
Joachim Körber (Hg.) – Das erste Buch des Horrors weiterlesen
Alle Beiträge von Michael Drewniok
Joe Lansdale – Schlechtes Chili
Das geschieht:
Im Kellergeschoss der osttexanischen Gesellschaftspyramide schlagen sich Hap Collins und Leonard Pine in unterbezahlten Jobs und ohne Hoffnung auf eine positive Veränderung durch ein auch sonst nie unkompliziertes Leben: Die Freunde haben ein ausgeprägtes Talent dafür, sich in gefährliche Schwierigkeiten zu bringen.
Auslöser der aktuellen Krise ist dieses Mal Leonard. Er wurde von seinem Lover Raul verlassen, der sich ausgerechnet mit einem beinharten Biker namens „Horse Dick“ McKnee zusammengetan hat. Als dieser mit schrotzerschossenem Schädel gefunden wird, gilt Leonard als Hauptverdächtiger, da er seinem Unmut über den Rivalen oft und mit bedrohlichen Worten Luft gemacht hatte.
Zwar kann er seine Unschuld beweisen, doch als auch Raul als Leiche auftaucht und die örtliche Polizei sich an einem Mord unter Schwulen desinteressiert zeigt, beginnt Leonard mit einem persönlichen Rachefeldzug. Als guter Freund lässt ihn Hap nicht im Stich und hat rasch die Folgen zu tragen: Die Häuser der Freunde werden durchwühlt, sie selbst überwacht. Offensichtlich hatte Raul etwas in seinem Besitz, das er vor seinem Tod in Sicherheit bringen konnte und das jemand um wirklich jeden Preis zurück will.
Joe Lansdale – Schlechtes Chili weiterlesen
Carter Dickson – Vitriol und Belladonna
Die junge Schriftstellerin Monica Stanton hat mit „Sehnsucht“, einem schmalzig-verruchten Liebesroman, einen Bestseller gelandet. Produzent Thomas Hackett will das Buch nicht nur verfilmen, sondern wirbt Monica außerdem als Drehbuchautorin an. Sie landet in der Grafschaft Buckinghamshire und dort in den Pineham-Ateliers, wo sie der ebenfalls als Autor angeheuerte Krimi-Schriftsteller William Cartwright unter seine Fittiche nehmen soll. Dabei gerät Monica in die Dreharbeiten zum Thriller „Spione auf See“ und trifft ihre Lieblings-Schauspielerin Frances Fleur. Auch Regisseur Howard Fisk und sein Assistent Kurt von Gagern lernt sie kennen; dieses Team wird später „Sehnsucht“ in einen Film verwandeln.
Man ist im Atelier allerdings ein wenig abgelenkt, denn aus der Werkstatt ist mehr als ein Liter hochgiftiger Schwefelsäure verschwunden. Die Hälfte taucht später in einer Wasserkaraffe auf dem Set von „Spione auf See“ auf, wo eine Katastrophe gerade noch verhindert werden kann. Wenig später lockt ein Unbekannter Monica in eine andere Kulisse und wartet dort mit dem Rest der Säure auf sie; der Anschlag missglückt nur knapp.
Mark Hodder – Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack
Wir schreiben das Jahr 1861 in einem ‚alternativen‘ London: Queen Viktoria ist schon vor vielen Jahren durch ein Attentat gestorben, dampfbetriebene Fahrzeuge beginnen die Pferdefuhrwerke zu verdrängen, und dank enormer Fortschritte in den Naturwissenschaften ist es u. a. möglich, genetisch ‚aufgerüstete‘ Haustiere als Diener und Boten zu beschäftigen. Das britische Empire ist bereits eine Weltmacht, die sich stetig weiter über den Globus ausdehnt. Forschungsreisende und Soldaten erforschen und besetzen ferne Länder auf exotischen Kontinenten. Zu den großen Entdeckern gehört Sir Richard Francis Burton, der allerdings in die Kritik geraten ist, nachdem er sich einen unwürdigen Streit mit seinem ehemaligen Freund John Speke um die Entdeckung der Nilquellen lieferte und dieser sich – offenbar in die Enge getrieben – eine Kugel in den Kopf geschossen hat.
Nichtsdestotrotz bietet die Regierung Burton einen Posten an. Als Agent für besondere Fälle greift er dort ein, wo Polizei und Scotland Yard überfordert sind. Aktuell geht es um das Auftreten von Werwölfen, die in den Slums von London ihr Unwesen treiben. Ebenso bedenklich ist das Auftreten einer bizarren Gestalt, die der Volksmund „Spring Heeled Jack“ getauft hat. Nachdem er sich viele Jahre nicht mehr gezeigt hat, ist Jack wieder aktiv. Auch Burton macht bald seine Bekanntschaft, wird von ihm bedroht und zur Aufgabe seiner Pläne aufgefordert, die Burton selbst freilich unbekannt sind: Jack spricht offensichtlich mit einem anderen, in der Zeit fortgeschrittenen Burton.
Mark Hodder – Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack weiterlesen
Ian Fleming – James Bond 007: Diamantenfieber
Das geschieht:
Die Regierung ihrer britischen Majestät registriert schockiert einen enormen Schwund bei der Diamantenförderung in der westafrikanischen Kolonie Sierra Leone. Aus den Minen von Sefadu werden kostbare Steine für viele Millionen Pfund gestohlen. Dahinter steckt eine große Organisation. Das Leck ist so groß geworden, dass nun der Geheimdienst um Unterstützung gebeten wurde: Die „Pipeline“, d. h. der Schmuggel-Weg, den die Diamanten zwischen Förderung und Verkauf im Ausland nehmen, soll geschlossen werden. Im Verdacht sie zu betreiben steht die Handelsgesellschaft „House of Diamonds“. Sie wird mit der US-Mafia und hier mit der Spangled-Bande in Verbindung gebracht, der die Brüder Jack und Seraffino Spangle vorstehen.
James Bond, Agent mit der Dienstnummer 007, ergreift erfreut die Gelegenheit, der ungeliebten Schreibtischarbeit zu entfliehen. Er schlüpft in die Haut eines kleinen Kriminellen, der kürzlich von der Organisation als Kurier angeheuert wurde. In seinen Job eingeführt wird er von der ahnungslosen Spangled-Handlangerin Tiffany Case.
Kim Paffenroth – Dying to Live 2: Die Traurigkeit der Zombies
Zwölf Jahre ist es her, seit die Zombies die Menschheit überrannten. Die Zivilisation wurde zerstört, aber die Überlebenden haben sich neu organisiert. Wo sie in ausreichender Stärke zusammenfanden, konnten sie die hungrigen Untoten in Schach halten. Inzwischen beginnt man sie zurückzudrängen. Weite Landstriche sind ‚zombiefrei‘ und können landwirtschaftlich genutzt werden. Allmählich kehrt ein Alltag ohne ständige Lebensgefahr ein.
Eine der aufblühenden Kolonien liegt irgendwo im Mittelwesten der USA. Zu den Kindern, die nach der Katastrophe geboren wurden, gehört die zwölfjährige Zoey, deren Eltern von Zombies getötet wurden. Sie wächst ohne Sehnsucht nach einer Vergangenheit auf, die sie nie kennenlernte. Für Zoey ist die Gegenwart der Maßstab eines Lebens, in dem sie ihren Platz ohne dauerpanische Seitenblicke auf mögliche Zombie-Attacken findet.
Kim Paffenroth – Dying to Live 2: Die Traurigkeit der Zombies weiterlesen
Stephen Venables – Everest. Die Geschichte seiner Erkundung
Ein halbes Jahrhundert war seit der Erstbesteigung des Mount Everest am 29. Mai 1953 verstrichen. Die ehrwürdige Royal Geographical Society zu London nahm dies 2003 zum Anlass, ihr berühmtes Bildarchiv zu öffnen. Mehr als 20.000 oft noch niemals publizierter Fotos werden hier aufbewahrt, von denen ca. 400 Eingang in dieses Buch fanden. Sie illustrieren die Geschichte jener Everest-Expeditionen, die zwischen 1921 und 1953 von der Gesellschaft gefördert wurden.
Vorwort (Sir Edmund Hillary), S. 8-10: Der Mann, der 1953 den Mount Everest mit Tenzing Norgay als erster erklommen hat, leitet mit einer kurzen Erinnerung an dieses Ereignis das Buch ein. Eine Grußbotschaft des Dalai Lama (S. 11) erinnert daran, dass Tibet nicht nur der Standort des höchsten Gipfels der Erde, sondern auch die Heimat eines Volkes ist, das seit Jahrzehnten systematisch von den chinesischen Kommunisten unterdrückt wird. Der Dalai Lama merkt weiterhin an, dass die Menschen im Himalaja die Berge als Wohnsitz der Götter achten und nicht als alpinistische Herausforderung betrachten.
Stephen Venables – Everest. Die Geschichte seiner Erkundung weiterlesen
Joachim Körber (Hg.) – Das vierte Buch des Horrors
In zehn Erzählungen wird die Entwicklung der unheimlichen Literatur zwischen 1870 und 1900 nachgezeichnet:
– Vorwort, S. 7-10
– Gustav Adolfo Becquer: Das Teufelskreuz (La cruz del diablo, 1871), S. 11-34: Der böse Ritter rächt sich für seinen Tod und lässt sich als Gespenst auch mit Gottes Hilfe nur schwer unterwerfen.
– Villiers de l’Isle-Adam: Vera (Vera, 1874), S. 35-48: Die Trauer des Witwers ist so stark, dass er die verstorbene Gattin durch die Kraft der Einbildung scheinbar ins Leben zurückholt.
– Robert Louis Stevenson: Der Leichendieb (The Body Snatcher, 1884), S. 49-62: Der skrupellose Arzt entledigt sich scheinbar perfekt eines Erpressers, doch dieser rächt sich für sein grausige Ende.
