Der berühmte Entfesselungskünstler Harry Houdini entgeht nur knapp einem Säureanschlag während eines Auftritts im Circus Busch in Berlin. Obwohl er einen begründeten Verdacht hat, wer hinter dem perfiden Mordversuch steckt, können die vermeintlichen Täter nicht dingfest gemacht werden. Sherlock Holmes und Dr. Watson weilen auch gerade in der Metropole und bieten ihre Hilfe an… (Verlagsinfo)
Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.
Die Serie wurde mit dem „Blauen Karfunkel“ der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft ausgezeichnet.
Die Autoren
1) Amy Onn ist eine Erzählerin, die die Vorlagen für die Folgen 63 bis 66 der HOLMES-Reihe geliefert hat. Sie ist bei Instagram zu finden.
2) Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen ca. 60 Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um sein Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924) folgen.
3) Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert wird.
„Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs“
Folge 1: Im Schatten des Rippers
2: Spuk im Pfarrhaus
3: Das entwendete Fallbeil
4: Der Engel von Hampstead
5: Die Affenfrau
6: Spurlos verschwunden
7: Der Smaragd des Todes
8: Walpurgisnacht
9: Die Elfen von Cottingley
10: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band / Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß (Neuausgabe)
11: Das Zeichen der Vier (4/2014, Neuausgabe)
12: Ein Skandal in Böhmen (4/2014)
13: Der Bund der Rotschöpfe (5/14)
14: Eine Frage der Identität (9/14)
15: Das Rätsel von Boscombe Valley (10/14)
16: Der blaue Karfunkel
17: Die fünf Orangenkerne
18: Der Mann mit der entstellten Lippe
19: Der Daumen des Ingenieurs
20. Der adlige Junggeselle
21. Die Beryll-Krone
22. Das Haus bei den Blutbuchen
23. Silberblesse (6/16)
24. Das gelbe Gesicht (6/16)
25. Der Angestellte des Börsenmaklers (7/16)
26: Die „Gloria Scott“ (11/16)
27: Das Musgrave Ritual (12/16)
28: Eine Studie in Scharlachrot (2 CDs)
29: Die Junker von Reigate
30: Der bucklige Mann
31: Der Dauer-Patient
32: Der griechische Dolmetscher
33: Das graue Haus
34: Die quietschende Tür
35: Der Hund der Baskervilles (2 CDs)
36: Das unheimliche Pfarrhaus
37: Der verschwundene Kutscher
38: Das Haus mit den Zwingern
39: Eine Frage des Teers
40: Die dritte Botschaft
41: Mayerling (2 CDs)
42: Der Tote im Extra-Waggon
43: Der Zuträger
44: Der zweite Hund
45: Harry Price und der Fall Rosalie
46: Der Mann in Gelb
47: Das verlassene Haus
48: Der Gezeitenstrom
49: Das Grauen von Old Hall
50: Ludwig II. – Der Tod im Würmsee (2022)
51: Was das Feuer übrigließ
52: Der stille Tod
53: Der maskierte Tod
54: Tod eines Giftforschers
55: Geheimsache Styles Court
56: Der Mann im Speisewagen
57: Die vierte Flasche
58: Das Musikzimmer
59: Gottes Mühlen
60: Der zehnte Earl
61: Die Spuren auf der Treppe
62: Mr. Marburys Hände
63: Der Lumpensammler von Paris (6/24)
64: Der verschwundene Grafensohn (9/24)
65: Der Fall Harry Houdini (10/24)
66: Der Frauenmörder von Boston
67: Watsons erster Fall
68: Blutiger Schnee in Bloomsbury Hill
69: Die Perle des Mandarins
Die Sprecher/Die Inszenierung
Die Sprecher und ihre Rollen:
Joachim Tennstedt: Sherlock Holmes
Detlef Bierstedt: Dr. John Watson
Regina Lemnitz: Mrs. Hudson
Philine Peters-Arnolds: Margery Mapleton
Matthias Lühn: Harry Houdini
Fabienne Hesse: Bess Houdini
Axel Lutter: Herr Paschulke
Sebatian Fitzner: Franz Kukol
Uli Krohm: Künstleragent
Kristine Walther: Sängerin
Edward McMenemy: Zeitungsjunge
Stephan Bosenius: Kutscher
Monika John: Animierdame
Willi Röbke: Tabakhändler
Rolf Berg: Pförtner
David berton: Boudini
Jean Paul Baeck: Sulini
Marc Gruppe: Tippini
Die Macher
Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden im Titania Medien Studio, bei Advertunes, im Scenario Studio und in den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trugen Ertugrul Edirne und Bastien Ephonsus (Cover) bei.
