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Laymon, Richard – Treffen, Das

Seit dem College sind Abilene, Helen, Finley, Vivian und Cora enge Freundinnen. Die vernünftige Abilene, die ihren Doktor in Englischer Literatur macht, die pummelige, zurückhaltende Helen mit dem Horror-Tick, die burschikose Filmstudentin Virginia Finley, die alle nur bei ihrem Nachnamen nennen, die sanfte Vivian, ein gefragtes Model und die sportlich-amazonenhafte Lehrerin Cora. Nach ihrem Abschluss beschlossen sie, sich jedes Jahr für eine Woche zu treffen und etwas Aufregendes zu unternehmen.

In diesem Jahr hat Helen das Treffen organisiert. Die Freundinnen fahren in ein verlassenes Sporthotel mitten im Wald, die verrufene Totem Pole Lodge. Vor zwölf Jahren wurde hier ein Massaker angerichtet, bei dem eine Gruppe Wilder alle achtundzwanzig Gäste des Hotels bestialisch ermordete – ein Racheakt für den Tod eines Mädchens aus ihrer Familie, für den ein paar Männer aus dem Hotel verantwortlich waren. Die Freundinnen genießen gerade ein Bad im Pool, der direkt über einer Quelle errichtet wurde, als sie merken, dass sie beobachtet werden. Ein etwa siebzehnjähriger Junge flüchtet in den Wald. Kurz darauf finden die Frauen ihre Kleidung im Pool.

Trotz aller Abenteuerlust beschließen sie, den unheimlichen Ort zu verlassen – doch der Autoschlüssel aus Helens Hose ist unauffindbar. Notgedrungen übernachten sie im Wald. Als sie morgens erwachen, ist eine von ihnen verschwunden. Verzweifelt suchen die vier verbliebene Freundinnen nach ihr – und geraten bald selbst in höchste Gefahr …

Wenn sich eine Gruppe junger Frauen in einem verlassenen Haus versammelt, das einst Schauplatz eines Massakers war, erwartet man zu Recht ein Abenteuer mit mörderischen Folgen.

|Spannung trotz langer Anlaufzeit|

Es dauert eine Weile, bis sich der Roman den Titel „Thriller“ verdient, dann aber ist für Spannung gesorgt. Eine der Freundinnen verschwindet über Nacht, gerade nachdem ihnen bewusst wurde, dass sie nicht allein im Hotel waren. Der Leser darf gemeinsam mit den Protagonistinnen rätseln, welche Rolle der Junge spielt, der sie heimlich beobachtet hat, was es mit der grausamen Vergangenheit des Hotels auf sich hat, was mit der verschwundenen Freundin geschehen ist und wer von ihnen als nächstes in Gefahr gerät. Für einen originellen Kick sorgt die bizzare Gestalt von „Batty“, einem androgynen Einsiedler, den die Frauen mal für männlich und mal für weiblich halten, ein hexenhaftes Wesen mit einer makaberen Sammlung präparierter Tierkörperteile von Augäpfeln bis hin zu Knochen und offenbar im Besitz hellseherischer Fähigkeiten. Batty liefert ihnen einerseits einen brauchbaren Hinweis auf die verschwundene Freundin, bedroht sie aber andererseits mit der Schrotflinte und ist eine weitere unberechenbare Größe innerhalb der Handlung.

|Sympathische Figuren|

Bei Richard Laymons Charakterzeichnungen darf man gewöhnlich keine große Tiefe erwarten, dennoch sind ihm hier anschauliche und vor allem sympathische Protagonistinnen gelungen, deren Schicksal für zusätzliche Spannung sorgt. Helen ist schon als Teenager übergewichtig, leidet unter ihrer Unattraktivität und hat im Leben mit Männern fast nur Pech. Auf der anderen Seite ist sie der Horrorfan der Truppe, liebt alles Geisterhafte und Gruselige und ist daher auch die Initiatorin des Trips in das Hotel. In kurzen Sequenzen erfährt man über ihre unglückliche Ehe, die nur noch auf dem Papier existiert, und über die rührenden Pläne der Freundinnen, ihr beim Einschlagen in einen neuen Lebensweg zu helfen – einmal, endgültig die überflüssigen Kilos abzuwerfen und zudem, sich eine Pause von ihrem geldgierigen Ehemann zu gönnen.

Finley ist der Exot der Gruppe. Mit ihrem knabenhaften Körper, den weiten Safariklamotten, den kurzen Haaren und den frechen Sprüchen wirkt sie eher wie ein Teenagerjunge, ist jedoch gleichzeitig überraschenderweise die männerfixierteste unter den Freundinnen, stets auf der Suche nach einer neuen Affäre mit viel Sex und wenig emotionaler Bindung. Kaltschnäuzige Bemerkungen liegen ihr eher als gefühlvolle Worte, dennoch erweist sie sich als treue Kameradin, die sich mit Leib und Seele für die anderen Frauen einsetzt.

Vivian ist seit der Collegezeit die Schönheit unter den Freundinnen, bildet sich aber darauf ebenso wenig ein wie auf ihre Karriere als Model und Schauspielerin. Trotz ihres Aussehens erntet sie keinen Neid, sondern weckt vielmehr als Sensibelchen innerhalb der Clique den Beschützerinstinkt. Abilene und Cora bilden mit ihrem pragmatisch-vernünftigen Denken die soliden Grundmauern der Gruppe, gehen besonnener vor als Finley und unerschrockener als Vivian und Helen. Alle fünf sind sympathische Frauen, denen man wünscht, dass sie den Horrortrip überleben mögen.

|Ausführliche Rückblicke|

Zusätzlich interessant sind die Rückblicke in die Vergangenheit. Der Leser erfährt, wie sich die fünf zu einer Clique auf der Belmore-University zusammenschlossen, welche verwegenen Streiche sie ausheckten und was sie auf ihren früheren Trips für Abenteuer erlebten. Diese Rückblicke allerdings lassen zeitweise fast vergessen, dass es sich hier um einen Thriller handelt. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, in einem Frauenroman gelandet zu sein, der von ersten Liebeleien und witzig-albernen Collegeerlebnissen erzählt. Vor allem männliche Leser fühlen sich wahrscheinlich in diesen Phasen leicht gelangweilt, zumal es lange dauert, bis sich auch auch in der Gegenwart unheimliche Vorfälle ereignen. Der Racheakt an der strengen Rektorin etwa wird über mehrere Etappen ausgebreitet und mit Cliffhangern unterbrochen, zwar durchaus amüsant geschildert, ist aber im Verhältnis zur Gesamthandlung zu breit geraten. Ein Highlight unter den Rückblicken ist allerdings der Halloween-Ausflug der Clique, der sie ins Haus eines Fremden und zu einer schockierenden Entdeckung führt, die sie auch Jahre danach noch nicht losgelassen hat.

|Wenig Gewalt|

Sowohl die Heyne-Hardcore-Reihe als auch der Name Richard Laymon verheißen normalerweise viel explizite Gewalt jenseits der üblichen Darstellungen und des guten Geschmacks. In diesem Roman hält sich Laymon jedoch angenehm zurück. Fast 300 Seiten dauert es, bis der Leser auf die erste Leiche stößt, und ekelerregende Splattereinlagen sucht man vergebens. Ein paar brutale Szenen sind zwar vorhanden, das Maß übersteigt aber keinesfalls die in Thrillern üblichen Einlagen, sodass empfindsame Gemüter nicht zurückzuschrecken brauchen. Ebenso fehlen erfreulicherweise die unrealistischen Verhaltensweisen der Charaktere, die sich vor allem in „Rache“ und „Nacht“ teilweise wie Figuren aus einem B-Movie aufführten und unangemessene Risiken eingingen. Die Personen aus „Das Treffen“ handeln bis auf wenige Ausnahmen sehr nachvollziehbar. Wer sich an den blutrünstigen Details anderer Laymon-Romane erfreute, der wird von diesem Werk enttäuscht werden. Auf der anderen Seite ist er empfehlenswert für all jene, denen Laymon ansonsten zu harte und krasse Details liefert.

|Kaum Mankos|

Abgesehen von der langen Anlaufzeit gibt es kaum etwas zu bemängeln. Die Charaktere verhalten sich weitestgehend angenehm realistisch, auch wenn man darüber streiten kann, wie vernünftig es ist, sich heimlich in ein abgelegenes, verlassenes Hotel zu begeben in einer Zeit, in der man noch keine Handys mit sich trug. Auch leistet sich Finley manchmal in unpassenden Augenblicken sarkastisch-lockere Bemerkungen, in denen sie eigentlich noch zu sehr unter Schock stehen müsste. Etwas zu leicht abgehandelt wird ebenso eine Szene, in der die Frauen zwangsweise Blut trinken müssen und ihren Ekel sehr rasch überwinden, und der Zufall greift einmal böse ein, als sich auf der Flucht eine von ihnen auf unnötige Weise den Knöchel bricht. Dies sind aber nur Kleinigkeiten, die weder den Gesamtverlauf in Frage stellen noch lange im Gedächtnis bleiben.

_Als Fazit_ bleibt ein unterhaltsamer Thriller, der wesentlich unblutiger ist als andere Bücher des Autors. Abgesehen von kleinen Längen und einem recht behäbigen Anfang ein für Thrillerfans sehr lesenswerter Roman mit sympathischen Charakteren.

_Der Autor_ Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und ist einer der meistverkauften Horrorautoren der USA. Er studierte Englische Literatur und arbeitete unter anderem als Lehrer und Bibliothekar, ehe er sich dem Schreiben widmete. Im Jahr 2001 verstarb er überraschend früh und hinterließ eine Reihe von Romanen, die vor allem wegen ihrer schnörkellosen Brutalität von sich Reden machten. Nur ein kleiner Teil davon ist bislang auf Deutsch erhältlich. Zu seinen weiteren Werken zählen u. a. „Rache“, „Die Insel“, „Parasit“, „Im Zeichen des Bösen“ und „Vampirjäger“.

Mehr über ihn gibt es auf seiner offiziellen [Homepage]http://www.ains.net.au/~gerlach/rlaymon2.htm nachzulesen.

http://www.heyne-hardcore.de

_Richard Laymon auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Spiel“ 3491
[„Die Insel“ 2720
[„Rache“ 2507
[„Vampirjäger“ 1138
[„Nacht“ 4127

Fossum, Karin – Mord an Harriet Krohn, Der

Nach dem Tod seiner geliebten Frau Inga geht es mit Charles Olav Torp nur noch bergab. Seine Spielsucht gerät außer Kontrolle, seine Schulden werden immer höher, er verliert seine Arbeit und der Kontakt zu seiner 16-jährigen Tochter Julie friert ein. Vor allem unter der Distanz zu Julie, die selbstständig in einem Wohnheim lebt, leidet er stark. Als sich seine Spielschulden auf 200.000 Kronen belaufen und er fürchtet, von seinen Gläubigern zusammengeschlagen zu werden, fasst er einen grausigen Entschluss:

Charles sucht sich die alte Harriet Krohn als Opfer aus. Unter einem Vorwand lässt er sich abends in ihre Wohnung bitten und bedroht sie mit einem Revolver. Wider Erwarten wehrt sich die alte Frau und in Panik erschlägt er sie. Anschließend durchsucht er ihre Wohnung, findet 200.000 Kronen in bar und Silberbesteck. Auf dem Heimweg gerät er unverschuldet in einen Autozusammenstoß und flüchtet, um nicht in Tatortnähe gesehen zu werden.

Mit dem Geld bezahlt er seine Schulden, für den Erlös des Silbers kauft er einen stolzen Fuchswallach und schenkt ihn seiner reitbegeisterten Tochter, die ihr Glück kaum fassen kann. Endlich verbringt er wieder regelmäßig Zeit mit Julie, zumal er im Reitstall eine Anstellung findet. Doch die Angst, dass man seine Spur findet, nimmt kein Ende. Täglich verfolgt Charles die neuen Ermittlungen im Fall Harriet Krohn. Die wachsende Paranoia und sein Gewissen setzen ihm immer weiter zu …

Karin Fossums Krimis um Hauptkommissar Konrad Sejer zeichnen sich stets durch einen besonderen Fokus auf die Seelenzustände der Figuren und psychologische Tiefe aus. Bei wohl keinem anderen ihrer Romane trifft dies stärker zu als beim „Mord an Harriet Krohn“.

|Lupenreiner Whydunnit|

Von Beginn an ist der Leser über den Täter im Bilde. Er verfolgt unentwegt Charles‘ Gedankengänge, die Vorbereitungen für den Mord und die Tat selbst sowie sein anschließendes Martyrium, seine ständige Angst vor Entdeckung. In kleinen Rückblicken wird man in seine Vergangenheit geführt. Man erfährt, wie er schon während seiner Ehe allmählich auf die schiefe Bahn geriet und der Faszination des Glücksspiels erlag. Was er damals noch halbwegs unter Kontrolle halten konnte, entglitt ihm nach dem Tod seiner Frau, die seine Stütze war, vollends. Eine kleine Unterschlagung in der Firma kostet ihn den Job, seine Gläubiger drohen ihn mit Gewalt zum Zahlen zu bringen, der Kontakt zu Julie, dem einzigen Menschen, der ihm noch etwas bedeutet, reißt ab. In manchen Momenten empfindet man ansatzweise Mitleid mit Charles. Seine Vorstellung von Glück konzentriert sich auf eine liebevolle Beziehung zu seiner Tochter, nur für sie ist er bereit, buchstäblich über Leichen zu gehen. Anrührend sind die Rückblicke in Julies ersten Ausflug in einen Reitstall, ihre ersten Reitversuche auf dem Pony Snowball, ihre späteren Turniererfolge und Charles‘ Stolz auf seine Tochter, dem er mit einem eigenen Pferd endlich Ausdruck verleihen möchte. Es ist ein verzweifelter Versuch, mit dem edlen und riesigen Fuchswallach „Call me crazy“ die Liebe seiner Tochter zurückzugewinnen, und anfangs scheint diese traurige Rechnung sogar aufzugehen. Auch um Julies Willen, um die junge Frau, die tapfer den Verlust der Mutter erträgt und ihr Leben schon sehr selbstständig meistert, fühlt man sich zerrissen zwischen dem Wunsch, die beiden mögen wieder zusammenfinden, und der Abneigung gegen Charles, der für seine Tochter das Leben einer alten Frau opferte.

Dass man Charles einerseits für den Mord verabscheut und andererseits hin und wieder in Versuchung gerät, ihn wegen seines Schicksals zu bedauern, bildet einen interessanten Spannungspunkt, der den Leser fesselt – obwohl dies keiner der konventionellen Krimis ist, bei denen man den Mörder erraten muss. Dennoch bleiben genug Faktoren übrig, die bis zum Schluss ungewiss sind. Man fragt sich, ob Charles von Kommissar Sejer gefasst werden wird oder sich womöglich selber stellt, ob seine Tochter, bei der der plötzliche Geldsegen natürlich Misstrauen erweckt, hinter die schreckliche Tat kommt, oder ob Charles sogar zusammenbricht und aus Verzweiflung Selbstmord begeht – denn seine verständliche Sorge vor Entdeckung wandeln sich nach und nach in eine ausgewachsene Paranoia. Plötzlich fürchtet Charles an jeder Ecke, entlarvt zu werden. Irgendjemand könnte ihn wider Erwarten beobachtet haben, sein Aussehen ist vielleicht doch nicht so unauffällig und durchschnittlich, wie er glaubt, der Verursacher des Autounfalls könnte ihn identifizieren, nachdem bekannt wurde, dass ganz in der Nähe kurz zuvor ein Mord verübt wurde. Sein sorgfältig ausgearbeiteter Plan bricht in sich zusammen, kleine Patzer und Risiken häufen sich. Charles‘ Leben ist eine einzige Lüge, die Belastung hinterlässt schließlich auch körperliche Spuren. Karin Fossum zeichnet das gelungene Porträt eines Mörders, der sich selber vor allem als Opfer widriger Umstände sieht, und schafft dadurch eine unkonventionelle Krimi-Basis.

|Kleine Schwächen|

Im Gegensatz zu anderen Werken der Autorin taucht der ermittelnde Kommissar Sejer hier nur am Rande auf. Wer die Reihe also vorwiegend wegen seiner Person verfolgt, wird in diesem Band sicher zunächst leicht enttäuscht werden. Bis auf ein paar wenige Begegnungen mit dem Kommissar lebt der Roman alleine durch die Präsenz von Charles. Das ist schade, da Konrad Sejer ein sehr sympathischer und interessanter Ermittler ist. Andere Romane der Reihe gewähren Einblick in sein Gefühlsleben, das vor allem von Einsamkeit geprägt ist nach dem Krebstod seiner Frau, ohne dabei die Krimihandlung zu verdrängen.

Gewöhnungsbedürftig ist auch der Stil des Buches. Karin Fossum neigt grundsätzlich zu einem parataktischen Stil, es dominieren die Hauptsätze, die sich oft anstelle eines Nebensatzes aneinanderreihen. Dies passt natürlich ideal zu den inneren Monologen von Charles, zu seinen sprunghaften Gedanken, die mit vielen Assoziationen durchsetzt sind – aber diese Hektik verleiht dem Text nicht nur Authentizität, sondern macht ihn auch ein wenig schwerer lesbar. Es ist gewiss kein Krimi, den man zur Entspannung liest, vielmehr ruft er den Leser dazu auf, in einem Rutsch verschlungen zu werden, auch da es mühsam sein kann, sich jedesmal aufs Neue in den Stil einzulesen.

_Als Fazit_ bleibt ein interessanter Krimi aus der Kommissar-Sejer-Reihe, in dem man intensiv an der Psyche des Mörders teilnimmt. Obwohl der Täter dem Leser von Beginn an bekannt ist, kommt ausreichend Spannung auf. Nur der hektische Stil ist gewöhnungsbedürftig sowie die Tatsache, dass Kommissar Sejer deutlich weniger Auftritte in der Handlung hat als gewohnt.

_Die Autorin_ Karin Fossum wurde 1954 in Norwegen geboren. 1974 und 1978 erscheinen zwei Gedichtbände von ihr, ehe sie ihre Kinder bekam und eine schriftstellerische Pause einlegte. 1995 erschien ihr Debütroman [„Evas Auge“ 4433 mit dem Ermittler Kommissar Sejer. Es folgten sechs weitere Bände, u. a. „Fremde Blicke“, „Dunkler Schlaf“ und „Stumme Schreie“.