Joachim Körber (Hg.) – Das vierte Buch des Horrors weiterlesen
Sam Eastland – Roter Zar
Einst gehörte Pekkola zu den Mächtigen des russischen Reiches. Zar Nikolaus II. persönlich hatte ihn zu seinem „Smaragdauge“ ernannt. Der loyale und mit einem fotografischen Gedächtnis ausgestattete Pekkola ermittelte gegen Verschwörer und Verräter, die es auf das Leben des Zaren abgesehen hatten. Doch als 1917 die Oktoberrevolution ausbrach, rissen die Bolschewiki die Herrschaft an sich. Nikolaus und seine Familie ließen die neuen Machthaber nach Sibirien verschleppen und ermorden, Pekkola verschwand im Straflager Borodok, wo er möglichst rasch eines ’natürlichen‘ Todes sterben sollte.
Pekkola hat den Gulag stattdessen bereits neun Jahre überstanden, als man sich im Jahre 1929 seines Ermittler-Talents erinnert. Inzwischen herrscht Josef Stalin, der „Rote Zar“, über die Sowjetunion. Unter seinem Terrorregime ist das Land verarmt. Stalin erinnert sich des 1917 intensiv gesuchten aber nie gefundenen Zarenschatzes, der ihm jetzt gut zupass käme. Außerdem will er Genaues über den Tod des Zaren wissen: Ausgerechnet er, der Millionen Russen in Straflager verschleppen und umbringen ließ, ist für den Mord an den Romanows nicht verantwortlich.
Bernhard Borge – Der Nachtmensch
Die Freunde Bernhard Borge, Autor erfolgreicher Kriminalromane, Kai Bugge, Psychologe, und Inspektor Hammer von der Kriminalpolizei der norwegischen Hauptstadt Oslo schließen eine Wette ab: Bugge und Hammer werden den nächsten Dall gemeinsam aufklären, und Borge wird quasi als Sekundant festhalten, wer den Sieg davonträgt: der moderne Seelenforscher oder der traditionelle Spürhund. Die Gelegenheit ergibt sich, als Borge von seinem Vetter in die Sommerfrische eingeladen wird. Helge Gårholm hat in seiner an einem einsamen Fjord gelegenen Villa „Seewind“ wie so oft eine illustre Gesellschaft um sich geschart, Er ist ein Frauenheld, der seine Gefährtinnen betrügt und gegeneinander ausspielt. Kann er gleichzeitig einen oder gar mehrere Rivalen vor den Kopf stoßen, ist ihm das umso lieber.
Bernhard Borge – Der Nachtmensch
Die Freunde Bernhard Borge, Autor erfolgreicher Kriminalromane, Kai Bugge, Psychologe, und Inspektor Hammer von der Kriminalpolizei der norwegischen Hauptstadt Oslo schließen eine Wette ab: Bugge und Hammer werden den nächsten Dall gemeinsam aufklären, und Borge wird quasi als Sekundant festhalten, wer den Sieg davonträgt: der moderne Seelenforscher oder der traditionelle Spürhund.
Die Gelegenheit ergibt sich, als Borge von seinem Vetter in die Sommerfrische eingeladen wird. Helge Gårholm hat in seiner an einem einsamen Fjord gelegenen Villa „Seewind“ wie so oft eine illustre Gesellschaft um sich geschart, Er ist ein Frauenheld, der seine Gefährtinnen betrügt und gegeneinander ausspielt. Kann er gleichzeitig einen oder gar mehrere Rivalen vor den Kopf stoßen, ist ihm das umso lieber.
Baxt, George – Mordfall für Noël Coward
_Das geschieht:_
New York während der Wirtschaftskrise 1935: Noël Coward, britischer Bühnenautor und Schauspieler, droht der Ruin. Der Vorzeige-Snob muss sich als Nachtclub-Sänger verdingen. Immerhin ist das „Cascades“ ein feines Etablissement, obwohl es von drei Erzgaunern geführt wird, die sich euphemistisch „Vivaldi“, „Beethoven“ und „Bizet“ nennen. Tatsächlich heißen sie Brunetti, Goldfarb und O’Shaughnessy, und die Polizei ist schon lange hinter ihnen her, ohne ihnen bisher je etwas nachweisen zu können.
Seit jeher verdient das Trio gut durch Mädchenhandel. Zwar weit entfernt, in Schanghai, zieht die Polizei die Leiche der Sängerin Maxine Howard aus einem Fluss; sie trägt eine Drahtschlinge um den Hals. Maxine arbeitete allerdings undercover für die US-Behörden und hatte offenbar zu viel gewagt. Inspektor Wang eilt aus Schanghai nach New York, um seinem alten Studienkameraden und Freund Detective Jacob Singer bei den Ermittlungen zu unterstützen.
Singer freut sich, bei diesem Fall quasi dienstlich seinem Hang zur Society- und Künstlerwelt New Yorks nachgeben zu können. Er lässt sich geschmeichelt von Coward bei seinen Ermittlungen begleiten. Der Künstler fühlt sich zum Detektiv berufen. Tatsächlich ist er denkbar ungeeignet, zumal nicht nur die drei Gangster argwöhnisch werden: Da ist auch Electra Howard, eine praktizierende Voodoo-Priesterin, die den Mördern ihrer Schwester Maxine blutige Rache geschworen hat. Mit im Spiel ist Nicholas Benson, ein Schriftsteller mit tragischer Vergangenheit, die er Diana Headman, einer Sängerin, und ihrer Mutter Millicent verdankt, deren genaue Rollen beim Tod ihrer Gatten ungeklärt sind.
Sie alle treffen im „Cascades“ zusammen und belauern einander. Den ersten Fehler begeht freilich das allzu wissbegierige Revuemädchen Edna. Es endet mit einem Blasrohr-Pfeil im Hals. Edna wird nicht das letzte Opfer bleiben, und es sieht ganz so aus, als träfe ihr Los auch den allzu unbekümmerten Noël Coward …
_Vergangenheit als Spielplatz_
Es gab einen Noël Coward, dem in den 1930er Jahren in den USA eine Karriere im Showbusiness gelang. Da dies in rauen Zeiten geschah, war Coward wahrscheinlich in die eine oder andere kriminelle Affäre verwickelt. Ganz sicher hat er jedoch niemals dabei geholfen, einen Mädchenhändler-Ring zu sprengen: Der „Mordfall für Noël Coward“ ist definitiv Fiktion.
Jeder Schriftsteller, der reale Personen in erfundenen Handlungen auftreten lässt, geht ein Risiko ein. Er muss darauf achten, die Wahrheit nicht gar zu sehr zu verbiegen und darf z. B. aus Noël Coward keinen Spion à la James Bond machen. (Coward zog übrigens in späteren Jahren nach Jamaika und wurde Nachbar von – Ian Fleming.) Sogar der historische Laie merkt so etwas und ist (zu Recht) verärgert.
George Baxt wagt es und siegt glänzend. Dabei versucht er nicht einmal, sich sklavisch an die Coward-Biografie zu halten, sondern bedient sich geschickt der Maske, die dieser ebenso exzentrische Mensch wie geniale Künstler der Welt präsentierte. Noël Coward à la Baxt ist der liebenswürdig-boshafte Dandy, der in einen ihm angemessen Kriminalfall gerät.
„Mädchenhandel“ ist an sich ein ernstes Thema, aber dennoch klingt dieser Begriff heute altmodisch und sogar etwas lächerlich. Genau darauf spekuliert Baxt, denn nur in diesem Klima der Nostalgie gedeiht seine Geschichte, die primär eine Nachschöpfung des klassischen angelsächsischen Kriminalromans ist, wie sie typisch war für die Zeit, in der „Mordfall für Noël Coward“ spielt.
|Die gelebte Legende|
Er gilt noch heute als Verkörperung britischer Eleganz in ihrer unnachahmlichen Mischung aus Eleganz, Hochnäsigkeit und boshafter Ironie: Noël Coward (1899-1973). Ein echtes künstlerisches Multitalent war er, der als Schauspieler (Film, Theater) und Sänger in Stücken auftrat, die er oft selbst geschrieben hatte. In der Gesellschaft kultivierte er oben skizziertes Bild, was ihn daheim zum Liebling sogar des Königshofes machte. In den ‚Kolonien‘ wartete man in New York und Hollywood neugierig auf diesen Vorzeige-Briten, der auch die Neue Welt erobern konnte.
Dass Coward homosexuell war, wusste praktisch die gesamte Welt; es spielte nie eine Rolle, denn er war diskret bis zur Selbstverleugnung und erregte deshalb in einer wenig toleranten Ära kein unerfreuliches Aufsehen. George Baxt weiß alle Facetten dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit spielerisch einzusetzen, sodass sogar durchklingt, wie mühsam Coward sein Versteckspiel oft gefallen sein muss. Trotzdem interessiert hier natürlich weniger der wahre Noël Coward (der die vornehme Fassade trotz mancher persönlicher Schicksalsschläge bis zu seinem Tod aufrecht zu erhalten wusste), sondern der von den Medien und dem kollektiven Gedächtnis geschaffene Über-Gentleman.
|“Screwball“-komödiantisch ausgeklammerter Ernst|
Jacob Singer ist wie immer liebenswert rampenlichtsüchtig und ansonsten unauffällig; der perfekte Gastgeber für die nur locker nach ihm genannte Krimi-Reihe Nicht der Detektiv (bzw. hier Polizist) steht im Mittelpunkt. Interessanter sind die prominenten Persönlichkeiten, die Georg Baxt Revue passieren lässt.
Hattie Beavers markiert den schmalen Grat, auf dem Baxt in seiner Rekonstruktion der 1930er Jahre wandelt. Sie tritt als Black-Mama-Dienstbotin und damit in einer jener Klischee-Rollen auf, in die Amerikas schwarze Bürger im Film oder auf der Bühne lange abgedrängt wurden. Baxt spielt hier entweder mit heute politisch unkorrekten Klischees, um diese noch deutlicher anzuprangern, oder er sah sich im Zwiespalt, seiner Geschichte sonst eine außer der Zeit stehende Figur aufprägen zu müssen: Rassendiskriminierung gehörte in dieser Ära zum US-amerikanischen Alltag. In gewisser Weise sorgt Baxt für Abhilfe, indem er mit Electra Howard einen selbstbewussten schwarzen Zeitgenossen auftreten lässt. Auch Inspektor Abraham Wang ist alles andere als ein radebrechender, serviler Charlie-Chan-Chinese.