Handlung
An einem Tag in einem kalten Januar 1908 schenkt Mrs. Hudson ihren Mietern Sherlock Holmes und Dr. Watson Eintrittskarten für die Show des Entfesselungskünstlers Harry Houdini – in Berlin. Dann schwirrt sie mit ihrer Cousine Margery Mapleton ab, unbekannten Zielen entgegen. Holmes und Watson machen sich auf den Weg nach Berlin und steigen im Zentral-Hotel ab. Sie schaffen es noch in die Frühvorstellung im Circus Busch, der immerhin 4000 Sitzplätze fasst.
Während Holmes die Besucher mustert, staunt Watson über die verschiedenen Attraktionen. Es gibt sogar Filmvorführungen, etwas ganz Neues. Dann tritt Harry Houdini mit seinem neuesten Trick auf: Er lässt gefesselt in eine riesige Milchkanne sperren, die verschlossen wird. Er wettet um 20 Mark gegen einen Herrn Paschulke, dass ihm dies gelingen werde. Watson bangt um Houdini, während Holmes kühl bleibt: Das sei alles geplant. Bess Houdini hilft, als Houdini in Schwimmhosen in die mit Wasser gefüllte Kanne steigt, indem sie die Schlösser am Deckel schließt. Nach zwei Minuten entsteigt der Künstler der Kanne, befreit. Aber etwas stimmt nicht.
Holmes eilt, gefolgt von Watson, zu Houdinis Garderobe. Sie hören einen Schrei und dringen ein. Der Künstler leidet Schmerzen: „In der Kanne war Säure!“, jammert er. Bess und sein Diener Franz haben Angst um ihn. Holmes‘ Verdacht richtet sich gegen drei Männer aus dem Publikum, die verdächtig rasch verschwunden sind. Houdini lehnt Bess‘ Vorschlag, Leibwächter anzuheuern, ab. Deshalb beauftragt sie selbst Holmes damit, ihren Mann zu schützen, und erhält eine Zusage.
Der entdeckt gerade, dass sein Geheimbuch gestohlen worden ist. Es enthält alle Beschreibungen seiner Tricks. Weitere Dokumente belegen seine wahre Identität als Ernst Weiß und als Deutscher. Das dürfe niemals publik werden. Franz berichtet, Houdini habe Feinde, die als die drei „Ini‘s“ bekannt seien: Bloudini, Tippini und Sulini. Diese Nachahmer wollten an Houdinis Ruhm und Reichtum partizipieren. Da Houdini sich nicht an die Polizei wenden will, nehmen Holmes und Watson die Verfolgung der drei Verdächtigen. Ihr erster Stopp: das verrufene Scheunenviertel. Als sie wenig später zurückkehren, ist Houdini spurlos verschwunden – entführt! Das Blut auf dem Blut verheißt nichts Gutes, doch es gibt noch weitere sachdienliche Hinweise: ein rotes Haar, eine Zigarrenmanschette und eine Ausgabe der Zeitschrift „Der Athlet“. Was hat das nur zu bedeuten?
Mein Eindruck
Vorbei ist die Zeit der kniffligen Rätsel, bei denen meist nur ein winziges Indiz vorliegt, beispielsweise Mister Marburys Hände (Fall 62). In diesem 65. „geheimen“ Fall geht es ordentlich zur Sache, und es ist eine wahre Freude, den beiden Supernasen durch die verrufenen Viertel der Großstadt Berlin zu folgen, bis die Jagd endlich am Teufelssee im Grunewald ihr gewalttätiges Ende findet. Doch weil die Täter entkommen können, darf sich der Hörer auf ein zweites, bleihaltiges Finale freuen.
