinhaut? Hauptsache, wird sich Bär gedacht haben, es ist noch als Deutsch zu verstehen.
Ein Autorenfehler?
Die Übersetzung ist Christel Hildebrandt ausgezeichnet gelungen. Ich habe nur einmal wegen eines möglichen Fehlers des Autors (!) gestutzt, und zwar auf der vorletzten Seite. Ester hat den Killer in einem Lokal getroffen, und dessen Erkennungszeichen sollte ein roter Band des Gedichts „The Waste Land“ von T. S. Eliot sein. Okay. Nun zieht am Ende der antiquarische Buchhändler van Veeteren ein Resümee des Falls und packt seinen Kollegen sämtliche Bücher ein, die in dem Fall eine Rolle gespielt haben.
Doch statt des Eliot-Bandes findet sich darunter nun der Lyrikband „Duineser Elegien“ von R. M. Rilke! Alle anderen Bände sind korrekt erwähnt. Beim Film würde man wohl von einem Continuity-Fehler sprechen. Das kann auch den besten Autoren passieren. Aber ihre Lektoren sollte dafür sorgen, dass solche Fehler bzw. versehen rechtzeitig berichtigt werden. Der potentielle Fehler ist auch im Hörbuch enthalten. Oder der Autor wollte die Aufmerksamkeit seiner Leser bzw. Hörer testen…
Unterm Strich
Alles in allem ist dies ein wunderbarer Krimi, an dem man immer neue Facetten entdecken kann. Da ein Großteil des Textes aus Dialogen und kurzen Sätzen besteht, hört sich die Geschichte sehr flüssig an. Der Text macht es einem leicht, die Konzentration zu behalten. Und man will unbedingt wissen, wie der Showdown ausgeht. Aufgrund der ironischen Wechselwirkung zwischen den Polizisten in ihrer jeweiligen Charakterisierung gibt es zahlreiche komische Momente.
Diese kontrastieren stark mit den sehr ernsten bis bewegenden Momenten, die mit den Opfern verknüpft sind, besonders mit Monica Kammerle. Dass das Finale auf einer griechischen Insel stattfindet, passt einfach hervorragend: Nicht nur deshalb, weil auf Kefallonia die Killerserie 1995 begonnen hat, sondern weil in dieser Weltgegend solche ernsten Ideen wie Nemesis, Schicksal und Vergeltung erfunden und uns im antiken Drama bis heute erhalten geblieben sind.
Das Hörbuch
Dietmar Bär ist es gelungen, diese Qualitäten herauszuarbeiten und mit der angemessenen Ernsthaftigkeit vorzutragen. Sein Vortrag ist auch abwechslungsreich, mit entsprechenden Charaktergestalten wie Koschinski oder Reinhart.
Der Text ist natürlich gekürzt, und so kann es vorkommen, dass sich der Hörer wundert, woher bestimmte Stichwörter kommen oder warum bestimmte Hinweise später nicht aufgegriffen werden. Um diese Lücken zu füllen, sofern sie als störend empfunden werden, empfiehlt sich die Lektüre des Buches. Es ist 572 Seiten dick.
Audio: 420 Minuten auf 6 CDs
Originaltitel: Svalan, katten, rosen, döden
Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt
ISBN-13: 978-3898306645 www.randomhouse.de
Anthony Galton ist vor zwanzig Jahren spurlos verschwunden. Nun soll Lew Archer ihn wiederfinden – im Auftrag der Mutter, einer steinreichen, alternden Frau. Die Indizien, die Archer findet, sind wenig schön – und sie sind gefährlich. Denn noch immer ist jemand bereit, ihretwegen zu töten.
BUCHWURM.org: Hallo Sigrid, was machst du gerade? Schreibst du an einem neuen Krimi?
Sigrid Ramge: Ein neuer Roman? Da muss ich dich wie alle meine Fans enttäuschen. Die Corona-Pandemie hat nicht nur meine Schreibsucht, sondern auch meine öffentlichen Lesungen ausgebremst. Doch da es jetzt scheint, als ob hierzulande die Pandemie abflaut, hoffe ich, meine Ideen, die darauf warten, in Geschichten verwandelt zu werden, bald aus dem Corona-Schlaf befreien zu können.
Wie fühlst du dich? Bist du bedrückt durch die Folgen der Corona-Pandemie? Gibt es auch Grund zur Freude?
Wer fühlt sich in dieser Hinsicht nicht bedrückt? – Du fragst gleichzeitig, ob es auch Grund zur Freude gibt. Falls die Frage in Verbindung mit der Corona-Pandemie gemeint ist – dann freue ich mich, dass die Luft sauberer ist, weniger Autoverkehr herrscht und der Himmel nicht von Kondensstreifen zerstückelt wird. Grund zur Freude ist auch, dass der Umweltschutz ernster genommen wird als je zuvor.
Du schreibst ja schon viele Jahre. Wie kam es, dass du angefangen hast, auch oder nur noch Krimis zu schreiben? Aus Vorliebe oder wegen eines gewissen Interesses deiner Leser oder deines Verlags?
Bevor 2009 mein erster Krimi veröffentlicht wurde, waren von mir bereits mehrere Bücher anderer Genres in verschiedenen Verlagen erschienen (siehe unten).
Mein erstes Krimi-Manuskript hatte den Arbeitstitel „Endstation Sahara“, weil eine wichtige Nebenhandlung in Tunesien spielt.
Die Haupthandlung ist in und um Stuttgart angesiedelt. Da das Mordopfer mit vergiftetem Trollinger umgebracht wird, schlug der Silberburg-Verlag, der ausschließlich Regionales für Baden-Württemberg herausgibt, den Titel Tod im Trollinger vor. Damit war mein erster Weinkrimi geboren.
Jeder Titel deiner Krimis trägt, wenn ich das richtig deute, den Namen eines lokalen Weins. Wie kam es dazu? Und wie reagieren deine Leser darauf?
Der Krimi Tod im Trollinger war auf Anhieb so erfolgreich, dass die Leser und der Verlag eine Fortsetzung verlangten. In den folgenden zehn Jahren entstanden vier weitere Krimis mit Weinsorten aus der Region Baden-Württemberg im Titel: Cannstatter Zuckerle, Lemberger Leiche, Das Riesling-Ritual und Blutburgunder.
Meine Leser lieben die Weintitel und zusätzlich stieg mit jedem neuen Krimi die Beliebtheit des Ermittlerteams. Jeder, der einen Krimi aus der Serie kennengelernt hatten, wollte wissen, welchen Mordfall das Stuttgarter Ermittlerteam als nächsten zu lösen hat. Hauptkommissar Schmoll, ein gestandenes Mannsbild und hervorragender Weinkenner, die junge clevere Kommissarin Irma Eichhorn aus Itzehoe und der Urschwabe Kommissar Steffen Katz waren den Lesern schon beim ersten Krimi der Reihe ans Herz gewachsen. Die positive Reaktion der Leser zeigt sich an hohen Verkaufszahlen, begeisterter Fanpost und vollen Sälen bei Leseveranstaltungen.
Ist es dir wichtig, in deinen Kriminalgeschichten einen lokalen Bezug zu haben, und wenn ja, warum?
Ich denke, dass jedes Buch und jede Geschichte einen lokalen Bezug braucht, sei es ein fiktiver Ort oder wie in meinen Krimis, eine reale Region. Für den Haupthandlungsort in allen fünf Krimis habe ich Stuttgart gewählt, weil ich seit vielen Jahren in dieser Stadt lebe und mich auskenne. Es hat Spaß gemacht, altbekannte Orte durch die Augen meiner Romanpersonen neu zu entdecken.
Um dem Schwäbischen etwas Exotik beizumischen, spielen die Nebenhandlungen jeweils in einem anderen Land. In Gegenden, in denen ebenfalls Wein angebaut wird. Der Leser lernt nicht nur Stuttgart und besonders schöne Flecken in Baden-Württemberg kennen, sondern wird nach Tunesien, Ägypten, Mallorca, Sizilien und im fünften und vorläufig letzten Krimi in eine der geheimnisvollen Höhlenstädte Kappadokiens geführt. Für mich war es eine dankbare und spannende Möglichkeit, meine Reisetagebücher aufzuarbeiten oder neue Recherchereisen zu unternehmen.
Bist du mit dem Erfolg deiner Krimis zufrieden? Könntest du dir auch andersartige Bücher vorstellen? Und wenn ja welche?
Der Erfolg der Krimireihe ist für mich und auch für den der Verlag durchaus zufriedenstellend. Du fragst, ob ich mir vorstellen kann, andersartige Bücher zu schreiben.
Bevor 2009 Tod im Trollinger erschienen ist, waren von mir bereits mehrere Bücher in anderen Genres veröffentlicht. Zwei Bände mit Erzählungen Die Fäden der Träumeund Das Lächeln der Steine.
Inspiriert durch Aufenthalte in Kenia entstand der Jugendroman Wanjiko und die schwarzen Störche. 2006 erschien der Roman Strahlenkinder, 20 Jahre nach Tschernobyl und im gleichen Jahr das Kinderbuch Die unsichtbare Wilhelmine. Diese Bücher mit sozialkritischem Unterton sind auch außerhalb Baden-Württembergs für Schullesungen begehrt.
Zwischen dem vierten und fünften Krimi habe ich mir endlich Zeit genommen für das Manuskript des Romans, der mir, seit ich zu schreiben angefangen habe, am Herzen liegt. Maifrost, eine deutsch-deutsche Familiensaga, erzählt von menschlichen Schicksalen, wie sie in Deutschland im letzten Jahrhundert unzählige Familien erleben und erleiden mussten. Das Buch erschien 2016.
Hinweis
Wer mehr über mich und meine Bücher wissen möchte, findet auf meiner Homepage www.sigrid-ramge.de eine kurze Vita und alle Buchveröffentlichungen mit Inhaltsangaben, Leseproben, Presseberichten und Fotos von Lesungen.
„Sigrid Ramge stammt aus Bad Köstritz, einer Kleinstadt in Thüringen, in der Schwarzbier gebraut wird und der Komponist Heinrich Schütz geboren ist.
19-jährig floh sie aus der DDR in die Freiheit und studierte Gartenarchitektur. In diesem Beruf arbeitete sie zwei Jahre lang in Zürich.
Zarte Bande führten nach Stuttgart und endeten in Ehe und Sesshaftigkeit.
Nach gelungener Brutpflege folgten beharrliche Schreibversuche und Weiterbildung in Sachen Literatur.
Reisen und Auslandsaufenthalte nach Ägypten, Kenia und Kanada lieferten Ideen für den ersten Erzählungsband.
2001: Der 1. Preis für Kinder- und Jugendliteratur finanzierte eine neue PC-Ausrüstung, aus der sogleich ein hochgelobter Jugendroman purzelte, der aber letztendlich, genau wie vier weitere Bücher, zwar zu Ehre, aber leider nicht zu Weltruhm führte.
Sigrid Ramge hat bisher (Stand 2019) mehr als 100 Lesungen in Buchhandlungen, in Bibliotheken, auf Buchwochen und in Schulen gehalten. Außer im süddeutschen Raum auch in Thüringen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und in Berlin.
Sie leitete zehn Jahre lang die Schreibwerkstatt an der Universität Stuttgart im Studium Generale und gab Schreibseminare in verschiedenen literarischen Institutionen. Sie ist Mitglied des Schriftstellerverbandes.“
Die Leiche eines bekannten Politikers wird auf dem Strich von Vigata gefunden – ein Skandal erster Güte droht loszubrechen. Commissario Montalbano wundert sich. Dieser Fall verhält sich wie Wasser: Es hat immer die Form, die man ihm gibt. – Dieser Krimi war der erste, mit dem das Werk Andrea Camilleris dem deutschen Publikum vorgestellt wurde – mit größtem Erfolg, wie sich herausgestellt hat.
_Der Autor_
Andrea Camilleri ist kein Autor, sondern eine Institution: das Gewissen Italiens. Der 1925 in dem sizilianischen Küstenstädtchen Porto Empedocle geborene Camilleri ist Autor von Kriminalromanen und -erzählungen, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur.
Die Hauptfigur in vielen seiner Romane, Commissario Salvo Montalbano, gilt inzwischen als Inbegriff für sizialianische Lebensart, einfallsreiche Aufklärungsmethoden und südländischen Charme und Humor.
Allerdings ist der Commissario nicht der Liebling aller Frauen: Zu oft hindert ihn sein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein daran, dringende Termine mit seiner jeweiligen Freundin wahrzunehmen.