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Anne Fine – Schwesternliebe

So verschieden sie auch sind, die vier Schwestern Liddy, Heather, Stella und Bridie, alle um die vierzig, halten seit ihrer Kindheit zusammen wie Pech und Schwefel. Fast jedes Wochenende verbringen sie gemeinsam. Die sensible, grundehrliche Liddy ist geschieden und hat zwei kleine Kinder, Bridie ist verheiratet und engagierte Sozialarbeiterin, Heather ist der unterkühlte Single und Stella die brave Harmoniesüchtige, die in ihrem Mann Neil das perfekte Gegenstück gefunden hat. Als Liddy den netten George kennenlernt und eine Beziehung eingeht, freuen sich ihre Schwestern für ihr neues Glück.

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Ellis Kaut – Meister Eder und sein Pumuckl

Der erste Pumuckl-Band umfasst folgende Geschichten:

„Spuk in der Wekstatt“:

Der Meister Eder ist ein freundlicher älterer Herr, der seit vielen Jahren eine Schreinerwerkstatt führt. Bei den Kunden ist er für seine sorgfältige Arbeit und seine Gutmütigkeit beliebt. Ab und zu trifft er sich mit befreundeten Handwerkskollegen auf einen Stammtisch, ansonsten lebt er zurückgezogen und recht einsam. Eines Tages fällt Meister Eder auf, dass ständig Gegenstände verschwinden oder herunterfallen, obwohl er sich nicht erinnern kann, dass er sie auch nur berührt hätte. Er schiebt die Vorfälle auf seine Vergesslichkeit – bis er an einem Leimtopf einen Kobold entdeckt. Der kleine Kerl mit dem roten Wuschelkopf heißt Pumuckl und spukt seit einiger Zeit in der Werkstatt herum. Bisher war er unsichtbar, doch wenn ein Kobold an etwas hängen- oder klebenbleibt, wird er zwangsläufig sichtbar. Außerdem muss er bei dem Menschen bleiben, der ihn gesehen hat. Für Meister Eder beginnt eine aufregende Zeit mit seinem neuen Gefährten, der natürlich jede Menge Unsinn anstellt …

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Fossum, Karin – Evas Auge

Nach ihrer Scheidung leidet die alleinerziehende Eva Magnus unter Geldproblemen. Ihre Arbeit als Malerin bringt nicht viel ein, ihre kleine Tochter, das fröhliche Pummelchen Emma, soll ohne Sorgen aufwachsen. Eine zufällige Begegnung mit Jugendfreundin Maja bringt sie auf eine Idee. Die lebenslustige Maja arbeitet als Prostituierte, verdient damit gut und schlägt Eva vor, es ihr gleichzutun. Eva nutzt die Chance, bei einem Kundenbesuch im Nebenzimmer zuzuschauen und sich Einblicke in das Metier zu verschaffen. Das Treffen verläuft jedoch völlig anders als geplant und Eva wird ungewollt Zeugin eines Verbrechens …

Bald darauf werden in der norwegischen Kleinstadt Engelstad zwei Leichen gefunden, der erstochene Egil Einarsson in einem Fluss und Maja Durban, erwürgt in ihrer Wohnung. Einarsson, der Frau und Kind hinterlässt, verschwand, nachdem er angeblich seinen Wagen einem Käufer vorführen wollte. Nichts deutet darauf hin, dass sich Einarsson und Maja kannten, doch der ruhige, verwitwete Kommissar Sejer vermutet bei zwei Morden innerhalb so kurzer Zeit dennoch einen Zusammenhang.

Eva Magnus, die als Freundin der Verstorbenen befragt wird, gibt sich unwissend. Als ihre Tochter jedoch ausplaudert, dass sie und ihre Mutter die Leiche im Fluss entdeckt haben, wird Sejer misstrauisch, denn Eva hat die Polizei nicht verständigt. Nach weiteren Ermittlungen bestätigt sich sein Verdacht, dass Eva Einarsson kannte. Merkwürdig ist auch, dass Evas Geldprobleme seit kurzem abgenommen haben. Während Sejer untersucht, in welcher Verbindung Eva zu den Morden stehen könnte, wird die junge Frau bedroht. Jemand ist ihr auf den Fersen …

Eine unfreiwillige Verbrechens-Zeugin und finanzielle Verlockungen bilden die Folie für diesen Debütroman, der gleichzeitig auch das erste Buch mit dem Ermittler Kommissar Sejer ist, dem bislang noch sechs weitere folgten.

|Gelungene Charaktere|

Im Mittelpunkt steht die talentierte, aber erfolglose Malerin Eva Magnus, eine Frau mit vielen Facetten und nachvollziehbaren Schwächen, die zufällig in ein Verbrechen hineingezogen wird. Eva ist mit Leib und Seele Künstlerin. Sie lehnt Auftragsarbeiten ab und lässt sich allein von ihrer Inspiration leiten. Ihre Bilder bestehen aus schwarzen Leinwänden, in die sie mit dem Spatel helle Stellen einritzt, eigenwillige Kreationen, die nur schwer Käufer finden. Neben der Kunst sind ihr verwitweter, kranker Vater Markus und ihre kleine Tochter Emma ihre einzigen Haltepunkte im Leben. Die Rechnungen türmen sich immer höher, das Telefon wurde bereits abgestellt, Töchterlein Emmas geliebte Ausflüge zu McDonalds werden zum unerschwinglichen Luxus. Daneben plagen sie die Sorgen über ihren Vater, der aufgrund einer Gehbehinderung seine Wohnung nicht mehr verlassen kann und zunehmend schwächer wird^, sowie das deutliche Übergewicht ihrer Tochter, die bald in die Schule kommt und dort vermutlich Hänseleien ausgesetzt sein wird. Immer tiefer gerät der Leser in den trostlosen Alltag der Eva Magnus vor dem Hintergrund eines düsteren skandinavischen Herbstes. Die Tage werden kürzer, die Temperaturen immer kälter und Gleiches geschieht mit Evas Leben.

Das Wiedersehen mit Maja, der lustigen und quirligen Freundin aus Kinder- und Jugendtagen, die Eva durch einen Umzug entrissen wurde, bringt eine Wendung. Der Gedanke an Prostitution schreckt Eva ab, doch Maja ist der lebende Beweis dafür, wie schnell sich mit scheinbar einfacher Arbeit das große Geld verdienen lässt. Nur wenig fehlt noch, damit Maja ihren Traum vom kleinen Hotel in Frankreich verwirklichen und ein unabhängiges Leben führen kann. Die Versuchung ist groß für Eva, die Vorstellung gewinnt an Reiz. Was folgt, ist ein Absturz in die Tiefen eines Verbrechens und einen Strudel weiterer Abgründe, der sich von Eva nicht mehr kontrollieren lässt. Scham und Angst halten sie davon ab, der Polizei ihre Zeugenaussage abzuliefern; einerseits fürchtet sie, selber als Verdächtige zu gelten, und andererseits quält sie der Gedanke, ihre Tochter und ihr Vater könnten erfahren, dass sie mit der Idee spielte, als Prostituierte zu arbeiten.

Ein vielschichtiger Charakter ist auch Kommissar Sejer. Der große, souveräne Mann mit der ruhigen Art ist ein gewissenhafter Ermittler, dessen Argusaugen kein Detail übersehen. Beinahe beiläufig erfährt man vom Krebstod seiner geliebten Frau und seiner Einsamkeit, durch die er sich mit seinem Leonberger Kollberg hinwegtröstet. Sejer entgeht nicht, dass Eva Magnus etwas zu verbergen hat, auch wenn er nicht erraten kann, um was es sich handelt. Ihn fasziniert diese einsame Frau mit den außergewöhnlichen Bildern, die so wenig über sich preisgibt, die in ein brutales Verbrechen verwickelt zu sein scheint und gleichzeitig offensichtlich eine liebevolle Mutter ist, die für ihr Kind zu beinah jedem Opfer bereit ist.

|Spannung und Tiefe|

Es ist kein typischer Thriller oder Krimi, der den Fokus auf die Spannung legt, und doch fesselt der Roman den Leser von Anfang bis Ende. Die düstere, realistische und von Romantismen freie Atmosphäre lässt bis zum Schluss Zweifel an einem guten Ausgang. Die Protagonistin ist keine strahlende Heldin, sondern vielmehr eine Frau, deren Schwäche ihr zum Verhängnis wurde und die in einem Lügengerüst gefangen ist. Es ist nicht vorherzusehen, ob Eva von der Polizei überführt wird, ob der Mörder sie findet und ausschaltet oder ob sie einen Weg entdeckt, ihrer fatalen Situation zu entrinnen. Faszinierenderweise hofft man einerseits, dass Kommissar Sejer ihre Lügen durchschaut und ihr seine Hilfe und polizeilichen Schutz bietet – auf der anderen Seite aber versetzt man sich unwillkürlich auch in Eva hinein, die alles daransetzt, ihre Fassade aufrechtzuerhalten, und drückt ihr die Daumen. Kurz vor Ende kann der Roman zudem noch mit einer überraschenden Wendung aufwarten, die einige Dinge noch einmal in ein anderes Licht rückt.

|Kaum Schwächen|

Reizvoll und gewöhnungsbedürftig zugleich ist die Chronologie des Romans, der mit dem Fund der beiden Leichen beginnt. Erst etwa in der Mitte setzt ein detaillierter Rückblick ein, in dem aus Evas Leben vor den Morden erzählt wird. Der Klappentext allerdings geht chronologisch vor und fasst nur den Rückblick zusammen, sodass man nach seiner Lektüre schon zumindest die Umstände eines Mordes kennt. Dadurch wird die Spannung ein wenig geschmälert, was allerdings nicht dramatisch ist angesichts der Konzentration auf die psychologischen Vorgänge. Das Ende ist ein wenig zu offen gehalten; die Hauptfragen werden zwar geklärt, doch es bleibt Raum für einige Spekulationen, was das weitere Schicksal mehrer Figuren angeht.

_Fazit:_

Ein fesselnder, vielschichtiger Thriller über eine Frau, die Zeugin eines Mordes wird und zwischen die Fronten von Gesetz, Versuchung und Gewissen gerät. Obwohl durchaus spannend, liegt der Fokus auf den ausgefeilten Charakterdarstellungen. Deswegen und auch wegen der nicht chronologischen Erzählweise keine ganz leichte Lektüre, aber sehr empfehlenswert.

_Die Autorin_ Karin Fossum wurde 1954 in Norwegen geboren. 1974 und 1978 erscheinen zwei Gedichtbände von ihr, ehe sie ihre Kinder bekam und eine schriftstellerische Pause einlegte. 1995 erschien ihr Debütroman „Evas Auge“ mit dem Ermittler Kommissar Sejer. Es folgten sechs weitere Bände, u. a. „Fremde Blicke“, „Dunkler Schlaf“ und „Stumme Schreie“.

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Moehringer, J. R. – Tender Bar

Der siebenjährige JR lebt mit seiner Mutter in Manhasset auf Long Island im Haus seines Großvaters, einem meist mürrischen alten Mann, mit dem schwer auszukommen ist. JRs Mutter versucht immer wieder, sich und ihren Sohn alleine zu versorgen und auszuziehen, kehrt jedoch früher oder später aus Geldmangel zurück. Seinen Vater, einen Radio-Moderator aus New York, hat sie wegen dessen Gewalttätigkeiten bereits kurz nach seiner Geburt verlassen. JRs Vater weigert sich, Unterhalt zu zahlen und nimmt keinen Anteil an seinem Sohn. Dafür verfolgt JR seine Radiosendungen als Ersatz für die väterliche Zuwendung.

Ein wichtiger Punkt in JRs Leben ist sein Onkel Charlie. Nachdem Charlie als junger Mann durch eine Krankheit sämtliche Kopf- und Körperhaare verloren hat, zieht er sich in die Bar zurück, in der er hinter der Theke arbeitet. Im „Dickens“ treffen sich Männer, um über bei Alkohol über Frauen, Wetten, Sport und das Leben an sich zu reden. Bereits als Kind ist JR fasziniert von diesem Ort. Mit neun wird sein Traum war und er darf das „Dickens“ betreten und wird sofort von der Atmosphäre gefangen genommen. Später nimmt ihn sein Onkel regelmäßig mit seinen Kumpels zu Ausflügen an den Strand und zu Baseballspielen ins Stadion mit.

Während JRs Mutter zum Geldverdienen nach Arizona zieht, um sich endlich ein wenig Unabhängigkeit zu verschaffen, besucht er die High School und arbeitet nebenbei in einem Buchladen. Die skurrilen Betreiber, Bud und Bill, unterstützen JRs Wunsch, an der Universität von Yale zu studieren. Wider Erwarten wird JR angenommen, die Freude durch die harte Arbeit in Yale aber gedämpft. JR begegnet hier seiner ersten Liebe und dem ersten Liebeskummer. Nach dem College zieht es ihn als Journalist zur Zeitung. Und immer wieder findet er Halt im „Dickens“, wo er sein erstes Bier trinkt, sein erstes Baseballspiel sieht, Sinatra hört und die Gesellschaft der Männer sucht, die ihm wie Ersatzväter sind …

Ein Junge und kein Vater, dafür eine gemütliche Bar und ein Haufen trinkfester Männer, welche die Vaterrolle gerne übernehmen – das ist der Dreh- und Angelpunkt dieses Werkes, das in den USA wie mittlerweile auch in Deutschland gefeiert wird und bereits zu einem der am höchsten gelobten Werke des frühen Jahrhunderts aufgestiegen ist.

|Eindrucksvolle Charaktere|

JR berichtet von seinem Leben, angefangen von seiner Kinderzeit bis er Mitte zwanzig ist und New York verlässt. In kleinen Episoden erzählt er von den Menschen, die ihn auf diesem Weg umgeben. Da ist sein knurriger Opa, der sein Vermögen gekonnt hinter seinem reparaturbedürftigen Haus und schmuddeliger Kleidung verbirgt und nur selten mal Anwandlungen von Zärtlichkeit für JR zeigt, die sich ihm dafür intensiver einprägen. Da ist Onkel Charlie, ein kahlköpfiges Abbild von Humphrey Bogart, mit Sonnenbrille und Hut vermummt, der sich in Opas Haus krankhaft zurückzieht und erst abends aufblüht, wenn er seiner Arbeit im Dickens nachgeht, den Gästen vorsingt, ihnen Spitznamen verpasst und lakonische Bemerkungen abgibt.

Da ist Joey D, ein liebenswerter Riese mit Muppet-Gesicht, der seine Worte in Hochgeschwindigkeit stets an seine Brusttasche zu richten scheint, was JR als Kind zur Überzeugung bringt, dass dort eine kleine Schmusemaus wohnt, mit der er sich unterhält; der Hausmeister „Fuckembabe“, der eben jenen Ausdruck bei jeder Gelegenheit in sein Kauderwelsch einflechtet; der Vietman-Veteran Cager, der vom Schrecken des Krieges erzählt; Bob the Cop, der Polizist mit dem dunklen Geheimnis, das er JR eines Tages anvertraut, und nicht zuletzt Steve, der rotgesichtige Besitzer der Bar, der jedem Gast sein herzliches Lächeln schenkt und dem „Dickens“ sein Herzblut opfert.

JR wird früh zu einer Sympathie- und Identifikationsfigur für den Leser. Durch sein ganzes Leben zieht sich ein permanenter Wechsel von Licht und Schatten. Wünsche, Hoffnungen und Träume wechseln sich mit Erfolgen und schmerzlichen Niederlagen ab. Mit dem Studiumsplatz in Yale scheint JR zunächst das Glück gepachtet zu haben, bis er feststellt, dass er weder zu den elitären Kreisen seiner Kommilitonen gehört noch die Professoren mit seinen Arbeiten beeindrucken kann. In Yale begegnet JR der bildhübschen Sidney, einer reichen Oberschichtstochter mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, die ihn gekonnt um den Finger wickelt und ihm den Kosenamen „Trouble“ verpasst – mit Recht, denn Sidney verschafft JR den ersten ernsthaften Schmerz und Kummer in seinem Leben, und wieder ist es das Dickens mit den Männern darin, das er als Zuflucht wählt. In Yale trifft er auch auf seinen verehrten Frank Sinatra, der einen Vortrag über Kunst hält und plötzlich so viel greifbarer und menschlicher erscheint als auf Plattencovern und im Fernsehen und gleichzeitig nichts von seinem Charisma einbüßt. JRs Bewunderung für den Sänger ergibt sich fast von selbst, denn seine eigene Geschichte gleicht den melancholischen Sinatra-Songs, die von Liebe und Leid erzählen, ohne sich dabei in Selbstmitleid zu suhlen, sondern Würde und Haltung bewahren.

Mehr schlecht als recht quält sich JR durch das Studium, ohne sich darüber im Klaren zu werden, welchen Beruf er wählen soll. Schreiben möchte er, beschließt er schließlich, aber keine Gedichte oder Belletristik, sondern als Journalist arbeiten. Wieder scheint ihm das Glück zu winken, als er für ein Volontariat bei der |New York Times| genommen wird. Monatelang besteht sein Leben, abgesehen von den unvermeidlichen Ausflügen ins „Dickens“, aus Sandwichholen für die Reporter und kleinen Büroarbeiten. Seine erste Story wird ein blamabler Reinfall, der sich als Ente entpuppt, und auch in seiner Probe-Reporterzeit leistet er sich einen kapitalen Ausrutscher, der an seinem Selbstbewusstsein nagt. JR ist beileibe kein Gewinner, aber auch kein blasser Verlierer, sondern ein Kämpfer, der sich immer wieder aufrappelt, wenn alles verloren zu sein scheint.

Ein besonderes Schmankerl ist das Nachwort, in dem Moehringer eine kurze Bilanz seines Lebens nach seiner Zeit in New York zieht und den 11. September als traurigen Aufriss wählt, denn bei den Anschlägen starben auch Menschen, die er aus seiner Zeit im „Dickens“ kannte. Der Leser erfährt die weiteren Schicksale der Figuren, die er zuvor begleitet hat, manche stimmen froh, andere fanden leider kein glückliches Ende, aber in jedem Fall ist es schön zu erfahren, dass hier keine Romanfiguren, sondern echte Charaktere agierten. Erfreulich ist auch das anhängende Glossar, das die wichtigsten Namen und Anspielungen kurz erläutert, manche wie „Popey“ sicher populär genug, um nicht notwendig zu sein, andere dagegen eine nette Bereicherung.

|Kleine Längen|

„Tender Bar“ ist ein autobiographischer Roman, was in der deutschen Ausgabe, die auf die Originalbeigabe „A Memoir“ verzichtet, nicht sogleich offensichtlich ist. Moehringer gibt an, nichts als die nackte Wahrheit aufgeschrieben zu haben, sogar nur drei Namen wurden geändert, wie er im Epilog erklärt. Darin liegt einerseits der Reiz des Buches, die besondere Zusatzfreude, wenn man weiß, dass es all diese originellen Figuren tatsächlich gab und überwiegend heute noch gibt. Allerdings ist der autobiographische Stil auch dafür verantwortlich, dass „Tender Bar“ nicht frei von Längen ist. Manche Episoden sprühen vor Charme und leisem Humor, andere bewegen und berühren, aber manchmal ziehen sich belanglose Schilderungen allzu zäh über die Seiten und man wünscht, Moehringer würde der Lesefreundlichkeit zuliebe ein wenig straffen, denn nicht alle eigenen Erlebnisse sind für den Leser genauso interessant wie für den Autobiographen. Vor allem zu Beginn ist Geduld gefordert, denn Moheringer ist ein sehr gemächlicher Erzähler, der sich Zeit für seine Schilderungen nimmt, so unspektakulär sie manchmal auch daherkommen.

