Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Shepard, Lucius – Hobo Nation

_Reiter des ‚Stahls‘: Hobos zwischen Himmel und Hölle_

Im Jahr 1998 schreibt der Autor Lucius Shepard eine Reportage über eine mutmaßliche Hobo-Mafia namens FTRA für die amerikanische Zeitschrift „Spin“. Im Rahmen seiner Recherchen reist er mit den Tramps, den Ausgestoßenen und Gescheiterten der Gesellschaft, auf Güterzügen durch die USA. Es wird eine Reise ins dunkle, sagenumwobene Herz des amerikanischen Kontinents, dorthin, wo die Legenden und Mythen von Woody Guthrie und Jack Kerouac noch lebendig sind. Aber es gibt auch die Hardpunks, die ganz anders als romantisch drauf sind. Und es gibt Mörder.

Wie ist es tatsächlich um die die „große Freiheit der Schienen“ und des weiten Landes fernab aller gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen bestellt? Die Reportage verrät es uns. Der Band vertieft diese Informationen mit zwei Erzählungen, darunter das laut Verlag preisgekrönte „Drüben“ (der Name der Auszeichnung wird aber nicht angegeben). Sie entstanden aus Shepards Erfahrung des Lebens am Rande heraus und soll laut Verlag zeigen, „wie die Phantasie des Schriftstellers reales Erleben in große Literatur verwandelt“. Da bin ich mal gespannt.

_Der Autor_

Lucius Shepard, geboren 1947, zunächst ein Rockmusiker, Bordellrausschmeißer und Dichter, war in den achtziger Jahren einer der wichtigsten SF-Autoren, der mehrfach mit Preisen des Genres ausgezeichnet wurde. In seinen Erzählungen „Salvador“ (1984) und mit dem Roman „Das Leben im Krieg“ (1987) setzte er sich sehr kritisch und provokativ mit dem Engagement der Vereinigten Statten unter Präsident Reagan in Mittelamerika auseinander. Die CIA, das Pentagon und sicherlich noch andere Behörden des Geheimdienstapparates bildeten Contras aus: Sie sollten in El Salvador und Nicaragua gegen das sozialistische Regime operieren. Die Folge war ein Stellvertreterkrieg, in dem nicht nur Tausende von Zivilisten ums Leben kamen, sondern auch die Iran-Contra-Affäre (Waffenschmuggel) die totale Amoralität der Verantwortlichen im Pentagon offenlegte.

Mit seinen anderen Werken war Shepard nicht so erfolgreich. In „Grüne Augen“ (1984) stellt die CIA illegale Experimente zur Wiederbelebung von Leichen an; in dem Kurzroman „Kalimantan“ wandelt die Hauptfigur auf den Spuren Joseph Conrads. Aber jede Erzählung Shepards hält ein gutes Leseerlebnis bereit, so etwa in „Delta Sly Honey“ (1989) und „Muschelkratzer-Bill“ (1994). Die Fantasy-Story „Der Mann, der den Drachen Griaule malte“ (1984) bildet mit „The Scalehunter’s Beautiful Daughter“ (1988) und „Father of Stones“ (1988) eine schöne Sequenz aus der High Fantasy.

Zuletzt veröffentlichte |Edition Phantasia| die Kurzromane „Endstation Louisiana“, „Aztech“ und „Ein Handbuch amerikanischer Gebete“. „Hobo Nation“ ist teils Reportage, teils Erzählungen.

Mehr von Lucius Shepard auf |Buchwurm.info|:

[„Ein Handbuch amerikanischer Gebete“ 3176
[„Endstation Louisiana“ 5517

_1) Einleitung: Der Stahl_

Der Autor berichtet von seinem Auftrag für die Reportage und wie er sie umsetzte. Er stieß auf die Güterzug-Tramps, die es seit Ende des Bürgerkriegs 1865 gibt, auf ihr Leben und ihre Mythen. Poeten und Künstler wie Portland-Dave verehren die Güterzüge als den Gott „Stahl“ oder als „Die Kreatur“, und selbst den Autor erinnern sie an die Riesen-Sandwürmer in [„Der Wüstenplanet“. 5333

Diesen Mythos wollte er einfangen und für die Nachwelt bewahren. Denn die Hobos sind vom Aussterben bedroht. Die Eisenbahngesellschaften statten ihre Rangierbahnhöffe mit immer raffinierterer Warntechnik aus, um illegale Mitfahrer abzuschrecken. Aber es sei Aufgabe des Künstlers, so der Autor, diese Lebensform und Kultur zu bewahren, als handle es sich um einen versinkenden Kontinent. Ohne diese Region werde die Landkarte Amerikas stets unvollständig sein.

Hier ist der Autor ebenso sachlich wie in seiner Reportage. Allerdings fasst er hier bereits seine Beobachtungen zusammen. Danach erst folgt der „Ermittlungsbericht“, der sie rechtfertigt und belegt. Die Spannung steigt …

_2) Die FTRA-Story (Reportage)_

Gibt es wirklich eine Hobo-Mafia, wie manche Gazetten und TV-Berichte unterstellen? Der Autor machte sich für einen Artikel auf die Socken, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Er hört überall bei den Behörden die Bezeichnung FTRA: Freight Train Riders of America. Ja, die seien gefährlich, tönt der Polizist Grandinetti, und sie seien Mörder. Zu ihrem Aufnahmeritual für Frauen gehöre Vergewaltigung. Na, das klingt aber martialisch, denkt Shepard. Und obendrein nach einer Verschwörung wider die Rechtschaffenen Amerikas. Ob da was dran ist?

Er beschäftigt sich mit der Tradition und der Geschichte der Hobos. Er hört von berühmten Hobos wie dem Folksänger und Aktivisten Woody Guthrie, der zu Bob Dylans Vorbild wurde. Aber die modernen Hobos scheinen doch einiges auf dem Kerbholz zu haben. In Kneipen, Missionen und auf geheimen Treffen der Hobos hört er immer wieder, dass es ganz schön rau und blutig zugehe unter den Güterzugfahrern. Auch von etlichen Morden ist die Rede. Und das klingt ganz schön authentisch.

Aber von der FTRA hält keiner was. Ja, Leute wie der Poet Adman lehnen jede Verbindung zur FTRA ab. Und die Leitung der Eisenbahngesellschaft Union Pacific kennen Grandinettis „Horrorgeschichten“ über die FTRA, aber von einer Verschwörung könne keine Rede sein. Shepard merkt, dass man zwar schwer an die bekannten FTRA-Mitglieder wie Erie Flash rankommt, sie sich dann, nach ein paar Flaschen Whisky, aber als ganz umgänglich erweisen können. Militant sind sie jedoch nicht, und eine Organisation sind sie erst recht nicht. Es gibt keinen Anführer.

Ein Bild von verschiedenen Generationen und vielen kulturellen und ethnischen Gruppen schält sich heraus, von den alten, romantisch veranlagten Konservativen, den etwas Abgehobenen wie Adman bis hin zu Punks und Gossenpunks, den härtesten und jüngsten Gruppen. Darunter sind Aussteiger, Ausgestoßene, verkrachte Existenzen, kurzum: lauter Treibgut am Rande und außerhalb der US-Gesellschaft. Was sie alle eint, sind das Fahren und das Leben unter den Sternen. Kurzum: die Freiheit, nichts mehr zu verlieren zu haben. Außer dem Güterzugfahren.

|Mein Eindruck|

Die Reportage müllt den Leser nicht mit Fakten und Zahlen zu. Stattdessen vermittelt der Autor Ansichten, Berichte, Meinungen und viele eigene Beobachtungen. Das sind die besten Szenen und glaubwürdigsten, wenn auch subjektivsten Eindrücke, die er vermittelt. Fazit ist, dass es weder eine Hobo-Mafia noch eine Verschwörung gibt. Dafür sind die Hobos viel zu heterogen und auf Unabhängigkeit bedacht.

Aber auf diesem Fundament kann der Autor seine zwei Erzählungen aufbauen. Ergo muss man durch die Reportage durch, wenn man die Erzählungen verstehen will.

_3) Drüben (Kurzroman)_

Billy Long Gone ist ein Hobo. Auf dem Güterbahnhof von Klamath Falls, Oregon wird ihm jedoch sein Deutscher Schäferhund Stupid gestohlen. Und als Hobo einen Hund zu verlieren, ist wie eine treue Seele zu verlieren. Stupid muss wieder her. Billy packt den Axtstiel, den er immer zur Verteidigung bei sich hat, fester und durchsucht die Züge in Klamath Falls. In einem langen Monsterzug findet er auch Stupid, doch auch einen seltsamen Mann, der den Hund nicht mehr hergibt. Das macht Billy wütend, doch er muss auch herausfinden, dass er gegen den Fremden nichts auszurichten vermag. Das Einzige, was ihm zu tun übrig bleibt, ist die Mitfahrt, egal wohin.

Der Zug fährt nach Drüben, verrät ihm Pie alias Pieczynski, der Fremde. Es ist ein besonderer Zug, versteht sich, und die Strecke ist ebenso besonders: durch unbekannte Berge und an Sümpfen vorbei durch eine Ebene, bis sie wieder zu Bergen gelangen: zur Endstation. Unterwegs sieht Bill zu seinem Entsetzen schwarze geflügelte Wesen, die wie Vampire den benachbarten Zug angreifen, der auf dem Parallelgleis fährt. Es sieht aus, als wäre der Zug lebendig und würde von den Vampiren angegriffen und ausgesaugt.

|Das Drüben|

Die Endstation Drüben stellt sich als ein Riesenbaum heraus, doch das Haus hat jede Menge Zimmer mit anderen Ex-Hobos wie Billy. Eine längst Verflossene namens Annie Ware (= anywhere, überall), an die sich Billy, der Ex-Alki, nicht mehr zu erinnern vermag, weist ihm wütend sein Zimmer zu. Er muss ihr wirklich was Schlimmes angetan haben, aber was nur? Sie verrät es ihm nicht. Er muss wohl seinen halben Verstand versoffen haben. Nachdem sie es ihm gesagt hat, bittet er sie reumütig um Verzeihung, so dass sie ein richtig gutes Paar werden können.

Doch dieses Drüben scheint für Billys Geschmack zu sehr in Stagnation zu versinken. Ist dies ein Paralleluniversum oder nur eine Computerspielsimulation? Es ist einerlei für den, der darin lebt. Aber das Drüben kennt auch Grenzen und Gefahren. Als erst ein guter Angelfreund von einem Wasserungeheuer verschlungen und dann der Baum auch noch von fladenförmigen Flugwesen angegriffen wird, die Menschen mit Gift töten, platzt Billy endgültig der Kragen: Er muss hier weg!

|Zum Jenseits|

Annie erklärt sich nach einigen Protesten bereit, ihn über die „Mauer“ des Gebirges zu begleiten. Nach einer Abschiedsfeier besteigen sie den nächsten Zug und kuscheln sich in den Schlafsack, denn es wird saukalt. Zudem wird der Zug wird von den schwarzen Flugmonstern, den Beardsleys, angegriffen, und sie verletzen Billy. Dennoch hält das Paar so lange durch, bis es die Endstation erreicht.

Hier liegt überall Schnee, und über den weißen Hügeln und Gipfeln zucken violette Blitze, die das schweigende Land in ein gespenstisches Licht tauchen. Billy und Annie wollen in den Wald, doch die Hügel, die zuvor so harmlos aussahen, erheben sich und entpuppen sich als eine Art Yeti – mit einem eindrucksvollen Gebiss. Die einzige Rettung bietet der schnurgerade verlaufende Fluss, und Annie springt ohne zu zögern hinein. Sie taucht nicht wieder auf, was Billy so besorgt macht, dass er hinterherspringt.

Er erwacht in einer Mulde auf einem trockenen Hügel. Aber neben Annie liegen noch drei weitere „Besucher“ hier. Nirgendwo Schnee. Er späht ins Tal hinab, dort liegt eine Blockhüttenstadt wie im Wilden Westen. Mit einem kleinen, aber unübersehbaren Unterschied: Aus ihrer Mitte ragt ein weißer Turm, der durchsichtig ist. Violette Blitze zucken darin, und er ragt bis in den Himmel. Liegt dort seine Bestimmung? Er wird es herausfinden.

|Mein Eindruck|

Die Handlung folgt dem klassischen Muster der amerikanischen Reisegeschichte. Es ist immer eine Reise der Hauptfigur zu sich selbst und darüber hinaus. Insofern weist eine Reise immer auch einen spirituellen Aspekt auf. Billy folgt einem Gefährten (Stupid) und gerät in eine Abenteuer, doch nach einer Phase der Stagnation und des Kennenlernens eines weiteren Gefährten (Annie), bricht er aus diesem Pseudo-Elysium aus, um die Grenze zu überschreiten. Er wird zum Pionier, wie ihn die amerikanische Mythologie verherrlicht. Jenseits der Grenze und allgemeiner Erfahrung erschaut er das Mysterium, das ihm hilft, sein bisheriges Dasein zu transzendieren (lat. „transcendere“: überschreiten).

In diesem Handlungsverlauf spiegelt sich, wie gesagt, eine innere Entwicklung des Helden wider, nur dass dieser diesmal ein Hobo ist, ein Outlaw. Billy folgt dem Weg wie die Hauptfigur in Shepards Kurzroman „Kalimantan“ und wie Malory in Joseph Conrads Roman [„Herz der Finsternis“, 1538 der Vorlage zu Coppolas „Apocalypse Now“. Dieser Hinweis genügt, um klarzumachen, dass das jenseits der Grenze liegende Territorium ein innerer Raum der Seele ist, an dem sowohl unaussprechlicher Schrecken (der Herrschaftsbereich von Colonel Kurtz) als auch größte Schönheit im Mysterium liegen.

Wenn dies also sowohl Hölle als auch Himmel auf Erden ist, erhebt sich die Frage, welche Art von Jenseits für einen reuigen Hobo vorgesehen ist. Dieser Pilger hat den „Stahl“, die Züge, benutzt, um die Fahrt zu ertragen, hat Angriffen widerstanden, Wunden davongetragen und seine Gefährtin beschützt. Sicherlich genügt dies doch, um ihn für den Eintritt in den Himmel zu qualifizieren, oder? Der in den Himmel ragende Schacht deutet dies an, doch ganz sicher darf man sich da bei Shepard nie sein.

_4) Die Ausreißerin_

Madcat ist vor Jahren wegen seiner Migräneanfälle und Blackouts arbeitsunfähig geworden und hat Arbeit und Familie verloren. Inzwischen hat er sich zu einem gewieften Hobo entwickelt. Er mag zwar seinen Schnaps wie jeder andere auch, aber er weiß, wo das Leben als Hobo halbwegs gut ist. Deshalb will er von der kalten Nordgrenze runter nach Tucson, ins warme Grenzgebiet nach Mexiko.

In Spokane, Idaho, schließt sich ihm eine junge Ausreißerin an, die vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein mag, aber unter ihrem T-Shirt schon schwere Brüste verbirgt. Grace will nach Kalifornien, um bei einem reichen Onkel ein leichtes Leben anzufangen. Aber gerade hat jemand ihren Begleiter Carter erschlagen und sie warnt Madcat vor dem Irren, der hier rumläuft. Sie bittet Madcat, sich ihm anschließen zu dürfen, und würde auch in „Naturalien“ für ein wenig Schutz und Begleitung bezahlen. Gegen die weibliche Art von „Naturalien“ hat Madcat nichts einzuwenden, und Grace scheint trotz ihrer roten Dreadlocks in Ordnung zu sein. Ihre tiefblauen Augen haben es ihm sogar angetan.

In Klamath Falls, Oregon, kommt es jedoch zu einer schicksalhaften Begegnung. Sie treffen auf zwei Hobos, von denen der eine, F-Trooper, ein Indianer, sich sofort beim Anblick der Neuankömmlinge verdrückt. Kaum hat sich Madcar ein bisschen mit dem anderen Hobos unterhalten, als F-Trooper wieder auftaucht und wütend einen Axtstiel gegen Madcat schwingt. Ist er eifersüchtig wegen Grace? Im Handgemenge werden beide verletzt und Madcat erleidet einen schweren Migräneanfall, der ihn halluzinieren lässt. Grace warnt Madcat, dass F-Trooper vielleicht der Mörder von Carter ist. Und der Indianer ist keineswegs tot und erhebt sich noch einmal zum Kampf …

|Mein Eindruck|

Dies ist eine wunderbar actionreiche, sinnliche Kurzgeschichte, die man wohl nicht so schnell in einer Science-Fcition-Anthologie finden dürfte. Madcat ist ein Hobo, wie er im Buche steht, aber Grace ist eine explosive Mischung aus Aphrodite und Medusa, die Madcats Leben ganz schön aufmischt, bis es zu einem Showdown kommt. Und danach wartet auf das ungleiche Paar an diesem Scheideweg entweder die Hölle oder der Garten Eden. Blutrot ist der Abendhimmel, doch in dieser Richtung, das weiß Grace ganz genau, liegt Kalifornien, das Gelobte Land.

Grace, das versteht sich von selbst, ist für die Sinnlichkeit in der Geschichte zuständig und Madcat für die abschließende Action im Showdown. Die beiden sind zwar nicht gerade Romeo und Julia, aber dass sie eine gemeinsame Bestimmung haben, wird dem Leser – und Madcat – bald klar. Bis der Schatten des Bösen und der Vergangenheit überwunden ist, ist eine heftige Auseinandersetzung notwendig, bei der sich Madcat selbst überwinden muss.

Er hat die Wahl: Will er ein Mörder wie der besoffene Indianer F-Trooper werden? Ist er am Ende selbst an Carters Tod, begangen in einem Blackout, schuldig? Oder kann ihn Grace erlösen? Am Schluss sagt sie einen wunderbaren Satz, der sehr simpel und altklug klingt: „Du bist meine Stärke, aber ich bin dein Herz.“ Klasse.

|Die Übersetzung|

Während der sprachliche Stil ziemlich in Ordnung ist, stolperte ich immer wieder über doppelte Wörter und ausgelassene Buchstaben. Am meisten verwirrten mich jedoch Entstellungen der ursprünglichen Namen. So müsste es statt „Bitterfoot Mountains“ (S. 25) wohl „Bitterroot Mountains“ heißen, wie jeder weiß, der schon mal die Geschichte des „Wilden Westens“ gelesen hat. Aus „Kalipsell“ müsste „Kalispell“ werden. Aber das sind lässliche Sünden. Im unten erwähnten Artikel aus der |Süddeutschen Zeitung| hat die automatische Rechtschreibung aus dem Ort „Klamath Falls“ das lächerliche „Klamauk Falls“ kreiert. Es geht also schlimmer.

_Unterm Strich_

Vom Faktischen der Reportage bewegt sich der Tenor des Inhalts dieser Sammlung hin zum Fiktionalen und Fiktiven der zwei Erzählungen. Die Reportage fand ich recht spannend, aber man muss ein wenig Geduld aufbringen, denn der Autor führt sehr viele Zeugenaussagen an, um seinen Befund zu belegen, dass es keine Hobo-Mafia gebe.

Von den beiden Erzählungen hat mir die Shortstory „Die Ausreißerin“ sehr gut gefallen, denn der Autor kommt schnell zur Sache. Ich habe mich gefragt, warum sie nicht dem Kurzroman vorangestellt wurde, aber dann fiel mir auf, dass es hier um ein Pärchen unter den Hobos geht. Und die Paarbildung ist eine komplizierte Sache, der erst einmal in der Novelle ausführlich dargestellt werden muss, bevor man sie in der Kurzgeschichte in ihrer ganzen Bedeutung würdigen kann.

Außerdem bietet der Schluss der Novelle einen transzendenten Ausblick auf den Himmel der Hobos, das „Drüben“ und das „Jenseits“. Damit der Eindruck des Mystischen und Spirituellen nicht zu stark zurückbleibt, bringt die Kurzgeschichte den Leser wieder auf den Boden der Tatsachen, und die sind alles andere als spirituell (sondern haben mehr mit Spirituosen zu tun). Der Himmel der Hobos wird hier zu einem ziemlich weltlichen Ort, nämlich Kalifornien, das Gelobte Land der „Hobo Nation“. Wer weiß, ob nicht die schwere Rezession, der sich die USA gegenübersehen, viele weitere „Reiter des Stahls“ erzeugen wird.

Habe ich mich durch die Mitte des Kurzromans durchquälen müssen – das „Drüben“ steht für Stagnation in Billys Entwicklung -, so entschädigten mich der Romanschluss und die Kurzgeschichte vollauf für diese Mühe. Hier passiert etwas, es wird erotisch, und nach dem Showdown wird die Kurzgeschichte für zwei Seiten regelrecht poetisch.

HINWEIS: In der |Süddeutschen Zeitung| vom 15.1.2009 findet ihr eine weitere [Rezension]http://www.buecher.de/shop/USA/Hobo-Nation/Shepard-Lucius/products__products/content/prod__id/23448115/#sz dieses Buches.

|Originaltitel: Two Trains Running, 2004
Aus dem US-Englischen von Joachim Körber
207 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-937897-29-5|
http://www.edition-phantasia.de

Meyer, Kai / Maetz, Stefan / Hagitte, Christian / Bertling, Simon – Alchimistin, Die. Teil 6: Die schwarze Isis (Hörspiel)

_Die Gilgamesch-Vision_

Folge 6: Aura folgt geheimnisvollen Spuren und stößt auf eine bestialische Mordserie. Nicht ahnend, dass zur gleichen Zeit vermummte Kämpfer ihren Sohn und ihre Nichte entführen, gerät sie in einen Strudel von Gewalt und düsteren Visionen. Währenddessen macht sich Gillian, der neue Großmeister der Templer, gemeinsam mit der Ordensschwester Karisma auf die Suche nach dem legendären Schatz seines Ordens. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Kai Meyer, Jahrgang 1969, studierte Film, Philosophie und Germanistik und arbeitete als Redakteur. Er schrieb schon in jungen Jahren und lieferte u. a. ein paar Jerry-Cotton-Abenteuer. Sein erster großer Erfolg war „Die Geisterseher“, eine historische „Akte X“. Seit 1996 ist er freier Schriftsteller und Drehbuchautor. Bisher sind rund 40 Romane von ihm erschienen. Selbst Kritiker waren von seinem historischen Mystery-Thriller „Die Alchimistin“ begeistert, später folgten „Die fließende Königin“ und „Göttin der Wüste“. Bei |Loewe| erschien mit den „Wellenläufern“ ein Jugend-Fantasyzyklus. „Frostfeuer“ aus dem Jahr 2005 ist eigenständiger Jugendroman. Das Buch wurde mit dem internationalen Buchpreis |CORINE| ausgezeichnet.

Die erste Staffel der achtteiligen Hörspielreihe umfasst die Folgen:

1) [Der Stein der Weisen 5052
2) [Das Erbe des Gilgamesch 5155
3) [Die Katakomben von Wien 5220
4) [Das Kloster im Kaukasus 5263

Im August 2008 erschien die zweite Staffel:

5) [Die Unsterbliche 5379
6) Die Schwarze Isis
7) Der Schatz der Templer
8) Der Alte vom Berge

Weitere Titel von Kai Meyer auf |Buchwurm.info|:

[Interview mit Kai Meyer]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=11
[„Der Brennende Schatten“ 4506 (Hörspiel)
[„Die Vatikan-Verschwörung“ 3908 (Hörspiel)
[„Die Wellenläufer“ 3247 (Hörbuch)
[„Die Muschelmagier“ 3252 (Hörbuch)
[„Die Wasserweber“ 3273 (Hörbuch)
[„Frostfeuer“ 2111 (Hörbuch)
[„Die Alchimistin“ 73
[„Das Haus des Daedalus“ 373
[„Der Schattenesser“ 2187
[„Die Fließende Königin“ 409
[„Das Buch von Eden“ 890 (Hörbuch)
[„Das Buch von Eden“ 3145
[„Der Rattenzauber“ 894
[„Faustus“ 3405
[„Seide und Schwert“ 3558 (Das Wolkenvolk 1, Hörbuch)
[„Lanze und Licht“ 4549 (Das Wolkenvolk 2, Hörbuch)
[„Drache und Diamant“ 4574 (Das Wolkenvolk 3, Hörspiel)

_Sprecher & Inszenierung_

Erzähler: Friedhelm Ptok (Ian ‚Imperator Palpatine‘ McDiarmid)
Aura Institoris: Yara Blümel-Meyers
Gillian: Claudio Maniscalo (Jimmy ‚The Haitian‘ Jean-Louis)
Tess: Marie-Luise Schramm (Mara Wilson)
Salome Kaskaden: Christine Marx
Lucrecia Kaskaden: Daniela Hoffmann (dt. Stimme von Julia Roberts)
Karisma: Ulrike Stürzbecher (Patricia Arquette, Kate Winslet)
Raffael: Norman Matt (Cillian ‚Scarecrow‘ Murphy, ‚Guybrush Threepwood‘ in den „Monkey Island“-Spielen)
Escriva: Kaspar Eichel (James ‚Scotty‘ Doohan, Richard Dreyfuss)
Und andere, darunter Tilo Schmitz (dt. Stimme von Ving Rhames).

Für Regie, Ton und Musikkomposition zeichnen Christian Hagitte und Simon Bertling vom Studio |STIL| verantwortlich. (Das Hörspiel ist daher Cornelia Bertling gewidmet, die 2007 mit 40 Jahren starb.) Die Musik spielt das Filmorchester Berlin und der Hochmeisterchor Berlin unter der Leitung von Hagitte. Die Hörspielbearbeitung stammt von Stefan Maetz. |Lübbe Audio| produzierte das Hörspiel und nicht etwa ein Rundfunksender.

_Vorgeschichte_

Schloss Institoris, ein düsteres Gemäuer an einer einsamen Küste. Inmitten eines Labyrinths endloser Gänge und Säle wächst Aura heran, die älteste Tochter des Schlossherrn. Sie ist die Erbin eines uralten Rätsels, der Rezeptur des Steins der Weisen. Doch als ihr Vater im Auftrag seines Widersachers Lysander ermordet wird, schlägt die Stunde für Auras Stiefbruder Christopher – er beansprucht das Geheimnis der Unsterblichkeit für sich …

Folge 2: Aura enthüllt das Geheimnis ihrer Familie. Ausgerechnet der Mörder ihres Vaters, der geheimnisvolle Hermaphrodit Gillian, befreit sie aus den Klauen grausamer Mörder. Auf der Spur von Auras entführter Schwester Sylvette reisen sie nach Wien. In den Katakomben unter der Stadt geraten sie in einen Konflikt, dessen Ursprünge weit zurück ins Mittelalter reichen …

Folge 3: Sieben Jahre sind vergangen. Aura hat die Geheimnisse der Alchimie erforscht und das Erbe ihres Vaters angetreten. Doch alle, die ihr etwas bedeutet haben, sind tot. An der Seite ihres verhassten Stiefbruders Christopher muss sie abermals den Kampf gegen den alten Feind ihrer Familie aufnehmen – tief unter der Wiener Hofburg. Zugleich dämmert daheim auf Schloss Institoris eine neue Gefahr: Auras wahnsinnige Mutter Charlotte hat eigene Pläne …

Folge 4: Jenseits des Schwarzen Meeres, in den einsamen Bergen des Kaukasus, liegt die vergessene Festung der Tempelritter. Hier in der Wildnis am Ende der Welt nähern sich Ara Institoris und ihr Stiefbruder Christopher endlich dem Versteck ihres Gegners Lysander. Zugleich reist Gillian, der Hermaphrodit, mit den Institoris-Kindern nach Venedig ins neue Hauptquartier des Templerordens. Sein schwerster Kampf steht ihm noch bevor – gegen Morgantus, den unsterblichen Alchimisten …

Folge 5: Zehn Jahre nach den Ereignissen im Kaukasus in Folge 4. Aura Institoris hat die Unsterblichkeit gewonnen. Doch ihre große Liebe ist daran zerbrochen, ihre Familie in alle Winde zerstreut. Während die Welt in einen großen Krieg taumelt, taucht Aura einsam und verzweifelt in Paris unter. Ein geheimes Zeichen, der blutige Abdruck einer Hand mit sechs Fingern, ändert alles. Auras Nachforschungen führen auf die Fährte eines Mörders, dem jedes Mittel recht ist, um die Geheimnisse der Alchimistin zu offenbaren. (Verlagsinfos)

_Handlung_

In Paris findet Aura den Autor des Buches „Die sechs Finger des Magus“ ermordet in seiner Wohnung vor. Die Leiche muss schon eine Woche lang kalt sein, doch die zwei Hände wurden abgetrennt und zu einer Art Stempel zusammengenäht. Diesen Stempelabdruck hat Aura auf ihrem Betttuch entdeckt. Aber wer hat ihn angefertigt? Sie entdeckt das Bild eines Kastells in den andorranischen Pyrenäen. Sie erkennt es, denn es ist im Besitz ihrer Familie: Von dort stammte ihr Vater Nestor. Eine typische Templerburg, achteckig, trutzig – und voller Geheimnisse.

Die geplante Séance bei den deutschen Zwillingsschwestern Salome und Lucrecia Kaskaden findet ohne den verschwundenen Chevalier de Veldan statt. In der spiritistischen Sitzung sieht Aura vor ihrem geistigen Auge eine schwarz gewandete Frau in den Wehen liegen und einen Sohn mit blauen Augen gebären. Ein Name weht ihr zu: die schwarze Isis. Und sie verbreitet Dunkelheit. Als Aura aus der Vision erwacht, teilen ihr die Zwillinge mit, sie hätten die Vision mitverfolgen können. Es sei die gleiche, die auch der Chevalier hatte.

Als die französische Polizei an die Wohnungstür pocht, um die drei Deutschen festzunehmen und zu internieren, müssen die Damen über die Dächer fliehen und alle möglichen Tricks anwenden, um die Verfolger abzuschütteln. Da staunt auch Aura über den Einfallsreichtum der Zwillinge. Auf dem Gut Philippe Montheillets stellt sie dessen Lover Raffael bei einem Diebstahl und erfährt in dessen Wohnung, dass auch Philippe fortgegangen sei: nach Brest vermutlich. Hier erkennt sie auch, welch armseliges Schicksal Raffael mit seiner kranken Frau teilt. Raffael nennt sie, Aura, eine „Göttin in Schwarz“, genau wie jene Isis. Aura reist nach Andorra, doch jemand scheint sie zu verfolgen.

Unterdessen ist es Tess und Gian nicht gelungen, aus ihrer Gefangenschaft zu fliehen. Und Gillian sucht auf Mallorca nach dem Templerschatz, den schon viele vor ihm gesucht haben. Doch von einem alten Mann namens Escriva erhält er endlich einen wertvollen Tipp und begibt sich zur steilen Nordküste.

_Mein Eindruck_

Im Mittelpunkt dieser Folge steht eindeutig Auras Vision von der schwarzen Isis. Es handelt sich dabei um eine real existierende Person und höchstwahrscheinlich eine Unsterbliche. Könnte sie durch Mittelsmänner und Handlanger hinter den Ereignissen stecken, welche die Figuren der drei Handlungsstränge bewegen? In einer weiteren Vision erblickt Aura die schwarze Isis, wie sie dem König Gilgamesch von Uruk das Kraut der Unsterblichkeit stibitzt. Die Fremde hat also auch die gleiche Kraft wie Aura selbst. Dass die Isis – eine ägyptische Gottheit – in der Legende eigentlich Inanna hieß, soll nicht weiter stören. Beide waren Mond- und Muttergottheiten.

Doch das Rätsel darum, was die Isis mit Aura vorhat, soll erst in der letzten Folge gelüftet werden. Auch der Grund, warum sie die SCHWARZE Isis genannt wird, bleibt vorerst im Dunkeln. Es ist aber nicht abwegig anzunehmen, dass sie das dunkle Gegenstück zu Aura ist. Dass Aura aber auf irgendeine Weise per se gut und somit WEISS sein soll, wird durch keinerlei Taten Auras belegt. Es sei denn, man zählt ihre Bekämpfung der finsteren Tempelritter dazu. Damals setzte sie deren Unsitte, mit ihren Töchtern Nachkommen zu zeugen und deren Blut zu trinken, eine Ende. Hätte sie nicht aufbegehrt, hätte auch ihr Vater sie dergestalt missbraucht.

Recht seltsam fand ich den Auftritt der beiden deutschen Schwestern Kaskaden. Nirgendwo wird erklärt, warum sie empathische Kräfte haben, eventuell wegen einer Verbindung zur Familie Institoris. Offenbar besteht ihre Funktion lediglich darin, Aura zu der Vision der schwarzen Isis zu verhelfen. Auch welche Verbindung sie zum Chevalier de Veldan haben, bleibt unklar. Der Chevalier könnte ebenfalls ein Unsterblicher sein, der früher unter dem Namen Cagliostro an den Fürstenhöfen des 18. Jahrhunderts auftrat.

Aufgrund dieser vielen offenen Fragen bleibt die zweite Folge der neuen Staffel etwas unbefriedigend. Dafür gibt aber mal wieder ein wenig Action (und damit ist kein Sex wie in der ersten Folge gemeint). Die Flucht über Dächer, durch Gassen und verborgene Katakomben hat ihren eigenen Charme und erzeugt eindeutig Spannung – die angesichts der Ereignislosigkeit der anderen Handlungsstränge sehr willkommen ist.