_Das Hörspiel_
Das 110 Minuten lange Hörspiel wurde beim Südwestdeutschen Rundfunk SWR produziert. Es treten acht Hauptsprecher auf sowie der Erzähler. Daneben hören wir noch 16 weitere Sprecher in Nebenrollen. Die Musik stammt von Henrik Albrecht, die Bearbeitung wie immer von Daniel Grünberg. Regie führte Leonhard Koppelmann – wie bei allen anderen Camilleri-Hörspielen:
– Die Stimme der Violine
– Das Spiel des Patriarchen
– Der Hund aus Terrakotta
– Der Dieb der süßen Dinge
_Handlung_
Der angesehene Ingenieur und Politiker Silvio Luparello wird eines frühen Morgens von zwei Straßenfegern an einem anrüchigen Strand tot in seinem Auto aufgefunden. An diesem Strand pflegen sich die Huren mit ihren Freiern zum Stelldichein zu treffen. Hatte der honorige Ingenieur so etwas nötig? Falls ja, wäre das ein Skandal ersten Grades und besonders schädlich für das Ansehen seiner konservativen Partei. Die Polizei entscheidet diplomatisch, dass der Tote einem Herzinfarkt zum Opfer fiel – wir wollen doch keinen Skandal in Vigata, oder?
Commissario Salvo Montalbano jedoch kommt die ganze Sache nicht koscher vor. Da scheint doch mehr dahinter zu stecken. Schon am nächsten Tag nämlich wird dringend ein wertvolles Collier gesucht, das an der Unfallstelle vermisst wird. Einer der Müllmänner hat das Collier gefunden und heimlich eingesteckt. Merkwürdig ist nun, dass ausgerechnet Ingenieur Luparellos schärfster politischer Gegner, der Anwalt Rizzo, danach suchen lässt…
Schon bald ereignen sich bei Montalbanos Ermittlungen unverhoffte Enthüllungen, die schaurige Einblicke in die Abgründe der lokalen Gesellschaft gestatten. Und die Lösung des Falles stellt sich je nach Blickwinkel anders dar: genau wie die Form des Wassers sich mit dem jeweiligen Gefäß ändert.
_Mein Eindruck_
Der sehr kurzweilig zu lesende Krimi macht den Leser auf unterhaltsame Weise mit dem sizilianischen Alltag bekannt, wie er sich der Polizei darstellt: Mafiabandenkriege, Morde, Intrigen und Korruption, durchgedrehte Rentner, unschuldige Attentatsopfer und vieles mehr. Ein menschliches Panorama, beobachtet mit dem scharfen Blick der Erfahrung und des Mitfühlens.
Dabei kommt jedoch die Spannung keineswegs zu kurz. Baustein für Baustein setzt der attraktive und intelligente Commissario die Kette der Zusammenhänge zusammen, die den Eindruck vermitteln sollen, das Opfer sei von alleine gestorben. Dumm nur, dass es schon lange tot gewesen war, bevor es den „Tatort“ erreicht hatte. Und welche Rolle eine gewisse hochgewachsene Schwedin namens Ingrid spielen sollte, wird ihm auch bald klar. Die ganze Sache ist höchst politisch, doch Montalbano beweist Fingerspitzengefühl.
_Das Hörspiel_
Die Sprecher sind wieder die gleichen wie bei allen Camilleri-Hörspielen und von professioneller Qualität. Hier gibt’s nichts auszusetzen, genausowenig an dem Einsatz von Geräuschen usw. Lediglich die Hintergrundmusik besteht aus dem nervenden Jazz-Gedudel Henrik Albrechts, das in den jüngeren Camilleri-Produktionen zum Glück ersetzt wurde.
Was an der Bearbeitung auffällt, sind erstens die zahlreichen witzigen Pointen und zweitens die drastischen Äußerungen, zu denen sich der Commissario hinreißen lässt und die weit unter die Gürtellinie zielen. Das dürfte zu einige hochgezogenen Augenbrauen bei den Zuhörerinnen führen.
_Unterm Strich_
„Die Form des Wassers“ verlangt zwar große Aufmerksamkeit beim Zuhören, doch der Zuhörer wird mit vielen witzigen Situationen belohnt. Besonders auf den Gerichtsmediziner hat es Salvo Montalbano abgesehen, weil der sofort alles ausplaudert, selbst wenn er hoch und heilig Stillschweigen geschworen hat. Dies nützt Salvo listig aus, um den politischen Gegner aufs Kreuz zu legen. (Polizeiarbeit ist in Sizilien immer politisch.)
Und einen Dauer-Gag bilden Assistent Gallos miserable Fahrkünste sowie die Tatsache, dass Gallo nie lernt, dass in Italien das Reifenaufschlitzen ein Volkssport ist. Außerdem ist Inspektorin Anna Ferrara hinter Salvo her. Leider versteht sie die Anwesenheit von Ingrid der Schwedin in Salvos Schlafzimmer miss…
Abgesehen davon ist „Die Form des Wassers“ eine ordentlich spannende Episode im Leben des Commissario Montalbano.
Ein Wendeporträt: Ermittlung im Stuttgarter Misthaufen
Eine Mordserie erschüttert den Stuttgarter Norden im Jahr 1990. Lokaljournalist Udo Winterhalter ermittelt in einem Sumpf aus Kulturmanipulation und Kritikerbestechung. Einer dieser Kritker, sein Kollege Leif Götzberg, ist nach einem Theaterbesuch tot: in eine Mauer gerast. Seltsamerweise stirbt kurz danach auch Götzbergs Freundin Yasmina Finke, die auch das Theater besuchte. Und der Kieferorthopäde und Buchautor Dr. Martin Koneffke, der Götzberg schmierte, verschob Geld – an wen, für was? Udo Winterhalter ermittelt schneller, als die Polizei glauben mag …
Die Autorin
Uta-Maria Heim, geboren 1963 in Schramberg, Schwarzwald, lebt als Dramaturgin und Autorin in Baden-Baden. Sie schrieb zahlreiche Romane, Krimis, Hörspiele und Features. Für ihre Arbeiten erhielt sie Auszeichnungen wie den Deutschen Krimi-Preis, den Förderpreis Literatur des Kunstpreises Berlin und den Friedrich Glauser Preis. „Das Rattenprinzip“ war ihr erster Roman und Krimi. Er erschien erstmals 1991 bei Rowohlt und avancierte schnell zum sogenannten „Kultbuch“. Die Fortsetzung von 2009 trägt den Titel „Wespennest“.
Romane und Erzählungen
1990 Vergelt’s Gott: Schwarzwälder Novellen (Erzählungen, Schlack, Stuttgart)
1991 Das Rattenprinzip (Kriminalroman, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-43013-4, Neuauflage 1992
1992 Der harte Kern (Kriminalroman, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-43045-2
1993 Die Kakerlakenstadt (Kriminalroman, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-43068-1
1993 Die Widersacherin (Roman, Nagel und Kimche, Zürich und Frauenfeld). ISBN 3-312-00190-0
1994 Der Wüstenfuchs (Kriminalroman, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-43110-6
1994 Die Wut der Weibchen (Kriminal-Stories, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-43143-2
1995 Bullenhitze (Kriminalroman, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-43176-9
1996 Durchkommen (Roman, Kiepenheuer, Leipzig). ISBN 3-378-00592-0
1996 Die Zecke (Kriminalroman, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-43237-4
1998 Sturzflug (Kriminalroman, Hamburger Abendblatt, Hamburg). ISBN 3-921305-42-X
1999 Engelchens Ende (Roman, Wunderlich, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-26150-2
2000 Glücklich ist, wer nicht vergißt (Roman, Wunderlich, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-22938-2
2000 Ihr Zweites Gesicht (Roman, Wunderlich, Reinbek bei Hamburg). ISBN 3-499-26218-5
2002 Ruth sucht Ruth (Roman, Berlin-Verlag, Berlin). ISBN 3-442-76023-2
2002 Schwesterkuß (Roman, Berlin-Verlag, Berlin). ISBN 3-442-76052-6
2006 Dreckskind (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 3-89977-661-5
2007 Totschweigen (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 3-89977-704-2
2008 Das Rattenprinzip (Kriminalroman, überarbeitete Neuauflage von 1992, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 978-3-89977-745-1, Neuauflage 2009.[1][2][3]
2009 Wespennest (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 978-3-89977-809-0[2][4]
2010 Totenkuss (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 978-3-8392-1059-8
2011 Feierabend (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch), ISBN 978-3-8392-1178-6
2013 Wem sonst als Dir. (Roman, Klöpfer & Meyer, Tübingen), ISBN 978-3-86351-064-0[5]
2016 Heimstadt muss sterben (Roman, Klöpfer & Meyer, Tübingen). ISBN 978-3-86351-413-6
2017 Toskanische Beichte (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 978-3-8392-2125-9
2018 Toskanisches Feuer (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 978-3-8392-2348-2
2019 Toskanisches Blut (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 978-3-8392-2488-5
2020 Toskanisches Erbe (Kriminalroman, Gmeiner, Meßkirch). ISBN 978-3-8392-2765-7
Handlung
PROLOG
Claudi Roth, jetzt verheiratet mit zwei Kindern, erhält nach 15 Jahren ungebetenen Besuch von „Ossi“ Oswald, ehemals Kommissar in Stuttgart. Ungute Erinnerungen an jene Zeit werden wach, an die Sache mit Udo. Oswald ermittelt immer noch, sagt er. Er will einen Blick in die Werkstatt ihres Vaters werfen. Vater Karl Roth, von allen der Rote Karle genannt, war ein Kommunist. Wer weiß, wozu er im Stande gewesen ist …
Anno 1990
Es ist kurz vor Ostern, als Udo Winterhalter, frisch gebackener Chef der Lokalredaktion des „Stuttgarter Tagblatts“ (fiktiv) mit seiner Freundin Claudi Roth das Kleintheater „Die Wespe“ in Stuttgart besucht. Es ist eines der letzten Kleintheater der Landeshauptstadt, den anderen wurden die Subventionen gestrichen. Das Stück präsentiert Hölderlin-Gedichte, die Claudi und Udo zu Herzen gehen, denn sie handeln von ihrem Ländle, zwischen Schwarzwald, Bodensee und Neckar.
Doch auch die Besucher sind wichtig. Da ist Udos Kollege Leif Götzberg mit seiner blonden Freundin Yasmina Finke, und da ist Häffner vom Feuilleton sowie Dr. Martin Koneffke, gönnerhafter Buchautor, Kunstmagazinherausgeber und Kieferorthopäde. Wenig später erfährt Udo, dass Koneffke sowohl Götzberg als auch Häffner mit hohen Beträgen geschmiert hat, das Theaterstück vorab über den grünen Klee zu loben. Häffner hat danach Gelegenheit, das Stück in seiner Tageszeitung zu verreißen – ausgleichende Gerechtigkeit oder Schizophrenie des Gewerbes?
Am Tag danach dann die Nachricht, die Udo wie ein Blitz rührt: Götzberg ist mit seinem Wagen ungebremst (!) in eine Mauer gefahren, nur wenige Stäffele (Treppen) vom Zeitungshaus entfernt. Offenbar Selbstmord, glaubt Udos Kumpel, Kommissar „Ossi“ Oswald. Blödsinn, meint Udo, der Götzberg hatte Erfolg. Also ein Unfall? Götzberg kannte die Kurve wie seine Westentasche. Also was jetzt?
In der Nacht darauf stirbt Yasmina Finke, Götzbergs Freundin, erstochen mit einem spitzen Gegenstand. Was wusste sie? Womöglich zu viel über Koneffkes Machenschaften? Von der Leiterin des Literarischen Zentrums, Brigitte Heckmann, erfährt Udo, dass Koneffkes Magazin von der Pressestelle des Autokonzerns Schwäbische Motoren Werke SWM (fiktiv) gesponsert worden sei. Diese Pressestelle habe auch dem Literarischen Zentrum Geld angeboten, immerhin 50 Riesen. Der Vorstand sei darob gespalten. Und wenig später kommt es zum Verrat: Die Verlockung dieser Summe ist zu groß.
Udo schreibt an einer Enthüllungsstory „Das Maffiäle“, doch sein Chefredakteur will mehr Beweise sehen. Claudi weist ihn auf die elementare Frage hin, die ihr Vater gestellt hätte: „Wem nützt das?“ In der Tat: wem? Und wozu? Udo sollte die Antwort besser schneller finden, denn wenn er weiter so stänkert und enthüllt, gerät er schnell selbst ins Visier …
Mein Eindruck
Dies ist ein Krimi, der im Schwabenland handelt, wie man es sich auswärts vorstellt. Doch das ist nur zur Hälfte richtig, denn neben dem Schauplatz Stuttgart, das nach allgemeiner Ansicht in Schwaben liegt, spielt die andere Hälfte des Romans in Udos und Claudis Heimat, im schwarzwälder Mariabronn, und dort spricht man alemannisch. Mit Schwäbisch könnte man hier noch halbwegs durchkommen, aber Kenntnisse des Schwyzerdütschen sind ebenfalls hilfreich, um beispielsweise das Wort „gsi“ (= gewesen) zu verstehen. Aus diesen unterschiedlichen Lokalitäten, Mentalitäten und Sprechweisen ergeben sich reizvolle Kontraste, die die Autorin gewinnbringend auszunutzen weiß.