_Als Fazit_ bleibt ein ruhiger und bewegender autobiographischer Entwicklungsroman und zugleich eine liebevolle, nostalgisch-verklärte Hommage an die Bar, die den Erzähler von klein auf durch sein Leben begleitet. Vor allem die Vielfalt der faszinierenden Charaktere vermag zu überzeugen, ebenso wie die gelungene Mischung aus Humor und Melancholie. Kleine Abstriche gibt es für die manchmal ausufernden Abschweifungen und Längen, denen ein paar Straffungen gutgetan hätten.

_Der Autor_ J. R. Moehringer wurde 1964 in New York geboren, studierte in Yale und arbeitete als Reporter für die |Rocky Mountain News| und die |New York Times|. Heute schreibt er für die |Los Angeles Times|. 2000 wurde er für eine Reportage mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Sein autobiographisches Werk „Tender Bar“, der 2005 erschien, ist sein erster Roman.

http://www.tenderbar.com
http://www.fischerverlage.de

Danielewski, Mark Z. – Haus, Das. House of Leaves

Der junge, leichtlebige Kalifornier Johnny Truant gerät an die hinterlassenen Schriften eines verstorbenen alten Mannes namens Zampano, der im gleichen Haus wie Johnnys Kumpel Lude wohnte. Es handelt sich um eine riesige Blättersammlung, die sich mit Analysen und Interviewabschriften zu einem Dokumentarfilm mit unheimlichen Ereignissen befasst, dem „Navidson Report“. Je mehr sich Truant in diese Schriften vertieft, desto stärker wird er selber von der erschreckenden Geschichte gefangen genommen, die sich ihm darbietet.

Der Pulitzer-Preisträger Will Navidson, ein Fotograf, zieht mit seiner Freundin Karen und ihren beiden Kindern Chad und Daisy in ein altes Haus in Virginia. Die Familie erhofft sich in der ruhigen Gegend eine ländliche Idylle. Bald stellt sich heraus, dass mit dem Haus etwas nicht stimmt – denn seine Maße ergeben, dass es innen größer sein muss als außen. Das Haus scheint ein Eigenleben zu führen, es lässt Gegenstände verschwinden und verändert seine Räumlichkeiten. Navidson ruft seinen Zwillingsbruder Tom zu Hilfe und installiert Kameras, welche die Vorkommnisse dokumentieren sollen.

Wie aus dem Nichts erscheint plötzlich ein Flur, von dem niemand weiß, wohin er in die Dunkelheit führt. Navidson ist besessen von dem Gedanken, das Haus zu erforschen. Gemeinsam mit ein paar Höhlenforschern steigt er in die labyrinthische Tiefe des Korridors hinab, immer mit Kameras ausgestattet, die alles festhalten, was ihnen geschieht. Navidson und seinen Freunden steht ein Grauen bevor, das ihr aller Leben für immer verändern wird …

Ein Buch im Buch im Buch – das ist die äußerst komplexe Form, die Mark Danieleswki für seinen Kultroman, der sieben Jahre nach seinem Erscheinen in den USA nun auch in Deutschland veröffentlicht wurde, wählt. Auf (mindestens) drei Ebenen erzählt das Werk die Geschichte des Fotografen Will Navidson, zusammengestellt vom verstorbenen Zampano und überarbeitet von Johnny Truant.

|Außergewöhnliche Form|

Schon ein flüchtiges Durchblättern dieses Mammutwälzers, der trotz DIN-A-4-Format immer noch knapp 800 Seiten umfasst, zeigt, worin seine Besonderheit liegt. Es handelt sich um ein Sammelsurium verschiedener Schrifttypen und unkonventioneller Anordnungen, gespickt mit ausschweifenden Fußnoten, um den Charakter so authentisch wie möglich zu halten. Den äußeren Rahmen bildet Johnny Truants Geschichte aus der Ich-Perspektive. Er berichtet vom Fund der Schriften und kommentiert zwischendurch abschnittweise das Manuskript – und wird hin und wieder von den Herausgebern wiederum selber noch kurz kommentiert. Dem Leser werden Abhandlungen aus Interviews, Briefe, Zitate aus Sekundärliteratur und Zeitungsartikel präsentiert, fein säuberlich mit Angaben von Verfasser und Datum.

Hin und wieder stößt man auf Auslassungen im Text, die beispielsweise damit erklärt werden, dass durch Truants Verschulden manche Passagen durch Tinte geschwärzt und unleserlich wurden, oder Durchstreichungen und Korrekturen. Im Anhang sind Skizzen und Fotos beigefügt, um den Eindruck der Geschichte zu vervollständigen und sogar prominente Zeitgenossen wie Anne Rice, Stephen King, Stanley Kubrick oder Jacques Derrida melden sich angeblich zu Wort und kommentieren (fiktiv) den „Navidson-Report“, jeder in einem für sich typischen Tonfall. Erinnerungen werden wach an den Pseudo-Dokumentarfilm „Blair Witch Project“, der bei ahnungslosen Zuschauern den Eindruck einer echten Hexenjagd mit mörderischen Folgen erweckte und auch „Das Haus“ könnte uneingeweihten Lesern beinah als Tatsachenwerk verkauft werden.

|Subtiles Grauen|

Bücher über Spukhäuser gibt es zuhauf, allerdings nicht in dieser unkonventionellen Form. Wichtig ist vor allem, dass der Schrecken des Hauses und seine Ursachen hier bis zum Schluss kaum beleuchtet werden. Der Leser erfährt zwar, dass das Haus unheilvolle Veränderungen an den Menschen bewirkt und dass manch einer in seinen Tiefen verschollen bleibt, doch es gibt keine Monster, keinen greifbaren Schrecken. Es ist unklar, was das Haus eigentlich will und was es macht, was bleibt, sind die Resultate. Da ist der joviale Tom, den das Haus nach jahrelangem Kontaktabbruch wieder mit seinem Bruder zusammenführt und der seinen Einsatz für Will Navidson teuer bezahlen muss. Da ist Karen, die unter der Besessenheit ihres Freundes leidet und sich von ihm zurückzieht. Da ist der Expeditionstrupp mit dem Forscher Holloway Roberts, dem schüchternen Jed Leeder und dem abenteuerlustigen Bergsteiger Wax Hook, der zerstört wieder zurückkehrt, einer von ihnen dem Wahn verfallen und im Haus verschollen, ein anderer tot, der dritte verletzt.

Selbst Johnny Truant wird über das Manuskript hinweg in den Sog des Hauses hineingerissen. Zu Beginn ist er ein leicht abgewrackter Tattoo-Zeichner, dessen Alltag vorwiegend aus Drogen und Sex besteht. In schnodderigem Tonfall und mit grammatischen Fehlern durchflochten erzählt er sein halbseidenes Leben, das durch den Manuskriptfund auf den Kopf gestellt wird. Vor allem das Ende mit den angefügten Briefen von Johnnys Mutter, aber auch Johnnys seitenweise Abschweifungen, die sich hinterher als Lügengespinst entpuppen, fordern den Leser heraus, sich seine eigene Interpretation zu bilden. Wahrheit und Fiktion fließen ineinander, weder der verstorbene Zampano noch der unstete Johnny sind zuverlässige Herausgeber und es darf munter spekuliert werden, wie viele ihrer Hinterlassenschaften erlogen oder einem wirren Verstand zuzuschreiben sind.

|Schwere Lektüre|

Man ahnt es bereits beim Anblick des Buches: Hier ist Durchhaltevermögen gefragt. Ohne Frage hat Danielewski ein anspruchsvolles Werk erschaffen, das sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt mehr als opulent geworden ist. Der Autor jongliert mit der Sprache, dass Ullysses-Fans das Herz aufgeht, bringt Mythen und visuelle Spielereien hinein, etwa Querverbindungen zur Sage von König Minos und dem Ariadnefaden oder zu geometrischen Formen angeordnete Textspalten und Rückwärtsschrift. Das Analysematerial für den Leser ist enorm, allerdings auch anstrengend zu bewältigen. Nur wenige Sequenzen sind wirklich spannend, beispielsweise wenn die Expedition im Haus in akute Gefahr gerät oder Tom sich alleine im Zelt verschanzt und tagelang nur per Funk mit seinem Bruder und Karen kommuniziert, während sein Verstand auf eine harte Probe gestellt wird. Diese Szenen können jedoch nicht die vielen Längen, die durch ausufernde Fußnoten und Johnnys Schwafeleien entstehen, ausgleichen. Will man das Buch konsequent vollständig lesen, muss man etliche Längen in Kauf nehmen, die gewiss so manchen Leser verprellen werden. „Das Haus“ ist ein Kunstwerk voller Originalität, aber alles andere als eine konsumfreudige Schöpfung. Die eigentliche Handlung lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen, und hat man sich erst einmal an die merkwürdige Form gewöhnt, verliert sich der Reiz des Buches ein wenig. Ein weiteres Manko ist das Fehlen einer durchgängigen Bezugsperson, mit der sich der Leser identifizieren kann. Weder der obsessive Navidson noch der oberflächliche, auf Sex und Drogen versessene Johnny eignen sich dazu, die restlichen Personen kommen entweder früh um oder werden nicht intensiv genug dargestellt.

_Als Fazit_ bleibt ein äußerst komplexes Werk mit mehreren Ebenen, das sich bis in ellenlange Fußnoten hinein als Dokumentation präsentiert und sich um ein Haus voller gefährlicher Mysterien dreht. Wahrheit, Lüge und Einbildung verschwimmen ineinander und öffnen den Raum für mannigfaltige Spekulationen beim Leser, zu kurz kommen allerdings Spannung und Identifizierung mit den Charakteren. Ein schwer zu konsumierendes und gleichzeitig höchst originelles Buch für geduldige Leser.

_Der Autor_ Mark Z. Danielewski, Jahrgang 1966, ist Sohn eines polnischen Filmregisseurs. Er studierte Englische Literatur in Yale und arbeitete danach im Film- und Verlagswesen. An seinem Debütwerk „Das Haus“ arbeitete er zehn Jahre lang, ehe es 2000 in den USA erschien und dort schnell zum Kultroman aufstieg. Sein zweites Buch, „Only Revolutions“, ist bisher nicht auf Deutsch erscheinen.

http://www.hobbitpresse.de
http://www.danielewski.de/

|Ergänzend dazu:|
[Bericht zur Lesung und erste Eindrücke zum Autor und seinem Werk]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=84

Patrick Redmond – Der Musterknabe

England, 1945: Die sechzehnjährige Anna Sidney erwartet ein Kind vom Soldaten Edward, der kurz nach ihrem Kennenlernen in den Krieg gezogen ist. Obwohl er Anna versprochen hat, sie danach zu heiraten, kehrt er nicht mehr zurück. Ein harter Schlag für das Mädchen, das mit 13 die Eltern bei einem Fliegerangriff verlor und jetzt bei Tante Vera und Onkel Stan lebt. Ihr Sohn Ronnie wird zu ihrem Lichtblick im Leben, den sie gegen alle widrigen Umstände behält. Während Onkel Stan ein netter, aber sehr schwacher Mann ist, terrorrisiert Vera Anna unentwegt herum. Ronnie wächst zu einem hübschen, intelligenten Jungen heran, der von Anna vergöttert wird und sie für ihr bisheriges Leid entschädigt. Niemand ahnt etwas von seinem eiskalten Charakter unter der strahlenden Fassade, auch nicht, als er Tante Vera über einen Rollschuh ins Frittierfett stolpern lässt und ihre schwere Armverbrennung wie einen Unfall aussehen lässt.

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Fielding, Joy – Träume süß, mein Mädchen

Jamie Kelloggs Leben steckt in einer handfesten Krise. Die junge Frau aus Floria hat bisher nur Pech mit Männern gehabt, eine überstürzte Ehe ging rasch in die Brüche. Auch das Verhältnis zu ihrer Schwester ist schlecht, sie ist unglücklich in ihrem Job und sie leidet immer noch unter der herrischen Erziehung ihrer kürzlich verstorbenen Mutter. Gerade hat sich herausgestellt, dass ihr neuer Freund bereits verheiratet ist. Mitten in dieser Misere lernt sie in einer Bar den charmanten Brad Fisher kennen. Bereits am ersten Abend gehen sie miteinander ins Bett. Zu Jamies ungläubiger Freude scheint Brad tatsächlich auf eine Beziehung aus zu sein.

Kurz darauf überredet Brad sie zu einer Autoreise nach Ohio. Er will dort seinen Sohn aus geschiedener Ehe treffen. Jamie lässt sich auf dieses Abenteuer ein, ohne zu ahnen, dass Brad ein mörderischer Psychopath ist. In Wahrheit hat seine Exfrau ihn verlassen, nachdem sie um ihr Leben fürchten musste, und lebt nun unter neuem Namen in Dayton, Ohio, in der Hoffnung, dass Brad sie dort nicht findet.

Währenddessen lernt Jamie auf der Autofahrt langsam die negativen Seiten ihres neuen Freundes kennen. Brad entpuppt sich zunehmend als dominant und brutal. Je näher sie ihrem Ziel kommen, desto bedrohlicher werden seine Ausfälle. Erst jetzt ahnt Jamie allmählich, worauf sie sich eingelassen hat – doch für eine Flucht ist es bereits zu spät …

Frauen in Lebenskrise sind Joy Fieldings Spezialgebiet, fast immer eingebunden in eine mörderische Bedrohung.

|Drei verwobene Schicksale|

Im Mittelpunkt stehen diesmal gleich mehrere Frauenfiguren, die zwar unterschiedliche Charaktere besitzen, aber alle eines gemeinsam haben: die unglückliche Vergangenheit, was Männer betrifft. Gut kann man nachvollziehen, dass sich Jamie vom attraktiven Brad Fisher schnell um den Finger wickeln lässt. Ihr fehlt der Halt im Leben, weder Familie noch Freunde, noch Arbeit können die deprimierende Leere füllen, und als sie per Zufall auf einmal der Ehefrau ihres neuen Liebhabers gegenübersteht, bricht auch die letzte Hoffnung auf Besserung zusammen.

Brad Fisher ist aufmerksamer als alle anderen Männer, denen sie begegnet ist. Nach der ersten gemeinsamen Nacht überrascht er sie mit Kaffee und Bagels und gibt ihr bei jeder Gelegenheit das Gefühl, eine besondere Frau zu sein. Die Fahrt nach Ohio mit ihrem geliebten Thunderbird ist ein Abenteuer, dem Jamie nicht widerstehen kann, zu groß ist die Versuchung, aus ihrem eingefahrenen Leben auszubrechen. Allerdings ist Jamie zu naiv gezeichnet. Sie ignoriert die ersten Anzeichen, dass Brad nicht der unkomplizierte Traummann ist, den sie sich erhofft hat. Gerade eine Frau mit solch schlechten Erfahrungen sollte durch seine Unberechenbarkeit gewarnt sein. Jamie erscheint weniger als erwachse Frau in den Dreißigern als vielmehr wie ein verzückter Teenager, der sich durch Oberflächlichkeiten blenden lässt. Mehr als einmal wünscht man sich, Jamie würde sich nicht ganz so stark von Brads Fassade blenden lassen und mehr auf ihren Verstand hören; ausgerechnet sie ist allerdings die Hauptfigur des Romans, der am meisten Raum gewidmet wird.

In Ohio leben derweil Emma und Lily, zwei Frauen mit einer geheimen Vergangenheit und zwei kleinen Söhnen, die zaghaft Freundschaft schließen. Emma leidet unter der ständigen Furcht, jemand könne herausfinden, dass in Wirklichkeit anders heißt, und unter den Entbehrungen ihres Sohnes. Für Dylan, wie sie ihn nun aus Sicherheitsgründen nennt, ist unverständlich, warum er von heute auf morgen sein Zuhause und seine Freunde verlassen musste, warum er seine Haare färben und auf den neuen Namen hören muss, warum er seinen Daddy nicht mehr sehen darf. Dazu kommt der steigende Druck durch das Lügengebilde, das sich Emma aufbaut und das vorm Zusammenbrechen zu bewahren zunehmend schwerer wird. Die Bekanntschaft mit Lily Rogers bedeutet eine angenehme Abwechslung, gleichzeitig aber auch Stress, da Dylan sich mehr denn je an seine Mutter klammert und immer aggressiver reagiert.

Die hübsche, leicht mollige Lily ist eine zurückhaltende Frau, die von ihrem früheren Leben nur preisgibt, dass sie verwitwet sei und sich danach sehnt, einen neuen Mann in ihrem Leben zu finden. Bei ihrer Arbeit im Fitnessstudio lernt sie den attraktiven Detektive Jeff Dawson kennen, der hinter seiner rauen Schale eine sensible Ader besitzt.

|Spannung und Wendungen|

Gleich doppelte Spannung versprechen die parallel verlaufenden Handlungsstränge in Florida und Ohio. Über Jamies Leben wird früh und umfassend informiert und auch Brads düsterer Charakter wird bereits zeitig angedeutet, sodass seine Brutalität nur für Jamie, nicht aber für für den Leser überraschend kommt. Spannend bleibt die Handlungsebene dennoch, da nicht absehbar ist, welches Ende die gefährliche Odyssee mit Brad für Jamie nehmen wird – gelingt es ihr, in einem passenden Moment zu fliehen, kann sie zumindest den Agriff auf Brads Exfrau verhindern oder wird sie gar selbst zum Opfer? Eine zusätzliche Bedrohung liegt in dem Mord, den Brad auf der Fahrt begeht. Es gelingt ihm, am Tatort Spuren zu hinterlassen, die auf Jamie als mögliche Täterin hindeuten, sodass sie nicht nur seine Gefangene ist, sondern für Außenstehende sogar als Komplizin gesehen werden kann.