_Unterm Strich_

Diese Folge dient dem Übergang vom Schauplatz Paris zu den Schauplätzen in Spanien. In Paris werden gruselige Szenen wie aus „Das Schweigen der Lämmer“ aufgeboten, aber auch eine spannende Verfolgungsjagd. Eine Vision gibt Aura Rätsel auf: Was hat die schwarze Isis mit den Unsterblichen zu tun? Es ist ein Hinweis auf das Gilgamesch-Epos. Unterdessen gelangen Gian und Tess sowie Gillian und Karisma an interessante Bestimmungsorte. Besonders interessant ist der Hinweis auf die Höhle auf Mallorca, wo der Templerschatz verborgen liegen könnte.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von bekannten Schauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Stars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|69 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3611-1|
http://www.kai-meyer.com
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name

Zietsch, Uschi – Dämonenblut (Waldsee-Chroniken 1)

_Action-Fantasy: Helden mit Unterleib, freundliche Dämonen_

Rowarn ist kein gewöhnlicher junger Mann. Seit jeher neigt er zu Gewaltausbrüchen. Eines Morgens erwacht er im Wald, neben sich die Leiche einer furchtbar zugerichteten jungen Frau. Schon bald bezichtigen ihn, wie befürchtet, die Dorfbewohner des Mordes und fordern Vergeltung. Rowarn kann sich nicht erinnern, die Tat begangen zu haben. Was er nicht weiß: Er hat eine finstere Vergangenheit, in der uralte Dämonen schlummern – die Dämonen von Valia.

_Die Autorin_

Uschi Zietsch wurde 1961 in München geboren. Nach ihrem Studium von Jura, Theaterwissenschaft, Geschichte und Politik machte sie ihren kaufmännischen Abschluss an der IHK. Bis Mitte 1996 war sie neben ihrem Schreiben hauptberuflich in Marketing/Vertrieb tätig. Seither ist sie freischaffende Schriftstellerin. 1986 veröffentlichte sie ihren ersten Fantasyroman „Sternwolke und Eiszauber“. Bis heute folgten über hundert weitere Publikationen. Im Dezember 2008 wurde ihr für ihre Kurzprosa „Aische“ der „Armin T. Wegner
Literaturpreis Menschenrechte“ von |Amnesty International| verliehen. Zietsch lebt mit ihrem Mann im bayerischen Unterallgäu. Ihr eigener Verlag heißt |Fabylon|.

Die Waldsee-Chroniken:

1) Dämonenblut
2) Nachtfeuer
3) Perlmond
4) Nauraka

_Handlung_

Der 19-jährige Rowarn lebt im idyllischen Wald von Inniu, doch weit abseits des Dorfes bei seinen Muhmen, den beiden Zentauren bzw. Velerii Schattenläufer und Schneemond. Sie vertreten bei ihm die Stelle seiner Eltern, die er nie kennengelernt hat. Doch dies soll sich nun ändern, denn große Ereignisse werfen ihre Schatten nun auch auf seine Region.

Rowarn hat mit Anini, einer Dorfschönheit, eine angenehme Liebesnacht verbracht. Doch als er am nächsten Morgen am Waldrand aufwacht, ist sein Liebeslager voller Blut. Entsetzt springt er in den See, um sich zu reinigen, und statt das Dorf Aninis zu verständigen, irrt er umher. So kommt es, dass man ihn schließlich im Dorf selbst für den Mörder des Mädchens hält, und ihr Bruder Rayem, der Sohn des Wirtes Hallim, würde ihn am liebsten umbringen. Rowarn kann lediglich seine Unschuld beteuern.

Deshalb zieht es ihn weiter hinaus in den Wald, um Frieden zu finden. Dieses Jahr ist der weiße Falke ausgeblieben, der sonst immer die Mitte des Jahres anzeigt, das Kommen des Sommers. Stattdessen stößt Rowarn an seinem Lieblingsbaum auf eine Schar unbekannter Reiter, vor der er sich nicht zu verbergen vermag. Deren Führer stellen sich als Fürst Noirun und Zwerkenkönig Olrig vor. Sie wollen Rekruten für ihren Krieg gegen die Dämonen von Femris anwerben.

Als Rowarn sie zu seinen Zieheltern führt, erfährt er zunächst einiges über die Vorgänge in Ardig Hall, dem Zentrum des Landes Valia auf der Welt Waldsee. Dort wurde ein Mord begangen, an Ylwa, der letzten Angehörigen des magiebegabten Volkes der Nauraka, die einst aus der Tiefe des Meeres kamen. Der Mörder war der Dämon Femris, der Ylwas Bruchstück des Tabernakels, eines mystischen Gegenstandes großer Macht, rauben wollte. Nun erfährt Rowarn von Schneemond unter vier Augen, dass Ylwa Rowarns Mutter war. Ylwa hatte vor 20 Jahren ihr Kind in die Obhut der Velerii gegeben, damit es in Sicherheit aufwachse. Rowarn schwört den Dämonen Rache für den Mord an seiner Mutter.

Doch zuvor gilt es den Mord an Anini aufzuklären. Fürst Noirun und Kriegskönig Olrig erklären sich dazu bereit, bei der Suche nach dem Täter behilflich zu sein. Morwen, die ausgezeichnete Fährtensucherin Noiruns, bemerkt die eindeutigen Spuren um den Tatort: eine Gruppe Dämonen ist bis hierher vorgedrungen, doch raubte sie nur das Herz Aninis. Das deutet darauf hin, so Morwen, dass der Gruppenführer Kraft sammelt, um sich dieses Land untertan zu machen. Folglich müssen die Menschen sich beeilen, die Dämonen zu stoppen, bevor sie so mächtig geworden sind, dass keiner sie mehr bezwingen kann.

Mit der Erlaubnis des Dorfältesten begibt sich die Soldatentruppe des Fürsten auf die Suche nach der Gruppe Dämonen. Rowarn schließt sich ihnen an, denn er bewundert Noirun, Olrig und Morwen und hofft, etwas von ihnen zu lernen. Rayem, Aninis Bruder, bildet mit ihm ein streitsüchtiges Paar Treiber. Als sie in den Höhlen im Wald nichts finden, fällt es Rowarn wie Schuppen von den Augen: Die Dämonen sind zwar hier – aber bereits im Dorf!

Rowarn eilt mit dem keuchenden Rayem ins Dorf zurück, wo sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten. Jetzt heißt es, allen Mumm zusammenzunehmen und die letzten Überlebenden zu verteidigen.

_Mein Eindruck_

Das hört sich vorerst relativ konventionell an, wie eine Kombination aus Detektivstory und Fantasy à la Tolkien. Doch die langjährige Fantasyautorin Uschi Zietsch hat für ihre Waldsee-Chroniken ein eigenes Universum entworfen, das sich dem jungen Helden Rowarn ebenso schrittweise erschließt wie seine eigene Herkunft und Natur. Deshalb ist sein Weg ins Herz dieses Weltentwurfs für ihn wie auch für uns gepflastert mit Entdeckungen. Viele davon sind freundlich, etliche aber auch reichlich unangenehm. Rowarn muss sich seinen ihm zustehenden Platz erst erobern.

Das klingt ein wenig nach Tolkiens [„Herrn der Ringe“. 1330 In der Tat greift die Autorin zunächst auf bewährte Muster zurück, um den Leser in Sicherheit zu wiegen. So macht sich Rowarn wie Frodo mit einem Auftrag auf den Weg, und sein treuer Freund Rayem begleitet ihn. Doch nicht neun Gefährten machen sich von Bruchtal aus auf eine Expedition ins Herz des Feindeslandes, sondern eine ganze Armee. Dass mit dieser Truppe etwas nicht ganz stimmen kann, merkt Rowarn spätestens dann, als die Fährtenleserin der Rekrutenkompanie nachts unter seine Decke schlüpft, um mit ihm Liebe zu machen.

Aber holla, so einen Sauhaufen hätte es bei Professor Tolkien nicht gegeben! Nicht nur Rowarn darf es munter im Schlafsack treiben, sondern auch Rayem und etliche andere. Dies gehört jedoch nicht zum Rekrutentraining, wie es aussieht, sondern ist ein den Rekruten vorbehaltenes Privileg. Aber immerhin bilden sich schnell persönliche Bande und die „faulen Eier“ unter den Rekruten sind schnell aussortiert.

Im Armeelager steht Rowarn, der von Knappen zum persönlichen Adjutanten des Fürsten beförderte Frischling, dem Widerstand der anderen Rekruten gegenüber. Ein erster Versuch, den Streit gütlich beizulegen, scheitert, und er muss seine Kampfkunst demonstrieren. Fortan hat er zwei erste Feinde. Es werden nicht die letzten sein.

|Vorgeschichte|

Fürst Noirun und Kriegskönig Olrig ziehen Rowarn zu ihrem Kämpen heran. Nicht nur das Kämpfen mit richtigen Waffen erlernt der Jüngling, sondern in Unterredungen mit Fürst Noirun auch die Geschichte Valias und Ardig Halls. In Ardig Hall herrschte Rowarns Mutter Ylwa, was er Noirun nicht verrät. Sie hütete einen Splitter des heiligen Tabernakels, das für ganz Waldsee von elementarer Bedeutung ist.

Der Dämon Femris ist bemüht, alle Bruchstücke des Tabernakels an sich zu bringen. Doch wie konnte es ihm gelingen, eine zaubermächtige Nauraka wie Ylwa zu überwinden? Noirun und andere Ritter erzählen Rowarn, wie Ylwa von einem Zwielichtgänger namens Nachtfeuer überwältigt wurde, der in Femris‘ Diensten steht.

|Finale?|

Der Clou an der Geschichte ist jedoch, dass es Femris und seiner Armee nicht gelungen ist, den Belagerungsring, den Noiruns Armee um sie gelegt hat, zu durchbrechen. Folglich kann nur eine Schlacht die Entscheidung bringen, ob Femris den Splitter behält oder an Noiruns Scharen verliert. Rowarn verrät es Noirun nicht, aber einem anderen Ritter: Er sinnt auf Rache für den Mord an seiner Mutter. Also hat er Femris und Nachtfeuer im Visier. Er ahnt nicht, dass auch diese es auf ihn abgesehen haben. Deshalb sorgt der Schluss dieses Bandes für einige handfeste Überraschungen. Die obligatorische Schlacht ist noch lange das letzte Wort in dieser Geschichte.

|Gegen den Strich|

Nicht nur führt die Autorin Fabelwesen wie Zentauren und ziegenfüßige Monster in eine Tolkien-Welt ein, sondern sie revidiert auch die überkommene Tradition der Bilder. Jeder kennt inzwischen aus Jacksons Verfilmung den schrecklichen Balrog von Moria, der an der Brücke von Khazad-dûm Gandalf zum Verhängnis wurde. Nun lässt die Autorin solch ein Monster-Viech auch in ihrer Geschichte auftreten, allerdings auf der Seite der Guten. Diese Wesen werden einfach „Dämonen“ genannt. Dummerweise gibt es aber auch Abtrünnige unter ihnen, die zu Femris halten.

|Erotik|

Wir sind außerdem daran gewöhnt, dass die Recken im „Herrn der Ringe“ vorläufig unbeweibt durch die Gegend latschen. Arwen taucht nur bei Jackson laufend auf, nicht aber im Original. Aragorn lebt also keusch, und zwar monatelang. Dito Boromir und sein Bruder Faramir. Sie haben daheim niemanden, der ihnen ein Süppchen am Herd kocht oder das Bettchen wärmt. (In Mittelerde wurden noch keine Glasfenster erfunden …)

Nicht so Fürst Noirun. Wie Rowarn zu seinem wachsenden Erstaunen feststellt, ist der Fürst keineswegs ein Kostverächter, was weibliche Gesellschaft angeht. Diese Ladys sind weit verstreut in verschiedenen Gasthöfen zu finden. Versteht sich von selbst, dass auch Zwergendamen vom Menschengeschlecht angezogen sind, und die betreffende Lady bedauert sehr, dass sie Rowarn nicht mit ihren Liebeskünsten verwöhnen darf. Er hat nämlich gerade Spione des Feindes belauscht und Wichtigeres vor, als mit ihr ins Heu zu hüpfen. Vielleicht ein anderes Mal, honey! Wie schön, dass diese Helden auch einen Unterleib haben dürfen!

|Die Anhänge|

Die Anhänge enthalten als besonders hilfreichen Teil ein Glossar, das die zahlreichen Namen und Begriffe erklärt, welche die Autorin für ihr Waldsee-Universum erfunden hat. Dieses Glossar wird in den Folgebänden je nach Bedarf weiter ausgebaut. Ein zweiter Text ist die Rede einer Mutter an ihr Kind – es könnte sich um Rowarn handeln -, in der es um den Traum des Schöpfers geht, auf dem das ganze Waldsee-Universum basiert.

_Unterm Strich_

Der erste Band eines neuen Fantasy-Zyklus ist immer etwas heikel. Dieser bildet keine Ausnahme. Für den Leser fängt alles erst ganz gemütlich an, bevor im Mittelteil eine erhebliche Umgewöhnungsphase eintritt. Viele Figuren widersprechen den Klischees, die das Fantasygenre (oder vielmehr die amerikanischen Verlage) für sich eingerichtet hat. Soldaten und Recken haben ein Liebesleben, das sie dennoch nicht lächerlich macht. Und Monster wie Balrogs entpuppen sich als Verbündete, wenn man auch nicht versuchen sollte, mit ihnen Kirschen zu essen.

Das letzte Drittel ist dann wieder vertrautes Terrain: die Entscheidungsschlacht. Dies ist zwar nicht das Ringen der Völker um das Schicksal von Mittelerde, aber die diversen Durchgänge bietet doch eine Reihe von dramatischen Kämpfen gegen ernstzunehmende Gegner. Leider kommt es in den Reihen der Guten zu beklagenswerten Verlusten. Rowarn fällt es schwer, den Befehl seines neuen Dienstherrn Noirun zu befolgen und nur vom Seitenaus zuzuschauen. Wenigstens kann er von dieser Position aus den Überblick über das Geschehen bewahren, wofür ihm der Leser dankbar ist.

Da noch zahlreiche Geheimnisse der Enthüllung harren und Rowarn seinen Racheplan weiterverfolgt, bin ich gespannt, wie der Zyklus weitergeht. Der Weltentwurf der versierten Autorin birgt jedenfalls noch einiges Potenzial, um aufregende Abenteuer mit fremdartigen Wesen zu gestalten.

|415 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-28517-4|
http://www.uschizietsch.de
http://www.bastei-luebbe.de
http://www.fabylon-verlag.de

Haensel, H. / Böhmert, F. / Feldhoff, R. / Effenberger, S. A. / Hagitte, Chr. / Bertling, S. – Land unter dem Teich, Das (Perry Rhodan – Sternenozean, Folge 20)

_Auf Bagger-Mission: Perry gräbt ein Mädel aus_

|Lübbe Audio| vertont die Abenteuer des Kadetten Kantiran und des Sternenadminstrators Perry Rhodan, die in der Unterserie „Sternenozean“ im |Perry Rhodan|-Universum spielen. Bislang sind vierundzwanzig Hörspiele veröffentlicht, doch will |Lübbe| offenbar vierzig Hörspiele produzieren. Dies ist die vierte Staffel.

Folge 19: Unbekannte Mächte zapfen die sechsdimensionale Energie der toten Superintelligenz ARCHETIM in der Sonne an. Als im Rahmen der „Operation Kristallturm“ ein Forschungsschiff zur Aufklärung dieser Vorkommnisse startet, entdeckt TLD-Agentin Mondra Diamond einen gefährlichen Saboteur an Bord …

Folge 20: Zephyda hat einen Konvent einberufen und soll zur stellaren Majestät der Motana ausgerufen werden. Währenddessen erspürt die geheimnisvolle Schildwache Lyressea ihre Schwester in einer Asylkapsel unterhalb der Stadt Kimte. Als sie Perry Rhodan in das Land unter dem Teich führt, wird beiden klar, dass Kimte in wenigen Minuten die Vernichtung droht …

_Die Reihe_

„Perry Rhodan“ ist die größte SF-Heftchen- und Roman-Reihe der Welt. Eine Vielzahl von Autoren schreiben seit Jahrzehnten für die Reihe, und koordiniert wird dieser Aufwand vom |Pabel|-Verlag in Rastatt. Auch Andreas Eschbach fühlte sich geehrt, einen oder zwei Bände beitragen zu dürfen.

Es gab vor der aktuellen |Lübbe-Audio|-Reihe schon Vertonungen der PR-Silberbände, doch nicht in der stilvollen Inszenierung des |STIL|-Tonstudios. Die Vorlage für das vorliegende Abenteuerhörspiel lieferten die Romane „Friedenskämpfer“ von Hubert Haensel, „Das Land unter dem Teich“ von Frank Böhmert sowie Zeuge der Zeit“ von Robert Feldhoff.

Die 1. Staffel:

1) [Der Sternenbastard 3030
2) [Die Mascantin 3031
3) [Der Hyperschock 3035
4) [Planet der Mythen 3058
5) [Havarie auf Hayok 3263
6) [Das Blut der Veronis 4468

Die 2. Staffel:

7) [Der Gesang der Motana 3627
8) [Sonderkommando Kantiran 3639
9) [Tau Carama 3656
10) [Überfahrt nach Curhafe 3664
11) [Entscheidung in Vhalaum 3682
12) [Die Femesängerin 3699

Die 3. Staffel:

13) [Der Flug der Epha-Motana 4589
14) [Terraner als Faustpfand 4592
15) [Die Sekte erwacht 4595
16) [Der Todbringer 4609
17) [Kampf um den Speicher 4633
18) [Die mediale Schildwache 4661

Die 4. Staffel:

19) [Operation Kristallsturm 5339
20) Das Land unter dem Teich
21) Attentat auf Hayok
22) Kybb-Jäger
23) Auf dem Weg nach Magellan
24) Jenseits der Hoffnung

_Die Sprecher & Die Inszenierung_

Erzähler: Christian Schult (Richard Belzer in „Law & Order: New York“)
Perry Rhodan: Volker Lechtenbrink (Schauspieler, Sänger, Synchronsprecher: Kris Kristofferson, Burt Reynolds als ‚Logan‘)
Atlan: Volker Brandt (Stimme von Michael Douglas)
Rorkhete: Charles Rettinghaus (Jean-Claude van Damme)
Lyressea: Yara Blümel-Meyers (‚Aura Institoris‘ in den Hörspielen zu „Die Alchimistin“)
Zephyda: Claudia Urbschat-Mingues (Angelina Jolie, Kristanna Loken, Maria Bello)
Ilkhete: Barbara Ratthey (Elaine Stritch, Miranda Richardson in „Merlin“ 1 & 2)
Kischmeide: Karin David
Sowie Martin Baden und Kerstin Ratschke.

Volker Lechtenbrink wurde 1944 in Cranz/Ostpreußen geboren. Bereits als Achtjähriger sprach er im Kinderfunk und stand zwei Jahre später auch schon auf der Bühne. 1959 wurde er durch den Antikriegsfilm „Die Brücke“ (Regie: Bernhard Wicki) bundesweit bekannt. Er besuchte die Schauspielschule in Hamburg und ist heute in zahlreichen TV-Serien zu sehen. Darüber hinaus ist er am Theater tätig, geht auf Tourneen oder wirkt als Intendant. (Verlagsinfo)

Die Hörspieladaption stammt von S. A. Effenberger. Regie, Musik, Ton und Programmierung lagen in den Händen von Christian Hagitte und Simon Bertling vom Ton-Studio |STIL|. „Die Musik wurde exklusiv für die Perry-Rhodan-Hörspiele komponiert und vom Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte live eingespielt. Die elektronischen Klänge und Effekte wurden speziell für die Hörspiele vom |STIL|-Team durch den Einsatz von Computertechnik generiert“, heißt es im Booklet. Executive Producer der Reihe ist Marc Sieper.

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ von |Radiopilot|. Musik und Text stammen von Lukas Pizon und Rafael Triebel. Mehr Info: www.radiopilot.de und MySpace.

_Vorgeschichte_

Die Lage des Jahres 1332 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist in der Galaxis so bedrohlich und zugleich offen wie seit Jahren nicht mehr. Und alles bewegt sich auf eine einzige Veränderung hin: die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstandes, kurz Hyperimpedanz genannt. Dieser „Hyperimpedanzschock“ trifft die Galaxis mehrfach. Durch ihn fällt jede hochwertige Technologie aus. Dies kündigt sich durch eine stark verminderte Höchstgeschwindigkeit der Raumschiffe und eine reduzierte Reichweite des interstellaren Hyperfunks an. Auch das Gesicht der Galaxis verändert sich. Durch die Hyperimpedanz ausgelöst, kommt es zu schweren Hyperstürmen und Raumbeben. Bisher unter Hyperkokons verborgene Sternenhaufen stürzen in die Galaxis zurück.

In dieser Zeit sind Perry und Atlan noch immer im Sternenozean von Jamondi verschollen, jenem optisch nicht wahrnehmbaren Sternhaufen, der direkt neben dem Sektor Hayok aufgetaucht ist – aus einem Hyperkokon, in den er offenbar seit Jahrmillionen gehüllt war. Es gibt Verbindungen zwischen der Galaxis und Jamondi, die sich den Menschen bisher noch nicht erschließen. Fieberhaft arbeiten terranische Wissenschaftler an Erklärungen für die angestiegene Hyperimpedanz.

|Unterdessen im Jamondi-Sternenozean.|

Im Jahr 1332 NGZ sind Perry und Atlan, die beiden Unsterblichen und ehemaligen Ritter der Tiefe, noch immer im Jamondi-Sternenozean unterwegs. Seite an Seite mit den menschenähnlichen Motana und dem Nomaden Rorkhete stehen sie im Kampf gegen die Herrscher des Sternenhaufens, die Kybb – kybernetische, igelähnliche Wesen. Ein Kontakt mit Terra ist nicht möglich – siehe oben.

Nach großen Anfangserfolgen ihres Aufstandes zerplatzt die Zuversicht der Rebellen, als sie erstmals den übermächtigen Kybb-Traken gegenüberstehen. In einem einzigen Gefecht über dem Planeten Baikhal Cain geht den Motana eine große Zahl ihrer bionischen Kreuzer an die Kybb verloren (Folge 18). Nachdem Perry während der Kämpfe die geheimnisvolle Schildwache Lyressea aus ihrer zeitlosen Asylkapsel auf Baikhal Cain befreit hat, sind die Gefährten nach Tom Kartay, der einzigen freien Motana-Welt, zurückgekehrt, um den Kampf gegen die Kybb fortzuführen.

_Handlung_

Damit die Revolte nicht stirbt, bevor sie so richtig begonnen hat, wird ein Konvent der planetaren Majestäten einberufen, der die junge Motanafrau Zephyda zur Stellaren Majestät erheben soll. Nur unter ihrem Kommando vereint können die Motana den Befreiungskrieg gegen die Kybb führen, den sie sich in den langen Jahren der Unterdrückung immer erhofft haben. Einzige Kandidatin für das Amt ist Zephyda. Als sie in der Festung Rödergorm ihre Rede hält, sorgt sie unter den über 300 Planetaren Majestäten für einiges Aufsehen.

Sie berichtet nämlich, was sie und Perry von der Medialen Schildwache Lyressea erfahren haben. Vor sieben Millionen Jahren herrschte in unserer Milchstraße und der Großen Magellanschen Wolke (GMW) ein Bruderkrieg. In der GMW fiel der Gott Gon-Orbhon vom wahren Glauben ab und schuf eine große Festung: Parrak. Die Schutzherren der Galaxien waren machtlos gegen ihn. Nach sieben Jahrhunderten beendete die Superintelligenz ES den Krieg, indem sie den Sternenozean von Jamondi und die Bastion von Parrak in sogenannten Hyperkokons voneinander abschottete: kleinen Taschenuniversen.

Doch der Schutzherr Takazani wurde ebenfalls abtrünnig und initiierte eine Revolte, die als „Blutnacht von Barings“ in die Geschichte einging. Dabei wurden alle Schutzherren bis auf eine getötet, die fliehen konnte. Fortan herrschten die Kybernetischen Völker über den Sternenozean, denn die Kybb Cranar halfen Takazani. Sie unterdrückten die Motana fortan brutal. Bis heute residiert Takazani in seinem Schloss Kerzesch, das sich im Afronie-Sternhaufen befindet. Dieser Sternhaufen ist von Jamondi ebenfalls durch einen Hyperkokon abgetrennt. Und Gon-Orbhon herrscht noch immer in der Großen Magellanschen Wolke.

Nun ist jedoch Jamondi in den Normalraum zurückgestürzt, was für Terra die Gefahr eines Angriffs der Kybb heraufbeschwört. Um sowohl den Motana als auch Terra zu helfen, will die Mediale Schildwache Perry Rhodan und Atlan, die ehemaligen Ritter der Tiefe, in den Stand von Schutzherren erheben und ihnen somit mehr Macht verleihen. Zu diesem Zweck müssen jedoch die anderen fünf Schildwachen ebenso gefunden werden wie das Paragonkreuz.

Die erste dieser fünf Schildwachen spürt Lyressea bereits auf dieser Welt, auf Tom Kartay. Es sei ihre Schwester Katiane, und sie befinde sich tief unten, am Fuße des Stadt-Baums von Kimte. Nach einigem Suchen entdecken sie, dass Katianes Asylkapsel unter dem Boden des Teiches liegen muss. Zusammen mit Perry betritt sie die Tunnel, die in das Land unter dem Teich führen …

_Mein Eindruck_

Endlich haben wir unsere alten Helden wieder! Da sind Perry, Atlan, die schöne Zephyda und der geheimnisvolle Shozide Rorkhete, eine Art letzter Mohikaner. Zephyda erlangt nun höchste Würden, wird sich doch ruckizucki zur Stellaren Majestät gewählt. Es macht nichts, wenn wir nicht wissen, wie sie zu dieser Würde kommt, wo sie doch nur eine Planetare Majestät unter 300 ist. (Ob die Zahl 300 etwas mit den Spartanern des Königs Leonidas zu tun hat, wage ich zu bezweifeln.) Hauptsache, Zephyda tritt den anderen Majestäten verbal in den Hintern und macht ihnen klar, dass es Zeit für einen ordentlichen Befreiungskrieg ist. Wir wähnen uns im Amerika des Jahres 1776.

Unterdessen im Sumpf. Hier schleicht Perry mit seinem Spezialmädel, der Medialen Schildwache Lyressea, durch Busch und Strauch. Picknick und Schäferstündchen stehen jedoch nicht auf dem Stundenplan, sondern vielmehr das Ausbuddeln einer weiteren Schildwache: Schwesterherz Katiane soll die Gute heißen, und ganz klar ist Perry auch auf dieses Mädel scharf. Vielleicht ahnt er ja auch schon, was er von all diesen Schildwachen bekommen kann: nämlich die Erhebung zur Würde des Schutzherren.

Wie auch immer: Der Held muss mal wieder wie weiland Odysseus und Faust „hinab zu den Müttern“, will heißen: in den Bauch der Erde. Dort ist jedoch ebenfalls nicht Baggern angesagt, sondern die Befreiung der Schildwache (was im Grunde aufs selbe hinausläuft). Die stellt sich als schwieriger heraus als gedacht, denn wenn die „Asylkapsel“ Katianes bewegt wird, dürfte ein Selbstzerstörungsmodus aktiviert werden, der große Hitze entwickelt. Diese wiederum dürfte den Stadt-Baum in Brand setzen, aus dem die hiesige Stadt Kimte besteht. Die Bürgermeisterin Kishmaede ist denn auch wenig entzückt von dieser Nachricht aus dem Sumpf. Sie ordnet die Evakuierung an.

Nun darf auch Rorkhete mitbaggern. Wie sonst soll die Asylkapsel auch ausgegraben werden? Vielleicht braucht der letzte (und ganz bestimmt ziemlich einsame) Shozide aber auch ein eigenes Mädel? Wie auch immer: Die Außenschleuse der Kapsel öffnet sich – und wie so oft bei der Begegnung mit weiblichen Wesen ist der Gang dahinter tiefer als Mann denkt. Genauer gesagt, führt ein Dimensionstor auf eine andere Welt. Da staunen Perry und Rorkhete nicht schlecht.

Dumm nur, dass die fremde Welt einen verderblichen Einfluss auf ihre Besucher auszuüben scheint. Lyressea sieht mit Schrecken, wie Rorkhete seine Waffe gegen sie erhebt. Und Perry, der sich auf die Prärie hinausgewagt hat, wird plötzlich von einem gigantischen Reittier verfolgt. Nein, es ist nicht Woody Allens Riesenbusen, der sich selbständig gemacht hat, sondern etwas viel Schlimmeres: eine Riesenamöbe …

Wie man sieht, scheint es mit unseren Helden ziemlich rasch ein böses beziehungsweise lächerliches Ende zu nehmen. Da jedoch die Serie weitergehen muss, komme was da wolle, ist anzunehmen, dass die Riesenamöbe schon bald ein frühzeitiges Ableben ereilen wird, und auch Lyressea zeigt, was in ihr steckt. Schließlich hängt die Zukunft des Universums von ihr ab.

_Die Inszenierung_

Im Rahmen einer guten Radiostunde erlebt der Hörer hier ein mal mehr, mal weniger actiongeladenes Drama, das es in puncto Produktionsqualität mit einer Star-Wars-Episode aufnehmen kann. Die SF-Handlung, kombiniert mit Fantasyelementen – immer wieder sind Psikräfte am Werk -, weiß für flotte Unterhaltung zu sorgen.

So fangen Sternenopern an: mit einer schmissigen Titelmelodie und raunenden Stimmen, die Schicksalhaftes verkünden. Ein Erzähler wie Christian Schult hat eine recht hohe Autorität und wir glauben ihm seine Geschichte nur allzu gern, wenn er von der Flucht Perrys und Atlans erzählt. Atlan klingt wie Michael Douglas. Ihm und Volker Lechtenbrink als Perry Rhodan nehme ich die Actionhelden ab. Die Figur des Rorkhete gewinnt zunehmend an Bedeutung, und mit Charles Rettinghaus drängt sich die deutsche Stimme von Jean-Claude van Damme in den Vordergrund. Können wir also künftig mit mehr Action rechnen?

|Geräusche|

Die größte akustische Leinwand bemalen jedoch die tausend elektronisch erzeugten Sounds, die der ganzen Handlung erst das kosmische Science-Fiction-Feeling verleihen. Ohne sie könnte es sich ebenso gut um Fantasy auf einem fernen Planeten handeln, wie sie z. B. Jack Vance fabriziert hätte.

Diese Sounds kommen besonders gut in dem Land unter dem Teich und auf dem neuen Planeten zum Tragen. Hier könnte ich mir sehr gut einige charakteristische Sound-Samples aus |Star Trek| oder |Star Wars| vorstellen, doch diese Vorgaben vermeiden die Sounddesigner mit peinlicher Genauigkeit. Sie hätten ja sonst womöglich Lizenzgebühren zahlen müssen.

|Musik|

Insgesamt sind die Musik und die Geräuschkulisse eine ganze Menge Aufwand für eine simple Sternenoper, aber es lohnt sich: Das Hörspiel klingt höchst professionell produziert. Ich könnte Gegenbeispiele nennen, in denen die Musikbegleitung in die Hose ging, aber sie stammen alle nicht vom Studio |STIL|.

|Der Song|

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ der deutschen Band |Radiopilot|. Mit dreieinhalb Minuten Länge ist er von durchschnittlicher Popsonglänge. Nach den obligaten Perry-Rhodan-Zitaten hören wir einen elektronisch verzerrten deutschen Text von erstaunlicher Banalität. Er ist mit einem Drum-&-Bass-Rhythmus unterlegt, der wie ein stockender Herzschrittmacher klingt, welcher gerade den Geist aufgibt. Ich kann nicht behaupten, dass ich diesen Song sonderlich eindrucksvoll fand. Aber wahrscheinlich soll das Ganze unheimlich innovativ wirken.

|Das Booklet …|

… umfasst neben den oben genannten Credits auch jede Menge Werbung für die vorhergehenden Episoden der Serie. Außerdem findet sich in der CD-Box ein Einleger mit Werbung für die Band |Radiopilot|. Offenbar findet hier eine Art Reklameaktion auf Gegenseitigkeit statt. Das interessiert mich aber nicht die Bohne. Am wichtigsten ist im Booklet die Sektion „Was bisher geschah …“, die eine Zusammenfassung dessen gibt, was der Hörer für die vorliegende Episode an Vorgeschichte wissen muss.

_Unterm Strich_

Was ist bloß aus unseren Helden Perry Rhodan, Kantiran und Zephyda geworden, fragte ich mich in Folge 19, doch nun habe ich die Antwort: Sie sind quicklebendig und wie stets zu Abenteuern aufgelegt. Diesmal bekommen es Perry und Rorkhete mit gleich zwei Schildwachenmädels zu tun. Hoffentlich können sie sich entscheiden, wer welches anbaggert. Denn Baggern muss sein, um Katiane aus der Asylkapsel, einem Raumschiff, herauszubekommen. Nur die lächerliche Riesenamöbe, gelenkt von „Echsenwesen“, hätte wirklich nicht sein müssen. Manchmal schlagen die Drehbuchautoren wirklich über die Stränge.

Jugendliche beiderlei Geschlechts zwischen 14 und 17 Jahren dürften sich rasch mit den Helden identifizieren, und das ist eine der besten Voraussetzungen, ein treues Publikum aufzubauen. Auch Zephyda ist eine solche Identifikationsfigur, und ich hoffe, dass sie möglichst lange Teil des Serienpersonals bleibt.