Schwaben und SMW
Zwei, drei Dinge sollte man nämlich in diesem Buch über das Schwabenland lernen, falls man es nicht schon vorher sonnenklar gesehen hat: „Schwabenland = Autoland“. Und: „Wenn der Daimler hustet, kriegt Stuttgart eine Lungenentzündung.“ Will heißen: Wenn die Autobauer von Mercedes-Benz schlechte Zahlen schreiben, dann kassiert die Region Stuttgart weniger Gewerbesteuer und kann somit weniger investieren. Sindelfingen, einer der Mercedes-Produktionsstandorte hier in meiner Nähe, war mal in den achtziger, neunziger Jahren die reichste Gemeinde Deutschlands, nicht ohne Grund. Das Werk dort erstreckt sich über mehrere Quadratkilometer, ebenso das in Untertürkheim. Von Porsche wollen wir gar nicht erst anfangen. Zusammen bilden sie die fiktiven „Schwäbischen Motoren Werke“ SMW (analog zu BMW).
Armer Irrer
Und mit denen legt sich unser Udole jetzt an. Ist er noch bei Sinnen? Nein, natürlich nicht, denn er ist ein armer Narr, der (noch) nicht weiß, was er tut bzw. wer mit ihm Schlitten fährt. Aber im Zuge seiner Ermittlungen, die er zusammen mit dem schlauen und zwielichtigen ehemaligen Verfassungsschützer „Ossi“ Oswald durchführt, stößt er auf einen Sumpf aus Kulturpolitik, die zugleich Industriepolitik ist. Das kann der Lokaljournalist Udo erst einmal nicht glauben. Kultur, die von der Industrie gelenkt wird? Wozu das denn?
Einfache Frage: Wem nützt das auf welche Weise? Anhand des fiktiven Kulturmagazins ARTemis zeigt die Autorin, wie die Pressestelle der SMW Geld zuschießt, um ihr genehme Artikel zu lancieren, die von geschmierten Journalisten verfasst werden. Dass diese Skribenten zugleich auch für die maßgebliche Tageszeitung, das (fiktive) „Stuttgarter Tagblatt“ (unschwer als „Stuttgarter Zeitung + Stuttgarter Nachrichten“ zu entziffern) schreiben und dort in Lohn und Brot stehen, ist eine Erscheinung des Sumpfes. Diese Skribenten bereiten den Boden für das Automobil als unverzichtbares Vehikel des gebildeten Bürgers. Und Wehe dem, der nicht das heiligs Blechle als Wirtschaftsfaktor verehrt und ihm huldigt! Dem geht es so wie Götzberg und den späteren Opfern. Auch Udo kann sich die Finger verbrennen.
Udo schlackert mit den Ohren, als er sich mit der Leiterin des Literaturzentrums einlässt, seine Claudi betrügt und sich diese Brigitte Heckmann schlussendlich als bezahlte Komplizin von SWM und Konsorten entpuppt. (Herrliche Szene: Die Kripo in der ersten Reihe bei einer Dichterlesung!) Das bricht ihm nun wirklich das Herz, so dass er erst nach Rom düst und dann wieder in der Heimat landet. Hier war beider Zeitung der King und hatte alle Chancen, doch Claudi will er trotzdem nicht heiraten, weiß der Geier warum.
Kommunisten
Vielleicht liegt es an Claudis grantigem Vater, dem kommunistischen Roten Karle, dass es ihm im Rothschen Haushalt nicht so recht gemütlich werden will. Der Karle von der 1956 verbotenen DKP wettert mit seinen Marx/Engels-Sprüchen gegen das Kapital, seine Druckmittel, die Ausbeuter usw. Dabei weigert er sich selbst, seine Produktionsmittel konkurrenzfähig zu machen und beutet lieber seine Familie aus. Es sind seine drei Kinder, die ihn „verraten“, wenn man so will. Die zwei Söhne kaufen eine neue, konkurrenzfähige Maschine, wie sie der Wettbewerber Stump besitzt, und Claudi erpresst die Gattin von Stump dahingehend, dass Stump die Lieferung drei Wochen lang einstellt. Es hängt eben alles zusammen: Das Geheimnis um die Vergewaltigung der Marianne Stump durch ihren debilen Bruder Heinz ist ebenso ein Druckmittel wie alles andere, das sich etwa die SMW einfallen lassen würde. Unschuld vom Lande? Gang mer fort!
Udo, vom Karle entsprechend erleuchtet, erklärt auch kurz und bündig das titelgebende Rattenprinip: „Wer pariert (= gehorcht), dem wird’s in den Rachen geschoben (der wird ordentlich gefüttert)!“ (Seite 128) Und weil der Karle kein Blatt vor den Mund nimmt, ruft er auch mehr als einmal „Scheißdreck!“.
Dialekt
Womit wir beim Dialekt wären, der einen Großteil der speziellen Sprachform dieses Krimis bestimmt. Die zwei Dialekte des Schwäbischen und des Alemannischen bestimmen wahrscheinlich auch, warum dieser Krimi zu einem „Kultbuch“ geworden ist: Nur ganz bestimmte Leute können es überhaupt zur Gänze verstehen und finden sich dementsprechend wieder, als ginge es um sie selbst. Insofern könnte man das Buch sogar als Schlüsselroman lesen – ein pikanter Reiz für die Eingeweihten jener Zeit um 1990.
Wer nun fürchtet, vor lauter Dialekt nichts mehr zu kapieren, der sei beruhigt. Die Autorin oder der Verlag oder beide sind einen Kompromiss zwischen Total-Dialekt als authentische Variante und Total-Hochdeutsch als maximalverständliche Variante eingegangen. Den Puristen behagt der Kompromiss sicher nicht, aber dafür ist die Leserschaft jenseits der Schwaben größer, ohne dass das berühmt-berüchtigte „Lokalkolorit“ verleugnet wird. In manchen Dialogen fangen die Figuren mit Dialekt an und sprechen nach zwei, drei Sätzen hochdeutsch weiter. Das sieht zwar etwas merkwürdig aus, ist aber umso lesbarer. Ein Konstrukt wie „Stuegert“ ist typisch, und es dreht einem Schwaben den Magen um. Da es sich um einen europäischen Roman handelt, sind auch Schwyzerdütsch und Italienisch vertreten.
Ich hatte mit keinem der Dialekte Probleme außer dem Alemannischen. Was ein „Daudel“ ist, konnte ich noch aus dem Kontext erschließen (ein Trottel), aber was „drimmelig“ sein soll, rätsele ich immer noch. Vielleicht „verträumt“? Wer weiß. Fußnoten und Glossar fehlen, doch sie hätten auch etwas seltsam ausgesehen, so als hätte die Autorin vorgehabt, ihren Schwabenkrimi zu einem Exportschlager zu machen. Dieses Vorgehen ist der Automafia vorbehalten.
Erzählstil
Von der ersten Zeile an hat mich der Erzählstil fasziniert. Alle Sätze sind ziemlich kurz und in ihrem Satzbau sehr einfach gehalten. Das hat nichts mit der Maulfaulheit von Schwaben zu tun, sondern mit dem Darstellungsstill. Jeder Satz setzt wie in einem Bild einen Farbtupfer, und erst wenn der Leser mehrere Farbtupfer zusammensetzt, ergibt sich das angedeutete Bild. Nun sind diese Sätze aber recht skurril, selbst dann, wenn sie nicht im Dialekt daherkommen. Manchmal handelt es sich nur um Gedankenfetzen, die Udo und Claudi durch den Sinn gehen. Auf diese Weise kann die Autorin Innenwelt und Außenwelt fließend ineinander übergehen lassen. Die Außenwelt ist immer eine beobachtete, also interpretierte, und wird so zu einer Ebene der Innenwelt.
Dadurch kommen recht lustige, skurrile, wenn nicht sogar bizarre Ergebnisse zu Stande. Einer dieser Beobachter ist nämlich ein Tier. Claudis Langhaardackel Maier hat immer wieder Auftritte im Buch und wir erleben seine Umgebung nur durch seine Augen und Nase, also als Hell-Dunkel-Kontrast oder Rot vs. Weiß usw. Maier fungiert sowohl als Joker wie als Gegenbild zu den seltsamen Menschenwesen, aber er spielt auch eine ganz entscheidende Rolle bei der Aufklärung des Mordfalles Yasmina Finke. Da tun sich Abgründe auf – von wegen Unschuld vom Lande! Das Land kann auch Bigotterie aufweisen, die sich mit tödlicher Konsequenz zeigt.
Dialektik _(SPOILER!)
Wie sehr die Industrie in Gestalt der SMW-Pressestelle die Kulturszene manipuliert und mit welchem Ziel sie dies tut, erkennt Udo in der theoretischsten Passage des Buches zwischen Seite 124 und 129. Ein komplettes Zitat wäre sinnlos und zu lang, aber zwei Passagen sollen die Intelligenz hinter dieser Stelle beleuchten.
Udo sitzt im Theater und wundert sich. „Wem nützt das, dachte er. Er verstand nichts vom Theater, aber er begriff mit einem Schlag, dass die Bosheit von Kresniks Inszenierung, die sich an der Verblödung der Massen ergötzte, nicht die andern meinte, nicht das dumpfe Volk draußen, sondern die Besseren hier drin im Theater. Die Symbole der geistigen Verelendung wurden vorgeführt, Boris [Becker] und Daimler, der Medienterror schlug denen ins Gesicht zurück, die ihn für das Volk inszenierten: den Bildungsbürgern. Sie verachteten das Volk, sie gaben ihm Dummheit zu fressen, und das Volk rächte sich, indem es ihnen die Dummheit vor die Füße kotzte. Dass sich das Stück gegen die selbstverantwortete Verdummung der Massen richtete, bewirkte Abwehr, und Abwehr bewirkte Beifall.“ (S. 124)
Fünf Seiten später auf Seite 129 heißt es: „Udo war verwirrt. Er hatte immer gedacht, Gleichschaltung bedeutet, dass man das Subversive ausmerzt. Und das Subversive ist immer das Kritische. Jetzt sah er, dass es grad andersrum war. Die Bosse waren schlauer. Mit dem Skandal erkauften sie sich jene Selbstliebe, die das liberale Bürgertum zum Funktionieren brauchte.“ Und die Liberalen stammen, wie man weiß, vor allem aus Baden-Württemberg …
Immer wieder finden sich solche Dreisprünge der Dialektik des Materialismus, für die Marx, Engels, Lenin und viele andere stehen. Die Dialektik bringt nicht nur interessante Ergebnisse hervor, sie ist auch der Ansatz für die Kritik am schwäbischen System der Bildungsbürger und Autobosse. Sobald Udo die Dialektik anwendet, zuerst im Theater, gelangt er endlich zur Erkenntnis seiner eigenen Rolle als Chef der Lokalredaktion: Herausgeber und Chefredakteur haben einen Deppen vom Land gesucht und ihn gefunden. Er dachte, er würde Wunder was in Stuttgart bewirken, dabei sollte er bloß der Idiot vom Dienst sein, der nix kapiert. Da haben sich seine Chefs aber geschnitten!
Unterm Strich
1990 ereignete sich die ostwestdeutsche Wende, nicht bloß in der Hochpolitik, sondern auch ganz unten im Volk. Die Schwaben sehen sich in einem geistigen Umschwung mitgenommen, den noch kaum einer registriert. Während in den Achtzigern noch AKW-Gegner und Pazifisten die Menschenkette bildeten, gehen jetzt die Feministinnen mit Plakaten auf Beerdigungen. Die Technologie siegt, und große Autokonzerne sponsern die Kulturszene mundtot, bis auch der letzte Bildungsbürger kapiert hat, dass am heiligs Blechle alles hängt und alles zu ihm drängt, als wär’s eitel Gold. Und der Verfassungsschutz, vertreten durch seinen ehemaligen Mitarbeiter „Ossi“ Oswald, jetzt Hauptkommissar, sorgt für die rechte (!) Gesinnung.
Schon wird die beginnende Konkurrenz aus dem „Ostblock“ und die Globalisierung selbst draußen auf dem Land in Mariabronn spürbar, dann können die kleinen Meisterbetriebe dicht machen. Udo, der Lokaljournalist, ermittelt im Stuttgarter Sumpf und gerät um ein Haar unter die Räder. Erst in Rom kommt er wieder zur Besinnung, denn dorthin führen bekanntlich alle Wege.