Leicht ist der Tonfall, und schlimmer als jeder Mord ist es, wenn den Beteiligten im flotten Wortgefecht die Paraden (und die Drinks) ausgehen. Übertreibung geht völlig in Ordnung, sodass problemlos eine leibhaftige Voodoo-Priesterin, ein chinesischer Inspektor, drei Operetten-Gangster oder der monumentalzinkige Komiker Jimmy Durante auftreten können. Als wär’s ein Bühnenstück von Noël Coward selbst, so läuft die unterhaltsame Story bis ins furiose (und feurige) Finale logisch, aber leicht und locker vor den Augen des Lesers ab; auch das ist gewollt, und es funktioniert.
_Verfasser_
George Baxt wurde am 11. Juni 1923 in New York, Stadtteil Brooklyn, geboren. Der Überlieferung nach war er ein Wunderkind, dessen erste Geschichte bereits 1932 veröffentlicht wurde. Auch am Theater versuchte sich das Multi-Talent; sein erstes Stück wurde gespielt, als Baxt gerade 18 war – und nach einem Tag abgesetzt.
Baxt erweiterte unverdrossen die Palette seiner Aktivitäten, schrieb für Bühne, Film und Fernsehen, arbeitete als Theateragent und für die Presse und lernte dabei viele der Künstlerinnen und Künstler kennen, die er später in seinen Thrillern auftreten ließ. In den 1950er Jahren zog Baxt nach England. Dort schrieb er eine Reihe von Drehbüchern für Horrorfilme wie „Circus of Horrors“, „Horror Hotel“ oder „Burn, Witch, Burn“: solide, trashige B-Movie-Ware, die noch heute gern im Nachtprogramm finanzschwacher TV-Sender gezeigt wird.
Seltsamerweise schrieb Baxt erst 1966 seinen ersten Roman („A Queer Kind of Death“). Der Titel verrät es: Hier startete die für ihre Zeit noch ungewöhnliche (insgesamt zehnbändige) Serie um den homosexuellen Privatdetektiv Pharoah Love. Weniger konträr, sondern für das breite Publikum verfasst war die „###- Murder-Case“-Serie, die Baxt 1984 begann; für das „###” ist jeweils der Name eines berühmten (weiblichen oder männlichen) Künstlers (meist Filmstars) einzutragen. (Band 4 bildet die einzige Ausnahme.) Als Ermittler trat in allen diesen Romanen Detective Jacob Singer auf.
Mit großem Erfolg führte George Baxt die Reihe über 13 Bände fort. Mit „The Clark Gable and Carole Lombard Murder Case“ verabschiedete er sich 1997 von Jacob Singer und trat in den Ruhestand. Am 28. Juni 2003 starb George Baxt kurz nach seinem 80. Geburtstag in New York City.
|Gebunden: 284 Seiten
Originaltitel: The Noël Coward Murder Case (New York : St. Martin’s Press 1992)
Übersetzung: Gertraude Krueger
ISBN-13: 978-3-251-30106-5|
_George Baxt bei |Buchwurm.info|:_
[„Mordfall für Tallulah Bankhead“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1002
Queen, Ellery – Willkommen, Mr. Fox
_Das geschieht:_
Davy Fox ist ein Kriegsheld, der in seinem Heimatstädtchen Wrightsville von den Bürgern, die ihn seit seiner Geburt kennen, von seiner Familie und von Gattin Linda ungeduldig bzw. sehnsüchtig erwartet wird. Hoch dekoriert aber tief bekümmert kehrt Davy zurück, denn was er auf den Schlachtfeldern des II. Weltkriegs erlebt hat, verstärkte noch sein Nervenleiden: Als Davy zehn Jahre alt war, musste er miterleben, wie die Polizei seinen Vater abführte. Bayard wurde beschuldigt, seine Gattin Jessica vergiftet zu haben. Obwohl er dies abstritt, sprachen die Beweise so eindeutig gegen ihn, dass Bayard 1933 zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde.
Davy glaubt, des Vaters Mörder-Gen geerbt zu haben. Im Krieg hat er sich abreagiert, indem er die bösen Japse scharenweise niedermähte. Nun liegt er in jeder Nacht wach neben Linda im Bett und kämpft gegen den Impuls an, ihr den Hals zuzudrücken. Als er ihm unterliegt, kommt Linda nur knapp mit dem Leben davon. Sie hält zu Davy und glaubt nicht an einen Familienfluch. Stattdessen bittet sie einen alten Freund, den Mordfall Jessica Fox wieder aufzurollen: Ellery Queen, Kriminalschriftsteller und Privatdetektiv, soll Bayards Unschuld beweisen, um damit Davys Komplex ad absurdum zu führen.
Trotz der Aussichtslosigkeit des Unterfangens stimmt Queen zu. Es gelingt ihm sogar, Bayard für die Dauer der Ermittlungen aus dem Gefängnis zu holen: Queen will die Tat in Wrightsville und in dem seit 1933 leer stehenden Fox-Haus detailgetreu rekonstruieren, um Fehler in der Beweisführung zu finden. In der Tat kommt es zu einer Überraschung: 1933 hatte Bayard seinen Bruder Talbot mit Jessica erwischt. Ebenfalls erst jetzt gesteht Emily, Talbots Frau, von der Affäre gewusst zu haben. Weitere Lücken tun sich im Tathergang auf, was Queen ebenso freut wie Sorgen bereitet: Sollte der wahre Täter fürchten, nach vielen Jahren noch ertappt zu werden, müsste er (oder sie) aktiv werden, um mögliche Zeugen zum Schweigen zu bringen – und genauso geschieht es …
_Der Kriminalroman wird ungemütlich_
Ellery Queen hatte 1945 als Figur eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich: Gestartet war er 1928 als klassischer Gentleman-Detektiv, der sich reich und blasiert dazu herabließ, Verbrechen nicht deshalb aufzuklären, weil die Polizei zu dumm war, sondern weil es ihn interessierte. Die langweiligen Attitüden des realitätsfernen Laffen legte Queen rasch ab. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt selbst (wenn auch als Kriminalschriftsteller), legte mit dem Standesdünkel jegliche Berührungsängste ab und mischte sich unters Volk.
Ende der 1930er Jahre gingen die Vettern Frederic Dannay und Manfred B. Lee, die sich hinter dem Schriftsteller-Pseudonym „Ellery Queen“ verbargen, einen großen Schritt weiter. Hatte das Lösen eines Kriminal-Rätsels bisher eine recht mechanische, auf die Ermittlung als Kunst und Handwerk zentrierte Handlung bedingt, schloss dieser Vorgang nunmehr ausdrücklich das psychologische Element ein: Morde und andere Untaten werden nicht aus heiterem Himmel begangen. Verbrechen haben eine Vorgeschichte, in welcher Menschen und ihre Taten wichtige Rollen spielen.
Der II. Weltkrieg und die damit einhergehenden Umwälzungen machten die Erkenntnis, dass das Böse vor allem im Menschenhirn wurzelt, zum Allgemeingut. Selbst Hollywood konnte sich dem nicht mehr verschließen. Die 1940er Jahre wurden zur großen Zeit des „Crime Noir“, der Krimis der „Schwarzen Serie“, deren Protagonisten nichts Menschliches mehr fremd war.
|Kleinstadt-Hölle auf Erden|
Der Ellery Queen des Jahres 1945 konnte sich in diesem gewandelten Umfeld gut behaupten. Auch er schreckt nicht mehr vor ‚unangenehmen‘ Wahrheiten zurück, zu denen die Anerkennung eines Phänomens gehörte, das lange „Kriegsneurose“ genannt aber vor allem vom Militär als Lappalie abgetan wurde: Soldaten sollten kämpfen. Wurden sie verwundet, flickte man sie wieder zusammen, damit sie ihren Job fortsetzen konnten. Wer sich dem verweigerte, obwohl ihn weder Beine, Arme oder Augen fehlten, galt als Drückeberger und Schwächling.
Doch gegen den armen Davy Fox fahren Dannay & Lee noch schwerere Geschütze auf. Schon in Friedenszeiten und Kindertagen hat sein Gemüt Schaden genommen. Der eigene Vater hat die Mutter umgebracht. Er wird verhaftet und landet für immer im Gefängnis. Für die Familie gilt er als tot, über Bayard Fox wird nicht gesprochen. Die ‚Schande‘ ist dennoch allgegenwärtig, denn die Familie Fox lebt in Wrightsville, einer Kleinstadt, die nur oberflächlich alle Eigenschaften einer Dorfidylle zeigt.
Faktisch ist Wrightsville eine Brutstätte der unbilligen Neugier, des unterdrückten Hasses und der üblen aber heimlichen Nachrede. Da man eng aufeinander hockt, versucht man, die Bosheiten nicht ausbrechen zu lassen. Stattdessen kocht man sie im eigenen Saft und steigert nur ihre Intensität. Stets steht man unter nachbarlicher Aufsicht, werden Worte und Taten kommentiert. Im Guten und vor allem im Bösen bleibt die Ortschronik lebendig: Nicht einmal tot kann man Wrightsville entkommen.
|Verbrechen als Familienerbe?|
In diesem Klima wuchs Davy Fox auf – und entwickelte eine eigene Wahnvorstellung: Er glaubt, von einem Mörder-Gen befallen zu sein, das ihm sein Vater vererbte. Die Vorstellung vom Bösen, das quasi wie ein Virus weitergegeben wurde, hatte 1945 schon eine lange Tradition im Kriminalroman. Sie war angenehm logisch, denn obwohl ihr jegliche wissenschaftliche Basis fehlte, ‚erklärte‘ sie, was man nicht verstand und verstehen wollte: Selbst dort, wo Familienstand, Vermögen und Erziehung es doch verhindern sollten, wurden Menschen kriminell. Wo man in früheren Zeiten vielleicht einen Fluch verantwortlich gemacht hätte, konnten nun böswillig den Familienstammbaum heimsuchender Fremdlinge mit „bösem Blut“ haftbar gemacht werden.
Träfe dies zu, wäre Davy Fox verloren. Glücklicherweise glaubt Ellery Queen nicht an Kleinstadt-Psychologie, sondern an harte Fakten. Der Teufel steckt dieses Mal buchstäblich im Detail. Selten sah sich der Detektiv einer so lückenlosen Indizienkette gegenüber wie im Fall Bayard Fox. Jedes Glied nimmt er unter die Lupe – und wird jedes Mal enttäuscht: Die Behörden haben einst gründlich gearbeitet.