Was die Qualität des Inhalts angeht, so darf man wohl kaum tiefschürfende und daher langweilige Monologe erwarten. Vielmehr sind kämpferische Action und romantische Exotik angesagt – das ist genau die Mischung, die auch „Star Wars“ so erfolgreich gemacht hat. Über einen Mangel an Action konnte ich mich diesmal wirklich nicht beklagen.

|69 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3596-1|
http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name
http://www.perry-rhodan-game.com
[Ausführlicher Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

_Mehr |Perry Rhodan| auf |Buchwurm.info|:_

[„Die Sternenarche“ 769 (Perry Rhodan – Lemuria 1)
[„Der Schläfer der Zeiten“ 871 (Perry Rhodan – Lemuria 2)
[„Exodus der Generationen“ 886 (Perry Rhodan – Lemuria 3)
[„Der erste Unsterbliche“ 949 (Perry Rhodan – Lemuria 4)
[„Die letzten Tage Lemurias“ 1021 (Perry Rhodan – Lemuria 5)
[„Die längste Nacht“ 1137 (Perry Rhodan Lemuria 6)
[„Die Lebenskrieger“ 2189 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 1)
[„Die Trümmersphäre“ 2468 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA Band 2)
[„Die Quantenfestung“ 3050 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 3)
[„PERRY RHODAN: Odyssee“ 3240
[„Die Kaiserin von Therm“ 3241 (Perry Rhodan Silberband 94)
[„Die Rückkehr“ 1611 (Perry-Rhodan-Roman 2295)
[„Das Antares-Riff“ 1706 (Perry Rhodan Extra 2)
[„Perry Rhodan – Das Rollenspiel“ 2925 (Grundregelwerk)

Thompson, Kate – silberne Pferd, Das

_Es waren zwei Königskinder …_

Als der jugendliche Reiter Michael den verlassenen Pfad entlangreitet, trifft er am Flussufer Annie. Annie, die mit den vielen Piercings so viel anders ist als er selbst. Eine Leidenschaft teilen sie: Beide lieben Pferde. Michael erklärt sich bereit, Annie Reitstunden zu geben, und mit der Zeit verlieben sie sich. Doch Annie umgibt ein düsteres Geheimnis, welches sie trotz ihrer Liebe nicht preisgeben kann. Er muss den tückischen Fluss durchqueren, um sie für sich zu gewinnen…

Die Geschichte basiert nach Angaben der Autorin auf dem Volkslied „Annan Water“ aus dem 17. Jahrhundert, das 1890 erstmals in schriftlicher Form veröffentlicht wurde.

_Die Autorin_

Kate Thompson, 1956 geboren, wuchs in England auf, trainierte Rennpferde in USA, studierte Jura in London und machte ausgedehnte Reisen durch Indien, bevor sie sich in Kinvara im irischen County Galway niederließ. Dort entwickelte sie ihre Leidenschaft für das Fiddlespiel. Sie hat eines ihrer Zimmer in eine Werkstatt umgewandelt, in der sie alte Instrumente restauriert.

Sie schreibt Lyrik, Drehbücher, Romane und Kinder- und Jugendbücher, für die sie bereits zweimal den |Irish Children’s Book of the Year Award| gewonnen hat. Ihr Roman [„Zwischen den Zeiten“ 3668 wurde laut Verlag mehrfach ausgezeichnet.

_Handlung_

Der etwa 14 Jahre alte Michael lebt mit seinen Eltern Jean und Frank auf einer Pferdefarm. Ursprünglich stammt die Familie aus Yorkshire, doch nach dem Tod der kleinen Tochter zogen die Eltern ins schottische Dumfries, von wo Jeans Familie stammt. Hier schuftet Michael von frühmorgens bis spätabends für eine Gewinnbeteiligung am Pferdehandel. Die Schule leidet natürlich darunter, aber Michael gelingt es, seine Eltern darüber zu täuschen, wie mies seine Leistungen in Wahrheit sind. Das wird sich bald ändern …

Bei einem Ausritt mit der lebhaften silbergrauen Stute (des deutschen Titels) und einem Wallach auf einem vergessenen Pfad gelangt Michael an einen Fluss, vor dem die Stute zurückschreckt. Angesichts des Wassers geht ihm ein Vers eines Liedes durch den Sinn, das ihm seine Großmutter in Dumfries immer vorgesungen hat: „Annan Water“. Das Wasser verkündet einem jungen Mann, der zu seiner liebsten Annie will, Unglück.

Zwei Erwachsene und ein Teenager-Mädchen begrüßen ihn. Mike wundert sich über die vielen Piercings, die das Mädchen im Gesicht trägt. Sie stellt sich als Annie vor und würde sehr gerne reiten lernen. Sie wohnt am anderen Flussufer mit ihrer Mutter, die an Multipler Sklerose leidet. Ein Nachbar namens Jimmy Souter, den Mikes Mutter noch als Nachbarn kennt, unterstützt die beiden.

Aus den Reitstunden für Annie wird schnell mehr, als sie sich begeistert und mit Schwung an den Arbeiten auf dem Pferdehof beteiligt. Auch Jean und Frank sind von ihr begeistert, weil sie ihnen so viel Arbeit abnimmt. Doch Michael ist von ihr mehr als nur beflügelt: Er verliebt sich unversehens in sie. Doch während er sie küsst, vergisst er seine Pflichten. Seine Mutter Jean stürzt mit ihrem Pferd auf regennassem Boden. Beim Parken am Krankenhaus verursacht er einen Verkehrsunfall, den er seinen Eltern verschweigt.

Obwohl er mit Annies Motivation eine Pferdeschau nach der anderen gewinnt und sie selbst ebenfalls einen Sieg nach Hause holt, ist das dicke Ende doch unausweichlich. Und als Annies Vater aus dem Knast entlassen wird und mit Annie wegziehen will, dreht Michael vor Angst und Frust vollends durch. Darauf hat der tückische Fluss vor Annies Haus nur gewartet …

_Mein Eindruck_

Der Leser fragt sich unwillkürlich, was denn an diesem recht prosaischen Plot bitteschön „phantastisch“ sein soll. Tatsache ist jedoch, dass nirgends auf dem Umschlag das verräterische Etikett „Fantasy“ steht und es sich daher einfach um eine recht poetisch aufgemotzte Romanze handeln darf. Vielleicht sind deswegen allenthalben weiße Blümchen auf dem Umschlag zu finden.

Wer also wie ich von Kate Thompsons phantastischen Romanen wie [„Zwischen den Zeiten“ 3668 begeistert war, dürfte sich relativ enttäuscht sehen. Aufhänger der Story ist besagtes altes Volkslied „Annan Water“, das unsere zwei Königskinder trennt, so dass sie nicht ordentlich zueinander kommen können.

Wer jedoch genauer hinschaut, der entdeckt, dass die beiden Hauptfiguren Michael und Annie aus ihren jeweiliges familiären Gefängnissen ausbrechen wollen und müssen, um ihrer inneren Bestimmung folgen zu können. Michael möchte eigentlich ein Tierarzt sein, doch der Pferdehandel in der Drei-Mann-Familie nimmt ihn derartig in Beschlag, dass er sogar für die Hausaufgaben zu müde ist. In Annie steckt eine verhinderte Künstlerin oder Innenarchitektin. Sie ist jedoch durch Frust und Schuldgefühle in ihrem Unterbewusstsein so sehr gegen sich selbst gerichtet, dass sie sich pierct und ritzt, um sich spüren zu können (Borderline-Persönlichkeitsstörung).

Der dunkle Fluss stellt die Barriere dar, die die beiden sowohl buchstäblich als auch psychologisch und sozial voneinander trennt. Folglich muss einer von beiden irgendeinen Weg finden, die Barriere zu finden und so sie beide zu befreien. Der Haken dabei ist die große Gefahr, die den Versuch der Überquerung mit dem Tode bedroht.

Letzten Endes ist es, wie sich zeigt, eine Frage des Vehikels: Die quecksilbrige Stute („the bonny grey mare“ des Liedes) verweigert den Dienst, doch der brave Wallach trägt Michael gerne in das tosende Wasser, auch um den Preis des eigenen Lebens. Wie das Lied es ausdrückt: Wahre Liebe baut eine Brücke, und Treue ermöglicht das Fundament.

Bange Wochen vergehen, in denen die Familien nichts von dem verschwundenen Liebespaar hören. Haben sie es geschafft, zueinander zu gelangen, oder treiben sie mit dem Fluss dem Meer entgegen? Das soll hier nicht verraten werden. Im Lied geht der Überquerungsversuch unglücklich aus.

|Realismus|

Was mich jedoch besonders für das Buch eingenommen hat, ist nicht die recht konventionelle Liebesromanze, sondern der beeindruckend realistisch geschilderte Alltag eines Pferdehändlerhofes. Hier wird nicht gezüchtet oder aufgezogen, sondern nur gehandelt. Allerdings müssen die Ponys und Pferde zugeritten werden, um einen Mehrwert damit erzielen zu können. Die sichersten und gehorsamsten Tiere erzielen auf Pferdeschauen nicht nur Auszeichnungen, sondern in den nachfolgenden Verhandlungen auch bessere Preise.

Es gibt eine gute Episode, in der die Autorin, vertreten durch Jean und Michael, nichtsnutzige, schlechte Reiter kritisiert. Eine dünkelhafte Mittelklassemami will für ihren ebenso hochnäsigen, aber schweigsamen Sohnemann ein passendes Pony kaufen. Das Pony ist brav und gut ausgebildet, doch der junge Reiter ist viel zu ängstlich und nimmt das Tier viel zu stark an die Kandare, so dass es völlig durcheinander gerät. Die ganze Partie endet schließlich, wie es Michael hat kommen sehen: in einem Sturz. Selbstredend gibt Supermami dem Ponybesitzer die Schuld statt ihrem inkompetenten Sohn. Dass Michael Recht hat, zeigt er später bei einem Schaurennen.

_Unterm Strich_

Solche Szenen kann man sich sehr plastisch wie einen Film vorstellen. Das Buch besteht fast nur aus solchen Szenen und lässt sich daher ohne Mühe verstehen und lesen. Die Schrift ist groß gehalten, die Kapitel sind kurz wie bei James Patterson.

In Irland käme so ein Buch wahrscheinlich nur in einer winzigen Auflage als Liebhaberausgabe auf den Markt, aber die Autorin hat bei uns dank der guten Presse- und Marketing-Arbeit des Verlags ein größeres Publikum.

Dieses Publikum besteht vor allem aus weiblichen Fans, und sie dürften sich für die Romanze auf dem Pferdehof besonders begeistern. Mich selbst hat mehr die realistische Darstellung von Michaels Umwelt überzeugt. Von Annie hingegen erfahren wir nur sehr wenig, weil intensivere psychologische Szenen kaum vorhanden sind, in denen sie das Ritzen und Piercen näher erklären kann.

Für ein Buch, das die realistische und in die Gegenwart verlegte Umsetzung eines alten Volksliedes darstellt, vermag „Das silberne Pferd“ dennoch sehr gut zu unterhalten. Man darf jedoch keine höheren Erwartungen hegen. Weder Krimi- noch Fantasyliebhaber kommen hier auf ihre Kosten. Und der Liedtext ist auch nicht ins Deutsche übertragen worden.

|Originaltitel: Annan Water, 2004
Aus dem Englischen von Kattrin Stier
219 Seiten
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-30447-1|
http://www.cbj-verlag.de

Meyer, Kai / Hagitte, Christian / Bertling, Simon – Alchimistin, Die. Teil 5: Die Unsterbliche (Hörspiel)

_Action in der Wüste und unbekannte Lover_

Schloss Institoris, ein düsteres Gemäuer an einer einsamen Küste. Inmitten eines Labyrinths endloser Gänge und Säle wächst Aura heran, die älteste Tochter des Schlossherrn. Sie ist die Erbin eines uralten Rätsels, der Rezeptur des Steins der Weisen. Doch als ihr Vater im Auftrag seines Widersachers Lysander ermordet wird, schlägt die Stunde für Auras Stiefbruder Christopher – er beansprucht das Geheimnis der Unsterblichkeit für sich …

Folge 2: Aura enthüllt das Geheimnis ihrer Familie. Ausgerechnet der Mörder ihres Vaters, der geheimnisvolle Hermaphrodit Gillian, befreit sie aus den Klauen grausamer Mörder. Auf der Spur von Auras entführter Schwester Sylvette reisen sie nach Wien. In den Katakomben unter der Stadt geraten sie in einen Konflikt, dessen Ursprünge weit zurück ins Mittelalter reichen …

Folge 3: Sieben Jahre sind vergangen. Aura hat die Geheimnisse der Alchimie erforscht und das Erbe ihres Vaters angetreten. Doch alle, die ihr etwas bedeutet haben, sind tot. An der Seite ihres verhassten Stiefbruders Christopher muss sie abermals den Kampf gegen den alten Feind ihrer Familie aufnehmen – tief unter der Wiener Hofburg. Zugleich dämmert daheim auf Schloss Institoris eine neue Gefahr: Auras wahnsinnige Mutter Charlotte hat eigene Pläne …

Folge 4: Jenseits des Schwarzen Meeres, in den einsamen Bergen des Kaukasus, liegt die vergessene Festung der Tempelritter. Hier in der Wildnis am Ende der Welt nähern sich Ara Institoris und ihr Stiefbruder Christopher endlich dem Versteck ihres Gegners Lysander. Zugleich reist Gillian, der Hermaphrodit, mit den Institoris-Kindern nach Venedig ins neue Hauptquartier des Templerordens. Sein schwerster Kampf steht ihm noch bevor – gegen Morgantus, den unsterblichen Alchimisten …

Folge 5: Zehn Jahre nach den Ereignissen im Kaukasus in Folge 4. Aura Institoris hat die Unsterblichkeit gewonnen. Doch ihre große Liebe ist daran zerbrochen, ihre Familie in alle Winde zerstreut. Während die Welt in einen großen Krieg taumelt, taucht Aura einsam und verzweifelt in Paris unter. Ein geheimes Zeichen, der blutige Abdruck einer Hand mit sechs Fingern, ändert alles. Auras Nachforschungen führen auf die Fährte eines Mörders, dem jedes Mittel recht ist, um die Geheimnisse der Alchimistin zu offenbaren. (Verlagsinfos)

_Der Autor_

Kai Meyer, Jahrgang 1969, studierte Film, Philosophie und Germanistik und arbeitete als Redakteur. Er schrieb schon in jungen Jahren und lieferte u. a. ein paar Jerry-Cotton-Abenteuer. Sein erster großer Erfolg war „Die Geisterseher“, eine historische „Akte X“. Seit 1996 ist er freier Schriftsteller und Drehbuchautor. Bisher sind rund 40 Romane von ihm erschienen. Selbst Kritiker waren von seinem historischen Mystery-Thriller „Die Alchimistin“ begeistert, später folgten „Die fließende Königin“ und „Göttin der Wüste“. Bei |Loewe| erschien mit den „Wellenläufern“ ein Jugend-Fantasyzyklus. „Frostfeuer“ aus dem Jahr 2005 ist eigenständiger Jugendroman. Das Buch wurde mit dem internationalen Buchpreis |CORINE| ausgezeichnet.

Die erste Staffel der achtteiligen Hörspielreihe umfasst die Folgen:

1) [Der Stein der Weisen 5052
2) [Das Erbe des Gilgamesch 5155
3) [Die Katakomben von Wien 5220
4) [Das Kloster im Kaukasus 5263

Im August 2008 erschien die zweite Staffel:

5) Die Unsterbliche
6) Die Schwarze Isis
7) Der Schatz der Templer
8) Der Alte vom Berge

Weitere Titel von Kai Meyer auf |Buchwurm.info|:

[Interview mit Kai Meyer]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=11
[„Der Brennende Schatten“ 4506 (Hörspiel)
[„Die Vatikan-Verschwörung“ 3908 (Hörspiel)
[„Die Wellenläufer“ 3247 (Hörbuch)
[„Die Muschelmagier“ 3252 (Hörbuch)
[„Die Wasserweber“ 3273 (Hörbuch)
[„Frostfeuer“ 2111 (Hörbuch)
[„Die Alchimistin“ 73
[„Das Haus des Daedalus“ 373
[„Der Schattenesser“ 2187
[„Die Fließende Königin“ 409
[„Das Buch von Eden“ 890 (Hörbuch)
[„Das Buch von Eden“ 3145
[„Der Rattenzauber“ 894
[„Faustus“ 3405
[„Seide und Schwert“ 3558 (Das Wolkenvolk 1, Hörbuch)
[„Lanze und Licht“ 4549 (Das Wolkenvolk 2, Hörbuch)
[„Drache und Diamant“ 4574 (Das Wolkenvolk 3, Hörspiel)

_Sprecher & Inszenierung_

Erzähler: Friedhelm Ptok (Ian ‚Imperator Palpatine‘ McDiarmid)
Aura Institoris: Yara Blümel-Meyers
Gillian: Claudio Maniscalo (Jimmy ‚The Haitian‘ Jean-Louis)
Tess: Marie-Luise Schramm (Mara Wilson)
Gian: Kim Hasper (Jamie Oliver)
Philippe Monteillet: Frank Glaubrecht (deutsche Stimme von Al Pacino)
Karisma: Ulrike Stürzbecher (Patricia Arquette, Kate Winslet)
Konstantin: Dietmar Wunder (Cuba Gooding jr., Edward Norton)
Raffael: Norman Matt (Cillian ‚Scarecrow‘ Murphy, ‚Guybrush Threepwood‘ in den „Monkey Island“-Spielen)
Und andere, darunter Tilo Schmitz (dt. Stimme von Ving Rhames).

Für Regie, Ton und Musikkomposition zeichnen Christian Hagitte und Simon Bertling vom Studio |STIL| verantwortlich. (Das Hörspiel ist daher Cornelia Bertling gewidmet, die 2007 mit 40 Jahren starb.) Die Musik spielt das Filmorchester Berlin und der Hochmeisterchor Berlin unter der Leitung von Hagitte. Die Hörspielbearbeitung stammt von Stefan Maetz. |Lübbe Audio| produzierte das Hörspiel und nicht etwa ein Rundfunksender.

_Handlung_

Zehn Jahre sind seit den Ereignissen im Kaukasus vergangen, in deren Verlauf Aura ihren Bruder verlor und ihre Schwester wiederfand. Sie sieht aus wie 24, ist aber 34, eine potenziell Unsterbliche. Aber ist sie die einzige? Vor acht Jahren hat sie ihren Geliebten Gillian, den Vater ihres Sohnes Gian verlassen. Er wollte nicht ebenfalls unsterblich werden. Doch sie mischte ihm trotzdem das Gilgameschkraut in sein Getränk, missbrauchte sein Vertrauen. Das führte zum Bruch, doch er wurde ebenfalls unsterblich. Wer weiß, wo er sich herumtreibt, seit er der neue Großmeister des Templerordens geworden ist.

Aura treibt sich einsam in Paris herum und sucht viele Bibliotheken heim, auf der Suche nach Hinweisen. Sie sucht das Erste Wort der Schöpfung: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott“, heißt es in der Genesis, doch um welches Wort handelt es sich, will Aura wissen: das Verbum Dimissum. Eines Tages findet sie den blutigen Abdruck einer sechsfingrigen Hand auf ihrem Betttuch. Sofort fühlt sie sich verfolgt. Die sechs Finger entsprechen den sechs Strahlen des Sterns des Magus, eines esoterischen Wegweisers.

Sie besucht ihren Freund Philippe Montheillet, der in einem ihrer Häuser vor den Toren der Stadt wohnt. Handelt es sich bei den sechs Fingern um einen Hinweis oder eine Warnung? Eine Warnung, meint der fünfzigjährige und homosexuelle Philippe, der mit Rafael einen Lover beherbergt, der auch mal Aura anbaggerte. Sie brach Rafael die Nase. Philippe ist über den nun ausgebrochenen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich besorgt. Aber Aura hat als Deutsche wohl noch mehr Anlass, sich vor der Internierung durch die Polizei in Acht zu nehmen.

In einer Buchhandlung der Alchimisten stößt sie auf das Buch „Die sechs Finger des Magus“ aus dem Jahr 1911 und lässt sich die Adresse des Autors geben. Auf einem Maskenball Philippes hat sie Sex mit einem Maskierten, der sich Chevalier Veldan nennt und sie zu einer Séance bei zwei deutschen Damen einlädt. Die Adresse, wo er angeblich wohnt, ist seltsamerweise die gleiche wie die der deutschen Damen. Aura ist neugierig, was der Bursche, der sich auf den Maskenball eingeschlichen hat, vorhat.

|Unterdessen im Irak|

Auras 15-jähriger Sohn Gian und seine ein Jahr jüngere Cousine Tess befinden sich im Irak, wo Professor Goldstein Ausgrabungen in den Ruinen Uruks vornimmt, jener Residenz, in der einst König Gilgamesch vor 5000 Jahren herrschte. Tess hat dauernd Albträume von einem Tempelritter, der Angst und Schrecken verbreitet. Da merkt sie, dass der telepathische Gian ihren Geist angezapft hat. Sie schimpft und verpasst ihm eine Ohrfeige. Er lehnt seine Mutter Aura ab, sie verteidigt ihre Tante. Er will das Geheimnis der Unsterblichkeit ergründen, sie warnt ihn davor.

Kurze Zeit später sieht sie, wie Gian von einer Bande schwarz gekleideter und maskierter Krieger gefangen genommen wird. Sie versucht zu fliehen, doch auch das Lager des Professors wird bereits angegriffen …

|Auf dem Mittelmeer|

Gillian schippert mit seiner Ordensschwester Karisma von Venedig nach Palma de Mallorca, an Sizilien vorbei. Er ist Nachfolger von Großmeister Laskari, der auf dem Sinai starb. Nun steht er als Großmeister dem Templum Novum vor, hat aber vom sterbenden Laskari den Auftrag erhalten, den im 14. Jahrhundert verschwundenen Schatz der Templer auf der Baleareninsel zu suchen.

_Mein Eindruck_

Einen tiefen Einschnitt bedeutet diese Folge, denn immerhin sind zehn Jahre vergangen. Praktisch fängt eine neue Handlung an, doch immerhin mit bereits bekannten Akteuren wie Aura, Gillian sowie ihrem Sohn Gian und der Nichte Tess. Zu jedem bekannten Element muss etwas Neues hinzukommen, sonst würde sich das Interesse des Publikums nicht lohnen. Für Gillian besteht das Neue nicht in seinem neuen Status als Großmeister oder in Karisma, sondern in den Suche nach dem Templerschatz, mithin nach dem Gral.

Wir wissen inzwischen durch Dan Browns [„Da Vinci Code“, 1897 dass der Gral auch Menschenform annehmen kann. Ob sich dies auch für den Gral, den Gillian – und später auch Aura – sucht, bewahrheitet, soll hier noch nicht verraten werden. Gian und Tess werden in diese Gralssuche verstrickt, als die Templer-Assassinen sie verschleppen. Interessant ist dabei der Gegensatz zwischen der warnenden Tess, Sylvettes Tochter, und dem faustisch erscheinenden Gian, der das Geheimnis der Unsterblichkeit zu erlangen sucht. Ganz so, als wäre er der wahre Erbe von Nestor Institoris, dem Alchimisten, Auras Vater.

Tja, und Aura, die bislang reichlich ziellos in Paris herumgehangen haben muss, bekommt nun von einem Fremden eine paar ziemlich dicke Zaunpfähle gezeigt: Sie soll unbedingt das Verbum Dimissum finden. Dummerweise befindet sich dieses ebenfalls in den Gral eingeritzt. Alle Fährten führen also zum Gral. Doch wer ist der Strippenzieher im Hintergrund, der alle drei Parteien zu sich ruft? Dieses Geheimnis wird erst in späteren Folgen gelüftet.

Ich fand es aber schon ziemlich bemerkenswert, dass Aura zwar nach ihrer Trennung von Gillian an gebrochenem Herzen leidet, aber keineswegs ein Kind von Traurigkeit ist, sonst würde sie ja wohl kaum mit dem wildfremden Maskierten ein heißes Schäferstündchen wagen. So viel Promiskuität wirkt etwas frivol, andererseits hat sie Gillian schon mindestens acht Jahre hinter sich und könnte ebenso gut unter Liebesentzug leiden. Gut, dass Aura kein Vampir ist. Sie würde eine relativ auffällige Spur von Leichen hinter sich zurücklassen. Sie muss aber kein Monster sein, um von der Polizei verfolgt zu werden: Es reicht schon, eine Deutsche zu sein, denn der Krieg ist ja ausgebrochen.

Recht bemerkenswert fand ich auch die Homosexualität von Auras Freund Philippe Montheillet, der später noch eine große Rolle spielen wird. Philippe hat eine Geliebten namens Rafael, der sich als eine Art Callboy entpuppt. Doch wie Aura herausfindet, hat Rafael einen guten Grund dafür, seine Liebesdienste zu verkaufen …

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Kai Meyer lobt die Darstellung Yara Blümels in höchsten Tönen, insbesondere die Übereinstimmung mit seiner Vorstellung von der Entwicklung der Heldin Aura Institoris. Mittlerweile ist sie bereits eine selbständige junge Frau von 24 oder 25 Jahren, die sich zu helfen weiß. Dies ist keine Frau, die etwas anbrennen lässt, wenn man es nicht sofort erledigen kann, beispielsweise auch ein Schäferstündchen mit einem interessanten Maskierten. Yara Blümels Stimme weiß dies genau auszudrücken. Um Aura braucht man sich wirklich keine Sorgen zu machen – es sei denn, die Geschichte verlangt es.

Frank Glaubrecht (deutsche Stimme von Al Pacino) spricht diesmal die Rolle eines älteren Herrn, der gut betucht und weltgewandt ist. Zu Aura ist Philippe Montheillet freundlich, wenn nicht sogar herzlich, aber das erweist sich später rückblickend als Verstellung.

|Die Geräusche|

Die realistisch gestalteten Geräusche werden nur sehr dezent eingesetzt, um keinesfalls den Dialog zu stören. Sie dienen sozusagen als Andeutungen oder Regieanweisungen, um dem Hörer mitzuteilen: Du befindest dich in einer Straße, denn die Kutsche, die du hörst, rollt über Kopfsteinpflaster, und der Hund, den du bellen hörst, gehört ebenfalls nur in die Stadt. Auch die Schritte, die von harten Schuhen herrühren, können nur auf Stein so klingen. Sie klingen ganz anders als Schritte auf Holz – oder auf Sand. In der Wüste nahe der Ausgrabungsstätte von Uruk fallen Schüsse.

|Die Musik|

Die Musik ist neben dem Text das überragende Merkmal dieser Hörspielreihe. Christian Hagitte und Simon Bertling vom Studio |STIL| haben sich wieder richtig ins Zeug gelegt und einen Score geschaffen, der diesen Namen auch verdient. Die Musik schafft die Stimmung für jede Szene, und wer auf die Musik achtet, bekommt sofort mit, wenn sich die Stimmung ändert, so etwa bei einem Wechsel des Schauplatzes. Im kultivierten Paris erklingt klassische Musik, in Spanien hingegen eine sehr schön gespielte Flamenco-Gitarre.

Aufgrund dieser vielfältigen Wechsel fällt es nicht leicht, die Musik pauschal zu charakterisieren, aber mir ist aufgefallen, dass sich die klassische Instrumentierung häufig auf der melancholischen und wehmütigen, wenn nicht sogar düsteren Seite des Farbenspektrums bewegt. Allerdings ist diese Gemütslage höchst romantisch und keineswegs morbide oder zerfahren. Daher fällt es der Musik leicht, aus dem romantischen Ton in den dramatischen Ausdruck zu wechseln. Mehr als einmal habe ich den Chor „Ora pro nobis, domine“ (Bitte für uns [Sünder], o Herr) vernommen – die Stimme des Schicksals sozusagen.

Wird die Musik dramatisch, kann sie auch recht flott werden, besonders in Kampfszenen, von denen es nicht wenige gibt. Doch die Musik muss aufpassen, dass sie nicht die Rufe und Schreie während dieser Kampfszenen überlagert. Die Figuren sollten immer die Oberhand über die Stimmung haben, sonst erscheinen sie als Marionetten. Das Outro erfüllt diesmal eine andere Funktion als die eines Aufräumers. Es ist ein Ausklang, der eher düster vorausverweist. Das Motiv, das die Streicher spielen, verklingt in der Ferne.

Lutz Riedel verweist wie üblich auf die Fortsetzung, die den Titel „Die schwarze Isis“ trägt.

|Das Booklet|

Ein Geleitwort des Autors lobt die Darstellung Yara Blümels in höchsten Tönen, sagt aber immerhin genau, was ihm daran so gefiel, nämlich die Übereinstimmung mit seiner Vorstellung von der Entwicklung der Heldin Aura Institoris. Außerdem gefiel ihm die Musik ausnehmend gut. Er hat jetzt Lust, die Fortsetzung zu schreiben. Wird auch Zeit!

Der Rest des Booklets liefert einen Überblick über die zweite Staffel und eine Biografie des Autors.

_Unterm Strich_

Mit dieser fünften Folge startet der Roman sozusagen durch, um drei neue Handlungsstränge einzuleiten. Diese drehen sich um Aura und ihren unbekannten Lover, um Gillian und Karisma sowie um Gian und Tess. Ein weiteres Paar bleibt noch als Strippenzieher im Hintergrund. Nach einem actionreichen Auftakt, der zur Verschleppung der beiden Kinder führt, gerät Aura auf die Spur eines weiteren Unbekannten, der ihr unbedingt etwas über das Erste Wort mitteilen will. Ebenso geheimnisvoll wie die Identität ihres Lovers sind die Absichten dieses zweiten Unbekannten, so dass man mit Spannung der Fortsetzung entgegensieht.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von bekannten Schauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Mir war die Umsetzung an vielen Stellen zu romantisch und melodramatisch, aber von einer statischen Handlung kann keine Rede sein, denn die folgerichtige Entwicklung von Auras Abenteuern im Kampf gegen den Alten vom Berge ist mitreißend geschildert.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Stars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|64 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3610-4|
http://www.kai-meyer.com
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name

Connelly, Michael – Kalter Tod (Hörbuch)

_Spannender Harry-Bosch-Thriller, ausgezeichnet umgesetzt_

In der Nähe des Mulholland Drive, wo die Hollywood-Stars ihre Villen haben, findet man Dr. Stanley Kent mit zwei Kugeln im Kopf tot an einem Aussichtspunkt (= Overlook). Als Harry Bosch von der LAPD-Mordkommission entdeckt, dass Dr. Kent für die Handhabung gefährlicher radioaktiver Substanzen in den Kliniken der Stadt zuständig war, entwickelt sich der Fall schnell zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit. In einem Krankenhaus der Stadt fehlt aus dem Safe der gesamte Vorrat an radioaktivem Cäsium. Stattdessen befindet sich dort eine geheimnisvolle Nachricht von Dr. Kent …

_Der Autor_

Michael Connelly war jahrelang Polizeireporter in Los Angeles und lernte das Polizeigewerbe von außen kennen. Bekannt wurde er mit seinen Romanen um die Gesetzeshüter Harry Bosch und Terry McCaleb, besonders aufgrund der Verfilmung von „Das zweite Herz / Blood Work“ durch Clint Eastwood. Zuletzt erschienen „Der Mandant“, „Vergessene Stimmen“ und „L.A. Crime Report“ auf Deutsch.

|Michael Connelly auf Buchwurm.info (in Veröffentlichungsreihenfolge):|

|Harry Bosch:|

[„Schwarzes Echo“ 958
[„Schwarzes Eis“ 2572
[„Die Frau im Beton“ 3950
[„Das Comeback“ 2637
[„Schwarze Engel“ 1192
[„Dunkler als die Nacht“ 4086
[„Kein Engel so rein“ 334
[„Die Rückkehr des Poeten“ 1703
[„Vergessene Stimmen“ 2897
[„Kalter Tod“ 5282 (Buchausgabe)

[„Das zweite Herz“ 5290
[„Der Poet“ 2642
[„Im Schatten des Mondes“ 1448
[„Unbekannt verzogen“ 803
[„Der Mandant“ 4068
[„L.A. Crime Report“ 4418

_Der Sprecher_

Frank Engelhardt ist als Synchronsprecher aus zahlreichen Filmen und TV-Serien bekannt. Er lieh seine Stimme u. a. Humphrey Bogart, Samuel L. Jackson und Martin Sheen. Doch auch als Autor und Regisseur war Engelhardt bereits für den SWR, das Bayerische Staatstheater und die Produzenten zahlreicher TV-Serien wie z. B. „The Closer“ und „Beverly Hills 90210“ tätig (Verlagsinfo)

Die gekürzte Fassung erstellte Birgit Pooth. Regie führten Aufnahmeleiter Volker Gerth und Dr. Anke Susanne Hoffmann.

_Handlung_

Harry Bosch ist mittlerweile 56 Jahre alt. Nach seiner Rückkehr aus dem Ruhestand als Privatschnüffler war er in der Abteilung für unaufgeklärte Fälle („The Closers“), doch für seine erfolgreiche Arbeit wurde nun mit einer Stelle bei der Zentralen Mordkommission „Homicide Special“ belohnt. Es ist mitten in der Nacht, als Harry Jazz hört, da trifft der erste Anruf ein und ruft ihn zum Dienst. Als Sonderabteilungsmitarbeiter ist Harry keinem der Bezirke von Los Angeles zugeteilt wie die anderen Kripos, sondern kann sich seinen Einsatzbereich aussuchen. Harry ruft seinen Partner Ignacio Ferras zum Dienst und fährt los.

Der Tatort befindet sich ausgerechnet an einem der schönsten Aussichtspunkte der Stadt der Engel, dem Mulholland Drive Overlook. Hier hat ein betuchter Mann das Zeitliche gesegnet. Wegen der zwei Schüsse in den Hinterkopf spricht der Rechtsmediziner von einer Hinrichtung. Ein Porsche steht mit offener Haube auf dem Parkplatz, und Harry nimmt die Wagenschlüssel an sich. In den Habseligkeiten des Fahrers findet er jede Menge Zugangscodekarten. Dieser Bursche hatte Zugang zu allen Krankenhäusern der Stadt, aber wozu, rätselt Harry. Und er hatte einen Ausweis fürs St. Agatha’s. Vor dem Beifahrersitz erblickt er die Dellen, die ein schwerer Behälter hinterließ, der nun weg ist.