In der Heimat, so der hinterlistige Witz der Geschichte, klärt er einen Mord auf, der in Stuttgart passierte. Die Handlung schlingert am Schluss assoziativ vor sich hin, scheinbar ziellos, und man kann dies für eine Schwäche halten. Manchmal fördert aber das Ziellose das eigentliche Ergebnis zu Tage, so wie es Maier, der Dackel, mit einem Stöckelschuh in einem Misthaufen tut. Ein Bild, das Bände spricht.
Ich fand die Lektüre äußerst kurzweilig und interessant, außerdem fühlte ich mich köstlich amüsiert. Die Sprache, die Figurenzeichnung, die ironische Brechung der Kontraste – das verrät schon einen Routinier. Nur bei der Handlungsführung und dem offenen Schluss müsste ich Abstriche machen. Dialekt sollte man allerdings schon verstehen: Schwäbisch, Alemannisch usw. Taschenbuch: 256 Seiten
ISBN-13: 9783899777451 www.Gmeiner-Verlag.de
Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: (No Ratings Yet)
Eigentlich hatte man Privatdetektiv Lew Archer nur auf Colonel Mark Blackwells ungeliebten Schwiegersohn in spe angesetzt. Doch kaum beginnt er zu ermitteln, stößt er auf eine heiße Spur, welche über verschiedene Leichen bis nach Mexiko und zurück nach Malibu führt. Dabei kreuzt ein als Fun Cruiser genutzter Leichenwagen immer wieder Archers Weg. Sixties, Surfkultur und Generationenkonflikt sorgen für Spannungen und für Spannung.
In einem Waffenversteck der sizilianischen Mafia findet Commissario Montalbano eine unheimliche Szene: ein eng umschlungenes Paar Leichen, bewacht von einem Hund aus Terrakotta.
Des Rätsels Lösung war bereits einmal im deutschen Fernsehen zu erfahren. Wer den Film verpasst hat, kann die Lösung in diesem Hörspiel herausfinden.
Ein neuer Fall für Hauptkommissar Van Veeteren: Zwei Mädchen aus einem Ferienlager verschwinden spurlos und werden wenig später tot aufgefunden. Steckt ein obskurer Sektenführer hinter den Morden? Oder hat man es mit einem unbekannten Psychopathen zu tun? Vor allem aber: Kann Van Veeteren ihn stoppen, bevor er ein weiteres Mal zuschlägt? (Verlagsinfo) Håkan Nesser – Der Kommissar und das Schweigen (Van Veeteren 5) weiterlesen →
Mit der Eisenbahn will der Journalist Tom Langdon von Washington, D.C., bis nach Los Angeles fahren, um sein Versprechen bei seiner Freundin Lilya Gibson einzulösen – sie zu Weihnachten zu besuchen. Die Menschen, die er auf seiner Reise trifft, werden sein Leben beträchtlich verändern. Und als der Zug in den verschneiten Rocky Mountains in einem Schneesturm stecken bleibt, kommt es zu einer dramatischen Entscheidung.
|Der Autor|
David Baldacci ist der Verfasser u. a. von „Der Präsident“, das Clint Eastwood unter dem Titel „Absolute Power“ verfilmt hat. Der frühere Strafverteidiger und Wirtschaftsjurist lebt in Virginia, USA. Weitere Baldacci-Hörfassungen bei Lübbe: „Das Labyrinth“, „Das Versprechen“, „Der Abgrund“, „Die Versuchung“, „Die Verschwörung“ und „Die Wahrheit“.
|Der Sprecher|
Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken.
_Handlung_
Tom Langdon ist bereits über 40, also praktisch schon scheintot. Der frühere Kriegsberichterstatter und Globetrotter hat seine jugendlichen Illusionen über seine Möglichkeiten, die Welt zu verbessern, verloren. Jetzt schreibt er für Handwerker- und Frauenmagazine über Selbstverbesserung und die Verschönerung des Heims. Er lebt relativ allein, seit seine frühere Lebensgefährtin Eleanor Carter sich von ihm getrennt hat. Vor kurzem sind obendrein seine Eltern gestorben, und er selbst könnte ein paar Selbstverbesserungstipps gut gebrauchen.
Tom hat seiner Freundin Lilya Gibson versprochen, zu Weihnachten nach Los Angeles zu kommen, um mit ihr die Feiertage am schönen (wenn auch teuren) Lake Tahoe zu verbringen. Er hofft, die Zwei-Küsten-Fernbeziehung durch traute Zweisamkeit zu vertiefen. Doch erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt. Weil er bei einer der ätzenden Sicherheitskontrollen auf einem New Yorker Flughafen die Nerven verlor, wird er zu zwei Jahren inneramerikanischem Flugverbot verdonnert – und das ist noch ein mildes Urteil, findet die Richterin. Folglich kann Tom nicht wie geplant nach L.A. düsen, sondern muss den Zug nehmen. Es soll eine denkwürdige Reise für ihn werden.
|Die Reportage|
Um aus der Not das Beste zu machen, beschließt Tom, einem Wunsch seines Vaters zu folgen und wie einst sein Urahne Mark Twain auf der Transamerikafahrt eine Reisereportage zu schreiben. Dafür fährt er standesgemäß mit den noblen Zügen „Capital Limited“, der ihn bis Chicago bringt, und mit dem „Southwest Chief“ über Colorado nach Los Angeles. Er träumt von einem riesigen Schlafwagenabteil, wie es sich einst Cary Grant und Eva-Marie Saint in Hitchcocks Thriller „Der unsichtbare Dritte“ teilen durften.
An Bord stellt er fest, dass sein Abteil nur den Ansprüchen einer Sardine genügen dürfte. Die Wand des Bades lässt sich zudem beiseite schieben, um ins Nachbarabteil zu gelangen – sehr praktisch, aber auch sehr gewöhnungsbedürftig. Diverse interessante Fahrgäste gibt es kennen zu lernen. Einer dicken Frau namens Agnes Joe muss er ständig aus dem Weg gehen, sie ist seine Abteilnachbarin. Bald merkt er, dass ein Taschendieb ebenfalls den Zug zu seinem Arbeitsgebiet erkoren hat – sein Füller ist weg und ebenso diverse Objekte anderer Fahrgäste. Und dann sind da noch „die Filmleute“.
|Die Filmleute|
Bei seiner Recherche im Zug stößt Tom schließlich auf Max Powers, einen berühmten Hollywood-Regisseur, der bereits viele Preise gewonnen hat. Selbstredend reist Max nicht alleine. Er hat seinen Assistenten Cristobal und seine Drehbuchschreiberin dabei. Er plant nämlich, einen Film auf einem Zug drehen. Zu Toms maßlosem Erstaunen stellt sich die Drehbuchschreiberin als seine frühere Lebensgefährtin Eleanor Carter heraus.
Die ist allerdings gar nicht entzückt über die Begegnung: Sie gibt immer noch Tom die Schuld an der Trennung. Tom hingegen ist sich keiner Schuld bewusst. Eleanor hofft, er werde endlich mal erwachsen. Wovon, zum Geier, redet sie?, fragt sich Tom. Der nichts davon ahnende Max spannt Tom sogleich zum Drehbuchschreiben an; er und Eleanor würden sich bestimmt prächtig ergänzen. Von einem verlobten Pärchen werden sie gebeten, als Trauzeugen zu fungieren. Na, großartig.
Mit Ach und Krach schafft es der Zug nach Chicago. Tom schafft seinerseits beinahe schon die Aussöhnung mit Eleanor, die ihn trotz allem immer noch zu lieben scheint – da taucht Lilya Gibson auf. Die Überraschung ist Toms Freundin wirklich gelungen. Zu allem Überfluss macht sie ihm einen Heiratsantrag, denn sie will eine Familie mit mindestens acht Kindern gründen. Auf diesen Schrecken braucht Tom erst einmal eine wohldosierte Überdosis Alkohol.
|Der Schneesturm|
Während sich Eleanor und Lilya noch kabbeln, sobald sie erkannt haben, mit wem Tom gerade zusammen ist, erreichen schlechte Nachrichten von der Wetterfront den Zug. Auf der Westseite der Rocky Mountains hat sich ein Jahrhundertsturm zusammengebraut, der nun seine Schneemassen Richtung Süden voranschiebt. Die kritische Stelle ist der hoch gelegene Pass, den der Zug überwinden muss, will er die Ebenen von New Mexico erreichen. Der Pass selbst wird zwar von einem 800 m langen Tunnel unterquert, doch wer weiß, was sich auf der anderen Seite dem Zug entgegenstellt? Schneewehen, Lawinen, Felsbrocken?
Wie es der Eisenbahnveteran Higgins vorhergesagt hat, tritt der schlimmste Fall ein, und der Zug bleibt gleich neben einem Abgrund stehen. Dass er mit der nächsten Lawine in denselben zu kippen droht, ist nicht das drängendste Problem. Die Rettungskräfte können den Zug im Schneesturm nicht finden, geschweige denn erreichen. Die 340 Passagiere müssen also längere Zeit warten. Das geht aber auch nicht unbegrenzt: Sobald der Treibstoff verbraucht ist, fällt der Strom ebenso aus wie die Heizung. Werden die Leute in wenigen Stunden erfrieren?
Tom trifft eine dramatische Entscheidung. Er wird versuchen, das nächste Berghotel zu Fuß zu erreichen, um Hilfe zu holen. Erstaunt stellt er fest, dass Eleanor nicht davon abzubringen ist, ihn in den Schneesturm zu begleiten.
_Mein Eindruck_
Vor wenigen Jahren lieferte John Grisham mit dem verfilmten Roman [„Das Fest“ 292 (Skipping Christmas) eine perfekte Weihnachtssatire ab, die mir sehr viel Spaß bereitete. Nun ist sein Kollege David Baldacci dran, der in der Disziplin der X-mas-Story mindestens ebenso erfolgreich ist.
Die Handlung dieses „Weihnachtsmärchens“ ist an keiner Stelle langweilig und sorgt schon nach wenigen Minuten für gespannte Nerven und ein ein wohltrainiertes Zwerchfell. Die originellen Figuren wie etwa Agnes Joe oder der Ex-Pfarrer Kelly sind klar gezeichnet und werden bis zum Schluss eine Rolle spielen. Der ganze Hintergrund in zeitlicher, räumlicher und technisch-kultureller Hinsicht ist sauber recherchiert: Der Zug „Capital Limited“ hat ebenso seine Geschichte – etwa durch Mark Tawin – wie Tom Langdon selbst. Die Spieler haben die Bühne betreten, nun kann der erste Akt beginnen.
Die Handlung zielt selbstverständlich wie in jeder anständigen Romanze auf die Vereinigung der Liebenden, sprich: von Tom und Eleanor. Da dies aber eine Weihnachtsgeschichte ist, fehlt uns irgendwie noch die Rolle des Santa Claus. Keine Angst: Auch der ist mit an Bord. Damit alles ein wenig spannender wird, tauchen noch Eleanors Widersacherin, die Stimmenimitatorin Lilya Gibson, und der Taschendieb auf, der für erhebliche Unruhe sorgt.
Die Krise tritt natürlich auf dem Bergpass ein, als der Zug stecken bleibt und alle Passagiere sich mit einem vorzeitigen Lebensende konfrontiert sehen, das nicht im Fahrplan stand, und mit einer postmortalen Reise, für die sie kein Ticket haben. Jedenfalls sorgt die Katastrophe dafür, dass sich alle beträchtlich näher kommen und Solidarität gegenüber den Schwächeren üben: brave Amerikaner. Und wenn Tom und Elli nicht im Schneesturm umkommen, dann leben sie noch heute.
|Der Sprecher|
Selten hat Ulrich Pleitgen sein Stimmtalent derart vielseitig ausspielen dürfen. Es ist ein Vergnügen, ihm zuzuhören, wenn er die Stimmung einer Szene voll zur Geltung bringt. Sein eigenes Vergnügen ist ebenfalls herauszuhören, so etwa dann, als sich die dicke Agnes Joe amouröse Avancen von dem etwas belämmerten Tom Langdon erhofft (die Badwand ist offen!) und einen eindeutig zweideutigen Tonfall anschlägt.
Aber auch zur Komik gibt es reichlich Anlass. Und das betrifft nicht so sehr den Humor zwischen bereits gut abgefüllten Männern (Frauen haben sich offenbar nicht zu besaufen) wie etwa Max und Tom. Das betrifft zum Beispiel die Szene, in der Lilya Tom ihren Heiratsantrag macht. Wie in einer ordentlichen Screwball-Comedy stellt die Lady die von der Gesellschaft abgesegneten Verhältnisse – nur Männer dürfen Heiratsanträge machen – kurzerhand auf den Kopf und packt in ihr Horrorpaket noch acht Kinder hinein. Kein Wunder, dass Tom dadurch ein klein wenig abgeschreckt ist. – Es gibt noch zahlreiche weitere solche Szenen.