Haben sie natürlich nicht, denn sonst fände diese Geschichte ein rasches und trauriges Ende. In der dicht verwobenen Beweisfolge gibt es eben doch Lücken. Sie werden von denen, die mit Queen den Fall neu aufrollen, als Lappalien abgetan. Der erfahrene Rätselkrimi-Leser weiß, dass dem ganz sicher nicht so ist und Queen hier den Strohhalm gefunden hat, mit dessen Hilfe er langsam aber sicher jenes Beweisgebäude niederreißen wird, das Polizei und Justiz vor zwölf Jahren aufwändig errichteten.
|Wird er oder wird er nicht?|
Die Spannung wird dieses Mal dadurch geschürt, dass nicht nur der Leser Ellery Queen über die Schulter schaut: Ein ganzes Rudel verzweifelter Füchse hängt buchstäblich an seinen Lippen. Vor allem Linda, Davys Gattin, macht aus ihrem Herzen nie eine Mördergrube. Aus heutiger Sicht ist sie sogar kontraproduktiv mit ihrem ständigen Greinen und Händeringen, weil es mit Bayards Rehabilitierung nur schleppend vorangeht.
Hier zeigt sich das Alter dieses Kriminalromans nicht nur nostalgisch, sondern negativ. Welcher Unterhaltungswert wohnt Frauen inne, die primär als Nervensägen agieren? Die Zeitgenossen sahen dies natürlich anders. Mit dem gesellschaftlichen Status ihrer Männer steht und fällt die Position der Fox-Frauen. Sie kennen es nicht anders, weshalb auch die düpierte Emily beim einst untreuen Talbot Fox bleiben wird.
Ellery Queen lässt sich nicht drängeln. Er wird dadurch zum ausgleichenden Element, das der Handlung gut bekommt. Unter der modernen Psychologie kommt immer wieder die altbekannte Frage zum Vorschein: „Whodunit?“ – Wer ist es gewesen. Nicht immer konnten Dannay & Lee den Seifenoper-Gehalt der späteren Queen-Krimis so gut unter Kontrolle halten wie dieses Mal. Mit „Willkommen, Mr. Fox“ ist ihnen eines ihrer Glanzstücke gelungen. Die Spannung steigt bis zum Finale, das wider Erwarten & den gesunden Menschenverstand die scheinbar festgefügte Indizienkette sprengt, damit Queen die Einzelteile in neuer Reihenfolge zusammensetzen kann. Jetzt plötzlich springt dem kunstvoll genas geführten Leser ins Gesicht, wo seine Denkfehler lagen.
Das Tüpfelchen auf diesem I bietet ein Finaltwist, der genau diese Erkenntnissicherheit noch einmal umwirft: Es war alles ganz anders. Solche Tricks gelingen selten bzw. selten so gut wie hier. Kein Wunder, dass nicht nur Literaturkritiker diesen 17. Band der Serie für einen der besten Ellery-Queen-Romane überhaupt halten!
_Autoren_
Mehr als vier Jahrzehnte umspannt die Karriere der Vettern Frederic Dannay (alias Daniel Nathan, 1905-1982) und Manfred Bennington Lee (alias Manford Lepofsky, 1905-1971), die 1928 im Rahmen eines Wettbewerbs mit „The Roman Hat Mystery“ als Kriminalroman-Autoren debütierten. Dieses war auch das erste Abenteuer des Gentleman-Ermittlers Ellery Queen, dem noch 25 weitere folgen sollten.
Dabei half die Fähigkeit, die Leserschaft mit den damals beliebten, möglichst vertrackten Kriminalplots angenehm zu verwirren. Ein Schlüssel zum Erfolg war aber auch das Pseudonym. Ursprünglich hatten es Dannay und Lee erfunden, weil dies eine Bedingung des besagten Wettbewerbs war. Ohne Absicht hatten sie damit den Stein der Weisen gefunden: Das Publikum verinnerlichte sogleich die scheinbare Identität des ‚realen‘ Schriftstellers Ellery Queen mit dem Amateur-Detektiv Ellery Queen, der sich wiederum seinen Lebensunterhalt als Autor von Kriminalromanen verdient!
In den späteren Jahren verbarg das Markenzeichen Queen zudem, dass hinter den Kulissen zunehmend andere Verfasser tätig wurden. Lee wurde Anfang der 1960er Jahre schwer krank und litt an einer Schreibblockade, Dannay gingen allmählich die Ideen aus, während die Leser nach neuen Abenteuern verlangten. Daher wurden die meisten der neuen Romane unter der mehr oder weniger straffen Aufsicht der Cousins von Ghostwritern geschrieben.
|Taschenbuch: 187 Seiten
Originaltitel: The Murderer Is a Fox (New York : Little, Brown and Company 1945)
Übersetzung: Ursula von Wiese
ISBN-13: 978-3-453-03844-8|
http://neptune.spaceports.com/~queen
http://www.heyne-verlag.de
_Ellery Queen bei |Buchwurm.info|:_
[„Chinesische Mandarinen“ 222
[„Der nackte Tod“ 362
[„Drachenzähne“ 833
[„Das Geheimnis der weißen Schuhe“ 1921
[„Die siamesischen Zwillinge“ 3352
[„Der verschwundene Revolver“ 4712
[„Der Giftbecher“ 4888
[„Das Haus auf halber Straße“ 5899
[„Und raus bist du!“ 6335
[„Schatten über Wrightsville“ 6362
[„Spiel mit dem Feuer“ 6459
[„Die trennende Tür“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7138
[„Sherlock Holmes und Jack the Ripper“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7343
[„Die verräterische Flasche“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7755
[„Die Zange“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7789
[„Das zwölfte Geschenk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8130
George Baxt – Mordfall für Noël Coward
New York während der Wirtschaftskrise 1935: Noël Coward, britischer Bühnenautor und Schauspieler, droht der Ruin. Der Vorzeige-Snob muss sich als Nachtclub-Sänger verdingen. Immerhin ist das „Cascades“ ein feines Etablissement, obwohl es von drei Erzgaunern geführt wird, die sich euphemistisch „Vivaldi“, „Beethoven“ und „Bizet“ nennen. Tatsächlich heißen sie Brunetti, Goldfarb und O’Shaughnessy, und die Polizei ist schon lange hinter ihnen her, ohne ihnen bisher je etwas nachweisen zu können.
Seit jeher verdient das Trio gut durch Mädchenhandel. Zwar weit entfernt, in Schanghai, zieht die Polizei die Leiche der Sängerin Maxine Howard aus einem Fluss; sie trägt eine Drahtschlinge um den Hals. Maxine arbeitete allerdings undercover für die US-Behörden und hatte offenbar zu viel gewagt. Inspektor Wang eilt aus Schanghai nach New York, um seinem alten Studienkameraden und Freund Detective Jacob Singer bei den Ermittlungen zu unterstützen.
Ellery Queen – Willkommen, Mr. Fox
Davy Fox ist ein Kriegsheld, der in seinem Heimatstädtchen Wrightsville von den Bürgern, die ihn seit seiner Geburt kennen, von seiner Familie und von Gattin Linda ungeduldig bzw. sehnsüchtig erwartet wird. Hoch dekoriert aber tief bekümmert kehrt Davy zurück, denn was er auf den Schlachtfeldern des II. Weltkriegs erlebt hat, verstärkte noch sein Nervenleiden: Als Davy zehn Jahre alt war, musste er miterleben, wie die Polizei seinen Vater abführte. Bayard wurde beschuldigt, seine Gattin Jessica vergiftet zu haben. Obwohl er dies abstritt, sprachen die Beweise so eindeutig gegen ihn, dass Bayard 1933 zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde.
Davy glaubt, des Vaters Mörder-Gen geerbt zu haben. Im Krieg hat er sich abreagiert, indem er die bösen Japse scharenweise niedermähte. Nun liegt er in jeder Nacht wach neben Linda im Bett und kämpft gegen den Impuls an, ihr den Hals zuzudrücken. Als er ihm unterliegt, kommt Linda nur knapp mit dem Leben davon. Sie hält zu Davy und glaubt nicht an einen Familienfluch. Stattdessen bittet sie einen alten Freund, den Mordfall Jessica Fox wieder aufzurollen: Ellery Queen, Kriminalschriftsteller und Privatdetektiv, soll Bayards Unschuld beweisen, um damit Davys Komplex ad absurdum zu führen.
Jesser, Jody Duncan/Pourroy, Janine – Batman – Das Making-of der Dark-Knight-Trilogie
_Inhalt:_
Gegliedert in die drei Abschnitte „Vorproduktion“, „Produktion“ und „Postproduktion“ rekonstruieren die Film-Journalistinnen Jody Duncan Jesser und Janine Pourroy die Entstehungsgeschichte jener „Batman“-Trilogie, die Christopher Nolan zwischen 2005 und 2012 mit weltweit grandiosen Einspielergebnissen auf die Kinoleinwand brachte.
_Vorproduktion_
In einem ersten Kapitel („Drehbuch“) gehen Jesser/Pourroy auf die Geschichte der Figur ein. 1939 war Batman als Comic-Held erstmals auf Verbrecherjagd gegangen. Seitdem hatten Fernsehen und Kino mehrfach die Figur aufgegriffen. Die beiden von Tim Burton 1989 („Batman“) bzw. 1992 („Batman Returns“) gedrehten Filme gelten nicht nur als Klassiker, sondern schlugen sich auch an den Kassen bemerkenswert erfolgreich. Zwei weitere Fortsetzungen („Batman Forever“, 1995; „Batman & Robin“, 1997) hatten das hoffnungsfroh und einträglich gestartete Franchise jedoch erst beschädigt und schließlich zerstört.
Anfang des 21. Jahrhunderts konnte man davon ausgehen, dass die wütenden Zuschauer die Zumutungen der beiden letztgenannten Streifen vergessen hatten, und einen Neubeginn riskieren. Dieses Mal wollte man es richtig machen, was u. a. die Rückkehr zum düsteren, tragischen, beinahe manischen „Batman“ erforderte, der an der sich selbst auferlegten Verpflichtung, Gotham City lumpenfrei zu halten, zu zerbrechen droht.