Über jedem Anfang liegt ein Zauber, doch als Harry die FBI-Agentin Rachel Walling, seine einstige Geliebte, an der Absperrung erspäht, fällt seine Stimmung um einige Grade. Auf seine verbalen Annäherungsversuche reagiert sie zickig, aber sein Sarkasmus ist bei ihr ebenfalls verschwendet. Immerhin lässt sie sich dazu herbei, ihm den Namen des Toten mitzuteilen: Dr. Stanley Kent. Und sie gibt ihm sogar dessen Akte, ist es zu glauben. Was Rachel so besorgt macht, ist der Umstand, dass Dr. Kent Zugang zu radioaktivem Material hatte. Dieses Zeug wird für Krebsbekämpfung eingesetzt, und er hantierte damit. Ein kleiner Strahlungsindikator beweist es. Was Rachel jedoch zur Eile drängen lässt, ist ihre Annahme, dass es auch Kents Frau Alicia erwischt haben könnte.

Als sie sich Alicias Haus nähern, trickst Harry Rachel aus und ertappt sie bei einer Lüge: Entgegen ihrer ersten Angabe kennt sie Alicia bereits von einem Beratungsgespräch, das sie vor etwa einem Jahr mit den Kents führte, um sie zur Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen zu drängen. Terroristen könnten mit dem radioaktiven Material, mit dem Dr. Kent umging, eine „schmutzige Bombe“ bauen und versuchen, L.A. zu verseuchen oder zu erpressen.

Alicia lebt noch, wenn auch nur gefesselt. Die Spurensuche fördert wenig zutage, und das Eintreffen des FBI-Beamten John Brenner lenkt Harry zusätzlich ab. Brenner und Walling wollen offenbar diesen Fall übernehmen, und das will Harry keinesfalls zulassen. Er vernimmt Alicia Kent daher persönlich. Zwei Männer, von denen einer schlecht englisch sprach, überwältigten sie demnach. Sie willigte in alles ein, was sie von ihr verlangten, denn sie drohten, sie zu vergewaltigen und zu foltern, bevor sie sie töteten. Dazu kam es nicht, doch ihr Mann starb stattdessen.

Ein Sondereinsatzkommando stellt lediglich fest, was Harry eh schon geahnt hat: Das radioaktive Cäsium im St. Agatha’s Hospital, für das Kent verantwortlich zeichnete, ist verschwunden. Nun geraten die Bundesheinis ganz schön aus dem Häuschen, findet er. Sie konferierten online mit Washington und der Zentrale. Werden die USA von Terroristen angegriffen, die sich als Schläfer haben einschleusen lassen? Oder was läuft hier eigentlich, will er von Rachel wissen. Wie üblich mauert sie erst, bevor er sie knacken kann. Ja, es gebe zwei Hauptverdächtige, die für diesen Raub infrage kämen.

Was sie ihm erzählt, will in seinen Augen einfach nicht zu den Fakten passen, doch er hält sich zurück. Und so verschweigt er ihr und ihr Kollegen völlig, dass seine Leute einen Zeugen aufgetrieben haben, der tatsächlich die Mordtat angesehen und gehört hat. Es ist ein Madonna-Fan von der kanadischen Ostküste. Etwas Harmloseres ist Harry noch nie untergekommen. Aber wenigstens stützt die Zeugenaussage seine eigene Mordtheorie. Und zweitens hat Harry jetzt gegenüber den FBI-Leuten eine Trumpfkarte. Wer seinen Zeugen haben will, muss erst einmal gute Informationen rausrücken. Natürlich versteckt er den Zeugen gut.

Und er tut gut daran, denn nun fühlt sich der Terroristenjäger der L.A.-Polizeitruppe dazu berufen, einem wichtigen Verdacht nachzugehen. Ein Unidozent namens Samir hat die Taten der Attentäter vom 11. September befürwortet und sich auch sonst ziemlich unbeliebt gemacht. Jetzt sieht der Mann vom OHS die Chance, diesen Typen kleinzukriegen. Harry warnt ihn vergebens, ja, er wird sogar von ihm entwaffnet und in einen Einsatzwagen gesperrt.

Mit seinen schwer bewaffneten Jungs stürmt der OHS-Leiter das Haus des Dozenten, kaum dass die Tinte auf dem Gerichtsbeschluss schon getrocknet ist. „Das ist doch Wahnsinn!“, meint Boschs Partner Ferras entsetzt. Aber der Wahnsinn hat Methode. Und ist unaufhaltsam.

Harry weiß nun, dass seine Zeit, den MORD-Fall zu lösen, abläuft.

_Mein Eindruck_

Für Connellys Verhältnisse ist dies ein ziemlich kurzer Roman, und ich habe ihn in wenigen Stunden verschlungen. Zunächst wurde die Geschichte im New York Times Magazine als Serie abgedruckt, was zum Teil ihre Kürze erklärt. Erst nachträglich, so Connelly (s. u.), habe er die 3000-Wörter-Stücke zu einem Text zusammengefügt, erweitert und die Figuren genauer erklärt. Schließlich ist dann noch ein Schlusskapitel hinzugekommen, das mir aber eher wie eine Überleitung zum nächsten Roman vorkommt, quasi als Appetitanreger.

Die Story fängt ganz langsam und überlegt an, doch schon mit Rachel Wallings Auftauchen werden Spannungen und Differenzen sichtbar. Bereits hier zeigt Bosch seine Meisterschaft im Austricksen von Lügnern. Leider verweist er immer wieder auf den vorhergehenden Fall in „Echo Park“, was sich sowohl auf den Ort in L.A. bezieht als auch auf Connellys gleichnamigen Roman, der in Deutschland allerdings erst 2009 erscheint, also in verkehrter Veröffentlichungsreihenfolge. Der Leser von „The Overlook“ soll sich durchaus animiert fühlen, „Echo Park“ zu lesen, um die Chemie zwischen Bosch und dem FBI im Allgemeinen und Rachel Walling im Besonderen nachvollziehen zu können.

Schon mit dem Auftauchen und Verstecken des Augenzeugen wird selbst dem letzten Leser klar, dass Bosch ein gefährliches Spiel spielt. Ein gewöhnlicher Bulle, der der großmächtigen Bundespolizei einen Augenzeugen vorenthält? Aber holla! Das ist ja unerhört. Dass sich Boschs Vorbehalte gegen das FBI auf bitterste Weise bewahrheiten, gehört zu den vielen Ironien in dieser Story. Bosch hält die Feds quasi für betriebsblind*, ideologisch indoktriniert und obendrein für dünkelhafte und arrogante Geheimniskrämer. Sie halten sogar das Hauptquartier ihrer Tactical Intelligence Unit, von wo aus sie Terroristen bekämpfen, geheim. Auch dies erweist sich als Schuss ins Knie: Genau dort findet jetzt ein Doppelmord statt, den Bosch und Walling vielleicht hätten verhindern können.

|*: Der Originaltitel „overlook“ ist doppeldeutig und meint sowohl einen Aussichtspunkt als auch den Vorgang, wenn man etwas übersieht („something was overlooked“). Das FBI meint, es hätte die Übersicht, übersieht aber die verräterischen Details, die das Gegenteil seiner Theorie belegen. Dafür ist Bosch zuständig.|

Nicht zum ersten Mal versteckt sich in den FBI-Reihen ein Maulwurf, ein Verräter. Mit seinen Kenntnissen kann er seine Kollegen an der Nase herumführen. So wird aus einer Dreiecksgeschichte mit Todesfolge unversehens ein Terroristenszenario. Nur durch Kommissar Zufall gelangen Bosch und Walling auf die richtige Spur: Ein Müllwühler hat sich mit dem radioaktiven Cäsium verstrahlt. Aber werden die beiden noch rechtzeitig kommen, um den Mörder und seinen Komplizen dingfest zu machen? Ein weiterer Showdown ist fällig. Und dabei muss sich erstmals auch Boschs Partner Ignacio Ferras bewähren.

|Der Sprecher|

Frank Engelhardt verfügt über eine sehr tiefe, männliche Stimme voll Autorität. Deshalb kann er Harry Bosch genauso gut darstellen wie Samuel L. Jackson (den schwarzen Killer in „Pulp Fiction“). Die Stimmlage des Erzählers ist die gleiche wie die für Harry. Alle anderen reden ein weniger anders, meist ein wenig höher, was die männlichen Figuren angeht. Nur der (namenlose) Polizeichef redet noch tiefer als Harry, falls das möglich ist. Harry flüstert eindringlich und brüllt auch schon mal zornig.

Die faszinierendste Stimme in Frank Engelhardts Arsenal ist zweifellos die von Rachel Walling. Auch wenn er Mühe hat, die weibliche Stimmhöhe zu erklimmen, so gelingt es Engelhardt doch die meiste Zeit, Rachel ganz anders sprechen zu lassen als Harry. Sie tut dies sehr flexibel: anfangs heiter, dann nervös und unsicher, schließlich drohend. Mehr als einmal ruft sie laut, manchmal auch begeistert oder überrascht.

Engelhardt gelingt es also, die Emotionalität einer Szene genau einzufangen und darzustellen. Das weist ihn als routinierten Profi aus. Mit der Individualität der Figuren hat er aber so seine Probleme. Nur Ignacio Ferras weist er als Spanischsprecher aus, indem er ihn das R entsprechend rollen lässt. Alle anderen sprechen ganz normal.

Die vielleicht beste Szene – neben vielen Konfrontationen – ist das Finale, als Bosch und Walling den Mörder in die Enge getrieben haben. Engelhardts Aufgabe ist es nun, den angeschossenen Mörder glaubwürdig keuchen und röcheln zu lassen, denn es geht offensichtlich mit ihm zu Ende. Dabei darf er es aber auch nicht übertreiben. Aber wir müssen Mitleid mit ihm haben, um sein Ende würdigen zu können.

|Musik|

Gleich der Anfang bietet dem Hörer Musik. Allerdings handelt es sich um ein Jazzstück, denn Harry Bosch lauscht gerade einer Jazzaufnahme von Harry Morgan. Ob es wirklich das Morgan-Stück ist, kann ich allerdings nicht beurteilen, da ich Rockfan bin und Jazz nur alle Schaltjahre höre.

Die restliche Musik ist völlig anders, nämlich von modernem Easy-Listening-Feeling. Wir hören mal flotte, mal langsam-ruhige Synthesizermusik. Sie hat stets die Aufgabe, eine Zäsur zu setzen. Deshalb erklingt sie am Ende einer spannenden Szene und leitet die nächste ein, indem sie in den Hintergrund wandert. Die meisten Stücke sind ein bis zwei Minuten lang. Das Hinhören lohnt sich also nicht. Auch weil der Klangstandard lediglich Mono ist.

|Sounds|

Es gibt zwar keine Geräusche, aber dafür einen recht auffälligen Sound, der jedoch keine Musik ist. Dieser Sound ist sehr tief und klingt unheimlich, als würde gleich eine Gruselszene folgen. Er endet in einem Misston, der eher an eine Kreissäge erinnert.

_Unterm Strich_

Keine Schnörkel, keine Gefangenen – das scheint die Devise für diese rasante, mordsmäßig spannende Thriller-Story Connellys gewesen zu sein. Der Meister übertrifft sich zwar nicht selbst, aber er liefert die gewohnt packende Handlung ab – es ist ein echter Harry-Bosch-Fall, und Fans des harten Burschen werden sich freuen. Es gibt sogar einen kurzen Ausflug nach Vietnam („Charlie surft nicht“, eine Anspielung auf die Surfszene in Coppolas „Apocalypse Now“).

Bei genauerem Hinschauen wird klar, dass der Autor eine ziemlich kritische Aussage macht: Für die heilige „national security“ wird einfach alles geopfert, als Erstes natürlich die Wahrheit, dann auch Freiheit und Unversehrtheit des Heims. Und was noch hinzukommt: Im Namen der „National Security“ hat auch die Polizei nichts mehr zu melden, sondern nur noch der Bund, also die Bundespolizei FBI und ihre geheimen Agenturen.

Polizisten wie Harry Bosch, die anderer Meinung sind als das FBI, haben mit schweren Sanktionen zu rechnen, wenn sie dem FBI ans Bein pinkeln. Typisch: Kaum hat sich Harry beim Polizeichef persönlich Rückendeckung geholt, wird er im Trakt des FBI von Agent Jack Brenner in ein Vernehmungskabuff gesperrt, das von versteckten Kameras beobachtet wird. Das gibt ihm einen Vorgeschmack dessen, was einen gewöhnlichen Bürger im nationalen Notfall erwarten würde. Es ist absolut beängstigend.

Dass Agentin Rachel Walling ihren Prinzipien und Direktiven einfach alles opfert, selbst wenn sie völlig auf dem Holzweg ist, beruhigt Harry nicht gerade. Sie lügt ihn von Anfang an an, doch er trickst sie aus. Und durch ihre Fixiertheit auf den „Raub des Cäsiums“ übersieht sie glatt, dass es noch andere Erklärungen für den Mord an Stanley Kent geben könnte. Sie und das ganze FBI glauben an Raub, er als Einziger an Mord: Hat man den Mörder, hat man auch das Cäsium, ist seine These.

Die Vorgehensweise der beiden Seiten ist diametral entgegengesetzt, und wie sich zeigt, ist seine die wesentlich bessere. Nur seine Theorie passt auf die vielen widersprüchlichen Fakten. In klassischer Krimi-Manier erklärt er Walling den Tathergang. Dennoch ist sie widerwillig, ihm zu glauben – die optimale Stichwortgeberin. Aber sie braucht eine ganze Weile, um Harry über eine fundamentale Tätertheorie, die er hat, zu korrigieren: Er verdächtigt den Falschen. Und los geht die Jagd!

|Das Hörbuch|

Mit Engelhardts Vortrag war ich hochzufrieden, denn er zog mich stets in jede Szene hinein. Er ist zwar kein Stimmenkünstler wie Rufus Beck, aber das ist in diesem Fall auch gar nicht nötig. Hauptsache, die Thrillerstimmung kommt richtig zum Tragen. Die Musik weiß in den Pausen zwischen den Szenen zu entspannen und einen Übergang auf unaufdringliche Weise zu schaffen. Ein Sound allerdings erklang im Hintergrund an besonders unheimlichen und angespannten Stellen, so dass man das Schlimmste fürchtet – raffinierter Effekt.

Das Einzige, was ich vermisse, ist das Bonuskapitel, das in der Originalausgabe von 2008 zu finden ist. Es ist aber nicht in der deutschen Übersetzung enthalten, die auf der Originalausgabe von 2006/07 basiert.

Fazit: ein Volltreffer, auch wegen des günstigen Preises von nur 15 €uro. Das freut Krimi-Liebhaber.

|Originaltitel: The Overlook, 2006/08
Aus dem US-Englischen übersetzt von Sepp Leeb
356 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-86804-496-6|
http://audiomedia.de/category/verlag/hoerbuch/target-mitten-ins-ohr/

Nagula, M. / Anton, U. / Ellmer, A. / Effenberger, S. A. / Hagitte, Chr. / Bertling, S. / Sieper, M. – Operation Kristallsturm (Perry Rhodan – Sternenozean, Folge 19)

_Mondra, unsere Agentin im Weltraum_

|Lübbe Audio| vertont die Abenteuer des Kadetten Kantiran und des Sternenadminstrators Perry Rhodan, die in der Unterserie „Sternenozean“ im Perry-Rhodan-Universum spielen. Bislang sind achtzehn Hörspiele veröffentlicht, doch will Lübbe offenbar vierzig Hörspiele produzieren. Dies ist die dritte Staffel.

Folge 19: Unbekannte Mächte zapfen die sechsdimensionale Energie der toten Superintelligenz ARCHETIM in der Sonne an. Als im Rahmen der „Operation Kristallturm“ ein Forschungsschiff zur Aufklärung dieser Vorkommnisse startet, entdeckt TLD-Agentin Mondra Diamond einen gefährlichen Saboteur an Bord …

_Die Reihe_

„Perry Rhodan“ ist die größte SF-Heftchen- und Roman-Reihe der Welt. Eine Vielzahl von Autoren schreiben seit Jahrzehnten für die Reihe, und koordiniert wird dieser Aufwand vom |Pabel|-Verlag in Rastatt. Auch Andreas Eschbach fühlte sich geehrt, einen oder zwei Bände beitragen zu dürfen.

Es gab vor der aktuellen |Lübbe-Audio|-Reihe schon Vertonungen der PR-Silberbände, doch nicht in der stilvollen Inszenierung des |STIL|-Tonstudios. Die Vorlage für das vorliegende Abenteuerhörspiel lieferten die Romane „Die Gotteskriegerin“ von Michael Nagula, „Zwischen den Äonen“ von Uwe Anton und „Operation Kristallsturm“ von Arndt Ellmer.

Die 1. Staffel:

1) [Der Sternenbastard 3030
2) [Die Mascantin 3031
3) [Der Hyperschock 3035
4) [Planet der Mythen 3058
5) [Havarie auf Hayok 3263
6) [Das Blut der Veronis 4468

Die 2. Staffel:

7) [Der Gesang der Motana 3627
8) [Sonderkommando Kantiran 3639
9) [Tau Carama 3656
10) [Überfahrt nach Curhafe 3664
11) [Entscheidung in Vhalaum 3682
12) [Die Femesängerin 3699

Die 3. Staffel:

13) [Der Flug der Epha-Motana 4589
14) [Terraner als Faustpfand 4592
15) [Die Sekte erwacht 4595
16) [Der Todbringer 4609
17) [Kampf um den Speicher 4633
18) [Die mediale Schildwache 4661

Die 4. Staffel:

19) Operation Kristallsturm
20) Das Land unter dem Teich
21) Attentat auf Hayok
22) Kybb-Jäger
23) Auf dem Weg nach Magellan
24) Jenseits der Hoffnung

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Christian Schult (Richard Belzer in „Law & Order: New York“)
Perry Rhodan: Volker Lechtenbrink (Schauspieler, Sänger, Synchronsprecher: Kris Kristofferson, Burt Reynolds als ‚Logan‘)
Atlan: Volker Brandt (Stimme von Michael Douglas)
Mondra Diamond: Heide Domanowski (Bitty Schram in „Monk“ & „Thief“)
Julian Tifflor: Friedhelm Ptok
Homer G. Adams: Hasso Zorn
Myles Kantor: Klaus-Peter Grap
Reginal Bull: Lutz Riedel (dt. Stimme von Timothy Dalton)
Marla Sarasi: Sabine Arnhold
Malcolm Scott Daelian: Romanus Fuhrmann
Biopositronik: Thomas Nicolai
Schiffsführer: Bodo Wolf
Sowie Thorsten Van Der Aik, Rudolf Hartmann und Klaus Herbert.

Volker Lechtenbrink wurde 1944 in Cranz/Ostpreußen geboren. Bereits als Achtjähriger sprach er im Kinderfunk und stand zwei Jahre später auch schon auf der Bühne. 1959 wurde er durch den Antikriegsfilm „Die Brücke“ (Regie: Bernhard Wicki) bundesweit bekannt. Er besuchte die Schauspielschule in Hamburg und ist heute in zahlreichen TV-Serien zu sehen. Darüber hinaus ist er am Theater tätig, geht auf Tourneen oder wirkt als Intendant. (Verlagsinfo)

Die Hörspieladaption stammt von S. A. Effenberger. Regie, Musik, Ton und Programmierung lagen in den Händen von Christian Hagitte und Simon Bertling vom Ton-Studio |STIL|. „Die Musik wurde exklusiv für die Perry-Rhodan-Hörspiele komponiert und vom Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte live eingespielt. Die elektronischen Klänge und Effekte wurden speziell für die Hörspiele vom |STIL|-Team durch den Einsatz von Computertechnik generiert“, heißt es im Booklet. Executive Producer der Reihe ist Marc Sieper.

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ von |Radiopilot|. Musik und Text stammen von Lukas Pizon und Rafael Triebel. Mehr Info: www.radiopilot.de und MySpace.

_Vorgeschichte_

Die Lage des Jahres 1332 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist in der Galaxis so bedrohlich und zugleich offen wie seit Jahren nicht mehr. Und alles bewegt sich auf eine einzige Veränderung hin: die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstandes, kurz Hyperimpedanz genannt. Dieser „Hyperimpedanzschock“ trifft die Galaxis mehrfach. Durch ihn fällt jede hochwertige Technologie aus. Dies kündigt sich durch eine stark verminderte Höchstgeschwindigkeit der Raumschiffe und eine reduzierte Reichweite des interstellaren Hyperfunks an. Auch das Gesicht der Galaxis verändert sich. Durch die Hyperimpedanz ausgelöst, kommt es zu schweren Hyperstürmen und Raumbeben. Bisher unter Hyperkokons verborgene Sternenhaufen stürzen in die Galaxis zurück.

In dieser Zeit sind Perry und Atlan noch immer im Sternenozean von Jamondi verschollen, jenem optisch nicht wahrnehmbaren Sternhaufen, der direkt neben dem Sektor Hayok aufgetaucht ist – aus einem Hyperkokon, in den er offenbar seit Jahrmillionen gehüllt war. Es gibt Verbindungen zwischen der Galaxis und Jamondi, die sich den Menschen bisher noch nicht erschließen. Fieberhaft arbeiten terranische Wissenschaftler an Erklärungen für die angestiegene Hyperimpedanz.

|Unterdessen auf Terra|

Zeitgleich hat sich unverhofft auf Terra eine neue Religion herausgebildet: der Endzeitkult um den Gott Gon-Orbhon, der immer mehr Menschen erfasst. Der Kult redet den Untergang herbei und predigt Hass auf die Maschinen. Fast täglich verüben Sektenanhänger Selbstmordanschläge auf terranische Einrichtungen und gefährden so die öffentliche Sicherheit Terras. Mondra Diamond, Sonderauftragte der Regierung, ermittelt gegen die Sekte und ihre Anführer. In einer spektakulären Aktion kann sie das Attentat gegen den Wirtschaftsminister Terras, Homer G. Adams, vereiteln. (Folge 15).

Am Brennpunkt Hayok ist dank des Riesenraumschiffs |Praetoria| zumindest für kurze Zeit Ruhe eingekehrt. Nach der Einnahme des Sternenarchipels unter Führung der Liga-Ministers für Verteidigung Reginald Bull kann nun endlich mit der Wiederherstellung des interstellaren Hyperfunks und der Vorbereitung der „Operation Kristallsturm“ begonnen werden …

_Handlung_

Aus dem Sternenozean kommt die Meldung, dass ein Planet aus dem Hyperraum in den Normalraum gestürzt sei, aber ohne Sonne. Die Erkaltung des Planeten ist absehbar und damit der Tod seiner möglichen Bewohner. Tifflor und Adams entsenden Reginald Bull zur Erkundung. Dieser berichtet, es handle sich um den Planeten Ash-Irtumo, der von Humanoiden namens Motana bewohnt sei.

Es fänden sich auch Spuren einer igelartigen Rasse, die von den Motana als Kybb-Cranar bezeichnet werden. Bull fordert ein Dutzend Atomsonnen an, um den Planeten zu wärmen, was ihm bewilligt wird. Wie sich bei der Erforschung der Motana herausstellt, waren Perry Rhodan und Atlan, zwei hochgestellte Persönlichkeiten der Terranischen Föderation, hier. Sie haben sie knapp verpasst.

Unterdessen stellt Myles Kantor auf dem Merkur mit Hilfe der Forschungsstation |Volkan Center| etwas Beunruhigendes fest: Von der toten Superintelligenz Archetim in der Sonne führt ein Energiestrahl direkt zur Großen Magellanschen Wolke. TLD-Agentin Mondra Diamond bekommt Kantors Top-Secret-Bericht zu lesen. Was mag das zu bedeuten haben? Wenn eine fremde Macht die Energie der Superintelligenz anzapft, dann wohl, um ihre eigene Intelligenzmacht zu vergrößern. Und wenn es sich um Gon-Orgon, den Gott des gleichnamigen Kultes handelt und er ins Solsystem käme, könnte er hier die mentale Kontrolle übernehmen. Grauenhaft!

Zwei Maßnahmen werden veranlasst. Erstens soll die Operation Kristallsturm zur Großen Magellanschen Wolke fliegen und Gon-Orgon aufspüren. Zweitens soll ein Experiment zeigen, ob sich die Energie der Superintelligenz speichern lässt. Dazu fliegt Mondra mit einem Kugelraumer zur Sonne jenseits der Merkurbahn. Ihr zur Seite stehen das Container-Gehirn Malcolm Scott Daelian sowie eine Biopositronik an Bord ihres Schiffes. Wenn die Sekte Gon-Orgons die Operation Kristallsturm sabotieren will, dann schlägt sie wahrscheinlich jetzt zu.

Tatsächlich stößt Mondra, während sich das Speichern der Solarenergie dem Ende nähert, auf einen Attentäter, der Sprengladungen an den Energiemeilern des Schiffes befestigt. Doch auch er hat sie entdeckt und feuert als Erster …

_Mein Eindruck_

Die neue Staffel versucht, an die bisherigen Staffeln anzuknüpfen. Deshalb sind erst einmal Zurückverweise zu finden, doch währen diese zum Glück nicht allzu lange. Vielmehr passieren gleich ein paar neue Ereignisse, die Maßnahmen erfordern. Das Erscheinen Ash-Irtumos im Normalraum führt die Terraner auf die Fährte Perry Rhodans. Blöd, dass sie ihn knapp verpasst haben. Was nun diese Rückkehr in den Normalraum verursacht haben könnte, erfahren wir allerdings nicht.

Wichtiger ist jedoch die Entdeckung des „sechsdimensionalen Energiestroms“ (klar, dass wir den Strom nicht wahrnehmen können, wenn unsere jämmerliche Realität nur vier Dimensionen aufweist), der von einer feindlichen Macht in der nächsten Galaxie – die ja bloß läppische 179.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist – angezapft wird. Recht ungemütlich wäre die Vorstellung der Orgonisten, dass es sich bei dieser Macht tatsächlich um einen Gott handelt, der gerade seine geistigen Batterien auflädt. Ein kleiner Hausbesuch auf der Erde wäre dann sicherlich nicht willkommen.

Wozu die Terraner nun unbedingt die Energie der Superintelligenz in der Sonne anzapfen und speichern wollen, habe ich nicht begriffen. Wahrscheinlich habe ich da nicht aufgepasst, war krankgeschrieben oder musste gerade niesen. Wie auch immer: Endlich kommt James-Bond-Ersatz Mondra Diamond wieder zum Einsatz. Dass sie ihren so niedlich trompetenden Klonelefanten Norman dabei hat (als blinder Passagier hat er sich an Bord geschlichen, der Schlaumeier!), darf uns nicht zu der Vorstellung veranlassen, sie sei auf den Trost von Kuscheltieren angewiesen.

O nein, unsere Frau im Weltraum ist eine taffe Agentin, die mit der Knarre in der Hand die Menschheit zu verteidigen weiß. Ins Schwitzen kommt sie lediglich, wenn sich Attentäter als widerspenstig erweisen und das Raumschiff, auf dem sie sich gerade befindet, wegen Überlastung auseinanderbricht. Danach sind dringend eine Dusche und ein Drei-Wetter-Haarfestiger nötig. Frau muss auch in der härtesten Zeit gut aussehen. Fragt sich bloß, für wen, Mondra, für wen?

_Die Inszenierung_

Im Rahmen einer guten Radiostunde erlebt der Hörer hier ein mal mehr, mal weniger actiongeladenes Drama, das es in puncto Produktionsqualität mit einer Star-Wars-Episode aufnehmen kann. Die SF-Handlung versucht, für flotte Unterhaltung zu sorgen. Diesmal ist dies allerdings erst im letzten Drittel der Fall, denn die ersten zwei Drittel gehen für den Aufbau der Konfliktsituation und die Vorbereitung der Handlungsansätze drauf. Deshalb tat ich mich mit dieser Episode etwas schwer und fand sie wenig unterhaltend.

Ein Erzähler wie Christian Schult hat eine recht hohe Autorität und wir glauben ihm seine Geschichte nur allzu gern, wenn er von Mondra, Gon-Orgon und irgendwelchen „Superintelligenzen“ erzählt. Offensichtlich sollte man sich einmal näher mit dem PR-Universum beschäftigt haben, um die ungewöhnlicheren Wesen und Gegebenheiten (s. o.) verständlich zu finden.

|Musik|

Mit einer schmissigen Titelmelodie und raunenden Stimmen, die Schicksalhaftes verkünden, fängt die Sternenoper an. Insgesamt verrät die Musik ebenso wie die Geräuschkulisse eine ganze Menge Aufwand für eine simple Sternenoper, aber es lohnt sich: Das Hörspiel klingt höchst professionell produziert. Ich könnte Gegenbeispiele nennen, in denen die Musikbegleitung in die Hose ging, aber sie stammen alle nicht vom Studio |STIL|.

|Geräusche|

Die größte akustische Leinwand bemalen die tausend elektronisch erzeugten Sounds, die der ganzen Handlung erst das kosmische Science-Fiction-Feeling verleihen. Ohne sie könnte es sich ebenso gut um Fantasy auf einem fernen Planeten handeln, wie sie z. B. Jack Vance fabriziert hätte. Diese Sounds kommen besonders in der Schießerei an Bord der |Rainbow-1| zum Tragen, wo Mondra den Saboteur stellt. Hier könnte ich mir sehr gut einige charakteristische Sound-Samples aus |Star Trek| oder |Star Wars| vorstellen, doch diese Vorgaben vermeiden die Sounddesigner mit peinlicher Genauigkeit. Sie hätten ja sonst womöglich Lizenzgebühren zahlen müssen.

Richtig nett ist der Trompetensound des Klon-Elefanten Norman, der sicherlich zu den witzigsten Einfällen der Sounddesigner gehört. Den muss man aber selbst gehört haben, denn er ist schwer zu beschreiben.

|Song|

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ der deutschen Band |Radiopilot|. Mit dreieinhalb Minuten Länge ist er von durchschnittlicher Popsonglänge. Nach den obligaten Perry-Rhodan-Zitaten hören wir einen elektronisch verzerrten deutschen Text von erstaunlicher Banalität. Er ist mit einem Drum-&-Bass-Rhythmus unterlegt, der wie ein stockender Herzschrittmacher klingt, welcher gerade den Geist aufgibt. Ich kann nicht behaupten, dass ich diesen Song sonderlich eindrucksvoll fand. Aber wahrscheinlich soll das Ganze unheimlich innovativ wirken.

|Das Booklet …|

… umfasst neben den oben genannten Credits auch jede Menge Werbung für die vorhergehenden Episoden der Serie. Außerdem findet sich in der CD-Box ein Einleger mit Werbung für die Band |Radiopilot|. Offenbar findet hier eine Art Reklameaktion auf Gegenseitigkeit statt. Das interessiert mich aber nicht die Bohne.

_Unterm Strich_

Was ist bloß aus unseren Helden Perry Rhodan, Kantiran und Zephyda geworden? Das mag sich so mancher fragen, der es nun mit der neuen Staffel zu tun bekommen. Keine Spur von ihnen lässt sich finden, denn Reginald Bull hat sie knapp verpasst. Vielmehr muss nun Mondra Diamond, der weibliche James Bond aus Episode 17, einspringen und den Ballermann sprechen lassen.

Was die Qualität des Inhalts angeht, so darf man wohl kaum tiefschürfende und daher langweilige Monologe erwarten. Vielmehr ist im letzten Drittel kämpferische Agenten-Action angesagt. Vorher muss man sich aber mit drögen Meldungen über in den Normal „gestürzte“ Planeten auseinandersetzen – oder abfinden. Manchmal geht es zu wie an Bord des Todessterns und man erwartet jeden Moment, den Dunklen Lord Darth Vader auftreten zu hören. Das wäre nett gewesen, denn jedes Stück braucht einen großen Schurken, an dem sich die Helden beweisen können.

|63 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3595-4|
http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name
http://www.perry-rhodan-game.com
[Ausführlicher Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

Joseph Delaney – Der Kampf des Geisterjägers (Spook 4)

Hexenzauber und nächtliche Action

Der 13-jährige Tom Ward ist der siebte Sohn eines siebten Sohns und daher zum Geisterjäger qualifiziert. Der Spook nimmt ihn in die Lehre und zeigt ihm, was Tom über Hexen, Boggarts und Poltergeister wissen muss. Mehrere schwere Kämpfe muss Tom bestehen. Zum Glück kann sich Tom auf die Hilfe von Alice stützen. Dummerweise ist sie ebenfalls eine Hexe …

Toms Bruder Jack und dessen Familie sind von den Hexen aus Pendle verschleppt worden, mitsamt den Truhen von Toms magiebegabter Mutter, die sein Erbe sind. Während Alice sich auf die Spur der Hexen setzt, bereitet Tom mit seinem Lehrmeister Gregory und dem Priester Stocks den Angriff auf die Hexenstadt vor – nicht nur um Jacks Familie zu befreien und Alice zu helfen, sondern um dem Unwesen der drei Hexenklans von Pendle ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod.
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Herbert, Frank / Kaiser, Kerstin – DUNE 1: Der Wüstenplanet. Teil 2 von 2 (Hörbuch)

SF-Epos, zweiter Teil: Reite den Wurm, Paul!

Im 11. Jahrtausend tun sich der Imperator und Harkonnen zusammen, um das Haus Atreides unter Herzog Leto zu vernichten. Die große Mausefalle ist der Wüstenplanet Arrakis, der Köder unermesslicher Reichtum in Form des einzigartigen Rohstoffs |Spice-Mélange|. Der Plan klappt wie am Schnürchen, doch eine Kleinigkeit geht schief: des Herzogs Konkubine und sein Sohn Paul entkommen in die Wüste. Dort bauen sie mit den einheimischen Fremen eine Guerilla-Organisation auf, die droht, die lebenswichtige Spice-Produktion zum Erliegen zu bringen – und damit jeden Verkehr im Imperium! Der Imperator, gezwungen von der Raumfahrtgilde, muss nach Arrakis kommen …
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Barclay, Linwood – Dem Tode nah (Hörbuch)

_Spannender Provinzkrimi mit kleinem Schönheitsfehler_

Als die Familie seines besten Freundes Adam verreist, versteckt sich der 17-jährige Derek im Keller, um sich später im leeren Haus mit seiner Freundin Penny treffen zu können. Der Junge kauert noch unter der Treppe, als die Familie überraschend zurückkehrt. Während Derek in seinem Versteck darüber nachdenkt, wie er seine Anwesenheit erklären soll, klingelt es an der Tür. Mr. Langley öffnet die Haustür – und wird sofort niedergeschossen. Derek muss mit anhören, wie der Killer auch seinen Freund und dessen Mutter niederschießt. Er selbst entgeht dem suchenden Blick des Mörders, bis dieser das Haus wieder mit seinem Komplizen verlässt. Derek kehrt völlig verstört nach Hause zurück, wo er kein Wort sagt.

