Alle Beiträge von Björn Backes

Johns, Geoff / Jimenez, Phil – Infinite Crisis 1 (von 7)

Lange, lange haben |DC Comics| diesen großen Comic-Crossover angekündigt, viele Vorboten zierten in den letzten Monaten bereits den Weg, und jetzt, im Sommer 2006, kann sie endlich beginnen: die größte Krise, die das Comic-Universum des legendären Superhelden-Verlags je erlebt hat, nämlich die „Infinite Crisis“. In sieben Teilen und zahlreichen Tie-ins wird die gewaltigste Bedrohung für die Welt der Superhelden geschildert und damit auch der Grundstein für einen großen Umschwung im Hause DC gesorgt. Alte Helden und Schurken gehen, neue kommen hinzu, und wie man bereits in den zahlreichen Vorausgaben lesen konnte, nehmen die Macher wirklich keine Rücksicht auf große Verluste und opfern im Laufe der „Infinite Crisis“ einige Charaktere, die schon seit Jahren das DC-Universum bevölkern. Man darf sich also auf eine der umfassendsten Serien der letzten Jahre freuen, und nun endlich liegt der erste reguläre Band vor.

_Story_

Große Ereignisse überschatten die Welt von Superman, Batman und ihren Verbündeten. Nach dem Tod des Blue Beetle stürzt die Welt ins Chaos: Erst wurde Superman von fremden Mächten kontrolliert, dann wurde der von Batman höchstpersönlich gebaute Satellit Brother Eye fehlgeleitet und rekrutierte eine ganze Armada von Killer-Robotern und anschließend formierte sich unter der Leitung eines zweiten Lex Luthor auch noch eine Reihe von Schurken aus der zweiten Reihe, um die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern und über den Tod der schützenden Superhelden die Herrschaft an sich zu reißen. Ein Skandal folgt dem nächsten, und bevor man überhaupt erfassen kann, wie gewaltig die Kraft der aktuellen Bedrohung tatsächlich ist, fällt es den beteiligten Akteuren von der guten Seite schon schwer genug, sich noch gegenseitig in die Augen zu schauen – schließlich wird jedem von ihnen die Schuld an den jüngsten Ereignissen angelastet …

_Meine Meinung_

Tatsächlich, es erscheint monströs, was sich DC mit dieser seit langem geplanten Serie vorgenommen haben. Auch wenn im ersten Heft nur ein recht zähes und überaus komplexes Vorgeplänkel stattfindet, wird einem schon bewusst, wie tief die Gedanken und Verschwörungen dieser neuen Serie reichen. Über ein ganzes Jahr wollen die beteiligten Autoren die Reihe laufen lassen und dabei grundlegende Dinge ändern, welche die gesamte Zukunft des Comic-Verlags maßgeblich beeinflussen werden. Wie weit man gehen wird, kann man nach den ersten Vorgeschichten sowie dem relativ losen Plot des ersten Magazins jetzt noch nicht sagen. Dass die Angelegenheit aber alleine schon durch die unheimlich starke Position der bösen Mächte in dieser Reihe massive Auswirkungen auf die ganze Umwelt der DC-Comic-Welt haben wird, merkt man sofort.

Zudem ist die Atmosphäre des einleitenden Bandes unheimlich düster. Fast schon melancholisch wirken Superman, Wonder Woman und Batman bei ihrem anfänglichen Aufeinandertreffen, bei dem sie die jüngsten Ereignisse Revue passieren lassen, und diese Stimmung zieht sich weiterhin auch wie ein roter Faden durch den gesamten Band. Überhaupt scheint die Situation dieses Mal wirklich aussichtslos. Lag sonst in den meisten Comics von Beginn an noch ein Fünkchen Hoffnung in der Luft, dass sich schon in Kürze wieder einiges zum Guten wenden wird, treffen hier derart viele negative Szenarien zusammen, dass für keinen der mitwirkenden Helden eine Aussicht auf Besserung besteht. Gemeinsam mit dem Wissen um die anstehenden Veränderungen macht diese besonders bedrohliche Grundstimmung die Magie hinter „Infinite Crisis“ aus. Das Ganze ist einfach so unglaublich groß, dass es selbst für diejenigen Fans, die von Marvel und Co. schon einiges gewöhnt sind, nur schwer greifbar ist.

Crossover hat es ja schon viele gegeben, aber bei kaum einem anderen Konstrukt hatte man dieses stets präsente Gefühl des Überdimensionalen, die Angst wegen des großen Umschwungs, oder aber die weise Voraussicht, hier das vielleicht hoffnungsvollste und zeitgleich gewagteste Projekt, an das sich DC je herangetraut hat, in den Händen zu halten. Eins ist nämlich klar: Sollte es dem Autoren-Team nicht gelingen, über diesen großen Zeitraum dieses hohe Maß an Spannung aufrechtzuerhalten, dann wird die ganze eh schon komplizierte Welt um Batman, Superman und Co. komplett ins Chaos stürzen – und dies wäre für den in Sachen Crossover eh schon leicht gebeutelten Verlag eine totale Katastrophe. Nach der es aber bislang absolut nicht ausschaut …

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Ross, Alex / Krueger, J. / Braithwaite, D. – Justice (1 von 6)

Alex Ross ist ein Verfechter des Silver Ages, einer Zeit aus dem Superhelden-Universum, in dem die Geschichten noch weitaus simpler und die Szenarien nicht ganz so aufgeblasen waren, wie es heuer oftmals der Fall ist. Dementsprechend hat er auch seine neue Serie „Justice“ an diese Zeit angegliedert und eine Story geschaffen, die sehr traditionell ausgerichtet ist, dabei aber die bewährten Stilmittel der Moderne beibehalten kann.

_Story_

Ein apokalyptischer Traum verfolgt die Welt der Superhelden; das Ende der Welt droht und alle sind sie von den grausamen Nachtmahren betroffen. Auch Aquaman kann sich der grausamen Vorstellung der endgültigen Vernichtung nicht entziehen und begibt sich auf der Suche nach Antworten hinaus in seine Meereswelt. Allerdings gehorcht dort niemand mehr seinen Anordnungen. Black Manta hat in der Zwischenzeit das Kommando über die Meerestiere übernommen und lässt den einstigen Helden unbeobachtet verschwinden.

Währenddessen ist Batman dem Riddler auf der Spur, dem es gelungen ist, sich in den Hauptcomputer des Batcaves einzuhacken, auf dem sich neben der Identität aller Superhelden auch weitere Daten befinden, die die Gemeinschaft der Schurke niemals in die Hände bekommen darf. Als er den mysteriösen Bösewicht aber dann stellt, gelingt ihm die Gefangennahme ungewöhnlich leicht. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen …

_Meine Meinung:_

„Justice“, die aktuelle Reihe von Star-Zeichner Alex Ross, wurde in den Staaten bereits Ende letzten Jahres als 12-teilige Serie gestartet. In Deutschland hingegen wird die – ausgehend vom ersten Band – sehr viel versprechende Reihe in sechs Sammelbänden auf den Markt gebracht, von denen nun der erste über |DC/Panini| erschienen ist.

Rein inhaltlich handelt es sich bei „Justice“ wiederum um einen (nicht ganz so umfangreichen) Crossover, bei dem die meisten Superhelden der JLA involviert sind. Im Mittelpunkt stehen dieses Mal zwar nicht wieder nur die üblichen Verdächtigen – sprich Batman und Superman –, allerdings sind es auch dieses Mal wieder genau diese, die die Welt vor der neuen, noch unbekannten Bedrohung retten müssen. Zu ihnen stoßen mit Flash und Aquaman zwei eher selten auftauchende Mitglieder der JLA, die jedoch im Gegensatz zu ihren schier übermächtigen Partnern nie so richtig zum Zuge kommen. Schließlich wird Aquaman entführt, wohingegen Flash lediglich als Superheld der zweiten Reihe vorgestellt wird – zumindest tritt er in den wenigen Szenen, in denen er herandarf, so auf.

Aber noch einmal zurück zur grundlegenden Ambition von Ross und seinem Co-Autor Jim Krueger. Die Idee, „back to the basics“ zu gehen, wurde vom diesem Team wunderbar umgesetzt und wirkt im direkten Vergleich zu den riesigen, umfassenden Serien dieser Zeit auch nicht kontraproduktiv. Vor allem die etwas erfahrenen Leser werden sich über die gradlinige, auch zeichnerisch relativ einfach inszenierte Handlung freuen, da man hier nie in Versuchung kommt, sich von äußeren Einflüssen vom Plot ablenken zu lassen.

Auch inhaltlich ist die neue Story wirklich sehr stark. Es liegen verschiedene, hier noch kaum fassbare Mysterien in der Luft; so zum Beispiel das genaue Verbleiben von Aquaman, die Motivation hinter dem Attentat von Black Manta sowie die sonderbare Aura des Riddlers; alles Sachen, die über mehrere Cliffhanger gekonnt zum nächsten Band überleiten und die eh schon hohe Spannung auch über die einleitenden Geschichten hinaus erhalten. Insofern kann man also auf jeden Fall von einer sehr gelungenen Umsetzung – und das in jeglicher Hinsicht – reden.

Das Fazit habe ich somit auch schon vorweggenommen. Hier reift ein neues Highlight im Universum von |DC Comics| heran, einerseits simpel, stilistisch und inhaltlich aber dennoch komplexer angelegt. Nicht zuletzt wegen der tollen Charakterzeichnungen der eher seltener auftretenden Figuren zum Abschluss des Heftes ist diese Investition absolut lohnenswert.

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Morrison, Grant / Quitely, Frank – All Star Superman 1

Mit der neuen Serie „All Star Superman“ hat sich Grant Morrison einen lange gehegten Traum erfüllt. Schon seit langer Zeit spielt der Autor solcher Comics wie „Doom Patrol“, „JLA“, „Arkham Asylum“ und „New X-Men“ mit der Idee einer eigenen Superman-Adaption, doch erst jetzt hat er seine Pläne in die Tat umgesetzt. Dieser Tage erscheint nun der erste Teil einer auf 12 Hefte ausgelegten Serie um den beliebten Superhelden, gleichzeitig aber auch eines der düstersten Kapitel in seiner Laufbahn als Retter der Menschheit.

_Story_

Bei der Rettung der Crew einer Weltraum-Sonde, die sich in unmittelbarer Nähe zur Sonne aufhielt, hat Superman eine riesige Menge Sternenstrahlung abbekommen, die seine Superkräfte noch einmal um ein Dreifaches vermehrt hat. Auch seine Intelligenz wurde durch das Übermaß der Strahlung enorm gesteigert. Allerdings hatte die Sache auch eine Kehrseite: Die Zellen des Helden konnten die gewaltige Strahlung nicht verarbeiten und sterben langsam ab. Damit ist Lex Luthor, der Superman in diese Falle gelockt hat, das gelungen, was ihm in unzähligen zuvor getätigten Versuchen nicht gelang: den Tod Supermans einzuleiten.

Vor seinem unvermeidbaren Ableben setzt sich Superman alias Clark noch einmal sehr intensiv mit seiner Kollegin Lois in Verbindung und offenbart ihr nach langen Jahren der Zusammenarbeit sein wahres Ich. Doch die Reporterin will ihm nicht Glauben schenken und glaubt bei ihrer Reise in die Festung der Einsamkeit sogar, dass sie einer Manipulation auf den Leim gegangen ist – bis sie dann tatsächlich hinter die wundersame, aber auch grausame Wahrheit blickt …

_Meine Meinung:_

Derzeit scheint der Tod verschiedener Superhelden im DC-Universum ein sehr beliebtes Thema zu sein, besonders stark durch die gerade begonnene „Infinite Crisis“ begleitet. Allerdings funktioniert diese Serie losgelöst vom gewaltigen Crossover der berühmten Comic-Schmiede. Grant Morrison hat hier eine gänzlich eigenständige, im Großen und Ganzen auch recht simple Story geschmiedet, die sich ausschließlich dem Schicksal von Superman widmet. Der immerstarke Superheld sieht sich erstmals ernsthaft mit dem Tod konfrontiert und legt nur noch auf zwei Dinge einen gehörigen Wert: Erstens muss ein adäquater Nachfolger gefunden werden, und zweitens soll die von ihm seit Jahren geliebte Lois endlich das Geheimnis seiner Identität in Erfahrung bringen.

Die Geschichte ist ganz ansprechend in Szene gesetzt worden, jedoch fehlt es dem Comic bisweilen ein wenig an Atmosphäre. Grundsätzlich ist die Handlung recht traurig, wird aber meines Erachtens besonders in den Dialogen zwischen Lois und Superman nicht immer genau so dargestellt. Zudem fehlt es der Story speziell in der zweiten Hälfte an fortschrittlichen Ideen. Die seltsame Kammer, die Lois auf Supermans Geheiß nicht betreten darf, ist der einzige echte Spannungsfaktor, wird aber anschließend ziemlich albern aufgelöst. Lediglich der Cliffhanger, der zum nächsten Band überleitet, lässt einiges erwarten und bietet auch eine echte Überraschung auf.