Noch ungewisser ist das Schicksal von Emma und Lily. Vor allem bei Emma weiß man zwar, dass sie ein großes Geheimnis verbirgt, doch die genauen Umstände werden erst am Ende offenkundig und warten mit einer kleinen Überraschung auf. Lily hält man lange Zeit für den unauffälligsten Charakter der drei, doch ihre Rolle ist nicht weniger bedeutsam. Man darf nicht nur gespannt sein, wie das Zusammentreffen mit Brad verläuft, der sich unaufhaltsam Ohio nähert, sondern auch auf die Enthüllungen von Emmas und Lilys Vergangenheit, die man vorher höchstens erahnen kann.

|Ein paar Schwächen|

Es ist Geschmackssache, inwieweit die überraschende Wendung am Schluss der Autorin gelungen ist. Einerseits gelingt es ihr damit, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen, andererseits werden hier bewusst Informationen vorenthalten, sodass man sich als Rezipient leicht beschwindelt fühlen kann, wenn schließlich die Katze aus dem Sack gelassen wird. Das Finale im Haus einer der Frauen ist zwar spektakulär gestaltet, dafür sind die Zusammenhänge und die zeitlichen Abläufe, die alle Personen fast gleichzeitig zusammenführen, konstruiert. Letztlich wird eines der Schicksale nur sehr vage angedeutet. Sehr spät erfährt man erst die wahren Hintergründe und die weitere Entwicklung bleibt der Phantasie des Lesers überlassen; man vermisst einen kurzen Epilog oder eine kleine Andeutung in den zukünftigen Verlauf.

Cineasten wird sicher aufstoßen, dass es hier im erwähnten Filmtitel „Das Haus der Lady Alquist“ fälschlicherweise „Almquist“ heißt und dort nicht Joseph Cotton, sondern Charles Boyer die angesprochenen Rolle des Ehemannes spielte. Es bleibt offen, ob hier ein Fehler der Autorin vorliegt oder sich die Figur, die den Film erwähnt, absichtlich zum Amüsement der Leser irren soll, darauf gibt es allerdings keinen Hinweis.

Für langjährige Joy-Fielding-Leser sind gerade die Charaktere natürlich nicht mehr sonderlich originell. In fast allen Büchern stehen krisengeplagte Frauen im Vordergrund, die zerrüttete Beziehungen hinter sich haben und/oder sich durch einen neuen Mann in ihrem Leben bedroht fühlen. Je mehr man von ihren Büchern gelesen hat, desto bekannter erscheinen einem die Charakterzüge. Lange bleibt dieses Werk nicht im Gedächtnis, dafür ist es, abgesehen von einer überraschenden Wendung, zu konventionell gezeichnet und das Schema zu abgenutzt.

_Als Fazit_ bleibt ein unterhaltsamer Frauenthriller im üblichen Joy-Fielding-Schema, der ziemlich spannend ist, aber nicht lange im Gedächtnis bleibt.

_Die Autorin_ Joy Fielding, geboren 1945 in Toronto, Kanada, hatte bereits in ihrer Kindheit großes Interesse am Schreiben. Vor ihrer Karriere als Schriftstellerin studierte sie englische Literatur und arbeitete eine Weile als Schauspielerin. 1991 gelang ihr mit dem Roman „Lauf Jane, lauf“ der internationale Durchbruch. Seitdem landen ihre Frauenthriller regelmäßig auf den Spitzenpositionen der Bestsellerlisten. Weitere Werke sind u. a. „Sag Mammi goodbye“, „Ein mörderischer Sommer“, [„Schlaf nicht, wenn es dunkel wird“ 556 und „Tanz Püppchen, tanz“. Ihr aktuelles Werk ist „Nur der Tod kann dich retten“.

http://www.joyfielding.com/
http://www.randomhouse.de/goldmann/

Heitz, Markus – Kinder des Judas

Leipzig, 2006: Die Krankenschwester Theresia besitzt die Fähigkeit, den baldigen Tod anderer Menschen vorherzusehen. Sie überwacht die Sterbenden und ruft kurz vor dem Ableben die Angehörigen herbei. Für die Patienten ist sie die Seele des Krankenhauses, wie ein Engel, der Trost in den letzten Stunden spendet. Niemand ahnt, dass Sia ein Doppelleben führt. Sie ist eine scheinbar alterlose Unsterbliche, eine Vampirin, die dem Bündnis der „Kinder des Judas“ angehört und bereits über dreihundert Jahre alt ist. Neben ihrem Beruf als Krankenschwester nimmt sie an illegalen Gladiatorenspielen teil, die sie dank ihrer übermenschlichen Kräfte nie verliert. Um ihr Gewissen zu ordnen, schreibt sie ihre Geschichte auf.

Das Osmanische Reich, um 1670: Die achtjährige Jitka lebt mit ihrer Mutter im serbischen Gebiet, das von den Türken beherrscht wird. Jitkas Mutter wird nach einer Intrige von den Besatzern gefangen genommen und getötet, dem Mädchen gelingt die Flucht auf den Hof des Lehnsherren. Bald darauf nimmt ihr totgeglaubter Vater Karol sie bei sich auf, dem sie zuvor nie begegnet ist. Er ist ein edel aussehender Wissenschaftler, der eine abgelegene Mühle bewohnt. Das wissbegierige Mädchen fasst Vertrauen und wird in den folgenden Jahren von ihm unterrichtet.

Mit vierzehn Jahren erfährt Jitka, die sich nun Scylla nennt, dass ihr Vater einem Geheimbund von Forschern angehört, in den sie ebenfalls eintreten soll. Scylla muss jedoch erkennen, dass die Mitglieder nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Vampire sind – und sie selber ebenfalls. Als sie die wahren Ziele der „Kinder des Judas“ erfährt und sich von dem Bund lossagt, gerät die junge Frau in einen Zwiespalt, der sie und ihre große Liebe in höchste Gefahr bringt …

In „Ritus“ und „Sanctum“ widmete sich der Autor den Werwölfen, in „Die Kinder des Judas“ stehen Vampire auf dem Programm. Mit Vampiren verbindet man gewöhnlich schwarz gekleidete Blutsauger, die Knoblauch und Kreuze ebenso wie das Sonnenlicht meiden und nachts Jagd auf Menschen machen. Mit einigen Klischees wird hier aufgeräumt, sodass auch Vampirkenner gut unterhalten werden.

_Originelle Vampirdarstellung_

Die „Kinder des Judas“, denen Scylla angehört, distanzieren sich von den anderen vampirhaften Wesen, die wahllos über Menschen und Tiere herfallen. Die Gier nach Blut ist ihnen allen eigen, aber sie bemühen sich, diese Sucht zu unterdrücken. Wer dennoch seiner Schwäche nachgibt, zeichnet seine Opfer mit drei Kreuzen, die für die römische Zahl Dreißig stehen und an ihren verehrten Stammvater Judas erinnern, der einst für dreißig Silberlinge seinen Herrn Jesus Christus verriet. Ungewöhnlich, aber umso interessanter ist die ausgeprägte Religiosität und Christus-Verehrung der Vampire. Nicht nur, dass sie das Kreuz nicht fürchten, sie tragen es zumeist sogar selber. Judas ist in ihren Augen kein Verräter, sondern ein notwendiges Mosaikstein in der Heilsgeschichte, denn ohne sein Handeln wäre Christus nicht auferstanden – damit verfolgen die Anhänger eine gerade in der Neuzeit immer populärer gewordene Ansicht, die dennoch im ersten Moment irritiert, zumal wenn sie von Vampiren vertreten wird. Wer sich als „Judaskind“ bezeichnet, ist in Augen der ahnungslosen Bevölkerung ein Gottesverräter. Auch die Forschungen der Vampire, bei denen sie Leichname aus Friedhöfen bergen und sezieren, um anatomische und biologische Studien zu betreiben, werden missinterpretiert. Die eingelegten Körperteile stammen nach Vermutungen der Menschen von Lebenden, die grausam zu Tode gequält werden, an Forschungen mag hier niemand glauben, zu weit verbreitet ist das Bild vom menschenreißenden Vampir, der mit dem Teufel im Bund ist.

_Interessante Hauptfiguren_

Beide Erzählstränge drehen sich um Scylla, die als kleines Mädchen noch Jitka heißt, sich später nach der Rächerfigur aus der griechischen Mythologie umbenennt und im einundzwanzigsten Jahrhundert den Namen Theresia trägt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Vergangenheit. Der Leser verfolgt, wie die wissbegierige Jitka heranwächst, wie sie unter dem sorgsamen Blick ihres geheimnisvollen Vaters zu einer Gelehrten reift, deren Leben sich vorwiegend in der Bibliothek und im Labor abspielt. Furchtlos wie eine Medizinerin seziert sie bereits als junges Mädchen tote Menschen und lernt mit großer Begeisterung fremde Sprachen.

Trotzdem ist sie alles andere als eine farblose Streberin. Je älter sie wird, desto eingeengter fühlt sie sich in der abgelegenen Mühle. Daraus ergibt sich fast zwingend eine Liebelei mit dem gleichaltrigen Hirtenjungen Giure. In jugendlicher Naivität erhoffen sich die beiden eine gemeinsame Zukunft, ohne dass sie ahnen, dass Scyllas Vater diese Verbindung niemals dulden könnte. Scylla bleibt stets eine mutige Einzelkämpferin, die dennoch ihre Mühen damit hat, zwischen den Fronten zu stehen. Glaubhaft werden ihre Zwiespälte geschildert, sowohl die der jungen Frau im 17. Jahrhundert, die gerade von ihrem Vampirwesen erfahren hat, als auch die der Leipziger Krankenschwester, die immer noch mit ihrer jahrhundertealten Vergangenheit ringt.

Ein weiterer interessanter Charakter ist Scyllas Vater. Von klein auf glaubte Jitka, ein Jugendfreund ihrer Mutter, der als Soldat gefallene Radomir, sei ihr Vater gewesen, bis plötzlich Karol Illicz vor ihr steht und sie bei sich aufnimmt. Seine vornehme Kleidung samt Weißhaarperücke verwirren sie, auch seiner Angabe, dass er viele Jahre krank gewesen sei und sich daher nicht eher melden konnte, mag sie nicht recht trauen. Andererseits fühlt sie sich rasch geborgen bei ihrem noch fremden Vater, der der einzige Mensch geblieben ist, dem sie noch vertrauen kann. Je älter sie wird, desto mehr stören sie die Geheimnisse, die ihr Vater offensichtlich vor ihr bewahrt, obwohl sie gleichzeitig ahnt, dass er sie zu ihrem eigenen Schutz nicht in alle Dinge einweiht.

Eine äußerst bedrohliche Figur ist Marek, Scyllas Halbbruder, der sich ihr gegenüber zunächst charmant und ehrerbietig erweist, ehe sich herausstellt, dass er sexuelle Absichten hegt. Marek, der Scylla einst als Retter in der Not erschien, wird zu ihrem Todfeind und verfolgt seine Schwester über Jahrhunderte hinweg, bis es zur unvermeidlichen Konfrontation kommt. Die Liebesgeschichte zwischen Scylla und dem Deutschen Viktor von Schwarzhagen wird angenehm kitschfrei erzählt und tritt ohnehin erst spät im Buch in Erscheinung.

_Fokus auf Vergangenheit_

Historienfreunde kommen auf ihre Kosten dank des Erzählstranges, der zurück ins 17. Jahrhundert führt und dort größtenteils auf Gebiete des Osmanisches Reiches. Auch wenn die Kriege und die Politik der damaligen Zeit nur am Rand angesprochen werden, wird der Leser in den Aberglauben und die Lebensgewohnheiten der Menschen eingeführt. Adelige Schlösser werden ebenso zum Schauplatz wie Zigeunerwagen, und das Leben unter der türkischen Besatzung wird nicht romantisiert. Historische Personen wie der Medicus Glaser und der Obrist D’Adorno werden ebenso eingebunden wie die tatsächliche Vampirpanik 1732 in Medvegia, in der unerklärliche Todesfälle auf Vampire zurückgeführt und eine offizielle Untersuchungskommission eingeleitet wurden.

Die Sprünge in die Gegenwart fallen kürzer aus, sind aber trotz des vertrauten Terrains nicht weniger geheimnisvoll. Sia, deren Wunden sich sofort regenerieren und deren Schnelligkeit der von Menschen weit überlegen ist, tritt nachts maskiert zu illegalen Gladiatorenkämpfen an, die weltweit ausgestrahlt werden und die eine Atmosphäre morbider Faszination verbreiten.

_Wenige Schwächen_

Anzukreiden ist dem Roman in manchen Phasen eine unausgewogene Einteilung, was die Ausführlichkeit betrifft. Während viele Begebenheiten sehr detailliert geschildert werden, herrscht an anderer Stelle übertriebene Knappheit vor. Dies gilt besonders für den Teil, der Scyllas Erkenntnis folgt, dass sie eine Vampirin ist. Gleich mehrere Jahre ihres folgenden Lebens werden auf wenigen Seiten abgehandelt, ihre Entwicklung und ihr neuer Lebensstil kaum erläutert, sodass ein zu harter Sprung erfolgt. Ähnlich verläuft es kurz vor Schluss, als Scylla in wenigen Sätzen ihren Lebenslauf über gut zweihundert Jahre rekapituliert. Einmal fällt eine unrealistische Reaktion Scyllas auf, als ihr Vater gerade mit knapper Not einem tödlichen Angriff entkommen ist und sie sofort sehr nüchtern erscheint. Für empfindsame Gemüter geht es sicherlich an vielen Stellen zu blutig zu, die Kämpfe und Vampirjagden werden ohne Beschönigung formuliert, allerdings sollte jeder Phantastik-Leser ohnehin damit rechnen.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr unterhaltsamer Vampirroman, der geschickt Historie und Horror miteinander verbindet. Der Vampirmythos wird abseits Graf Draculas und der üblichen Klischees erzählt und stellt eine interessante Hauptfigur in den Mittelpunkt. Wie schon in den Werwolf-Romanen „Ritus und „Sanctum“ werden Ereignisse aus der Vergangenheit und der Gegenwart miteinander verknüpft. Negativ fallen nur einige Stellen auf, in denen im Gegensatz zur sonstigen Ausführlichkeit die Ereignisse einiger Jahre zu knapp wiedergegeben werden.

_Der Autor_ Markus Heitz, geboren 1971, studierte zunächst Germanistik und Geschichte, ehe er als freier Journalist zu arbeiten begann. 2003 gelang ihm der Durchbruch als Schriftsteller mit dem Fantasyroman „Die Zwerge“. Es folgten zwei Fortsetzungen, der vierte Teil ist für 2008 angekündigt. Weitere Werke sind u. a. die Werwolf-Romane „Ritus“ und „Sanctum“.

http://www.pakt-der-dunkelheit.de/
http://www.knaur.de/

|Markus Heitz auf Buchwurm.info:|

[Interview mit Markus Heitz]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=56
[„Schatten über Ulldart“ 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[„Trügerischer Friede“ 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[„05:58“ 1056 (Shadowrun)
[„Die Zwerge“ 2823
[„Die Zwerge“ 2941 (Hörbuch)
[„Die Rache der Zwerge“ 1958
[„Der Krieg der Zwerge“ 3074
[„Die dritte Expedition“ 2098
[„Ritus“ 2351 (Buch)
[„Ritus“ 3245 (Hörbuch)
[„Sanctum“ 2875 (Buch)
[„Sanctum“ 4143 (Hörbuch)
[„Die Mächte des Feuers“ 2997

Satterthwait, Walter – Miss Lizzie kehrt zurück

Band 1: [„Miss Lizzie“ 4269

New York, 1924: Drei Jahre sind vergangen, seit Amanda Burtons Stiefmutter mit einem Beil ermordet wurde und das Mädchen mit Hilfe ihrer Nachbarin Miss Lizzie den Fall klärte. Amanda ist inzwischen sechzehn Jahre alt. Während ihr Vater mit seiner neuen Frau Susan eine Tibetreise unternimmt und ihr Bruder William in Boston bleibt, darf Amanda den Sommer über in New York bei ihrem Onkel verbringen. Onkel John, den sie bisher nicht kannte, ist der jüngere Bruder ihres Vaters, erst Anfang dreißig, Börsenmakler, sehr attraktiv und sympathisch.

Nach ihrer Ankunft verlebt Amanda eine wunderschöne Woche im aufregenden New York. Tagsüber erkundet sie alleine die Metropole, abends taucht sie mit John ins Nachtleben ein. Am Freitagabend scheint John irgendetwas zu verstimmen, doch er spricht nicht darüber. Am nächsten Morgen findet Amanda ihn tot in der Bibliothek – erschlagen mit einem Beil.

Die geschockte Amanda ruft die Polizei. Leider gerät sie wegen der Vorgeschichte mit ihrer Stiefmutter selbst unter Verdacht. Nach quälenden Verhören holt sie endlich ein Anwalt heraus – und führt sie zu ihrer Überraschung zu ihrer alten Freundin Miss Lizzie, die extra angereist ist, um Amanda zu helfen. Nach und nach stellt sich heraus, dass John Burton kriminelle Beziehungen zur Halbwelt unterhielt. Welche Rolle spielen der Nachtclubbesitzer McFay, der Unterweltkönig Arnold Rothstein und Johns Ex-Geliebte Daphne Dale? Gemeinsam mit Miss Lizzie, dem Privatdetektiv Mr. Leibowitz, dem cleveren Anwald Mr. Lipkind, seinem farbigen Chauffeur Robert, dem mysteriösen Mr. Cutter und der Schriftstellerin Mrs. Parker sucht Amanda nach dem Mörder …

„Miss Lizzie“ war der erste Streich, in dem die berühmte Lizzie Borden, die Ende des 19. Jahrhunderts im dringenden Verdacht stand, ihre Eltern mit dem Beil erschlagen zu haben, als axtschwingende Miss Marple ermittelte. Diesem furiosen Roman folgte alsbald eine Fortsetzung, die immer noch gut unterhält, aber leider nicht an die Klasse des Vorgängers heranreicht.

_Bunte Charaktervielfalt_

Miss Lizzie ist die alte geblieben, sieht man davon ab, dass sie mittlerweile einen Stock als Gehilfe benötigt und der Kneifer mehr als modisches Accessoire geworden ist. Ansonsten ist sie so souverän und humorvoll wie eh und je. Amanda, die einst süße, naive Dreizehnjährige mit der ehrlich-offenen Art, ist zu einer jungen Dame herangewachsen, die aber immer noch recht kindlich denkt, leicht errötet und die Welt um sich herum mit Staunen betrachtet.

Auch bei den Nebenfiguren sind dem Autor einige Sympathieträger gelungen. Mr. Lipkind ist ein cleverer Anwalt, der Amanda sofort ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Mr. Leibowitz, äußerlich sehr auffällig, da er als Kind infolge einer Krankheit sämtliche Haare verlor, ist ein fähiger Ermittler und der gut aussehde Mr. Cutter, einst beim Militär beschäftigt, ist eine wunderbar mysteriös-faszinierende Gestalt. Um den ermordeten John Burton trauert man beinah ebenso wie Amanda, denn nur zu gerne hätte man noch mehr darüber gelesen, wie sie ihren Onkel bewundert und mit Herzklopfen von ihm in New Yorks Lokale ausgeführt und von allen anwesenden Frauen beneidet wird.