Für „Batman Begins“ fiel die Wahl des finanzierenden Warner-Bros.-Studios auf den Regisseur und Drehbuchautor Christopher Nolan, der bisher eher ‚kleine‘ Filme gedreht hatte, die beim Publikum und bei der Kritik aufgrund ihrer betont realistischen Machart großen Anklang gefunden hatten. Diesen Realismus wollte Nolan auch in ’seinen‘ Batman-Film einbringen – eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen, denn in einer Ära digitaler Spezialeffekte beharrte Nolan auf ‚altmodischen‘ Filmtricks, die u. a. den kompletten Überschlag eines echten Sattelschleppers in Längsrichtung vorsahen; dies nicht in einem Studio, sondern in einer richtigen Straße zwischen echten Häusern.
Realismus wurde zum Motto der „Batman“-Produktion, wie Jesser/Pourroy exemplarisch in den Kapiteln „Szenenbild“ und „Kostüme und Make-up“ belegen. Es beeinflusste auch die „Besetzung“, musste der Darsteller des Batman doch in der Lage sein, unter einem schweren Kostüm glaubhaft Emotionen und gleichzeitig den Eindruck zu vermitteln, sich heldenhaft in Häuserschluchten stürzen zu können, um überlebensgroße Bösewichte zu bekämpfen.
|Produktion|
Nolans Beharren auf Realismus i. S. von Glaubhaftigkeit durchzieht die gesamte Trilogie. Jesser/Pourroy rollen die ungemein komplexen, von Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen geprägten Produktionen von „Batman Begins“ (Kap. 5), „The Dark Knight“ (Kap. 6) und „The Dark Knight Rises“ (Kap. 7) detailliert auf. Der oben erwähnte Sattelschlepper-Stunt wurde zur Kleinigkeit angesichts der Erschaffung einer rasch gigantomanisch anmutenden Parallelwelt, die manchmal nur in einer ehemaligen Luftschiff-Halle eingerichtet werden konnte – im Maßstab 1 : 1, wie Nolan es bevorzugt, weil beim Dreh die Schauspieler buchstäblich sehen, was im Drehbuch beschrieben steht, und das Auge des Zuschauers bestätigen kann, dass hier ohne Tricks und doppelten Boden gearbeitet wurde.
Was selbstverständlich nicht zutrifft, wie Jesser/Pourroy vor allem im Kapitel „Spezialeffekte und Stunts“ enthüllen: Die „Batman“-Trilogie zeigt die gesamte Bandbreite des filmtechnisch Machbaren, die durch Nolans zunächst in der Umsetzung oft für unmöglich gehaltene Vorgaben deutlich verbreitert wurde. Der Aufwand ist beachtlich, die Wirkung enorm.
|Postproduktion|
Dieser Aufwand setzte sich in einer Postproduktion fort, die drei bereits in der Produktion teuren Filmen noch einmal Folgekosten im dreistelligen Millionen-Bereich bescherte. Wie Jesser/Pourroy deutlich machen, lassen sich sowohl optisch monumentale als auch emotionale Szenen im Feinschliff aufwerten. „Schnitt, Musik und Sound“ (Kap. 9) heißen die drei Bereiche, in denen entsprechende Instrumente zum Einsatz kommen, wenn vor der Kamera längst Ruhe eingekehrt ist.
Einmal mehr beeindruckt der Aufwand, den beispielsweise die Sound-Spezialisten auf der Suche nach dem einen, neuen, nie gehörten Klang treiben. Endlich gewürdigt werden in Kapitel 10 („Optik“) die Digital-Hexer, die auch Nolan dort bemühen musste, wo die reale Technik definitiv versagte oder kein Mensch ohne direkte Gefahr für Leib & Leben vor die Kamera treten konnte. Zudem wurden die ‚realistischen‘ Aufnahmen nachträglich aufwändig bearbeitet, denn Hollywood weiß, wie sich Realismus künstlich verstärken lässt.
Selbst ein mit Einfallsreichtum, Liebe und Talent entstandener Film ist ein Produkt. Im 11. Kapitel („Marketing“) decken Jesser/Pourroy die Tricks auf, mit denen ein Film zum potenziellen Blockbuster getrimmt wird. Die klassischen Methoden des Trommelrührens werden im 21. Jahrhundert längst durch ein ausgefeiltes virales Marketing ergänzt. Der Aufwand ist gewaltig – hier wird nicht nur sprichwörtlich mit der Wurst nach der Speckseite geworfen.
|Gewichtige Form|
Wenn eine Filmtrilogie weltweit Zuschauer und Dollars in vierstelliger Millionensumme in die Kinos lockt bzw. einspielt, ist ein Monolith wie dieses Buch durchaus angemessen. Christopher Nolans „Batman“-Filme bieten über ihren Kassenerfolg hinaus hochwertige Unterhaltung. Dies geht über die reinen Action-Szenen hinaus, die den Atem stocken lassen. Dem ‚menschlichen Faktor‘ wird viel Spielraum gegeben, was eigentlich den einem Comic entlehnten und deshalb charakterlich eher zweidimensionalen Figuren eine bisher nicht gekannte Tiefe verleiht.
Die Entstehung dieser drei Filme rief eine Industrie auf den Plan, deren Können und Potenzial zwar bekannt ist: Hollywood lässt seit mehr als einem Jahrhundert routiniert Träume wahr werden. Dennoch macht sich der Zuschauer kein echtes Bild von dem Aufwand, der tatsächlich getrieben wird. Den Film-Journalistinnen Jesser und Pourroy ist zu verdanken, dass dieses Kunsthandwerk einem zu Recht faszinierten Leser vor Augen geführt wird. Es bleibt nur das Staunen – beispielsweise über die Anfertigung einer ganzen Serie von Bat-Mobilen, die über ihr eindrucksvolles Styling hinaus tatsächlich fahr- und sprungbereit waren, obwohl die auf den Effekt fixierten Konstruktionen eigentlich jeder physikalischen Logik spotteten.
|(Ge-) wichtiger Inhalt|
Dem trägt dieses Buch Rechnung, das bereits durch seine optische Opulenz beeindruckt. Layouter Chip Kidd zieht in Sachen Text- und Bildgestaltung alle Register seines Handwerks. Nichts bleibt hier dem Zufall überlassen, damit sich die Form wirkungsvoll mit dem Inhalt verbindet.
Aufgeschlagen klaftert „Batman – Das Making-of …“ beinahe einen halben Meter. Das Papier ist dick und glänzend; es bringt die ausschließlich farbigen Fotos bis in die Details brillant zur Geltung. Der Einband ist wuchtig und hält den Papierblock trotz seiner Masse sicher fest. Als Bettlektüre eignet sich dieses Buch nur bedingt, da es mit 2 Kilogramm Gewicht mächtig auf den Magen drückt.
Als Schwachpunkt entpuppt sich ausgerechnet der Text. Die nüchterne Erkenntnis lautet, dass in „Batman – Das Making-of …“ nicht die Informationsvermittlung im Vordergrund steht. Tatsächlich ist dies ein typisches „Coffee Table Book“, das ‚unauffällig‘ auf entsprechenden Möbelstücken platziert wird und den Besitzer vor Gästen als fein- bzw. kunstsinnigen Zeitgenossen adeln soll.
|Höhere Weihen für ein Comic-Action-Drama|
Der durch Erfahrung klug weil zuvor oftmals aufs Glatteis geführte Leser wird bereits misstrauisch, wenn er im Buchtitel das Wort „offiziell“ entdeckt. Es signalisiert auf der einen Seite den freien Zugang zu primären Informationsquellen. Nicht selten durften die Autorinnen die Dreharbeiten beobachten, die sonst |top secret| sind. Auch hinter den Kulissen waren sie dort anwesend, wo erwischte Medienvertreter ansonsten mindestens nach Guantanamo verschleppt werden. Sie sprachen mit den Beteiligten vor und hinter der Kamera und wurden mit exklusivem Material versorgt.
Diese Bevorzugung hat freilich ihren Preis: |Wes Brot ich ess, des‘ Lied ich sing|, heißt ein altes Sprichwort, das in der multimedialen Gegenwart keineswegs an Geltung eingebüßt hat. Im Gegenteil scheint die Forderung an den Journalisten, Abstand zum Gegenstand seiner Recherche zu halten, um die standesgemäße Objektivität wahren zu können, längst ein altmodisches Auslaufmodell zu sein. Besonders skrupellose Vertreter ihrer Zunft verwischen die Spuren gut bezahlter Manipulationen, die einen Bericht zur verkappten Werbung degenerieren lassen.
Jesser und Pourroy gehören zu den Hofberichterstattern, woraus sie nie einen Hehl machen bzw. machen zu müssen glauben. Sie scheinen tatsächlich den eigenen Hosianna-Rufen Glauben zu schenken. Es fällt schwer, nicht gänzlich dem Zynismus zu verfallen, weil Jesser/Pourroy sich nicht einmal die Mühe machen, ihre auf Hochglanz geschönte Darstellung durch wenigstens einige Flecken glaubhafter wirken zu lassen.
|Der Preis des Privilegs|
Der Arsch von Christopher Nolan muss nicht nur der Himmel auf Erden, sondern auch gewaltig sein. So könnte man böse folgern, wenn man Jesser/Pourroy als ‚Journalistinnen‘ vertraut. Nicht nur sie, sondern praktisch alle vor und hinter der Kamera an der „Batman“-Trilogie Beteiligten haben sich am genannten Ort versammelt und stets sehr wohl dort gefühlt.