Das hindert aber einen Profi wie Pleitgen nicht daran, auch leise und geradezu intime Töne anzuschlagen. Die recht emotionalen Dialoge zwischen Eleanor und Tom kommen durch leise Töne besser zur Geltung, es sei denn, es geht um Leben und Tod. Und das tut es dann ja auch.
Das Finale ist etwas anspruchsvoller in der Dialogführung. Man muss genau aufpassen, wer was wann zu wem sagt. Denn wie in einer Komödie ist es besser, etwas zu verraten, wenn die Betreffenden nicht zugegen sind. Und Max Powers hat einiges zu erklären …
_Unterm Strich_
„The Christmas Train“ bietet perfekte Unterhaltung zum Familienfest. Hier kommen Liebende zusammen, die füreinander bestimmt waren – auch wenn sie das selbst ganz anders sehen. Und damit die Handlung sowohl für Herz und Zwerchfell als auch Adrenalinspiegel etwas bietet, sorgt der Autor mit zahlreichen geeigneten Zutaten für die entsprechende Dosis. Wer Realismus sucht, findet ihn allerdings eher woanders. Aber wer tut das schon zu Weihnachten?
Dem Sprecher Ulrich Pleitgen zuzuhören, ist ein wahres Vergnügen. Er moduliert seine tiefe Stimme auf vielfältige Weise. Ich konnte beispielsweise immer genau sagen, wann Eleanor spricht und wann Tom Langdon. Selbst ein alter Mann wie der 70-jährige Father Kelly ist genau herauszuhören. Und zu lachen gibt es, wie gesagt, hörbar auch einiges.
Auch der um rund zehn bis fünfzehn Euro herabgesetzte Preis bringt etwas zum Lachen, nämlich meinen Geldbeutel (oder das entsprechende Äquivalent). Das ganze Paket bietet also keinerlei Minus-, sondern ausschließlich Pluspunkte. So gefällt mir das: „Das Geschenk“ macht seinem Namen alle Ehre.
|Umfang: 285 Minuten auf 4 CDs
Originaltitel: The Christmas Train, 2002
Aus dem US-Englischen von Uwe Anton, Lübbe-Verlag November 2003.|
Spenser kämpft gegen Schwindler, Prediger und Waffenschieber
Von einer Klientin seiner Freundin Susan Silverman wird Privatdetektiv Spenser angeheuert, um einen Betrüger zu finden, der diese seine Exgeliebte um 260.000 Dollar erleichtert hat. Spenser stößt auf eine Spur von betrogenen Leuten und auf eine lebende Legende, die sich ihre Biografie zusammengelogen hat. Als der Betrüger zurückkehrt, muss Spenser seine Auftraggeberin davon abhalten, sich erneut in den Scharlatan zu verlieben – vergeblich.
Er selbst hat Mühe, sich den Kugeln zu entziehen, die von Killern abgefeuert werden, die überall dort auftauchen, wo sich der Betrüger herumtreibt. Doch Spenser, verstärkt durch Hawk und Sixkill an seiner Seite, bleibt hartnäckig. Die Spur führt nach Atlanta, Georgia, wo ein mysteriöser Prediger sein Unwesen treibt… Ace Atkins – Robert B. Parkers Little White Lies. A Spenser Novel (Spenser Nr. 46) weiterlesen →
Eine Serie von Brandstiftungen in Boston bringt sowohl die Feuerwehr als auch die Polizei in Bedrängnis. Drei Feuerwehrleute sterben in einer alten Kirche, doch kein Tatverdächtiger wird gefunden. Jack McGee, ein ehemaliger Feuerwehrmann, bittet Privatdetektiv Spenser um Hilfe. Der stößt auf einige Ungereimtheiten, Geheimnisse – und ein Wespennest von Gangstern.
Als seine eigene Wohnung abgefackelt wird, zieht er andere Saiten auf. Zusammen mit seinen Freunden Zebulon Sixkill, einem Cree-Indianer, und Hawk, dem Profikiller mit dem stilsicheren Auftritt, heizt er sowohl den Brandstiftern als auch einem der Gangster ein. Schon bald hagelt es Morddrohungen…
Dieser frühe Alex-Cross-Roman ist mindestens so gut wie „Wenn Mäuse Katzen jagen“: enorme Spannung, genügend Action und vor allem tiefe psychologische Einsicht zeichnen den Roman aus. James Patterson hat kaum jemals besser oder spannender erzählt. Besonders seine kurzen Kapitel sorgen beim filmgeschulten Leser für Spannung und Aufmerksamkeit.
Der Autor
James Patterson ist einer der erfolgreichsten US-Krimiautoren. Mit seinen Alex-Cross-Romanen, von denen einige bereits verfilmt wurden („Im Netz der Spinne“, „Denn zum Küssen sind sie da“), schrieb er sich in die erste Reihe der Thrillerautoren. „Jack and Jill“ ist ein eminent politisches Buch.
Der Sprecher
Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken.
Handlung
Die amerikanische Hauptstadt wird von zwei Mordserien in Angst und Schrecken versetzt. Ein Killerpaar, das sich selbst in postmortalen Botschaften nach einem alten Kinderlied poetisch als „Jack und Jill“ bezeichnet, killt Prominente mit dubioser Vergangenheit oder Moral. Dazu gehören Senatoren, aber auch bekannte Fernsehansagerinnen und Richter.
Und der letzte und wichtigste Kandidat auf ihrer Liste ist der Präsident himself. Der Geheimdienst ist gebührend geschockt: Der Präsident und die First Lady werden vom Secret Service und der CIA selbst mit den Codenamen „Jack und Jill“ bezeichnet. Werden die Morde also von Insidern verübt? Als ein dritter Killer alle Theorien über das Paar über den Haufen wirft, eskaliert der Konflikt. Alex Cross von der Mordkommission der Polizei wird hinzugezogen.
Er soll eigentlich die zweite Mordserie der Hauptstadt aufklären. In der Gegend der Schule, wo sein eigener Sohn Damon Unterricht erhält, werden mehrere Kinderleichen in grauenhaft verstümmeltem Zustand aufgefunden. Dr. Cross fühlt plötzlich sein eigenes Familienglück bedroht, das nach dem Tod seiner Frau Maria ohnehin schon ziemlich lädiert ist.
Zum Glück kann Cross die Bekanntschaft der neuen und sich als ‚tough‘ erweisenden Rektorin der Schule machen, Christine Johnson. In späteren Romanen wie „Wenn Mäuse Katzen jagen“ wird daraus eine intensive Liebe. Ms. Johnson taucht auch in „Wer hat Angst vorm Schattenmann?“ auf.
Cross sieht sich einem Dreifrontenkampf ausgesetzt: An der Heimatfront in Südost-Washington, im Weißen Haus, um den Präsidenten zu schützen, und schließlich im Stellungskampf gegen die drei Unsichtbaren, die unter „Jack und Jill“ firmieren.
Als der Präsident von diesem Grabenkrieg die Nase voll hat, weil die Regierung nicht mehr arbeiten kann, besucht er New York City mit seinem Tross – auf die Gefahr hin, dort tödlich angegriffen zu werden. Und tatsächlich: Eine Bombe explodiert direkt an seinem Rednerpult. Der Mörder muss ein Insider sein, denn nur das FBI, der Secret Service oder die CIA konnten so nahe an den First Man herankommen …
Mein Eindruck
Dieses Hörbuch ist eine Kombination aus Horror-Thriller à la „Schweigen der Lämmer“ und Politthriller à la Grisham („Die Bruderschaft“) und Baldacci („Absolute Power“). Es zeigt uns Alex Cross als rechtschaffenen Mann, der sich zwischen zwei Welten fast zerreißen muss, um damit klarzukommen. Ohne seine Freunde und Familie würde er es garantiert nicht schaffen. Der psychologische Konflikt ist klar und anrührend herausgearbeitet.
Während er sich dem Präsidentenschutz und der Killerjagd auf Befehl von ganz oben zu widmen hat, bleibt ihm praktisch nur der Feierabend, um seine Familie und seine Nachbarschaft vor einem Psychopathen zu schützen. Das liegt daran, dass Südost-Washington nur sehr wenige Polizeibeamte zugestanden werden, weil es ganz unten auf der Prioritätenliste der Polizei steht, wohingegen die meist weißen Opfer von Jack und Jill Vorrang genießen – der alltägliche Rassismus also. Ist Pattersons Kritik an diesem Unrecht schon hier deutlich, so ist sie geradezu schneidend scharf in „Wer hat Angst vorm Schattenmann?“
Die Hintergründe hinter der Menschenjagd des Paares „Jack und Jill“ sind politischer Natur. Möglicherweise, so legt der Autor nahe, steckt eine Verschwörung wie jene dahinter, die zur Ermordung des unbequemen demokratischen Präsidenten John F. Kennedy und später auch zu der seines Bruders Robert führte. Jack und Jill sind offenbar nur Ausführungsgehilfen von Mächten, die einzig allein um den Erhalt ihrer Macht fürchten und dafür selbst Präsidenten opfern.
Die Horrorelemente halten sich in Grenzen. Natürlich reiht sich ein Blutbad an das andere, und laufend findet Cross Kinderleichen, aber das ist nicht mit dem Kannibalismus und den Untaten eines Hannibal Lecter zu vergleichen. Hörern ab 16 Jahren ist das Hörbuch durchaus zuzumuten.
Der Sprecher
Ulrich Pleitgen liest wie immer bewunderswert präzise und arbeitet Details heraus. Er verleiht jeder Figur eine eigene Stimme, so etwa dem verrückten Jungen, der die Morde in Cross‘ Nachbarschaft verübt: Pleitgen liest die Gedanken und Worte Dannys mit einer geradezu perversen Lust am Wahnsinn: |“happy happy, joy joy!“|
Und sogar die geheimsten Gedanken, die Alex Cross hegt, haben eine eigene Tonqualität: Diesmal hilft dem Sprecher die moderne Technik: Die Gedanken erklingen mit ihrem eigenen Hall-Effekt. Auch Videos profitieren von der Tontechnik: Die Videostimme klingt angemessen künstlich und von einem Lautsprecher verzerrt. Aber das sind nur technische Krücken – die natürliche Stimme reicht ansonsten vollkommen aus, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Unterm Strich
„Sonne, Mord und Sterne“ ist ein fesselndes Hörbuch, dem man zuhört wie einem spannenden Thriller, einem Film, der vor den Augen abläuft, der aber nur zu hören ist. Manche Szenen sind so hypnotisch faszinierend gesprochen, dass man sich ihrem Bann nicht entziehen kann – durchaus eine Gefahr für Auto fahrende Zuhörer. Zugleich kann man dem Geschehen, in dem drei verschiedene Mörder auftreten, durchaus einfach folgen.
Das Einzige, was sich gegen das Hörbuch einwenden lässt – vom hohen Preis abgesehen -, besteht darin, dass der Schluss sich recht lange hinzieht, weil der Autor wieder einmal viel erklärt – so als wolle er den Nachhall der Lösung des Auftretens von Jack & Jill weidlich ausnutzen.
_Asylanten killen: die Mörder mit der Schrotflinte_
Auf einem abgelegenen Hof in der Nähe von Ystad wird ein altes Ehepaar überfallen und auf unerklärlich grausame Weise getötet. „Ausländer!“ hört man noch von der sterbenden Frau. Als die Öffentlichkeit davon erfährt, wird Schonen von einer Welle ausländerfeindlicher Gewalt überrollt. Wallander ermittelt, geplagt von privaten Problemen, die einen Höhepunkt erreichen, als seine Tochter sich mit einem Kenianer einlässt. (z. T. Verlagsinfo)
_Der Autor_
Henning Mankell wurde 1948 in Schweden geboren. Heute verbringt der Schriftsteller, Drehbuchautor und Intendant die eine Jahreshälfte in Mocambique, wo er seit 1996 das Teatro Avenida in der Hauptstadt Maputo leitet. Die andere Jahreshälfte verbringt er in Schweden. Für sein vielseitiges Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so etwa mit dem Deutschen Krimi-Preis und mit dem Deutschen Bücherpreis.
_Der Sprecher_
Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. 1994 wurde er mit dem „Bambi“ ausgezeichnet. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. Am bekanntesten ist er wohl für seine Mitwirkung an der POE-Hörspiel-Reihe des |Lübbe-Audio|-Verlags.