Natürlich hat Satterthwait neben Miss Lizzie auch wieder eine Reihe realer Personen aus den Roaring Twenties eingebracht. Dazu gehört etwa die Schriftstellerin und Kritikerin Dorothy Parker, die für ihre spitze Zunge bekannt war und heute nicht nur durch ihre Werke, sondern auch durch die Verfilmung „Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis“ immer noch populär ist. Den legendären „Cotton Club“ samt seinem Gangster-Besitzer Owney Madden, auch den gefährlichen Arnold Rothstein hat es wirklich gegeben, und in einer amüsanten Szene begegnen wir dem Hollywoodstar Mae West. Üppig und blond, lasziv und schnodderig plaudert sie mit Dorothy Parker, ehe sie mit wiegenden Hüften davonwackelt, ganz so, wie man die Ikone in Erinnerung hat.

_Vergnügliche Spannung_

Es gibt eine Menge Leute, die als Täter für den Mord an John in Frage kommen, und der Leser darf gemeinsam mit Amanda, Miss Lizzie und den anderen Rätsel raten. Die kriminalistische Handlung steht allerdings nicht so sehr im Vordergrund, die Auflösung ist nicht besonders überraschend, und zumindest wer den Mord in Auftrag gegeben hat, errät man recht bald. Interessanter sind die verwegenen Schauplätze im lasterhaften New York der Prohibitionszeit und die brenzligen Situationen, aus denen sich die findigen Ermittler hinausmanövrieren müssen.

Noch häufiger als im ersten Band fallen außerdem Andeutungen seitens Amandas über ihr späteres, sehr bewegtes Leben, sodass man sich wünscht, dass Walter Satterthwait die Reihe vielleicht ohne Miss Lizzie, die bald darauf verstarb, fortsetzt – denn Amandas Leben bietet augenscheinlich auch für die Jahrzehnte danach noch eine Fülle an Stoff.

_Schwächer als der Vorgänger_

Wie leider zu befürchten, kann dieser Roman allerdings nicht an „Miss Lizzie“ heranreichen. Zum einen fehlt die Atmosphäre aus dem ersten Band, die aus dem Kennenlernen von Miss Lizzie und Amanda erwuchs. Während die alte Dame hier eine gute Freundin ist, stand Miss Lizzie damals immerhin selber unter Mordverdacht und Amanda grübelte mehrmals darüber nach, ob sie seinerzeit wohl die Tat begangen hatte oder nicht. Dieser Zwiespalt Amandas, die Miss Lizzie einerseits vertraute und andererseits immer wieder Momente des Zweifelns erlebte, fehlt im Nachfolger; die Rollen sind zu statisch festgelegt.

Zum anderen ist der Roman mit Nebenfiguren ein wenig überladen. Während im ersten Band die Beziehung zwischen Amanda und Miss Lizzie im Vordergrund stand, mischen hier mit Dorothy Parker, Mr. Leibowitz, Mr. Cutter und dem ermordeten John Burton einige Mitspieler zu viel hinein. Dorothy Parker lebt mehr von ihrem tatsächlichen Ruf als von ihrer eher blassen Darstellung in diesem Fall, Leibowitz, Cutter und der verstorbene John allerdings sind sehr interessante Gestalten – gerade dies lenkt aber vom Verhältnis zwischen Amanda und Miss Lizzie ab, das nunmehr zu selbstverständlich wirkt. Ohne Kenntnis des Vorgängers sollte man sich ohnehin nicht an die Lektüre begeben, da der Zauber von „Miss Lizzie“ einen großen Teil dazu beiträgt, dass man so gierig auf weitere Informationen aus dem Leben der beiden verschiedenen Freundinnen lauert.

_Als Fazit_ bleibt ein unterhaltsamer und humorvoller Krimi aus dem New York der Goldenen Zwanziger, der drei Jahre nach dem Vorgänger „Miss Lizzie“ spielt. Allerdings kann der Roman nicht die Klasse des ersten Bandes erreichen, vor allem, da die Beziehung zwischen Amanda und Miss Lizzie hier nicht so sehr im Vordergrund steht. Trotzdem auf jeden Fall lesenswert.

_Der Autor_ Walter Satterthwait wurde 1946 in Philadelphia geboren und bereiste im Lauf der Jahre alle möglichen Länder. Die meiste Zeit über lebt und schreibt er in Santa Fe (New Mexico). Er schreibt vorwiegend Kriminalromane, die in den zwanziger Jahren spielen. Weitere Werke sind u. a.: „Miss Lizzie“, [„Eskapaden“, 1843 „Oscar Wilde im Wilden Westen“ und „Wand aus Glas“.

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Jack Ketchum – Beutezeit

Drei junge Paare planen eine Urlaubswoche in einem abgelegenen Ferienhaus in Maine. Die taffe Carla ist schon früher angereist und richtet das Haus her. Sie erwartet ihren neuen Freund, den Schauspieler Jim, mit dem sie eine oberflächliche Beziehung führt, ihren Exfreund Nick, dem sie immer noch freundschaftlich verbunden ist, mit dessen neuer Flamme Laura sowie ihre ruhigere Schwester Marjie mit deren neuem Partner Dan. Trotz ihrer Verschiedenheit stehen sich die beiden Schwestern sehr nah.

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Satterthwait, Walter – Miss Lizzie

Boston, 1921: Die dreizehnjährige Amanda bekommt für den Sommer eine neue Nachbarin. Die alte Miss Lizzie, eine ruhige Dame Anfang sechzig, zieht ins Haus nebenan. Jeder in der Stadt weiß, dass Lizzie Borden vor über dreißig Jahren beschuldigt wurde, ihre Eltern mit einem Beil ermorden zu haben. Lizzie wurde vom Gericht freigesprochen, doch die Täterfrage nie geklärt, sodass der Fall zu einem der berühmtesten Fälle der Kriminalgeschichte wurde.

Obwohl Amanda die Geschichte kennt, schließt sie mit Miss Lizzie Freundschaft. Die intelligente, freundliche Dame bringt ihr Kartentricks bei und die zwei verleben in aller Heimlichkeit fröhliche Nachmittagsstunden. Eines Tages jedoch erfährt Amandas zänkische Stiefmutter davon und es kommt zu einem heftigen Streit, in dem sie gegenüber Amandas älterem Bruder William handgreiflich wird. Kurz darauf findet Amanda im Haus die Leiche ihrer Stiefmutter vor – zerstückelt mit einem Beil.

Für die meisten Einwohner und auch für die Polizei ist Miss Lizzie die Hauptverdächtige. Aber auch William ist verdächtig, denn seit diese, Tag ist er verschwunden. Amandas Vater hat ebenfalls etwas zu verbergen. Kurzerhand engagiert Miss Lizzie den cleveren Anwalt Darryl Slocum und einen Privatdetektiv, die die Wahrheit herausfinden sollen. Und auch Miss Lizzie hilft tatkräftig mit …

„Lizzie Borden mit dem Beile …“ beginnt ein alter Kindervers, in dem Lizbeth A. Borden unsterblich gemacht wurde. Historische Figuren in Romane einzubauen, besitzt immer einen Reiz, bei einer geheimnisumwitterten Persönlichkeit wie Lizzie Borden ist dieser allerdings noch einmal erhöht.

|Lizzie Borden als Romanfigur|

Auch wenn der Fall Borden bereits über hundert Jahre zurückliegt, hat er im Gedächtnis der Menschen nichts von seiner makaberen Faszination verloren. Bis heute ist nicht geklärt, ob Lizzie Borden tatsächlich ihren strengen Vater und ihre Stiefmutter ermordete oder nicht. Immer noch werden Bücher über das Verbrechen verfasst und alte Ermittlungen untersucht. Motiv und Möglichkeit waren vorhanden, scheinbar war es nur das zarte Äußere der jüngferlichen Sonntagsschullehrerin, das die Geschworenen davon abhielt, ihr einen solch brutalen Mord zuzutrauen. Trotz des Freispruchs galt Lizzie Borden zeitlebens und auch heute noch bei der Bevölkerung weitgehend als schuldig, allerdings tauchen auch immer wieder kritische und begründete Gegenstimmen auf. Ein Mysterium wie die Jack-the-Ripper-Morde, das hier in geradezu genialer Weise in einen vergnüglichen Krimi eingebaut wurde.

|Gelungene Charaktere|

Miss Lizzie wird als alte, leicht untersetzte Dame mit weißem Haarknoten und stets in Trauerkleidung dargestellt. Eine sanfte Person mit Sinn für leisen Humor, eine gewiefte Kartenspielerin, mutig und charismatisch und für die dreizehnjährige Amanda Burton die beste Freundin, die sie sich in jenem Sommer wünschen kann.

Amanda, die Ich-Erzählerin, berichtet viele Jahre später von dieser Zeit und dem schlimmsten Tages ihres Lebens. Abgesehen von dem Verbrechen ist sie ein ganz normaler, entzückender Backfisch: ein linkisches Ding, das sich ganz verrucht fühlt, wenn es eine Tasse Kaffee bestellt, den älteren Bruder verehrt, bei Komplimenten errötet und bei sexuellen Anspielungen zwar die Anstößigkeit erahnt, aber nicht wirklich versteht. Bei alldem ist Amanda ungemein sympathisch, zumal sie trotz gewisser Zweifel zu ihrer neuen Freundin hält und Miss Lizzie sogar gegen ihren einstigen Schwarm verteidigt, als der über die angebliche Mörderin lästert.

Sehr gelungene Charaktere sind außerdem der flotte, stets gelassen und gut gelaunte Anwalt Darryl Slocum, in den sich die verschämte Amanda sofort verliebt, und der raubeinige, aber gutherzige Privatschnüffler Harry Boyle. Auf der Gegnerseite steht vor allem Polizeichef Da Silva, der einst im Borden-Fall ermittelte und Miss Lizzie nie verziehen hat, dass sie trotz seiner Untersuchungsergebnisse nicht verurteilt wurde.

|Humor, Spannung und ein Hauch von Ernst|

Die teilweise sehr schrulligen Charaktere, der amüsante Blickwinkel des naiven jungen Mädchens samt der entsprechenden Kommentare und die Spießigkeit des Amerikas der Zwanziger verleihen dem Roman beinahe durchgehend einen humorvollen Unterton. Dabei vergisst man aber nie, dass es sich auch um einen Krimi handelt, der in doppelter Hinsicht Spannung verspricht. Es gilt nicht nur, den Mörder von Audrey Burton zu finden, sondern genau wie Amanda ist auch der Leser neugierig darauf, ob sich Licht ins Dunkel bringen lässt bezüglich der Frage nach dem Borden-Fall. Hat Lizzie damals oder hat sie nicht und ist sie vielleicht sogar in diese neue Sache verwickelt …? Mit blutigen Beschreibungen wird zudem nicht gespart und die Gefahr weiterer Morde schwebt als Bedrohung im Raum.

Auch ein paar ruhige, melancholische Momente fließen ein, die durch den Gegensatz zum ansonsten heiteren Ton umso stärker nachwirken. Nicht zuletzt ist es auch ein Werk über das Erwachsenwerden, über das Ende der unbeschwerten Kindheit und über familieninterne Schwierigkeiten. Trotz all der Ironie und der humorvollen Dialoge findet auch eine dichte Atmosphäre Einlass, die den Zauber eines heißen Sommers voller Verwirrungen, Verlockungen und Veränderungen wiedergibt.

|Kaum Schwächen|

Von einer wirklichen Schwäche kann man in diesem hervorragenden Roman nicht reden. Dennoch erfüllt das Finale, so dramatisch es auch gestaltet ist, nicht alle Erwartungen. Hier wird ein bisschen konstruiert, um die Spannung auf die Spitze zu treiben und offenbar einen möglichst eindrucksvollen Höhepunkt zu erzielen. Das Verhalten der Polizei ist in Hinblick auf das Ende ebenfalls nicht gerade glaubwürdig. Eher scheint es, als habe man hier den Schluss mit Rücksichtnahme auf den Nachfolgeband konzipiert, der bei einer realistischeren Darstellung so nicht möglich gewesen wäre.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr humorvoller Kriminalroman um die berühmte Lizzie Borden, die sich hier im gesetzten Alter als Hobby-Detektivin betätigt, und ein sympathisches Mädchen als ironische Ich-Erzählerin. Originelle Grundidee, spannend aufbereitet, mit minimalen Mängeln.

_Der Autor_ Walter Satterthwait wurde 1946 in Philadelphia geboren und bereiste im Lauf der Jahre alle möglichen Länder. Die meiste Zeit über lebt und schreibt er in Santa Fe (New Mexico). Er schreibt vorwiegend Kriminalromane, die in den zwanziger Jahren spielen. Weitere Werke sind u. a.: „Miss Lizzie kehrt zurück“, [„Eskapaden“, 1843 „Oscar Wilde im Wilden Westen“ und „Wand aus Glas“.

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Thiesler, Sabine – Kindersammler, Der

Der zehnjährige Felix macht mit seinen Eltern Anne und Harald Urlaub in der Toskana. Eines Abends kommt er nicht vom Spielen nach Hause. Die Suche der Polizei bleibt ohne jede Spur und seine verzweifelten Eltern kehren alleine nach Deutschland zurück. Während sich Harald auf eine Affäre einlässt und sich ein neues Kind wünscht, gibt Anne über all die Jahre hinweg die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Sohn nicht auf.

Niemand ahnt, dass der Mörder zuvor bereits in Deutschland aktiv war. Wie in Italien verschwand dort regelmäßig alle drei Jahre ein kleiner Junge, doch da hier die missbrauchten Leichen gefunden wurden, zieht kein Ermittler eine Parallele. Erst zehn Jahre später, als wieder ein Junge in Deutschland ermordet wird, erkennt die Kommissarin Mareike die Zusammenhänge mit der Toskana. Seit zwanzig Jahren hofft sie auf eine heiße Spur, da der Fall ihr keine Ruhe lässt. Um ihren Verdacht zu prüfen, reist sie mit ihrer Lebensgefährtin und den adoptierten Kindern nach Italien.

Zur gleichen Zeit beschließt auch Anne, wieder in die Toscana zu fahren, um dort nach einer Antwort auf Felix‘ Verschwinden zu suchen. Gegen den Willen ihres Mannes kauft sie spontan ein malerisches, abgelegenes Anwesen, beginnt eine Romanze mit dem ausgewanderten Makler Kai und forscht weiter nach ihrem Sohn – und kommt dabei dem Täter, ohne es zu wissen, gefährlich nahe …

Thrillern über Kindermörder gelingt es besonders leicht, Aufmerksamkeit zu erregen, selten aber so intensiv wie in diesem Fall.

|Ausgefeilte Charaktere|

Ein großes Verdienst des Romans liegt in den gelungenen Charakteren. Neben dem Täter steht dabei vor allem Anne im Vordergrund, die auch nach zehn Jahren die Hoffnung nicht aufgegeben hat, eine Spur ihres verschwundenen Sohnes zu finden. Man bekommt Einblicke gewährt in das zerrüttete Leben einer Frau, die sich von ihrem Mann entfernt und ihn beim Seitensprung mit der besten Freundin erwischt und die sich schließlich selber auf die Suche nach ihrem Kind macht, auch wenn sie dafür in ein anderes Land fahren muss. Eine interessante Nebenfigur ist Allora, eine scheinbar alterlose Frau, die als Dorfmaskottchen gilt und außer ihrem erklärten Lieblingswort „Allora“, das ihr schließlich ihren Namen einbrachte, keinen Ton spricht. Die temperamentvolle Kindfrau schwebt zwischen Hysterie und Ergebenheit und ist, was lange Zeit niemand ahnt, eine wichtige Zeugin, was die verschwundenen Jungen in der Toskana angeht.

Im Gegensatz zu Anne werden die Familiengeschichten der anderen Opfer nur kurz angerissen, dennoch gelingt es der Autorin überzeugend, das Leid dieser Menschen greifbar zu machen. Vor allem der Beginn, der schildert, wie der kleine Benjamin in die Hände von Mörder Alfred fällt, ist so grausam realistisch gestaltet, dass selbst abgehärteten Thrillerlesern das Schlucken schwerfällt. Man bekommt schmerzhaft vor Augen geführt, wie man selbst aufgeklärte Kinder, die von ihren Eltern vor fremden Erwachsenen gewarnt wurden, dazu überreden kann, mit ihnen zu gehen. Gerade dadurch, dass das Martyrium des Jungen nicht bis zum Schluss ausgeführt wird, malt sich der Leser die grauenvollen Details automatisch selber aus.

|Spannung trotz bekanntem Täter|

Im Gegensatz zu den anderen Figuren ist der Leser von Beginn an darüber informiert, wer der Mörder der Kinder ist. Abwechselnd beschäftigt sich die Handlung mit seinem Leben und mit dem der anderen Seite, die aus den Familien der Opfer und den Ermittlern besteht. In Rückblicken erfährt man viele Details über Kindheit und Jugend des Mörders Alfred, welche fixen Ideen seinen Taten zugrunde liegen und erhält das Psychogramm eines Menschen, der glücklicherweise nicht nur aus Klischees besteht, was bei solchen Thrillern naheliegt. Trotzdem bleibt der Roman hochspannend, da man bis zum Schluss im Ungewissen bleibt, ob Anne oder die Ermittler den Mörder identifizieren, ob es noch weitere Opfer geben wird und was mit ihm selber geschieht.