Weil er nicht wagt, sich als einziger Zeuge an dem Dreifachmord bei der Polizei zu melden, kommt viel zu spät ans Licht, dass es der Mörder gar nicht auf die Nachbarn abgesehen hatte, sondern auf Dereks Eltern …

_Der Autor_

Der Kanadier Linwood Barclay machte seinen Abschluss in Literatur an der Trent University in Petersborough, Ontario. Anschließend arbeitete er lange Jahre als Journalist und hatte bis 2008 eine beliebte Kolumne im „Toronto Star“. [„Ohne ein Wort“, 3947 sein erster Psychothriller, wurde zum internationalen Bestseller und nominiert für den |Arthur Ellis Award|, den |Barry Award| und landete bei den |International Thriller Writers| auf der Shortlist als bester Roman.

_Der Sprecher_

Frank Arnold ist Schauspieler, Rundfunksprecher und Dramaturg. Er führte bei zahlreichen Theater und Opern-Produktionen Regie, arbeitet für verschiedene Sendeanstalten und ist ein gefragter Hörbuchsprecher.

Gabriele Kreis führte im Eimsbütteler Studio Regie.

_Handlung_

|PROLOG|

Als die Familie seines besten Freundes Adam verreist, versteckt sich der 17-jährige Derek Cutter in einem Verschlag im Keller, um sich später im leeren Haus mit seiner Freundin Penny treffen zu können. Der Plan, von dem Adam nichts weiß, geht auch beinahe auf. Er hat nur zwei Fehler: Penny hat wegen eines Blechschadens, den sie am Wagen ihres Vaters verursacht hat, Hausarrest. Und zweitens kehrt Adams Familie zurück, weil sich Adams Mutter Donna unwohl fühlt. Derek eilt sofort in sein Versteck zurück und hofft, später, wenn alle schlafen, aus der Hintertür schleichen zu können. Die Kombination der Alarmanlage kennt er längst.

Nach 22 Uhr scheint sich die Lage gerade zu beruhigen, als an die Haustür geklopft wird. Mister Langley öffnet. Anscheinend sind es zwei Männer, und einer von ihnen schreit: „Schande! Dreckskerl!“ Dann hört Derek voll Entsetzen einen Schuss, dem ein Poltern folgt. Adam will wegrennen, wird aber von hinten niedergeschossen. Als Mrs. Langley aus dem Obergeschoss herabkommt, um nachzusehen, was los ist, ereilt auch sie der Tod. Der Schütze schleicht durchs Haus, um es zu durchsuchen, doch Derek bleibt zum Glück unentdeckt. Als er ein Auto wegfahren hört, wagt er sich aus seinem Versteck, eilt durch die Diele und zur Haustür hinaus. Er kann kaum seinen Schock angesichts der drei Leichen beherrschen, doch er bleibt nicht stehen, bevor er zu Hause angelangt ist: auf dem hundert Meter entfernten Nachbargrundstück, dem Heim der Cutters.

|Haupthandlung.|

Promise Falls liegt im Norden des Bundesstaates New York und ist ein friedliches Städtchen, denkt Jim Cutter, als er am Samstagmorgen um halb sieben aufsteht. Aber immerhin ist das Städtchen bedeutend genug, um ein eigenes Uni-College vorzuweisen, an dem seine Frau Ann als Organisatorin des alljährlichen Literaturfestivals für Professor Chase arbeitet. Jim selbst arbeitet mit seinem Gartenservice an den Rasen und Bäumen der Bewohner, seit er vor zwei Jahren Bürgermeister Randall Finlay, dessen Fahrer er war, einen Nasenstüber versetzte.

Jim will aufbrechen, doch weil Derek ihm helfen soll, weckt er ihn: Derek pennt in seinen Kleidern! Diese Jugend von heute! Weil Derek kein Frühstück will, brechen sie gleich auf. Jim bemerkt, dass bei den Langleys zwei Autos vorm Haus stehen. Wollten die nicht verreisen? Als er einen Anruf von Ann erhält, kehrt er nach Hause zurück. Sheriff Barry Duckworth will ihn sprechen. Bei der Rückkehr ist jede Menge Polizei vorm Haus der Langleys zu sehen, und sogar die Zufahrt zum Cutter-Haus ist abgesperrt. Ann holt sie ab, völlig außer sich: Die Langleys seien alle tot. Weil Albert Langley ein angesehener Rechtsanwalt und Strafverteidiger war, ist das Aufsehen entsprechend groß.

|Alibis|

Als der Sheriff Jim, Ann und Derek nach einem Alibi befragt – was Ann gehörig aufbringt -, gibt Jim seinem Sohn ein Alibi. Das ist nett, aber nicht besonders schlau. Duckworth hegt einen kleinen Verdacht gegen einen gewissen Mr. McKindrick, erwähnt aber auch, dass schon zuvor zwei Morde entdeckt worden seien. Mit dem Frieden in Promise Falls scheint es vorbei zu sein. Kein Wunder, dass Ann am liebsten sofort wegziehen würde. Aber wie würde das in den Augen des Sheriffs wirken, fragt sich Jim. Er ist fürs Bleiben, obwohl er schon ein paar „Leichen“ im Keller hat, so etwa die, dass Ann ein Verhältnis mit dem Universitätsleiter Conrad Chase hatte. Und die Sache mit dem Bürgermeister.

Am Sonntagmorgen bittet Duckworth Derek, der Adam Langley ja als Letzter lebend gesehen habe, um eine Besichtigung des Tatorts. Ob irgendetwas verändert sei, will er wissen. Der Siebzehnjährige muss sich sehr beherrschen, um die Blutflecken auf dem Boden zu übersehen und alle Fragen zu beantworten, ohne dass der Sheriff Verdacht schöpft. Er erzählt auch von Penny Tucker und ihrem Hausarrest. Er habe das Haus zwei Stunden vor der Tatzeit verlassen, also etwa um acht Uhr abends. Auch diese Falschangabe erweist sich später als Fehler.

|Der Verdacht|

Als er allein mit seinem Vater ist, erzählt Derek Jim, dass er bemerkt habe, dass der Computer aus Adams Zimmer verschwunden sei. Na und, will Jim wissen. Na ja, Derek hatte Adam die Kiste ausgeliehen. Er selbst hatte sie von Jims Kundin Agnes Stockwell erhalten. Und die wiederum hatte den Rechner von ihrem Sohn Brad. O nein – der junge hoffnungsvolle Student, der sich an den Promise-Wasserfällen umbrachte. Tja, fährt Derek herumdrucksend fort, auf der Festplatte des Rechner befand sich ein Romanmanuskript, das ziemlicher Schweinkram sei.

Zum Glück hat Derek eine Kopie auf Diskette gezogen und kann seinem Vater einen Ausdruck des Romans geben. Jim erkennt den Text sofort wieder: Es ist der Anfang von Conrad Chases erotischem Roman „Das beste Stück“. Das Buch, das Chase zu Ruhm, Ehre, Geld und Uni-Posten verhalf, steht in der elterlichen Bibliothek. Und jetzt stellt sich heraus, dass Chase die Grundlage seines Reichtums, seines Ansehens und seiner Macht seinem Studenten Brad Stockwell gestohlen hat.

Was wenn Chase sich veranlasst sah, die letzte Kopie dieses Originals durch den Diebstahl des Rechners von den Langleys zu beseitigen, grübelt Jim zusammen mit Ann, der er seine Entdeckung mitteilt. Aber wozu dann drei Leichen hinterlassen? Ann hindert Jim daran, sofort zu Chase zu laufen. Er würde nur als gehörnter Ehemann erscheinen, der nun zurückschlagen wolle, und nichts weiter erreichen. Nein, sie müssten die Diskette zurückgeben!

Jim starrt sein Eheweib an, als wäre sie von allen guten Geistern verlassen. Auf welcher Seite steht sie eigentlich? Erst später weiht sie ihn ein, dass auch sie eine Vergangenheit mit Conrad Chase und Brad Stockwell verbindet. Aber dann ist der Fall Langley bereits zu einem Albtraum für die Tuckers geworden.

_Mein Eindruck_

Die Welt ist voller Heuchler und Geheimnisse. Das gilt ganz besonders für die Provinzstadt Promise Falls. Sie hat einen sprechenden Namen: „promise“ – das Versprechen (des amerikanischen Traums?) – „falls“: fällt; gemeint sind aber auch die lokalen Wasserfälle. Man könnte Promise Falls sehr gut mit dem Städtchen Twin Peaks in David Lynchs TV-Serie vergleichen. Hier ist im Grunde fast alles möglich: von Massenmord bis zu nächtlichen Orgien, von vergleichsweisen „Lappalien“ wie Ehebruch und Sex mit Minderjährigen ganz zu schweigen.

Das Vergnügen, diese Geheimnisse aufzudecken, sorgte für mein anhaltendes Interesse an diesem Thriller aus dem kühlen Kanada. Und Jim Cutter (ebenfalls ein sprechender Name) ist kein Mann, der etwas anbrennen lässt oder ein Blatt vor den Mund nimmt. Ganz besonders dann nicht, wenn es um die Zukunft seiner Ehe und Familie geht. Schlimm genug, dass sein eigener Sohn als Dreifachmörder der Langleys verhaftet und angeklagt wird. Das kann einen Vater schon zum Wahnsinn treiben. Nein, auch seine eigene Frau, die liebe Ann, hintergeht ihn und scheint ein falsches Spiel zu treiben. Das bringt die Grundfesten ins Wanken, denn Jim ist weder ein Collegeabsolvent noch hat er einen vernünftigen Beruf gelernt. Ein (beinahe) grundehrlicher Bursche wie du und ich also.

Die zwei Kidnapper, die Jim gefangen nehmen und foltern, scheinen aber nichts mit Ann zu tun zu haben, denkt Jim. Denn auch Ann ist gefesselt und geknebelt. Merkwürdig findet es aber schon, dass Morty, sein Folterknecht, ihn penetrant nach der Diskette mit dem Romanmanuskript Brad Stockwells fragt und die Kopie haben will. Da steckt am Ende also doch Anns Lover, dieser fiese Conrad Chase, dahinter, denkt Jim. Aber die Sache ist dann doch etwas komplizierter, als er denkt. Und weitaus blutiger im Verlauf.

Dass Jims Arbeitsersatz für Derek, dieser schweigsame Drew Lockus, einiges auf dem Kerbholz haben muss, merkt man sofort, doch Jim ist voll Vertrauen in den entlassenen Sträfling. Ganz besonders nach der Sache mit den beiden Kidnappern, die Drew ganz allein angriff. Ein gewiefter Krimileser hat aber einige Vorbehalte gehen den ebenso hilfsbereiten wie schweigsamen Drew und zählt zwei und zwei schon lange zusammen, bevor Jim es tut. Drew hatte eine Tochter, die vor kurzem im Krankenhaus starb. Wir erinnern uns an Randall Finlays Begegnung mit einer minderjährigen Prostituierten. Und dass ausgerechnet Jim Cutter seinen Namen und seine Telefonnummer in deren Notizbuch schrieb.

Die Vorhersehbarkeit der an Drew gebundenen Handlung stellt sich aber als doch nicht so abträglich für die Spannung heraus. Denn Drew hat eine ganz besondere Forderung an den Sünder Randall Finlay. Der Bürgermeister von Promise Falls soll seine Sünde öffentlich bekennen, und zwar nicht irgendwo, sondern auf der Bühne, auf der er seine Kandidatur für den US-Kongress bekanntgeben will. Finlay hält diese Forderung natürlich für völlig absurd, aber Jim sorgt dafür, dass Finlay die handfesten Argumente Drews berücksichtigt: Drew bedroht Jims Sohn und Frau mit dem Tode.

Was nun Ann mit Conrad Chase und Brad Stockwell zu tun hat, ist eine völlig andere Geschichte, wie es scheint. Und deshalb sollen die Feinheiten dieser falschen Fährte nicht weiter dargelegt werden. Ein Red Herring wie dieser dient lediglich dazu, weiter Belege für die Heuchelei und Geheimnisse der Provinz zu liefern. Aber zufrieden stellte ich fest, dass so das Rätsel um „Das beste Stück“ ebenso gelöst wird wie die scheinbar dubiose Loyalität von Ann Cutter.

Und wozu mag all dieser Tumult in der Provinz gut sein, mag sich der Leser fragen. Nun, der Autor will wohl zeigen, dass nichts ist, wie es scheint, und dass Ehre nicht immer ehrenvoll erworben sein muss. Und dass Selbstmord nicht immer Selbstmord ist, und ehrbare Ehefrauen auch mal mit dem Sohn des Nachbarn ins Bett gehen können, um Spaß zu haben. Und wenn sich der Pulverdampf verzogen und der Schurke im Stück seine gerechte Strafe erhalten hat, dann können die Hauptfiguren möglicherweise zu neuen Ufern aufbrechen. Ein weiteres „Promise Falls“ lockt sie, denn der amerikanische Traum, er währet ewiglich. Jedenfalls bis zur nächsten Krise.

|Der Sprecher|

Dass Frank Arnold ein Theatermann ist, merkt man an seiner Vortragsweise. Sie unterscheidet sich kaum von anderen Meistern der Stimme, aber er beherrscht die Darstellung sämtlicher Emotionen auf dem Effeff. Das lässt die Szenen sehr lebendig erscheinen. Mehr als einmal ertappte ich mich dabei, mir die jeweilige Szene bildlich vorzustellen. Arnold kann aber auch von den lauten Tönen des Zorns und des Erstaunens schnell wieder umschalten auf leise Töne des Schmerzes und der Zärtlichkeit. Die Story gibt beide Stimmungslagen in reichlichem Maße her.

Selbstredend sprechen die männlichen Figuren in einer tieferen Tonlage als die weiblichen. Besonders Sheriff Duckworth sticht durch seine sehr tiefe, autoritäre Stimme hervor. Sein genaues Gegenteil ist der aalglatte und hinterfotzige Universitätspräsident Conrad Chase. Chase ebenbürtig ist seine Frau, ein ehemaliges Hollywood-Starlet mit familiären Verbindungen zur Mafia. Auch sie säuselt so blond und täuschend freundlich, dass man kaum glaubt, dass sie einen Mordauftrag vergeben haben soll.

Ganz wunderbar gelungen fand ich auch die Figur des Bürgermeisters Randall Finlay. Obwohl der schmierige, aber leutselige und charmante Typ immer wieder ins Amt gewählt wird, erfahren wir doch im Laufe von Jims Enthüllungen, dass es Finlay mit einer Nutte trieb, die sich als minderjährig entpuppte. Das brachte ihm Jims Nasenstüber ein. Nun, Finlay wird seine Strafe erhalten und so für den Showdown mit dem Mörder der Langleys sorgen.

Die Aufnahme hat nur einen einzigen Schönheitsfehler. Dieser geht nicht aufs Konto des Sprechers, sondern auf das des Aufnahmeleiters und des Schnitts. Wird er deshalb nicht namentlich erwähnt? Wie auch immer: Auf CD Nr. 3 tritt bei der Marke von 54:06 Minuten eine unmotivierte Pause ein, die etwa fünf Sekunden anhält, bevor die Aufnahme fortfährt. Zum Glück geht keine Information des Textes verloren, aber etwas irritierend und ablenkend ist diese Lücke schon.

_Unterm Strich_

Dies ist kein Copthriller und schildert auch nicht die Ermittlung gegen den klischeehaften Serienkiller. Vielmehr betrachten wir das Geschehen, das nach dem kriminellen „Erdbeben“ des Mordes an den Langleys stattfindet, aus der Sicht eines gewöhnlichen Bürgers: des Nachbarn. Ein einfacher Gärtner, Fahrer und Hobby-Kunstmaler. Was könnte unverdächtiger sein? Aber unversehens sieht sich Jim Cutter in sinistre Abläufe verwickelt: als Opfer von Folterknechten, unsichtbaren Strippenziehern und natürlich dem Serienmörder, der die Langleys auf dem Gewissen hat.

Glücklicherweise legt Jim Cutter nicht die Hände in den Schoß und sagt: Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, sondern packt die Sache auf bewährte Yankeeweise an. Doch weil nichts ist, was es zu sein scheint, muss er auch seine eigene Ehefrau verdächtigen und fällt aus allen Wolken, als sein Sohn ihm ein geheimes Sexleben offenbart. Außerdem glaubt er sich auf der Spur eines Literaturskandals erster Größenordnung, der sich zudem als tragische Verkettung von Taten und Unterlassungen entpuppt.

Es gibt einige schöne Höhepunkte, von denen vielleicht der witzigste die Selbstenthüllung des Bürgermeisters als Freier einer minderjährigen Nutte ist. (Natürlich tut er das nicht freiwillig.) Aber auch die Bloßstellung von Conrad Chases Frau Eliana als zwielichtige Mordauftraggeberin ist eine köstliche Szene. Enthüllungen gibt es reihenweise, und manche davon sind so verzwickt und heikel, dass man nicht anders kann, als entsprechende Geduld mitzubringen. Die Wahrheit über Brad Stockwells angeblichen Selbstmord ist solch eine Szene.

Barclays Thriller eilt von Höhepunkt zu Höhepunkt, und so manche Szene mag an den Haaren herbeigezogen erscheinen. Aber die Story sorgt für eine Menge spannender Unterhaltung, ohne dabei in Kitsch oder Klamauk abzugleiten. Ob der richtige Mörder der Langleys am Schluss gestellt wird, ist eine Frage, die einen Spannungsbogen über die ganze Handlung errichtet. Darunter hat der Autor eine Reihe weiterer, kleinerer Spannungsbögen errichtet. Und kaum glaubt der Leser mit Jim eine Verschnaufpause einlegen zu können, geht unversehens die Action erneut los. Feine Sache.

|Das Hörbuch|

Frank Arnold gestaltet seinen Vortrag dieses spannenden Krimis sehr lebhaft und unter hohem Einsatz seiner Stimmfertigkeit. Schon nach wenigen Minuten achtete ich kaum noch auf seinen Ausdruck in der Charakterisierung der Figuren, so sehr hatte mich seine Versiertheit überzeugt. Daher konnte ich mich an den emotionalen Einzelszenen erfreuen, ohne mich von den gelieferten Informationen, welche die Beweiskette gegen diverse Verdächtige aufbauen, ablenken zu lassen.

Ein Fehler im Schnitt der Aufnahme verblüffte mich indes. Einfach so eine Lücke von rund fünf Sekunden entstehen zu lassen beziehungsweise zu überhören – das findet man nicht alle Tage.

|Originaltitel: Too close to home, 2008
Aus dem kanadischen Englischen übersetzt von Sky Nonhoff
457 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-636-7
Buchausgabe bei Ullstein Taschenbuch unter der ISBN-13 978-3-548-26744-9|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.ullsteinbuchverlage.de

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Doyle, Arthur Conan / Coules, Bert / Cotterel, Ian – A Study in Scarlet – A Sherlock Holmes Mystery (Hörspiel)

_Holmes singt: ein garstig‘ Lied in Scharlachrot_

Das Wort „Rache“ ist an die Wand eines leeren Hauses in London gekritzelt, in dem die Polizei die Leiche eines Mannes gefunden hat. Um das Rätsel zu lösen, bittet Scotland Yard einen jungen Mann um Hilfe, der über einen analytischen Verstand verfügt und dem es offenbar Vergnügen bereitet, die kniffligsten Rätsel zu lösen: ein gewisser Sherlock Holmes. Als dieser Holmes zusammen mit seinem neuen Wohngenossen Dr. John Watson auf der Szene des Verbrechens erscheint, zweifeln die Inspektoren und Polizisten des Yard erst einmal, was Amateure wie diese beiden ausrichten können. Sie sollen sich schon bald wundern.

_Der Autor_

Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um seinen Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: [„The Lost World“ 1780 erwies sich als enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt.

Weitere Holmes-Hörspiele auf Englisch im |Hörverlag| sind „The Hound of the Baskervilles“ und „The Sign of Four“.

Mehr von Arthur C. Doyle auf |Buchwurm.info|:

[„Eine Studie in Scharlachrot“ 1780 (Buchausgabe)
[„Die geheimnisvolle Kiste“ 3756 (Hörbuch)
[„Der Patient“ 3609 (Hörspiel)
[„Der griechische Dolmetscher“ 2427 (Hörspiel)
[„Im Zeichen der Vier“ 2285 (Hörbuch)
[„Der Bund der Rothaarigen“ 2268 (Hörbuch)
[„Neue Fälle von Sherlock Holmes & Dr. Watson“ 2148 (Hörspiel)
[„Sherlock Holmes Collectors Edition II“ 2130 (Hörspiel)
[„Sherlock Holmes Collectors Edition I“ 1950
[„Der Hund der Baskervilles“ 1896
[„Die vergessene Welt“ 1780
[„Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß“ 1410 (Hörspiel)
[„Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band“ 1240 (Hörspiel)
[„Das Zeichen der Vier“ 1234 (Hörspiel)

Themenverwandtes bei |Buchwurm.info|:

[„Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“ 417
[„Sherlock Holmes – Mythos und Wahrheit. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen“ 3916
[„Sherlock Holmes. Die unautorisierte Biographie“ 3428
[„Sherlock Holmes und die Riesenratte von Sumatra“ 3083
[„Sherlock Holmes und der Fall Houdini“ 2339
[„Sherlock Holmes: Schatten über Baker Street. Mörderjagd in Lovecrafts Welten“ 1893

_Die Sprecher & die Inszenierung:_

|Sherlock Holmes:|

Clive Merrison, geboren 1945, wurde bekannt durch seine Arbeit beim Fernsehen, am Theater und beim Rundfunk. Seine erfolgreichsten Produktionen sind „Dr. Who“, „Yes, Prime Minister“ und „Saving Grace“ (Grasgeflüster). Merrison ist der einzige Schauspieler, der es geschafft hat, Holmes in den Bearbeitungen sämtlicher Kurzgeschichten und Romane zu spielen, in denen der berühmte Detektiv auftritt (und das sind mehrere Dutzend Werke).

|Dr. John Watson:|

Michael Williams, geboren 1935, war ein britischer Schauspieler irischer Herkunft. Er trat regelmäßig im Fernsehen und in Filmen wie „Educating Rita“ oder „Henry V.“ auf. In Radiospielen lieh er vielen Figuren seine Stimme. 1971 heiratete er die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin Dame Judi Dench (geb. 1934, ‚M‘ in „James Bond“), mit der er erfolgreich in mehreren Sitcoms zusammenarbeitete. Williams starb 2001.

Regie führte Ian Cotterel, die Hörspielfassung erarbeitete Bert Coules, für eine Produktion der BBC aus dem Jahr 1998. Die Violine spielt laut Booklet Abigail Young, laut Ansage aber Alexander Balanescu. Vielleicht spielten ja beide.

_Handlung_

Um das Jahr 1886 lebt der Militärarzt Dr. John Watson wieder in London, nachdem er im zweiten Afghanistankrieg verwundet wurde und an Typhus erkrankt war. Nun lebt er von einer winzigen Rente und erträgt die Schmerzen in seiner Schulter. Da kommt ihm das Glück zu Hilfe. Sein guter Bekannter Stanford, ein Medizinstudent, erzählt ihm von einem Mann an der Uni, der einen Mitbewohner für eine gemeinsame Mietwohnung sucht. Watson ist sofort hellhörig, aber Stanford warnt ihn vor diesem seltsamen Vogel. Dieser Sherlock Holmes betreibe makabere Experimente mit Tierkadavern. Indeed!

Waltson und Holmes nehmen die Wohnung, die Mrs. Hudson in der Baker Street 221B anbietet, und versuchen, sich aneinander zu gewöhnen. Holmes ist wirklich gewöhnungsbedürftig, und Watson macht sich eine ganze Liste mit seinen Mängeln, insbesondere seiner Ahnungslosigkeit auf bestimmten Wissensgebieten. Eines Tages verrät ihm Holmes endlich, was er eigentlich beruflich tut: er ist beratender Ermittler. Private und behördliche Schnüffler bitten ihn um seine Dienste, sein bester Kunde sei Inspektor Lestrade vom Scotland Yard, der britischen Kripo. Aber die Zeiten sind Holmes zu ruhig – er kann seine Fähigkeit der analytischen Deduktion kaum unter Beweis stellen. Da kommt ihm ein neuer Mord wie gerufen.

Zusammen mit Dr. Watson, den er als Assistenten missbraucht, besichtigt Holmes den Tatort, der sich in einem leerstehenden Haus in Brixton befindet. Die Inspektoren Lestrade und Tobias Gregson sind bereits vor Ort. Holmes warnt Watson, dass der Tatort seine Nerven belasten könnte. In der Tat sieht all das viele Blut um die Leiche eines Mannes am Boden nicht sehr beruhigend aus. Dessen Körper ist völlig verdreht, weist aber seltsamerweise keine Wunde auf. Doch einmal am Mund des Toten geschnuppert und beide wissen Bescheid: Gift. Und an einer Wand des Zimmers steht mit Blut geschrieben das deutsche Wort „RACHE“. Für Lestrade ist der Fall klar: Es hat etwas mit einer Frau namens RACHEL zu tun. Holmes ist sich da nicht so sicher. Er gedenkt seinen Fall zu einem Gesamtkunstwerk zu machen, das er „Eine Studie in Scharlachrot“ (A Study in Scarlet) nennen will.

Der Tote wird als der Amerikaner Enoch Drebor identifiziert, er habe in der Pension einer Madame Charpentier logiert, zusammen mit seinem Sekretär Joseph Stangerson. Hier bohrt Tobias Gregson besonders intensiv nach und fördert schon bald zutage, dass Charpentiers Sohn Arthur heftigen Streit mit den beiden Amis hatte, weil sie sich an seiner Schwester Alice vergriff. Es kam zu einer Schlägerei auf der Straße und Arthur verschwand. Alles klar wie Kloßbrühe: Arthur muss der Mörder sein.

Holmes beliebt, anderer Meinung zu sein, ist aber weit davon entfernt, Gregson den Tag zu vermiesen. Für ihn ist das wichtigste Indiz an der Leiche der weibliche Ehering, der so gar nicht zu den beiden Amis passt. Es geht also um eine Frau innerhalb einer Dreiecksgeschichte. Holmes gibt in Watsons Namen (er will nicht in Erscheinung treten) eine Zeitungsannonce auf, in der er nach dem Besitzer des Rings sucht. Unterdessen lässt er seine Kindertruppe von Möchtegernpolizisten nach Verdächtigen suchen.

Gregson triumphiert gerade über seinen Fahndungserfolg, als Lestrade eintrifft. Er habe einen weiteren Ermordeten entdeckt. Dreimal darf man raten, um wen es sich handelt.

_Mein Eindruck_

Schon in dieser ersten Erzählung, die im Dezember 1887 veröffentlicht wurde und ihren Helden unsterblich machte, bietet der Autor fast alle Charakteristika auf, die den berühmten Detektiv kennzeichnen. Er hat einen scharfen, wenn auch etwas eingleisigen Verstand, praktisch kein Privatleben, spielt leidenschaftlich gerne die Geige und ist stets für einen blutigen Mord zu haben. Dass er sich so gut mit Kindern und seiner Haushälterin/Vermieterin versteht, grenzt an ein Wunder.

|Der Auftrag|

Noch erstaunlicher ist sein letzter Satz: „Write your book, Dr. Watson“, aber das geschieht aus purem Eigennutz. Die beiden stümperhaften Inspektoren Lestrade und Gregson beanspruchen nämlich laut Zeitung alle Lorbeeren für sich und wagen es sogar, den „Amateur-Detektiv“ Sherlock Holmes ihren „Schüler“ zu nennen – diese Unverfrorenheit! Um der Nachwelt ein „richtiges“ Bild vom Schaffen des kompetentesten Detektivs der Welt zu hinterlassen, kommt ihm Dr. Watson als Biograph gerade recht. Das kann Dr. Waltson nur angenehm sein, denn er hat bereits seine Bewunderung für Holmes ausgedrückt. Der Titel für das erste Werk dürfte wohl klar sein.

|RACHE|

Doch worin liegt nun die Lösung des blutigen Doppelmordes, mit diesem mysteriösen Wort „RACHE“ an der Wand? Die Kripo verfällt natürlich auf das Naheliegende, dass sich hier nämlich politische Flüchtlinge aus Deutschland an Amerikanern rächen wollten. Doch Holmes ist alles andere als ein Freund des Naheliegende und Offensichtlichen. Das könnte ja jeder Stümper kapieren, aber das sei genau das, was die Verbrecher wollten. Nein, so blöd ist er nicht.

Allerdings ist auch Holmes nicht allwissend, denn der Verdächtige schlägt ihm geschickt ein Schnippchen. Um den Ring abzuholen, tritt eine ältere Dame auf, die sich Mrs. Sawyer nennt. Nachdem sie gegangen ist, folgt er ihr unauffällig oder vielmehr ihrer Droschke. Als die Mietkutsche an ihrem angegebenen Ziel eintrifft, ist jedoch von „Mrs. Sawyer“ weit und breit nichts zu sehen. Sie hatte sich verkleidet und war natürlich ein Mann! Homes lacht herzhaft über seine eigene Stupidität.

|Das Geständnis|

Sobald der Täter sich dann selbst zeigt – was an sich schon recht verwunderlich ist -, will er auch sogleich ein Geständnis ablegen. Schließlich sei er ein todkranker Mann, der jeden Augenblick den Löffel abgeben könne, erkennt Dr. Watson. Bequemerweise erfolgt das Geständnis im Kripohauptquartier, vor den Ohren von Lestrade und Gregson, und natürlich Holmes. Die ganze verhängnisvolle Dreiecksgeschichte begann vor nicht weniger als vierzig Jahren in jenem trockenen Landstrich westlich der Rocky Mountains, der den Briten als „Zentralamerikanische Wüste“ bekannt ist.

Durch die Assoziation mit den Mormonen erklärt sich auch der erstaunliche Titel des zweiten Teils des Hörspiels: „The Country of the Saints“. Die Mormonen nennen sich bekanntlich gar nicht nach dem Buch Mormon ihres Gründers John Smith, sondern als „Heilige der letzten Tage“ (Latter Day Saints). Ihre Hauptstadt ist Salt Lake City. Ich war selbst dort und habe die riesige Kathedrale bewundert – den Tempel! – und das Hochhaus, in dem sich das Hauptquartier des Ordens befindet.

|Die Wirkung|

Ich werde hier nicht das ganze Geständnis wiedergeben, das Jefferson Hope ablegt. Aber der Fall ist im Grunde klar. Für die von ihnen geraubte Braut rächte er sich an Drebor und Stangerson auf grausame Weise, nach zwanzig Jahren der Verfolgung. Diese Geschichte bildet den Kern des zweiten Teils: sehr romantisch und bewegend mit einer tragischen Romanze und einer erbitterten Verfolgungsjagd, schon fast ein Western.

Die Zeitgenossen des Autors müssen hingerissen gewesen sein, obwohl das Buch zuerst in den USA erschien und als „shilling shocker“ (= Pulp Fiction) nicht gerade höchsten literarischen Rang genoss. Ganz im Gegenteil. Erst die Sherlock-Story „Ein Skandal in Böhmen“, die ab 1891 im „Strand Magazine“ erschien, brachte ihrem Autor den erhofften Durchbruch.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Das ganze Hörspiel dreht sich im Grunde nur um die zwei Hauptfiguren Watson und Holmes. Folglich sind ihre Sprecher die wichtigsten im ganzen Ensemble – und es ist ein beachtlich kompetentes Ensemble, gegen das sie sich durchsetzen müssen. Dass Michael Williams seinen Dr. Watson wie den älteren Herrn spielt, den wir alle sattsam aus unzähligen Holmes Verfilmungen kennen, war zu erwarten. Doch Williams verleiht Watson keineswegs den Charakter eines leicht debilen, gutgläubigen Medizinmannes, wie er so unsäglich von Nigel Bruce porträtiert wurde. Dieser Watson ist ein Armeemann und hat einiges vom Leben gesehen. Dennoch bereitet ihm der blutige Tatort in Brixton Albträume.

Die eigentliche Überraschung liefert Clive Merrison (der auf dem Foto auf der CD-Rückseite selbst etwas debil dreinschaut), denn mit dem herzhaften Lachen, in das Holmes so häufig und gerne ausbricht, hatte ich nicht gerechnet. Das ist ein ganz anderer Holmes als der von Basil Rathbone, nicht düster, sondern weltoffen und verständnisvoll, nicht neurotisch, sondern einfühlsam. Dies ist ein menschliches Wesen, mit dem wir – beinahe – mitfühlen können, so etwa, wenn er sich um seine Meriten als Detektiv Sorgen macht und an eine Art PR-Feldzug denkt, mit Watson als Manager.

|Geräusche|

Wozu kleckern, wenn man auch klotzen kann, dachte sich wohl der Sounddesigner und lässt das Hörspiel gleich mit Kanonnendonnern und Gewehrschüssen beginnen. Verwundete schreien nach Doktor Watson, da fallen zwei Schüsse – Watson hat’s erwischt, verkündet die unheilvolle Stille. Nach der Ansage beginnt Dr. Watsons alias Michael Williams‘ ruhige Stimme von den nachfolgenden Ereignissen zu berichten, die zu seiner langen Bekanntschaft mit Holmes führen sollten.