Davon abgesehen ist der Comic ganz ordentlich und in seiner Simplizität auch konsequent weiterentwickelt worden. Im Textepilog wird auch noch mal klar betont, dass der Autor nicht beabsichtigt hat, eine allzu komplexe Handlung zu kreieren, sondern stattdessen immer hautnah am Geschehen um Clark und Lois bleiben wollte. Diesbezüglich kann man Morrison auch ein Kompliment machen, denn das Verhältnis der beiden wird stringent bis zum Ende durchgearbeitet und bekommt durch die ständigen Zweifel von Seiten Lois’ stets neue Würze. Schade nur, dass der Mangel an Spannung dadurch nicht vollständig kompensiert werden kann, denn dieser ist – neben den ebenfalls sehr simplen Illustrationen von Frank Quitely – das einzige Kriterium, das in „All Star Superman“ nicht ganz befriedigend erfüllt wird. Ansonsten jedoch ist der Auftakt dieser neuen Reihe recht ordentlich geworden und sollte gerade für Fans der eher emotionalen Heldengeschichten ziemlich interessant sein.

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Hyung, Min-Woo – Priest – Band 9

[Band 1 1704
[Band 2 1705
[Band 3 1707
[Band 4 1709
[Band 5 1720
[Band 6 2515
[Band 7 2516
[Band 8 2575

_Story_

Getrieben von seinem unbändigen Hass treibt Ivan Isaacs seinen blutigen Rachefeldzug weiter voran und stellt sich den gefallen Engeln, die sein Gegenspielers Temozarela befehligt. Nacheinander löscht er seine Kontrahenten mit seinen Silberkugeln aus, bis er schließlich auf seinen bis dato mächtigsten Gegner Acmode stößt. Es kommt zu einem erbitterten Kampf, bei dem Acmode nicht nur seine unzähligen Handlanger ins Rennen schickt, sondern auch mentale Geschicke für sich spielen lässt, um den wiedergeborenen Zögling Belials zu vernichten. Doch Isaacs können die Angriffe seines Gegenübers nichts mehr anhaben, und als schließlich nur noch die beiden Protagonisten des Kampfes übrig bleiben, bahnt sich eine gewaltige Blutrache an …

_Meine Meinung_

Min-Woo Hyung wählt im neunten Band seiner Reihe einen sehr gewaltsamen und stellenweise auch überaus brutalen Weg, bei dem der Autor vor absolut keiner Grausamkeit mehr zurückschreckt. Dies ist teilweise ziemlich abstoßend und meines Erachtens auch übertrieben, so zum Beispiel in der Szene, in der Acmode das kleine Mädchen Christine auf seinem Opfertisch seziert und so den Hass seines Gegenspielers Isaacs nur noch weiter in die Höhe treibt. Solche Szenen fordern geradezu nach einem Verbot der Jugendfreigabe und bieten nach acht durchweg überzeugenden Werken den ersten Angriffspunkt für Hyungs viel gelobte Serie „Priest“.

Doch auch sonst hat sich einiges verändert. Mittlerweile sind Dialoge zur absoluten Seltenheit geworden und machen stattdessen Platz für gehaltvolle Monologe sowie die bereits beschriebene brutale Action. Speziell die erste Hälfte des neunten Buches ist ein wahrer Blutrausch, bei dem nicht nur Isaacs alles eliminiert, was sich ihm in den Wege stellt, sondern auch die Schergen Temozarelas für Tod und Vernichtung sondergleichen sorgen. Zeichnerisch kann Hyung hier allerdings seine ganze Klasse beweisen. Tolle kräftige Bleistiftskizzen dominieren das Bild und versinnbildlichen das Chaos, das sich im Wilden Westen jener Tage abspielt, nahezu perfekt. Das Problem besteht lediglich darin, dass der Autor und Zeichner dabei kaum noch Wert auf Details gelegt hat. Besonders die Figuren sind nur schwerlich voneinander zu unterscheiden, was man aber auch dahingehend interpretieren kann, dass Hyung bei der Darstellung der bösartigen Instinkte ein ziemlich homogenes Bild schaffen wollte. Und das ist ihm schließlich auch sehr schön gelungen.

Die Handlung schreitet indes weiterhin sehr temporeich vorwärts. Der Rachefeldzug stößt auf einen neuen ‚Endgegner‘, der nicht minder hasserfüllt ist als Isaacs selber. Ebenso wie der wiederauferstandene Rächer wurde auch Acmode von seinem Gott verlassen und kanalisiert seinen Frust nun in purer Gewalt, wie etwa in der eben beschriebenen Sezierungsszene. Ivan hingegen hat nur eines im Sinn: Alles zu vernichten, was mit Temozarela im Bunde ist, und damit auch Gena die Ehre zu erweisen bzw. seinen Pakt mit Belial zu erfüllen. Letzterer taucht als Medium auch wieder auf und führt mit Acmode eine Diskussion über die Hintergründe des jeweils verlorenen Glaubens, die nicht nur den inhaltlichen Schwerpunkt, sondern auch die Einleitung für das Finale darstellt – welches übrigens erst im nächsten Band ausgetragen wird. Zum Schluss gibt es dann noch einen kurzen, schon mehr humorvollen Epilog, in dem Hyung sich selber zeichnerisch darstellt und die Motivation zur Hinterfragung des Glaubens kurz beleuchtet, dabei auch preisgibt, dass er, ganz gleich, wie es um seine Gottgläubigkeit bestellt ist, ebenfalls hofft, eines Tages in den Himmel zu kommen. Nach all der Gewalt also doch noch ein versöhnlicher Abschluss der neunten Episode.

_Fazit_

Es geht verdammt hart zu in „Priest – Band 9“, und das kann einem auch bisweilen ziemlich bitter aufstoßen. Min-Woo Hyung geht keine Kompromisse mehr ein und widersetzt sich in den grafischen Racheakten jeglichen Tabus, manchmal auch über den guten Geschmack hinaus. Dies gilt es auf jeden Fall zu kritisieren, wenn auch losgelöst von der weiterhin fabelhaften Handlung. Das bislang makellose Gesamtbuch „Priest“ hat damit seinen ersten dunklen Farbtupfer bekommen, der jedoch noch nicht als düsteres Kapitel zu bewerten ist. Man kann es eben manchmal auch übertreiben, und das hat der Autor dieses Mal nicht berücksichtigt. Ansonsten bietet der neunte Teil aber mal wiederbeste Action-Kost und feinste Horror-Stimmung. Schade lediglich um das überflüssig vergossene Blut.

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Wolfgang Hohlbein – Das Paulus-Evangelium

Vorschnelle Kritiker sollten sich nicht zu eilig über die Veröffentlichung des neuen Hohlbein-Romans „Das Paulus-Evangelium“ ereifern. Kritikpunkt könnte nämlich sein, dass sich der beliebte deutsche Fantasy-Autor inhaltlich bei Verschwörungstheoretiker Dan Brown bedient hat, und das nicht zu knapp. Schaut man allerdings etwas genauer auf die Hintergründe dieses Romans, wird man feststellen, dass das Skript von „Das Paulus-Evangelium“ noch eine ganze Zeit vor der Erstveröffentlichung solcher Bestseller wie „Illuminati“ und „Sakrileg“ entstanden ist und man Hohlbein so ziemlich alles vorwerfen kann, aber sicherlich keinen intellektuellen Diebstahl. Aber davon mal abgesehen, gibt es bei diesem neuen Meisterwerk kaum Anlasss, irgendwelche Vorwürfe loszuwerden. Denn wo Hohlbein draufsteht, da ist auch nach wie vor Hohlbein drin!

_Story_

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Bendis, Brian Michael – Double Trouble (Der ultimative Spider-Man 3)

Die dritte Ausgabe der Sammelbände aus der Reihe „Der ultimative Spider-Man“ hält eine ganze Menge Highlights bereit. Unter anderem findet hier der erste Auftritt der ultimativen Gwen Stacy statt. Außerdem kehrt eine Legende aus der Welt von Spider-Man zurück: der wahnsinnige Doktor Octopus, vielen sicherlich auch bekannt aus dem zweiten Kinofilm um den mutierten Spinnenmenschen. Und als wäre dies nicht schon genug, taucht auch Kraven der Jäger in diesem schicken, 180 Seiten starken Paperback zum ersten Mal auf.

_Story_

Peter Parker scheint entlarvt – zumindest glaubt das ein Mitschüler, der einen ernsthaften Verdacht hat, wer genau hinter dem mysteriösen, in der Presse als Bösewicht verschrienen Spider-Man steckt. Im Zuge eines Wettbewerbs, bei dem sich die Schüler als Superhelden verkleiden sollen, ist die Stimmung innerhalb der Klasse von Peter eh schon ziemlich angeheizt, da nichts anderes mehr zum Thema gemacht wird.

Peter hingegen hat ganz andere Sorgen: Durch ein gescheitertes Projekt sind dem Versuchskaninchen Otto gleich mehrere Tentakel angewachsen. Der schroffe Mutant ist darüber gar nicht erfreut und trachtet bereits nach Rache, während sein Schöpfer sich anderweitig mit intriganten Machenschaften beschäftigt. Allerdings schreckt der als Doktor Octopus zu neuem Leben erwachte Otto auch nicht davor zurück, seine Opfer zu töten, was wiederum Spider-Man als Retter eines jeden Menschenlebens auf den Plan ruft. Doch dieser kann nicht so frei wie gewünscht agieren. Zum einen liegt ihm seine störrische Tante May mit belehrenden Vorwürfen im Rücken und gestattet ihm dabei kaum Freiheiten; zum anderen hat sich unlängst der gescheiterte Fernsehstar Kraven wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, als er in einer neuen Show seine Jagd auf Spider-Man angekündigt hat. Harte Zeiten für einen Superhelden, der nebenbei auch noch die Beziehung mit seiner eifersüchtigen Freundin Mary-Jane und seinen Job beim Bugle-Magazin auf die Reihe bekommen muss …

_Meine Meinung:_

Den dritten Sammelband dieser Reihe muss ganz klar diffenrenziert betrachten, soll heißen, Story und Übersetzung sind getrennt zu bewerten. Leider ist es nämlich so, dass die deutsche Fassung dieses Heftes wirklich schwach übersetzt wurde und so viele moderne, zweideutige Witze enthält, dass dem erfahrenen Leser manchmal sogar richtig übel werden kann. Gerade Spider-Man lässt einige Sprüche vom Stapel, bei denen man sicherlich nicht begeistert schmunzeln, sondern eher verärgert mit dem Kopf schütteln wird. Ein Beispiel ist eine Szene aus dem finalen Kampf mit Doktor Octopus, in dem er den Gegner fragt, ob er gewisse Utensilien aus dem Otto-Katalog bestellt hat. Fast noch schlimmer ist ein Ausschnitt ganz zum Anfang der Geschichte, in dem sogar die Pop-Band |No Angels| mit einem herablassenden Kommentar gewürdigt wird. Ich kann mir dabei jedenfalls nicht vorstellen, dass Autor Brian Michael Bendis nach solchen pseudo-humorvollen Texten in der hiesigen Version getrachtet hat, und dementsprechend groß ist schließlich auch die Enttäuschung af diesem Gebiet.

Hinsichtlich der Story ist dieser dritte Band allerdings alles andere als enttäuschend, sondern im Großen und Ganzen ziemlich genial. Angefangen bei der Auferstehung des verrückten Doktors über die Grabenkämpfe zwischen FBI und der Polizei bis hin zu den vielen rasanten Showdowns entwickelt sich hier eine temporeiche Action-Handlung, bei der lediglich das überschüssige Pathos stellenweise etwas zu dick aufgetragen wurde. Doch daran sollte man sich letztendlich weniger stören als an der biederen Übersetzung. Dazu ist noch zu sagen, dass Brian Michael Bendis immer in den Momenten, in denen er abzuwschweifen droht, geschickt die Kurve bekommt. So glaubt man zum Beispiel kurz vor dem letzten Auftritt Spider-Mans, dass sich der Autor zu sehr auf die Beziehung zwischen Peter Parker und Mary Jane einlässt; an anderer Stelle liegt die Befürchtung nahe, der Streit zwischen den ausübenden Gewalten des Gesetzes würde überhand nehmen. Und wieder andernorts droht der Konflikt zwischen Doktor Octopus und seinem Gegenspieler Justin Hammer zu früh zu eskalieren. Doch all das passiert nicht, weil Bendis seiner Linie treu bleibt und diese mittels der gradlinigen Erzählung auch sehr strikt und konsequent weiterspinnt – bis zum sehr gelungenen, aber eben sehr pathetischen Ende.