Das Scheunenviertel bildet den Schauplatz für einen Teil der Handlung, quasi den dunklen Gegenpol zum noblen, hell erleuchteten Stadtzentrum. Das Viertel war seit seiner „Erbauung“ das Auffangbecken für die Landflüchtigen aus dem Osten Europas und folglich nicht nur völlig überfüllt, sondern von Krankheiten heimgesucht. Männer konnten sich hier vielfach nur als Verbrecher durchschlagen, und Frauen mussten sich prostituieren. Für Künstler jeder Couleur boten sich hier spottbillige Quartiere. Deshalb stoßen Holmes und Watson hier auf ein gut besuchte Künstleragentur und geben sich in einer Kneipe als Kunstmaler aus – angemessen verkleidet, versteht sich.
Mithilfe der Hinweise, die sie in Agentur und Kneipe erhalten haben, begeben sie sich auf die Suche in verrufenen Ecken und verfallenen Häusern, bis sie endlich bei einem Tabakhändler anhand der Zigarrenmanschette den entscheidenden Hinweis erhalten und Houdini im Grunewald finden. Es dauert nicht lange, bis die entflohenen Täter aufgespürt und zur Strecke gebracht sind.
Doch wer ist der Herr mit der Zeitschrift „Der Athlet“, der Houdini entführt hat, fragt sich der Hörer. Und wer hat den Kranz in Houdinis Garderobe abgelegt, auf dem der Name des Künstlers stand, so als sei er bereits verstorben? Nun, die drei Ini’s müssen die Antworten liefern. Kennen sie auch das Versteck der Kassette, in der Houdini sein Geheimbuch verwahrt hat? Es bleibt spannend bis zum Schluss.
Weitere Fragen bleiben offen: Warum starrt Holmes seinen Freund in der Baker Street dauernd an? Und warum sagt er zu den weltberühmten Butterkeks, die Mrs. Hudson gebacken hat, nein? Die Welt ist ein Enigma.
Die Inszenierung
Die Sprecher
Dr. Watson, gesprochen von Detlef Bierstedt, nimmt die Stelle des zweifelnden gesunden Menschenverstandes gegenüber Holmes ein, welcher ein getriebener Junkie der Vernunftarbeit zu sein scheint. Watson ist der Gemütsmensch, ein Jedermann mit dem Herz auf dem rechten Fleck und einer tiefen Zuneigung zum schönen Geschlecht, aber auch ein kenntnisreicher Mediziner. Außerdem fungiert er als Chronist, hat also Einfluss auf die Auswahl der hier präsentierten „geheimen“ Fälle des Meisterdetektivs. Diesmal ist er nicht nur der Stichwortgeber seines berühmten Freundes, sondern schießt auch selbst scharf. Schließlich war Watson mal Militärarzt in Afghanistan, das sollte man bedenken.
Sherlock
Was Joachim Tennstedt als Sherlock in diese Figur hineinlegt, ist sehr sympathisch und humorvoll – so als würde ein strahlender John Malkovich völlig entspannt aufspielen. In dieser Episode lässt er Watson – und damit uns – lange im Dunkeln, was seine Erkenntnisse anbelangt.
Watson
Dr. John H(amish) Watson ist das genaue Gegenteil seines Freundes: jovial, höflich, frauenfreundlich und durchweg emotional, außerdem glücklich verheiratet. Leider sind seine logischen Schlüsse von dementsprechend unzulänglicher Qualität. Das war zu erwarten und dürfte keinen überraschen. Sobald eine schöne Frau auftritt, ist er von ihr hingerissen. Leider hat er diesmal dafür keine Gelegenheit, denn Bess Houdini ist leider schon vergeben.
Nebenfiguren
Matthias Lühn spricht Harry Houdini glaubwürdig und mit der Autorität eines Künstlers von Weltruhm. Fabienne Hesse spricht Houdinis Frau Bess, die im Abenteuer bei den Pyramiden (im Gruselkabinett Nr. 192 dabei ist). Sie spielt die besorgte, aber keineswegs ratlose Ehefrau und Assistentin. Eine Vielzahl von Randfiguren trägt jeweils ihr Scherflein bei. Dazu gehört auch Mrs. Hudson, gesprochen von Regina Lemnitz, und ihre Cousine Margery Mapleton, die sehr wenig Feingefühl für die Erfordernisse der jeweiligen Situation aufbringt. Aufgrund dessen verdirbt sie ihrer Cousine Martha die Überraschung mit den Eintrittskarten.