Regie führte Margrit Osterwold, den Ton steuerte Fabian Küttner. Pleitgen liest eine gekürzte Fassung, die aber immer noch dreimal so lang ist wie jene, die der |Hörverlag| anbietet. Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt eines Freskos von Giambattista Tiepolo.
_Handlung_
Es ist der 8. Januar 1990, als morgens um 4:45 Uhr der 70 Jahre alte Bauer Nyström aus dem südschwedischen Dorf Lenhap von der Stille erwacht. Normalerweise ist sein Pferd um diese Zeit schon unruhig, heute aber nicht. Als er zum Stall geht, sieht er, dass das Küchenfenster seines Nachbarn Lövgren offen steht. Dabei ist Johannes Lövgren immer so auf Sicherheit bedacht. Sonderbar. Dann hört er einen Schrei. Auch Nyströms Frau Hanna hört ihn – und das Küchenfenster wurde eingeschlagen! Nyström holt seine Taschenlampe und leuchtet ins Schlafzimmer der Lövgrens: Von Johannes sieht man nur den Fuß auf dem Boden, aber Maria sitzt an der Wand: blutüberströmt, gefesselt. Nyström ruft die Polizei.
Krimonalkommissar Kurt Wallander findet im Schlafzimmer der Lövgrens ein Schlachthaus vor. Blutspritzer bis an die Decke. Lövgren ist seinen schweren Verletzungen erlegen, aber die Frau lebt noch. Er lässt sie schleunigst ins Krankenhaus bringen, doch Stunden später erliegt sie ihren Verletzungen. Sie sagt nur ein letztes Wort: „… Ausländer …“.
Das hat Wallander gerade noch gefehlt. Statt eines „normalen“ Raubüberfalls, für das er diese Wahnsinnstag vorerst hält, soll nun eine Attacke von „Ausländern“ stattgefunden haben? In der Teambesprechung vergattert er alle Kollegen zum Schweigen, und auch in der Pressekonferenz sagt er kein Sterbenswörtchen von „Ausländern“. Dennoch muss es irgendwo ein Informationsleck gegeben haben, denn das schwedische Fernsehen behauptet, der Kommissar ermittle im Zusammenhang mit Ausländern und Asylbewerbern. Von seinen Kollegen beteuert jeder, er habe den Mund gehalten. Es hätte ja jemand aus dem Krankenhaus gewesen sein können. Auch wieder wahr.
Der 9.1.1990. In aller Frühe fährt Wallander zu Nyströms Hof und wird sofort beschossen! Er wirft sich auf den Boden in Deckung und ruft: „Polizei! Nicht schießen!“ Nyströms hat seine Schrotflinte nur in die Luft abgefeuert, ein Warnschuss. Dennoch kann man wohl den Alten als Doppelmörder ausschließen. Wallander überbringt die Nachricht, dass Maria Lövgren verstorben sei.
Lars Herdin, ein Landwirt aus Lenhap, sagt aus, der alte Lövgren sei „ein Schwein“ gewesen. Herdin ist Lövgrens Schwager: Maria war seine „kleine Schwester“. Lövgren habe sie nach Strich und Faden betrogen. Nicht nur hatte er seit den fünfziger Jahren ein Liebchen in Kristianstad, von dem er ein Kind hatte und für das er eine Menge Unterhalt zahlte – mehr als an Maria selbst. Außerdem war Lövgren stinkreich, seit er und sein Vater im Krieg Schlachtvieh an die Deutschen verhökert hatten. Tatsächlich, so findet Wallander heraus, stimmen Herdins Angaben, was das Geld betrifft: Lövgren hatte über eine Million schwedische Kronen in Aktien, Obligationen und Bargeld. Drei Tage vor seinem Tod, also am 4. Januar, hob er 27.000 Kronen ab und im Jahr zuvor jedes Quartal nochmals um die 25.000 Kronen. Wofür brauchte er so viel Geld? Für die Unterhaltszahlungen? Er steckte das Geld auf der Raiffeisenbank in eine braune Aktentasche, doch diese ist spurlos verschwunden. Also war es doch ein Raubüberfall, oder?
Doch die Gegend um Ystad und Malmö ist mittlerweile in Aufruhr. Die Rechtsextremen rufen Wallander an und setzen ihm eine Frist von drei Tagen, um den Täter zu schnappen. Ansonsten würden sie selbst für „Gerechtigkeit“ sorgen. Was dies bedeuten könnte, wird Wallander klar vor Augen geführt, als er am 10. Januar ein Auffanglager für Asylbewerber inspiziert. Ein Molotow-Cocktail setzt eine der Barracken in Brand. Schnell füllt sich die Hütte mit giftigem Rauch. Wallander schlägt beherzt die Scheibe ein und dringt in den Rauch vor. Zum Glück findet er niemanden darin, und was er für einen Schläfer gehalten hat, stellt sich als Matratze heraus. Aber nun greift das Feuer auf die anderen Hütten über. Er schlägt Alarm und befiehlt dem Lagerleiter, die Feuerwehr zu rufen. Auch Ambulanz und Polizei rücken ein.
Nachdem Wallander seine Wunden hat verarzten lassen, ist er der Held des Tages. Doch schon gibt es einen ersten Dämpfer, als die Einwanderungsbehörde anruft und sich über den mangelhaften Schutz der Asylantenheime beschwert. Er sagt der Beamtin gehörig die Meinung, die aufgebracht auflegt. Die Ministerin werde sich bei ihm melden, droht sie. Wallander kann es gar nicht erwarten.
Von seinem Vater, der schon fast 80 und ein erfolgreicher Landschaftsmaler ist, hat Wallander erfahren, dass seine Tochter Linda, die in der Gegend von Malmö lebt, offenbar einen netten Freund hat. Es ist ein Schwarzer, aus Afrika. Wallander weiß nicht, was er davon halten soll, aber er hat kein gutes Gefühl dabei. Als er nach Malmo fährt, um Mona, seine seit drei Monaten geschiedene Frau, zu treffen, entdeckt er Linda und ihren schwarzen Freund am Bahnhof. Er spioniert ihnen nach – und kommt sich dabei wie ein Idiot vor. Das Gespräch mit Mona bringt nichts außer Ärger. Die Info, der Schwarze sei ein angehender Mediziner, beruhigt ihn auch nicht gerade. Als sie geht, beschattet er auch sie. Ein Mann, der die ganze Zeit gewartet hat, holt sie im Auto ab. Wallander fühlt sich elend.
Wenig später wird in der Nähe des Asylantenauffanglagers Hageholm einem Somalier der Kopf mit einer Schrotflinte weggeschossen. Der Rechtsradikale, der Wallander schon zweimal angerufen hat, droht mit einem weiteren Mord: Der wäre die Vergeltung für Maria Lövgren. Der Aufruhr ist erheblich, und Wallander wird vom schwedischen Reichspolizeichef angerufen. Seine Ermittlung in Sachen Ausländermord habe oberste Priorität! Nun, immerhin stehen Wallander nun unbegrenzte Mittel zur Verfügung.
Die Jagd geht nun erst richtig los. Aber der Mordfall Lövgren wird dadurch in keiner Weise gelöst. Wallander bringt sich so gesehen völlig umsonst in höchste Lebensgefahr.
_Mein Eindruck_
Mankell kontrastiert wieder einmal das von seltenen Höhen und vielen Tiefpunkten gekennzeichnete Privatleben seines Helden mit dessen beruflichen Erfolgen, die doch ganz beträchtlich sind. Es ist merkwürdig, dass Wallanders Kollegen – zumindest bis zu einer gewissen Hierarchiegrenze, wo die Politik anfängt – durchweg alle auf seiner Seite stehen, und sogar die Staatsanwältin ihn bewundert und unterstützt. Sicher würde er sich insgeheim wünschen, dass auch sein Privatleben so funktionieren würde, aber das gesteht er sich erstens nicht ein und zweitens hat Kriminalkommissar Wallander auf privater Ebene eh nichts zu befehlen. Daraus resultiert eine ganze Menge Leid für ihn. Ich bewundere, dass es ihm gelingt, die beiden konträren Verhaltensweisen stets auseinander zu halten. Misslingt ihm dies auf privater Ebene, gibt es meist Stunk. Seine Entschuldigung: Er war angetrunken. Und er schickt Blumen.
Das Thema dieses Wallander-Romans ist unübersehbar die Ausländerproblematik. Sie war Anfang der neunziger Jahre nicht das alleinige Problem Schwedens, sondern aller europäischen Länder. Das Ende des Kalten Krieges, der Zusammenbruch der Sowjetunion, der neu entbrannte Balkankrieg, der zweite Golfkrieg – sie alle erzeugten damals eine Flut von Flüchtlingen, die in aller Herren Länder vertrieben wurden. Doch unter die berechtigten Asylsuchenden mischten sich auch skrupellose Verbrecher aus dem ehemaligen Ostblock. Und auf die Unterscheidung dieser beiden Gruppen achtete bis dahin niemand. Das Asylantengesetz Schwedens war ebenso großzügig ausgelegt wie das deutsche, und Leute, die aus den Asylantenlagern verschwanden, wurden nicht verfolgt. Die Erlebnisse Wallanders spiegeln genau die damalige Wirklichkeit wider.
Wallander ist, als er auf diese Zustände stößt, verständlicherweise aufgebracht, aber er wirkt hilflos: nur ein kleiner überarbeiteter Beamter, der von den Politikern und Bürokraten auch nur in den Hintern getreten wird, weil er angeblich nichts unternehme. Die sollten sich seiner Ansicht nach mal an die eigene Nase fassen und dafür sorgen, dass den Rechtsradikalen der geistig-moralische Nährboden entzogen wird statt über Symptome ihrer eigenen Politik zu jammern. (In „Der Tod des Tanzlehrers“ greift Mankell das Thema erneut auf und zeigt eine faschistische Untergrundorganisation mit Verbindungen zur hohen Politik.)
Über all diesem Tohuwabohu gerät der Doppelmord an den Lövgrens fast in Vergessenheit. Die ungewöhnliche Schlinge, das Wort „Ausländer!“, Lövgrens rätselhaftes Verhalten, vor allem aber die sinnlose Brutalität des Überfalls beschäftigen und erschüttern Wallander. Und der Fall wäre um ein Haar bei den Akten gelandet, wenn Wallander nicht Kommissar Zufall zu Hilfe gekommen wäre. Dadurch wird dem Leser bzw. Hörer noch ein actionreiches Finale geliefert, das sich sehen lassen kann. Allerdings habe ich den beeindruckenden psychologischen Horror, den Mankell in „Die fünfte Frau“ evozieren konnte, sehr vermisst. Dafür ist die Handlung in „Mörder ohne Gesicht“ zu unausgeglichen, zu disparat.
_Der Sprecher_
Ulrich Pleitgen ist am besten, wenn er die Sprechweise von Männern gesetzteren Alters nutzen darf, um sie angemessen zu charakterisieren. Ein Wucherer, der sich als Eisenwarenhändler getarnt hat, wird beispielsweise von Wallander ausgefragt, bleibt aber die ganze Zeit äußerst ruhig und beherrscht. Die Stimmlage dieser Figur ist tief, die Sprechweise langsam, die Ausdrucksweise umgangssprachlich – ein selbstsicherer Typ aus der Arbeiterklasse.
Am beeindruckendsten ist hingegen die Figur von Rudberg, dem alten Mentor Wallander, der im Buch an Krebs stirbt. Er klingt heiser, langsam, insgesamt sehr alt, aber seine Meinung ist fest und willensstark: „Bring die Verbrecher zur Strecke, Kurt!“ Noch heftiger drückt sich Wallanders Vater aus, denn er legt seine volle väterliche Autorität in seine Ausdrucksweise. Als Wallander zaghaft protestiert, fühlt sich sein Vater angegriffen und brüllt ihn nieder. Kein netter Typ, der Opa, aber man muss sich dennoch um ihn kümmern.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist Pleitgens Darstellung von jüngeren Männern und von Frauen. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber Figuren wie Martinsson, ein junger Kriminaler, der beherzt zupacken kann, klingen doch nur etwas schwach im Vergleich zu den älteren Herrschaften. Am sympathischsten unter den Frauenrollen ragen Annett Brolin, die äußerst attraktive Staatsanwältin, und Britta Lena Bodén, die Bankangestellte mit dem phänomenalen Gedächtnis, heraus.
Was ich noch unbedingt erwähnen muss: Pleitgen spricht die schwedischen Namen einwandfrei aus, so dass sie genauso klingen wie aus dem Munde eines Einheimischen, aber natürlich ganz anders, als man sie auf gedrucktem Papier vorfinden würde. Lund wird „Lünd“ ausgesprochen, „Peters“ wie „petersch“ und „Kristianstad“ klingt wie „krischanstad“. Das ist schon ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber ich verlasse mich darauf, dass das seine Richtigkeit hat, denn in den Liza-Marklund-Hörbüchern spricht Judy Winter ebenfalls auf diese Weise.