Band 3, Untertitel „Double Trouble“, hat auf jeden Fall seine Schwächen, die aber keinesfalls am Original festzumachen sind. Story und auch die sehr bunten und überaus gelungenen Zeichnungen von Mark Bagley sind durchweg überzeugend; nur die Sprache mitsamt ihrer überzogen modernen Inhalte und der etwas zu sehr heroische Unterton erweisen sich zwischenzeitlich als Störfaktoren, die man aber trotzdem noch verschmerzen kann. Ultimativ ist „Double Trouble“ daher sicher nicht, lesenswert aber immer noch allemal.

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Pratchett, Terry – Pyramiden

„Pyramiden“ ist das zweite Hörspiel zu Terry Pratchett’s heißgeliebter Scheibenwelt und für Freunde eben jener eigentlich unverzichtbar, denn wenn man einmal in der seltsamen Umgebung des Fun-tasy-Schreibers Pratchett gefangen ist, kann man dieser herrlichen Hypnose kaum noch entfliehen und wird geradezu süchtig nach all dem, was sich dort abspielt. Leider wird das aktuelle Hörspiel diesem sehr hohen Qualitätsstandard nicht gerecht, denn obwohl „Pyramiden“ trotz einiger Mängel eigentlich eine ganz anständige, vom Rest der Scheibenwelt losgelöste Geschichte ist, ist die Umsetzung in diesem Falls äußerst bescheiden.

_Story_

Der Pharaohssohn Teppic wird eines Tages nach Ankh-Morpok geschickt, um dort die Ausbildung zum Assassinen zu bestreiten. Jedoch ist sein Ausflug zur dort ansässigen Meuchler-Gilde kein problemfreies Unterfangen. Just an jenem Tag, an dem Teppic seine Lehre endlich beendet hat und sich für seine Bestimmung bereit zeigt, kommt sein Vater Teppicymon XXVII. ums Leben und hinterlässt Teppic sein gesamtes Erbe. Doch als neuer Pharaoh von Djelibeby hat der junge Neu-Assassine nicht die Freiheiten, die er sich in seiner plötzlichen Herausforderung erhofft hatte. Das Leben als Pharaoh ist eben kein Zuckerschlecken, besonders wenn man im eigenen Land überhaupt nichts zu sagen hat. Der Hohepriester Dios ist es nämlich, der Teppic alle Entscheidungen abnimmt und jeglichen Befehl ins Gegenteil verkehrt. So baut er unter anderem eine recht merkwürdige Pyramide, die sein Vater in dieser Form gar nicht akzeptiert hätte. Als der junge Pharaoh sich dann irgendwann doch noch dazu aufraffen kann, die Dinge selber in die Hand zu nehmen, ist es bereits zu spät. Der Pyramidenbau hat das Land nämlich gänzlich aus dem bestehenden Weltengefüge hinausgerissen und die verfeindeten Reiche in der Umgebung von Djelibeby sehr nahe aneinander herangeführt. So entsteht in der gesamten Region ein Chaos, das selbst die alten Götter zu neuem Leben erweckt …

_Meine Meinung_

Über die Story, die Terry Pratchett hier mal wieder mit viel Wortwitz vorangetrieben hat, braucht man eigentlich nicht viele Worte verlieren. Es ist schlichtweg grandios, was der britische Autor aus einigen albern anmutenden ideen, höherer Mathematik und unkonventionellen Formulierungen zusammenstellt, und da bildet auch „Pyramiden“ keine Ausnahme. Lediglich die Entwicklungen, die zum Pyramidenbau in Djelibeby hinführen, sind ein wenig kurios und in ihrer Erscheinung auch nicht immer direkt nachvollziehbar. Dies mag zwar für Pratchett nichts Ungewöhnliches sein, fällt aber aufgrund manch verwirrender Ereignisse in diesem Falle irgendwie negativ auf.

Ansonsten entwickelt sich die Geschichte im Reiche des unverkennbaren Pendants zum irdischen Ägypten wirklich prima fort und steigert sich über die bekannten irrwitzigen gedanklichen Wendungen in ein fulminantes Finale hinein, welches man aber wahrscheinlich nur dann genießen kann, wenn man den hier besonders abgefahrenen Humor des Autors teilt. Aber das setze ich bei diesem Herren einfach mal voraus.

Was mich allerdings an der Hörspielfassung ziemlich stört, ist die teils lustlose Darbietung der beteiligten Sprecher. Ich war anfangs wirklich begeistert, dass es sich bei „Pyramiden“ tatsächlich um ein Hörspiel und eben keine Lesung handelt, war aber nach einiger Anlaufzeit recht enttäuscht, wie dröge die Sprecher ihre Auftritte herunterrasseln. Man findet irgendwie überhaupt keinen passenden Einstieg, da man statt lebendigem Schauspiel auf trockene Berichterstattung setzt und so weder in den Spannungsbogen der Originalvorgabe einzusteigen vermag, noch den Pratchett-üblichen Humor adäquat herüberbringen kann. Beispiel gefällig: Nehmen wir direkt mal die erste Szene, in der Teppic seine Kleidung Stück für Stück aufstockt. Es ist eigentlich witzig, die mit vielen Details gespickte Umschreibung langsam zu verfolgen; da aber jegliche Emotionen – und Wortwitz verlangt einfach nach solchen – ausgespart bleiben, bleibt eine jede Pointe bereits im Ansatz stecken und wird bereits vor ihrem Auftauchen im Keim erstickt.

Zumindest gelingt es den Sprechern dann noch, die Handlung recht authentisch und dem Skript entsprechend vorzutragen, so dass zumindest der Inhalt konsequent geschildert und verständlich erzählt wird. Probleme beim Verständnis des Plots ergeben sich somit nicht, wenngleich die mathematischen Abhandlungen, die Pratchett in seinen irren Kosmos einfügt, gewöhnungsbedürftig und selbst dann nicht jedermanns Sache sein werden. Aber schlussendlich ist dies für ein Hörspiel, das von seiner lebhaften Performance leben soll und davon selbst bei einer Spielzeit von mehr als 300 Minuten nichts einbüßen darf, nicht ausreichend genug, um die anfangs aufgestellte Behauptung, dass es sich bei Produkten rund um die Welt dieses Autors um unverzichtbare Dokumente handelt, berechtigt zu unterstreichen. Pratchett-Fans – und nur solche – sollten sich jetzt nicht abschrecken lassen und sind gerne eingeladen, sich auch mal mit der Audio-Fassung des immerhin schon 17 Jahre alten Romans zu beschäftigen. Neueinsteigern kann ich zum Eintauchen in die Scheibenwelt indes nur die Romane (vor allem die etwas jüngeren) empfehlen, denn hierin steckt meines Erachtens einiges mehr an Potenzial.

http://www.luebbe-audio.de
http://www.bookonear.com/

Paul Stewart / Chris Riddell – Rook in den Freien Tälern (Klippenland-Chroniken VII)

Folge 1: „Twig im Dunkelwald“
Folge 2: „Twig bei den Himmelspiraten“
Folge 3: „Twig im Auge des Sturms“
Folge 4: „Twig – Fluch über Sanktaphrax“
Folge 5: „Rook und Twig, der letzte Himmelspirat“
Folge 6: „Rook und der schwarze Mahlstrom“

Paul Stewart / Chris Riddell – Rook in den Freien Tälern (Klippenland-Chroniken VII) weiterlesen

Henn, Carsten S. – In Vino Veritas

Dass Jürgen von der Lippe ein derart guter Hörbuch-Sprecher sein würde, hätte ich niemals erwartet. Das Original aus Film und Fernsehen mag zwar ein prima Entertainer und auch sonst ein sehr witziger Zeitgenosse sein, doch eine überzeugende und seriöse Leistung in einem solchen Projekt hätte ich persönlich ihm nicht zugetraut. Umso angenehmer ist natürlich die Überraschung in Form der absolut perfekten Gegendarstellung bei der Hörbuch-Fassung von Carsten S. Henns Roman „In Vino Veritas“, einem kulinarischen Krimi, dem von der Lippe hier seine Stimme leiht – und dies wirklich in umwerfend toller Manier.

_Story_

Eigentlich verdient sich Julius Eichendorff seine Brötchen als Koch in seinem Restaurant „Zur Eiche“, einem wohl bekannten, beliebten Lokal an der Ahr. Und eigentlich ist der Mann auch gerade damit beschäftigt, ein Menü zusammenzustellen, mit dem er sich bei den Kritikern des Metiers den ersten Stern für seinen Beruf erkochen will. Doch dann kommt alles anders: Julius‘ Freund Siggi, ein berüchtigter und wegen seiner Sturheit nicht allzu populärer Winzer, wird tot in einem Weinfaß aufgefunden, und neben dessen Ehefrau gerät auch Eichendorff in Verdacht, mit dem kriminellen Akt in Verbindung zu stehen.

Bevor man aber überhaupt nach ihm fahndet, begibt sich der Koch auf eigene Faust auf die Suche nach den Attentätern und den Hintergründen dieser Tat. Dabei stößt er nicht nur auf seltsame Organisationen wie die ortsansässige Weinbruderschaft und weitere eigenbrödlerische Restaurantbesitzer, sondern auch nach einiger Zeit auf eine weitere Leiche, die von Julius höchstpersönlich entdeckt wird. Die neue Kommissarin von Reuschenberg nimmt dies erneut zum Anlass, Eichendorff aufgrund der Umstände in den engeren Kreis der Tatverdächtigen einzubeziehen, möchte so aber auch erreichen, dass dieser seine waghalsigen Ermittlungen aufgibt, bevor ihm dabei noch etwas zustößt. Doch alle Warnungen kommen zu spät: Plötzlich gerät Julius wirklich in Gefahr, und die einzige Möglichkeit, noch einmal aus dem Schlamassel herauszukommen, ist die Zubereitung eines mörderischen Menüs …

_Meine Meinung:_

„In Vino Veritas“ ist ein ziemlich eigenwilliger Krimi, eher eine Mixtur aus Humor, kulinarischem Genuss, Kultur und Kriminalgeschichte, gespickt mit ein paar tollen Charakteren, die Jürgen von der Lippe ihrer Herkunft entsprechend auch wunderbar interpretiert. Sowohl den französischen Gourmet als auch den kölnischen Lokalbesitzer mimt er mit einer außerordentlichen Leidenschaft, der man deutlich anmerkt, dass sich der Vorleser sehr wohl in die Rollen der einzelnen Figuren hineinversetzt hat und so selbst das Hörbuch zu einem sehr lebendigen Ereignis hat werden lassen.

Carsten S. Henn, der Autor der Romanvorlage, hat ihm dazu allerdings auch die besten Voraussetzungen geschaffen. Die beiden parallel laufenden Handlungsstränge – einmal die Mordserie, weiterhin Julius‘ Suche nach dem perfekten Menü – haben jeweils so viel Potenzial, dass die in knapp vier Stunden vorgetragene Hörbuchfassung noch recht knapp wirkt, um all die verschiedenen, oft versteckt angedeuteten Details zu verarbeiten. Gerade im Hinblick auf die kulinarische Vielfalt, mit der Henn hier spielt, wünscht man sich manchmal noch mehr Einzelheiten, wobei die Kombination aus beidem (Hochgenuss und Spannung) dem Autor echt super gelungen ist.

Zudem muss man sagen, dass die Weinkultur im Ahrgebiet mit all ihren seltsamen Eigenheiten auch sehr gut erfasst wurde. Die Winzer sind ein Volk für sich, so viel steht fest; und dies beschreibt Henn über sein Medium von der Lippe auch sehr schön. So gibt es zahlreiche Anlässe zu schmunzeln, und dies über Dinge, die für das weinvernarrte Volk anscheinend normal sind, für unsereins aber eher komisch wirken. Beispiele gefällig? Nein, bitte selber nachhören, denn wenn der Franzose Antoine seine Kritik zur aktuellen Spätlese abliefert oder der Kellner Franz Xaver mit seinem Wiener Schmäh daherredet, beide dabei aber ganz genau in die Szenerie passen, ist das schon eine echte Wonne – nicht zuletzt und einmal mehr wegen der tollen Lesung des Sprechers Jürgen von der Lippe. Aber adäquat wiedergeben bzw. beschreiben kann man das in Worten nicht.