Letztlich fragt man sich auch, welche Richtung Annes Leben nehmen wird, unabhängig von der Frage, ob sie das Verschwinden von Felix aufklärt. Denn obwohl sie sich ein Haus in der Toskana kauft und sich auf eine Affäre mit dem Makler Kai einlässt, hält sie den Kontakt zu ihrem Mann, der darauf baut, dass sie nach ein paar Monaten zurück nach Deutschland kehrt und sie schließlich auch besuchen kommt. Da selbst Anne lange Zeit nicht weiß, ob sie ihre Zukunft in Italien oder in Deutschland verbringen wird, ist der Leser erst recht ungewiss darüber, wie sich ihr Leben entwickelt. Der Roman bezieht seine Spannung nicht nur aus einer Mörderjagd, sondern auch aus der Konstellation eines Familiendramas heraus, das unter der Oberfläche sogar dominanter herrscht als der Thrillerfaktor.

|Einige Schwächen|

Dennoch ist der Roman nicht uneingeschränkt gelungen. Einmal kommt der Handlungsstrang um die Ermittlerin Mareike deutlich zu kurz. Mareike ist nicht nur Kommissarin, sondern gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Bettina und den beiden adoptierten Kindern eine interessante Figur, die später noch eine wichtige Rolle in der Handlung einnimmt. Während man bei ihrem ersten Auftauchen noch suggeriert bekommt, dass ihr Handlungsstrang nun regelmäßig zugeschalten wird, verschwindet Mareike lange Zeit in der Versenkung, weil sich alles Geschehen auf Anne und ihr Leben in der Toscana konzentriert. Vor allem in Anbetracht der Bedeutsamkeit, die Mareike und ihrer Familie am Ende zukommt, ist diese Gewichtung zu ungleichmäßig ausgefallen. Ein weiterer Punkt sind die etwas überstrapazierten Zufälle, die Anne den Weg zum Mörder weisen. Nicht nur die Augenzeugin Allora gehört dazu, sondern vor allem die zufällige Bekanntschaft, die Anne mit Alfred schließt. Dabei hätte man diesen Punkt umgehen können, indem man Hinweise auslegt, die Anne gezwungenermaßen in seine Nähe bringen, anstatt bloße Willkür anzuführen. Letzter wichtiger Punkt ist der Epilog, der sehr einfallslos und gezwungen wirkt. Im Schnellverlauf werden hier die Ereignisse von einigen Monaten durchgespult und der Schluss, der wohl überraschend sein soll, ist mehr aufgesetzt als alles andere. Das ist schade, da der gute Eindruck des Buches unter diesem zu sehr gewollten Finale leidet.

_Als Fazit_ bleibt ein bewegender Roman, der Thriller und Familiendrama gekonnt miteinander verbindet und nicht nur Lesern mit eigenen Kindern einen ob seiner Intensität schwer verdaulichen Lesestoff bietet. Das solide Psychogramm des Täters, die Spannung und die Charaktere überzeugen; allerdings schwächen ein paar konstruierte Zufälle und vor allem der Epilog den ansonsten sehr guten Gesamteindruck etwas ab. Dennoch insgesamt ein empfehlenswertes Buch, das noch einige Zeit nachwirkt.

_Die Autorin_ Sabine Thiesler studierte Germanistik und Theaterwisenschaften und arbeitete als Bühnenschauspielerin, ehe sie Schriftstellerin wurde. Neben „Der Kindersammler“ verfasste sie auch einige Theaterstücke und schrieb Drehbücher für Fernsehserien wie „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Im November erscheint ihr nächster Thriller „Hexenkind“.

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Laymon, Richard – Nacht

Die junge Alice ist mit dem reichen Pärchen Serena und Charlie befreundet und bewohnt ein Zimmer über der Garage ihres großen Hauses. Als die beiden für eine Woche in Urlaub fahren, soll Alice in der Villa, die einsam am Waldrand liegt, regelmäßig nach dem Rechten sehen. Eines Nachts, als Alice gerade das Haus verlassen will, taucht vom Wald ein nackter Mann auf, der in den Pool springt und erst flieht, als Alice ihm droht, die Polizei zu rufen.

In Wirklichkeit telefoniert sie nur mit einem Mann, der sich versehentlich verwählt hat. Da Alice selber nicht ganz unbescholten ist, kommt nicht in Frage, die Polizei einzuweihen. Stattdessen bewaffnet sie sich mit einem Wandsäbel, um sich notfalls gegen den Eindringling wehren zu können, von dessen Gefährlichkeit sie überzeugt ist.

Tatsächlich begegnet sie kurz darauf vor der Haustür einem Fremden und streckt ihn kurzerhand nieder. Doch zu ihrem Entsetzen merkt Alice, dass es sich hierbei keinesfalls um den mysteriösen Poolbesucher handelt. Jetzt muss sie nicht nur die Leiche des Unbekannten beseitigen und alle Spuren verwischen, sondern läuft immer noch Gefahr, irgendwo von dem Fremden überfallen zu werden. Alice ahnt nicht, dass die schrecklichste Nacht ihres Lebens gerade erst begonnen hat …

Das |Heyne Hardcore|-Programm – das Thriller verspricht, die an Gewalt nicht sparen – und Richard Laymon, den man auch den King of Trash nennen könnte, passen zusammen wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge, was er hier nach „Rache“, „Die Insel“ und „Das Spiel“ aufs Neue beweist.

|Durchtriebene Protagonistin|

Von Ich-Erzählern ist man meist gewohnt, dass sie eine Identifikation beim Leser auslösen, bei Alice dürfte das aber nur schwerlich der Fall sein. Schon gleich im Prolog erklärt sie, dass alle Namen im Buch geändert wurden, damit sie ohne Scheu berichten kann. Obwohl noch eine junge Frau, hat Alice schon einiges an Erfahrungen hinter sich, sowohl was Sex als auch was Gewalt und kriminelle Aktionen angeht, wie sie immer wieder andeutet. Daher reagiert sie relativ kühl angesichts der Bedrohung, verliert nicht die Nerven und lässt sich auf ein gewagtes Katz-und-Maus-Spiel mit dem Mörder ein.

In einem Laymon-Roman darf man beim Mörder kein ausgefeiltes Psychogramm oder überhaupt psychologische Tiefe erwarten. Es ist nicht wirklich wichtig, warum der Fremde mordet, sondern nur, ob er seine Opfer überwältigen kann und ob es ihn am Ende selber erwischt. Interessanter sind da schon die Figuren Judy und Murphy die später ins Spiel kommen. Judy, die Exfreundin des zufälligen Anrufers, ist ohne ihr Wissen für Alice eine unliebsame Zeugin. Die beiden jungen Frauen schließen Freundschaft, ohne dass Judy ahnt, dass Alice plant, sie zu beseitigen – wobei Alice sich plötzlich nicht mehr sicher ist, ob sie die Tat wirklich durchziehen kann. Murphy ist der Hausmeister der Wohnung des Toten, den Alice mit dem Eindringling verwechselte. Der nette Mann, der in seiner Freizeit als Krimiautor arbeitet, ist ihr mindestens ebenso sympathisch wie Judy, stellt aber ebenfalls einen Gefahrenfaktor für sie dar, weil er mehr über Alice weiß, als ihr lieb sein kann.

|Unvorhersehbare Handlung|

Auf gleich mehreren Ebenen wird für Spannung gesorgt. Einmal fragt sich der Leser, welche Figuren alle ihr Leben lassen müssen. Richard Laymon ist bekannt dafür, keine Gnade mit seinen Charakteren zu kennen, sodass ein glückliches Ende absolut nicht gewährleistet ist. Dass Alice überlebt, weiß man, da sie die Ich-Erzählerin ist, ansonsten aber kann jede der Figuren ohne Weiteres sterben. Auch der eher unsympathische Charakter von Alice sorgt für Spannung, da man nur nach und nach Bruchstücke aus ihrer bewegten Vergangenheit erfährt. Ebenfalls unsicher ist man ständig, ob sie selber zur Mörderin wird und sich unliebsamer Zeugen entledigt oder ob doch ihr Gewissen die Oberhand gewinnt. Dazu kommt die Frage ob sie für die versehentliche Tötung des Fremden, den sie für den Eindringling hielt, zur Verantwortung gezogen wird, oder ob es ihr gelingt, alle Spuren zu vertuschen.

|Sex, Gewalt und Trash im Übermaß|

Laymon ist kein Freund von dezenten Worten, und zartbesaitete Seelen sollten sich den Roman gar nicht erst vornehmen. Es werden grausame Morde verübt, Leichen zerstückelt, Frauen vergewaltigt und ein Kannibale mischt auch noch mit. Die Beschreibungen sind zwar nicht sehr ausführlich, kein detailreicher Splatter, reichen aber schon über das bei Thrillern übliche Maß hinaus. Das allein wäre noch nicht schlimm, nur leider übertreibt er es auch mit den unrealistischen Sequenzen, die an trashige B-Movies erinnern. Alice handelt, selbst in Anbetracht ihrer kriminellen Energie, zu abgebrüht. Zwar kommen ihr zwischendurch immer wieder ängstliche Gedanken, aber sie geht überwiegend gelassen und kaltblütig an die Aufgaben, etwa wenn es um das Beseitigen einer Leiche geht oder sie versucht, den irren Mörder zu täuschen und ihm Gefälligkeit vorspielt. Da fällt es dem Leser schon schwer, sich in sie hineinzuversetzen.

Der Gipfel ist erreicht, als sie Murphy für Geld Details aus ihrem brisanten Leben verraten will, die diesen für einen Roman inspirieren sollen – und als Sicherheit, damit er sie nicht an die Polizei verrät, ihn eine Vergewaltigung vortäuschen lässt. Unklar bleibt, wie sie diese „Vergewaltigung“ nachweisen will, falls Murphy Wochen oder Monate später zur Polizei gehen sollte, und unrealistisch ist auch, dass er so bereitwillig ein paar tausend Dollar für diese Informationen ausgeben sollte, obwohl er Alice kaum kennt und nicht gerade reich ist.

_Fazit:_

Ein typischer Laymon-Roman mit viel Sex und Gewalt für hartgesottene Thriller- und Horrorfans. Die unvorhersehbare Handlung sorgt für Spannung, besitzt allerdings auch einige unglaubwürdige Aspekte, insbesondere was das Verhalten der Charaktere betrifft. Vor allem die recht unsympathisch und abgebrühte Ich-Erzählerin lädt nicht zur Identifikation ein. Laymon-Fans kommen sicher auf ihre Kosten, für Einsteiger dagegen empfehlen sich eher andere Romane des Autors.

_Der Autor_ Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und ist einer der meistverkauften Horrorautoren der USA. Er studierte englische Literatur und arbeitete unter anderem als Lehrer und Bibliothekar, ehe er sich dem Schreiben widmete. Im Jahr 2001 verstarb er überraschend früh und hinterließ eine Reihe von Romanen, die vor allem wegen ihrer schnörkellosen Brutalität von sich Reden machten. Nur ein kleiner Teil davon ist bislang auf Deutsch erhältlich. Zu seinen weiteren Werken zählen u. a. „Rache“, „Parasit“, „Im Zeichen des Bösen“ und „Vampirjäger“.

Mehr über ihn gibt es auf seiner offiziellen [Homepage]http://www.ains.net.au/~gerlach/rlaymon2.htm nachzulesen.

http://www.heyne-hardcore.de

_Richard Laymon auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Spiel“ 3491
[„Die Insel“ 2720
[„Rache“ 2507
[„Vampirjäger“ 1138

Mosby, Steve – 50/50-Killer, Der

Der junge Detective Mark Nelson, Spezialist für Vernehmungen, wird zu seinem Arbeitsbeginn dem bekannten Detective John Mercer zugeteilt, der zwei Jahre nach einem psychischen Zusammenbruch wieder in die Polizeiarbeit eingestiegen ist. Gleich am ersten Tag wird Mark mit einem spektakulären Mord konfrontiert. Ein Mann wurde in seiner Badewanne zu Tode gequält und verbrannt. Der Täter hinterließ eine Tonbandaufnahme, auf der er zwei weitere Morde ankündigt: Jodie, die mit dem Opfer früher eine Affäre hatte, und ihren festen Freund Scott.

Mercer und sein Team befürchten, dass der so genannte „50/50-Killer“ wieder zugeschlagen hat, den sie vor zwei Jahren nie fassen konnten und der Mercers Partner ermordete. Der Killer mit der Teufelsmaske entführte Pärchen und zwang einen von beiden, sich unter Folter entweder für das eigene oder das Leben des Partners zu entscheiden. Nur wer den Partner aufgibt, hat eine Überlebenschance.

Vergeblich versucht die Polizei, die nächsten Opfer, Jodie und Scott, ausfindig zu machen – bis in der Nacht der schwerverletzte und verstörte Scott aufgegriffen wird. Offenbar wird seine Freundin in einer Waldhütte gefangen gehalten, während er freigelassen wurde. Mercer ist davon überzeugt, dass Jodie wie die anderen Opfer erst im Morgengrauen sterben wird, und organisiert einen Suchtrupp. Währenddessen bemüht sich Mark, von dem traumatisierten Scott so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Die Zeit drängt …

Es ist nicht alles so, wie es scheint, könnte das Motto des Thrillers lauten, der von Beginn an Spannung verspricht und mit einer guten Idee aufwarten kann, auch wenn sich einige altbekannte Zutaten in ihm wiederfinden.

|Sympathische Hauptcharaktere|

Zwei Figuren stehen im Mittelpunkt; einmal der alternde Detective John Mercer, der nach einer Pause wieder ins Polizeigeschehen einsteigt und sein altes Trauma überwinden muss. Daneben steht der junge Detective Mark Nelson, der sich gleich am ersten Tag mit seinen Vernehmungskenntnissen bewähren muss. Der Leser identifiziert sich vor allem mit Mark, der etwa die Hälfte des Buches über aus der Ich-Perspektive erzählt. Obwohl er eine sehr fundierte psychologische Ausbildung genossen hat und sich auf den Berufseinstieg freut, ist er verständlicherweise nervös. Vor Mercer empfindet er großen Respekt, ist aber auch etwas unsicher wegen dessen traumatischer Vergangenheit. Gegenüber dem Rest des Teams, das aus eingespielten Mitgliedern besteht, muss sich Mark ebenfalls erst noch als vertrauenswürdig erweisen.

Während man einen guten Einblick in Marks Gefühlswelt erhält, bleibt das Verhältnis zu John Mercer distanzierter. Der Tod seines früheren Kollegen Andy belastet ihn nach wie vor, seine Frau drängt ihn, sich zurückzunehmen, und sämtliche Mitarbeiter beobachten ihn auf Schritt und Tritt, um zu überprüfen, wie er den Belastungen gewachsen ist. Mercer erscheint als zerstreuter, aber willensstarker Detective, der seinen Spürsinn und seinen Biss auch durch die Zwangspause nicht verloren hat, und für den man hofft, dass er keinen erneuten Zusammenbruch erleidet.

|Spannung bis zum Schluss|

Von Beginn an entwickelt sich auf mehreren Ebenen eine Spannung, die bis zum Ende gehalten wird. In erster Linie geht es um die Frage, ob und wie der Mörder gefasst wird, welche Absichten hinter seinen Morden stecken und was ihn mit John Mercer verbindet, der nun schon zum zweiten Mal Jagd auf ihn macht. Auch ob seine aktuellen Opfer, Jodie und Scott, gerettet werden können, steht bis kurz vor Schluss in den Sternen. Unterstützt wird die Spannung durch den raschen Stil, der beinahe in Echtzeit die Ereignisse wiedergibt. Die Handlung spielt sich innerhalb zweier Tage ab, jedes Kapitel ist mit Uhrzeit und den verbleibenden Stunden bis zum Morgengrauen versehen, sodass man als Leser automatisch in den hektischen Sog, in dem die Ermittler stecken, mitgerissen wird.

Neben diesen thrillertechnischen Aspekten begleitet den Leser die Frage, welche Folgen dieser Fall auf John Mercer haben wird, der immer stärker am Rand eines neuen Zusammenbruchs zu stehen scheint. Etwa im letzten Viertel merkt der Leser auf drastische Weise, dass der Autor sich nicht davor scheut, grausame Täuschungen in die Handlung einzubauen und Leser wie Ermittler mit einer perfiden Wendung zu schocken. Definitiv ist dies keiner jener Thriller, bei denen man sich des glücklichen Ausgangs gewiss sein kann. Stattdessen erwartet den Leser hier ein Roman, der nicht davor zurückschreckt, die Handlung in böse Richtungen zu lenken und seinen Helden zu schaden.

|Ein paar Schwächen|

Trotz allem ist das Werk nicht frei von Makeln. Die Ausgangsidee, dass der Killer Pärchen fängt und gegeneinander ausspielt, ist sehr gelungen – auch wenn man ein ähnliches Konzept vom Kinofilm „Saw“ kennt -, wurde aber nicht ideal umgesetzt. Die meisten Morde sind alle in der Vergangenheit angesiedelt und liegen Jahre zurück. Man erfährt über sie nur, was Mark Nelson erzählt bekommt und in den Akten recherchiert, was zu Ungunsten der Intensität geht. Nur den aktuellen Mord um den Mann in der Badewanne und das Drama um das entführte Pärchen Jodie und Scott erlebt man mit, dabei hätte es dem Roman gut gestanden, den Killer in der Gegenwart noch ein, zwei weitere Morde begehen zu lassen, ehe man sich auf seine Fersen heftet.

Ein wenig dick aufgetragen wird bei Mark Nelsons Figur, der ebenfalls ein Trauma zu überwinden hat, nämlich den Schwimmtod seiner Verlobten vor wenigen Jahren. Damals konnte er sich aus der Strömung an Land retten, während seine Freundin ertrank. Die Parallele zu den überlebenden Opfern des 50/50-Killers, die darunter leiden, ihren Partner, wenn auch unter Folterqualen, aufgegeben zu haben, liegt auf der Hand und wirkt daher konstruiert. Beim Mörder dagegen wünscht man sich eine etwas ausgefeiltere Gestalt, etwas mehr Charisma. Gewöhnungsbedürftig, wenn auch nicht unbedingt negativ, sind die Perspektivenwechsel, denn abwechselnd wird in der Ich-Forum aus Marks Sicht der Dinge und aus der eines neutralen Erzählers geschrieben.

_Unterm Strich_ bleibt ein lesenswerter Serienmörder-Thriller mit überraschenden Wendungen und einer spannenden Handlung, die bis zum Schluss fesselt. Ein paar Schwächen verhindern, dass sich der Roman über soliden Durchschnitt hinausbewegt, dennoch empfiehlt er sich allen Freunden des Genres.

_Der Autor_ Steve Mosby wurde 1976 in Leeds/England geboren, ging dort zur Universität und schreibt bereits seit seiner Kindheit. Nach „The Third Person“ und „The Cutting Crew“ gelang ihm mit „Der 50/50-Killer“ der Durchbruch als Schriftsteller. Mehr über ihn auf seiner Homepage http://www.theleftroom.co.uk.

http://www.droemer.de

Starr, Jason – Twisted City

Für den Journalisten David Miller bricht eine Welt zusammen, als seine geliebte Schwester Barbara an Krebs stirbt. Er verliert seinen hochdotierten Job, muss sich bei einem kleineren Wirtschaftsmagazin verdingen und geht eine Beziehung mit der abgerissenen Bar-Tänzerin Rebecca ein, die ihm mehr Ärger als Freude bringt. Mit der jungen, flippigen Rebecca hat er zwar durchaus Spaß, doch seine Freunde ziehen sich zurück, Rebecca nimmt Drogen und verprasst sein Geld.