Man urteilt als Rezensent automatisch grob, wenn man ständig über dreiste Schwurbeleien wie diese stolpert: Kurz nach Abschluss der Dreharbeiten zu „The Dark Night“ starb Heath Ledger, der Darsteller des Jokers. Der Kopf des Marketing-Teams, das die 185 Mio. Dollar teure Produktion global anzupreisen hatte, wird von Jesser/Pourroy mit folgender Reaktion zitiert: |“Heath verstarb, als unser Marketing gerade eine Pause eingelegt hatte … und wir hatten Zeit, um diesen Verlust zu verstehen, zu trauern und unsere nächsten Schritte zu planen. Zuerst haben wir uns mit seiner Familie getroffen und haben ihnen dargelegt, was wir zukünftig machen wollen.“| Das Ergebnis: |“Wir haben uns zusammengesetzt und haben beschlossen, dass wir wie geplant weitermachen, denn Heath war ein so wichtiger Teil des Films.“| (S. 296)
Die salbungsvolle Verlogenheit, mit der diese angebliche Zusammenkunft geschildert wird, prägt generell den Buch-Text in einem Maß, das zunächst irritiert, dann stört und schließlich ärgert. Auf die „Batman“-Filme können und dürfen die Beteiligten stolz sein. Dennoch geht es um einen als Fledermaus maskierten, selbst ernannten Rächer, der grotesk maskierte Comic-Schurken verprügelt. Es gibt keinen tieferen Sinn in der „Batman“-Saga. Jesser/Pourroy gehören zu denen, die ihr einen Subtext aufzwingen, der ihr mehr schadet als nutzt.
Sie, die ‚Journalisten‘, stellen sich dabei in den Dienst des Filmstudios, das mit seinem Produkt möglichst viel Geld verdienen will. Folgerichtig wurden die Dreharbeiten zum letzten „Batman“-Film nicht einfach abgeschlossen: „Epilog: Die Legende endet“, heißt es ehrfurchtsvoll bei Jesser/Pourroy, die seit vielen Jahren ihr Geld mit der Herstellung von „Büchern zum Film“ verdienen und dies auch in Zukunft zu tun gedenken. Die Auftraggeber können mit ihren Leistungen zufrieden sein. Der Leser ist es nicht.
|Gebunden: 305 Seiten
Originaltitel: The Art and Making of the Dark Knight Trilogy (New York : Harry N. Abrams 2012)
Übersetzung: Peter van Suntum
ISBN-13: 978-3-86873-460-7|
http://www.knesebeck-verlag.de
Jody Duncan Jesser/Janine Pourroy – Batman: Das Making-of der Dark-Knight-Trilogie
Gegliedert in die drei Abschnitte „Vorproduktion“, „Produktion“ und „Postproduktion“ rekonstruieren die Film-Journalistinnen Jody Duncan Jesser und Janine Pourroy die Entstehungsgeschichte jener „Batman“-Trilogie, die Christopher Nolan zwischen 2005 und 2012 mit weltweit grandiosen Einspielergebnissen auf die Kinoleinwand brachte.
Vorproduktion
In einem ersten Kapitel („Drehbuch“) gehen Jesser/Pourroy auf die Geschichte der Figur ein. 1939 war Batman als Comic-Held erstmals auf Verbrecherjagd gegangen. Seitdem hatten Fernsehen und Kino mehrfach die Figur aufgegriffen. Die beiden von Tim Burton 1989 („Batman“) bzw. 1992 („Batman Returns“) gedrehten Filme gelten nicht nur als Klassiker, sondern schlugen sich auch an den Kassen bemerkenswert erfolgreich. Zwei weitere Fortsetzungen („Batman Forever“, 1995; „Batman & Robin“, 1997) hatten das hoffnungsfroh und einträglich gestartete Franchise jedoch erst beschädigt und schließlich zerstört.
Anfang des 21. Jahrhunderts konnte man davon ausgehen, dass die wütenden Zuschauer die Zumutungen der beiden letztgenannten Streifen vergessen hatten, und einen Neubeginn riskieren. Dieses Mal wollte man es richtig machen, was u. a. die Rückkehr zum düsteren, tragischen, beinahe manischen „Batman“ erforderte, der an der sich selbst auferlegten Verpflichtung, Gotham City lumpenfrei zu halten, zu zerbrechen droht.
Jody Duncan Jesser/Janine Pourroy – Batman: Das Making-of der Dark-Knight-Trilogie weiterlesen
Stephen Leather – Brut des Teufels
Geschasster Angehöriger einer Elite-Einsatztruppe der Polizei, dann erfolgloser Privatdetektiv in London, einst vom Vater an die Hölle verkauft und auf der Abschussliste mindestens einer nachtragenden Dämonin: Jack Nightingale ist kein Glückskind, und seine Pechsträhne setzt sich ungebrochen fort. Vater Ainsley Gosling hatte – dieses Mal im Tausch gegen die Macht über Frauen – auch die Seele seiner Tochter Robyn verkauft. Die ist inzwischen 31 Jahre alt und ahnt nicht, dass sie in zwei Jahren der Dämon Frimost holen wird.
Jack fühlt brüderliche Gefühle in sich aufsteigen. Er konnte Proserpina, jener Dämonin, der seine Seele versprochen war, in letzter Sekunde von der Schippe springen, und weiß daher, was Robyn erwartet. Doch wo ist die Schwester geblieben? Gosling hat nur spärliche Hinweise hinterlassen. Jack soll sich an den „Orden der neun Ecken“ wenden, deren Mitglieder allerdings dem Teufel Menschenopfer darbringen und schon deshalb für neugierige Außenseiter wenig übrig haben.
Leather, Stephen – Brut des Teufels
_Das geschieht:_
Geschasster Angehöriger einer Elite-Einsatztruppe der Polizei, dann erfolgloser Privatdetektiv in London, einst vom Vater an die Hölle verkauft und auf der Abschussliste mindestens einer nachtragenden Dämonin: Jack Nightingale ist kein Glückskind, und seine Pechsträhne setzt sich ungebrochen fort. Vater Ainsley Gosling hatte – dieses Mal im Tausch gegen die Macht über Frauen – auch die Seele seiner Tochter Robyn verkauft. Die ist inzwischen 31 Jahre alt und ahnt nicht, dass sie in zwei Jahren der Dämon Frimost holen wird.
Jack fühlt brüderliche Gefühle in sich aufsteigen. Er konnte Proserpina, jener Dämonin, der seine Seele versprochen war, in letzter Sekunde von der Schippe springen, und weiß daher, was Robyn erwartet. Doch wo ist die Schwester geblieben? Gosling hat nur spärliche Hinweise hinterlassen. Jack soll sich an den „Orden der neun Ecken“ wenden, deren Mitglieder allerdings dem Teufel Menschenopfer darbringen und schon deshalb für neugierige Außenseiter wenig übrig haben.
So muss sich Jack notgedrungen an Proserpina wenden, die hocherfreut die Möglichkeit nutzt, einen neuen Deal einzufädeln; weil ihr Jack entkam, hat ihr Ruf in Höllenkreisen gelitten. Zwar beantwortet Proserpina Jacks Fragen, doch für jede Antwort wird sie ihm einen Killer hinterherschicken. Drei sind es insgesamt, die sich umgehend auf seine Fährte setzen.
Jack ist gefährlich abgelenkt, denn als er seine Schwester endlich findet, sitzt Robyn Reynolds in einem Sanatorium für geisteskranke Schwerverbrecher: Sie ist eine Serienmörderin, die sich auf Kinder spezialisiert hatte, bevor man sie endlich fassen konnte. Allerdings kommen Jack bald Zweifel an der Schuld der Schwester. Offenbar hat man sie geistig manipuliert, um sie der Polizei als Sündengeiß präsentieren zu können. Die Spur führt ausgerechnet zum „Orden der neun Ecken“ …
_Neuer Dämon, altes Spiel_
Der in Serie gedrechselte Unterhaltungs-Erfolg basiert auf dem Spiel mit bewährten Elementen, die nur sparsam verändert und höchstens ansatzweise weiterentwickelt werden. Nachdem er für den Auftaktband recherchiert hat, möchte der ökonomisch arbeitende (und in dieser Branche nie üppig entlohnte) Autor den weiteren Aufwand und das Risiko möglichst gering halten. Warum sich mehr Mühe als nötig machen, zumal dies womöglich nicht einmal gewürdigt wird, sondern ein Publikum verschreckt, das seinen Lektüre-Spaß am liebsten mit hohen Wiedererkennungswerten goutiert?
Stephen Leather ist ein fleißiger Schreiber. 2013 setzt er die Jack-Nightingale-Serie sogar mit zwei Bänden fort. Viele hundert Seiten wollen mit Inhalt gefüllt werden. Warum nicht auf Nummer sicher gehen und die Geschehnisse des ersten Bandes noch einmal erzählen? Damals rang Jack Nightingale mit der Dämonenfrau Proserpina um seine Seele. Jetzt wiederholt sich dies, wenn Nightingale mit dem Dämon Frimost um die Seele seiner Schwester streitet.
Die Parallelen sind mehr als offensichtlich. Sie reichen bis ins Detail. In Teil 1 fuhren ständig böse Geister in die Hirne von Jacks Mitmenschen, um ihn über den baldigen Ablauf seines Lebens zu informieren. Da dies für die erwünschten Irritationen sorgte, bleiben sie dabei. Nur die Botschaft wird aktualisiert: Nun lassen besagte Geister Jack wissen, dass seine Schwester an der Reihe ist.
|Alter Dämon, neues Spiel|
Weil es schon einmal geklappt hat, beschwört Jack abermals die finstere Proserpina herauf. Für den Fall, dass wir vergessen haben, wie man so etwas macht, wiederholt Leather gern die Beschreibung der erforderlichen Prozeduren. Auch sonst sorgt er dafür, dass wir uns stets in der Geschichte zurechtfinden. So spielen viele Szenen erneut im satanisch verseuchten Keller von Gosling Manor, jenem Landsitz in der Grafschaft Surrey, der Jack von seinem Rabenvater vererbt wurde. (Wundert es uns, dass der alte Gosling Jack ein zweites Bekenner-Video zukommen lässt? Die Frage ist wohl eher, wie viele solcher Scheiben noch auf ihren zukünftigen Einsatz warten.)
Jack raucht und trinkt zu viel und wird dafür von seiner Assistentin Jenny (jung, schön, klug, reich) vorwurfs- aber liebevoll gerügt. Jack wird von den ehemaligen Polizei-Kollegen wahlweise gehasst oder heimlich verehrt, weil er (angeblich) einen Sittenstrolch umgebracht hat. Jack ermittelt in okkultistischen Kreisen, was Dämonen und Satanisten dazu bringt, etwaige Zeugen blutige Morde und Selbstmorde begehen zu lassen. Ständiger Hauptverdächtiger: Jack, der daraufhin ein weiteres Mal von seinem Intimfeind Superintendent Chalmers geschurigelt wird und diesen mit pampigen Antworten ärgert.