Die Geräusche im Hintergrund sind realistisch, passend und verdecken nie den Dialog. Allerdings muss man sich eine Szene, die in sukzessiven Ausschnitten dargestellt wird, selbst zusammenreimen. Es handelt sich um die Auseinandersetzungen in der Pension der Madame Charpentier, bei denen die betrunkenen Amerikaner ihre Familie drangsalieren. Diese Szene ist clever eingesetzt, denn sie lässt ein Rätsel offen: Hat Arthur Charpentier wirklich Enoch Drebor getötet – oder war es ganz anders?

Es gibt ein paar Soundeffekte, die mich stutzen ließen. Einer davon ist der einer riesigen schlagenden Uhr, als ob sich das Uhrwerk Big Bens (nicht die Glocken!) im Wohnzimmer befände und mit einem feinen Mikro aufgenommen und tausendmal verstärkt würde. Die Wirkung ist unheimlich, denn der Sound kündet Unheil an, nach dem Motto: Wem die Stunde schlägt …

|Musik|

Ich bin nicht sicher, ob das Geigenspiel Basil Rathbones zur Musik zählt, aber dasjenige, das wir in diesem Hörspiel zu hören bekommen, tut es ganz bestimmt. Wir hören lieblichen Bach, elegischen Wagner und noch einiges mehr. Im Outro erklingt die Violine zusammen mit einer Flöte und einem romantischen Piano und geleitet den Hörer wieder zurück in seine eigene Welt. Holmes singt sogar! Dies ist das erste Mal, dass ich Holmes singen hörte. Vielleicht zählt das zu seinem Gesamtkunstwerk „Studie in Scharlachrot“.

Relativ unheimlich ist der gestrichene Kontrabass, der am Anfang der zwei Teile mit tiefsten Bässen erklingt. Dagegen hebt sich die flotte Pausenmusik, welche die Szenen trennt, geradezu wohltuend ab. Man sieht, dass es eine ganze Palette von Musik gibt. Trotzdem ist das Hörspiel weit davon entfernt, ein Musical zu sein.

_Unterm Strich_

Sherlock Holmes und Dr. John liefern sich bereits in diesem ihrem ersten Fall die typischen Diskussionen, wobei Watson stets der Stichwortgeber ist und Holmes allzu häufig der Schlaumeier, der sich alles bereits aus winzigsten Details zusammenreimt. Schon die erste Begegnung ist symptomatisch. Holmes begrüßt Watson als Mann, der in Afghanistan war. Der gute Doktor ist natürlich von den Socken, aber Holmes hält mit des Rätsels Lösung nicht hinterm Berg.

Spannung, Action, Humor, geistvolle Diskussionen, eine Romanze – alle Sherlock-Freunde kommen also schon im ersten Fall voll auf ihre Kosten. Unglaublich, dass der Autor seinen Helden bereits sieben Jahre später, 1893, sterben ließ. Auf Druck des Publikums (und der Königsfamilie) musste er Holmes eine Auferstehung widerfahren lassen, so dass ab „The Hound of the Baskervilles“ (1901/02) weitere Geschichten mit dem beliebten Detektiv erscheinen konnten.

|Das britische Hörspiel|

In zweimal 56 Minuten erzeugt der Dramaturg Bert Coules erst eine Menge Spannung, dann eine ganze Menge von Action und Rührung. Schließlich geht es um eine tragische Dreiecksgeschichte. Der erste Teil gefiel mir wesentlich besser, weil er spannender und optimistisch gestimmt ist.

Das Englischniveau ist nicht „beginner“, sondern „intermediate“, also mittelschwer. Das erfordert Gymnasial- oder Uni-Ausbildung. Auch ich mit abgeschlossenem Magister und Englandaufenthalt konnte nicht alles restlos verstehen. Zum Glück reden die Sprecher wenigstens keinen Dialekt wie etwa Cockney. Ein Akzent ist aber dennoch hin und wieder zu hören. Merrison und Williams befleißigen sich aber des reinsten |BBC|-Englisch und sind sehr klar zu verstehen. Englischlernende dürfen aufatmen.

|A Study in Scarlet, 1887
BBC-Produktion 1998
112 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-86717-303-2|
http://www.hoerverlag.de

McDowall, Iain – perfekte Tod, Der (Hörbuch)

_Die perfekte Ermittlung, mit Schwächen_

„Schlimmer geht es nicht“, denkt Chief Inspector Frank Jacobson, als in Crowby ein Drogendealer gefoltert und verbrannt aufgefunden wird. Nur 48 Stunden später gibt es einen noch grausigeren Fund: Das Oberhaupt von Crowbys „Familie des Jahres“ hat, wie es aussieht, erst seine Frau und die drei Kinder umgebracht und dann sich selbst erhängt. Nur eine hat das Blutbad überlebt: die Freundin der Jüngsten – und Tochter von Sheryl Holmes, der Geliebten des toten Drogendealers. Doch die Zehnjährige spricht nicht mehr. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Iain McDowall wurde in Kilmarnock, Schottland, geboren und war Universitätsdozent für Philosophie und Computerfachmann, ehe er als Autor von Kriminalromanen hervortrat. Heute lebt er im englischen Worcester, in den Midlands, wo sich seine fiktive Stadt Crowby befindet. Hier spielen McDowalls Romane um die Polizisten Jacobson und Kerr.

Weitere Crowby-Romane, die bei |dtv| erschienen, sind „Zwei Tote im Fluss“ und „Gefährliches Wiedersehen“. Für August 2009 ist „So gut wie tot“ angekündigt.

_Sprecher & Produktion_

Herbert Schäfer, 1968 in Bonn geboren, absolvierte seine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule. Es folgten Engagements an den Münchner Kammerspielen, am Ulmer Theater, am Düsseldorfer Schauspielhaus sowie am Theater Freiburg. Er arbeitete mit namhaften Regisseuren zusammen und ist zudem regelmäßig in Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen.

Schäfer liest eine von Cathrin Claußen gekürzte Textfassung. Regie führte Sebasian Reiß. Die Aufnahme erfolgte bei Acoustic Media in Freiburg.

_Handlung_

Darauf haben Charlie Taylor und Billy „Florida Boy“ Billston gewartet: Sheryl Holmes verlässt mit ihren zwei Töchtern Ann Marie und Lucy den Wohnblock, um sie zur Schule im „guten Viertel“ The Bartons zu bringen. Sie kommt aus der Sozialwohnung, in der sich noch ihr Lover David Carter befindet. Dave ist Barmann im Pub „Poet’s“ und Drogendealer. Charlies und FBs Auftrag lautet, Dave eine Abreibung zu verpassen.

Doch als sie Dave aus dem Bett zerren und mit der Drohung, ihn mit dem elektrischen Kamin zu verbrennen, gefügig machen wollen, macht der einen auf Macho und wehrt sich. Na so was! Das treibt den eh schon labilen FB zur Weißglut. Mit einem Montiereisen schlägt er Dave den Schädel ein. Au Backe, was wird wohl der Auftraggeber davon halten, fragt sich Charlie. Der will von der ganzen Geschichte nichts wissen. Sie haben’s verbockt, nun müssen sie sehen, wo sie bleiben. Tja, Probezeit ist harte Zeit. Und dass sie ihn ja nie wieder anrufen! Dabei hat ihm Charlie noch gar nicht alles gesagt, was sie angestellt haben …

Florida Boy hat sich Verbrennungen zugezogen, doch sie können damit nicht zum Arzt, ist ja logo. Deshalb muss Charlies Bekannte, die schnuckelige Lisa, ran und die Wunden behandeln. Lisa glaubt, er wolle was von ihr, und findet sich dazu bereit. Aber als Charlie mitbekommt, welchen Zinnober die Bullen wegen des Todes von Dave veranstalten, kriegt er kalte Füße: Sie müssen weg. Auch dagegen hat Lisa nix einzuwenden. Klasse, denkt Charlie mit einem Blick auf Lisas Brüste, und klaut das nächstbeste Auto.

Für Chief Inspector Frank Jacobson ist der Fall David Carter ein Fall wie jeder andere. In dem Sozialghetto Woodlands ist so was ja nichts Ungewöhnliches. Carter war Drogendealer und muss jemanden gelinkt haben. Der Inspektor lässt seine Untergebenen ihre Pflicht und Schuldigkeit tun und tröstet Sheryl Holmes, die von dem Verlust ihres Geliebten und ihrer abgefackelten Wohnung ganz schön erschlagen ist. Nur noch ihre persönlichen Dokumente hat sie gerettet, weil sie die stets in ihrer Handtasche mit sich herumschleppt.

Doch es gibt wenigstens einen kleinen Lichtblick. Sie kommt bei ihrer Freundin Candice unter und Ann Marie darf sogar bei den Eltern ihrer Schuldfreundin Sarah Adams übernachten. Vielleicht hat sie nochmal Glück gehabt, denn ihre neue Sozialwohnung bekommt sie sicher erst in ein paar Tagen gestellt. Und Ann Marie bekommt mal ein schönes Heim zu sehen statt der Drecklöcher, in denen sie sonst mit ihrer alleinerziehenden Mutter leben muss. Doch auch dieser Traum währt nicht lange …

Der Bauunternehmer Stephen Adams, der Vater von Sarah und ihren zwei Brüdern, weiß schon seit Monaten, dass sein Unternehmen am Abgrund steht, dazu braucht er nicht erst die Kassandrarufe seines freiberuflichen Buchhalters Alan Jones zu hören. Darauf einen Doppelten! Steve macht sich erst einmal einen schönen Abend bei einer Preisverleihung der Lokalzeitung: Die Adams‘ werden als „Familie des Jahres“ ausgezeichnet. Nach einem weiteren Doppelten wirft sich Steve auf dem WC noch eine Doppeldosis Antidepressiva ein. Gleich fühlt sich total entspannt. Der Abend wird wunderbar. Um Mitternacht beginnen die Albträume …

Als Frank Jacobson zum Haus der Adams gerufen wird, warnt ihn der Leiter der Spurensicherung vor: Es ist schlimm. In der Eingangshalle baumelt ein Mann vom Treppengeländer herab. Das war wohl mal der Herr des Hauses. „Es gibt noch mehr.“ Sie gehen nach oben. Das Zimmer der Jungs ist voll Blut, sie haben sich wohl gewehrt. Nicht so hingegen die Ehefrau Marion und die Tochter Sarah. Steve Adams hat sie wohl mit einem Kopfkissen erstickt.

Als Jacobsons Blick aus dem Fenster in den Garten fällt, eilt er hinunter ins Erdgeschoss, dann in den Garten. Er geht zu einem großen Baum, in dem er ein Baumhaus erspäht hat. Darin kauert ein kleines Mädchen und zittert am ganzen Leib. Es ist Ann Marie Holmes, wie sich herausstellt. Und sie ist unfähig, über das zu sprechen, was sie in der vergangenen Nacht im Haus gesehen hat, als der Tod sein Werk verrichtete.

_Mein Eindruck_

Natürlich hängt der Tod von Dave Carter, dem Drogen dealenden Barmann, mit dem von Steve Adams zusammen. Aber wie das genau erfolgt ist, das herauszufinden ist die Aufgabe von Chief Inspector Frank Jacobson. Zum Glück ist Jacobson sowohl ein gewiefter Bursche, der sich einen Fall nicht einfach durch die Drogenfahndung wegnehmen lässt, als auch ein energischer Fahnder, der seine Leute in alle Richtungen mit Nachdruck und Hartnäckigkeit ermitteln lässt. Von ihm könnte sich der behäbige Inspektor Barnaby noch ein Stück abschneiden, der im idyllischen Midsomer aufklärt.

|Familienvernichter|

Dass Jacobsons neuer Fall berührt, ist der Familientragödie um Steve Adams zu verdanken. Das Täterprofil entspricht dem des „Familienvernichters“: Wenn er schon selbst untergehen soll, dann soll auch seine Familie mit – und dran glauben. So ist es erst vor wenigen Wochen ganz real in England passierte, als der bankrotte Familienvater, ein Unternehmer, nicht nur sämtliche Angehörigen meuchelte, sondern auch die Haustiere nicht verschonte, um schließlich auch noch das Haus abzufackeln. So sollte seinen Gläubigern nichts mehr zu holen übrig bleiben.

|Bindeglied|

Im Fall Steve Adams sprechen jedoch einige Indizien und eine Zeugenaussage gegen die Vermutung, dass sich Adams auch selbst umbrachte. Der Täter ist das zweite Bindeglied zwischen dem Mord an Carter und dem an Adams. Das erste Bindeglied ist Ann Marie, die Tochter Sheryl Holmes‘. Die Genesung des Mädchens durch eine Expertin der psychologischen Betreuung ist wirklich anrührend. Erst durch Malen kann sich die wichtigste Zeugin ausdrücken. Zum Schrecken ihrer Mutter.

|Bad boys|

Diese Tragödie steht im krassen Gegensatz zu den frivolen Aktivitäten Charlie Taylors und seiner Freundin Lisa, von Florida Boy ganz zu schweigen. Hier wird ohne Fingerzeig deutlich gemacht, dass diese jungen Leute keine Hoffnung und keine Zukunft haben. Charlie hofft lediglich, noch ein paar Tage mehr in Freiheit bleiben zu können, bevor sie ihn schnappen. Er kann im Fernsehen zusehen, wie ihm die Bullen auf die Schliche kommen und sich nähern. Von einem „Getaway“ ist er jedoch weit entfernt. Hundertprozentig hat mich seine Figur nicht überzeugt: zu wenig Reflexion, zu wenig Energie. Und was er zusammen mit Lisa mit Florida Boy angestellt hat, wird zwar ganz am Schluss in einem der zahllosen inneren Monologe verraten, aber so ganz leuchtet es auch nicht ein. Warum sollte Lisa auf FB wütend sein?

|Der Sprecher|

Herbert Schäfer, den ich bislang nicht kannte, hat mich durch seine Vielseitigkeit in der stimmlichen Darstellung beeindruckt. Ihm gelingt es, sowohl weibliche wie männliche Figuren glaubhaft sprechen zu lassen, und zwar so, dass sie der Hörer leicht unterscheiden kann. So ist beispielsweise Lisa mit einer hohen Stimme versehen. Sie klingt zwar nicht wie Charleys Tante, ragt aber natürlich heraus, und man wartet schon aufs nächste Mal, dass sie wieder zu hören ist. Wesentlich glaubwürdiger ist die ungewöhnlich sanfte Stimme der Psychotherapeutin Burke, die Ann Marie betreut.

Ihr Gegenteil sind sicherlich die Tunichtgute Charlie, der Autoknacker, und Florida Boy, der labile Ausraster. Auch deren Auftraggeber Terry Shields klingt wie ein harter Bursche. Doch er beißt sich an Frank Jacobson die Zähne aus, der zudem noch viel Erfahrung mitbringt. So kann es der Chief Inspector locker nicht nur mit Typen wie Shields und Fliegengewichten wie Ray Walsh – ebenfalls eine tolle Charakterstimme – aufnehmen, sondern mit solchen aufgeblasenen Wichtigtuern wie seinem Chef DCS Greg Salter, der total arrogant und aalglatt daherkommt.

Der Abschuss ist sicherlich Alan Jones, der hochmütige Buchhalter des armen Steve Adams. Sehr interessant fand ich auch die Nebenfigur Peter Robinson (der Mann trägt den gleichen Namen wie ein erfolgreicher britischer Krimiautor). Der Pathologe wird durch seine besondere Redeweise zum Leben erweckt: Er stottert und stammelt, dass das, was er zu sagen hat, ganz besonders spannend wird. Es gibt noch andere Figuren, so etwa den mampfenden Kollegen Jacobson, der erstmal sein Mittagessen im Meeting runterwürgen muss – und währenddessen spricht. Kein schöner Klang.

Schäfer macht also auch noch aus den Nebenfiguren interessante Eindrücke. Erst so ergibt sich aus dem Gesamtbild der Figuren das Abbild einer sozialen Gemeinschaft. Und das ist genau das, was der Autor beabsichtigt hat (und was jedem Krimiautor am Herzen liegen sollte).

Geräusche und Musik gibt es nicht, weshalb ich darüber kein Wort zu verlieren brauche. Was mich jedoch geärgert hat, ist die Tatsache, dass nirgendwo auf dem Hörbuch die Längenangabe vermerkt ist. Neben dem Preis ist dies jedoch eine wichtige Größe, um das Verhältnis zwischen Preis und Leistung (= Länge der Aufnahme) abzuschätzen. Erst im Vergleich mit anderen Produkten anderer Verlage vermag der potenzielle Käufer dann dieses Preis-Leistungs-Verhältnis zu beurteilen. Wer solche Kenngrößen vorenthält, der stellt sich automatisch ins Zwielicht. Leider ist diese Unterlassungssünde bei |Hoffmann & Campe|-Hörbüchern Usus.

_Unterm Strich_

Es ist saubere Polizeiarbeit, die Jacobson den Fall aufklären lässt – so viel darf man auf jeden Fall erwarten. Dass auch in (erfundenen) Städten wie Crowby eine Zweiklassengesellschaft existiert, aber beide Klassen gleichermaßen vom Gleichmacher Heroin erfasst werden, hat man schon in Soderberghs Film „Traffic“ eindrucksvoll geschildert bekommen. Neu ist vielleicht die Botschaft , dass Drogen auch den englischen Alltag einer ländlichen Stadt längst durchdrungen haben. Und dass die Dealer nicht irgendwelche russischen Mafiosi sind, sondern brave britische Buchhalter. Etwas bizarr fand ich, dass eben dieser Buchhalter auch der Territorial Army angehört, die wohl der amerikanischen Nationalgarde entspricht, die ja auch nur eine bessere Miliz ist.

Vergleicht man Jacobsons effiziente Ermittlung, so erscheint die Flucht der Mörder Dave Carters zunehmend als überflüssiges Beiwerk, als eine Art „Getaway“-Szenario, komplett mit Gangsterliebchen Lisa. Klischeehafter geht’s nicht, aber das Leben entpuppt sich ja zunehmend als Abziehbild der Medien, so dass man schon bei manchen Szenen wie etwa einem Brand oder Autounfall allein beim Hinsehen ein Déjà-vu-Gefühl bekommt.

|Das Hörbuch|

Es kann aber auch sein, dass die Bearbeiter des Textes diesen so weit kürzten, dass die wichtigen Zwischentöne, die das Buch unverwechselbar machen, unter den Tisch fielen. Die zahlreichen inneren Monologe sind ein wichtiges Stilmittel, um die Motivation der Figuren zu verdeutlichen. In einer dramatischen Handlung dürfen sie jedoch nicht überhand nehmen, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. In dieser Hinsicht ist das Hörbuch dem Buch unterlegen. Dies muss der Sprecher mit entsprechenden stimmlichen Mitteln des Vortrags jedoch auszugleichen wissen. In gewissen Maße gelingt dies Herbert Schäfer auf eindrucksvolle Weise.

|Originaltitel: Perfectly dead, 2003
Aus dem Englischen übersetzt von Werner Löcher-Lawrence
ca. 154 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-455-30581-4|
http://www.hoca.de
http://www.dtv.de
http://www.crowby.co.uk

Edwardson, Åke/Ake – Segel aus Stein (Hörbuch)

_Im Macbeth-Land: Seestück für Geduldige_

Anonyme Briefe aus Schottland, ein verschwundener Mann und die Schatten der Vergangenheit: Als Kommissar Erik Winter sich auf die Suche nach dem Vater seiner Jugendliebe Johanna Osvald macht, ahnt er noch nicht, worauf er sich einlässt. Axel Osvald ist nach Schottland gereist, um das Rätsel um das Verschwinden seines Vaters John zu lösen. John, ein einfacher Fischer, gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Doch auch Axel kehrt nicht zurück. Winter reist in die schottischen Highlands, und es wird eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele …

_Der Autor_

Åke Edwardson, Jahrgang 1953, lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Göteborg. Bevor er sich dem Schreiben von Romanen widmete, arbeitete er als erfolgreicher Journalist u. a. im Auftrag der UNO im Nahen Osten, schrieb Sachbücher und unterrichtete an der Uni Göteborg „Creative Writing“. Er schrieb bislang zwölf Kriminalromane; zuletzt erschienen auf Deutsch „Segel aus Stein“ und [„Zimmer Nr. 10“ 2792 sowie „Rotes Meer“.

_Der Sprecher_

Boris Aljinovic, geboren 1967 in Berlin, war nach dem Schauspielstudium an der Hochschule „Ernst Busch“ am Berliner Renaissance-Theater und am Staatstheater Schwerin engagiert. Es folgten zahlreiche Rollen in Film und Fernsehen, so etwa 1999 in „Drei Chinesen mit dem Kontrabaß“ und 2004 in Otto Waalkes‘ Filmerfolg „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“. Seit 2001 spielt er den Kommissar Felix Stark an der Seiten von Dominic Raacke im Berliner „Tatort“. Der Schauspieler lebt in Berlin. Er liest eine gekürzte Fassung.

Regie führte Gabriele Kreis im |studio-wort|, Berlin Juni 2008.

_Handlung_

Ein alter Mann, den wir als schließlich als John Osvald kennenlernen, verbringt seine Tage in einem kleinen Fischerort an der schottischen Ostküste. Er lebt in einem abgelegenen Haus, geht täglich ins Pub, schaut sich die Gegend an, als warte er auf etwas. Doch in seiner Jackentasche steckt eine Pistole. Unentwegt fleht er bei sich: „Jesus, save my soul.“ Er ahnt, dass das Ende nah ist.

|Göteborg|

Der schreckliche G8-Gipfel in Göteborg ist vorüber, und so hat Kommissar Winter endlich wieder Zeit für seine Familie. Er fährt mit seiner Frau Angela und der vierjährigen Tochter Elsa an die Küste, wo sie sich ein Baugrundstück kaufen wollen. Aber im Polizeipräsidium wartet wieder Arbeit auf ihn. Johanna Osvald, um die vierzig wie er selbst, hat ein Anliegen. Sie war mal seine Jugendliebe in einem sehr schönen Sommer. Er kann ihr ihren Wunsch also nicht abschlagen.

Sie berichtet, dass ihr Großvater John Osvald im II. Weltkrieg als Fischer sein Auskommen in Schottland suchte, doch auf einer Fahrt anno 1940 sank sein Schiff. Man hielt ihn für tot. Aber vor zwei Wochen hat sie einen Brief aus Inverness in Schottland erhalten. Winter liest: „Things are not what they look like. John Osvald is not what he seems to be.“ Ein Absender fehlt. Vor zehn Tagen sei ihr Vater Axel Osvald nach Inverness gereist, um Nachforschungen anzustellen, doch seit vier Tagen habe sie keine Nachricht mehr von ihm. Sie befürchtet, dass ihrem Vater ein Unglück geschehen ist.

Winter ruft seinen Kollegen Steve MacDonald in London an. Der ist Schotte, ausgerechnet aus Inverness. MacDonald ruft seinen Kollegen Craig in Inverness an. Winter hat noch keinen Plan, aber er könnte sich vorstellen, zusammen mit MacDonald in Inverness nach den Osvalds zu suchen. Als Stützpunkt könnten sie Steves Schwester Eilidh, eine Juristin, nutzen. Doch zunächst besucht er Johanna und ihren fischenden Bruder Erik auf der Insel Donsö. Dort erfährt er einiges über das, woran Fischer und Seeleute glauben, wenn sie auf dem Meer sind. Wichtiger ist jedoch, was er über John Osvald und dessen Mannschaft im II. Weltkrieg erfährt. Möglicherweise umgibt den Untergang von Johns Schiff ein größeres Geheimnis, als man bislang dachte.

|Auf den Schären|

Es gab zwei Überlebende in Johns Mannschaft, die vom Untergang verschont wurden: Bertil Osvald ist schon tot, aber der alte Arne Algotson lebt noch, mit seiner Schwester Ella. Von ihm erfährt Winter, wo er am besten mit der Suche anfangen sollte: in Frazierburgh, nicht in Aberdeen oder Peterhead. Dort sei John Osvald oft an Land gegangen. Frans Karlsson, einer der Ertrunkenen, war Ellas Verlobter. Das Schiff wurde nie gefunden. Aber warum fuhren Arne und Bertil auf jener letzten Fahrt nicht mit? Diese Frage bleibt unbeantwortet, denn der alte Arne leidet unter Altersdemenz und singt statt einer Antwort nur „Bucky boys are back in town“. Er nennt leise einen Namen: Cullen. Winter findet den Ortsnamen im Atlas. Es ist morgens um vier Uhr dreißig.

Interpol ruft an. Es ist Kommissar Graig aus Inverness. Man hat Axel Osvald tot an einem See im Hochland gefunden. Er war nackt, seine Kleider waren über mehrere Meilen verstreut, wahrscheinlich starb er an einem Herzinfarkt durch Unterkühlung. Offenbar war er geistig verwirrt in Fort Augustus am Loch Ness aufgetaucht und habe Touristen angesprochen. Johanna fliegt sofort hin, um ihn zu identifizieren und nach Schweden zu bringen. Auch Graig sagte: „Things are not the way they look like.“ Wie in dem Brief des Unbekannten.

|Schottland|

Als Winter seine Frau fragt, ob sie sich eine Woche Urlaub in Schottland vorstellen könne, ist die ziemlich erstaunt. Winter schlägt vor, die kleine Elsa bei seiner Schwester Lotte unterzubringen, denn die lebe jetzt ganz allein. Angela kommt also mit nach Inverness. Dort treffen sie Steve MacDonald und dessen Frau Sarah. Während sich die Frauen die schönen Highlands und die Stadt Edinburgh ansehen, setzen sich die beiden Kriminaler auf die Fährte von Axel und John Osvald.

Der alte Mann geht wie immer täglich in den Pub, trinkt Bier und Whisky, schaut die Kellnerin an, die Touristen – Kontrollblicke. Dann fallen ihm die zwei Männer auf, die ebenfalls Kontrollblicke schweifen lassen. Er packt die Pistole in seiner Jackentasche fester …

_Mein Eindruck_

Wenn man Krimis mit Begriffen aus der Malerei bezeichnen dürfte, so würde ich diesem Buch das Etikett „Seestück“ aufkleben. Das Meer und seine Nutzer spielen eine zentrale Rolle: Es trennt und verbindet, es nährt und vernichtet. Die Geschichte besteht daher wie das marine Wetter fast nur aus Stimmungen, kaum aus Handlungen und Dialogen. Diese Stimmungen sind jedoch mit der Last der Vergangenheit aufgeladen, mit einer großen Schuld, die auf den Tätern und den Überlebenden lastet. Wer weiß, wie weit diese Schuld noch verteilt ist. Am Schluss müssen sich diese Spannungen jedoch entladen. Niemand ahnt, wen die gewaltsame Entladung treffen wird. (Und ich werde mich hüten, dies zu verraten.)

Kommissar Winter ahnt nicht, worauf er sich einlässt, als er seiner Jugendliebe hilft, ihren Vater und Großvater zu finden. Er muss sich auf das völlig Fremde einlassen, erst auf das Meer und seine Tücken und Bewohner, dann auf das fremde Land, das er nur von einer Studentenreise kennt. Noch unheimlicher ist jedoch die Vergangenheit, auf die er mit Steve stößt. Schmuggler trieben und treiben an der schottischen Küste ihr Unwesen, und im Krieg beförderten sie auch Waffen. Aber nicht etwa für die regulären Streitkräfte, sondern mitunter für schottische Widerstandsgruppen, die gegen die Engländer kämpften. Ein höchst riskantes Geschäft, auf das sich auch die Schweden um John Osvald einließen.

Während Winter und MacDonald in Schottland dem Krümelpfad der Hinweise folgen, machen sie sich – und nicht zuletzt uns – vertraut mit dem Land und seinen Bewohnern. Die Highlands – da gibt es guten Whisky, und an der See, da gibt es leckere Seafood-Gerichte, unter anderem Cullen Skink, eine Fischsuppe. Wie mit allen Dingen sind auch damit Schicksale verbunden. Winter denkt wiederholt an Shakespeares „Macbeth“, an Orten wie Cawdor und Macduff kommt er sogar vorbei. Ist John Osvald so etwas wie Banquos Geist, der seinem Sohn Axel nachging und das Leben aussaugte?

Manche Schicksale sind auf Fotos aus der Vergangenheit dokumentiert, viele nicht. Eines dieser Fotos aus dem Jahr 1945 oder 46 zeigt John Osvald im Profil. Und zum Glück erinnert sich Winters Unterbewusstsein an dieses Foto, bevor sie das Land wieder verlassen. Dieses Tor zur Vergangenheit gewährt Zutritt zum Finale.

|Der Sprecher|

Dass Boris Aljinovic einen „Tatort“-Kommissar spielt, gereicht ihm in vielerlei Hinsicht zum Vorteil. Die Aufgabe, die verschiedenen Figuren stimmlich und sprachlich auf erkennbare Weise zu charakterisieren, bewältigt der Sprecher mit Bravour – ohne sich jedoch zu Karikaturen hinreißen zu lassen. Ich bewundere, wie es ihm gelingt, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten und stets die gleiche Ausdrucksweise für die jeweilige Figur zu finden.

Winter hat stets die gleiche tiefe, ruhige Stimme und langsame Ausdrucksweise, doch in der Ruhe liegt die Kraft. Steve MacDonald ist im Vergleich dazu etwas lebhafter. Man kann sich leicht vorstellen, dass Winter mit MacDonald und Graig englisch spricht. Der Sprecher hat mit Englisch überhaupt kein Problem. Er kann sogar Englisch mit schottischem Akzent sprechen.

Die Frauen haben stets die gleiche höhere Stimmlage, so dass man sie leicht von den männlichen Figuren unterscheiden kann. Und die Alten, von denen es natürlich im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung eine Menge gibt, treten stets mit einem gewissen Krächzen auf – tief bei einem Mann, höher bei einer Frau.

Womit sich der Hörer als Erstes auseinandersetzen muss, ist jedoch die ruhige Sprechweise, die Aljinovic dem Erzähler gegeben hat. Auch der Erzähler ist so nordisch ruhig und langsam wie Erik Winter. Das zwingt den Hörer dazu, ebenfalls Geduld zu haben und sich in die Stimmung einzufühlen. Oder er lässt es frustriert bleiben und wählt ein anderes Hörbuch.

_Unterm Strich_

Dieses Buch unterscheidet sich deutlich von anderen Edwardson-Romanen wie etwa dem ausgezeichneten [„Rotes Meer“ 5192 oder „Zimmer Nr. 10“. Es ist sehr langsam, bietet keinerlei Action außer im Finale und verlässt sich stark auf Stimmungen. Wer nun neugierig darauf wartet, was sich denn an Bord der „Marino“, John Osvalds Schiff, vor ihrem Untergang zugetragen hat, der wird a) wenig erfahren und ist b) sowieso auf dem Holzweg.

Denn es geht ja nicht um Aufklärung des Untergangs, sondern um die des Todes von Axel Osvald und aller Rätsel, die damit zusammenhängen. Wer war beispielsweise der Absender jenes Briefes an Johanna, der Axels Reise ausgelöst hat? Wenigstens dies kann Winter herausfinden – mit einer faustdicken Überraschung. Nichts ist ja, wie es zu sein scheint. Und dieser Zustand muss beendet werden, um die Lebenslüge John Osvalds zu einem Ende zu bringen, auf welche Weise auch immer. Dies bedeutet auch die Bewältigung des Krieges und seiner Nachgeschichte. Deshalb endet die Geschichte auf einer heiteren Note, die hoffen lässt.

|Das Hörbuch|

Stimmungen sind in einem Hörbuch leider schwer herzustellen. Darüber sollte sich der Hörer im Klaren sein und nicht etwa auf signifikante Schritte einer Ermittlung hoffen, wie man sie von Arne Dahls A-Gruppe kennt. Vielmehr fühlt sich Erik Winter erst in die Familie Osvald ein und dann in die schottische Umgebung und Kultur. Das ist ein langsamer Prozess, der sich hinzieht. Vielleicht ist das Hörbuch deshalb weniger für ungeduldige Zuhörer geeignet als für Leute, die Zeit mitbringen. Ja, die es sich sogar zweimal anhören würden. Auch die „Entdeckung der Langsamkeit“ will geübt sein.

Sie ist mir leider nicht gelungen, sondern ich bin fast dabei eingeschlafen. Immerhin ist die letzte CD die ereignisreichste, und man sollte dabei genau hinhören, was vor sich geht.

|Originaltitel: Segel av sten, 2002
Aus dem Schwedischen übersetzt von Angelika Kutsch
403 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-418-9|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.akeedwardson.se

P. J. Tracy – Spiel unter Freunden

Rasant & beklemmend: Mörderhatz in Minneapolis

„Monkeewrench“ nennt sich die auf charmante Weise verrückte Fünfergruppe, die in einem Loft in einem abgelegenen Lagerhaus Computerspiele entwickelt. Gerade haben sie ihr neuestes Werk „Fang den Serienkiller“ für den Testbetrieb ins Internet gestellt. Doch ein Spieler dort draußen lässt die Morde detailgetreu und äußerst grausam Wirklichkeit werden.

Die Cops in Minneapolis und im verschlafenen Wisconsin erfahren: Das Spiel hat 20 Levels, und die Zeit drängt. In einem furiosen Showdown zeigt das Böse schließlich sein Gesicht. Und es war die ganze Zeit über beängstigend nah … (Verlagsinfo)

P. J. Tracy – Spiel unter Freunden weiterlesen

Guthrie, Allan – Abschied ohne Küsse (Hörbuch: Hard Case Crime)

_Knallharter Schottenkrimi_

Als seine Tochter tot aufgefunden wird, ist der Geldeintreiber Joe Hope nicht mehr aufzuhalten. Er wird die Mörder finden – auch wenn er dafür jeden verdächtigen muss, dem er bisher getraut hat. Doch dann wird Hope selbst zum Verdächtigen … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Allan Guthrie ist Autor und Literaturagent. Für seine Kriminalromane wurde er bereits vielfach ausgezeichnet, „Abschied ohne Küsse“ war 2005 sein Debüt. Guthrie lebt mit seiner Frau Donna in Edinburgh, Schottland. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Reiner Schöne lebte lange in Hollywood und drehte dort mit Filmgrößen wie Client Eastwood und Lee van Cleef. Der Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger mit der tiefen, markanten Stimme trägt die passende raue Note bei. (abgewandelte Verlagsinfo)

Regie führte Thomas Wolff. Die Buchvorlage erschien 2008 bei |Rotbuch|.