_Unterm Strich_
Nach einem horrormäßigen Anfang gleitet die Handlung unmerklich in einen ganz anderen Handlungsstrang hinüber, nur um nach dessen actionreicher Abwicklung in einer Sackgasse zu landen. Mankell kann es wirklich spannend machen, und erst kurz vorm Finale lässt er seinen Helden die rettende Erleuchtung zuteil werden. Ich kann mir gut vorstellen, aus welchen Gründen Wallander Millionen Lesern in aller Welt ans Herz gewachsen ist und sie ihm mittlerweile nachtrauern, weil Mankell ihn durch Wallanders Tochter Linda hat ablösen lassen.
Dieser Fall sorgt für etliche Überraschungen, Leidens- und Liebesszenen, aber auch für drei Verfolgungsjagden, bei denen ich mich wunderte, dass Wallander mit seinen 45 Jahren noch so sportlich agiert, wenn auch nicht immer glücklich. Einmal bricht er sich um ein Haar das Genick und wird zweimal fast erschossen. Offenbar hat der Kommissar einen wirkungsvollen „Schutzengel“. Dennoch fehlte mir die psychologische Spannung aus „Die fünfte Frau“.
Der Sprecher Ulrich Pleitgen macht seine Sache gewohnt gut und erweckt die Figuren zum Leben. Das zeigt sich besonders an den älteren Herrschaften, denen seine raue und tiefe Stimme am meisten zugute kommt. Auch zwei Frauengestalten gestaltet er auf sympathische Weise, wie es der Autor vorgesehen hat. Daher konnte ich mich kaum von Pleitgens Vortrag losreißen. Ständig wechselndes Personal und etliche Überraschungen sorgten dafür, dass ich wie gebannt zuhörte, was denn Wallander als nächstes widerfährt. Ein Wermutstropfen in dieser Freunde war lediglich der hohe Preis von knapp 30 Euroenen, aber bei Amazon.de gibt es das Hörbuch eventuell günstiger.
|Originaltitel: Mördare utan Ansikte, 1991
448 Minuten auf 6 CDs|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
Henry Cimoli und Spenser sind seit Jahrzehnten Freunde, doch der alte Boxtrainer hat den Privatdetektiv noch nie um einen Gefallen gebeten – bis jetzt. Eine Immobilienfirma will das Mietshaus, in dem Henry seit zehn Jahren wohnt, kaufen und alle Bewohner rauswerfen – wer nicht will, wie Henry, der wird von lokalen Schlägern bedroht.
Spenser nimmt sich mit seinem Lehrling Zebulon Sixkill, einem waschechten Cree-Indianer, der Sache an. Eine skrupelose Britin hat offenbar die Schläger geschickt. Sie arbeitet für einen Casiono-Tycoon aus Las Vegas, der neben Henrys Mietshaus auf der alten Hunderennbahn „Wonderland“ einen Casino-Komplex errichten will. Alle seine Freunde warnen Spenser davor, sich mit der dunklen Seite des Tycoons einzulassen, aber das spornt ihn nur noch mehr an …
Eine junge Frau und Mutter wird im Bundesstaat Mississippi brutal vergewaltigt und ermordet. Der Täter ist bald gefunden und wird vor Gericht gestellt. Damit fangen die Schwierigkeiten an: Er droht den Geschworenen, sie alle umzubringen, sollte er wieder freikommen. Das ist bereits nach neun Jahren der Fall. Der Herausgeber der „Ford County Times“ verfolgt und schildert die Geschehnisse zwischen 1971 und 1980.
_Der Autor_
Der studierte Jurist John Grisham, geboren 1955, ist nach Angaben des Heyne-Verlags der „meistgelesene Autor weltweit“. Zahlreiche seiner Romane dienten als Vorlage zu Spielfilmen, darunter „Der Klient“, „Die Firma“, „Die Akte“ und „Die Jury“ sowie „Der Regenmacher“. Grisham war Abgeordneter im Parlament des Bundesstaates Mississippi und führte lange Jahre eine eigene Anwaltskanzlei, bis er sich Mitte der Achtzigerjahre ganz dem Schreiben widmete. Grisham lebt mit seiner Familie in Virginia und Mississippi.
Sein vorletztes Buch trägt den Titel „Bleachers“, also Zuschauertribüne, und befasst sich mit den dunklen Machenschaften im Profisport. Deutscher Titel: „Der Coach“. „Die Liste“ ist Grishams neuestes Buch.
_Der Sprecher_
Charles Brauer, geboren 1935, ist am bekanntesten als Kommissar Brockmüller an der Seite von Manfred Krug im „Tatort“. Er gehört zu den beliebtesten Hörbuchsprechern und hat für Heyne/Ullstein bereits „Der Verrat“, „Das Testament“ und „Die Bruderschaft“ (siehe meine jeweiligen Rezensionen dazu) von John Grisham gelesen.
_Handlung_
Im Jahre 1970 geht die Wochenzeitung „Ford County Times“, die in Clanton, Mississippi, erscheint, beinahe pleite, nachdem sich der Chefredakteur Wilson Cordle auf die Seite der rassischen Gleichberechtigung gestellt hat. So weit ist der Rest der weißen Bevölkerung noch nicht. Schon bald springen die Anzeigenkunden ab, ebenso die Abonnenten, die Gläubiger wollen alle auf einmal ihr Geld sehen. Der arme Wilson dreht fast durch.
Nach einem Gespräch mit Wilsons Anwalt Walter Sullivan kauft der 23 Jahre junge Times-Redakteur Willie Traynor, der aus Memphis, Tennessee, stammt, die Zeitung für schlappe 50.000 Dollar, die er von seiner Oma gepumpt hat. Die Gemeinde ist überrascht und ein wenig verärgert: Hier gehört man erst nach drei Generationen „dazu“. Zunächst ist die Auflage nur wenig höher als vor der Pleite.
Deshalb erweist sich die Story über den brutalen Mord an einer weißen Frau als wahrer Glücksfall, um Traynors Auflage in die Höhe zu treiben. Die Ermordete ist die 31 Jahre alte Witwe und Mutter zweier Kinder Rhoda Casselaw. Der mutmaßliche Mörder und Vergewaltiger, nach einem Unfall gefasst, ist der Alkoholiker Danny Padgitt.
Das ist ein kleines Problem, denn der gegenwärtige Sheriff wird von der kriminellen Sippe der Padgitts geschmiert. Die Padgitts haben den Drogenhandel im alten Süden der Staaten organisiert und sind schwerreiche Leute. Als Verteidiger haben sie den „niederträchtigen“ Wadenbeißer Lucien Willbanks engagiert. Richter Reed Lupus lässt sich aber von ihm nicht einschüchtern. Willbanks verklagt auch Traynor wegen Verleumdung, denn seine Zeitung habe die Geschworenen beeinflusst. Mit einer der Geschworenen, Celia Ruffin, einer schwarzen Mutter von acht Kindern, freundet sich Willie besonders an und schreibt über sie in der „Times“.
Kurz und gut: Der Prozess gegen Danny Padgitt, der dann schließlich doch noch in Clanton stattfinden kann, endet dramatisch: Der Verurteilte bedroht in aller Öffentlichkeit das Leben der Geschworenen. Die Auflage der „Times“ steigt wieder einmal.
Neun Jahre später kommt der Mörder, entgegen allen Anstrengungen Willies und seiner Freunde, unerwartet frei und zurück nach Ford County. Er jagt nicht nur die Geschworenen, sondern auch Willie Traynor, den Besitzer der „Times“. Schon bald sind erste Opfer unter den Geschworenen zu beklagen. Willie bangt um Celia Ruffin und andere Freunde. Aber ist es wirklich Danny, der hinter den Morden steckt?
_Mein Eindruck_
Manchmal ist ein Leser froh, wenn er nicht das ganze Buch lesen muss. „Die Liste“ ist offenbar so ein Fall. Nicht nur die Leserurteile bei Amazon.de bestätigen das, sondern auch meine eigene Erfahrung – und das nur mit der gekürzten Fassung des Hörbuchs. Die Leser fragen sich, worum es eigentlich dem Autor beim Schreiben dieses Romans ging. Denn dass eine Jury manipuliert wird, sah man ja vor kurzem in der gediegenen Verfilmung von Grishams „Das Urteil“ (The Runaway Jury). Das ist also nicht das Neue.
Auch die Rassendiskriminierung in Grishams eigenem Heimat-Bundesstaat Mississippi ist ja nicht gerade neu. Dieses Themas hatte er sich schon ziemlich früh angenommen – mir fällt jetzt leider der Titel nicht ein, aber auch dieser Roman wurde verfilmt. Dennoch erzählt uns der Autor wieder einmal vom Schicksal eines jungen Schwarzen, Sam Ruffin, dem Sohn von Celia Ruffin. Sam hat sich von der frustrierten weißen Ehefrau Iris Durant verführen lassen. Daraufhin wollte Mr. Durant, der Chef der Highway-Patrouille, ihn über den Haufen schießen. Sam floh und wird seitdem gesucht. Als er sich bei Willie meldet, ist er immer noch mit Iris zusammen, die von ihrem Ehemann mit Schimpf und Schande aus dem Haus gejagt worden ist.
|Die Rolle der Medien in der Justiz|
Was bleibt also noch an Reiz, der einen Leser dazu bewegen könnte, diesen Roman zu lesen? Es ist die Rolle der Medien, auf die sich diesmal Grishams Augenmerk richtet. Willie Traynor ist der Besitzer und Chefredakteur einer stetig wachsenden Lokalzeitung. Er hat beträchtlichen Einfluss, seine Stimme, die sich in Leitartikeln am deutlichsten äußert, wird gehört und zählt. Was er und seine Reporter an schmutziger Wäsche aufdecken, kann sich als entscheidend bei Wahlen erweisen.
Doch schon mit dem ersten Foto von Danny Padgitt handelt er sich Ärger mit seinen Gegnern, den Kriminellen und Korrupten, ein. Das Foto zeigt einen Danny, der ein blutiges Hemd trägt, als er ins Gefängnis geführt wird. Es ist auch das Blut seines Mordopfers. Die Veröffentlichung des Fotos kommt einer Vorverurteilung gleich, denn wie kann irgendein Geschworener angesichts dieses Blutes unvoreingenommen über den Träger dieses Hemdes urteilen?
Genau diesen Umstand macht sich der gerissene Verteidiger Willbanks zunutze und klagt Willie der Beeinflussung der Jury an sowie die Geschworenen der Befangenheit. Diese Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung (im Zweifel für den Angeklagten) ist ein ernsthaftes Problem – nicht nur vor Gericht, sondern auch etwa im Wahlkampf. Aber was macht Grisham daraus? Das ist der springende Punkt.
Immerhin gelingt es Grisham, deutlich zu machen, dass Willie Mist gebaut hat. Er hatte nur daran gedacht, mit dem Foto seine Auflage zu erhöhen. Das ist ihm gelungen. Aber er hat damit fast den Prozess unmöglich gemacht, zumindest in Clanton. Und als weitere Folge hat er die Stimmen der Jury beeinflusst. Um Danny die Höchststrafe zuzumessen, nämlich die Gaskammer, muss die Jury einstimmig votieren.
Das ist leider nicht der Fall (drei Geschworene stimmen mit „unschuldig“), und so kommt es nur zu einem doppelten „Lebenslänglich“. Und weil die Gefängnisverwaltung es so arrangieren kann, darf Danny beide Strafen von je zehn Jahren „gleichzeitig“ absitzen – unglaublich aber wahr. Und wegen „guter Führung“ käme er um ein Haar sogar schon nach acht Jahren frei, wenn Willie vor dem Bewährungsausschuss nicht eingegriffen hätte. Das gelingt ihm kein zweites Mal, und trotz des Auftritts des aktuellen Sheriffs wird Danny auf freien Fuß gesetzt. Mit tödlichen Folgen, wie es scheint.
Grisham steht zwar ziemlich deutlich auf der Seite seines Helden und Ich-Erzählers Willie Traynor. Es ist besser, eine freie Presse zu haben, als mit Bomben Geschworene und Redakteure einzuschüchtern. Doch auch die freie Presse sollte aufpassen, dass sie das Richtige tut, denn der Schuss kann leicht nach hinten losgehen, wie der Fall Danny Padgitt zeigt.
|Und sonst?|
Ich fand den Roman in der gekürzten Hörbuchfassung dann doch noch recht spannend und unterhaltsam. Die zentrale Story um Danny Padgitt erzeugt bis zum Schluss doch genügend Spannung, um einen bei der Stange zu halten. Aber manche Szenen sind auf der Kippe zwischen Horror und Komik, so etwa dann, als eine der drei unentschlossenen Geschworenen, Maxine Root, eine Bombe ins Haus geliefert bekommt, die als Geschenk von ihrer Schwester deklariert ist.