Für ein wenig frischen Handlungswind soll jenes teuflische Frage-und-Antwort-Spiel sorgen, das Jack gleich drei irre Mörder an die Kehle bringt. Allerdings dient dies deutlich auch dem Zweck, dieses Buch auf Länge zu bringen: Wenn gerade Zeit ist und kein Teufelsknecht beschattet wird, springt ersatzweise einer dieser Killer aus dem Off, ohne Jack ernsthaft in Lebensgefahr zu bringen. (Was Leather aber selbst anspricht sowie im Finale für einen gelungenen Gag nutzt.)
|Das Rezept stimmt|
Wer sich angesichts der bisher hier niedergeschriebenen Äußerungen über die recht positive Bewertung von „Brut des Teufels“ wundert, hat den diese Rezension einleitenden Satz einseitig und damit falsch interpretiert: Die Schablonisierung des Abenteuers bedingt keineswegs automatisch schlechte Unterhaltung. An ausschließlich der Unterhaltung dienende Romane und Reihen wie diese müssen andere Maßstäbe angelegt werden. Sie ranken sich um die Frage, ob es dem Verfasser gelungen ist, bekannte aber bewährte Genre-Elemente so zu mischen und aufzubereiten, dass daraus weitab literarischer Weihen ein angenehmer Zeitvertreib entstanden ist.
In diesem Punkt darf man Leather gratulieren. Was in „Höllennacht“ noch arg holperte, kommt in „Brut des Teufels“ reibungsarm über die Runden. Falls die angenehm lesbare Übersetzung den O-Ton adäquat einfängt, ist Leather ein Routinier, der die handwerkliche Seite seines Jobs versteht. Die Geschichte trägt den Leser schwungvoll über beinahe 500 Seiten. Verschnaufpausen werden weder gewährt noch gewünscht.
Die Figuren sind reihentauglich, d. h. mit wenigen Strichen gerade so sehr profiliert, dass sie im Gedächtnis haften sowie geliebt oder gehasst werden können. Einige Ecken und Kanten unterstützen geschickt die Illusion von Persönlichkeiten. Wie es sich gehört, ist das Finale gleichzeitig Vorbereitung der Fortsetzung. Wiederum bringt Leather auch diese Hürde sicher hinter sich und bestätigt dieses Gesamturteil: Ungeachtet des Ideen-Recyclings bietet „Brut des Teufels“ jene leichte Lektüre, die sich ein hirnmüder Leser eben auch manchmal wünscht, ohne dafür mit Dumm-Dumm-Mystery bestraft zu werden.
_Autor_
Bevor Stephen Leather, geboren 1956 im britischen Manchester, Schriftsteller wurde, arbeitete er als Journalist und schrieb für Zeitungen im In- und Ausland. Ende der 1980er Jahre verlegte sich Leather auf das Schreiben actionbetonter, das Schwergewicht auf Unterhaltung legender Thriller, die u. a. in den USA, in Irland sowie im Fernen Osten spielten – Länder und Regionen, die Leather nicht nur ausgiebig bereiste, sondern in denen er sich zeitweise ansiedelte, um seine Geschichten in ein möglichst real wirkendes Umfeld einzubetten.
Zu seinen Erfolgen zählt die 2004 gestartete Serie um den Special-Air-Service-Trooper und Undercover-Agenten Dan „Spider“ Shepherd. Verfilmt wurden die Leather-Thriller „The Stretch“ und „The Bombmaker“. 2010 startete Leather die Serie um den Privatdetektiv Jack Nightingale, der sich mit diversen Kreaturen der Hölle u. a. übernatürlichen Unerfreulichkeiten auseinandersetzen muss. Leather schrieb außerdem direkt für das Fernsehen und hier für Infotainment-Serien wie „The Knock“, „London’s Burning“ oder „Murder in Mind“.
|Taschenbuch: 480 Seiten
Originaltitel: Midnight (London: Hodder & Stoughton, 2011)
Übersetzung: Barbara Ostrop
ISBN-13: 978-3-442-37813-5
Als Kindle eBook: November 2012 (Blanvalet Verlag)
ISBN-13: 978-3-641-08420-2|
http://www.stephenleather.com
http://www.randomhouse.de/blanvalet
_Stephen Leather bei |Buchwurm.info|:_
[„Höllennacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7932
Scortia, Thomas N./Robinson, Frank M. – Inferno
_Das geschieht:_
Finanz-Tycoon Wyndon Leroux ruft seinen Star-Architekten Craig Barton in die Firmen-Zentrale. Der leistet unwillig Folge, denn er ist noch immer zornig, weil ihm Leroux sein ‚Baby‘ entzogen hat: Das 66-stöckige „National-Curtainwall“-Gebäude, genannt „Glashaus“, gilt als das fortschrittlichste Hochhaus der Gegenwart. Barton hat es entworfen, aber die bauliche Umsetzung übertrug Leroux anderen, willfährigen Untergebenen.
Den Grund meint TV-Journalist Jeffrey Quantrell ausgemacht zu haben: Für das „Glashaus“ wurden Bauvorschriften ignoriert oder nachträglich gemildert, um Kosten zu sparen. Politik und Stadtverwaltung sind mit im Boot. Da er plant, Kopien des „Glashauses“ überall auf der Welt zu errichten, lässt Leroux seine Verbindungen spielen, um Quantrell auszuschalten. Außerdem treffen dessen Anschuldigungen zu: Das „Glashaus“ ist weder feuersicher noch problemlos zu evakuieren.
Dies rächt sich, als in einem kleinen Lagerraum Feuer ausbricht. Die minderwertigen internen Sicherheitseinrichtungen des „Glashauses“ versagen, die Feuerwehr wird erst spät alarmiert. Das Gebäude steht in einer Höhe in Flammen, die den Einsatz schweren Löschgeräts verhindert. Viele Mieter wurden nicht über den Brand informiert. Im Dachrestaurant essen zahlungskräftige Gäste ahnungslos zu Abend. Unter ihnen befinden sich Bartons Gattin und Wyndon Leroux mit Frau.
Einsatzleiter Mario Infantino und seine Feuerwehrmänner kämpfen sich Stockwerk für Stockwerk vor. Immer wieder laufen ihre Löschversuche ins Leere, weil sich das Feuer aufgrund der akuten Baumängel ausbreiten kann. Auf allen Etagen kämpfen Menschen mit- oder gegeneinander um ihr Leben. Als schließlich eine Gasleitung explodiert, steht das „Glashaus“ bis zu seiner Spitze in Flammen, wo sich die Überlebenden verschanzt haben …
_Hybris und Höhen_
Man kann sagen, dass 1974 das Thema nicht nur in der Luft lag, sondern hoch in dieselbe ragte: 1973 waren die beiden Türme des „World Trade Centers“ in New York eröffnet worden. Mit 417 und 415 Meter Höhe stellten sie zu diesem Zeitpunkt die höchsten Gebäude der Welt dar. Ihre eindrucksvolle Präsenz regte die Fantasie an – im Positiven wie im Negativen. Umgehend eignete sich die Unterhaltungsindustrie die Türme bzw. das Wolkenkratzer-Thema an: Wer hoch baut, kann umso tiefer fallen, ein Geschehen, der sich spektakulär, spannend und einträglich darstellen lässt.
Schon 1933 hatte King Kong dramatisch das Empire State Building erklommen. (1976 wiederholte er diesen Kletterakt am World Trade Center.) Auch ohne Riesenaffen ließ sich das Hochhaus als Spielfläche nutzen. Eine alltägliche Gefahr sorgte für entsprechenden Grusel, der durch das Element der Höhe enorm gesteigert wurde: Häuser brennen, weshalb der Mensch das Feuer fürchtet, seit er nicht mehr in brandfesten Höhlen haust.
Was geschieht, wenn Flucht vor dem Feuer unmöglich und man ihm ausgeliefert ist? Darüber hatten sich selbstverständlich jene, die Hochhäuser entwarfen, bauten und einrichteten, ausgiebig Gedanken gemacht. Es fehlte indes die Erfahrung, ob die getroffenen Schutzmaßnahmen greifen würden; man konnte schlecht einen Wolkenkratzer testweise anzünden. In diese Grauzone der Ungewissheit siedelten Kritiker des Hochhausbaus ihr Misstrauen an: Bauunternehmen sparen gern, wo sie können, und pfuschen, wo sie hoffen, nicht erwischt zu werden. Entsprechende Vorurteile wurden durch schwarze Schafe der Branche genährt und ließen sich problemlos extrapolieren. Hilfreich hinzu gesellte sich der in den 1970er Jahren aufkeimende Generalverdacht, als kleiner Bürger von korrupten, gierigen und skrupellosen Politikern und Konzernen hintergangen zu werden.
|Katastrophen en gros|
Halbwissen und Verdacht verdichteten sich u. a. in einer ganzen Serie sogenannter Katastrophen-Thriller, in denen Hollywood Flugzeuge abstürzen („Airport“, 1970), Schiffe kentern („The Poseidon Adventure“, 1972; dt. „Höllenfahrt der Poseidon“) oder die Erde beben („Earthquake“, 1974; dt. „Erdbeben“) ließ.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch Wolkenkratzer ins Visier genommen wurden. Tatsächlich kamen gleich drei Autoren auf diese Idee. 1973 veröffentlichte Richard Martin Stern (1915-2001) „The Tower“ (dt. „Der Turm“). 1974 folgte das Autorengespann Thomas N. Scortia und Frank M. Robinson mit „The Glass Inferno“ (dt. „Inferno“). Die Handlungen und ihre Ähnlichkeiten waren zufällig bzw. wurden vom Thema vorgegeben.