Nach einem Kneipenbesuch stellt David fest, dass er seine Brieftasche verloren hat. Bald darauf meldet sich telefonisch eine Frau, die sie gefunden hat. Es stellt sich jedoch heraus, dass Sue, die Finderin, ein abgehalfterter Heroin-Junkie ist, die David erpressen will. Zu allem Unglück kommt auch noch ihr gewalttätiger Freund Ricky dazu und greift David an. Im darauffolgenden Kampf wird Ricky von David tödlich verletzt.

Was jetzt beginnt, ist ein wahrer Albtraum für David. Sue weigert sich, Rickys Leiche allein zu entsorgen. Aus Angst, von ihr bei der Polizei verraten zu werden, beseitigt David den Toten. Aber damit nehmen die Probleme kein Ende …

|Vielschichtige Charaktere|

So richtig durchschauen kann man eigentlich niemanden in diesem Roman, und das ist schon einer der Punkte, die seine Faszination ausmachen. Im Mittelpunkt steht der durchschnittliche David, dessen Leben gerade den Bach runtergeht. Seine Finanzen sehen seit seinem Jobverlust bitter aus, seine ausgeflippte Freundin Rebecca geht mit seinen Kreditkarten einkaufen, er fühlt sich einsam und er leidet nach wie vor unter dem Tod seiner Schwester. Immer wieder präsentieren sich dem Leser kurze Rückblenden über Gespräche und Erlebnisse mit Barbara, die zeigen, wie innig die beiden Frühwaisen einander verbunden waren.

David glaubt, es kann schlimmer kaum kommen – doch dann geschieht genau das. Aus Notwehr tötet er einen Drogendealer, aber seine Chancen, seine Unschuld zu beweisen, stehen schlecht. Die heroinsüchtige Sue erpresst ihn und ein unbekannter Dritter hat seine Finger mit im Spiel. Bald hat David keine Ahnung mehr, wem er noch trauen darf. Rebecca weigert sich, seine Wohnung zu verlassen und reagiert hysterisch auf die Trennung; die drogensüchtige Sue, die eigentlich ganz anders heißt, wechselt ständig zwischen Hilfsbereitschaft und Erpressung hin und her und der Stress auf der Arbeit gibt David den Rest.

|Spannung bis zum Ende|

Die Spannung wird bis zum Schluss durchgehalten, denn in diesem Roman ist so ziemlich alles möglich. Jason Starr lässt seine Figuren leiden und jeden von ihnen kann jedes Schicksal treffen. Mehrere der Charaktere sterben und bringen damit neue Wendungen in die Handlung. Der Leser fragt sich, ob David für den Tod von Ricky verantwortlich gemacht wird, welche Ausmaße die Epressung von Sue einnehmen wird, welche Richtung die Beziehung zu Rebecca nimmt und letztlich auch, welche Rolle die besondere Bindung zwischen der verstorbenen Barbara und ihrem Bruder spielt.

Es gelingt Jason Starr gut, zunächst das etwas deprimierende, aber immer noch durchschnittliche Leben seines Protagonisten zu zeichnen, das sich allmählich in einen Horrortrip verwandelt, aus dem es für David scheinbar kein Entrinnen gibt. Auch wenn er dem Leser sicher nicht uneingeschränkt sympathisch ist, verfolgt man gebannt sein Schicksal, das demonstriert, wie das Leben eines Durchschnittsmenschen völlig aus der Bahn geraten kann, eingebettet in eine Mischung aus Thriller, Beziehungsdrama und bitterböser Satire.

|Abruptes Ende|

Die Schwäche des Romans liegt im zu knapp gehaltenen Schluss. Es wirkt, als habe der Autor das Buch überhastet beendet. Die Ereignisse überschlagen sich, die Pointe kommt auf raschen Füßen daher und manche Dinge fügen sich zu einfach. Das liest sich im Gegensatz zu den vorher aufgebauten Probemfeldern zu simpel und enttäuscht ein wenig. Besser wäre gewesen, sich hier etwas mehr Zeit zu nehmen und drei, vier zusätzliche Seiten auf die Schilderungen der Entwicklungen zu verwenden.

Ein weiterer, wenn auch nicht gravierender Punkt ist die Ähnlichkeit zu Starrs anderen Werken. Seine rabenschwarzen Thriller verlaufen nach einem Muster, das dem Leser bekannt vorkommt. Auch bei „Tob Job“ etwa geht es um einen Durchschnittstypen in den Dreißigern, der ein deprimierendes Leben führt, das mit einem Mal aus den Fugen gerät und ungeplante Todesfälle bereithält. Ähnliches gilt in etwas abgeschwächter Form für „Die letzte Wette“. Nicht, dass es schadet, alle seine Romane zu lesen, doch es ist mit gewissen Abnutzungserscheinungen zu rechnen.

_Fazit:_ Ein schwarzhumoriger, rasant geschriebener Thriller über Erpressung, der bis zum Ende fesselt. Die undurchschaubaren Charaktere sorgen für Spannung, ebenso die überraschenden Wendungen. Negativ sind nur der recht offene und sehr kurz gehaltene Schluss sowie die Parallelen zu anderen Romanen des Autors.

_Der Autor_ Jason Starr, Jahrgang 1968, wuchs in New York auf und schreibt seit seiner Collegezeit. Vor seiner Karriere als Schriftsteller arbeitete er unter anderem als Telefonverkäufer. Diese Erfahrungen brachte er in seinen Debütroman „Top Job“ mit ein. Alle seine Krimis zeichnen sich durch schwarzen Humor aus. Weitere Werke sind „Die letzte Wette“, „Ein wirklich netter Typ“ und „Hard Feelings“.

http://www.diogenes.de/
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Bachmann, Richard / King, Stephen – Qual

Das Leben hat Clayghton Blaisdell jr, genannt Blaze, übel mitgespielt. Mit drei Jahren verliert er seine Mutter bei einem Unfall, sein Vater ist ein Trinker, der ihn oft verprügelt. Eines Tages wirft er seinen Sohn die Treppe hinunter. Blaze überlebt nur knapp und trägt einen Hirnschaden davon, der den begabten Jungen in ein leicht zurückgebliebenes Kind verwandelt. Er kommt in ein Waisenhaus, dessen strenge Erziehungsmethoden seine Lage aber nicht verbessern. Auch die kurze Zeit bei Pflegeeltern endet mit einer Katastrophe.

Blaze wächst zu einem einfältigen, aber dafür körperlich umso stärkeren Jugendlichen heran, der sich mit kleinen Delikten über Wasser hält. In diesem Milieu trifft er auf den gerissenen Gauner George, der ihn zu seinem Partner macht. Auch wenn Blaze hin und wieder unter Georges Attacken leiden und missgelungene Coups ausbaden muss, fühlt er sich bei ihm gut aufgehoben. Kurz vor der geplanten Entführung eines Babys reicher Eltern, das den beiden zwei Millionen bringen soll, stirbt George jedoch in einer Messerstecherei.

Blaze ist wieder auf sich allein gestellt – doch er fühlt Georges Gegenwart nach wie vor in seiner Nähe. Die Stimme seines Partners sitzt in seinem Kopf und sagt ihm, er soll den großen Coup alleine durchziehen. Blaze gelingt es tatsächlich, den kleinen Joe an sich zu bringen. Von nun an wird er nicht nur von der Polizei gejagt, sondern er spürt auch eine immer größer wachsende Zuneigung zu dem Baby …

Bereits aus dem Jahre 1973 stammt dieser frühe King-Roman, der unter seinem Pseudonym Richard Bachmann, das 1985 gelüftet wurde, erscheinen sollte. Das Manuskript geriet in Vergessenheit, bis es jetzt in überarbeiteter Form veröffentlicht wurde.

|Gelungener Protagonist|

Im Mittelpunkt steht Blaze, ein geistig leicht retardierter Mann mit hünenhafter Gestalt, unverkennbar eine Hommage an die Figur des Lennie aus Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“, wie King auch im Nachwort bestätigt. Blazes Leben steht von Anfang an unter einem schlechten Stern, die Mutter stirbt, der Vater ist ein gewalttätiger Alkoholiker. Der schwere Treppensturz hinterlässt neben dem Hirnschaden eine auffallende Delle in der Stirn des Jungen, die ihn, zusätzlich zu seinem früh entwickelten Bärenkörper, von nun an wie ein Kainsmal durchs Leben begleitet. Einen kleinen Lichtblick bildet seine Freundschaft im Waisenhaus zum schmächtigen John, die jedoch durch dessen Tod jäh beendet wird. Fast zwangsläufig gleitet der unbeholfene Blaze in ein kriminelles Leben ab und fast ebenso zwangsläufig verspürt man Mitgefühl. Obwohl man ahnt, dass es kein glorreiches Happy-End geben wird, hofft man beständig darauf, dass sich Blazes Lage bessern wird. Zu keiner Zeit ist Blaze ein schlechter Mensch, doch ein ums andere Mal überschätzt er seine körperlichen Kräfte, was fatale Folgen mit sich bringt.

Besonders gelungen sind die Rückblenden, in denen Blazes Kindheit und Jugend beleuchtet wird. Blaze wehrt sich gegen die Drangsalien des Rektors, macht Bekanntschaft mit der ersten Liebe und erlebt einen aufregenden Tag mit seinem Freund John in Boston, der ihm ein paar Momente des Glücks beschert. Bei etlichen tragikkomischen Szenen fällt es schwer, sich zwischen Lachen und Weinen zu entscheiden, etwa wenn er treudoof auf gehässige Kommentare seines Partners George reagiert.

|Wenig Gewalt, kein Horror|

Der Name Stephen King steht in der Regel für Horror, oft mit übernatürlichen Elementen. Unter den Pseudonym Richard Bachmann veröffentlichte er realitätsnähere, dafür sehr harte Romane mit deprimierend-düsterer Stimmung. Mit anderen Bachmann-Werken hat „Qual“ den knappen Stil gemeinsam. Keine ausufernden Schilderungen einer typischen Kleinstadt, wie King es sonst gerne zelebriert, dafür eine direkte Sprache, die andeutet, dass er sich stilistisch an den Hardboiled-Krimis der vierziger Jahre orientierte. Todesfälle und brutale Szenen werden nur kurz erwähnt, ohne dass auf Details eingegangen würde, doch gerade dieser lakonische Stil, der Blazes hartes, schnörkelloses Leben widerspiegelt, ruft beim Leser Emotionen hervor. Für einen Hauch von Mystik sorgt die Stimme des toten George, die Blaze in seinem Kopf hört, die aber eher den Status eines imaginären Freundes besitzt als den eines Geistes. Im Gegensatz zu Werken wie „Todesmarsch“, „Menschenjagd“ oder „Der Fluch“ ist die Atmosphäre nicht bitterböse, sondern eher auf Melancholie aufgelegt. Es ist kein reiner Krimi, sondern mehr ein tragisches Melodram über einen Außenseiter, das eher bewegt als nervenaufreibend fesselt.

|Kleine Schwächen|

Die Schwäche des Romans liegt in seiner Vorhersehbarkeit. Die geradlinige Handlung, die nie lange an einem Punkt in Blazes Leben verweilt, entwickelt sich zum größten Teil genau so, wie der Leser es erwartet. An keiner Stelle taucht eine überraschende Wendung auf, worunter mit der Zeit auch die Spannung leidet. Blazes Gefühle für das Baby kommen nicht unerwartet, da man seinen Charakter bis dato ausreichend kennt. Somit bleibt nur die Frage offen, welches Schicksal er und sein „Schützling“ nehmen, die aber am Ende nur von den eigenen Vermutungen bestätigt bleibt. Ein Manko darüberhinaus ist das zu rasch eingeleitete und zu knapp abgehandelte Ende. Gerade weil der Leser schon recht früh ahnt, auf was für ein Finale der Roman hinauslaufen wird, ist der Schluss im Vergleich zum Rest etwas enttäuschend. Man wünscht sich noch einen kleinen zusätzlichen Nachhall, muss sich aber mit einem unspektakulären Ende begnügen.

Sehr unglücklich gewählt ist der Titel der deutschen Übersetzung, da man sich unter „Qual“ kaum etwas vorzustellen hat. Während das Original schlicht nach seiner Hauptfigur „Blaze“ benannt ist, besitzt das deutsche Pendant keinen Bezug zum Inhalt, wenn man davon absieht, dass Blazes Leben größtenteils eine „Qual“ ist. Als schöne Beigabe für King-Fans ist im Anschluss die Kurzgeschichte „Erinnerung“ enthalten, die den Ausgangspunkt für den neuen King-Roman, der Anfang 2008 erscheinen soll, bildete.

_Als Fazit_ bleibt ein bewegender Roman über einen Außenseiter in bester Steinbeck-Tradition. Die vordergründige Krimi-Handlung um eine Entführung rückt zugunsten der melodramatischen Elemente in den Hintergrund. Kleine Abzüge gibt es für die vorhersehbare Handlung und das zu knapp gehaltene Ende.

_Stephen King_, Jahrgang 1947, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der Welt. 1973 veröffentlichte der ehemalige Lehrer mit „Carrie“ seinen ersten Roman, der sofort ein Bestseller wurde. Alle folgenden Bücher wurden ebenfalls Welterfolge, viele davon sind von namhaften Regisseuren verfilmt wurden. Zu den bekanntesten Werken zählen unter anderem: „Es“, „Christine“, „Shining“, „Misery“, „The Stand“ und die siebenteilige Saga vom „Dunklen Turm“. Weitere Bücher erschienen unter dem Pseudonym Richard Bachmann. Mehr über ihn auf seiner Homepage http://www.stephenking.com.

|Originaltitel: Blaze
Originalverlag: Scribner
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger
Gebundenes Buch, 384 Seiten, 13,5 x 21,5 cm|
http://www.heyne.de

_Stephen King bei |Buchwurm.info|_ (Auswahl):

[„Brennen muss Salem – Illustrierte Fassung“ 3027
[„Brennen muss Salem“ 3831 (Hörbuch)
[„Briefe aus Jerusalem“ 3714 (Audio)
[„Friedhof der Kuscheltiere“ 3007 (Audio)
[„Puls“ 2383
[„Trucks“ 2327 (Audio)
[„Colorado Kid“ 2090
[„The Green Mile“ 1857 (Audio)
[„Das Leben und das Schreiben“ 1655
[„Atemtechnik“ 1618 (Audio)
[„Todesmarsch“ 908
[„Der Turm“ 822 (Der Dunkle Turm VII)
[„Der Sturm des Jahrhunderts“ 535
[„Tommyknockers – Das Monstrum “ 461
[„Achterbahn“ 460
[„Danse Macabre – Die Welt des Horrors“ 454
[„Christine“ 453
[„Der Buick“ 438
[„Atlantis“ 322
[„Das Mädchen“ 115
[„Im Kabinett des Todes“ 85
[„Duddits – Dreamcatcher“ 45

Kalogridis, Jeanne – Kinder des Papstes, Die

Neapel, um 1488: Die zwölfjährige Sancha von Aragon ist die Enkeltochter von König Ferrante. Während sie ihrem Vater, dem Herzog von Kalabrien, feindselig gegenübersteht, liebt sie ihre Mutter und vor allem ihren jüngeren Bruder Alfonso, den das energische Mädchen für seinen Sanftmut bewundert. Als Sancha sechzehn Jahre alt ist, stirbt der alte König. Aus politischem Kalkül wird ihre glückliche Verlobung mit Graf Otoranto gelöst und sie stattdessen zur Heirat mit einem Mitglied der mächtigen Borgia-Familie gezwungen, die für Machtgier und Skrupellosigkeit berühmt ist. Jofre de Borgia, zweiter Sohn von Papst Alexander VI., wird ihr Ehemann. Ein schlimmes Schicksal für Sancha, denn Jofre ist mit zwölf Jahren fast noch ein Kind und sie muss ihre geliebte Heimat Neapel verlassen.

Nicht nur das Heimweh und die mangelnden Gemeinsamkeiten mit Jofre setzen Sancha zu, sondern auch die politischen Wirrungen. Als die Ordnung endlich wieder hergestellt scheint, ruft Papst Alexander VI. seinen Sohn Jofre und Sancha zu sich. Von nun an ist Sancha Teil der legendären Borgia-Familie und erlebt die Ausschweifungen und Grausamkeiten Roms. Sie muss sich gegen Zudringlichkeiten des lüsternen Papstes und dessen grausamen Sohn Juan wehren. Dafür verliebt sie sich unsterblich in den dritten Sohn, den schönen und charmanten Cesare, und nach anfänglichem Misstrauen freundet sie sich auch mit der raffinierten Papst-Tochter Lukrezia an.

Viel zu spät realisiert Sancha, dass sich auch hinter Cesares Fassade eisige Kälte verbirgt und er vor nichts zurückschreckt. Aus der leidenschaftlichen Liebe wird gefährlicher Hass – und Sancha kämpft verzweifelt gegen mächtige Intrigen und um ihr Leben …

Das Zeitalter der Renaissance ist ein sehr dankbarerer Hintergrund für historische Romane. Das farbenprächtige Italien, die Machtkämpfe innerhalb Europas und der Kirche und die schillernden Charaktere der Borgia-Familie bilden den Ausgangspunkt für dieses Werk.

|Überzeugende Charaktere|

Im Mittelpunkt steht die Ich-Erzählerin Sancha von Aragon, zu Beginn fast noch ein Kind, später eine erwachsene Frau, aber von Anfang an ein stolzer und starker Charakter. Sancha ist nicht so sanftmütig wie ihr geliebter Bruder, doch gerade ihre Schwächen machen sie sympathisch. Entgegen aller Vernunft schlägt sie die Warnungen über die Borgias in den Wind, um sich mit Cesare auf eine fatale Affäre einzulassen, die von nun an ihr Leben bestimmen wird. Sancha ist impulsiv und kaltblütig in ihrem Hass gegenüber denen, die ihren Nächsten schaden wollen. Bezeichnenderweise ist sie keine Heldin, die immer den richtigen Weg wählt, sondern muss Niederlagen und falsche Entscheidungen hinnehmen – doch egal wie schlimm ihr mitgespielt wird, sie gibt nicht auf.