_Handlung_

Im schönen Edinburgh treibt Cooper als Kredithai sein Unwesen, und Joe Hope ist sein Geldeintreiber. Joes bevorzugtes Schlaginstrument, mit dem er Coopers Ansprüche anschaulich durchsetzt, ist sein Baseballschläger. Natürlich ist er als Schotte keineswegs ein Baseballfan, aber nichtsdestotrotz hat er diesen Schläger. Und dass er ihn effektvoll einzusetzen weiß, kann Billy Strachan bezeugen, der jetzt mit einigen gebrochenen Knochen im Krankenhaus liegt.

Nach diesem harten Job kehren Joe und Cooper in einer Bar. Coopers 17-jährige Freundin Sally, die Mutter seines Sohnes Gary, ist nicht da. Joe schaltet sein Handy ein: 16 nicht abgehörte Nachrichten. Er ruft seine Frau Ruth an. Sie heult etwas Hysterisches in den Hörer von wegen, Gem sei tot. Er legt sofort auf. Was soll der Scheiß, fragt sich Joe. Gemma, seine 19-jährige Tochter, ist längst ausgezogen, um sich auf den stürmischen Orkney-Inseln einem Typen namens Adam Wright anzuschließen, der eine Schriftstellerpension führt. Wie soll dort Gemma irgendetwas passieren können?

Ruth betrügt Joe schon seit langem mit einem Studenten, weiß er, und deshalb steht es um ihre Ehe nicht gerade zum Besten. Kaum hat ihm Ruth gesagt, Gem habe sich umgebracht, fährt er zu seiner eigenen Freundin Tina, einer Prostituierten und Kampfsportlehrerin. Er schläft nie mit ihr, gibt ihr bloß Geld fürs Zusammensein -obwohl sie nicht abgeneigt wäre und ihn mit Streicheleinheiten für das Geschenk von 1000 Pfund belohnt. Nach einem Zwischenstopp bei Ruth übernachtet er bei Cooper und dessen Familie.

Am nächsten Morgen ruft ihn Adam Wright, um ihn wüst zu beschimpfen, doch Joe, ein harter Kerl, der sich nichts bieten lässt, zahlt es ihm heim. Er packt seine Sachen – Ruth ist nicht daheim – und fliegt auf die Orkneys. Kaum betritt er Adams Haus, das merkwürdig dunkel ist, wird Joe von zwei Seiten in die Mangel genommen: Die Polizei nimmt ihn fest. Wegen Mordes an seiner Frau Ruth. Joe ist perplex. Doch die Bullen können ihn mal kreuzweise, und in der Auseinandersetzung mit Detective Sergeant Monkman kriegt Joe ein paar heftige Stiefltritte in die Rippen. Das macht ihn nicht unbedingt kooperationsbereiter. Sie fliegen ihn zurück nach Edinburgh.

Joe ruft Cooper an, der ihn brüllend fragt, warum er den Mord begangen hat, was Joe natürlich abstreitet. Cooper besorgt ihm einen jungen Schnösel von Anwalt, Ronald Brewer. Aber Brewer hat mehr drauf, als Joe glauben würde. Und weil Tina Joe ein Alibi gibt, kann Brewer ihn rausholen. Tina ist von Cooper und dessen Gentleman-Auftragsmörder Parke unmissverständlich und für die fürstliche Summe von 10.000 Pfund „gebeten“ worden, Joe das Alibi zu geben. Wenn das auffliegt, wird sie wegen Meineid belangt.

Wieder auf freiem Fuß, kann Joe mit Brewers und Tinas Hilfe endlich versuchen, den wahren Mörder seiner Frau zu finden. Und natürlich Vergeltung zu üben. Doch er hat keinen konkreten Verdacht, bis ihm Adam Wright unverhofft ein brisantes Dokument in die Hand drückt: Gemmas privates Tagebuch. Und was Gemma über einen gewissen „Daddy“ schreibt, den sie nicht verraten dürfte, obwohl er sie vergewaltigte, treibt Joe zur Weißglut. Denn es kann nur einen Mann geben, der sich diesen Ehrentitel anmaßen darf …

_Mein Eindruck_

Nach einem langsamen Start, der uns Joe Hope, den gescheiterten Lehrer, vorstellt und mit ihm sein detailliert geschildertes Alibi, kommt die Geschichte nach dem ersten Drittel richtig in Fahrt. Joe ist auf freiem Fuß, misstrauisch verfolgt und beschnüffelt von den Bullen, ebenso misstrauisch beschattet von Cooper und dessen Leuten. Es sieht nicht gut aus für Joes Alibi, trotz der erstaunlich loyalen Tina, die in ihm ihren Helden sieht, aber auch auf ihren Vorteil bedacht ist.

Das Schicksal beutelt Joe, den |ordinary guy|, doch er ist hart im Nehmen und ebenso hart im Austeilen. In dieser Lage erweist es sich, ob ein Mann wirklich Freunde hat – oder nur Speichellecker. Wenn Tina sich erfreulicherweise auf seine Seite stellt, so ist Joe umso mehr überrascht, dass sich der Junganwalt Ronald Brewer auf seine Seite stellt. Noch mehr ist er verblüfft, dass sich ausgerechnet Adam Wright, der ihm seine Tochter abspenstig gemacht hat, wie Joe glaubt, anerbietig macht, Gemmas Vergewaltiger zu finden und Joe zu helfen.

Allerdings weiß Joe nur zu genau, dass diese „Zivilisten“ nichts gegen die Feuerkraft der Gegenseite ausrichten können, und geht einen Pakt mit dem Teufel ein: Er schließt einen Deal mit Coopers Auftragsmörder Parke. Doch auf welche Seite wird sich Parke stellen, wenn es hart auf hart kommt? Wem gehört des Teufels Loyalität? Nur ihm selbst. Das sollte Joe eigentlich wissen.

An den Mann, den er unbedingt haben will, kommt Joe aber nicht heran, denn die Bullen beschatten ihn schon. Deshalb muss sich der trauernde und wütende Joe den rauchenden Schädel zerbrechen, wie an den Gegner heranzukommen ist. Glücklicherweise kann er auf drei Helfer zurückgreifen, die eine Falle aufstellen, in der sich die Beute fangen soll. Doch als es in einer ehemaligen Kirche zum Showdown kommt, fallen die Würfel nicht ganz so, wie Joe es geplant hat. Denn der Gegner wartet mit Enthüllungen auf, deren Ungeheuerlichkeiten Joe ins Wanken bringen …

|Das andere Edinburgh|

Wer einmal wie ich in Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands, gewesen ist, der ahnt vielleicht, dass sich die alte keltische Gründung im Laufe der Jahrhunderte nicht bloß die Schokoladenseite auf der Princes Street zugelegt hat, sondern auch eine dunkle Hinterhofpersönlichkeit besitzt, der man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Dort treiben sich hartgesottene Halunken wie Cooper und Hope herum. Sie haben einen harten Schlag drauf und lassen sich keinen Scheiß bieten, erst recht nicht von den Bullen. Ich bin selbst 1984 mit einem angetrunkenen Schotten aneinandergeraten und weiß, wovon ich rede. Man sollte es sich zweimal überlegen, bevor man sich mit so einem Typen einlässt. Bullen dagegen haben keine Wahl.

|Ringen um eine gute Seele|

Joe Hopes Seele ist, metaphysisch gesehen, ein Kriegsschauplatz zwischen Gut und Böse. Von seinen Lehrerträumen ist nichts übrig geblieben, als Ruth mit Gemma schwanger wurde und er sich einen lukrativeren Job suchen musste, um eine Familie zu ernähren. Geldeintreiben? Easy money! Doch Leute umzulegen, ist eine ganz Nummer schlimmer, und davor versuchen ihn die Schutzengel Tina, Adam und Brewer zu bewahren. Joes Teufelspakt ist ihren Bemühungen, ihn von der schiefen Bahn abzubringen, nicht gerade förderlich. Prompt sieht er sich denn auch verraten. Wie passend, dass der Showdown mit Satan in einer ehemaligen Kirche stattfindet. Nicht nur wegen der hübschen Beleuchtung.

|Schläge unter die Gürtellinie|

Der Autor versteht sein Handwerk. Er überrascht den Leser – und Joe – des Öfteren aus dem Hinterhalt, um ihm die volle Dröhnung zu verpassen. Als wolle er ihn am Schlafittchen packen und ihm eindreschen: „Dies ist das echte Leben, Kumpel!“ Dass sein Held Joe ausgerechnet „Hoffnung“ heißt und das Finale in der Kirche stattfindet, ist möglicherweise auf das traditionell protestantische geistige Umfeld des Autors zurückzuführen.

Im Widerspruch dazu steht jedoch scheinbar, dass die Figuren, die er vorstellt, der Selbstzerstörung nahe sind, als hätten sie jede Hoffnung verloren. Die Krönung ist die Enthüllung von der Vergewaltigung Gemmas durch ihren eigenen Vater – wer auch immer das nun eigentlich sein mag. Der Autor teilt Schläge aus, und manche landen wie dieser unter der Gürtellinie.

|Der Sprecher|

Reiner Schöne war schon vor 30 Jahren in den Hörspielen des |Bayerischen Rundfunks| zu hören, so etwa in der Titelrolle als Paul Cox. Seine Stimme ist „männlich herb“, tief und etwas rau, also genau richtig für ein kriminelles Milieu, in dem die Sitten ebenso rau sind. Er kann heiser auflachen, aufgebracht aufschreien, und zwar sowohl in einer männlichen wie einer weiblichen Rolle. Die Figuren zeichnet er in all ihrer Lautstärke und Emotionalität, lässt sie rufen, brüllen, schniefen, lachen und flüstern.

Für die Charakterisierung der Figuren steht ihm allerdings nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Die Charakterisierung erfolgt eher durch Situationen und Emotionen, die eine entsprechende Ausdrucksweise, wie oben aufgelistet, erfordert. Einmal verleiht er einem Spanier einen entsprechenden Akzent.

Schöne eignet sich mit seinem harten Image auch ausgezeichnet für die nicht gerade höfliche oder gar politisch korrekte Ausdrucksweise der Figuren. Dass sie vom Ficken reden, als wäre es Wassertrinken, ist eh klar. Es ist aber auch vom Mösenschnorcheln („muff diving“) die Rede, was eine volkstümliche Umschreibung des Cunnilingus ist. Der Hörer muss auf derlei Ausdrücke stets gefasst sein, und zwar in der ganzen Hard-Case-Reihe.

_Unterm Strich_

Der Anti-Held Joe Hope ist ein Bursche, der es einem nicht leicht macht, ihn zu mögen: hart im Austeilen, aber auch im Nehmen, und stets auf Kriegsfuß mit der behelmten Obrigkeit und Jung-Anwälten, die für ihn nur ahnungslose Schnösel sind. Zum schönen Geschlecht hat er ein zwiespältiges Verhältnis. Er liebt seine Tochter ebenso wie seine platonische Prostituierten-Geliebte, doch von seiner Frau Ruth ist er schwer enttäuscht, und nicht nur weil sie ihn mit einem jungen Studenten betrügt. Was bleibt einem Mann dann noch, wenn er fälschlich des Mordes angeklagt wird?

Die Story beginnt langsam, steigert sich dann aber über mehrere Stationen hin zu einem fulminanten Showdown, der dem Helden etliche Tiefschläge versetzt – und uns natürlich ebenso. Der Autor präsentiert ein ungeschminktes Gesicht der Königin des britischen Nordens, eines, das Inspektor Rebus des ungleich populäreren Ian Rankin wohl nur selten zu Gesicht bekommt. Höchste Zeit, dass Rankin seinen Inspektor in Rente schickt.

|Das Hörbuch|

Reiner Schöne zuckt mit keiner Wimper, wen sich seine Figuren gegenseitig die Visage demolieren oder sich Unflätigkeiten an den Kopf werfen. Es ist nicht seine Aufgabe, sich einzumischen, wenn die schlimmsten Sünden ans Tageslicht gezerrt werden: Vergewaltigung, Inzest und dergleichen mehr. Aber es ist sehr wohl seine Aufgabe, sich ins Zeug zu legen, um die Figuren zum Leben zu erwecken. Das gelingt ihm auf glaubhafte und konsistente Weise, so dass wir auf weitere erstklassige Hard-Case-Crime-Krimis hoffen dürfen.

|Originaltitel: Kiss her goodbye, 2005
Aus dem Englischen übersetzt von Gerold Hens
301 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-454-9|
http://www.argon-verlag.de
http://www.rotbuch.de

Hearn, Lian – Ruf des Reihers, Der (Der Clan der Otori 4, inszenierte Lesung)

_Monumentale Japan-Saga: das Ende der Otori_

Seit 16 Jahren herrschen Takeo und Kaede Otori gemeinsam über die Drei Länders des Westens Japans. Ihre Liebe und Harmonie, aber auch die perfekte Balance zwischen männlicher und weiblicher Kraft haben ihrem Land dauerhaften Frieden und großen Reichtum beschert.

Das bleibt auch dem Kaiser im fernen Miyako und seinem obersten General, Saga Hideki, nicht verborgen. Der General fordert Takeo zu einem Wettkampf in Miyako heraus. Wenn Takeo verliert, muss er nicht nur abdanken und das Land verlassen, sondern auch in eine Heirat seiner Thronerbin Shigeko mit Saga einwilligen. Mit seinen treuesten Gefolgsleuten reist Takeo in die Hauptstadt. Und schon bald überschlagen sich die Ereignisse, denn ein schwerer Verrat durch Kaedes Schwester und ihren Mann Zenko droht alles zu zerstören, was Takeo und Kaede in langen Kämpfen aufgebaut haben. (abgewandelte Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Lian Hearn, die eigentlich Gillian Rubinstein heißt und vor etwa 60 Jahren geboren wurde, lebte als Journalistin in London, bevor sie sich 1973 mit ihrer Familie in Australien niederließ. Ihr Leben lang interessierte sie sich für Japan, lernte dessen Sprache und bereiste das Land.

|Der Clan der Otori|:

1) [Das Schwert in der Stille 950 (dt. 2004)
2) [Der Pfad im Schnee 979 (2005)
3) [Der Glanz des Mondes 2180 (2005)
4) Der Ruf des Reihers (2007)
5) erschien im Sept. 2007 im Original

„Das Schwert in der Stille“, der mittlerweile in 26 Sprachen übersetzt wurde, wurde mit dem Deutschen Jugendbuchpreis 2004 ausgezeichnet. Mehr Infos unter http://www.otori.de.

_Die Sprecher_

Marlen Diekhoff, vielseitige Bühnen- und Filmschauspielerin, gehört nach Verlagsangaben seit vielen Jahren zum Ensemble des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Für |Hörbuch Hamburg| hat sie bereits Texte von Alessandro Baricco, Amélie Nothomb, Sidonie-Gabrielle Colette, Sándor Márai und „Tausendundeine Nacht“ gelesen.

Peter Jordan gehört zu den erfolgreichsten deutschen Bühnendarstellern. Seit 2000 ist er festes Mitglieder im Ensemble des Hamburger Thalia-Theaters. Im Rahmen des Kunstpreises Berlin 2003 wurde er mit dem Förderpreis der Akademie der Künste ausgezeichnet. Er war in Kinofilmen wie „Ausreißer“ zu sehen, der 2006 als Bester Kurzfilm eine |OSCAR|-Nominierung erhielt.

Heikko Deutschmann war nach seinem Schauspielstudium Ensemblemitglied an der Berliner Schaubühne, am Hamburger Thalia-Theater, im Schauspiel Köln und Schauspielhaus Zürich. Mittlerweile ist er in zahlreichen Film- und Fernsehrollen zu sehen gewesen, so etwa „Der Laden“, „Operation Rubikon“, „Der Aufstand“ oder „Die Affäre Kaminski“.

Regie führte bei diesem Hörbuch Gabriele Kreis. Auch diese Lesung ist wie die der Vorgängerbände gekürzt. Das Titelbild zeigt die Abbildung der Buchausgabe.

_Vorgeschichte_

Japan, Ende des 15. Jahrhunderts: Eines Morgens wird Takeos Dorf überfallen, und er überlebt als einziger. Lord Shigeru vom Clan der Otori rettet ihn und nimmt ihn in seine Familie auf. Von ihm, einem Helden wie aus versunkenen Zeiten, lernt Takeo die Bräuche des Clans. Er lehrt ihn Schwertkampf und Etikette. Die Liebe zu Kaede entdeckt Takeo allein.

Als er herausfindet, dass er dunkle Kräfte besitzt – die Fähigkeit, an zwei Orten gleichzeitig zu sein und sich unsichtbar zu machen, und dass er so gut „hören kann wie ein Hund“ – gerät er immer tiefer in die Verstrickungen der Lügen und Geheimnisse, aus denen die Welt der Clan-Auseinandersetzungen besteht. Trotz seines Widerwillens ist es ihm bestimmt, sich an den Mördern seiner Familie zu rächen. Takeo verbindet sein Schicksal mit dem der Otori.

Am Schluss von Band 1 ließ Lord Shigeru sein Leben, nachdem auch Lord Iida getötet worden war. Als Folge dieser beiden einschneidenden Ereignisse kam es in der Hauptstadt Inuyama zu einem Aufstand, den sich die Armee unter Lord Arai Daiichi zunutze machte, um die Macht zu übernehmen und die tyrannischen Tohan zu stürzen. Er bringt die Drei Länder in seine Gewalt.

Man glaubt, Takeo sei Iidas Mörder, doch in Wirklichkeit war es Lady Kaede. Takeo ist verschwunden, was Arai, der auf ein Bündnis mit dem Krieger hoffte, erzürnt. Er beschließt, gegen den „Stamm“, der ihm Takeo entrissen hat, vorzugehen. Es ist abzusehen, dass Takeo und Kaede im Machtspiel zwischen den Otoris, Lord Arai und dem „Stamm“ eine Schlüsselrolle zufällt. Wenn sie nicht aufpassen, könnte dies ihren Untergang bedeuten.

Doch inzwischen hat sich Takeo dem „Stamm“, aus dem sein leiblicher Vater Isamu stammte, unterwerfen müssen. Mit der Kikuta Yuki zeugte er ein Kind, doch Yuki, die ihm einst in Inuyama Shigerus Schwert brachte, wurde Takeo entrissen und musste einen Stammesangehörigen heiraten. Takeo kann sich nicht mit den opportunistischen Zielen des Stammes anfreunden, er flieht über die Berge. Mehrere Anschläge überlebt er und begegnet einer heiligen Frau, die ihm sein Schicksal prophezeit (s.o.).

Außerdem lernt er die „Verborgenen“ kennen, die verfolgten und ausgestoßenen Christen. Seine Eltern hingen selbst diesem Glauben an, der alle Werte, die die Japaner hochhalten, für ungültig erklärt und sie unterminiert. Der Christ Jo-an hilft ihm, ins Kloster Terayama zu entkommen. Dort kann er endlich Kaede heiraten und die Übernahme ihres Erbes vorbereiten: der Domänen Shirakawa und Maruyama. Dann wäre er als Clanherr eine beachtliche Macht im Westen.

Kaede erwartet Takeos Kind. Es werden Zwillingstöchter. Vielleicht ist das aber auch ganz gut so. Die heilige Frau hat nämlich geweissagt, Takeo werde einst von der Hand seines eigenen Sohnes den Tod finden …

HINWEIS: Der Familienname steht vor dem Eigennamen.

_Handlung_

Sechzehn Jahre sind seit den Ereignissen in „Glanz des Mondes“ vergangen, als es Kaede und Takeo gelang, ihre Sippen Shirakawa und Otori durch Heirat und siegreiche Schlachten ebenso zu vereinen wie die drei Fürstentümer des Westens. Wohlstand ist eingekehrt, doch nicht alles ist friedlich. Lord Arai Zenko, Gatte von Kaedes Schwester Hana, hegt einen Groll gegen den „Emporkömmling“ Takeo wie auch Kikuta Akio, dessen Vater durch Takeo zu Tode gekommen sein soll. Diese Altlasten erweisen sich nun langfristig als Takeos Verhängnis.

Akio will ebenso wie Zenko die Oberherrschaft im „Stamm“, jenem verborgenen Netzwerk von Menschen mit erstaunlichen Fähigkeiten und Gaben. Takeo ist selbst mit der Gabe des Unsichtbarmachens und dem Zweiten Ich gesegnet. Besorgt bittet er seinen Mentor Muto Kenji, das Oberhaupt des „Stammes“, um Vermittlung eines Waffenstillstands mit Akio. Doch dieser lehnt nicht nur brüsk ab, sondern zwingt Kenji sogar dazu, Selbstmord zu begehen.

Doch zuvor hat Kenji den 15-jährigen Jungen Hisao kennengelernt, angeblich der Sohn Akios, doch in Wahrheit Takeos Sohn, den ihm Kenkis Tochter Yuki gebar. Hisao ist also Kenjis Enkel. Nun wird Hisao vom Geist Yukis verfolgt, denn er ist mit der Gabe des Geistersehens, wie er denkt, verflucht und verbirgt dies vor Akio. Die Nachricht vom Tod Kenjis verwirrt Hisao und betrübt Takeo. Er bestimmt die alte Lady Shizuka zur Nachfolgerin ihres Onkels, doch weder Zenko noch Akio erkennen sie an und unterminieren Takeos Nutzung des Stammesnetzweks als geheime Post. Dadurch fangen sie Nachrichten an Takeo ab, den Oberbefehlshaber der Drei Länder.

Arai Zenko hat es selbst auf die Oberherrschaft im Westen abgesehen. Er hat zwar Takeo Treue geschworen, gibt aber nichts darauf. Heimlich schließt er einen Pakt mit dem Kaiser, der Takeos Reichtum begehrt, und lädt die fremden Barbaren in seine Domäne ein, um an ihre Feuerwaffen zu gelangen. Ja, zum Entsetzen Shizukas, seiner Mutter, konvertiert er sogar zur fremden Religion und gibt vor, Deus zu verehren. Aus Protest begibt sie sich in Hungerstreik im Tempel. Zenkos Untertanen geraten in Aufruhr ob dieses schlechten Omens und verwünschen ihren abtrünnigen Lord. Dieser tut sich mit Kikuta Akio zusammen.

Lady Shizuka hat die beiden Zwillingstöchter Kaedes und Takeos in den Stammeskünsten ausgebildet, im Unsichtbarwerden und dem zweiten Ich. Maya und Miki sind beide 13 Jahre alt und sehr unglücklich. Sie werden von den Bürgern geschnitten, denn Zwillinge werden normalerweise gleich nach der Geburt getötet. Und dazu haben sie nun auch noch Stammestalente, die sie dem Rest der Leute unheimlich machen, obendrein auch ihrer Mutter. Maya lernt sogar, sich in eine Katze zu verwandeln. Takeo schickt Maya und Miki auf abgelegene Höfe zu Verwandten und lässt sie dort unterrichten. Maya büchst aus und gelangt mit Shizuka an Zenkos Hof.

Dort spitzt sich die Lage zu, als Zenko seinen eigenen Bruder Muto Taku verrät, den obersten Spion Takeos. Maya hat viel von Taku und seiner Konkubine Sada gelernt, so auch das Geheimnis, das Hisao umgibt. Als Taku ahnt, dass sein Bruder etwas im Schilde führt, drängt er Sada und Maya zum Aufbruch, doch das Trio kommt nicht weit. Akio und Hisaos neue Feuerwaffe verrichtet ihr unheilvolles Werk. Maya lernt so Akio und Hisao als Gefangene kennen. Hisao gebietet über alle Geister, und da in Maya der Geist einer Katze wohnt, kann er sie zwingen, bei ihm zu bleiben. Erst als Miki ihr hilft, kann sie fliehen. Sie wollen zu Kaede, ihrer Mutter. Sie ahnen nicht, dass bereits alles verloren ist.

Mittlerweile ist nämlich ihr Vater der Einladung des Kaisers gefolgt und in die ferne Hauptstadt gezogen. Weil der General des Kaisers, Lord Saga, ihn im Namen seines Herrn aufgefordert hat, abzudanken und ins Exil zu gehen oder sich das Leben zu nehmen, ist Takeo äußerst vorsichtig. Er lässt seinen Feldmarschall eine Armee an der Ostgrenze aufstellen. Zusammen mit seiner Tochter, der sechzehnjährigen Lady Maruyama Shigeko, zieht er nach Miyako. Shigeko ist eine echte, voll ausgebildete Kriegerin.

Zunächst verläuft alles gut, und es gelingt ihm, die Gunst des Kaisers zu erlangen, indem er ihm eine Giraffe schenkt: ein Zeichen der Gunst der Götter. In einem Wettstreit, bei dem alles auf dem Spiel steht, gewinnt sogar Takeos Mannschaft dank Shigekos Kunst gegen Lord Sagas Team. Sie muss Lord Saga also nicht heiraten und bleibt eine Fürstin, Takeo behält seine Länder.

Doch auf der Hochfläche am Grenzpass kommt es zu dem Unglück, das Takeo schon lange befürchtet, seit die Giraffe zu ihm zurückgekehrt ist: Lord Saga greift ihn mit einer Armee an. Zu spät erreicht ihn die Nachricht, dass gleichzeitig Lord Arai Zenko mit seiner eigenen Armee gegen die Hauptstadt zieht.

Krieg und Bürgerkrieg zugleich – kann es schlimmer kommen? Es kann. Denn Zenkos Frau Hana spinnt nun ihre heimtückische Intrige gegen Takeo bei Kaede, ihrer eigenen Schwester.

_Mein Eindruck_

Wie schon an diesem stark verdichteten Handlungsabriss zu erkennen ist, macht es die Autorin dem Leser nicht gerade einfach, das Geflecht der zwischenmenschlichen Beziehungen zu durchschauen. Dieses Verständnis ist unerlässlich, um die Motivationen der Akteure zu verstehen und die Aktionen einordnen zu können. Bei einer Familiensaga wie dieser war es aber noch nie anders, weder in den Vorgängerbänden noch bei anderen Autoren (man denke nur an „Die Buddenbrooks“). Im Buch findet sich deshalb eine hilfreiche Gedächtnisstütze in Form eines Personenverzeichnisses. Nach einer Weile fand auch ich mich zurecht.

All die Nebenhandlungen sind geschickt angelegt, um die Lage für Takeo, der die Haupthandlung bestreitet, noch weiter zu verschärfen. Während er im Ausland sein Land verteidigt, bricht ihm genau dieses im beginnenden Bürgerkrieg weg. Doch was sind nun die zerstörerischen Kräfte, die den Untergang der Otori herbeiführen, mag sich der Leser fragen.

Neid und Missgunst sind altbekannte Feinde aller Herrscher, und auch Takeo sieht sich ihnen gegenüber. Zenko ist missgünstig, der Kaiser bzw. dessen General Saga ist neidisch. Hinzu kommt der rachedürstende Akio, der wie Zenko nicht vor Brudermord haltmacht. Und Arai Hana, die Frau Zenkos, zerstört das Vertrauensverhältnis zwischen Kaede und Takeo. Das Resultat ist ein verbrannter Palast.

Rätselhaft sind die Absichten der fremden „Barbaren“. Es sind Portugiesen, die, seit Magellan 1487 die Welt umrundete, von Indien her den Fernen Osten erkunden und missionieren wollen. Da sie über Feuerwaffen verfügen, stellen sie einen beachtlichen Machtfaktor dar. Seit Takeo einen Deal mit den Piraten abgeschlossen hat, hat er auf dem Festland das Monopol über Feuerwaffen inne. Dieses verliert er durch Verrat und den Knowhow-Transfer, den die Fremden an Zenkos Hof in Gang setzen. So lernt Hisao, eine Schusswaffe zu konstruieren und zu schmieden. Wie wirksam diese Waffe ist, erfahren Muto Taku und Sada zu ihrem Leidwesen am eigenen Leib.

Langfristig sind die Fremden wohl auf eine Machtbasis aus, denn sie beantragen die Errichtung eines Handelspostens. Interessant ist die Reaktion der Japaner auf ihre Vorstellung von einem strafenden und rachsüchtigen Gott. Dies steht völlig im Gegensatz zu ihrem eigenen buddhistischen Glauben an die gütige Göttin Kannon und ihr Pantheon. Die Wiedergeburt im nächsten Leben ist keine Strafe, sondern eine ausgemachte Gewissheit von Belohnung.

Zu guter Letzt entscheidet der altbekannte Krieg das Geschick Takeos. Erst hier wird das Buch wirklich spannend. Die Action kann sich durchaus mit der von männlichen Autoren wie David Gemmell oder Bernard Cornwell messen. Natürlich spielen die Frauen eine besonders herausragende Rolle. Shigeo entscheidet die Schlacht mit einem Husarenstück, indem sie Lord Saga verletzt und vertreibt.

Letztlich bleibt nur die Frage offen, ob und wie sich die Prophezeiung erfüllen wird (siehe oben). Nun hat nämlich Takeo auf einmal zwei Söhne, seinen Neugeborenen und eben Hisao. Das sorgt für weitere Spannung und sogar für packende Action. Es lohnt sich also, bis zum Schluss dranzubleiben.

|Die Sprecher|

Peter Jordan ist für die meisten männlichen Rollen zuständig, insbesondere für Takeo und dessen engste männliche Freunde. Sein besonderes Kennzeichen ist die Beherrschtheit Takeos in praktisch allen Lebenslagen, denn Takeo wurde gemäß dem Code des Kriegers zu Selbstkontrolle erzogen. Diese Zurückhaltung jedoch macht Jordans Vortrag ziemlich eintönig, selbst wenn sich der Sprecher bemüht, etwas Pfiff hineinzubringen. Ziemlich verwirrend war Jordans Eigenart, zwischen Szenen keine Pause zu machen. Schwupps, befindet sich die Handlung ganz woanders! Da kann man leicht den Faden verlieren.

Deshalb war es unbedingt nötig, für Abwechslung zu sorgen. Der naheliegende, aber teurere Weg: Man lässt andere Sprecher ans Mikrofon. Marlen Diekhoff ist für zahlreiche weibliche Rollen zuständig. Insbesondere ist dabei Kaede zu nennen, aber auch ihre zwei Töchter Maya und Miki sowie die alte Dame Shizuka, die Mutter Zenkos und Takus. Diekhoff braucht nicht mit Emotionalität zu sparen, und so wird ihr Vortrag zu einem wahren Lichtblick innerhalb der Lesung. Mitunter sind ihre Szenen sogar lustig.

Auch Heikko Deutschmann spricht vor allem männliche Rollen, doch achtet er ebenfalls auf Abwechslung. Diese gestaltet er in erster Linie durch das Variieren der Lautstärke. Es gab Passagen, in denen er so leise spricht, dass ich die Regler meines Anlage hochfahren musste, um ihn verstehen zu können. So zwingt er den Hörer, ganz genau darauf aufzupassen, was gerade gesagt wird. Aber er kann auch ohne weiteres Figuren durch eine unterschiedliche Ausdrucks- und Sprechweise charakterisieren. So kann man sie leicht unterscheiden.

Die drei Sprecher bewältigen die sprachlichen Schwierigkeiten, die das Japanische bietet, mit großer Bravour. Sie haben sich offenbar kundig gemacht. Sie müssen mit vielen Namen zurechtkommen, die stets ein wenig von der Schreibweise abweichen. Ein paar Beispiele:

Otori: Die Betonung liegt im Japanischen eine Silbe |vor| derjenigen, die im Indogermanischen betont wird. Hier würde man „Otori“ auf der zweiten Silbe betonen: otóri. Doch im Japanischen liegt die Betonung auf der ersten: Es klingt wie [ottori]. Analog dazu wird „Shirakawa“ auf der zweiten statt der dritten Silbe betont: [shirà kawa]. Analog dazu die Städtenamen Inúyama, Yamágata und Teráyama. Der Name der Lady Kaede wird in nur zwei Silben ausgesprochen, denn [ae] ist ein Doppellaut und klingt wie [ei], nicht wie [ä].

|Personenliste|

Obwohl das Personal recht umfangreich ist, enthält das Hörbuch nicht jene Liste der auftretenden Figuren, die im Buch unschätzbare Dienste leistet. Aber auch bei der Buchausgabe bleibt stets eine Quelle der Verwirrung: Ständig tauchen Angehörige des Stammes auf, die als „Skuta“ bezeichnet werden.

Manchmal steht diese Bezeichnung für den Stamm im allgemeinen (z. B. Skuta-Schlaf), dann aber wieder nur für die bestimmte Familie Skuta, die sich Takeo zum Feind gemacht hat – im Unterschied zu der Stammesfamilie der Muto. (Der Stamm ist also gespalten.)

Um die Verwirrung vollständig zu machen, tauchen die Skuta überhaupt nicht im Personenregister des Buches auf, sondern nur die Stammesfamilie Kikuta hat die entsprechenden Vornamen. Das ist also eine Ausspracheabweichung: Skuta = Kikuta!

Lediglich im Buch kann sich der Interessierte anhand einer Landkarte orientieren, wie die Ortsnamen und die Namen der Clan-Domänen geschrieben werden. Meine Schreibweise ist der im Buch angeglichen.

|Das Booklet|

Der Inhalt des Booklets listet weder, wie zuvor üblich, die Figuren auf, noch liefert er einen Abriss der vorausgehenden Ereignisse. Lediglich die Autorin und die drei Sprecher sowie die anderen Hörbücher werden knapp vorgestellt. Die vierte Seite enthält die Credits und bibliografischen Angaben. Mit anderen Worten: Es ist in keiner Weise hilfreich, sondern verweist den Hörer auf die vorhergegangenen Hörbücher, um zu verstehen, was los ist.