Von den beiden genannten Romanen ist „Inferno“ der gelungenere – dies nicht, weil er verfilmt wurde, denn „The Towering Inferno“ (dt. „Flammendes Inferno“), der Kino-Blockbuster des Jahres 1974, basierte auf einem Drehbuch, für das beide Bücher verschmolzen wurden. „Inferno“ ist demnach kein „Buch zum Film“, sondern eine Vorlage, die sich durchaus vom Film unterscheidet.
|Der menschliche Faktor|
Der Katastrophen-Thriller bildet ein eigenes Genre, dessen Grenzen recht eng gefasst sind. Dreh- und Angelpunkt stellt das jeweils gewählte Desaster dar. Allein ist es freilich nicht handlungsfüllend, denn selbst die spektakulärste Apokalypse lässt den Leser (oder Zuschauer) kalt, wenn er oder sie sich nicht mit jemandem identifizieren kann.
Dies gibt einen doppelzügigen Spannungsbogen vor. Zunächst werden uns einzelne Personen vorgestellt. Üblicherweise präsentiert der Katastrophen-Thriller einen mehr oder weniger repräsentativen Schnitt durch die Gesellschafts-Pyramide. Hier sind es u. a. ein rücksichtsloser Kapitalist, ein idealistischer Architekt, seine oberflächliche Gattin, ein unerschrockener Feuerwehrmann, ein publicitygeiler Journalist, ein reumütiger Trickbetrüger, ein schwuler Innenausstatter, ein farbiger Sicherheitsmann, ein vom Entzug geschüttelter Junkie u. a. Pechvögel, deren Lebensläufe uns so ausführlich geschildert werden, dass wir heilfroh sind, als es auf S. 170 endlich richtig brennt.
Diese Biografien wechseln sich mit Szenen des Unheils ab. Scortia/Robinson schildern die Entwicklung des Feuers vom schwelenden Funken zum brüllenden, alles verschlingenden Sturm mit dokumentarisch anmutender Detailfreude. Während die Figurenzeichnungen oft ins Klischee abgleiten, sind diese Kapitel zeitlos spannend. Die Autoren steigern das, indem sie das Feuer personifizieren. Sie nennen es „das Tier“ und unterstellen ihm eine diabolische Intelligenz, die in der menschlichen Angst vor dem Feuer begründet liegt.
|Das Ende ist (trügerisch) nahe|
Wenn die Flammen toben, scheiden sich die Protagonisten in Helden, Feiglinge und Opfer. In der Krise bröckelt die Tünche der Zivilisation. Der nackte Charakter bricht sich Bahn, was eine gute Geschichte ergibt. Wiederum lodert das Klischee beinahe so kräftig wie das Feuer, aber Scortia/Robinson widmen sich glücklicherweise ebenso intensiv der eigentlichen Handlung – dem Feuer im Hochhaus, das einen gänzlich anderen Verlauf nimmt als ein Feuer auf ebener Erde. Daraus entwickeln sich Szenen, in denen sich menschliches Schicksal und präzise Katastrophenbeschreibung ideal mischen und eine mitreißende Lektüre bedingen.
Selbstverständlich verzichten Scortia/Robinson nicht auf den Verzögerungseffekt: Gegen Ende des zweiten Drittels scheinen die Flammen bereits zu erlöschen. Der erfahrene Leser lässt sich dadurch nicht täuschen. Kurz darauf bricht das Feuer in einer zweiten, ungleich brutaleren Inkarnation erneut aus. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Das zahlenstarke Feld der Figuren wird dramatisch ausgedünnt. Faktisch ist an Rettung nicht zu denken. Wie Ratten sitzen die verbliebenen Bewohner des „Glashauses“ in der Falle. Verzweiflung greift um sich, die Besonnenen finden sich mit ihrem Schicksal ab, die Helden grübeln fieberhaft über eine Lösung nach.
Selbstverständlich gibt es ein Hintertürchen. Wer das Geschehen bis hierher atemlos verfolgt hat, wäre arg vor den Kopf gestoßen, blieben sämtliche Figuren auf der Strecke, wie es die Logik geböte. Zudem wohnt jedem Katastrophen-Thriller das Element der finalen Erkenntnis inne: Aus den Trümmern rappeln sich die Überlebenden auf und geloben Besserung. (Die kriminellen und unbelehrbaren Zeitgenossen haben es praktischerweise nicht überstanden und fallen als Spielverderber aus.) So geschah es bereits beim Turmbau zu Babel, wurde offensichtlich folgenlos vergessen und lässt seitdem Raum für die nächste Katastrophe. (Dass Wolkenkratzer einstürzen können, weil fanatisierte Verbrecher sie mit Flugzeugen rammen, lag 1974 außerhalb selbst Hollywoods Vorstellungskraft.)
|“Inferno“ – der Film|
Quasi brandheiß schmiedete 1974 Filmproduzent Irwin Allen (1916-1991) das Eisen. Er entfesselte gern Kino-Katastrophen und hatte u. a. zwei Jahre zuvor „The Poseidon Adventure“ („Höllenfahrt der Poseidon“) realisiert. Der enorme finanzielle Erfolg ließ Allen den Einsatz erhöhen, wobei er dem bewährten Rezept treu blieb: Eine schlichte aber bewährte Story wertete er durch spektakuläre Tricks und eine Starbesetzung bis in die Nebenrollen auf.
Die Action-Szenen inszenierte Allen vorsichtshalber selbst, während sich ‚Haupt-Regisseur‘ John Guillermin den Schauspielern widmete. Die Besetzungsliste las sich wie ein „Who’s Who“ des alten und neuen Hollywood: Steve McQueen, Paul Newman und Faye Dunaway spielten die Hauptrollen. Unterstützt wurden sie u. a. von Fred Astaire, William Holden, Robert Wagner und Richard Chamberlain.
Stirling Silliphant übernahm die komplizierte Aufgabe, gleich zwei Romanvorlagen (s. o.) zu einem harmonischen Drehbuch zu kombinieren. Es gelang ihm, für den Rest sorgten Geld und Hollywood-Knowhow. Das „Flammendes Inferno“ tobt in seiner ungekürzten (im deutschen Fernsehen selten gezeigten) Fassung stolze 165 Minuten, ist aber keineswegs langweilig. Ohne es durch fehlplatzierten Tiefsinn zu verärgern, wird dem Publikum ein grandioses Action-Spektakel präsentiert, das sich noch heute sehen lassen kann, obwohl die Spezialeffekte vom Zahn der Zeit kräftig angenagt wirken. Sogar die Kritik war angetan, während sie Katastrophen-Filme üblicherweise gar nicht schätzte. An den Kassen spielte „Flammendes Inferno“ das Zehnfache der Produktionskosten ein.
_Autoren_
_Thomas Nicholas Scortia_ wurde am 29. August 1926 in Alton (US-Staat Illinois) geboren. Er studierte Chemie an der Washington University in St. Louis. Nach seinem Abschluss (1949) arbeitete Scortia für verschiedene Raumfahrt-Unternehmen.
Nach dem Ende der bemannten Mondfahrt (1972) wurden zahlreiche Angestellte ‚freigestellt‘. Scortia hatte bereits in den 1950er Jahren einige Kurzgeschichten veröffentlicht. Sein Debüt war „The Prodigy“ in der Ausgabe März 1956 des Magazins „Science Fiction Adventures“. Um seinen Ruf besorgt, bediente sich Scortia der Pseudonyme Scott Nichols, Gerald MacDow und (möglicherweise) Arthur R Kurtz.
Nach einem ersten Roman, dem 1961 erschienenen Thriller („What Mad Oracle?“), begann Scortia nach 1970 eine Laufbahn als freier Schriftsteller. Dem Science-Fiction-Roman „Artery of Fire” folgte „The Glass Inferno” (dt. „Inferno“), geschrieben 1973 mit dem Science-Fiction-Autor Frank M. Robinson. Mit ihm arbeitete Scortia in den nächsten Jahren immer wieder zusammen.
„The Glass Inferno“ ebnete – nicht zuletzt durch die sehr erfolgreiche Verfilmung 1974 – Scortia den Weg zum Erfolg. Bis zu seinem frühen Tod erschienen regelmäßig weitere Thriller, die sich oft um aus technischem und menschlichem Versagen geborenen Katastrophen und Krisen drehten. Mitte der 1980er Jahre erkrankte Scortia an Leukämie, was möglicherweise die Folge einer allzu intensiven beruflichen Beschäftigung mit der nuklearen US-Waffentechnik war. Er starb am 29 April 1986 in La Verne, Kalifornien.
_Frank Malcolm Robinson_, geboren am 9 August 1926 in Chicago, Illinois, begann seine berufliche Laufbahn als Laufbursche für einen großen Verlag. 1944 wurde er eingezogen und zog mit der Navy in den II. Weltkrieg. Nach dem Ende seines Dienstes studierte Robinson Physik am Beloit College in Wisconsin. Da er nach seinem Abschluss 1950 keine Arbeit fand, kehrte er in den Militärdienst zurück. Dieses Mal diente er in Korea.
Zurück in den USA studierte Robinson Journalismus. Ab 1956 arbeitete er für ein populärwissenschaftliches Magazin, zwischen 1959 und 1973 für verschiedene Herren-Magazine und zuletzt für den „Playboy“, bevor er sich als freier Schriftsteller in San Francisco niederließ. Ab 1950 hatte er Kurzgeschichten und bereits 1956 den SF-Thriller „The Power“ (dt. „Die lautlose Macht“) veröffentlicht, der 1968 verfilmt wurde.
Zwischen 1974 und 1980 schrieb Robinson fünf Wissenschafts- bzw. Technik-Thriller mit Thomas N. Scortia (1926-1986). Nach Scortias Tod veröffentlichte Robinson nur wenige Romane. Er wandte sich in den 1990er Jahren wieder stärker der Kurzgeschichte zu. Sehr aktiv wurde er im sekundärwissenschaftlichen Bereich. Robinson veröffentlichte unzählige Essays u. a. Texte in SF- und Film-Magazinen. Zudem gilt er als ausgewiesener Kenner der „Pulp“-Magazine und hat mehrere reich illustrierte Bücher zum Thema veröffentlicht.
|Taschenbuch: 430 Seiten
Originaltitel: The Glass Inferno (New York: Doubleday & Company, 1974)
Übersetzung: Heinz Nagel
ISBN-13: 978-3-404-00423-2|
http://www.luebbe.de
