Geräusche
Eine große Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, gluckernder Tee, allenthalben knisterndes Kaminfeuer im Anwesen. Diesmal kommen die vielfältigen Geräusche der Großstadt hinzu: das Publikum des Circus Busch, Droschken, Hupen, Kneipengelächter, Hammerschläge – und sehr viele Schüsse.
Nur an einer Stelle überschneidet sich das Geräusch des heulenden Windes mit der Hintergrundmusik. Der Einsatz einer Soundbar ist sehr zu empfehlen, um die vielen Hintergrundgeräusche zu erfassen. Die meisten Soundbars sind mit mehreren Klangprofilen versehen und lassen sich entsprechend dem Hörspiel auf das „VOICE“-Profil einstellen.
Die Musik
Das Intro, eine Art flott-dezente Teemusik, bildet den heiter-beschwingten Auftakt des Hörspiels, während Watson seine Einleitung vorträgt, was die Natur der „geheimen Fälle“ anbelangt. Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Hintergrundmusik dient nur dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird.
Das Booklet
Das Titelmotiv zeigt eine Szene, in der sich der titelgebende Künstler dem Publikum präsentiert, vermutlich dem des Circus Busch. Die photorealistische Illustration stammt von Bastien Ephonsus.
Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS und der HOLMES-Reihe verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Die CD und der Einleger sind mit den Sherlock-Holmes-Motiven versehen, die die Reihe von Anfang an begleitet haben.
Unterm Strich
Die Dramatik der Handlung lebt von dem Kontrast zwischen der großen Welt, die von Circus Busch und Harry Houdini verkörpert wird, und dem heruntergekommenen, verrufenen Scheunenviertel in Berlin. Die drei Möchtegern-Houdinis wollen ein Stück von Ruhm und Reichtum ab haben, deshalb rauben sie ihm erst das Geheimbuch und dann entsorgen sie ihn im Grunewald. Dieser Neid der Besitzlosen ist durchaus nachzuvollziehen, und die Autorin „Amy Onn“ setzt die ihr offenbar bestens bekannte Berliner Stadtlandschaft effektvoll ein. Die Bezeichnung „Teufelssee“ deutet auf eine finstere Tradition hin, die im Grunewald gepflegt wurde.
Hinzukommt ein pikantes Geheimnis, das sorgfältig behütet werden soll und nun aufzufliegen droht: Der angebliche Amerikaner Harry Houdini ist ein waschechter Deutscher namens Ernst Weiß – und „Weiß“ ist ein bekannter jüdischer Name. Glücklicherweise schreibt man erst das Jahr 1908 und nicht schon 1928, sonst wäre „Houdini“ noch mehr Anfeindungen ausgesetzt, in Deutschland wie in den USA.
Das Hörspiel
Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. So wechselt beispielsweise regelmäßig die Klangkulisse zwischen Exterieur – Innenstadt und Scheunenviertel – und Interieur, etwa Baker Street, einer Eckkneipe oder Houdinis Garderobe bzw. Mietvilla.
Die Sprecherriege für diese HOLMES-Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich (Tennstedt) und George Clooney (Bierstedt), auch Matthias Lühn, Axel Lutter und Regina Lemnitz (Kathy Bates und andere) sind mir als Synchronsprecher vertraut. Auch die beiden Macher Stephan Bosenius und Marc gruppe haben es sich nicht nehmen lassen, jeweils eine Rolle zu sprechen.
Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll und actionreich inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars George Clooney, Kathy Bates und John Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling.
Fazit: 4,5 von 5
Michael Matzer © 2024ff
Info: Titania Medien bei Lübbe Audio, 2024
Länge: über 82 Minuten,
ISBN 97837857-86956
ISBN-10: 3785786956
Der Autor vergibt: