Alle Beiträge von Michael Drewniok

Helen Morrison/Harold Goldberg – Mein Leben unter Serienmördern

Persönliche Geschichte und historische Fakten

Mehr als drei Jahrzehnten arbeitete die Ärztin und forensische Psychologin Helen Morrison als Profilerin, d. h. sie befragte und untersuchte gefangengesetzte Mörder, die gezielt in Serie mordeten und sich dabei so geschickt als ‚normale Menschen‘ tarnten, dass sie ihr Tun über Jahre oder Jahrzehnte fortsetzen konnten. Morrison versuchte einerseits herauszufinden, wie ihnen dies gelang, um mit der entsprechenden Kenntnis anderen, noch nicht entdeckten Serienkillern auf die Spur zu kommen, während sie sich andererseits zu begreifen bemühte, wie diese mörderischen Zeitgenossen „entstehen“ und sich entwickeln, um auf diese Weise Methoden zu ihrer frühzeitigen Erkennung und Behandlung zu finden.

Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse fasste Morrison in diesem Buch zusammen. Die Darstellung ist chronologisch strukturiert und stellt somit auch eine Autobiografie der Verfasserin dar, die ihre Arbeit verständlicherweise nicht strikt vom Privatleben trennen kann; die eine beeinflusst das andere, was folgerichtig in das Erzählte einfließt. Morrison beschreibt zunächst ihre ersten Gehversuche als Profilerin, die sie in den 1970er Jahren als junge und unerfahrene Ermittlerin mit einem Serienkiller namens „‚Babyface‘ Richard Macek“ zusammenführt. Morrison schildert die ungelenken Gehversuche, die in der Kriminalistik damals in Sachen Serienmord unternommen wurden. Es gab noch keine solide Informationsbasis, auf die man sich stützen konnte. Gewagte und aus heutiger Rückschau manchmal seltsame und riskante Versuche wurden in dieser Pionierzeit unternommen, um zu lernen, wie Serienmörder ticken („Gefährliches Terrain: Ein Serienmörder wird hypnotisiert“). Zahlreiche Sackgassen und Rückschläge mussten hingenommen werden, doch allmählich gewannen die Profiler an Boden („Einblicke in Maceks Geist“).

Im Verlauf ihrer Recherchen erkannte Morrison, dass Serienmord keine singuläre Erscheinung des 20. Jahrhunderts ist. Am Beispiel eines Veteranen – des Muttermörders und Leichenschänders Ed Gein, dessen Taten Alfred Hitchcock zum filmischen Meisterwerk „Psycho“ und Tobe Hooper zum Schock-Klassiker „Texas Chainsaw Massacre“ inspirierten – wirft Morrison einen Blick auf die (Kriminal-) Historie und weiß Serienkiller seit dem Mittelalter namhaft zu machen („Ed Gein und die Geschichte der Serienmörder“).

Prominenz und Alltag

Mit dem Fachwissen wuchs der Kreis derer, die Helen Morrison um Hilfe angingen. Es folgte die Prominenz in den Medien, die ihr manches unerfreuliche Erlebnis bescherte aber gleichzeitig half, auch mit den ‚Superstars‘ unter den Serienkillern zu arbeiten („John Wayne Gacy“). Der 33-fache Mörder Gacy verhalf ihr nicht nur zu neuen und wichtigen Erkenntnissen („Auge in Auge mit Gacy“), sondern brachte sie auch ins schmutzige Geschäft mit der ‚Gerechtigkeit‘: In den USA verdienen sich kriminalistische Fachleute gern ein Zubrot als Sprachrohre für Staatsanwälte oder Verteidiger („Im Zeugenstand beim Gacy-Prozess“).

Morrison zog sich nach diesen Erfahrungen auf ihre wissenschaftliche Arbeit zurück, verfeinerte ihre Untersuchungsmethoden parallel zu den medizinischen Errungenschaften, die inzwischen buchstäblich den Blick ins Hirn eines Menschen ermöglichten, und vertiefte ihr einschlägiges Wissen („Die Briefe und Träume des Bobby Joe Long“; „Der Sadismus des Robert Berdella“; „Der Auslöser: Michael Lee Lockhart“). Außerdem erweiterte sie ihr Untersuchungsfeld auf die Menschen, die – in der Regel ahnungslos – mit Serienmördern gelebt hatten: Eltern, Lebensgefährten, Kinder, Freunde („Serienmörder und ihre Angehörigen“) sowie jene seltsamen Menschen, die im Wissen um ihre Verbrechen mit Killern lebten oder diese bei ihren Foltermorden sogar unterstützten („Rosemary West und die Partner von Serienmördern“).

Gegenwart und Zukunft

Der Fortschritt der Kriminologie geht einher mit einer allgemeinen Globalisierung, die auch bisher fremde und isolierte Länder nicht mehr ausschließt. Dabei wird deutlich, dass Serienmörder weder Einzelfälle noch ein singuläres Phänomen der westlichen Industriestaaten sind. Es gibt sie auf der ganzen Welt („Serienmörder – ein internationales Phänomen“). Diese deprimierende Erkenntnis wird teilweise ausgeglichen durch die Tatsache, dass auch die Kriminalisten ihr Wissen verfeinern. Zwar bleibt die „CSI“-Perfektion sicherlich auch zukünftig dem Fernsehen überlassen, doch wird es Serienmördern immer schwerer fallen, ihre Untaten lange unerkannt zu treiben („Die DNA und der Mörder vom Green River“).

Morrison geht in ihrem Schlusswort noch einen Schritt weiter. Ist es möglich, Serienmörder nicht nur möglichst früh zu stellen, sondern kann man sie womöglich identifizieren, bevor sie überhaupt ihren ersten Mord begangen haben? Aus ihrer Arbeit meint sie eine Reihe von möglichen und gangbaren Wegen gefunden zu haben („Epilog: Wie geht es weiter?“).

Schlüssel zum Hirn des Killers

Bücher über Serienkiller und ihre Jäger gibt es sicherlich in ebenso großer Zahl wie ‚Sachliteratur‘ über den Heiligen Gral oder die Umtriebe der UFOs. Mit freundlicher Unterstützung durch Hannibal Lecter ist quasi ein eigenes Genre entstanden, das sich erstaunlich lange in der Gunst des Publikums hält und nicht zuletzt durch die „CSI“-Welle dank des Fernsehens neuen Auftrieb erhielt. Vom Treiben fiktiver Unholde und markiger Mörderfänger profitieren auch reale Kriminalisten, die lange im Verborgenen arbeiten mussten. Heute sind die neugierigen Laien geradezu süchtig nach Blicken in Labors & Leichenhallen, in denen Spezialisten gleich mittelalterlichen Hexenmeistern aus winzigsten Spuren verbrecherische Szenarien rekonstruieren.

Helen Morrison tritt erst auf den Plan, wenn der Strolch – Serienmörder sind in der Regel männlich – bereits gefasst wurde und sicher hinter Gittern setzt. Mit Fragebogen und Hirnstrommessgerät setzt sie sich dem Täter gegenüber und horcht ihn aus. Was keine besonders komplizierte Aufgabe zu sein scheint, relativiert sich durch die Erkenntnis, dass sie es hier mit Menschen zu bekommt, denen Gesetzesvorschriften oder die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens nichts bedeuten: Serienmörder, das weiß uns Morrison in ihrem Buch deutlich zu machen, leben nach ihrem eigenen Verhaltenskodex, der ausschließlich auf ihre privaten Bedürfnisse zugeschnitten ist, zu denen mit einer Furcht erregenden Selbstverständlichkeit Folter und Mord in Serie gehören.

Die Tatsache, dass man es mit einer „anderen Art“ von Mensch zu tun hat, die womöglich geistig gar nicht in der Lage ist zu begreifen, welcher Verbrechen sie sich schuldig macht, erschwert verständlicherweise die Kommunikation mit Serienmördern. Manche sind sogar stolz auf ihre ‚Leistungen‘ und erinnern sich gern ihrer Untaten, was wiederum Morrison einen wichtigen Zugang zur fremdartigen Denkwelt dieser Männer (und einiger weniger Frauen) öffnet.

Profiling als Geschäft

Dies zu schaffen, ermöglicht nicht nur viel Geduld – Morrison ringt und debattiert oft Wochen und Monate mit ihren Gesprächspartnern -, sondern auch eine stabile Psyche, denn mit einem Serienmörder in wirklich engen Kontakt zu treten, bedeutet wahrlich einen Blick in den Abgrund. Unglaubliche Scheußlichkeiten muss Morrison sich nicht nur auf Tatortfotos anschauen, sondern sich von oft triumphierenden Mördern in allen Details beschreiben lassen. Eine Flut belastender, dabei oft wenig informativer Worte und Bilder ergießt sich über sie, unter denen sie die wenigen relevanten Fakten erkennen muss und auswerten kann.

In mehr als drei Jahrzehnten hat Morrison ihr Verständnis vom Serienmörder entwickelt. Sie vertritt klare Standpunkte, die ihr Werk freilich nicht unumstritten machen. So ist sie beispielsweise davon überzeugt, dass Serienmörder als solche bereits geboren werden, sie also genetisch vorbelastet sind und letztlich außerstande sind zu begreifen, was sie anrichten. Auch gegen den Drang zum wiederholten Töten können sie sich im Grunde nicht wehren, so Morrison. Nach ihrer Meinung sind Serienmörder Menschen, die sich emotional niemals entwickelt haben sondern auf der Stufe eines Säuglings, der handelt ohne zuvor über eventuelle Folgen nachzudenken, stehengeblieben sind.

Die Logik dieser Theorie eines rein biologisch bedingten Serienmord-Phänomens ist weder absolut schlüssig noch in der Beweisführung überzeugend. Morrison ist sich dieser Tatsache bewusst. Man muss ihr hoch anrechnen, dass sie der Kontroverse nicht ausweicht, indem sie beispielsweise über ihrer Argumentation Nebelkerzen zündet. Klipp und klar und für Kritik sofort erkennbar fallen ihre Äußerungen aus. Unangenehmen Wahrheiten geht Morrison dabei nie aus dem Weg. Die Welt der Kriminalisten dreht sich nicht ausschließlich um die Suche nach Wahrheiten, sondern wird geprägt von Animositäten, Konkurrenzdenken und im Brustton der Überzeugung geäußerten Falscherkenntnissen. Mit seltener Deutlichkeit nennt Morrison Namen und Ereignisse, die kein gutes Licht auf die Forensiker, Profiler und kriminalistischen Psychologen werfen. Die Autoren ist eindeutig niemand, die ihrem Gegner auch die andere Wange hinhält, ihr Buch auch eine Abrechnung mit Zeitgenossen, die ihr beruflich in die Quere gekommen sind.

Warnung vor dem Heiler!

Unter diesen Aspekten muss man vor allem Morrisons Schlussfolgerungen im letzten Kapitel bewerten. Allen Ernstes plädiert sie für noch intensivere Untersuchungen weiterer Serienmörder, die Gehirnoperationen einschließen. Nicht einmal die Justiz der USA, die kaum als menschenfreundlich zu bezeichnen ist, gestattet solche Experimente. Morrison geht noch wesentlich weiter: Sie denkt über mögliche Konsequenzen ihrer Forschungsarbeit nach. Was geschieht, wenn sie wirklich eine Art ‚Serienmörder-Gen‘ entdeckt? Sollten alle Neugeborenen entsprechend untersucht werden? Kann man sie ‚heilen‘, wenn besagtes Gen auftritt? Falls nicht: Was macht man mit ihnen? Steckt man sie in Gefängnissanatorien, bevor sie – eventuell – zu morden beginnen?

Mit solchen drastischen ‚Anregungen‘ möchte die Verfasserin einerseits provozieren, denn der Serienmord ist für sie, die sich tagtäglich damit beschäftigt, ein brennendes Problem, dem von Politik und Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Andererseits resultiert Morrisons Vorstoß aus dem, was sie lernen musste: Serienmörder sind nicht unbedingt die seelenlosen Kreaturen, die sie in ihren sieht. Auf jeden Fall aber sind jene Menschen und ihre Familien und Freunde unschuldig, die unter mörderischen Attacken schreckliche Qualen erdulden müssen. Wer so etwas quasi miterlebt, wird sich in der Planung von Gegenmaßnahmen nicht von den Grenzen des politisch Korrekten bremsen lassen.

„Mein Leben unter Serienmördern“ ist letztlich kein Fach- oder Lehrbuch, sondern ein allgemeinverständliches Sachbuch, das informieren und Denkanstöße liefern möchte. Als solches ist es eine interessante und anregende Lektüre. Morrison hält sich im Ton meist zurück, ohne aber zu leugnen, dass auch sie oft erschüttert und angeschlagen oder angewidert ihre Arbeitsstätten verlässt. Es fehlt das aufdringlich Spektakuläre, das Schwelgen in blutigen Details, welchem die „True Crime“-Sparte ihren anrüchigen Ruf verdankt. Morrison verzichtet auf Fotos von Tatorten oder die üblichen Fahndungsbilder von Verbrechern, denen ‚Monster‘ praktisch in die Fratzengesichter geschrieben steht. Das Buch kann durch solche Zurückhaltung am richtigen Fleck nur gewinnen.

Autorin

Helen Morrison (*1942) ist Ärztin und als solche spezialisiert auf die Gebiete Neurologie und Psychiatrie. Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeitet sie als forensische Psychologin und hat mehrere Fachbücher sowie mehr als 125 Artikel für wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. Mit ihrer Familie lebt Morrison in Chicago.

Taschenbuch: 352 Seiten
Originaltitel: My Life Among the Serial Killers (New York : William Morrow 2004)
Übersetzung: Sebastian Vogel
http://www.randomhouse.de/goldmann

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (7 Stimmen, Durchschnitt: 1,29 von 5)

Simon Sebag Montefiore – Stalin. Am Hof des roten Zaren

Inhalt:

Auf knapp 900 eng bedruckten Seiten zeichnet der Verfasser eine Biografie Stalins nach, die sich vor allem auf das Privatleben des sowjetischen Diktators konzentriert, während der Politiker Stalin von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung bleibt. Gleichmaßen knapp handelt Montefiore die Kindheits- und Jugendjahre ab; ihnen widmete er sich 2006 in einer eigenen Darstellung: „Young Stalin“ (dt. „Der junge Stalin. Das frühe Leben des Diktators 1878–1917“).

Im Mittelpunkt steht jener Stalin, der seit dem Tod Lenins an die Spitze des Sowjetstaates drängt und sich ab 1929 dort ein Vierteljahrhundert hält, in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre seine Gegner und Konkurrenten in gewaltigen Schauprozessen über die Klinge springen lässt, sich in den Jahren des II. Weltkriegs vom militärischen Dilettanten zum erbarmungslosen Kriegsherrn mausert und nach 1945 körperlich wie geistig verfällt aber voller Furcht und Paranoia zu einem neuen Kreuzzug gegen angebliche ‚Staatsfeinde‘ und mögliche Nachfolger bläst.

Dabei weitet der Verfasser den Darstellungsfokus auf das Umfeld Stalins aus. Dies beschränkt er nicht auf die Familie, die Verwandten oder Freunde. „Am Hof des roten Zaren“ residierten immer auch die „Magnaten“, jene privilegierten Männer (und einige Frauen), die dem Diktator politisch und privat zur Seite standen. Stalin war nie das einzigartige oder einsame Genie, zu dem er stilisiert wurde, sondern fest eingebettet in ein Netz, dessen Mitglieder einander ebenso heftig bekämpften wie stützten. Anhand zahlreicher Beispiele verdeutlicht Montefiore, wie das daraus resultierende, ebenso tyrannische wie absurde stalinistische Sowjetsystem nicht nur funktionierte, sondern sich selbst erhielt, solange es sein geistiger Vater mit eiserner Faust zusammenhielt.

Vier Fotostrecken illustrieren den Text. Die Fotos zeigen den ‚echten‘ Stalin, der sich hinter dem selbst geschaffenen Glorienschein als Mann mit vielen Interessen und Schwächen, aber auch als rücksichtsloser, gefühlsarmer Gewaltmensch entpuppt. Ein mehr als 100-seitiger Anmerkungsapparat verdeutlicht die unerhörte Fleißarbeit des Verfassers, der in mehreren Jahren die Welt überall dort bereiste, wo Stalin oder der Stalinismus Spuren hinterließ. Abgerundet wird das Werk von einem Stammbaum der Stalin-Familie sowie einem Register.

Das Problem einer gefälschten Vergangenheit

Wenn es auf dieser Welt eine Kreatur gibt, die sich zäher als jede Schabe ans Leben klammert, so ist dies der Bürokrat. Seit die Bürokratie existiert, produziert sie beschriebenes oder bedrucktes Papier in einem Überfluss, den selbst der eifrigste Geschichtsfälscher nie eindämmen konnte. Der Fluch wird zum Segen, wenn es gilt, die Wege eines Lebens zu rekonstruieren, das zu einem Gutteil der Aufgabe gewidmet war, die Vergangenheit auszutilgen oder umzuschreiben.

Josef Stalin gilt als einer der größten Geschichtsfälscher aller Zeiten. Er hat sogar eigene Institutionen ins Leben gerufen, die gut damit beschäftigt waren, historische Ereignisse im Sinne ihres Auftraggebers neu zu ‚interpretieren‘. Dazu gesellte sich seitens Stalin eine Verschwiegenheit in eigener Person, die nicht von ungefähr kam, gab es doch genug Verbrechen, Verrat und andere Scheußlichkeiten des jungen Josef, die nicht zum glorienumkränzten Bild des großen, genialen, gütigen Landesvaters passen wollten, der sich mit der Sowjetunion identifizierte und als deren Inkarnation unfehlbar sein musste.

Stalins (politische) (Un-) Taten sind indes von einer brutalen Eindeutigkeit, die selbst der berühmte „Eiserne Vorhang“ nicht decken konnte. Die letzten Dämme brachen mit dem Untergang der UdSSR. Immer neue Archivbestände öffnen sich seither auch dem westlichen Historiker. Sie komplettieren die Bilder sowjetischer Politprominenter oder werfen Licht dorthin, wo bisher überhaupt Wissenslücken klafften.

Der Mann hinter der Maske

Der politische Aspekt von Stalins Leben ist für Simon Sebag Montefiore indes von sekundärer Bedeutung. Die Archive in dieser Hinsicht auf verborgene Schätze zu durchsuchen, überlässt er Historikerkollegen. Sein Ansatz ist ein anderer: Montefiore nähert sich dem Menschen Stalin, dessen Leben und Wirken er durch die Herkunft geprägt sieht: Stalin war nach Montefiore nur vorgeblich ein sozialistischer Weltbürger und konnte seine georgischen Wurzeln nie verleugnen. So verhielt er sich wie ein orientalischer Potentat des Mittelalters, der – stets belauert von Feinden – Gewalt als legitimes und unentbehrliches Instrument einsetzte.

Stalin war freilich ein Diktator, dem die Vernichtungsmaschinerien des 20. Jahrhunderts zur Verfügung standen. Sein Terror konnte sich so über Länder und Kontinente verbreiten und kostete 20 Millionen Menschen das Leben. Noch viel größer ist die Zahl derer, die durch den Stalinismus Freiheit und Heimat oder ‚nur‘ Job und Karriere verloren; genau wird man niemals rekonstruieren können, wie viele individuelle Existenzen, Familien, Freundschaften Stalins Terror zerstörte.

Mit seiner These setzt sich Montefiore bewusst der Kritik aus. Dies ist legitim, viele Gegenargumente leuchten ein. Andererseits wagt es Montefiore, einen neuen Weg einzuschlagen. Dabei bringt er eine Unzahl wertvoller Fakten ans Tageslicht, die nun der historischen Diskussion zur Verfügung stehen. Vieles mag davon verworfen oder neu und anders bewertet werden, doch es ist jetzt bekannt – und dies eben nicht nur den Fachleuten.

Ein Buch, das jede/r verstehen kann

Montefiore achtet auf eine auch dem historischen Laien verständliche Sprache. „Am Hof des Roten Zaren“ weist sogar die Qualitäten eines Romans auf. Zeithistorie verwandelt sich unter der Feder Montefiores in (eine) spannende Geschichte. Die komplexe Materie prägt sich dem Leser ein; kein leichtes Unterfangen angesichts einer wahren Flut zu berücksichtigender Personen, deren komplizierte Namen nicht selten auch noch sehr ähnlich klingen. Montefiore behält die Übersicht, er verleiht der historischen Realität eine der Darstellung nützliche Form, ohne sie dabei um des Effekts willen zu verraten.

Natürlich – so muss man wohl sagen – gehen ihm dabei manchmal die Pferde durch. Montefiore weicht oft weit vom Pfad der wissenschaftlichen Objektivität ab. Er macht daraus keinen Hehl, es lässt den Text lesbarer wirken. Dies nimmt der Verfasser in Kauf, obwohl „Am Hof des Roten Zaren“ auf diese Weise vom Fach- und Sachbuch wird. Er schließt sich damit selbst aus dem universitären Elfenbeinturm aus, erweitert aber den Kreis seiner potenziellen Leser. Dass die Entscheidung richtig war, lässt sich daran ermessen, wie leicht sich dieses Buch mit seinen fast 900 eng bedruckten Seiten liest.

Autor

Simon Sebag Montefiore (geb. 1965) lehrt (Neuere) Geschichte im Gonville & Caius College zu Cambridge. (Seine Erfahrungen als Student und Nachwuchsdozent hielt er 1992 in seinem Bucherstling „King’s Parade“ fest.) Er hat sich auf die russische bzw. sowjetische Vergangenheit spezialisiert und sein Wissen auf ausgedehnten Studienreisen durch die ehemalige UdSSR vor Ort vertieft.

Montefiore schreibt für Zeitungen wie „Sunday Times“, „New York Times“ oder „Spectator“. Im Jahre 2000 veröffentlichte er das Sachbuch „Potemkin: Prince of Princes“, das großes Kritiker- und Publikumsinteresse erregte. Weitere erfolgreiche Werke folgten, unter denen „Stalin: The Court of the Red Tsar“ ein Bestseller und 2004 mit dem „History Book of the Year Award“ ausgezeichnet wurde.

Montefiore gehört der „Royal Society of Literature“ an. Darüber hinaus moderiert er TV-Dokumentationen. Mit seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Santa Montefiore, und seiner Familie lebt und arbeitet der Verfasser, der inzwischen auch Historien-Thriller schreibt, in London.

Taschenbuch: 874 Seiten
Originaltitel: Stalin – The Court of the Red Tsar (New York : Alfred A. Knopf 2004)
Übersetzung: Hans Günter Holl
http://www.fischerverlage.de

eBook: 8648 KB
ISBN-13: 978-3-641-13420-4
http://www.fischerverlage.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 1,50 von 5)

Clifton Adams – Zug der Verdammten

Ein einfacher Cowboy soll zwei Schwerverbrecher vor die Schranken des Gerichts zu bringen, wobei ihm Kopfgeldjäger, lynchwütige Vigilanten und eine heiratslustige Frau in die Quere kommen ¼ – Spannender, stimmungsvoller Abgesang auf den „wilden“ Westen, der vom Wandel eines Herumtreibers zum verantwortungsbewussten Mann als Prozess erzählt, für den ein bitterer Preis gezahlt werden muss.
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Doug Allyn – Schwarzwasser

Huron Harbor ist ein kleines Städtchen am Ufer des Michigan-Sees. Hier führt Michelle Mitchell, ehemalige Berufstaucherin, das Restaurant „Krähennest“ und einen kleinen Laden für Tauchsportgeräte. Weil das Geschäft nur mäßig läuft, verdient sie sich gern ein paar Dollar dazu, wenn es darum geht, auf dem Grund des Sees nach verlorenen Bootsmotoren oder Ausrüstungsgegenständen zu fahnden – oder nach den Leichen allzu wagemutiger Süßwassermatrosen.

Dieses Mal ist es ein versunkenes Auto, das im schwarzen Wasser des Odawa Rivers entdeckt wurde. Es ist beladen mit Gepäck, aber ohne Fahrer – und Michelle hat es bereits gesehen. Einige Tage zuvor war Jimmy Calderon ins „Krähennest“ gekommen, um sie nach Owen McClain, einem örtlichen Geschäftsmann, auszuhorchen. Der ist angeblich sein Bruder, wie wenig später Ray Calderon verkündet, der auf der Suche nach seinem Halbbruder just in Huron Harbor eintrifft, als dessen Wagen aus dem Wasser gezogen wird.

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Peter Bogdanovich – Wer hat denn den gedreht?

Bevor sie starben und ihr einmaliges Insiderwissen mit ins Grab nahmen, befragte der junge Journalist und spätere Regisseur Peter Bogdanovich Filmschaffende, die in der „Goldenen Ära“ Hollywoods gearbeitet und Meisterwerke auf die Leinwand gebracht hatten. Viele Jahre später stellte Bogdanovich diese Interviews in einem grandiosen Sammelband vor, der eine große Zeit des klassischen Kinos kundig und ebenso informativ wie anekdotenreich aufleben lässt: ein Meisterwerk! Peter Bogdanovich – Wer hat denn den gedreht? weiterlesen

Helmut G. Asper – Etwas Besseres als den Tod … – Filmexil in Hollywood

Das Ende der (künstlerischen) Freiheit

Wer weiß heute noch, dass Deutschland einst eine Filmlandschaft war, die sich in Größe fast und in Erfolg und künstlerischem Reichtum auf jeden Fall mit Hollywood messen konnte? In den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts war dies tatsächlich der Fall. Deshalb hielten die großen US-Studios stets die Augen offen, was sich im Land der Dichter und Denker tat, und waren sich nicht zu schade, Talente und Stars für die eigenen Filme abzuwerben. Kein Wunder, denn Deutschland war ein Tummelplatz fabelhafter Unterhaltungskünstler, die auf eine lange und ungebrochene Kultur-Tradition zurückblicken und -greifen konnten.

Dass ein großer Teil dieser Künstler jüdischen Glaubens war, störte nur die üblichen antisemitischen Wirrköpfe, die jedoch ihr Gift hauptsächlich unter ihresgleichen verspritzen mussten und so gering an Zahl blieben, dass ihr Wirken eher störend oder lästig als bedrohlich war. Das änderte sich nachdrücklich und endgültig im Januar 1933, als die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland buchstäblich ergriffen. Hitlers Wahnidee eines verschworenen Weltjudentums, das es im Namen des Guten und Reinen zu bekämpfen und zu vernichten galt, wurde sogleich in die Tat umgesetzt – vorsichtig vorläufig noch, da der Umgang mit dem Instrumentarium der Macht erst erlernt und Rücksicht auf die misstrauischen innen- und vor allem außenpolitischen Gegner der Nazis genommen werden musste, aber bereits konsequent.

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Walter Moers – Adolf: Der Bonker

Das geschieht:

Berlin, Ende April 1945. Der Krieg ist für das Deutsche Reich an allen Fronten längst verloren, der Feind steht bereits hinter den Toren der Hauptstadt Berlin. Dort sitzt in seinem „Bonker“ Adolf, die Nazi-Sau, einst „Größter Feldherr aller Zeiten“, nun ein geschlagener Diktator, der partout nicht einsehen will, dass seine Herrschaft zu Ende ist.

Keiner nimmt Adolf mehr Ernst. Der britische Premierminister Winston Churchill spielt ihm fiese Telefonstreiche, auf die der humorlose Tyrann stets hereinfällt. Freundin Eva Braun schläft mit jedem außer ihm, für den nur maulige Vorwürfe abfallen, wann der lästige Krieg endlich vorüber sei. Ehemalige Kampfgefährten wie Hermann Göring, Benito Mussolini oder der japanische Kaiser versuchen den störrischen Diktator zur Kapitulation zu bewegen. Aber sowohl sie als auch der Tod, Gott oder Michael Jackson, die in ähnlicher Mission im „Bonker“ auftauchen, bleiben erfolglos. Walter Moers – Adolf: Der Bonker weiterlesen

Tom Bradby – Der Gott der Dunkelheit

Das geschieht:

Im Juni des Jahres 1942 stürmen die Truppen Hitler-Deutschlands an allen Fronten scheinbar unaufhaltsam vor. Unter dem Kommando Generals Rommel treiben die Nazis in Nordafrika die britischen Verteidiger vor sich her. Nur noch Stunden steht das Afrikakorps vor Kairo, der letzten Bastion. Die Briten sind demoralisiert an der Front und gefährdet in der Etappe. Vor einigen Monaten haben sie König Faruk von Ägypten abgesetzt und regieren das Land seither ganz unverhohlen als Kolonie. Die Ägypter haben das nicht vergessen. Separatisten und Terroristen blieben bisher erfolglos, doch Rommels Nahen lässt sie Oberwasser gewinnen. In den Straßen Kairos macht sich eine gefährliche Stimmung gegen die Briten und für Hitler breit.

In diesem Chaos versucht Major Joe Quinn, Chefermittler des Special Investigation Branch in der Kriminalabteilung der Royal Military Police, einen brutalen Mord aufzuklären. Im Garten seiner Dienstwohnung fand man die Leiche von Captain Rupert Smith, die Kehle durchschnitten, der Körper an einem Baum aufgeknüpft, auf der Brust die Figur von Seth, Gott der Finsternis und des Chaos, eingeritzt, darunter das Wort „Befreiung“. Dies weist auf die Täterschaft der „Arabischen Bruderschaft“ hin, einer besonders aktiven ägyptischen Befreiungsorganisation. Alarmierend ist weiterhin die Tatsache, dass Smith als hoher Offizier der Einheit Movement Control Kenntnis über Position und Kampfstärke jeder britischen Fronteinheit hatte. Wurde dieses hochgeheime Wissen womöglich an die Nazis verraten? Tom Bradby – Der Gott der Dunkelheit weiterlesen

Alexander Kent – Zwölf Sekunden bis zum Untergang

Das geschieht:

1943 steht Nazideutschland auf der Höhe seiner Macht. Der Süden Großbritanniens steht unter Dauerfeuer. Aus der Luft greifen Bomber die Städte an, die Küsten werden von Kriegsschiffen und U-Booten abgeriegelt. Gefürchtet sind auch die deutschen Minen, die aus der Luft abgeworfen oder im Meer versenkt werden. Viele enden als Blindgänger, andere werden entdeckt, bevor sie explodieren können. Alle sind sie zu entschärfen – eine gefährliche Aufgabe, denn die Konstrukteure haben Todesfallen eingebaut. Zwölf Sekunden bleiben dem unglücklichen Entschärfer zu erkennen, dass er einen Fehler gemacht hat, bevor er in Stücke gerissen wird.

So hat der Vorgänger von Korvettenkapitän David Masters seinen Job verloren. Die Royal Navy ernennt den neuen Mann zum Kommandanten der Torpedo- und Versuchsanstalt „HMS Vernon“, wo man sich auf Sprengkörper aller Art spezialisiert hat. Auch Minenleger, -räumer und Entschärfer werden hier ausgebildet; der Bedarf ist groß … Die Angst ist ständiger Begleiter der Männer, die gleichzeitig fasziniert sind vom Kampf mit der Bombe, dem „Biest“, den sie stets ganz allein führen müssen. In der letzten Zeit sind die Verluste höher denn je, denn die Deutschen testen einen neuen Minentyp, der bei jedem Entschärfungsversuch bisher unweigerlich explodierte. Alexander Kent – Zwölf Sekunden bis zum Untergang weiterlesen

June Thomson – Alter Sarg für neue Leiche

thomson sarg cover kleinDas geschieht:

Auf einem brachliegenden Feld in der englischen Grafschaft Dorset graben Archäologen eine Leiche aus, die nur noch Skelett, doch ganz und gar nicht historisch ist. Chief Inspector Finch übernimmt einen seltsamen Fall, denn der tote Mann wurde zwar ermordet, aber nach seinem Ende vom Mörder sorgfältig aufgebahrt und in eine Wolldecke als Leichentuch gehüllt; sogar ein Kruzifix als Grabbeigabe wird entdeckt.

Das einsame Grab liegt auf der Grenze zwischen den Ländereien zweier nicht gerade befreundeter Bauern. George Stebbing ist ein scheinheiliger Schwätzer, der seine Nase allzu gern dorthin steckt, wo sie nichts zu suchen hat, Geoff Lovell ein grimmiger Sonderling, der seine Schwägerin Betty und seinen geistig zurückgebliebenen Bruder Charlie auf dem Hof gefangen zu halten scheint.

June Thomson – Alter Sarg für neue Leiche weiterlesen

Simmons, Dan – Sommer der Nacht

Elm Haven ist ein kleines Städtchen, im ländlichen US-Staat Illinois dort gelegen, wo es beschaulicher kaum zugehen kann. Die Welt ist noch in Ordnung in diesem Sommer des Jahres 1960; Sorgen macht sich der Durchschnitts-Amerikaner höchstens wegen der ruchlosen Kommunisten, doch Präsident „Ike“ Eisenhower wird sie schon in Schach und im fernen Russland halten. Ansonsten herrscht Ruhe im Land – Arbeit gibt es für jedermann, die Zukunft sieht allgemein rosig aus, und die Schwarzen verharren bescheiden auf dem Platz, den ihnen der HERR, das Schicksal und der Ku-Klux-Klan zugewiesen haben.

So scheint denn die einzige Sorge der Kinder von Elm Haven zu sein, dass die Sommerferien einfach nicht beginnen wollen. Schuljahre sind keine Herrenjahre in dieser Stadt; das gehört sich einerseits so, wird andererseits jedoch unverhältnismäßig betont durch den stillen Schrecken, der von der „Old Central School“ ausgeht. Das riesige, verwinkelte, unwirtliche und an eine Festung erinnernde Gebäude wurde zu einer Zeit erbaut, als die Einwohner von Elm Haven wesentlich kopfstärker waren. Nun steht es weitgehend leer und ist ein recht unheimlicher Ort, über den der seelenlose Rektor Roon, die alte Mrs. Doubbets und der halb verrückte Hausmeister Van Syke herrschen. Glücklicherweise wird „Old Central School“ nun geschlossen und soll bald abgerissen werden.

Aber bevor die Lernfron endlich endet, verschwindet ein Schüler spurlos in den Korridoren des Gebäudes. Der Vorfall wird vertuscht, denn das Opfer gehört nur zum „weißen Abschaum“ Elm Havens, der den braven Bürgern und ihrer Polizei herzlich gleichgültig ist. Dieser Vorfall ist jedoch nur der erste in einer langen Kette mysteriöser Ereignisse, die ausschließlich den Kindern der Stadt und allen voran der „Fahrradpatrouille“, fünf verschworenen und aufmerksamen Freunden um den Sechstklässler Dale Stewart, aufzufallen scheinen. Zu ihnen gesellt sich Duane McBride, ein Genie im Körper eines Bauerntölpels, dem die „Patrouille“ wertvolles Hintergrundwissen über das Grauen verdankt, das sich quasi hinter den Kulissen der Stadt zu verdichten beginnt. Ausgerechnet Elm Haven ist die Brutstätte eines üblen magischen Bundes, der sechs Jahrhunderte zuvor im Rom der berüchtigten Borgia-Päpste seinen Anfang nahm und seinerseits nur die Fortsetzung eines fürchterlichen Kultes ist, der den altägyptischen Totengott Osiris verehrt. Die Kinder finden heraus, dass die Prominenz von Elm Haven zu den Götzendienern gehört und „Old Central School“ ihnen geheimes Hauptquartier und Tempel zugleich ist, an dem Osiris seit Jahrzehnten grausame Menschenopfer gebracht werden. Schlimmer noch: Nach vielen Jahren der Vorbereitung und Beschwörung steht die Rückkehr des Totengottes in diese Welt unmittelbar bevor!

Elm Haven ist der ideale Ort für dieses Ereignis, denn wer in diesem Tal der Satten und Ahnungslosen würde solchen Horror für möglich halten? So stehen die Kinder allein in ihrem Kampf, der zunehmend verbissener wird, als die Osiris-Jünger bemerken, dass man ihnen auf die Schliche gekommen ist. Unter die menschlichen Handlanger mischen sich Zombies und andere Schreckensgestalten, und dann beginnen bizarre Morde die schockierten Einwohner Elm Havens zu dezimieren …

Was klingt wie ein Opus aus der Feder des unermüdlichen Stephen King, ist tatsächlich dem Hirn seines nicht minder fleißigen Schriftsteller-Kollegen Dan Simmons (geboren 1948 in Illinois – aha!) entsprungen. Dieser gehört wohl zu den interessantesten Gestalten der modernen Unterhaltungsliteratur, denn es gibt kaum einen Autoren, der vielseitiger ist und sein Publikum mit immer neuen Geniestreichen zu überraschen weiß. Horror, Science-Fiction, historischer Krimi, Mainstream oder Thriller – Simmons springt nach Belieben zwischen den Genres und bedient sich mit traumwandlerischer Sicherheit der jeweiligen Regeln. Das hat ihn schon früh der Kritik (der man selten etwas recht machen kann) verdächtig werden lassen, die ihm vorwirft, ein zwar begnadeter, aber konturarmer Kopist zu sein, der sich des Tonfalls und der Methoden erfolgreicher Vorbilder bediene, ohne je zu einem eigenen Stil zu finden. Abgesehen davon, dass dies faktisch nicht zutrifft – man lese nur die großartigen Story-Sammlungen [„Lovedeath“ 2212 (1993, dt. „Liebe und Tod“) oder „Prayers to Broken Stones“ (1990, dt. „Styx“), in denen Simmons seine Eigenständigkeit und enorme schöpferische Bandbreite unter Beweis stellt -, muss dies den Leser und Freund des Unheimlichen nur am Rande interessieren: Selten gibt es Schriftsteller, die so zuverlässig wie Dan Simmons auf überdurchschnittlichem Niveau zu unterhalten verstehen. Er besitzt definitiv dieselbe Kragenweite wie Stephen King, Peter Straub oder Ramsey Campbell und deklassiert qualitativ schwankende Genre-Stars und Schreibautomaten wie Dean Koontz oder James Herbert mit ernüchternder Leichtigkeit.

„Sommer der Nacht“ gehört zu herausragenden Werken der ohnehin eindrucksvollen Simmons-Titelliste. Ich persönlich gehe sogar so weit, ihn als den besten Stephen-King-Roman zu bezeichnen, den der Meister nicht selbst geschrieben hat. Die Parallelen zu „It“ (1986, dt. „Es“) sind mehr als augenfällig, geradezu dreist wildert Simmons in Kings ureigenem Revier: der „coming-of-age“-Story, in welcher der Horror bevorzugt US-amerikanische Bilderbuch-Kleinstädte heimsucht. Simmons geht unerschrocken noch einen Schritt weiter und siedelt „Sommer der Nacht“ in jener „American Graffiti“-Epoche zwischen II. Weltkrieg und Vietnam an, da sich die Welt denen, die am richtigen Fleck geboren waren, als wunderbarer, geordneter Ort voller Möglichkeiten darstellte.

Der Verfasser verwandelt Elm Haven in eine geradezu aggressiv heile Welt. Doch nachdem Simmons seinem Publikum beinahe schmerzhaft süßlich ein Amerika im Stande der Unschuld vor Augen geführt hat, beginnt er seinen heimeligen Mikrokosmos sogleich gekonnt zu demontieren. Lange bevor der übernatürliche Horror Elm Haven heimzusuchen beginnt, legt der Verfasser wie nebenbei und dadurch um so drastischer offen, wo es kracht im Getriebe der Kleinstadt-Idylle. Korruption, schlecht verhohlene Vorurteile und Rassismus, Selbst- und Ungerechtigkeit, verdrängte Not, borniertes Kastenwesen, Duckmäuserei, Schubladendenken – die Liste der großen und kleinen Bosheiten, die das Leben finster machen, will kein Ende nehmen. Nicht einmal das höchste Heiligtum selbst ernannter Tugendwächter und -bolde wird geschont: Tatsächlich entpuppt sich die (amerikanische) Familie immer wieder als wahrer Hort des Horrors, mit dem selbst die untoten Horden des Osiris nicht mithalten können.

Mit trügerischer Leichtigkeit entwirft Simmons so ein atmosphärisch unerhört dichtes Stimmungs- und Sittenbild einer Zeit, die eben doch nicht so golden war wie sie nachträglich gern verklärt wird. Auch ohne Tanz der Vampire ist dies unerhört spannend zu lesen. Tatsächlich wirkt die Mär vom finsteren Urzeit-Kult lange Zeit beinahe störend in der Geschichte dieses Sommers von 1960. Als es dann ernsthaft zu spuken beginnt, flicht Simmons das Übernatürliche allerdings meisterhaft in die Handlung ein. Ganz verhalten beginnt sich das Böse einzuschleichen, umkreist und umzingelt die „Fahrradpatrouille“ wie den Leser gleichermaßen, verstört durch Andeutungen und grausames Geschehen zwischen den Zeilen, gewinnt zunehmend an Tempo und schlägt schließlich in eine wahrlich ungeheuerliche Tour de force um. An drastischen Effekten wird jedenfalls nicht gespart, gesplattert nach Herzenslust, und das Jenseits spart nicht an grotesken Besuchern mit abstoßenden Angewohnheiten.

An diesem Punkt beginnen Simmons freilich die Zügel seiner Geschichte zu entgleiten. Nachdem das Böse seine Maske endlich fallen ließ, muss es bekämpft und ausgerottet werden. Hier kann der Verfasser seine Herkunft nicht länger verleugnen: Das Grauen wird US-typisch mit brachialer Gewalt und großkalibrigen Waffen angegangen. Weil die Protagonisten nach wie vor Kinder im Alter von etwa 11 Jahren sind, wirkt ihre Verwandlung in Miniatur-Rambos reichlich unrealistisch. Das ist schade, weil Simmons bis zu diesem Zeitpunkt seinen jugendlichen Figuren mit traumwandlerischer Sicherheit Profil und echtes Leben zu verleihen wusste. Diese Sünde bleibt jedoch lässlich; den nachhaltig positiven Eindruck, den die ersten 500 oder 600 Seiten hinterlassen, kann die große Schlussabrechnung – mehr Spektakel als Finale – nicht wirklich zunichte machen.

Die Übersetzung von „Sommer der Nacht“ übernahm der inzwischen selbst als Autor hervorgetretene Joachim Körber. Zeitweise deutschte er für |Heyne| praktisch sämtliche „großen“ phantastischen Romane ein und zog besonders für seine King-Übertragungen einige Kritikerschelte auf sich. Auch „Sommer der Nacht“ liest sich an einigen Stellen etwas seltsam – zum Beispiel verliert ein „Ensign“ namens Pulver viel von seiner Rätselhaftigkeit, würde man ihn korrekt mit „Fähnrich Pulver“ übersetzen, und ein „Kick“ ist und bleibt ein schlichter Tritt. Trotzdem leistete Körber hier (und auch sonst) im Großen und Ganzen bessere Arbeit, als ihm gemeinhin zugebilligt wurde. Das gilt um so mehr, als inzwischen das Elend eines hauptberuflichen Übersetzers in Deutschland mehrfach namhaft gemacht wurde und man nun besser nachvollziehen kann, wieso für die Angehörigen dieser ausgebeuteten Zunft die heiße Nadel zum unverzichtbaren Rüstzeug gehört.

Simmons hat seine „Fahrradpatrouille“ übrigens im Blickfeld behalten. In „Children of the Night“ (1992, dt. „Kinder der Nacht“) finden wir die Überlebenden drei Jahrzehnte nach ihrem Kampf gegen Osiris in einem neuen Kampf gegen das Übernatürlich wieder. Nach dreißig Jahren kehren sie nach Elm Haven zurück („A Winter Haunting“, 2002; dt. „Im Auge des Winters“, Heyne-TB Nr. 52142), um dort zu entdecken, dass sie 1960 nicht so gründlich mit dem Grauen aufgeräumt haben wie gedacht …

Robert A. Heinlein – Die Invasion

Vom sechsten Mond des Saturn wollen schleimige Parasiten, die ihre Opfer übers Rückenmark ‚fernsteuern‘, die Erde erobern. Wackere US-Agenten sagen ihnen den Kampf an und setzen schließlich zum Gegenschlag im All an … – SF-Klassiker, der vor kaum verhohlener Invasions-Paranoia aus der Ära des Kalten Krieges nur so trieft. Ansonsten ein merkwürdig sprunghafter, d. h. spannender aber absolut unlogischer Reißer, der nostalgisch amüsiert und mit einigen guten Detaileinfällen unterhalten kann.
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Timothy Greenfield-Sanders – XXX: 30 Porno-Stars im Porträt

Inhalt:

Im Oktober 2004 wurde in der Mary Boone Gallery in New York die Ausstellung „XXX Pornstar-Portraits“ gezeigt. Dazu entstanden ein Dokumentarfilm, eine Soundtrack-CD sowie der hier in Übersetzung vorstellte Begleitband, weil besagte Ausstellung ab 2005 durch Europa bzw. Deutschland tourte.

„XXX“ maskiert in den USA das Wörtchen Sex, weil es in diesem frommen Land einen hässlichen Klang besitzt. „XXX“ schwebt über den Eingängen zu den „Adult-Film“-Abteilungen der Videotheken, lässt sich aber auch als „30“ übersetzen, was den quantitativen Rahmen für Timothy Greenfield-Sanders‘ Fotoprojekt vorgab. Dessen Kern bilden folgerichtig 30 großformatige Porträts aktuell (= 2004) aktiver Pornostars oder genreprominenter Ruheständler, wobei sowohl Vertreter/innen des hetero- als auch homosexuellen Pornofilms aufgenommen wurden. Timothy Greenfield-Sanders hielt seine Motive jeweils in bekleidetem Zustand fest, um sie anschließend in möglichst entsprechender Körperhaltung und Mimik nackt zu fotografieren.

Da 30 Doppelseiten kein Buch ergeben, werden die Bilder von 140 Seiten Text begleitet, der sich in zwei Großkapitel gliedern lässt. In einem ersten Teil schreiben 15 bekannte Journalisten, Kritiker, Kunstschaffende und Insider des Pornogeschäfts aus ihrer oft sehr subjektiven Sicht über das Phänomen Pornografie. Sachlich informierende Artikel stehen hier neben Interviews und Prosatexten.

In einem zweiten Textteil kommen (neben einem weiteren Porträt- oder Ganzkörperfoto) die porträtierten Pornostars selbst zu Wort. Sie geben Auskunft über Herkunft und Jugendjahre, beschreiben, wie sie den Weg ins „business“ fanden und was ihnen zum Arbeitsalltag einfällt. Dazu gibt‘s eine Liste mit ‚Lieblingsfilmen‘, in denen der jeweilige Darsteller selbst mitwirkte.

Kluge Worte aus vorsichtiger Distanz

Entweder geht die Welt jetzt endgültig unter, oder sie tritt nun doch ins Zeitalter des Wassermanns ein. Das Urteil ist jedenfalls gefällt, bevor dieses Buch aufgeschlagen wird, denn sein Inhalt polarisiert auch im 21. Jahrhundert. Es zeigt Menschen, die für Geld vor der Kamera miteinander Sex haben, und gibt ihnen sogar ein Forum, in dem sie über sich und ihre ‚Arbeit‘ sprechen können. Damit fällt die Fraktion derer, die der Pornografie als Unterhaltung, aus moralischen Gründen oder überhaupt abhold sind, als Leser (und Käufer) aus. „XXX“ ist freilich auch nicht für den durchschnittlichen Porno-Proll gedacht, der in der Videothek als Dauerkunde per Handschlag begrüßt wird.

Nein, hier hat sich ein echter (oder wenigstens anerkannter) Künstler des Themas angenommen, welches es nunmehr zu adeln galt, damit der freigeistig denkende, vorurteilsfreie, womöglich intellektuelle Interessent offen und ohne als Lustmolch/in gebrandmarkt zu werden zu diesem Buch greifen kann. Auf dass diese Rechnung aufgeht, bedienen sich Autor und Verlag des weiterhin bewährten „Playboy“-Prinzips: Zwischen diversen Fotostrecken, die an ausgelichteter Deutlichkeit und Schärfe nichts zu wünschen übrig lassen, erstrecken sich ausgedehnte Textpassagen, in denen große Geister ihren Esprit versprühen, wenn sie eloquent und gar mutig zugleich mit dem Verpönten flirten.

Fotos ohne Feigenblätter

Richten wir den Blick zunächst auf die gelungenen Seiten dieses Buches: die Porträts, wobei dieser Begriff großzügig auszulegen ist, da der Bildausschnitt definitiv nicht unterhalb des Halses endet. Sie lassen handwerkliches Geschick erkennen und verzichten auf tarnende Dekorationen, die aus der Kulisse ‚zufällig‘ ins Bild ragen und politisch korrekt das verhüllen, was nicht nur in den USA als Instrument des Teufels oder mindestens Privatsache gilt. Die Entscheidung, ob das Ergebnis nun als Kunst zu bezeichnen ist, muss zumindest dieser Rezensent denen überlassen, die mehr davon verstehen.

In der Kritik wurde viel Aufhebens davon gemacht, dass sich der Kontrast zwischen dem bekleideten und dem unbekleideten Darsteller in dessen Körperhaltung und Gesichtsausdruck widerspiegle. Es wurde davon gesprochen, dass sich mancher Pornodarsteller offenbar nackt wesentlich ‚freier‘ fühle als in Kleidern. Dem mag so sein, muss allerdings nicht. Es ist vermutlich als These ketzerisch, doch könnte der Unterschied auch mit Anstrengung zu begründen sein, weil Greenfield-Sanders von seinen Modellen forderte, möglichst identische Stellungen einzunehmen. Auf jeden Fall scheint es wieder einmal so zu sein, dass in erster Linie der Betrachter in die Züge der Porträtierten projiziert, was er oder sie dort zu sehen glaubt.

Immerhin kann Greenfield-Sanders eines klar herausstellen: Pornodarsteller beiderlei Geschlechts entsprechen selten den aktuellen Schönheitsidealen. Die männlichen Darsteller sind verständlicherweise südlich des Nabels erstaunlich gebaut, während der Restkörper, der dem unentbehrlichen Arbeitsinstrument als Fundament dient, mit Kleidern verhüllt in einer Menschenmenge kaum auffallen würde. Dasselbe gilt für viele Frauen, deren einziges sichtbares Zugeständnis an den Job der beachtliche Anteil von Silikon – zu dessen Applizierung anscheinend stets derselbe, chronisch unfähige Chirurg angeheuert wird – in ihren Oberkörpern ist. Aber hat denn vor der Lektüre dieses Buches jemand ernsthaft Anderes vermutet? Bewegung und das Geschick des Kameramanns sind neben einer gewissen Grundattraktivität sowie Spielfreude unentbehrlich für einen echten (Porno-) Star. Stillstehend und im grellen Scheinwerferlicht bleibt er oder sie – ein nackter Mensch.

Texte – blumig bis nichtssagend

Es sind vor allem die Alibi-Sentenzen, die das Vergnügen an einem prinzipiell interessanten Buch vergällen. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Die Kritik richtet sich nicht etwa gegen eine zu geringe Zahl von Bildern, sondern gegen die Worte, mit denen wir malträtiert werden. Einige Texten deuten zwar an, dass man durchaus über Sex und Porno klug und nachdenklich und witzig schreiben kann. Doch solche raren Lichter verschwinden hinter dichten Wolken nichtssagenden, themenfernen, salbungsvollen Geschwafels, dessen Verfasser entweder dem Vergnügen frönen, sich selbst und ihre Schreibkunst darzustellen, oder sich geehrt fühlten, in einem Buch wie diesem veröffentlicht zu werden – eine „riskante Entscheidung“, wenn wir dem Vorwort Glauben schenken.

Nehmen wir als Beispiel Gore Vidal (1925-2012), der tatsächlich zu den „großen amerikanischen Intellektuellen“ zählte, als den ihn der Klappentext herausstellt. Vidal war aber auch ein Profi des Wortes, dem klingende Texte aus der Feder flossen, selbst wenn er im Grunde nichts zu sagen hatte. Zum Thema Pornografie fällt ihm nichts ein. Er reitet stattdessen seine Attacken gegen Amerikas Rechte, die Kirche und andere Menschenmanipulatoren, die er seit Jahrzehnten piesackte. Das liest sich durchaus vergnüglich, nur: Was soll es hier? Ganz einfach: Gore Vidal ist ein Name, auf den zu verzichten ein Verlag sich hüten wird. Vorteil 2: Ihn zu lesen beruhigt den potenziellen „XXX“-Leser und senkt die Hemmschwelle zum Bücherkauf.

Außer Vidal waren es 14 weitere, (mehr oder weniger) gesellschaftlich akzeptierte oder prominente Zeitgenossen, die sich – mit Geld oder guten Worten – als Gastautoren locken ließen. Im ausführlichen Verzeichnis werden sie mit ihren eindrucksvollen künstlerischen und/oder wissenschaftlichen und/oder wenigstens intellektuellen Meriten aufgelistet: John Malkovich, Schauspielerstar mit Independent-Touch! Lou Reed, Musiker mit wüster Vergangenheit, die ihn weise werden ließ! Salman Rushdie, seit Jahrzehnten von muslimischen Moral-Assassinen gejagt! Der gemeinsame Nenner ist: Fast alle diese Männer und Frauen liefern reine Gelegenheits- und Gefälligkeitstexte ab. Nur wenige bemühen sich um das Thema – so Rushdie, der wirklich etwas über die Rolle der Pornografie in den muslimisch dominierten oder diktierten Teilen der Welt zu berichten weiß.

Besser den Mund halten!

Ansonsten langweilt ein Sammelsurium bemühter, die Provokation (vergeblich) suchender Betroffenheits-Lyriker (Reed, Koestenbaum, Leroy), müder Wiederkäuer tausendfach diskutierter, debattierter Pro-/Contra-Porno-Argumente (Wattleton) oder der Geilheit unverdächtiger Wissenschaftler (Gray). Noch sinnloser sind das Thema völlig verfehlende Loblieder auf alte Underground-Kumpane (Waters), ungelenke Hymnen an die Macht des Sexus‘ (Hartley) oder witzlose Schwafeleien à la Whitley Strieber, den nunmehr sämtliche guten Geister verlassen haben und durch außerirdische Einflüsse ersetzt wurden, gegen die kein irdisches Medikament mehr etwas ausrichten kann.

Leider auch nicht lesenswerter erweist sich „XXX“ in seinem zweiten Textteil, in dem sich die fotografierten Darsteller zur eigenen Person äußerten bzw. äußern konnten, denn einige wollten oder konnten nicht, woraufhin einfach aus den Pressetexten diverser Pornofilmstudios zitiert wird, deren Wahrheitsgehalt denen der ‚seriösen‘ Hollywood-Studios entsprechen dürfte. Wer sich vpr der Lektüre dieser Essays und Kommentare in dem Glauben wähnte, von einem verborgenen Reich verbotener Lust bzw. sexuell-chauvinistischer Knechtung zu lesen, wird umgehend eines Schlechteren belehrt: Neun von zehn Schwerarbeiter des nackten Gewerbe haben nichts Bemerkenswertes zu berichten.

Die Biografien gleichen sich, unglückliche Kindheiten kommen vor, sind aber weder symptomatisch noch der Anfang vom unvermeidlichen Abstieg in den Pornosumpf. Dieser wird nie als solcher, sondern durchweg als abenteuerlicher Arbeitsplatz mit guten Verdienstmöglichkeiten und dem Privileg von Dienstreisen empfunden, die halt Sex in einem erloschenen Vulkan mit einschließen können. Manche Darsteller waren zuvor sogar erfolgreich in ‚richtigen‘ Jobs tätig; „Lexington Steele“, dessen Gemächt jeden Lippizaner-Hengst vor Neid erbleichen ließe, war z. B. als Börsenmakler aktiv (und vermisst in seiner aktuellen Karriere „die festen Regeln der amerikanischen Unternehmerkultur“, S. 193), wie überhaupt die angeblich so lockeren Berufsbeischläfer sich privat erstaunlich ‚normal‘ sogar spießig geben oder es sind- wieso auch nicht?

Intellektuell können diese Autoren definitiv nicht mit den Profis im „XXX“-Vorderteil mithalten. Das Unvermögen, etwas Interessantes zu erzählen, kommt immerhin angenehm unbemäntelt daher. Stolz werden obskure Auszeichnungen („für den besten Dreier“; „für die beste Oralszene in einem geschlossenen Klavier“ etc.) aufgezählt, gern die Gelegenheit für aktivistische Appelle wider den Rassismus, prüde Politiker und andere Widrigkeiten genutzt. Hier und da lassen sich dann doch nicht nur eigenwerberische Plappereien, sondern ehrliche Selbstäußerungen lesen, die verraten, was man ebenfalls annehmen konnte: Im Pornobusiness arbeiten auch Männer und Frauen mit Köpfchen; Sharon Mitchell hat inzwischen ihren Doktor gemacht.

Hübsches Buch, wenig Sinn

Der Realität des Pornofilms mehr Raum zu geben, hätte ein wirklich interessantes Buch bzw. eine eigenständige und gleichgewichtige Ergänzung det Fotos ergeben. Was bedeutet es, wenn Veteran Peter North enorme Veränderungen im Porno-Alltag der vergangenen Jahrzehnte andeutet? Gern würde man mehr von Nina Hartley erfahren, die ansatzweise vom absurden Alltag einer Pornodarstellerin und Nackttänzerin in einem prüden Land mit restriktiver Gesetzgebung berichtet. Wieso hat der einst spinnefeindliche Feminismus mehr oder weniger Burgfrieden mit der Pornografie geschlossen? Liegt Jenna Jameson richtig, wenn sie zum Job einer ‚richtigen‘ Schauspielerin keinen grundsätzlichen Unterschied und den Porno als Filmgenre mit eigenen Regeln und Instrument der Unterhaltung sieht?

Aber solche Fragen lagen nicht wirklich im Interesse von „XXX“. Die gar zu reale Pornowelt bleibt zugunsten einer sorgfältig gefilterten oder künstlerisch-künstlichen Scheinwelt ausgeblendet. Die Darsteller, denen eine scheinbar vorurteilsfreie geistige Elite die Hand reicht, werden in gewisser Weise tatsächlich ausgebeutet, zumindest aber manipuliert und nach den Vorstellungen und Wünschen der „XXX“-Autoren geformt.

So bleibt als Fazit zwar Anerkennung für die fotografische Leistung Greenfield-Sanders, aber kein Lob für die Texte seiner „klug schreibenden Freunde“ (Vorwort), die vermutlich nur in einem Land wie den USA Spießer vor Entsetzen und ‚Freigeister‘ vor Entzücken japsen lassen. Wer „A“ sagt, sollte auch „B“ wagen, doch das „XXX“-Team schafft nur ein „Ähhh …“ Dafür kann man das entstandene Buch aber außerhalb geschlossener Schranktüren präsentieren und damit Freunden und Besuchern, die das Buchregal mustern, tolerante Weltläufigkeit und erwachsenes Kunstverständnis demonstrieren.

Autor

Timothy Greenfield Sanders wurde 1952 im US-Sonnenstaat Florida geboren. Er studierte Kunstgeschichte an der Columbia University und Film am American Film Institute in Los Angeles. Als Fotograf arbeitet der Künstler seit mehr als zwei Jahrzehnten. Er hat es als Modefotograf zu einem großen Namen gebracht und sich klug auf das Porträtieren der Großen und/oder Prominenten dieser Welt spezialisiert.

Darüber ist Greenfield-Sanders selbst zum Star geworden. Seine Bilder erscheinen in den etablierten Hochglanz-Magazinen, sie hängen in den Sammlungen des Museum of Modern Art, des Metropolitan Museum, des Whitney Museum oder der National Portrait Gallery. 2004 erwarben das Museum of Modern Art und das Museum of Fine Arts in Houston 700 Porträtfotos von Greenfield-Sanders.

Als Filmemacher produzierte und inszenierte Greenfield Sanders 1997 die Dokumentation „Lou Reed: Rock and Roll Heart“. 1999 wurde er dafür mit einem „Grammy Award“ ausgezeichnet. 2004 setzte Greenfield Sanders den Dokumentarfilm „Thinking XXX“ in Szene, der die Arbeit an seinem Wanderausstellungsprojekt „XXX Porno-Stars in Portrait“ festhält, das in den USA großes Aufsehen erregte und wie geplant gleichermaßen gefeiert wie verdammt wurde.

Über das vielfältige Werk des Künstlers informiert dessen gebührend aufwändig gestaltete Website.

Paperback: 200 Seiten
Originaltitel: XXX – 30 Porn-Star Portraits (New York/Boston : Bullfinch Press 2004)
Übersetzung: Conny Lösch
http://www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (3.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (8 Stimmen, Durchschnitt: 1,75 von 5)

Ed McBain – Eine große Hand zum Gruß

Die Polizei findet eine Menschenhand. Ist ihr ‚Besitzer‘ tot, womöglich ermordet? Die Ermittlungen geraten ständig in Sackgassen, bis die Nerven der Kriminologen bloßliegen. Sie müssen auf weitere Leichenteile warten, was die Untersuchung freilich keineswegs einfacher macht … – Der 11. Krimiklassiker aus McBains legendärer, mehr als ein halbes Jahrhundert laufender Serie um das „87. Polizeirevier“ gerät zum unwiderstehlichen Cop-Thriller mit frühem „CSI“-Plot, der mit Spannung, Menschlichkeit und lakonisch-rauem Witz erzählt wird.
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Weber, Thomas A. – Science Fiction

Die sachliche wie literarisch-unterhaltsame Beschäftigung mit Welten der Zukunft und ihren Bewohnern – das ist das Feld der Science Fiction, die als Literaturgenre noch jung, aber deren Geschichte bereits recht komplex geworden ist. Auf 128 kurzen Seiten wird der Versuch gewagt, das Genre auf seine grundsätzlichen Elemente zu reduzieren und auf diese Weise möglichst kompakt zu erläutern.

„Science Fiction“ gliedert sich wie alle Bände der Reihe „Fischer Kompakt“ in vier Abschnitte. Der „Grundriss“ (S. 3-93) liefert eine Gesamtdarstellung, die „Vertiefungen“ (S. 94-120) informieren über ausgewählte und exemplarische Aspekte des Themas. Ein „Glossar“ (S. 121-128) listet kommentierte Fachbegriffe der Science Fiction auf. Die „Literaturhinweise“ tragen der gewollt knappen (bzw. kompakten) Darstellung Rechnung und bieten Hinweise auf weiterführende Sekundärliteratur. Als besonderer Service werden diese auf der Website http://www.fischer-kompakt.de/sixcms/detail.php?template=autor__hinweise&id=481809 durch aktuelle Links auf weitere SF-Websites ergänzt.

Der „Grundriss“ setzt mit der Frage „Was ist Science Fiction?“ ein; diese Definition ist weder simpel noch eindeutig, denn das Genre erlebte eine schwere Geburt. Es gab im späten 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche „Wegbereiter der Science Fiction“, doch das Genre in seiner modernen Prägung ist ein Kind der 1920er Jahre und begann in den USA als „»Pulp«-Science Fiction – Die Gernsback-Ära“. Die allmähliche Entwicklung der SF als zunächst durch und durch triviales, wissenschafts- und technikgläubiges aber zunehmend die Regeln der Unterhaltung meisterndes Genre gipfelte in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre im kurzen aber stürmischen „Goldenen“ Zeitalter.

Nach dem II. Weltkrieg wurde die SF erwachsen. In die Begeisterung über die Erwartung einer glänzenden Zukunft mischten sich zunehmend begründete, aus der Erfahrung erwachsende Zweifel: Es ging offenbar nicht stetig voran mit dem Fortschritt. Vom „»Goldenen Zeitalter« zur Respektabilität und Stagnation“ heißt deshalb das nächste Kapitel, denn auch in der SF verebbten die neuen Impulse schließlich. In den 1960er Jahren kam es zur „Revolte der New Wave“. Die Vertreter einer „neuen“ Science Fiction forderten zur Auslotung der „inneren Welten“ der menschlichen Psyche auf. Diese Abkehr von der „harten“ naturwissenschaftlichen und technikorientierten SF ging einerseits einher mit der Berücksichtigung der bisher wenig beachteten „weichen“ Sozial- und Geisteswissenschaften, während andererseits formal radikal experimentiert wurde. Die „New Wave“ gab Anstöße, lief sich jedoch lahm. Wieder befand sich „Die Science Fiction auf der Suche nach neuen Wegen“. Um 1980 begannen „Cyberpunker und kalte Krieger“ ihren Siegeszug. Die SF setzte auf den scharfen Kontrast zwischen Hightech & Cyberspace und einer sozial entfremdeten bzw. verkümmerten zukünftigen Gesellschaft.

Auch der Cyberpunk erwies sich als kurzlebige Mode. Bewährte und niemals verschwundene Subgenres feierten ihre Renaissance: „Neue Weltraumoper, New Weird und neue harte Science Fiction“ prägen das aktuelle Gesicht der Science Fiction. Das Alte wird im aktualisierten Gewand recycelt, die Grenzen zu anderen Genres öffnen sich. Elemente des Horrors, des Krimis oder der Fantasy fließen stärker denn je in die SF ein. Alles scheint möglich zu sein, während ein Aufbruch in echtes Neuland auf sich warten lässt.

Die „Vertiefungen“ greifen die Aspekte „Hohlweltgeschichten“, „Die britische »scientific romance«“, „Raketenpioniere und die Science Fiction“, „Die klassische Weltraumoper“, „Okkultismus, Scheinwissenschaft und Science Fiction“, „»Harte« Science Fiction“ sowie „Alternative Geschichte“ auf, die im Grundriss nur angesprochen wurden.

Gegen diese recht kunterbunt wirkende Auswahl richtet sich denn auch die einzige gravierende Negativkritik an diesem ansonsten informativen und nützlichen Buch, welche allerdings eingeschränkt werden muss: Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte jeder Autor sich andere Themen gewählt, um mit deren Hilfe die grundsätzliche Darstellung zu vertiefen. Hier ist das vorgegebene Format der limitierende Faktor: „Fischer Kompakt“-Bände weisen einen Standard-Umfang von 128 Seiten auf. Die Limitierung als solche ist eine bewusste und auch nachvollziehbare Entscheidung: Es ist einfacher, sich über ein Thema in epischer Breite zu äußern, als sich kurz zu fassen. In der Kürze liegt die Würze, heißt ein Sprichwort, das sich so übersetzen lässt: Die Kürze zwingt sowohl zur Präzision in der Gliederung des Stoffes als auch in der Formulierung. Dieser Herausforderung zeigt sich durchaus nicht jeder kluge Kopf gewachsen. Thomas Weber hat sich ihr gestellt und sie im Großen & Ganzen bewältigt.

Auf knapp 90 Seiten die wechselvolle Geschichte eines ganzen Genres „einzudampfen“, ist eine Leistung, die Respekt verdient. Natürlich mahnt der SF-Fachmann Aspekte an, die zu kurz gekommen sind oder ganz fehlen. Nur: Trifft dies auch zu? Weber hat den Mut zur Lücke und zur Paraphrasierung; er schuppt die Science Fiction bis auf ihr Grätengerüst ab. Dabei stellt sich heraus, dass diese Gräten zum Teil nur lose oder gar nicht miteinander verbunden sind: Die Geschichte der Science Fiction verläuft (vor allem im Hinblick auf ihre Entwicklung in vielen Ländern dieser Erde, die für den westeuropäisch/angelsächsisch zentrierten Sekundärliteraten immer noch weiße Flecken der Unkenntnis bilden) nicht stringent und sie ist reich an Nebenlinien und Sackgassen. Deshalb setzt jeder SF-Historiker besagtes Gerüst im Detail womöglich ein wenig anders zusammen.

Tritt man einen Schritt zurück und betrachtet Webers Ausführungen als Ganzes, so liefern sie denen, die sich nicht nur als Leser für die Science Fiction, sondern auch für das Genre interessieren, genau die wertvolle Einleitung, die sie schließlich sein sollen: geradlinig in der Darstellung, allgemeinverständlich im Ausdruck, nie verbissen akademisch. (Vielleicht wäre „Science Fiction als Literatur“ als Titel dem Inhalt besser gerecht geworden – die zeitweise außerordentlich engen und wichtigen Wechselwirkungen, die zwischen Kino/Fernsehen und der geschriebenen SF bestehen, werden von Weber nur gestreift, aber dadurch in ihrer Bedeutung immerhin als erkannt markiert.)

Vor allem stellt Weber die Science Fiction nicht als isoliertes Phänomen dar. Auch wenn die Verfechter einer „Hochliteratur“ es immer noch ungern hören, ist die SF ein Element der Literaturgeschichte, die wiederum ein Spiegelbild der gelebten Realität ist. Auch die scheinbar jegliche Bodenhaftung entbehrende Science Fiction wird von Menschen geschrieben, herausgegeben und kommentiert, die politisch, gesellschaftlich, kulturell irgendwo in ihrer Zeit verwurzelt sind. Auf dieser Ebene wird sie zu einer historischen Quelle – zur „Vergangenheit der Zukunft“, wenn man es so ausdrücken will.

Die „Vertiefungen“ sollte man als Angebot verstehen. Sie liefern für ihr jeweiliges Thema interessante Zusatzinformationen. Vor allem machen sie aber deutlich, dass „Science Fiction“ nur einen ersten Überblick bieten kann und soll. In diesem Rahmen bleibt sogar Raum für eine Reihe von Abbildungen. Freilich hätte die deutsche Science Fiction dem deutschen Verfasser Weber wenigstens ein eigenes Kapitel in den „Vertiefungen“ wert sein sollen. Sie kommt definitiv zu kurz! Das ist indes ein Manko, welches nichts am Gesamturteil ändert: „Science Fiction“ gehört in das Regal jedes Lesers, der (oder die) einen Blick hinter die Kulissen „ihres“ Genres werfen möchten.

Gregory Benford – Zeitschaft

Zeitschaft von Gregory Benford
Zeitschaft von Gregory Benford

Im Jahr 1998 steht die Welt vor dem Kollaps. Zu schwer waren die ökologischen Sünden der Vergangenheit, doch die lässt sich nun womöglich ändern: Wissenschaftler entdecken eine Möglichkeit, warnende Botschaften in das Jahr 1962 zu senden, doch dort will man sie einfach nicht verstehen … – Moderner Klassiker der „harten“ Science Fiction, der gelungen wie ganz selten eine grandiose Handlung mit glaubwürdigen Charakteren zu einem faszinierenden Gesamtwerk verschmilzt.
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Brian Hodge – Rune

Das geschieht:

Mount Vernon, ein Städtchen irgendwo im US-Staat Illinois, Ende der 1980er Jahre: Viel tut sich nicht hier in der Provinz, was vor allem die Jugend frustriert. Wie ihre Altersgenossen vertreiben sich die Freunde Chris Anderson, Rick Woodward und Phil Merkley die letzten Monate vor dem College mit Ferienarbeit und abendlichem Herumhängen. Letzteres findet gern in einem abgelegenen Hain an den Ufern eines kleinen Sees statt, den die Freunde „Tri-Lakes“ nennen. Hier lässt es sich faulenzen und ungestört saufen, hierher kann man auch die Freundin zum Fummeln mitbringen.

Doch eine eigentümliche Stimmung lastet auf Tri-Lakes. Nichtige Anlässe führen zu erbitterten, gewalttätigen Auseinandersetzungen. Seltsame Unfälle geschehen. Eines einsamen Abends stürzt Chris gar ein seltsam aussehender Mann vor den Wagen, der sich bei der Autopsie als sechs Tage alte Wasserleiche erweist! Brian Hodge – Rune weiterlesen

Hans Joachim Alpers (Hg.) – Gefährten der Nacht

Alpers Gefährten der Nacht Cover kleinIn zwölf Storys gehen keine Gespenster oder Werwölfe um; thematisiert werden die traumhaften, surrealen Seiten der Phantastik, die sich oft hart an der Grenze zur psychischen (Selbst-) Täuschung selbst im Rahmen der selbst geschaffenen Welten einer ‚logischen‘ Erklärung entziehen; während die angelsächsischen Texte mindestens überzeugen, fallen die deutschen Kurzgeschichten deutlich ab. Hans Joachim Alpers (Hg.) – Gefährten der Nacht weiterlesen

Walter M. Miller jr. / Terry Bisson – Ein Hohelied für Leibowitz

Das geschieht:

Die menschliche Zivilisation ist vor zwölf Jahrhunderten im atomaren Feuer eines dritten Weltkriegs untergegangen. Auf den Ruinen versuchten die Überlebenden eine neue Welt aufzubauen. Im Jahre 3244 ist Nordamerika noch immer ein weitgehend menschenleerer Kontinent mit unzugänglichen Todeszonen. In den unbelasteten Regionen sind zahlreiche Territorien entstanden, die miteinander um die Vorherrschaft ringen. Wehrhafte Nomadenstämme durchstreifen das Land. In abgelegenen Winkeln suchen genetisch geschädigte Mutanten Zuflucht.

Zwischen allen Stühlen sitzt die Katholische Kirche. Wie einst im Mittelalter beschränkt sie sich nicht auf gottes- und seelsorgerische Dienste. Ein Netz von Klöstern, Pfarrkirchen und Missionsstationen überzieht Nordamerika. Dort wird das Wissen vergangener Zeiten gesammelt und weitergegeben. Die Abtei St. Leibowitz ist eine dieser Bastionen von Wissenschaft und Kultur. Hier lebt und arbeitet der junge Mönch Schwarzzahn St. Georg. Der Sohn sesshaft gewordener Nomaden hat nur aus Mangel an Alternativen die geistliche Laufbahn eingeschlagen. Er will dem Orden den Rücken kehren. Der Abt hofft Schwarzzahn umzustimmen. Er vermittelt ihn an Elia Kardinal Braunpony, den er als Dolmetscher in die Stadt Valana begleiten soll. Dort weilt der Papst, das Oberhaupt der Kirche und aller Christen. Walter M. Miller jr. / Terry Bisson – Ein Hohelied für Leibowitz weiterlesen

Fergus Fleming – Neunzig Grad Nord. Der Traum vom Pol

Die vielen Versuche, den Nordpol zu erreichen, werden vom Verfasser zu einer „Entdeckungsgeschichte“ gebündelt, ein ehrgeiziges aber geglücktes Unterfangen, das unter Wahrung der historischen Tatsachen die absurden Aspekte eines an sich sinnlosen Wettlaufs betont. Als Sachbuch ebenso informativ wie spannend und witzig, wobei der Autor freilich manchmal literarisch etwas nachhilft, um für die gewünschten Humoreffekte zu sorgen.  Fergus Fleming – Neunzig Grad Nord. Der Traum vom Pol weiterlesen