Bei all den ungewöhnlichen Aspekten dieser Geschichte gerät die Kriminalgeschichte schon mal schnell auf die Nebenspur, wo sie aber natürlich nicht hingehört. Sobald sich Henn vollends auf den wichtigsten Teil des Plots konzentriert – und das macht er auch relativ bald – entwickelt sich eine packende, spannungsgeladene Handlung, der es weder an Überraschungen noch an weiteren sonderbaren Ereignissen mangelt. Und dies so lange, bis Julius Eichendorff aus der Not heraus seine Mördermahlzeit brutzelt und darin die letzte Chance sieht, alle Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

_Fazit_

„In Vino Veritas“ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein echter Festschmaus. Man darf wirklich erstaunt sein, wie lebendig Jürgen von der Lippe diese Geschichte vorträgt, und wie es ihm dabei gelingt, sowohl den Aspekten des Krimis als auch den genüsslichen Nebenschauplätzen mit all ihren vollkommen unterschiedlichen Charakteren gerecht zu werden. Nach dem erst kürzlich von mir rezensierten [„Tod und Teufel“ 2566 von Frank Schätzing ist dies nun bereits das zweite Hörbuch aus dem Hause |Emons|, von dem ich vollkommen begeistert bin, so dass ich neben meiner Empfehlung für „In Vino Veritas“ auch mal auf das Programm des Verlags hinweisen möchte, in dem es auf jeden Fall eine ganze Menge zu entdecken gibt.

http://www.emons-verlag.de/

Barclay, James – Schicksalswege (Die Legenden des Raben 1)

|Die Chroniken des Raben|:
[Zauberbann 892
[Drachenschwur 909
[Schattenpfad 1386
[Himmelsriss 1815
[Nachtkind 1982
[Elfenmagier 2262

Nun ist sie also endlich da, die Fortsetzung zur viel gerühmten Trilogie (in Deutschland in sechs Bänden veröffentlicht) „Die Chroniken des Raben“ von James Barclay. In „Die Legenden des Raben“ setzt der junge britische Autor die Geschichte um das Söldnergespann aus Balaia fort. Neue Helden, neue Welten und neue Schicksale, das verspricht Barclay seinen Lesern – und gemessen am ersten deutschsprachigen Buch der neuen Reihe scheint der Mann auch nicht zu viel versprochen zu haben.

_Story_

Noch immer hat sich Erienne nicht vom Tod ihrer Tochter erholt. Tief sitzt der Schmerz ihres fürchterlichen Todes, den ausgerechnet die so hilfreichen Magierinnen des Einen Weges herbeigeführt haben. Daher ist Erienne auch zunächst nicht dafür zu begeistern, den Raben bei seiner nächsten Mission zu begleiten. Es geht darum, das Herz von Julatsa, dem einst im Krieg zerstörten Kolleg, zu retten und so auch wieder das verloren gegangene Gleichgewicht der magischen Kollegien herzustellen. Doch Erienne bleibt schließlich keine Wahl. In erster Linie ist sie Mitglied des Raben, und als solches ist es ihre Bestimmung, den vorerst neuen Anführer Ilkar – den einzigen Vertreter Julatsas – und ihre Gefährten zu begleiten.

Die Reise führt den Raben auf den Südkontinent in den Regenwald, der eigentlichen Heimat Ilkars, wo ihnen auch die schreckliche Nachricht zugetragen wird, dass das Volk der Elfen von einer heimtückischen Epidemie bedroht ist, der schon zahlreiche Stammesvertreter zum Opfer gefallen sind. Die Ursache hierfür liegt in der Entweihung eines heiligen Tempels, der die Harmonie der streng religiösen Elfen vollkommen durcheinander gebracht hat. Schon bald machen sich die furchtlosen Kämpfer der verschiedenen Urwalddörfer auf die Suche nach den menschlichen Eindringlingen und veranstalten noch in der direktem Umgebung des Tempels ein fürchterliches Blutbad. Doch die führenden Gestalten der ungebetenen balaianischen Gäste können wie durch ein Wunder fliehen und müssen nun gegen die Tücken des Regenwalds kämpfen.

Währenddessen gelangen Ilkar und seine Gefolgsleute nach einer beschwerlichen Reise in sein Heimatdorf zurück. Zum ersten Mal seit über einhundert Jahren kehrt der Magier aus Julatsa wieder dorthin zurück, um weitere Magier für die Errettung seines Stammkollegs zu mobilisieren. Doch seine alten ehemaligen Freunde empfangen ihn alles andere als herzlich. Selbst Ilkars Bruder, der einst den so wichtigen Tempel bewachte und bei der verloren gegangenen Schlacht focht, die schließlich zur Entweihung führte, ist dem einst verschwundenen Ilkar nicht mehr wohl gesonnen.

In der Kürze der Zeit gilt es für den Raben nun, Kompromisse zu machen. Denn in Balaia tobt ein wilder Krieg, bei dem das Kolleg von Xetesk vor keinen Greueln mehr zurückzuschrecken scheint, um die gesamte Macht an sich zu reißen. Mittendrin im Getümmel: die Schwarzen Schwingen um ihren Anführer Selik, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Gilde der Magier komplett auszurotten …

_Meine Meinung:_

Nach dem unschlüssigen Ende der vorangegangenen Chroniken durfte man sehr gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte sein. Viele Fragen blieben ungeklärt, so zum Beispiel die nach dem Befinden der vom Schicksal geplagten Erienne, die mit Lyanna bereits ihr drittes unschuldiges Kind verlor. Aber auch die Aufteilung der Mächte nach der in letzter Minute gelungegen Rettung Balaias war unklar und wird dies auch weiterhin bleiben. Zwei Jahreszeiten nach den Ereignissen auf Herendeneth toben in den Häfen des Kontinents wilde Gefechte zwischen den Kollegien von Xetesk und Dordover. Ganze Städte werden von den Kämpfen zerstört, und auch der Unbekannte Kämpfer muss mit seiner Familie aus seiner Heimat flüchten, um die eigene Haut zu retten. Sein Weg führt ihn zurück in die Arme des Raben, wo die Stimmung nach wie vor sehr bedrückt ist. Außerdem sorgen verschiedene Meinungsverschiedenheiten zwischen Hirad, Ilkar und den übrigen Rabenkriegern für Missmut und Motivationslosigkeit, ähnlich noch wie in den letzten beiden Bänden der Chroniken, in denen die Mitglieder ja auch schon einige Grabenkämpfe auszutragen hatten.

Dementsprechend lange dauert es dann auch, bis die Geschichte rund um das Söldnerteam in Fahrt kommt, was jedoch auch daran liegt, dass Barclay währenddessen andere Schauplätze weiter in den Vordergrund stellt und in Gestalt des Elfen Rebraal und mit den ‚Tempelstürmern‘ um den verwegenen Hauptmann Yron neue wichtige Personen in die Geschichte einführt, deren genaue Rolle im Einführungsbuch noch nicht ganz geklärt wird. Feststeht lediglich, dass sie für die weitere Geschichte noch eine sehr wichtige Bedeutung haben werden.

Zum anderen betont Barclay in „Schicksalswege“ auch nicht ganz so deutlich die Kriegshandlungen. Das Buch ist zwar relativ brutal und die Beschreibungen der einzelnen Kämpfe und Verletzungen sind im direkten Vergleich zu den vorangegangenen Büchern auch enorm hart, aber die direkten Geschehnisse in Balaia lässt der Autor erst einmal zurück, um sich den Ereignissen im Regenwald sowie der Reise des Raben zu widmen, der jedoch noch nicht genau einschätzen kann, wie groß die erneute Bedrohung für den Kontinent ist. Erst als über Dritte Meldungen über den Zustand in Städten wie Arlen und die Vertreibung und das Abschlachten von unschuldigen Flüchtlingen verlautbaren, begreifen Hirad, Ilkar, Denser, Erienne, der anscheinend endgültig wiedergeborene Gestaltenwandler Thraun, der neu hinzugestoßene, aus Lystern desertierte General Darrick, die ebenfalls neu aufgenommene Elfin Ren’erei und der Unbekannte Krieger, dass die Zeit drängt und man dringend etwas unternehmen muss, um eine Katastrophe astronomischen Ausmaßes zu verhindern.

„Schicksalswege“ ist der bisher finsterste Raben-Band und, zumindest zu Beginn, auch der bis dato komplexeste. Barclay lässt die Geschichte zwar weiterhin auf den bekannten Helden beruhen, führt diese aber zu gänzlich neuen Schauplätzen, während er gleichzeitig einige interessante neue Gestalten in die Handlung einbezieht und somit auch die Fantasy-Welt Balaia gekonnt weiterentwickelt. Im Grunde genommen macht er nur den nächsten logischen Schritt, lässt sich dabei aber mal wieder alle Optionen offen, um die Erzählung in alle möglichen Richtungen weiterzuspinnen. Und insofern ist „Schicksalswege“ auch wieder ein ziemlich typischer Band aus der Reihe um den berüchtigten Söldnerbund, gleichzeitig aber auch eines der besten Bücher aus dieser Serie, dessen wahre Klasse sich allerdings erst in der zweiten Hälfte offenbart, in welcher der Plot plötzlich mit rasanten Schüben Fahrt aufnimmt.

Im Grunde genommen könnte das Buch sogar für sich stehen, so dass man auch hierüber einen Einstieg in die Welt des Raben finden kann. Dies möchte ich aber trotzdem nicht empfehlen, denn „Die Chroniken des Raben“ sind einfach Pflichtkost für den fleißigen Bücherwurm und zum Verständnis der Nachfolge-Trilogie enorm hilfreich. Und überhaupt sind sie das Beste, was die moderne Fantasy derzeit zu bieten hat. Genauso wie dieser erste Band der „Legenden des Raben“. Punkt.

Anmerkung des Rezensenten: Bitte nicht vom oben abgebildeten, im Internet kursierenden Cover irritieren lassen. Das Buch wird hier rot dargestellt, ist aber in Wirklichkeit in blauer Farbe veröffentlicht worden.

Bomm, Manfred – Schusslinie

Eine gute Idee, die Manfred Bomm da hatte. Rechtzeitig zur Fußall-WM hat der deutsche Krimiautor eine Geschichte rund ums aktuelle Geschehen in Deutschland verfasst, bei der in Person von Jürgen Klinsmann sogar eine reale Figur eingegliedert wurde. Der Bundestrainer übernimmt hier jedoch nicht die Rolle des Sunnyboys, sondern spielt das Opfer eines größer angelegten Komplotts. Effekthascherei? Nein, keinesfalls. Mittel zum Zweck? Vollkommen!

_Story_

Kommissar August Häberle ermittelt in einem seltsamen Mordfall, der sich an einer Sportstätte in Geislingen zugetragen hat. Sowohl Funktionäre als auch ortsansässige Poltiker sind über den Vorfall schockiert, schließlich werfen solche Ereignisse ein Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft kein gutes Licht auf den Deutschen Fußball-Bund. Als dann die Identität des Toten aufgedeckt wird, stellt sich heraus, dass es sich hierbei um einen einflussreichen früheren Freund von Jürgen Klinsmann handelt, der anscheinend von Dingen wusste, die anderen politischen Personen hätten schaden können. Häberle stürzt sich auf die Arbeit und taucht immer tiefer in einen Sumpf aus Intrigen, Korruption und Falschspielerei ein.

Dabei stößt er auf eine geheimnisvoll auftretende Prostituierte, einen zwielichtigen Unternehmer, nimmt aber auch Kontakt zum Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft auf, um diesen zu den Vorfällen zu befragen. Dann gerät die Situation aber außer Kontrolle: Klinsmann selber wird von den Drahtziehern des Verbrechens entführt und weitere Leute werden umgebracht. Und als dann in Berlin auch noch Dokumente über eine offensichtlich geplante Bestechungsaffäre auftauchen, ist längst die ganze Nation über den wohl größten Skandal der deutschen Fußballgeschichte – und dies ein Jahr vor der WM – informiert …

_Meine Meinung_

Skandalöse Affären hat es im Fußball in den letzten Jahren ja leider zuhauf gegeben, man denke nur mal an den jüngsten Wettskandal in der italienischen Liga. Weiterhin haben sich die Funktionäre der gerade angelaufenen Weltmeisterschaft ja auch nicht mit Ruhm bekleckert, als es um die Kartenvergabe und weitere sportpolitische Entscheidungen rund um die WM ging. Insofern greift Manfred Bomm in seinem Krimi einige durchaus aktuelle Themen auf und verteilt dabei auch geschickt einige Seitenhiebe auf die immer mehr zum Politikum avancierten Sportveranstaltungen um das runde Leder.

Allerdings ist „Schusslinie“ natürlich in erster Linie ein gesundes Stück Unterhaltung, welches bei weitem das befürchtete „Bild“-Zeitung-Niveau (man verzeihe mir meine Vorurteile) übertrifft. Bomm hat hier nicht nur einen sehr guten Kriminalroman entworfen, sondern zugleich eine wirklich komplexe Story kreiert, welche den Leser durch die immer neu auftauchenden Teilaspekte mehrfach auf eine komplett falsche Fährte führt – ebenso wie den ermittelnden Kommissar August Häberle.

Der Aufbau ist deshalb auch das Glanzstück des Romans; beginnend mit dem Mord an der unbekannten Person, konstruiert Bomm eine immer verzwickter werdende Handlung, bei der man nie wirklich sicher sein kann, die tatsächlichen Ereignisse richtig erfasst zu haben. Sobald sich bei Häberle eine Spur zu ergeben scheint und der Leser (bzw. in diesem Fall der Zuhörer) diese näher verfolgt, wird sie auch schon sehr zügig wieder über den Haufen geworfen und durch neue Fährten ersetzt. Man mag zwar glauben, dass diese Herangehensweise die Geschichte aus dem Zusammenhang kickt, aber weil es dem Autor sehr gut gelungen ist, selbst die Überraschungsmomente stringent am deutlich erkennbaren roten Faden zu orientieren, verliert man nie den Überblick und durchlebt so auch zahlreiche Aha-Momente, bis zur Auflösung der weit reichenden Intrigen rund um den Sport.

Natürlich ist die anstehende Weltmeisterschaft im weitesten Sinne nur Mittel zum Zweck und für die Aufklärung erst einmal gar nicht so wichtig. Bomm war eben nur so geschickt, die aktuellen Ereignisse zum passenden Moment auszunutzen und so auch zum treffenden Zeitpunkt das Interesse auf sich und sein neues Werk zu lenken. Im Großen und Ganzen ist die WM nämlich nur ein verhältnismäßig kleiner Aufhänger inmitten des großen Mordkomplotts. Und dennoch sollten fußballinteressierte Leser noch eher Gefallen an dieser Erzählung finden, denn wer mit einem gewissen Hintergrundwissen um die jüngsten Skandale aufwarten kann, ist beim Verständnis der Rahmenhandlung klar im Vorteil.

Bei der prinzipiell sehr gelungenen Hörbuchfassung stellt sich mir nur eine Frage: Warum muss ausgerechnet eine Frau die von Männerstimmen dominierte Geschichte erzählen? Kerstin Eckert als Sprecherin zu kritisieren, liegt mir zwar wirklich fern, doch man merkt schon ganz deutlich, dass ihre Fähigkeiten, maskuline Intonationen hinzubekommen, geschlechtlich bedingt arg zu wünschen übrig lassen. Dies kann sie allerdings dann auch wieder durch ihre fundierten Sprachkenntnisse ausgleichen, wobei vor allem ihr schwäbischer Dialekt äußerst sympathisch herüberkommt. Alles in allem also dennoch eine gute Wahl für dieses sehr gelungene Kriminal-Hörbuch.

_Fazit_

Sympathische Charaktere, sehr spannende Story und viele falsche Fährten bei den Ermittlungen zum Mord im Vorfeld der Fußball-WM. Manfred Bomm hat mit „Schusslinie“ einen sehr authentischen Krimi zu den politischen Randerscheinungen des Sports geschrieben und geschickt auf den richtigen Zeitpunkt zur Veröffentlichung des (Hör-)Buchs gewartet. Wer trotz der derzeit aktiven Wettstreitigkeiten noch immer nicht genug von der schwarzweiß befleckten Pille bekommen kann, ist mit dieser Geschichte prima bedient.

http://www.gmeiner-verlag.de/

Holguin, Brian & McFarlane, Tod – Spawn 71

_Story_

Nyx besucht den schwer verletzten Al Simmons im Krankenhaus und ringt währenddessen immer noch hart mit ihrer Entscheidung. Der Dämon mit den drei Narben über dem Auge hat sich ihrer fast gänzlich angenommen, doch Nyx ist nicht bereit, ihren Kompagnon zu hintergehen. Aber sie hat keine Wahl und muss sich ihrem Schicksal beugen. Um selber in die Hölle zu gelangen und damit auch Thea zu erreichen, geht sie einen Pakt mit dem teuflischen Dämon ein. Durch eine Verbindung mit Spawn gerät sie schließlich an den Ort ihrer Wünsche, ist sich aber gewiss, dass dieser Verrat nicht ungestraft bleiben kann …

_Mein Meinung_

Mit Band Nr. 71 wird eine neue Mini-Serie in der „Spawn“-Geschichte eingeleitet, die aber noch immer von den Auswirkungen der riesigen Verwüstung in New York aus dem letzten Band zehrt. Al Simmons hat die große Explosion schwer verletzt überlebt und ist nun dem Willen von Nyx vollkommen ausgeliefert. Doch diese nutzt die sich bietende Chance nicht sofort, schließlich sind ihre Zweifel noch zu groß. Als sie dann aber doch mit der unbewussten Hilfe von Spawn in die Unterwelt abtaucht und sich selbst in der Lebenswelt des Teufels wiederfindet, weiß sie, dass eine ganz neue Ära beginnt, sowohl für sie als auch für Spawn – und natürlich auch für die Leser, die nach der gerade abgeschlossenen Metzel-Reihe auch mal wieder etwas mehr Story eingefordert haben.

Trotzdem aber ist dieses Heft nur eine Überleitung, die noch ganz klar auf der letzten Story aufbaut. Der Zwiespalt von Nyx wird hier endlich mal adäquat wiedergegeben, und schließlich ist auch nur dessen Lösung das nötige Element, um die Serie und die durchgehende Handlung voranzutreiben und ihr neue Möglichkeiten zu eröffnen. Damit steht die 71 aber auch im ganz krassen Gegensatz zum direkten Vorgänger; stand dort noch die pure Anarchie über der Handlung, verfolgt die sehr nachdenkliche Nyx hier bisweilen sogar einige sehr weitsichtige, philosophische Gedanken, die schon fast wieder einen übertrieben breiten Raum einnehmen. Richtig Schwung bekommt die Story nämlich erst am Ende, als sich fragliche Dame tatsächlich in die Hölle katapultiert und somit erst so richtig in das neue Abenteuer hineinstartet – leider aber erst mal nur bis zum abschließenden Cliffhanger, welcher der Serie nun aber wieder eine weitaus mehr versprechende Zukunftsperspektive verleiht und somit die zwischenzeitlich ideenlosen Ansätze hoffentlich auch bald wieder ablösen wird.

Auch in Sachen Zeichnungen scheint sich etwas zu tun; bereits zum Ende hin wird Angel Medina von einem gewissen Nat Jones ersetzt, dessen weitaus düstererer Stil wunderbar zum neuen Leitthema passen will. Nach den farbenfrohen Skizzen Medinas erwarten den Leser nun wieder eine zeichnerisch weitaus skeptischere Grundstimmung und damit auch das, womit die „Spawn“-Reihe einst bekannt wurde. Und das ist natürlich sehr zu begrüßen.

Tja, es geht wieder bergauf, und zudem kommt merklich frischerer Wind in die Handlung hinein. In der neuen Welt werden wieder größere Entwicklungsräume geschaffen und möglicherweise auch ganz neue Charaktereigenschaften zum Tragen kommen. Aber man muss jetzt erst einmal abwarten, wie es weitergeht. Sollten die positiven Ansätze des aktuellen Sub-Plots „Hellbound“ im nächsten Band bestätigt werden, sollten „Spawn“-Fans fortan auch wieder zu einem höheren Prozentsatz auf ihre Kosten kommen. Und das war nach der zwischenzeitlichen Ernüchterung auch zwingend nötig!

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Holguin, Brian & McFarlane, Tod – Spawn 70

_Story_

New York droht im Chaos zu versinken. Nach Spawns Niederlage gegen den mächtigen Violator hat dieser in Gestalt des Clowns die ganze Stadt aufgewühlt und sie der Verwüstung ausgesetzt. Überall treiben die verschiedenen Inkarnationen der Clowns ihr Unwesen, verbreiten Schrecken und Anarchie und weihen die einst so stolze Stadt dem Untergang. Spawn ist derweil nur auf Schadensbegrenzung aus; er weiß, dass er nicht jeden einzelnen Bürger vor der drohenden Katastrophe retten kann. Doch er muss sich dem erneuten Zweikampf mit seinen maskierten Widersachern stellen, um zumindest die vielen Unschuldigen zu beschützen. Doch das ist leichter gesagt als getan …

Derweil steht Nyx zwischen den Fronten. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihre verstorbene Freundin Thea zu erlösen, und die besteht darin, Spawn an den Dämon mit den drei Narben über dem Auge zu verraten. Und da ihr alle Mittel recht sind, um diesen Herzenswunsch zu erfüllen, steht Spawn ein weiterer Rückschlag bevor.

_Meine Meinung_

Im Jubiläumsband, der 70. Ausgabe der deutschsprachigen Reihe, wird die Serie um die tausend Clowns weiter fortgesetzt, damit aber auch das Gemetzel und die vielen plumpen Kampfszenen, mit denen sich die Serie bereits seit Anbeginn der neuen Sub-Reihe herumschlägt. Überall gibt’s nur Kämpfe, Kämpfe, Kämpfe, seien es nun die etwas größer angelegten Duelle zwischen Spawn und seinen schier übermächtigen Gegnern, oder aber die Straßenfights, die sich nach dem Einbruch des Chaos in New York manifestiert haben. Nun, dem Action-Liebhaber wird’s sicher gefallen, schließlich hat Angel Medina graphisch wieder einige Leckerbissen beigesteuert, von denen selbst dieser schwache bis durchschnittliche Plot noch zehren kann. Wenn es also um die Darstellung der Schlachten und Verfolgungsjagden geht, kommen Fans wieder voll auf ihre Kosten.

Jedoch kann die Story in diesem Fall kaum mithalten, zumal hier viele wichtige Handlungseinheiten nur kurz angeschnitten werden, obwohl sie eigentlich einen größeren Rahmen verdient hätten. So zum Beispiel auch die Entscheidung von Nyx, die sich nach wie vor schwer tut, Spawn in die Parade zu fahren, der aber letztendlich kaum eine andere Wahl bleibt. Im Gegensatz zur massiven Veräußerung der Duelle zwischen Clowns und Heldenfigur Spawn kommt dieser Part irgendwie viel zu kurz, so dass die sich hieraus ergebenden Resultate als selbstverständlich hingenommen werden müssen.

Es ist einfach ein bisschen lieblos aufgebaut, dieses 70. Heftchen. Die Geschichte ist viel zu simpel, die Action trotz feiner Illustrationen und Überpräsenz nach einiger Zeit gesättigt und die Atmosphäre bei weitem nicht so beklemmend wie in vielen vorangegangenen Bänden. Im gesamten Universum des populären Action-Helden ist das fünfteilige „A Thousand Clowns“ sicherlich einer der schlechtesten Serienteile, mit diesem Band aber glücklicherweise zu Ende. Daher spare ich mir jetzt auch alles Gemeckere und schaue lieber mit Freude auf einen neuen Band und damit auf eine neue Mini-Serie voraus. Eigentlich kann es nämlich jetzt nur noch bergauf gehen …

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Hyung, Min-Woo – Priest – Band 8

[Band 1 1704
[Band 2 1705
[Band 3 1707
[Band 4 1709
[Band 5 1720
[Band 6 2515
[Band 7 2516

Nachdem Ivan Isaacs endlich wieder zur Besinnung gekommen ist und realisiert hat, dass ein Weiterleben mit seiner verstorbenen Geliebten Gena nicht mehr möglich ist, lässt er sich zunächst widerwillig, dann aber doch ohne große Gegenwehr auf einen Pakt mit Belial ein. Nur durch dieses Bündnis wird es möglich sein, den rachsüchtigen Temozarela und seine finsteren Schergen aufzuhalten und zu vernichten. Doch auf den Kopf von Isaacs sind ständig größer werdende Prämien ausgesetzt, so dass sein Rachefeldzug unter erschwerten Bedingungen stattfindet. Neben den flinken Kopfgeldjägern hat es auch Marshal Coburn auf Ivan abgesehen. Seinem Team geht es aber nicht um das Kopfgeld, sondern nur um Antworten von Ivan …

Währenddessen erforschen Lizzie und ihre Männer das Wesen Temozarelas, suchen aber gleichzeitig auch nach einem Gegenmittel für die Infektion, die Lizzie sich zugezogen hat. In ihr wächst nämlich auch langsam das Zombie-Gen heran, und sollte es ihren Freunden nicht gelingen, rechtzeitig Hilfe herbeizuholen, ist das junge Mädchen ebenso dem Tod geweiht wie vor ihr Gena …

_Meine Meinung_

Band 8 der „Priest“-Reihe steht ganz klar im Zeichen von Ivan Isaacs, der seiner Hauptrolle in dieser Manhwa-Serie nach den ganzen komplexen Zwischenfällen sowie der ausführlichen Vergangenheitsaufarbeitung wieder vollkommen gerecht werden kann. Hasserfüllt, gleichzeitig aber auch zwiegespalten, was seine zweckdienliche Verbindung mit Belial betrifft, beginnt er seinen Rachefeldzug und mutiert in Nullkommanix wieder zu der coolen abgebrühten Erscheinung, die wir zu Beginn der Geschichte kennen gelernt haben. Dementsprechend macht der ‚Horror-Cowboy‘ auch keine Kompromisse während der Kampfhandlungen und jagt seine Gegner ins Jenseits, noch bevor diese ihre üblen Ankündigungen in die Tat umsetzen können. Das Prekäre daran: Ausgerechnet die Menschen, die von Isaacs‘ Einsatz nur profitieren können und durch seine Unterstützung in naher Zukunft die eigene Haut retten könnten, widersetzen sich dem kampfeslustigen Ivan.

Die eigene Haut retten kann die verdorbene Diebin Lizzie ohne fremde Hilfe indes nicht mehr. Einige Gefährten und Priester haben sich um die Gefangene geschart und versuchen mit dem Wissen über Temozarela das Leben von Lizzie zu retten und sich selber vor der drohenden Gefahr zu schützen. Auch wenn dies hoffnungslos erscheint.

Die aktuelle Episode erzählt in zwei verschieden ablaufenden Handlungsebenen über das Schicksal der hier erkorenen Hauptpersonen Ivan und Lizzie und deren teils mageren Zukunftsaussichten. Wenn auch nur auf einem sehr oberflächlichen Level, verbindet die beide etwas, nicht zuletzt weil Lizzie und die ehemalige Geliebte Isaacs‘ eine gewisse Ähnlichkeit miteinander haben. Allerdings treffen sie in Band 8 (noch?) nicht aufeinander und lassen den Leser nur vage erahnen, inwieweit sich zwischen den beiden eine Beziehung – welcher Art auch immer – entwickeln wird.

Darüber hinaus verfolgt Autor Min-Woo Hyung eine sehr direkte Linie. Zwar wird mit der Geschichte um Lizzie ein neuer Nebenschauplatz eröffnet, doch im Großen und Ganzen lässt er die Handlung recht zügig voranschreiten und erzählt ohne größere Umschweife von der dämonischen Rückkehr des Ivan Isaacs. In diesem Sinne ist „Priest 8“ im Rahmen dieser Reihe auch vergleichsweise leichte Kost und erfüllt lediglich die Kriterien einer notwendigen Fortsetzung. Dies ist aber bitte nicht negativ zu verstehen, denn Spannung liegt zur Halbzeit der 15-bändigen Serie immer noch in erhöhtem Maße in der Luft. Und dass nicht jeder einzelne Teil den vorangegangenen übertreffen kann, ist auch klar. Daher gehen trotz reduzierter Komplexität und relativ simpler Fortschritte beim Plot nach wie vor beide Daumen steil in die Höhe!

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Mignola, Mike & Golden, Christopher & Sniegoski, Tom – Hohle Erde (B.U.A.P. 1)

Als die Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen, kurz B.U.A.P., ihre auf mysteriöse Weise verschwundene Agentin Liz Sherman aus der Gefangenschaft geheimnisvoller Mächte retten muss, steht sie plötzlich ohne eine echte Führungspersönlichkeit da. Hellboy hat die Behörde nach dem „Siegerwurm“-Einsatz verlassen und den Fischmenschen Abe Sapien, den zweiten prominenten Kopf der Gemeinschaft, damit sich selber überlassen. Der wiederum bekommt aber Unterstützung von einem neuen Gehilfen, dem deutschstämmigen Johann Kraus, der nach einer gescheiterten Seance nicht mehr in seinen Körper zurückkehren konnte und deswegen in einem fremden Körper ohne Gesicht sein Leben bestreitet. Zunächst ein wenig von seinem neuen Kollegen angewidert, begibt sich Abe gemeinsam mit ihm und seinem Freund Roger ins Innere der Erde, um dort die verschwundene Agentin zu suchen. Ein Einsatz mit Folgen …

Außerdem muss sich Abe Sapien einigen Gefahren in der Südsee stellen. Unter anderem kommt hier auch der legendäre Held Lobster Johnson wieder zum Zuge, der einem verrückten, experimentierfreudigen Professor das Handwerk legen muss.

_Meine Meinung_

|Marvel| haben es unzählige Male vorgemacht, nun lässt auch Mike Mignola lange angekündigten Versprechen Taten folgen. Die Erweiterung seines Universums um den berüchtigten Hellboy nimmt in „B.U.A.P.“ zum ersten Mal konkrete Züge an. Die Geschichten um den höllischen Mutanten schienen ausgereizt, und so gönnt dieser sich erst einmal eine Auszeit, um Abe Sapien, Roger und dem neuen Verbündeten Johan Kraus das Feld zu überlassen. Gerade der Fischmensch hatte sich aber auch in einigen vorangegangenen Comics schon zu einem echten Konkurrenten für Hellboy entwickelt und bekommt jetzt seitens des Autorenteams (neben Mignola bestehend aus Christopher Golden, Tom Sniegoski und Brian McDonald) endlich seine eigene Geschichte, mit der er aus dem gewaltigen Schatten heraustreten kann – was ihm übrigens in der ersten Erzählung, dem Namensgeber „Hohle Erde“, prima gelingt.

Dieses erste Abenteuer sticht übrigens auch sehr deutlich heraus, wohingegen die drei vergleichsweise kurzen Storys lediglich ganz nett sind, aber eben nicht ganz so intensiv begeistern wie die Suche nach der verschwundenen Liz Sherman im ersten Band. Ganz gleich, wenn Zeichner Ryan Snook in „Hohle Erde“ die wohl (bewusst) unsaubersten Skizzen beisteuert und der Handlung somit auch zwischenzeitlich eine ziemlich schaurige Atmosphäre verleiht. Der Zeichner bleibt dem Stile der „Hellboy“-Comics dabei weiterhin treu und gestaltet die Illustrationen in einer schlichten S/w-Optik, bei der es lediglich manchmal schwer fällt, die Hauptcharaktere auseinander zu halten. Abe Sapien und Johan Kraus gleichen sich nämlich von ihrer Hinterseite ziemlich stark.

Davon abgesehen, ist Snook’s Werk eine weitere Augenweide, die den sechs vorherigen Werken aus der Feder von Mignola in nichts nachsteht. Für Einsteiger mag das zwar sehr gewöhnungsbedürftig sein, Kenner werden den Stil, der sich im Groben auch durch die anderen drei Kapitel zieht, sofort zu schätzen wissen.

Hinsichtlich der Story erinnert die Hauptgeschichte stellenweise an die ersten Gehversuche im Horror-Bereich und weist bezüglich der unheimlich dichten Atmosphäre eine deutliche Vorliebe für das britische Kino der Fünfziger auf. Dies mag sicher zu einem großen Teil an den S/w-Zeichnungen liegen, wird aber auch durch die grundsätzlich beklemmende Grundstimmung des Plots gerechtfertigt, und dies in allen vier Sinneinheiten. So ist es dem Autoren- und Zeichnerteam auch fabelhaft gelungen, den unkonventionellen Ansatz der ersten „Hellboy“-Comics beizubehalten, die Geschichte aber auch ohne den wichtigsten Akteur und früheren Namensgeber überzeugend weiterzuführen. „B.U.A.P. 1: Hohle Erde“ kann nämlich definitiv für sich selber stehen und braucht nicht dringend die Vorläufer zum besseren Verständnis.

Am Ende kann man daher auch ganz klar bestätigen, dass Mike Mignola sein Ziel erreicht hat. Er hat sein eigenes Comic-Universums um einige wichtige Faktoren erweitert, wichtige Fortschritte bei der allgemeinen Weiterentwicklung seiner Charaktere erzielt und sich mit nur einem Band zahlreiche neue Möglichkeiten für weitere Fortsetzungen und auch neue Serien (Abe Sapien zum Beispiel wäre doch ein Spitzen-Titelheld) geschaffen. „B.U.A.P. 1“ ist das vollkommen überzeugende Resultat einer konsequent entwickelten, schon länger bestehenden Idee und zudem die Einleitung zu weiteren neuen Themenkomplexen. Auch ohne Hellboy gibt Mignolas neuer Comic eine verdammt gute Figur ab. Aber das überrascht sicherlich nur die wenigsten …

http://www.cross-cult.de/

Renz, Franz / Picard, Dominique – Sensations, Science & Stories Vol. 1

Wissen mittels eines Hörbuchs zu vermitteln, ist kein einfaches und ein sicherlich sehr gewagtes Unterfangen. Die Gefahr, dass hierbei eine nüchterne und rein faktische Lesung ohne jegliche Lebendigkeit entsteht, ist nämlich ziemlich groß, gerade wenn die angesprochenen Themen ihre Basis in der fernen Vergangenheit haben und hinsichtlich der Aktualität oftmals weit überholt sind.

„Sensations, Science & Stories“ verfolgt daher auch einen etwas anderen Ansatz. So werden hier auch Tatsachenberichte zu wissenschaftlichen Ereignissen wiedergegeben, dies aber zu Themen, die in den meisten TV-Wissenssendungen als ‚eher uninteressant‘ beiseite geschoben würden. Ob berechtigt oder unberechtigt – nun, das liegt im eigenen Ermessen.

Aufbauend auf den vorgegebenen Themen der beiden Autoren Dr. Franz Renz und Dominique Picard erzählt Sprecher Olaf Pessler zunächst davon, wie einst das Bier gekühlt wurde. Pessler beschreibt, wie bereits damals die alten Mönche lernten, das Bier kalt zu lagern, um so den Geschmack und den Erhalt zu sichern, und leitet nahtlos über zur Erfindung des Kühlschranks und dessen Bedeutung für die Moderne. Mit einigem Humor berichtet er auch von der tatsächlichen Motivation zum Biergenuss, die vorwiegend der eigenen Bewusstseinstimulation diente und sich erst später zugunsten des Geschmacks verschob.

In einer Überleitung schildert er die Erfindung des Sprengstoffs Nitroglycerin, dessen Eigenschaften und die davon ausgehende Gefahr bis hin zu dem Zeitpunkt, als Mittel und Wege gefunden wurden, es zu kontrollieren und im Folgenden für kommerzielle Zwecke zu nutzen. Neben Erfindern wie Alfred Nobel wirft man dabei auch anderweitig bekannte Namen wie „Frankenstein“-Autorin Mary Shelley und die Gebrüder Grimm in die Runde und erstellt dabei einige wirre, aber gar nicht mal so uninteressante Zusammenhänge. Darauf aufbauend werden weitere multifaktorielle Konstrukte aus dem Gebiet der Wissenschaft dargelegt, Sinnverbindungen hergestellt, gleichzeitig aber auch wieder Fragen aufgeworfen, in denen der Hörer nicht selten zwischen Tatsache und Fiktion zu unterscheiden versucht. Inwiefern hier eine Relation besteht, decken die Autoren bzw. der Sprecher aber nicht auf.

Eine interessante Idee bleibt eine interessante Idee, muss aber nicht zwingend Garant für eine packende Hörspielinszenierung sein. „Sensations, Science & Stories“ ist dabei aber weder das eine noch das andere Extrem, soll heißen, weder schlecht noch durchweg überzeugend. Man kann den Machern auf keinen Fall mangelnden Ideenreichtum bei der Umsetzung vorwerfen, allerdings bleibt die Wissensvermittlung trotz allem in manchen Abschnitten ein wenig dröge und kann auch von den einzelnen gespielten Rückblenden in die jeweilige Zeit nicht wirklich belebt werden. Dabei sind die angeschnittenen Themenbereiche wirklich erfrischend und eben nicht das, was man tagtäglich in vergleichbaren TV-Sendungen vorgesetzt bekommt. Insofern ist die ursprünglich 2004 eingespielte Produktion sicherlich auch eine lohnenswerte Sache für das wissbegierige Publikum – selbst wenn die meisten Zusammenhänge recht ungewöhnlich erscheinen.

Die Kehrseite besteht indes aus der fehlenden Authentizität bei den Hörspiel-Sequenzen und dem gekünstelten Getue der hier vertretenen Sprecher. Sie leben die Geschichten nicht, sondern verkaufen sie ganz genau so, als sei es nur ihr Job, sie vorzulesen. Dieses Manko war bereits bei vorangegangenen Produktionen aus dem Hause |Hörspiele Welt| festzustellen und kann auch hier – wenngleich es nicht so schwer wiegt wie meinetwegen bei „Die schwarze Stunde“ – nicht ganz abgestellt werden.

Und so bleibt die ganze Sache auch ein Für und Wider, bei der das ziemlich frische und im Grunde genommen gut durchkonstruierte Konzept überzeugt, die Leistungen der Sprecher (abgesehen von Olaf Pessler) aber weitestgehend missfallen. Wissensdurstige werden sich sicherlich über ein solches Projekt (dessen Fortsetzung noch in diesem Jahr geplant ist) freuen, echte Hörspiel-Fans hingegen werden die etwas bröckelige Aufführung wahrscheinlich nur mit Kritik bedenken. Wie gesagt, eine interessante Idee bleibt eine interessante Idee, aber leider auch nicht viel mehr.

http://www.hoerspiele-welt.de/

Carisi, Brian / Merlau, Günter – Caine – Todesengel (Folge 2)

Folge 1: [„Das Amulett von Kyan’Kor“ 2050

Heiß ersehnt, lange erwartet – endlich ist es da, das zweite Hörspiel des |Lausch|-Debüts „Caine“. In „Todesengel“ wird die Geschichte um den coolen Serienkiller jedoch auf eine Art und Weise fortgestezt, die selbst die allergrößten Erwartungen an die Serie übertrifft. Komplexer, actionreicher und noch rasanter werden die Szenen gestaltet – und damit auch das beste Hörspiel seit ewig langer Zeit veröffentlicht. Eines kann ich nämlich schon vorwegnehmen: An diesem Maßstab werden sich nachfolgende Produktionen (auch aus dem Hause |Lausch|) einigermaßen die Zähne ausbeißen!

_Story_

Caine, inzwischen ins Reich der Dunkelelfen abgekehrt, bekommt von seinen neuen Arbeitgebern den ersten Auftrag zugesteckt. Wie einst soll er für das fremde Volk den Killer mimen und dabei jetzt einen ganz dicken Fisch aus dem Weg räumen: den Mafia-Boss Moretti, der selbst mit den verfeindeten Aganoi in Verbindung steht. ALlerdings gestaltet sich die Rückkehr in den irdischen Sektor nicht so leicht wie erhofft. Caine werden nämlich die benötigten Papiere verweigert, so dass er gezwungen ist, mit anderen Lagern zu kooperieren. Hierbei bekommt Caine Unterstützung von einem weiteren Todfeind Morettis‘, dem chinesischen Mafiosi Tang. Und auch die geheimnisvolle Organisation von Collin Drake ist bemüht, mit Caine einen Deal einzugehen. Als es Caine dan tatsächlich gelingt, in die Nähe seines Opfers zu gelangen, überschlagen sich die Ereignisse; aus einem aussichtsreichen, fast schon sicheren Unterfangen entwickelt sich ein Debakel, infolge dessen Caine selber in die Flucht geschlagen wird. In letzter Sekunde kann er von seinen neuen Kumpanen gerettet werden. Erst da realisert Caine, dass seine neuen Aufträge bei weitem gefährlicher und die Gegner viel, viel mächtiger sind als noch damals vor seiner Verurteilung …

_Meine Meinung_

Das erste Hörspiel zu „Caine“ wurde im letzten Jahr bereits sehr euphorisch abgefeiert und verlieh sowohl dem Verlag als auch dem Hauptdarsteller einen gewissen Kultstatus, von dem |Lausch| auch in den nachfolgenden beiden Produktionen noch zehren konnte. Nun aber folgt die große Zerreißprobe und damit verbunden die Frage, ob man das hohe Niveau würde halten können. Doch nicht nur dies ist gelungen, sondern es hat auch eine gehörige Steigerung stattgefunden, die in wirklich allen Bereichen der Handlung auszumachen ist.

Kommen wir zunächst zum wesentlichsten Bestandteil der Geschichte, nämlich der Action. In nahezu jeder einzelnen Sekunde der knapp einstündigen Spieldauer wird hier ein Hollywood-Spektakel sondergleichen veranstaltet, denn Caine gerät im stetigen Wechsel von einer Front an die nächste und sorgt damit für das wohl waffenreichste Hörspiel, das man sich denken kann. Schusswechsel sind das A und O der Rahmenhandlung und werden seitens des Hauptakteurs auch noch mit einigen sehr coolen, flotten Sprüchen bedacht. Wenn hier nicht ein moderner James Bond geboren wurde, dann weiß ich es auch nicht.

Der nächste Punkt, die Effekte: Der zweite Teil von „Caine“ ist ein Spektakel, angetrieben von Bombast und opulenten Soundeffekten, und geradezu monströs inszeniert. In fast allen Action-Sequenzen wünscht man sich, das Hörspiel wäre in Dolby Digital erschienen, damit die ohnehin schon eindrucksvolle Wirkung der auditiven Untermalung einen noch größeren Wert bekommt. Aber alleine das hier Aufgefahrene ist schon der absolute Hammer und nimmt – ähnlich wieder Plot – Züge an, die man berechtigterweise mit Referenz-Produktionen wie „Matrix“ vergleichen muss. Kino für die Ohren!

Schließlich die Handlung: Wow! Das ist es! Ja, genau so etwas will man hören, wenn man ein modernes Hörspiel einlegt. Eine nicht zu simple Story, mächtig Action, unvorhersehbare Verläufe, abstrakte Gedankenzüge, ein stetiger Kampf zwischen Höchstgeschwindigkeit und Zeitlupentempo und Charaktere … ja, Charaktere, die mit Superlativen kaum noch zu beschreiben sind. Näher darauf einzugehen, ja überhaupt viel zu verraten wäre Unsinn. Wichtig ist nur eines: „Caine 02“ ist die nächste Trumpfkarte dieses Verlags und hievt das junge Label |Lausch| endgültig an die Spitzenposition des gespielten Thriller-Genres. Man |muss| das einfach gehört haben.

Warum also lange schwadronieren. In der Zeit, in der man diese Kritik gelesen hat, hätte man das Teil auch schon längst bestellen können. Der 9. Juni 2006 war Stichtag und vielleicht sogar der Beginn einer ganz neuen Ära im Hörspiel-Bereich. Lebendiger und actiongeladener kann man eine derartige Produktion nicht mehr gestalten – was gleichzeitig bedeutet, dass eine Steigerung undenkbar scheint. Aber Überraschungen scheinen ja die Spezialität von |Lausch| zu sein …

http://www.stevencaine.de/
http://www.merlausch.de/

Jenkins, Paul & Ramos, Humberto – Offenbarung, Die

Nach dem grauenvollen Tod seiner Eltern hat Charlie Northern jeglichen Glauben verloren. Der folgenschwere Mord hat den damals erst jugendlichen Northern mit Hass gefüllt; einen Hass, der sich vor allem gegen Dogmen, Religionen und den sturen vom Vatikan propagierten Glauben richtet. Rund 30 Jahre später sucht Charlie insgeheim noch immer nach dem Mörder seiner Eltern. Jedoch ist der Detective von Scotland Yard mittlerweile nicht mehr ganz so verbissen wie einst. Seine Karriere ist in den letzten Jahren steil bergab verlaufen, und auch sein damals noch so guter Ruf ist nur noch ein lästiger Schatten, gegen den Charlie heuer nur noch vergeblich ankämpfen kann.

Sein alter Freund Marcel LeClair glaubt aber noch an den Detective. Der vor kurzem selber zum Vatikan übergetretene Neu-Kardinal bittet Northern, einen seltsamen Mord an seinen Kollegen Richleau aufzudecken und ihn ins Zentrum der katholischen Kirche zu begleiten. Ohne weitere Bedenken stimmt Charlie zu, stellt aber schon direkt nach seiner Ankunft fest, dass er es im Vatikan tatsächlich mit höheren Mächten zu tun hat. Doch um überhaupt hinter das gewaltige Komplott und die finsteren Machenschaften zu blicken, muss Detective Northern erst einmal eine enorme persönliche Hürde überwinden: Ohne den Glauben kann er nämlich weder den Mordfall aufdecken noch überhaupt verstehen und realisieren, was sich um ihn herum abspielt. Und dies ist wahrlich umfassender, als Northern es sich je hätte vorstellen können …

_Meine Meinung_

Nun haben die Verschwörungstheorien also auch im Comic-Bereich Einzug gehalten und dem Trend der momentan angesagten Literatur endlich auch mal nachgegeben. ‚Endlich‘ in diesem Fall vor allem deswegen, weil „Die Offenbarung“ ein echter Glücksfall von einem Comic ist. Unheimlich geschickt verbindet Autor Paul Jenkins hier die grundlegende Elemente eines religiösen Psycho-Thrillers mit übersinnlicher Fiktion und bettet das Ganze schließlich in eine wendungsreiche Action-Geschichte ein, deren rasantes Tempo wirklich sehr beeindruckend ist. Mit dem Hauptakteur führt der Autor zudem eine derart lässige und coole Figur ein, dass man sich bisweilen an Filmhelden wie James Bond und dergleichen erinnert fühlt. Flotte Sprüche, großes Mundwerk und völlige Distanzlosigkeit sind die manchmal auch zweifelhaften Eigenschaften von Charlie Northern, der uns aber nichtsdestotrotz sympathisch ist, denn schließlich sind seine Aussagen bei aller verbalen Härte nicht plump. Er spricht in den Dialogen mit den geheimnisvoll agierenden Obersten des Vatikans genau das aus, was viele in der individuellen Situation denken würden, oder anders gesagt: er macht keine Unterschiede zwischen seinen verschiedenen Gesprächspartner und zeigt sich ihnen gegenüber gleichermaßen respektvoll – oder respektlos, je nachdem, wie man es jetzt sehen möchte.

Tief im Inneren ist Northern aber, mit Verlaub, ein armes Schwein, dessen traumatisierende Jugend ihn im Nachhinein zu einem Wrack hat verkommen lassen. Dabei hatte er die größten Möglichkeiten, hat sich bei Scotland Yard sogar international einen Namen gemacht, ist aber schlussendlich untergetaucht, um verspätet seine Vergangenheit zu bewältigen. Aber er ist ein Profi und in den entscheidenden Momenten zur Stelle. Ein solcher ist sein Einsatz im Vatikan, mit dem sich letzten Endes ein Kreis schließt, der vor 30 Jahren geöffnet wurde – allerdings nicht in dem Maße, wie sich Northern dies vorgestellt hätte.

All diese Eigenschaften des Hauptdarstellers macht sich Jenkins zunutze, um drumherum eine superspannende, mit vielen Überraschungen gespickte Geschichte aufzubauen, bei der es definitiv lohnt, sehr konzentriert zu lesen und den wunderbaren Zeichnungen etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In diesen finden sich nämlich beinahe genauso viele versteckte Andeutungen wie in den recht langen Sprechblasen (unter anderem auch aus der Perspektive von Northern), die später dann den Aha-Effekt auslösen und das verzwickte Puzzle zusammenfügen. „Die Offenbarung“ ist nämlich im Grunde genommen gar nicht so komplex, wie dies auf den ersten Eindruck zu sein scheint, erfordert allerdings zum direkten Verständnis etwas mehr Zuwendung als der ’normale‘ Comic. Doch dies sollte ja eigentlich kein Problem sein. Selbst die ziemlich gut ausgearbeiteten Hintergründe zur im Mittelpunkt stehenden Verschwörungstheorie sind eigentlich sehr leicht verständlich und (das darf sehr positiv bewertet werden) keinesfalls bei Dan Brown oder sonstigen bekannten Vorlagen abgekupfert. Schade ist lediglich, dass die Geschichte nach dem stetig aufgebauten Spannungsbogen ein recht schnelles, für meinen Geschmack nicht so ganz befriedigendes Ende findet und auch noch einige Fragen im Raume stehen lässt. Aber womöglich ist dies ja auch beabsichtigt, um die Geschichte in einem weiteren Buch endgültig abzuschließen.

Dennoch: „Die Offenbarung“ ist nicht nur eine absolute Augenweide, sondern auch im Bezug auf die Story ein echter Festschmaus. Viel besser hätte das Duo Jenkins & Ramos jedenfalls kaum in die zeichnerische Bearbeitung dieser Materie einsteigen können.

http://www.carlsen-comics.de/

Schätzing, Frank – Tod und Teufel

Nachdem Frank Schätzing mit [„Der Schwarm“ 731 einen wirklich genialen Bestseller verfasst und von Seiten der Presse endlich auch die Wertschätzung erhalten hat, die er schon seit längerer Zeit verdient, ist das Interesse am deutschen Erfolgsautor gewaltig. Diesem Umstand ist es nun wohl auch zu verdanken, dass Schätzings bereits hoch gelobtes Debütwerk „Tod und Teufel“ dieser Tage wieder ins Gespräch kommt. Der historische Roman, mit dem der Autor 1995 seinen Einstieg feierte, ist seit einiger Zeit auch als Hörbuch erhältlich und führt uns auf insgesamt 8 CDs zurück ins mittelalterliche Köln, genauer gesagt ins 13. Jahrhundert – und in eine Zeit, in der Verschwörungstheorien fast genauso aktuell waren wie zur Ära von Dan Brown und seinen Nachahmern.

_Story_

Köln im Jahre 1260: Erzbischof Rainald von Dassel hat die Gebeine der Heiligen Drei Könige als Beute aus dem Krieg mitgebracht und seine Heimatstadt im Nu zur Pilgerstätte für das gesamte Christentum verwandelt. Neben all den rechtschaffenen Bürgern, die gerne mehr über den historischen Fund erfahren wollen, zieht es aber auch Taugenichtse, Diebe und Betrüger nach Köln, welche die Situation gerne nutzen möchten, um sich am bunten gesellschaftlichen Treiben illegal zu bereichern.

Einer von ihnen ist Jacop, ein herzensguter Tollpatsch, der lediglich aus Armut auf unredsame Weise sein täglich Brot zusammenstiehlt. Als er eines Tages nach ein paar Äpfeln trachtet, die neben der Baustelle des gerade entstehenden Doms auf einem Baum wachsen, wird er unversehens Zeuge eines Mordes. Niemand Geringerer als der Dombaumeister Gerhard Morart wird von Unbekannten von einem Gerüst an der offenen Baustelle in den Tod gestoßen. Jacop, genannt ‚Der Fuchs‘ ist von diesem plötzlichen Ereignis derart schockiert, dass er ebenfalls stürzt und dabei direkt neben dem Sterbenden aufschlägt. Morart kann dem unfreiwilligen Zeugen mit letzter Kraft noch einige Worte zuflüstern. Dies bleibt dem Mörder jedoch nicht verborgen, der noch an Ort und Stelle Jagd auf Jacop macht, ihn aber entkommen lassen muss.
Jacop ist daraufhin ziemlich aufgedreht; von Morart hat er erfahren, dass eine große Verschwörung im Gange ist, an der höchste Gremien der Stadt beteiligt sind, und weil er dieses Wissen nicht verbergen kann, erzählt er seinen beiden Freunden Maria und Tillmann von der Tat. Deren Schicksal ist damit besiegelt: beide Eingeweihten sind kurze Zeit später tot.