_Unterm Strich_

Dieser Band bringt das Ende der Otori-Herrschaft und der Abenteuer Takeos und Kaedes. Aber das muss nicht heißen, dass die Geschichte total deprimierend ist, denn die Autorin baut vier Kinder dieses Paares als Erben auf und führt sie durch die ersten Prüfungen. Sie geben Anlass zur Hoffnung, dass die revolutionären Ideen Takeos und Kaedes – etwa die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen an der Herrschaft – fortbestehen werden, selbst nach der Eroberung der Drei Länder durch den Kaiser. Der Wandel ist bekanntlich das Einzige, das beständig ist, und so muss auch das Reich der Otori vergehen, um seinen Beitrag zu einem größeren Ganzen leisten zu können. Hier lobt die Autorin den Beitrag der Frauen zur Geschichte des Landes, vielleicht ein wenig blauäugig und utopisch.

Wie zu erwarten, fand ich die Handlung weitverzweigt und abwechslungsreich. Das erfordert allerdings, sich jede Menge Namen zu merken. Nach einem Auftakt mit leichter Action – Attentäter werden unschädlich gemacht – ist klar, dass in allen möglichen Ecken Gefahren die Otori-Herrschaft bedrohen. Doch erst mit der monumentalen Drei-Tage-Schlacht findet diese unterschwellige Spannung ihren offensichtlichen Ausbruch.

Das ist ein ziemlich langer Spannungsbogen. Und er wird von den Konflikten um Zenko, Akio, Taku und Hisao in einem zweiten Spannungsbogen ergänzt. Das Ergebnis sind Krieg und Bürgerkrieg. Mit bemerkenswertem Geschick fädelt die Autorin alle Konflikte ein und löst sie wieder auf. Sie schreckt vor keiner Konfliktart zurück, und seien es eine Palastintrige oder der Tod eines Babys. Zarte Gemüter seien gewarnt.

|Originaltitel: The harsh Cry of the Heron, 2006
Aus dem Englischen übersetzt von Henning Ahrens
589 Minuten auf 8 CDs
ISBN-13: 978-3-86742-007-5|
http://www.otori.de
http://www.lianhearn.com
http://www.hoerbuch-hamburg.de

Patterson, James – 1. Mord, Der (Hörbuch)

_Extrem brutal: der Flitterwochenmörder_

Ein eiskalter Mörder tötet Flitterwöchner noch in der ersten Hochzeitsnacht – um herauszufinden, was das Schlimmste ist, das jemand tun kann. Doch alle weibliche Opfer verbindet etwas, und das ist der Schlüssel zur ungewöhnlichen Aufklärung des Falls. Denn diesmal wird nicht ein Einzelner wie Dr. Alex Cross aktiv, sondern gleich ein ganzer Klub von couragierten Frauen: der Mordklub.

Dies ist der erste Roman in einer neuen Reihe, die einfach von eins aufwärts durchnummeriert ist. Der 1. Band heißt daher „1st to die“, der nächste „2nd Chance“, „3rd Degree“ und so weiter.

_Der Autor_

James Patterson, ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur, ist der Autor zahlreicher Nummer-1-Bestseller. Allerdings sind es vor allem seine Alex-Cross-Thriller, die den Leser berühren. Folglich war Alex Cross bereits zweimal im Film zu sehen: „Im Netz der Spinne“ und „… denn zum Küssen sind sie da“ wurden beide erfolgreich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt. Für Einsteiger sei gesagt, dass Alex Cross ein sympathischer schwarzer Polizeipsychologe ist, der mit seiner Familie in Washington, D.C., lebt.

Patterson ist extrem fleißig. Sein letzter Solo-Roman vor „Blood“ in Deutschland hieß „Ave Maria“, ein Alex-Cross-Roman. Davor erschienen neue Alex-Cross-Romane mit den Titeln „The Big Bad Wolf“ und „London Bridges“. Im Original ist bereits „Double Cross“ erschienen. Seit 2005 sind weitere Patterson-Kooperationen veröffentlicht worden, darunter „Lifeguard“ sowie „Judge and Jury“; im Juli 2007 erschien die Zusammenarbeit „The Quickie“ (deutsch „Im Affekt“, 2008). Im Frühjahr 2003 (deutsch Mitte 2005) erschien auch eine Kollaboration mit dem Titel „Die Rache des Kreuzfahrers“ („The Jester“), deren Story im Mittelalter spielt.

Nähere Infos finden sich unter http://www.twbookmark.com und http://www.jamespatterson.com. Patterson lebt mit seiner Familie in Florida und Westchester, New York.

|The Women’s Murder Club| umfasst bislang folgende Bände:

1. Der 1. Mord
2. Die 2. Chance
3. Der 3. Grad (zusammen mit Andrew Gross)
4. Die 4. Frau (zusammen mit Maxine Paetro)
5. Die 5. Plage (zusammen mit Maxine Paetro)
6. Die 6. Geisel (zusammen mit Maxine Paetro)
7. 7th Heaven (zusammen mit Maxine Paetro)
8. 8th Confession

Mehr von James Patterson auf |Buchwurm.info|:

[„Das Pandora-Projekt“ 3905 (Maximum Ride 1)
[„Der Zerberus-Faktor“ 4026 (Maximum Ride 2)
[„Das Ikarus-Gen“ 2389
[„Blood“ 4835
[„Honeymoon“ 3919
[„Ave Maria“ 2398
[„Wer hat Angst vorm Schattenmann“ 1683
[„Mauer des Schweigens“ 1394
[„Stunde der Rache“ 1392
[„Wenn er fällt, dann stirbt er“ 1391
[„Wer sich umdreht oder lacht“ 1390
[„Die Rache des Kreuzfahrers“ 1149
[„Vor aller Augen“ 1087
[„Tagebuch für Nikolas“ 854
[„Sonne, Mord und Sterne“ 537
[„Rosenrot Mausetot“ 429
[„Die Wiege des Bösen“ 47

_Die Sprecherin_

Nicole Engeln arbeitet als Schauspielerin und Sprecherin. Neben ihren verschiedenen Theaterengagements spielt sie in vielen TV-Serien mit. Ihre Stimme kennt man aus zahlreichen Produktionen großer Fernsehsender. (Verlagsinfo) Sie liest eine von Stefan Hackenberg gekürzte Lesefassung.

Regie in den |Interface Recording Studios|, Köln, führte Stefan Hackenberg.

_Handlung_

Lindsay Boxer ist die einzige Inspektorin in der Mordkommission des San Francisco Police Department (SFPD). Da muss sie manchmal ganz schön hart im Nehmen sein. So wie jetzt, denn nichts hat sie auf den Horror der Flitterwochenmorde vorbereitet. Der erste passiert im gleichen Hotel, in der auch die Hochzeit stattfand. Der zweite passiert verwirrenderweise draußen auf dem Land, im berühmten Weinbaugebiet des Napa Valley. Beide Male wurden an den schönen und wohlhabenden Opfern, die kurz vor ihrem Honeymoon Trip standen, grausame sexuelle Handlungen vorgenommen. Sie wurden nicht nur getötet, sondern auch in jeder Weise entwürdigt.

San Francisco ist dementsprechend geschockt und will schnell Aufklärung der Untaten und die Ergreifung des Monsters. Das ist leichter gesagt als getan. Zum Glück gelingt es ihr, eine neugierige junge Journalistin auf ihre Seite zu ziehen und mit ihr und Claire, Lindsays bester Freundin, einer Gerichtsmedizinerin, einen Klub der Detektivinnen zu gründen. Später ziehen sie noch eine Staranwältin hinzu – wer hätte das gedacht? Schon bald zeitigt das Puzzlespiel der Frauen erste Erfolge.

Doch Lindsay hat auch ein ganz privates Problem, das sie unmittelbar bedroht: Ihr Arzt entdeckt bei ihr eine Blutkrankheit, eine zunehmende Knappheit an roten Blutkörperchen. Als Folge des resultierenden Sauerstoffmangels kippt sie ab und zu in Stresssituationen einfach um. Gut, dass sie einen neuen Freund hat: Chris Raleigh. Nachdem sie ihr Misstrauen überwunden hat, erweist sich der Nichtpolizist Raleigh an ihrer Seite als wahre Stütze. Doch wie kann man eine Beziehung aufbauen, wenn man die wichtigste Wahrheit nicht sagen kann, weil dadurch die Beziehung zum Scheitern verurteilt wäre?

In diesen Zweifrontenkrieg Lindsays platzt die Nachricht eines weiteren Honeymoon-Mordes wie eine Bombe: Der Mörder hat im fernen Cleveland zugeschlagen. Treibt er nun im gesamten Land sein Unwesen? Als die Videoaufnahmen das Gesicht des ungebetenen Hochzeitsgastes enthüllen, traut Lindsay ihren Augen kaum: Der Killer ist eine weltbekannte Persönlichkeit. Wie soll sie ihn zur Strecke bringen?

Wer wird als erster mit dem Sterben dran sein: das nächste Opfer, der Killer oder – Lindsay?

_Mein Eindruck_

„Roses are red / Rosenrot, mausetot“ hatte mich seinerzeit mit seinem hammerharten Schluss absolut umgehauen. Daher wagte ich nicht zu hoffen, dass Patterson ein weiteres Mal dieses Kunststück fertigbringen würde. Und dem ist auch so: „1st to die“ geht viel weiter in die Breite und drückt weitaus stärker auf die Tränendrüsen als „Roses are red“. Dieses Buch ist ergreifend. Dennoch bleibt das Buch spannend bis zur letzten Szene, weil es dem Autor gelingt, immer wieder ein neues Karnickel aus dem Hut zu zaubern, eine neue Wendung einzubauen, auf die der Leser nicht – und die Hauptfigur schon gar nicht – vorbereitet ist.

Was sich schon bei „Roses“ anbahnte, setzt sich hier verstärkt fort: Nicht mehr heroische Männer wie Alex Cross stehen im Mittelpunkt des Geschehens, sondern vielmehr starke Frauen. Doch auch diese sind aufeinander angewiesen, sowohl beruflich wie auch privat, wie Lindsays Krankheit zeigt, sonst würden sie scheitern. Die Anwältin beispielsweise wird benötigt, um sich überhaupt an den prominenten Killer heranzuwagen – und dennoch setzt sie ihre Karriere dafür aufs Spiel.

Was ich hier um den Erhalt der Spannung willen nicht sagen darf, aber mit das Wichtigste am Buch ist, ist natürlich der Mörder. Die ersten vier Morde begeht er sowohl skrupellos als auch in erniedrigender Absicht. Dennoch will er etwas herausfinden: Was ist das Schlimmste, was man tun kann? Beim dritten Doppelmord mischt sich eine persönliche Beteiligung in die Tat, eine Art Rachsucht. Natürlich überrascht uns der Autor: Im Handumdrehen haben wir es mit mehr als nur einem möglichem Täter zu tun, aber welcher ist der richtige? Menschen können sich verkleiden. Bis zum Schluss bleibt diese ungewisse Spannung erhalten, und man kann nur um die Unversehrtheit Lindsays bangen.

Patterson kennt seine Schauplätze aus dem Effeff, als ob er selbst dort gewesen sei. Man nimmt ihm die Akkuratheit seiner Beschreibungen ohne Weiteres ab. Und wo der Hintergrund als sicher gilt, kann bekanntlich im Vordergrund alles Mögliche passieren.

_Die Sprecherin_

Nicole Engeln legt sich ins Zeug, um die Emotionen der Figuren deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das gelingt ihr naturgemäß besser bei den weiblichen als bei den männlichen Figuren. Die Frauen klingen durchweg freundlicher und zugänglicher als die Männer. Das heißt nicht, dass alle Frauen eine so hohe Stimme haben müssen wie Cindy Thomas. Bestes Gegenbeispiel ist Claire Thomas, die patente, mütterliche und schwarze Chefpathologin und beste Freundin Boxers: Sie hat eine tiefe Altstimme, mit der sie ganz schön viel Autorität ausstrahlt. Ihr genaues Gegenteil ist die gluckenhafte Mami der Braut Becky, welche ebenso verzückt wie völlig hirnlos klingt. Das kann Claire Thomas nie passieren.

Die Männer sind häufig relativ aggressiv, insbesondere in der Polizeitruppe. Schon Warren Jacobi drückt mit seiner tiefen Stimme großen Sarkasmus aus. Und als Cindy Thomas unerkannt zum ersten Tatort vordringt, wird sie aggressiv angefaucht, sie solle sich rausscheren. Dann gibt es noch mehrere Ärzte, die leicht blasiert klingen. Bei Dr. Medwed setzt die Sprecherin einen deutlich hörbaren slawischen Akzent ein, indem sie die Rs rollt und das Ch möglichst kehlig ausspricht.

Engelns einzige Schwäche ist ihre Unkenntnis darüber, wie man bestimmte englische Namen ausspricht. Den Nachnamen von Chris Raleigh spricht [rejli] statt [rå:li] aus. Und Napa Valley klingt bei ihr seltsam: Sie sagt [nejpa] statt [näpa]. Vielleicht sollte sie einfach mal hinfahren oder einen Experten fragen. Ihre Kollegin Julia Fischer ist da wesentlich kenntnisreicher.

|Sounds|

Die hier einegsetzten Sounds sind sowohl Geräusch als auch Musik. Es fällt mir schwer, sie als das eine oder andere zu bezeichnen. Wie auch immer: Diese „Klänge“ dienen dazu, dem Hörer eine zusätzliche Gänsehaut des Grauens zu verursachen, so klirrend schräg klingen sie. Weil sie nur in den Pausen zwischen den kurzen Kapiteln zu hören sind, sind sehr kurz, maximal 2-3 Sekunden, und es gibt nur zwei verschiedene Klänge. Aber solche schauderhaften musikalischen Motive würde man nie in einer TV-Krimi-Serie zu hören bekommen. Die weiblichen Zuschauer würden in Scharen davonlaufen.

_Unterm Strich_

Mit der Betonung der emotionalen und sozialen Dimension des Verbrechens begibt sich Patterson auf das Spielfeld eines anderen bekannten Spannungsautors, auf das von Dean Koontz. Koontz hat sich wegbewegt vom Übernatürlichen, Unerklärlichen hin zu höchst seltsamen Praktiken der Psychologie, dem Wahnsinn von Serienkillern. Bei Pattersons Killern hat dieser Wahnsinn noch Methode: dahinter steckt der Wunsch zu erkennen und zu schocken.

Glücklicherweise sind Pattersons Bücher noch wesentlich dünner und schneller zu lesen als die Ziegelsteine, die Koontz in den 90er Jahren produziert hat. Die superkurzen Kapitel, das Markenzeichen jedes Patterson-Romans, erlauben praktisch keine Atempause. Zudem schrieb Patterson diesen ersten Band noch völlig selbständig, die Folgebände ließ er schreiben.

|Das Hörbuch|

Alles in allem ist dies ein sehr lebhafter und abwechslungsreicher Vortrag. Engelns einzige Schwäche ist ihre Unkenntnis darüber, wie man bestimmte englische Namen ausspricht.

Da dieses Hörbuch keine Sonderausgabe des ADAC ist wie etwa „Die 5. Plage“ aus dem gleichen Hause, kostet die CD-Box auch entsprechend mehr, nämlich rund 20 €uronen. Das ist aber immer noch günstig, besonders für einen so erfolgreichen Autor wie Patterson, der durchaus hohe Honorare für seine Veröffentlichungsrechte verlangen kann.

|Originaltitel: 1st to die, 2001
Aus dem US-Englischen übersetzt von Edda Petri
390 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-86804-495-9|
http://audiomedia.de/category/verlag/hoerbuch/target-mitten-ins-ohr/
http://www.jamespatterson.com

Dahl, Arne – Misterioso

_Dartpfeile, Jazz und die estnische Mafia_

Was hatten die drei kaltblütig nach einem präzisen Ritual hingerichteten schwedischen Geschäftsmänner gemein? Paul Hjelm, Ermittler der Stockholmer Sonderkommission für „besondere Fälle“, steckt in einer Sackgasse. Erste Ermittlungen über eine Geheimloge führen nicht weiter. Ist womöglich die russische Mafia in die Morde verwickelt? Ohne Unterstützung durch seine Kollegin Kerstin Holm hätte Hjelm längst das Handtuch geworfen. Doch dann die heiße Spur: ein Jazzstück mit dem Titel „Misterioso“ …

_Der Autor_

Arne Dahl ist das Pseudonym des schwedischen Krimiautors Jan Arnald, der für jene schwedische Akademie arbeitet, die alljährlich die Nobelpreise vergibt. Seine Romane um Inspektor Paul Hjelm werden laut Verlag von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen. 2004 wurde er mit dem wichtigsten dänischen Krimipreis ausgezeichnet, dem „Pelle-Rosenkrantz-Preis“. Mehr Infos unter http://www.arnedahl.net.

Weitere Dahl-Krimis sind:

Misterioso
Tiefer Schmerz
[Rosenrot 3091
[Böses Blut 2416
[Falsche Opfer 3730
[Ungeschoren 5087

_Sprecher & Produktion_

Till Hagen ist die deutsche Stimmbandvertretung für Filmstars wie Kevin Spacey, Billy Bob Thornton und Kevin Kline. Er absolvierte die Schauspielschule in Berlin und war am Theater in Dortmund und Bielefeld engagiert. Seit 1977 ist der professionelle Rundfunksprecher beim RBB und anderen ARD-Sendeanstalten tätig. Er hat bislang alle Krimis von Arne Dahl vorgelesen.

Der Text wurde von Hannelene Limpach gekürzt. Die Aufnahmeleitung hatte Jan Philipp B. Grobst, die Technik von |Lambda Audiovision| in Berlin dirigierte Andreas Fuhrmann.

_Handlung_

Das schwedische Reichskriminalamt betraut Kommissar Jan Olof Hultin mit der Bildung einer schnellen Ermittlungsgruppe bei kriminellen Gewalttaten, besonders bei Serienmorden und organisierter Kriminalität. Unter den Ersten, die er in diesen erlesenen Kreis aufnimmt, ist Inspektor Paul Hjelm. Hjelm hat gerade unter Einsatz seines Lebens einen Kosovo-Albaner, der Geiseln genommen hatte, ausgetrickst und außer Gefecht gesetzt. Die Geiselnahme wurde so eine Stunde, bevor das Spezialkommando eintraf, relativ unblutig beendet. Der Albaner hat nur eine Kugel im Arm, nicht im Herzen. Natürlich will die Interne Dienstaufsicht Hjelm etwas anhängen – er habe sich wie Rambo aufgeführt usw. -, doch Hultin holt ihn da mit oberster Erlaubnis raus.

|Die A-Gruppe|

Hjelm bezieht ein Büro, das er sich mit Jorge Chavez teilen muss. Jorge, so stellt sich heraus, ist nicht nur ein guter Ermittler, sondern ein Jazzmusiker. Das soll sich im Verlauf der ersten Ermittlung als sehr nützlich erweisen. Kerstin Holm wurde aus Göteborg angefordert und fällt Hjelm auf. Man kann mit ihr echt gut reden, und ihr südschwedischer Akzent erscheint ihm bezaubernd. Außerdem ist sie ledig und singt im Chor. Des Weiteren sind da noch der Riese Viggo Norrlander, der Finne Arto Söderstedt und Gunnar Nyberg. Die A-Gruppe ist direkt der Reichskripo unterstellt, was bei uns dem BKA entspricht.

Es ist kein Aprilscherz, als Hultin seine A-Gruppe, wie er sie kurz und prägnant nennt, am 1. April erstmals zusammenruft und ihr den ersten Fall übergibt. Es geht um die Morde an den zwei Wirtschaftsbossen Kuno Dagfeld und Bernhard Strandjulin. Der Mörder hat keine Spuren hinterlassen, als er die Männer mit einer großkalibrigen Pistole erschoss. Die Mitglieder der A-Gruppe schlucken, als sie erfahren, dass sie in dieser Sache Konkurrenz haben: Sowohl die Staatssicherheit als auch der militärische Geheimdienst ermitteln parallel. Das soll noch für eine schwerwiegende Ermittlungspanne sorgen.

|Verbindungen|

Die beiden Ermordeten hatten jede Menge Verbindungen und Gemeinsamkeiten, wie das in der Hochfinanz üblich ist. Paul Hjelm findet im Segelhafen heraus, dass Bernhard Strandjulin Segelausflüge unternahm, für die er bei einem Stockholmer Zuhälter minderjährige Jungen bestellte und diese auf die Fahrt mitnahm. Eine Postkarte von einem der Jungs zeigt eine Dionysos-Statue und bezeichnet Strandjutin als „den Schlimmsten von allen“. Er war also pädophil. Na, prächtig.

Die Mitgliedschaft in einem Brauchtumsorden, der sich der nordischen Mythologie verschrieben hat, erscheint Hjelm im Vergleich dazu als wesentlich harmloser. Obwohl der Kustos des Ordens um keinen Preis verraten will, was Dagfeld und Strandjulin, die einen Unterorden gegründet hatten, dort eigentlich trieben. Es scheinen jedenfalls keine kleinen Jungs involviert gewesen zu sein. Hjelm warnt bloß den Vorsitzenden des Vereins, dass seine Mitglieder in Gefahr seien.

|Nr. 3|

In der „Kampfleitzentrale“, wie Chavez den Besprechungsraum getauft hat, referieren die anderen Ermittler. Hultin veranlasst, dass der Vorsitzende des Ordens, Rikard Frantsen, ein ehemaliger Richter, bewacht wird. Doch die Action ist anderswo: Nur wenige Häuser von Frantsens Villa entfernt tötet der Serienmörder den Unternehmer Nils Emil Karlsberja. Diesmal findet sich eine Kugel in der Wand: ein Patrone, die in Pawlodar, Kasachstan, produziert wurde – Munition der russischen Mafia.

Nun gibt es zwei Theorien: 1) Die estnische oder russische Mafia tötet Leute, die ihrem Vordringen in Schweden im Weg stehen; 2) oder es gibt einen Betroffenen, der an den Bankiers und Geldschiebern Vergeltung übt, wie Söderstedt mutmaßt. Hultin glaubt nicht an die Terroristen, von denen die Sensationspresse reißerisch berichtet. Eins ist klar: Die Zeit wird knapp, und schon bald könnte es das vierte Opfer geben.

|In Tallinn|

Viggo Norrlander, der ehemalige Mister Sweden, stößt auf die Spur der Mafia. Menschenschmuggler, die ihre lebende Ware entweder in Gotland absetzen oder einfach bei Entdeckung ins Meer werfen, kamen aus dem estnischen Tallinn. Der Kapitän des Kutters verrät ihm die Namen von Viktor X und der beiden Alkoholschmuggler, die man nur als Igor & Igor kennt. Norrlander fliegt nach Tallinn und bittet den zuständigen Kommissar um Mithilfe. Doch als der Name „Viktor X“ fällt, kriegt sogar der Polizist kalte Füße. Die Mafia sei ein Staat im Staate, und Viktor X habe seine Finger überall drin, sogar in einem schwedischen Medienkonzern. Ihr Kennzeichen kommt Norrlander bekannt vor: Kopfschüsse. So werden Verräter hingerichtet. Waren Dagefeld & Co. ebenfalls Verräter?

Der Kommissar bietet Norrlander einen Köder an, der ihn zu Viktor X führen könnte. Der Mafioso heißt Arvo Helert, wird aus der Untersuchungshaft entlassen und kontaktiert offenbar seine Leute. Norrlander folgt ihm aufs Land, dann wieder zurück in die Stadt. In der Altstadt Tallins betritt Helert ein altes, verfallenes Haus, Norrlander fordert trotz der riskanten Lage keine Verstärkung an, denn er hat Blut gerochen. Als er die Wohnung betritt, in die Helert verschwunden ist, erwartet ihn eine Überraschung: Acht Maschinengewehre sind auf ihn gerichtet. Viktor X hat ihn bereits erwartet.

|Nr. 4|

Das vierte Opfer ist der Unternehmer und Parlamentsabgeordnete Brandberg. Doch der Täter wurde von Brandbergs Tochter gestört und hat etwas vergessen mitzunehmen: ein verräterisches Tonband mit dem Jazzstück „Misterioso“. Ein ganz neue Spur führt Hjelm und Holm nach Göteborg.

_Mein Eindruck_

Was haben schwedische Dartpfeile, kasachische Kugeln und amerikanischer Jazz gemeinsam? Gemeinsam kommen sie nur in einem Krimi von Arne Dahl vor. 1999 geschrieben, ist „Misterioso“ einer der frühen Multikulti-Krimis, wie sie inzwischen gang und gäbe sind. Man braucht sich nur die Mankells und Edwardssons anzusehen und weiß, dass Verbrechen inzwischen ebenso globalisiert ist wie die Wirtschaft.

Zunächst sieht es ja so aus, als wäre die Mordserie eine Vergeltungsaktion der estnischen Mafia. Und die brutale Tat, die Viggo (sein Vorname bedeutet „der Sieger“) Norrlander erleidet, bestätigt diesen Verdacht. Außerdem müssen sich noch die Alkoholschmuggler Igor & Igor im Land herumtreiben, die Gott weiß was treiben. Aber da ist auch noch der mysteriöse Orden Mimir bzw. Skidbladnet, dem die Mordopfer angehören. Fallen sie einem bizarren Rachefeldzug eines ihrer Mitglieder zum Opfer?

Oder handelt es sich um eine Art feindliche Übernahme in höchsten Wirtschaftskreisen, denn die Mordopfer haben gemeinsam in diversen Aufsichtsräten von Banken, Medienkonzernen und anderen Unternehmen gesessen. Als sich die A-Gruppe, besonders Chavez, in diese Materie einarbeitet, stößt sie auf einen Verhau von Verflechtungen, in dem schon bald unklar wird, welche Untertochterfirma zu welchem Oberkonzern gehört. Anscheinend sind hier auch Geldschiebereien größeren Maßstabs an der Tagesordnung, und Chavez kann sich durchaus vorstellen, dass bei solchen dubiosen Machenschaften der eine oder andere kleine Angestellte unter die Räder gekommen sein könnte. Sozusagen ein Kollateralschaden. Das lässt „Misterioso“ zu einem Wirtschaftskrimi werden.

Auch die Kunst kommt nicht zu kurz. Der Autor erweist sich als ausgefuchster Experte auf dem Gebiet des klassischen Jazz. Das Jazzstück „Misterioso“, das Thelonious Monk 1958 in New York City aufnahm, beschreibt er eingangs so einfühlsam und minutiös, dass man ganz genau weiß, er hat es sich zigmal selbst angehört. Und zwar nicht bloß in einer Version, sondern in sämtlichen verfügbaren Fassungen. Und dazu gehört eben auch die überaus seltene Raubkopieversion, auf deren Spur sich Holm und Hjelm setzen. Sie stoßen auf einen abgewrackten amerikanischen Jazzmusiker, der in Schweden den „besten Drogenentzug der Welt“ genießt. Es ist eine heitere und ziemlich abgefahrene Szene, die aber dem Musiker dennoch Respekt entgegenbringt.

Holm und Hjelm kommen sich bei ihrer südschwedischen Ermittlung näher und näher. Hjelms Ehe steckt in einer tiefen Krise, denn seine Frau Silla fühlt sich schrecklich einsam. Und nun wohnt und arbeitet er im fernen Stockholm, setzt jeden Tag sein Leben aufs Spiel. Sie hat Angst um ihn, droht daran zu zerbrechen. Hjelm kann ihr nicht helfen, wenn sie nicht mit ihm redet, sondern bloß die Trennung will. Da kommt ihm die quirlige, sympathische Kerstin Holm wie gerufen, um ihn wieder aufzubauen. Und eines Nachts ist er sich nicht sicher, ob sie wirklich zu ihm ins Hotelzimmer kommt oder ob er das Ganze nicht bloß geträumt hat. Die Ungewissheit bringt ihn schier um.

An harter Action und handfesten Polizeieinsätzen mangelt es ebenfalls nicht. Rikard Frantsens Villa ist ein Brennpunkt, wo sich in einer famosen Szenen eines der gesuchten Mitglieder von Igor & Igor einfindet und nur unter furiosem Einsatz fangen lässt. Der Schluss des Romans zieht sich jedoch hin, wie es schon in „Rosenrot“ der Fall war. Der Täter ist bekannt, seine Taten ebenso, nun müssen sie ihn nur noch kriegen, bevor er noch einen, den letzten Mord begeht. Denn seine Liste ist lang, und er ist noch längst nicht fertig.

|Der Sprecher|

Till Hagen erweist sich als erprobter und stilsicherer Bühnenschauspieler, der genau weiß, wie eine Figur zu charakterisieren ist. Aber auch die Situationen hat er im Griff, in denen sich eine Figur, die sich bislang ganz „normal“ verhielt, auf einmal jemand anderer zeigt. Ihm gelingt es besonders, die Nebenfiguren hervorragend zu charakterisieren. Er flüstert, schreit, ruft und brüllt sogar, kann aber auch sehr leise und ironisch sein.

Doch Hagen besitzt eine zweite Seite. Mit seiner tiefen Stimme ist er durchaus in der Lage, bedrohliche Stimmlagen und autoritative Stimmen darzustellen, so dass die einem Krimi angemessene Spannung entsteht. Hagen gelingen dank der Erzählkunst des Autors beeindruckende Charakterzeichnungen.

Geräusche und Musik gibt es keine, aber das ist auch gar nicht nötig, wie ich finde. Das Booklet informiert über alle Mitwirkenden und über die Krimireihe.

|Das Booklet|

Das Booklet informiert nur über den Autor, nicht aber über den Sprecher. Über den liest man jedoch auf der Rückseite der Klappbox Näheres. Ansonsten gibt es jede Menge Werbung und Credits. Die vierte Seite des Booklets bietet immerhin eine Tracklist. Aus dieser kann man ablesen, dass sich die Längenangabe von jener, die auf der Klappbox abgedruckt ist, unterscheidet: um vier Minuten (Angabe auf Klappbox: 465 min, im Booklet nur 461 min).

_Unterm Strich_

Arne Dahls Krimis sind nie lediglich Thriller, sie sind auch Spiegelbild und Kritik der schwedischen Gesellschaft. In dieser Hinsicht kann er Henning Mankell durchaus das Wasser reichen. Nur dass dieser ungleich populärer ist und einen afrikanischen Background besitzt (Mankell lebt ja in Mosambik). Wie Mankell verfügen Dahls Krimis über ein festes Stammpersonal, das an den Rändern zwar durchaus wechselt, aber im Kern gleich bleibt: die A-Gruppe der „Kriminalpolizei zur Ermittlung bei Gewaltverbrechen von internationalem Charakter“.

Das heißt, diese Ermittler haben von Haus mit Ausländern zu tun. Was ich durchaus interessant finde, aber stets kommen ihnen dabei schwedische Einheimische in die Quere, so auch diesmal. Das finde ich noch viel interessanter. Diesmal ist es ein schwedischer Angestellter, der sich auf einen Rachefeldzug durch die Hochfinanz begibt, ohne Rücksicht auf Verluste. Ob er mit jemandem unter einer Decke steckt, müssen allerdings die Ermittlungen der A-Gruppe ergeben. Die Kritik des Autors gilt eindeutig der Hochfinanz, der neuen Generation von Geldschiebern der 90er Jahre, deren Gewinne keinem realen wirtschaftlichen Gegenwert mehr entsprechen, sondern auf dem Aktienmarkt gezaubert werden – und dort genauso leicht wieder verpuffen können. Und die schwedische Regierung hat ihnen kräftig dabei unter die Arme gegriffen.

In der A-Gruppe macht uns der Autor mit mehreren Charakterköpfen bekannt, doch Kerstin Holm und Paul Hjelm stehen dabei im Mittelpunkt. Aus ihnen wird im Verlauf der nächsten Romane ein Paar, doch wie fest die Bindung ist, soll hier nicht verraten werden. Besonders beeindruckt hat mich der Gruppenleiter Jan Olof Hultin, der mit seinem unspektakulären, aber effizienten Führungsstil für schnelle Ergebnisse und stetigen Rückhalt sorgt. Sein bester Auftritt ist der vor den Mitarbeitern der Sicherheitspolizei, die den Fall mordsmäßig verbockt haben und die er nun alle einen Kopf kürzer machen wird. Verspricht er jedenfalls.

|Das Hörbuch|

Till Hagen ist es zu verdanken, dass dieser Hultin besonders eindrucksvoll gezeichnet wird. Man kann Hultin bedingungslos vertrauen, auch wenn er seine menschlichen Schwächen (Inkontinenz) aufweist. Hultin wird uns bis „Ungeschoren“ begleiten, wo ihm eine denkwürdige und folgenreiche Verabschiedungsfeier ausgerichtet wird. Aber Hagen weiß auch leise Töne anzuschlagen, so etwa bei der Schilderung des titelgebenden Jazzstücks, und stellt seine Vielseitigkeit vielfach unter Beweis. Die ideale Besetzung für Dahls Krimis, kein Zweifel.

Fazit: ein Volltreffer.

|Originaltitel: Misterioso, 1999
Aus dem Schwedischen übersetzt von Maike Dörries
461 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-88698-772-6|
http://www.sprechendebuecher.de

Kay Hooper – Jagdfieber

Zynisches Mörderspiel

Ein grauenvoller Mord versetzt eine amerikanische Kleinstadt in Aufruhr. Ein skrupelloser Kidnapper kassiert hohe Lösegelder und ermordet die Entführten dennoch. Die Lage wäre aussichtslos, gäbe es nicht die Spezialeinheit von Noah Bishop und seinem Profiler Lucas Jordan. Denn der besitzt die Fähigkeit, vermisste Personen aufzuspüren … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Kay Hooper wurde in Kalifornien auf einer Luftwaffenbasis geboren. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, wechselte dann zu Geschichte und schließlich zu Literaturwissenschaft. Bald begann sie, eigene Geschichten zu verfassen und am Beruf der Autorin Gefallen zu finden. Ihr erster Roman wurde 1980 veröffentlicht, mittlerweile blickt sie auf ein Werk von 60 Büchern zurück. (Verlagsinfo)

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