Über die Borgias existieren zahllose Bücher und die verschiedensten Ansichten. Sehr positiv ist hervorzuheben, dass die Familie in diesem Werk nicht auf den Ruf als grausame Giftmischer beschränkt wird. Lukrezia erscheint zunächst als eifersüchtige Schwägerin, die Inzucht mit ihrem Vater stößt Sancha zusätzlich ab. Aber im weiteren Verlauf entsteht eine enge Freundschaft zwischen den Frauen und Lukrezia erscheint mehr als schwaches Opfer denn als die |femme fatale|, als die sie gern verkörpert wird. Papst Alexander erhält eine negativere Darstellung; er vergreift sich an Sancha, hält sich junge Gespielinnen, verhindert nicht die Mordlust seiner Söhne. Immer wieder allerdings blitzen Momente auf, in denen er nur als alter Mann gezeigt wird, der aus fehlgeleiteter Liebe zum Spielball der Ränke seiner Kinder geworden ist. Letztlich ist sogar Cesare als zwiespältiger Charakter geschildert. Auch nachdem Sancha erkannt hat, dass er ein Mörder ist, der vor fast nichts zurückschreckt, flammt immer wieder in ihr das alte Begehren auf, für das sie sich schämt – und es gibt sogar Anzeichen, dass selbst Cesare, der Sanchas Leben systematisch zu zerstören versucht, diese Gefühle erwidert. Die meisten Figuren besitzen sowohl schwarze als auch weiße Schattierungen, was sie glaubwürdig macht und dazu beiträgt, dass man mitgerissen wird.

|Spannung bis zum Schluss|

Das Leben der Borgias und ihr Schicksal sind keine Geheimnisse, dennoch gelingt es der Autorin, den Roman beständig spannend zu halten. Das liegt vor allem daran, dass es zwar viele Vermutungen über bestimmte Aspekte der Borgias gibt, aber nicht immer gesicherte Erkenntnisse. Der grobe Rahmen ist somit zwar historisch festgelegt, doch über einzelne Ereignisse wie Todesfälle und die wahren Charaktere wird nach wie vor spekuliert – genug Spielraum also, um Fantasie walten zu lassen, wer wen ermordet hat und wer an welcher Verschwörung beteiligt war. Mehrmals erlebt man, wie liebgewonnene Figuren in Gefahr geraten oder sogar sterben, sodass man kaum Gewissheit hat, mit wem es welches Ende nimmt. Auch das wechselnde Verhalten der Charaktere sorgt für gebanntes Lesevergnügen. So wie Sancha oft nicht weiß, wem sie trauen darf, kann auch der Leser nicht alle Vorhaben der Personen abschätzen. Man darf sich fragen, ob Lukrezia wirklich die treue Freundin ist, zu der sie sich scheinbar entwickelt hat, ob der wankelmütige, junge Jofre seiner Frau Schaden zufügen wird, welche Intrigen der Papst, Juan und Cesare womöglich planen und auf welche Weise Sancha ihre Rache nehmen wird …

Der historische Hintergrund wird auch für Nichtkundige der Renaissancezeit gut miteingebracht, bleibt dabei immer dezent, ohne trockene Faktenaufzählung. Der Leser spürt das bezaubernde Flair von Sanchas geliebter Heimat Neapel ebenso wie den atemberaubenden Prunk Roms. Die Zustände der damaligen Zeit sind schonungslos und realistisch geschildert, sodass empfindliche Gemüter gewarnt sein sollten – es wird geschändet und gemordet, dass es das Borgia-Herz entzückt. Erfreulicherweise wird jedoch bis auf einmal keine ausufernde Liebeszene erzählt, die sich sonst gerne in historische Romane einschleichen. Dafür begegnet man am Rande auch anderen historischen Gestalten der Zeit, etwa dem kirchenkritischen Prediger Savonarola, dem umstrittenen Philosoph und Politiker Machiavelli und dem gealterten Leonardo da Vinci.

|Kaum Schwächen|

Der Roman braucht ein paar Seiten Anlaufzeit, ehe man richtig in der Handlung Platz genommen hat. Dafür sind hauptsächlich die detaillierten Beschreibungen verantwortlich, die den Beginn etwas zu statisch gestalten. Der Leser erfährt, wer mit wem verwandt ist, wie die einzelnen Personen aussehen und wie die Umgebung gestaltet ist, was sich als etwas ungünstiger Einstieg herausstellt. Ein kleiner Widerspruch taucht auf, als Sancha ihren Halbbruder Ferrandino bei seiner Krönung als hochmütig bezeichnet, denn bei seiner ersten Erwähnung beschreibt sie ihn nur als offen und warmherzig, und da er in der Zeit dazwischen kaum eine Rolle spielt, irritiert dieser plötzliche Umschwung. Etwas unrealistisch wird es, als Juan von der Affäre zwischen seinem Bruder Cesare und Sancha erfahren hat und Gerüchte darüber in Umlauf sind, Sanchas Ehemann Jofre aber nichts davon ahnt. Zu guter Letzt wünscht man sich, man hätte nach Sanchas Umzug nach Rom noch mehr vom Verbleib ihrer übrigen Familie und dem Schicksal der einzelnen Mitglieder erfahren.

_Als Fazit_ bleibt ein faszinierender Historienschmöker aus der Renaissancezeit über das berüchtigte Leben der Borgias. Fantasie und Historie werden gekonnt miteinander verknüpft, die Charaktere überzeugen durch Vielschichtigkeit und die Ich-Erzählerin lädt zum Mitfiebern ein. Bis zum Schluss bleibt der Roman durch individuelle Sichtweisen und Details spannend, selbst wenn man über den geschichtlichen Verlauf bereits informiert ist. Die sehr kleinen Schwächen können den hervorragenden Gesamteindruck nicht trüben.

_Die Autorin_ Jeanne Kalogridis, geboren 1954 in Floria, studierte russische Literatur und Linguistik und unterrichtete acht Jahre lang an der Universität von Washington, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie ist spezialisiert auf historische Romane. Ihr Debütwerk war „Die Seherin von Avignon“, zuletzt erschien [„Leonardos Geheimnis“. 3959

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Adams, Richard – Traveller

Frühjahr 1866 in Lexington, Virginia: Hinter dem Washington Campus steht der Stall von Traveller, einem grauen, neunjährigen Wallach. Sein Herr ist General Robert E. Lee, der legendäre ehemalige Anführer der Armee der Südstaaten, die gerade den Krieg gegen den Norden verloren haben. Trotz der Niederlage ist General Lee ein beliebtes und verehrtes Idol geblieben und jeder kennt sein berühmtes Pferd, das ihm in all den Schlachten treu zur Seite stand.

Vier Jahre lang erzählt Traveller dem Hauskater Tom, der ihn abends besuchen kommt, von seinen Erlebnissen aus dem Krieg und seinem Leben mit seinem geliebten Herrn, den er „Marse Robert“ nennt. Als Füllen gewinnt er bereits früh den ersten Preis bei einer Pferdeausstellung, 1861, während der Kriegsvorbereitungen, wird er von Captain Joseph M. Broun als Schlachtpferd erworben und geht kurz darauf in den Besitz von General Lee über, der großen Gefallen an Traveller findet.

Als der Krieg ausbricht, hat das naive Tier noch keine Ahnung, was es erwartet. Traveller erlebt grauenvolle Gemetzel, bei denen unzählige Menschen und Pferde ihr Leben lassen. Einzig sein grenzenloses Vertrauen in seinen geliebten Herrn Marse Robert lässt ihn die Strapazen des Krieges durchstehen. Traveller erlebt blutige Schlachten, Kanonenfeuer und eisige Winter, aber auch vereinzelte schöne Momente durch die Freundschaft zu anderen Pferden und vor allem durch Marse Robert, der ihm näher stand als je ein anderes Lebewesen …

Es ist Dank „Black Beauty“ nicht der erste Roman aus Sicht eines Pferdes, und Autor Richard Adams ist spätestens seit seinem berühmten [„Unten am Fluss“ 2025 für Bücher aus der Tierperspektive bekannt. Dennoch ist es etwas Besonderes, sich einem real existierenden Tier zu widmen, das nicht nur immer noch populär ist – wenn auch hierzulande weniger -, sondern auch von historischen Begebenheiten berichtet.

|Lebendig gestaltete Charaktere|

Der Leser erlebt Traveller als neunjährigen Veteranen, der um seine Bedeutung weiß, sich oft etwas blasiert und herablassend gibt und trotz seiner reichen Erfahrung geradezu rührend naiv geblieben ist. Das merken auch andere Pferde, die ihm während des Krieges begegnen und die meist mehr Einblick in die Geschehnisse haben als der ahnungslose Traveller, der genau deswegen später immer häufiger den Mund hält, um als Pferd eines wichtigen Generals keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Traveller versteht wenig von den Sitten der Menschen. Er weiß nur, dass sein „Marse Robert“ der beste Mensch ist, der ihm je begegnete, und dass er allein ihm zuliebe alle Strapazen aushalten wird. Aus der anfänglich guten Chemie entwickelt sich nach und nach eine Seelenverwandschaft, in der Reiter und Pferd gegenseitig die Gedanken des anderen lesen können.

Von seinem Herrn und Meister General Lee zeichnet Traveller ein konsequent glorifiziertes Bild. Bis heute wird General Robert E. Lee in den USA für sein taktisches Geschick verehrt, das den Norden trotz großer Unterlegenheit in der Ausrüstung fast bezwang, auch wenn er den Krieg letztlich verlor, und seine Beliebtheit bei den Soldaten ist keine Erfindung Travellers. Trotz dieser daher nicht unrealistischen Schilderung ist offensichtlich, dass Traveller seinem Herrn so treu ergeben ist, dass er wohl in jeder Handlung des Generals etwas Positives sähe. Auch wenn man sich dieser Subjektivität bewusst ist, gewinnt Marse Robert auch beim Leser schnell die Sympathien. Trotz seines Alters und gewisser Leiden bemüht er sich um seine Soldaten und lehnt Sonderbehandlungen ab. Stets hat er ein gutes Wort für die Pferde parat und kümmert sich so oft wie möglich eigenhändig um sein Lieblingspferd Traveller. In all den Wirren des Krieges bilden diese kleinen Momente einen Lichtblick voller Menschlichkeit und man ist gerne bereit, diesem General Respekt zu zollen.

Auch andere Pferde spielen eine wichtige Rolle in Travellers Erzählungen. Da ist etwa der unleidliche Richmond, ein früheres Pferd des Generals, das allen anderen Tieren feindselig begegnet und später an einer schlimmen Kolik zugrunde geht. Da ist der scheue Braunschnecke, der zu nervös und unsicher für die Wirren des Krieges ist, die ruhige, ältere Stute Lucy Long, die nach dem Krieg von General Lees Tochter geritten wird, der Jugendfreund Grobian, mit dem es später ein herzliches Wiedersehen gibt, der arrogante Rollo, der Traveller mit seinen Prahlereien auf die Nerven geht, und das Präsidentenpferd Donner, das Traveller zynische Einblicke in die Handlungen der Menschen liefert. Den meisten Respekt empfindet Traveller für Klein-Rotfuchs, ein winziges, auf den ersten Blick unscheinbares Pferd, das seinem Herrn Stonewall Jackson ebenso treu ergeben ist wie Traveller seinem Marse Robert. Der spirituell begabte Rotfuchs dient nicht nur als Vorbild für Traveller, sondern sorgt mit seinen seherischen Fähigkeiten für einige Gänsehaut-Momente, in denen er manch tragisches Krieges-Ereignis vorausahnt.

Neben General Lee stehen bei den menschlichen Charakteren vor allem Stonewall Jackson und Jeb Stuart im Vordergrund. Stonewall Jackson, von Traveller treffend „Mütze-im-Gesicht“ genannt, ist Lees engster Vertrauter und wichtigste Unterstützung während des Krieges. Bis heute halten sich Theorien, nach denen der Süden womöglich den Krieg gewonnen hätte, wäre Jackson nicht 1963 tödlich verwundet worden. Auch Jeb Stuart, der immer im überraschenden Moment auftaucht, erhält ein lebendiges Porträt. Seit er Traveller bei der ersten Begegnung seine Eignung als Kavalleriepferd attestierte, wird er von dem Pferd stets „Komm-zur-Kavallerie“ genannt, und sein aristokratisches Pferd Skylark hinterlässt bei Traveller bei den ersten Begegnungen einen leichten Eindruck der eigenen Unzulänglichkeit.

|Sorgfältige Recherche|

Bereits im Vorwort verweist der Autor auf einige Werke, die er als Quellen für gewisse Begebenheiten herangezogen hat, sodass man gewiss sein kann, dass vieles aus Travellers Erzählungen der Wirklichkeit entspricht. Dabei ist es als Leser spannend zu beobachten, wie historische Ereignisse aus der Sicht des Pferdes wiedergegeben werden, auch wenn man dafür etwas Hintergrundwissen benötigt. Die Jugendzeit von Traveller und das Leben mit seinen früheren Besitzern wird authentisch dargestellt, auch sein Gesprächspartner, der Hauskater Tom, hat tatsächlich existiert, wie man aus Briefen des Generals weiß, und die anderen Pferde, denen er im Krieg begegnet, beruhen ebenso auf Fakten – tatsächlich hat es vor allem der kleine Rotfuchs zu ebenfalls großer Popularität geschafft. Lees Unfall, der seine Hände für längere Zeit außer Gefecht setzt, wird hier zu einem Wendepunkt in Travellers Leben, da das Pferd sich als fahrlässig Schuldiger sieht und von dem Tag an endgültig bereit ist, sein eigenes Leben für das seines Herrn aufs Spiel zu setzen. Intensiv dargestellt wird die Szene, in der der General vom Tod seines Vertrauten Stonewall Jackson erfährt. In Anspielung auf Jacksons Amputation des linken Arms, die ihm jedoch nicht das Leben retten konnte, ist der Ausspruch Lees verbürgt, Jackson habe seine linke, er jedoch mit ihm seine rechte Hand verloren – ein berühmtes Zitat, das er gegenüber Traveller in einem Augenblick der Verzweiflung wiederholt.

|Humor und Groteske|

Humor mag in einem Buch, das vom Krieg handelt, zwar im ersten Moment überraschen, doch Richard Adams gelingt es großartig, amüsante Szenen einzuflechten. Dafür ist vor allem Travellers naive Art und sein Unverständnis gegenüber vielen menschlichen Dingen verantwortlich. Es beginnt schon damit, dass in den Monaten vor 1862 alle Männer aufgeregt vom Krieg sprechen und sich darauf freuen, endlos losziehen zu dürfen. Für Traveller ist damit klar, dass „der Krieg“ ein wunderschöner Ort sein muss, wahrscheinlich eine friedliche Weide mit saftigem Gras und vielen anderen glücklichen Pferden. Wenn er am Ende seines Berichts bedauert, dass er, trotz seines sehr schönen Lebens, niemals zum „Krieg“ gelangt ist, bleibt dem Leser allerdings fast das Lachen im Halse stecken. Humor und Beklemmung liegen dicht beieinander. Travellers schnodderige Sprache und seine mitunter fahrige Art, die zum Abschweifen neigt, lädt zum Schmunzeln ein, gleichzeitig aber erzählt er von grauenhaften Szenen auf den Schlachtfeldern, von verletzten Menschen, von unzähligen Toten, von Angst und von Schmerzen. Lachen kann man erst wieder bei harmloseren Szenen, etwa wenn ein verzweifelter General Lee in Travellers Gegenwart „gütiger Gott“ murmelt und sein treues Pferd vermutet, dass er im Eifer des Gefechts seinen Namen vergaß und „Gott“ ein früheres Pferd von Marse Robert gewesen sein muss.

|Kleine Schwächen|

Es bedarf einer gewissen Überwindung, sich in den ungewöhnlichen Sprachstil von Traveller einzulesen. Was im Original ein typischer Südstaatendialekt ist, wurde versucht, von Joachim Körber adäquat ins Deutsche zu übertragen, sodass Traveller eine recht ungehobelte, einfache Sprache verwendet, die an Gossenniveau erinnert. Mit Vorliebe werden Silben verschluckt oder zusammengezogen, was dann in Worten wie „türlich“, „ham“, „nich“ und „haste“ sowie gerne in einer doppelten Verneinung wie „keiner nich“ resultiert. Der Stil lädt damit zwar nicht gerade zum Verschlingen des Romans ein, doch schneller als man denkt, hat man sich darin eingelesen und möchte diesen Dialekt am Ende nicht mehr missen. Ein wenig schade ist, dass Travellers Gesprächspartner, Hauskater Tom, stets stumm bleibt. Der Leser hört nur das Pferd reden, ab und zu gibt er wieder, was Tom gerade macht, aber insgesamt bleibt der Kater profillos. Ebenfalls bedauert man, dass Travellers spezieller Freund Klein-Rotfuchs nicht mehr auftaucht und er nichts über dessen Schicksal erfährt. Dabei ist bekannt, dass Rotfuchs nicht nur den Krieg überlebte, sondern danach noch ein bewegtes Leben führte und erst 1885 im hohen Pferdealter von 35 Jahren verstarb. Genug Gelegenheit also, dass Traveller ihm noch einmal über den Weg gelaufen wäre. Ein wenig inkonsequent ist außerdem die Übersetzung der Namen, die Körber mal ins Deutsche überträgt und mal das Original beibehält. Aus „Little Sorrel“ und „Thunder“ werden „Klein-Rotfuchs“ und „Donner“, dagegen behalten Traveller und auch „Skylark“ ihren amerikanischen Namen.

Das größte Manko liegt in einer kleinen Unlogik gegen Ende des Buches. Traveller hat den Ausgang des Krieges gehörig missverstanden, was sich in den ersten Tagen noch nachvollziehen lässt, da er gewisse Situationen einfach fehlinterpretiert. Allerdings bleibt er auch Jahre später noch bei seiner Ansicht, was unrealistisch ist, da er ja die Sprache der Menschen versteht und zudem immer wieder andere Pferde trifft – genug Gelegenheit also, um unwillkürlich zu erfahren, wie die Dinge wirklich stehen. Selbst der naive Traveller müsste vier Jahre nach Kriegsende begriffen haben, dass er mit seinen Ansichten falsch lag.

_Als Fazit_ bleibt ein absolut empfehlenswerter Roman, der das Thema „Amerikanischer Bürgerkrieg“ auf unkonventionelle Weise angeht. Eine gelungene Mischung aus Fantasy und Historie, die sorgfältig recherchierte Fakten mit Fiktion vereint. Der Stil ist zwar zunächst gewöhnungsbedürftig und es sind kleine Schwächen enthalten, doch insgesamt liegt ein überzeugendes Werk vor, das man sich weder als Historien- noch als Phantastikfreund entgehen lassen sollte.

_Der Autor_ Richard Adams, Jahrgang 1920, studierte in Oxford Literatur und Geschichte. Sein Debütroman [„Watership Down: Unten am Fluss“ 2025 wurde als Buch und ebenso als spätere Verfilmung ein Welterfolg. Adams Spezialgebiet sind Werke, in denen Tiere die Hauptrolle spielen. Weitere Bücher von ihm sind u. a. „Shardik“, „Das Mädchen auf der Schaukel“ und „Die Hunde des Schwarzen Todes“.

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