‚Der Fuchs‘ gerät infolgedessen immer mehr in Bedrängnis, findet in dieser brenzligen Lage aber Zuflucht bei der Färberstochter Richmodis, die mit ihrem stets volltrunkenen Vater und ihrem Onkel, dem gebildeten Physikus Dechant Jaspar, zusammen lebt. Als diese jedoch eingreifen und Jacop beim Aufspüren der finsteren Gestalten behilflich sind, greift der Mörder des Dombaumeisters ein weiteres Mal ein und bringt das neue Gefolge in größte Gefahr. Und dabei war der erste Mord nur ein kleiner Baustein inmitten einer riesigen Verschwörung …

_Meine Meinung_

Wow, was für eine geniale Geschichte! Selbst in Zeiten, in denen besagter Dan Brown mit seinen verschiedenen rätselhaften Theorien eine Menge Staub aufwirbelt und man den Eindruck hat, dass zwischen Katharern, Gottlosen und Kreuzrittern mittlerweile alle verschwörerischen Gruppen in vergleichbaren Romanen genügend Zuspruch gefunden haben, ist „Tod und Teufel“ noch etwas Besonderes und absolut nicht minder spannend als „Illuminati“ oder das gerade wieder populäre „Sakrileg“. Die Geschichte um den verwegenen Tagedieb Jacop beginnt dabei so rasant, dass man gar nicht erst Zeit hat, sich über Ähnlichkeiten (wobei man bitte beachten sollte, dass dieses Buch vor der Brown-Ära entstanden ist) Gedanken zu machen. Recht schnell ist die Rahmenhandlung aufgebaut, und bevor man sich noch näher mit der historischen Einordnung der Ereignisse bechäftigen kann – die übrigens in diesem Fall prima recherchiert sind – liegt Jacop bereits am Boden neben dem sterbenden Dombaumeister und empfängt dessen letzte, folgenschwere Botschaft. Auch wenn Schätzing das Tempo nicht über die gesamte Dauer halten kann, ist es schon beachtlich, wie schnell es prinzipiell zu ermöglichen ist, den Leser bzw. in diesem Fall den Hörer mitten in eine prekäre Situation zu versetzen, in der man sich selber zeitweise als Teil des Protagonisten fühlt.

Jacop ist dabei nicht einmal eine wirklich besondere Figur; er hat zwar das Herz am rechten Fleck, und man verzeiht ihm auch schnell seine negativen Eigenschaften, aber er ist im Grunde genommen auch nur ein Normalbürger und damit auch kein besonderer unter vielen. Erst die unerwarteten Geschehnisse in seiner Umgebung und die seltsame Situation, in die er rasant hineingezogen wird, machen ihn zu einer Art Heldenfigur, die vom Profil her allerdings gar nicht als solche taugt. Schließlich ist Jacop als Person ein wenig trottelig und auch wegen seiner Statur nicht aus dem Stoff, aus dem Helden geschaffen sind. Der Ernst der Lage ändert an dieser Tatsache dann aber einiges; man fühlt sich mit dem Hauptdarsteller verbunden, nimmt Anteil an seinem unglücklichen Schicksal und wünscht ihm, schnellstmöglich Sicherheit und Geborgenheit zu finden; Dinge, die er in seinem bisherigen Leben nie hatte, nun aber nötiger braucht als je zuvor.

Die Beziehung, die man zu diesem Charakter aufbaut, bewirkt aber auch, dass man ihn irgendwann überschätzt und die Gefahr, die sich in wirklich jedweder neuen Situation für ihn ergibt, unterschätzt – was Jacop anfangs übrigens auch tut. Er ist zwar Zeuge eines Mordes, glaubt aber dennoch, dass er mit Hilfe seiner beiden Freunde vor den Auswirkungen seines Beiseins geschützt ist. Erst als der Tod ein weiteres Mal in seine Nähe tritt und ihn auch noch direkter betroffen macht, ist er sich bewusst, wie umfassend die Verschwörung ist, die ihn aus dem Nichts überrollt hat.

In erster Linie ist „Tod und Teufel“ daher auch ein historischer Thriller, jedoch mit durchaus moderner Sprache. Schätzling misst den bürgerlichen Gepflogenheiten des 13. Jahrhunderts zwar einen gewissen Wert zu, hält sich sprachlich aber selber nicht immer an die Vorgaben, die der geschichtliche Hintergrund liefert. Dies ist jedoch keine direkte Kritik, sondern eher die Feststellung, dass abseits der beschriebenen Umgebung nicht alles den tatsächlichen Begebenheiten des Jahres 1260 in Köln entspricht. Schätzing hat, wie bereits erwähnt, sehr genau recherchiert und vor allem die Geschichte der Stadt in den Vordergrund gestellt, im Bezug auf das gesellschaftliche Miteinander dann aber eher auf eine lockere Atmosphäre gesetzt. Mir persönlich gefällt dies ziemlich gut, wobei ich mir aber auch vorstellen kann, dass Geschichtsfanatiker in diesem Zusammenhang mehr Wert auf vollkommene Authentizität legen. Doch hier darf der Geschmack auch gerne verschieden sein. Allerdings können die vielen intellektuellen Wortduelle zwischen Richmodis Vater Goddert und seinem Trinkbruder Jaspar Rodenkirchen diesbezüglich wieder viele erregte Gemüter besänftigen und steigern alleine durch ihre Präsenz den Anspruch dieses hier vorgelesenen Romans noch einmal gehörig.

Letztendlich ist dem Autor so auch die richtige Mischung gelungen; „Tod und Teufel“ ist sowohl historischer Roman als auch Krimi, Verschwörungs-Thriller und Drama, je nachdem, ob man nun mehr auf die Charaktere oder den Plot als solchen blickt. Eines haben alle diese Versatzstücke aber gemeinsam: Sie tragen allesamt dazu bei, dass hier eine wunderbare Erzählung zustande gekommen ist, die zwar mittendrin ein paar dezente Längen aufweist, zum Ende hin aber (nicht zuletzt wegen der wunderbaren Atmosphäre) wieder derart Schwung aufnimmt, dass man nicht mehr von ihr ablassen kann, bis es zur entscheidenden Szene gekommen ist. Und deshalb kann ich im Fazit auch ohne schlechtes Gewissen behaupten, dass jeder, der „Sakrileg“ und „Der Schwarm“ gelesen hat und dabei auch historische Inhalte bevorzugt, dieses (Hör-)Buch lieben wird. Ganz sicher!

http://www.emons-verlag.de/

Bocquet, Jóse-Louis / Gefe, Andreas – Gesang der Generäle, Der

Der griechische Filmemacher Vassili, bekannt durch einige poltische Dokumentarfilme, mit denen er vor allem die rechte Opposition in seinem Lande anprangert, wird 1967 von der bitteren Realität eingeholt. Ein Militärputsch hat einen Machtwechsel in seiner hellenischen Heimat hervorgerufen und bewirkt, dass sich Menschen wie der kritische Regisseur in ihrem Land nicht mehr sicher fühlen können. Vassili lässt sich in Paris nieder und plant im Exil einen Spielfilm über die Missstände in Griechenland zu produzieren. Für die Rolle der Hauptdarstellerin hat er schnell die Sängerin und Schauspielerin Melina Mercouri gewonnen, eine Landsfrau Vassilis. Nun geht es gemeinsam mit seinem neuen Kollegen Jules an die Arbeit für das Projekt „Helikopter“. Doch gleichnamiger Film stürzt schon vor den Dreharbeiten ab – nicht etwa alleine wegen des brisanten politischen Inhalts, sondern wegen fehlender Antiamerikanismen. In kurzen Rückblicken erzählt der in Frankreich seither gefangene Filmemacher von seinem Schicksal im Exil und dem fehlgeschlagenen Filmprojekt.

_Meine Meinung_

„Der Gesang der Generäle“ ist mal ein gänzlich anderer Comic. Einmal ganz davon abgesehen, dass politische Themen in Comics (wenn überhaupt) zumeist recht oberflächlich am Rande behandelt wurden, ist die beklemmende Atmosphäre, die hier in der Luft liegt, ein absolutes Novum, gerade deshalb aber auch sehr interessant. Action-Fans sollten sich daher bereits im Vorfeld Gedanken machen, ob sich „Der Gesang der Generäle“ für sie lohnt, denn die dramatische Geschichte um den ausgewanderten Filmemacher Vassili erfordert eine weitaus gründlichere Auseinandersetzung als der normale Standard-Comic – wobei dies für beide Seiten bitte nicht als Vorwurf verstanden werden soll!

Wichtig für all dies ist jedoch auch eine kurze Aufarbeitung des geschichtlichen Hintergrunds, der jedoch schon relativ ausführlich im Anschluss an den Epilog dieses Comic-Romans beleuchtet wird. Seit Ende des zweiten Weltkriegs war die Lage auf der Halbinsel mehr als kritisch, so dass mehrere kleine Bürgerkriege das Land erschütterten. Und mit dem Tod des Königs nahmen die Dinge schließlich ihren Lauf, der Kommunismus konnte kaum noch gestoppt werden und schließlich, im Jahre 1967, folgte der erste Militärputsch, dessen Folgen noch jahrelang in Griechenland zu spüren waren.

Nun, dies alles auf knapp 70 Seiten Comic aufzuarbeiten, ist natürlich ein schier unmögliches Unterfangen; ein gewisses Hintergrundwissen ist also dringend vonnöten, um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Doch sollte ein Comic nicht eigentlich nur unterhaltsam sein? Ja, richtig, das sollte es, und zweifelsohne bietet „Der Gesang der Generäle“ auch echt gute Unterhaltung, nur eben auf einem etwas anspruchsvolleren, intellektuellen Niveau.

Im Vordergrund der Story steht der alternativ eingestellte Vassili, ein Visionär sondergleichen, der in seinen bisherigen Werken noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Als treibende intellektuelle Kraft einer politischen Gegenbewegung hat er in den vergangenen Monaten und vor allem mit seinem letzten Film große Wellen losgetreten und sogar eine bekennende Anhängerschaft gewonnen, die seinen Mut und seinen Idealismus mit höchstem Respekt belohnte. Doch nun ist er selber machtlos und muss außerhalb der Heimat im Exil gegen Hürden kämpfen, die er alleine nicht besiegen kann. Alles würde er für die Kunst geben, doch es ist ihm nicht gegeben, sein wohl gewaltigstes Projekt, den Film „Helikopter“, zu produzieren, und dies wegen vergleichsweise lächerlicher Gründe.

In den Rückblicken erzählt Vassili von den Gräueln der Militärjunta, den wahnsinnigen Foltermethoden der Griechen (der Name „Helikopter“ hat zum Beispiel auch einen sehr grausamen Hintergrund) und den verbitterten Gefühlen der griechischen Menschen, die im Exil gefangen sind und in ihrer Heimat kein echtes Zuhause mehr haben. Dabei kommen Geschichten zutage, die absolut abschreckend sind, von Bocquet aber derart authentisch wiedergegeben werden, dass eine Aufarbeitung realistischer Begebenheiten gar nicht mal so unwahrscheinlich erscheint. Gerade die Geschichte einer jungen Frau, die für ihren Idealismus mit einem Leben im Rollstuhl bezahlen musste, geht einem unter die Haut, zeigt aber auf der anderen Seite auch das immer wieder durchblitzende Genie des Comicautors Jóse-Louis Bocquet. Er erweckt in diesem Buch eines der finstersten Kapitel der jüngeren europäischen Historie erneut zum Leben und versetzt einen tatsächlich in die Zeit der späten Sechziger, in der die ganze Welt von politischen Spannungen durchzogen war.

Unterstützt durch die fantastischen, der Atmosphäre vollkommen angepassten, dennoch aber gewöhnungsbedürftigen Zeichnungen ist so ein wahrhaft fabelhafter Comic entstanden, der trotz des unkonventionellen Materials eine vorbildiche Spannungskurven mit mehrfachen sehr überraschenden Wendungen aufweisen kann. Wer sich also schon vorher fragt, ob politische Geschichte und Comic fernab der zweifelhaften ‚Großereignisse‘ der Weltgeschichte miteinander harmonieren können, sollte sich hier schnellstens bedienen. Bocquet und sein Sidekick Andreas Gefe haben in „Der Gesang der Generäle“ astreine Arbeit geleistet, und dies in der Konstellation hoffentlich nicht zum letzten Mal!

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