Die Art und Weise, wie diese Situation aufgelöst wird, ist genau die Mischung aus Horror (Bombe) und Komik (unfähige Hilfssheriffs, die das Höllending mit einem Schuss hochjagen), die mehrmals in Mississippi auftaucht. Auch Verrückte wie Hank Hooton, der als nackter Amokschütze auftritt, sorgen zunächst für Heiterkeit, aber auch für Schrecken. Ich fühlte mich an gewisse skurrile Kurzgeschichten von Mark Twain erinnert. Ich könnte mir vorstellen, dass sich Grisham selbst in der großen amerikanischen Tradition der Local-Interest-Story sieht. (Genau wie Stephen King übrigens, der über Maine schreibt.)
Leider ist es Grisham unvermeidlich und angemessen erschienen, seine Heldin, Celia Ruffin, mit einem langen, weiß Gott tränenreichen Abgang zu würdigen – „the last juror“ heißt es im Originaltitel. Mit ihr geht eine Ära zu Ende, und so ist es auch für Willie Traynor Zeit, dem attraktiven Angebot eines Investors nachzugeben und seine Zeitung zu verkaufen – für 1,5 Millionen Dollar. Aus dem Studenten ist ein gemachter Mann geworden, dem im Grunde nur noch eine Ehefrau fehlt, um sein Glück perfekt zu machen. Meint er. Fortsetzung folgt?
|Der Sprecher|
Charles Brauer erledigt seinen Job fast einwandfrei. Als erfahrener Schauspieler – etwa im „Tatort“ – hat er ein Gespür für das Besondere an einer Szene. Da weiß er einfach, wo die Pausen gesetzt werden müssen, um die optimale Wirkung zu erzielen. Er erschließt eine Szene wie etwa im Gerichtssaal, indem er die Kontrahenten ihre jeweils individuell gestalteten Stimmen wirkungsvoll einsetzen lässt: Wut gegen Eiseskälte, Manipulation gegen aufrichtige Abwehr usw. Aber auch leise Ironie kommt zwischen den Zeilen zum Tragen, doch Brauer hat es nicht nötig, das dick aufzutragen – das muss der Zuhörer schon selbst bemerken. Deshalb: Ohren auf und genau hingehört.
_Unterm Strich_
„Die Liste“ weist eine Handlung auf, die stellenweise zu fesseln weiß, denn es geht ja um einen besonders brutalen Mordfall und dessen Bestrafung. Dass die Gefängsnisstrafe für den Verurteilten zur Farce wird, wirft ein bezeichnendes Licht auf das Justizsystem vor Ort. Grishams Kritik, verkörpert in der Figur des Chefredakteurs und Zeitungsbesitzers Willie Traynor, trifft ziemliche viele Leute und Einrichtungen. Er zeigt, wie sich couragierte Medien sinnvoll einsetzen können, aber auch, welche Gefahren dabei lauern. Aktuelle Bezüge lassen sich zum US-Wahlkampf ziehen.
Charles Brauer macht seine Sache mal wieder sehr gut. Keine Aussprachefehler mehr wie in den frühen Grisham-Lesungen! Es ist eine reine Freude, ihm zuzuhören, besonders dann, wenn es mal wieder komisch und ironisch wird.
Der Commissario guckt sich Pornofilme an?! Nicht auszudenken, was aus seinem guten Ruf wird! — Aber alles ist halb so wild, und im Grunde geht es um ein brandheißes Thema: Organhandel. Da stellt sich die Frage: Was soll nur aus Sizilien werden? Und wer will überhaupt in Olivenöl eingelegte Organe?!
_Der Autor_
Andrea Camilleri ist kein Autor, sondern eine Institution: das Gewissen Italiens. Der 1925 in dem sizilianischen Küstenstädtchen Porto Empedocle geborene Camilleri ist Autor von Krimialromanen und -erzählungen, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur.
Die Hauptfigur in vielen seiner Romane, Commissario Salvo Montalbano, gilt inzwischen als Inbegriff für sizilianische Lebensart, einfallsreiche Aufklärungsmethoden und südländischen Charme und Humor.
Allerdings ist der Commissario nicht der Liebling aller Frauen: Zu oft hindert ihn sein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein daran, dringende Termine mit seiner jeweiligen Freundin wahrzunehmen.
_Das Hörspiel_
Das 110 Minuten lange Hörspiel wurde beim Südwestdeutschen Rundfunk SWR produziert. Es treten acht Hauptsprecher auf sowie der Erzähler. Daneben hören wir noch neun weitere Sprecher in Nebenrollen. Die Bearbeitung – die ich recht gut gelungen finde, denn sie arbeitet den roten Faden und humoristische Aspekte heraus – stammt von Daniel Grünberg. Regie führte Leonhard Koppelmann – wie bei allen anderen Camilleri-Hörspielen:
– Die Form des Wassers
– Der Hund aus Terrakotta
– Der Dieb der süßen Dinge
– Die Stimme der Violine
_Handlung_
Commissario Montalbano beobachtet mit Skepsis den Einzug von Computer und Internet im Kommissariat und fühlt sich allmählich etwas antiquiert. Da kommt ihm der neue Fall gerade recht, in dem er seine Spürhundqualitäten unter Beweis stellen kann.
In Vigata finden zwei Morde statt, zwischen denen auf den ersten Blick kein Zusammenhang zu bestehen scheint. Nene San Filippo war zu Lebzeiten ein lediger Nichtstuer, der als 21-Jähriger seinen Hormondrang an etlichen Freundinnen austobte. Signore Grifo hingegen, ein braver Beamter aus Messina, vermisst seine Eltern, die über Nenes Wohnung, also im gleichen Haus, lebten. Das Ehepaar war von einem Busausflug nach Tindari (vgl. O-Titel) nicht zurückgekehrt.
Montalbanos Mitarbeiter machen sich, ausgestattet mit hypermoderner Technik, sofort an die Arbeit, allen voran sein Assi, der rührige Fazio. Montalbano hingegen verlässt sich auf Bewährtes und kommt auch so weiter. Und stößt auf höchst Pikantes. Nene und seine Geliebte schrieben einander gepfefferte Liebesbriefe, in denen sie einander ihre Erfahrung des vorangegegangenen Liebesspiels schilderten. Wozu? Nene schrieb offenbar an einem erotischen Roman. Und deshalb wohl auch seine Vorliebe für scharfe Pornofilme, oder?
Doch Nenes Geliebte ist die Gattin des berühmten Transplantationsexperten Dottore Eugenio Ingrò. Vania Titulescu stammt aus Rumänien. Gab der Arzt den Mord an Nene aus Eifersucht in Auftrag? Aber warum mussten dann die unschuldigen Grifos sterben? Die ausnehmend hübsche Reisebegleiterin mit dem schönen Namen Beatrice weist dem hingerissenen Assistenten Fazio den Weg durch das Dickicht der Hinweise.
Da bekommt Montalbano einen wichtigen Anruf: Avvocato Guttadauro, allseits bestens bekannt als Mafia-Anwalt, lässt dem Commissario schöne Grüße ausrichten von Don Balduccio Sinagra, dem Mafiapaten. Ob er wohl einen kleinen Besuch einrichten könnte? Montalbano kann. Einen Paten lässt man nicht ungestraft links liegen. Nicht in Sizilien und schon gar nicht, wenn man einen so verzwickten Fall lösen möchte. Wie es scheint, war der verblichene Nene eine Art Enkel des alten Don…
Auf die richtige Spur bringen ihn schließlich ein sarazenischer Olivenbaum, ein Buch von Joseph Conrad und der verschlüsselte Hinweis des berüchtigten alten Mafiapaten, der bei einem gefährlichen Spiel im Hintergrund die Fäden in der Hand hält.
_Mein Eindruck: Die Handlung_
Die Schnitzeljagd, aus der Montalbanos Fälle oft bestehen, wird in „Patriarch“ fast schon bis zum Exzess getrieben – und ist umso spannender, je mehr retardierende Momente wie Beatrice und Nenes erotischer Roman die Auflösung des kniffligen Falls hinauszögern. Man fiebert regelrecht mit, bis sich zunehmend erschreckendere Abgründe auftun, in die uns der Autor nichts ahnend gelockt hat. Aber da ist es fürs Aufhören bereits zu spät.
Erotik, Busfahrten und schöne Frauen – darunter des Commissarios Freundin – gehören zu den angenehmen, mitunter komischen Nebenerscheinungen im Verlauf der Handlung. Doch keine Angst: Hier wird nicht „abgeschwiffen“, sondern jedes Details hat seine Funktion im größeren Gewebe der Handlung.
Der Commissario ist ein verschmitzt denkender Bursche, fast wie der selige Father Brown von G.K. Chesterton. Doch Montalbanos sizilianischer Humor ist durchzogen von einer Skepsis gegenüber der Güte des Schicksals (oder Gottes). Allerdings hilft ihm der Humor dabei, in einer Welt zu überleben, die, auch wenn sie eine erfundene Welt ist, sich nicht allzusehr von unserer Wirklichkeit unterscheidet. Vermutlich findet auch in Italien so etwas wie Organhandel statt, auch wenn diese Tatsache gerne unter den Teppich gekehrt wird. Zumindest im Roman passiert eben dies nicht: Die nationale Presse erfährt von der Schweinerei, die der Commissario da aufgedeckt hat.
_Mein Eindruck: Die Produktion_
Wie schon in den anderen Camilleri-Hörspielen machen alle SprecherInnen einen hervorragenden Job aus ihrer Aufgabe. Schließlich arbeitet man hier nicht in der Privatwirtschaft, sondern beim gebührenfinanzierten Rundfunk! Die Musik von Henrik Albrecht ist diesmal ein wahrer Hochgenuss: stilechte, original sizilianisch klingende Cafémusik! Und obendrein nicht aufdringlich, sondern meist schön dezent im Hintergrund.
_Unterm Strich_
„Das Spiel des Patriarchen“ ist ein rundum gelungenes Hörspiel. Es ist keineswegs ein gekürzter Bestseller aus Amiland, sondern stellt vielmehr Ansprüche an die Aufmerksamkeit des Zuhörers und – am Schluss – an dessen moralische Urteilsfähigkeit. Erst wenn der Zuhörer empört ist, hat der Autor sein Ziel erreicht.
Komische und romantische Szenen lockern die Nachforschungen Montalbanos auf und geben Gelegenheit, entweder mal eine Pause zu machen oder auch mal lauthals aufzulachen: Der untadelige Kommissar wird von seinem Assi beim Pornogucken vor einem Stapel Cassetten ertappt: ein Bild für Götter!
Ich hingegen ertappe mich gerade dabei, dass ich Camilleri-süchtig geworden bin. Öha: ein Junkie!
Der Duke of Dorset sucht den Rat des Meisterdetektivs, denn sein Leib-Kutscher ist auf seltsame Art und Weise verschwunden. Dies ist besonders unpassend, da der Duke einen hohen aristokratischen gast aus Russland erwartet… (Verlagsinfo)
Als Janek Mitter eines Morgens mit einem mörderischen Kater aufwacht, liegt seine Frau Eva ermordet in der Badewanne. Er ist sich sicher, dass er nicht der Mörder ist, aber beweisen kann er es nicht. Am Vorabend hatte er mit seiner Frau mächtig gezecht, und nun fehlt ihm die Erinnerung an einige Stunden…Ausgezeichnet als bestes Krimidebüt Schwedens. (Verlagsinfo) Håkan Nesser – Das grobmaschige Netz (Van Veeteren 1) weiterlesen →
Krimidebüt: John Rebus gegen den Edinburgher Würger
Zwei junge Mädchen wurden bereits in Edinburgh verschleppt und umgebracht, wenn auch ohne sexuellen Missbrauch. Als das dritte verschwindet, fühlt sich Inspektor John Rebus an seine eigene Tochter erinnert, die er mit seiner geschiedenen Frau Rhona hat. Rebus erhält als einziger Cop in Edinburgh rätselhafte Botschaften aus jeweils einer Phrase, aber stets mit einem Knoten oder einem kleinen Kreuz aus Zündhölzern versehen. Es ist klar, dass nur er diesen Fall lösen kann… (Verlagsinfo) Ian Rankin – Verborgene Muster (Inspector Rebus 1 ) weiterlesen →
Geist ist geil! Seit 2002 – Ständig neue Rezensionen, Bücher, Lese- und Hörtipps