Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Alan Garner – Boneland (Zauberstein 03)

Lohnender, anspruchsvoller Abschluss der Brisingamen-Trilogie

BRISINGAMEN, BAND 1: „Die Gegend um Alderley Edge (bei Manchester) ist unheimlich und sagenumwoben. Als Susan und Colin ihren Onkel dort besuchen, werden sie schnell in die schreckliche Wirklichkeit der alten Sagenwelt hineingerissen. Durch ihre Ankunft flammen die uralten Kämpfe zwischen dem guten Zauberer Cadellin und der bösen Morrigan wieder auf. Und sie selbst spielen eine zentrale Rolle dabei – mal erbarmungslos gejagt, mal geheimnisvoll beschützt.

BAND 2: Colin und Susan sind durch die damaligen Geschehnisse zu tief mit der magischen Welt verbunden worden, um weitere Kontakte zu verhindern. Im Gegenteil: Die bösen Mächte sinnen nun auf Rache und bieten Kräfte auf, die längst vergessen schienen. Aber die alte Magie folgt ihren eigenen Regeln, die nicht so einfach in ein Gut-und-Böse-Schema zu pressen sind. Am Schluss verschwindet Susan. Kann Colin sie zurückholen?

BAND 3: Colin Whisterfield lebt rund 20 Jahre nach diesen Vorfällen immer noch in der gleichen Gegend. Weil er sich nicht an die Zeit vor seinem 13. Lebensjahr erinnern kann und einen Angstzustand entwickelt, wendet er sich an die Psychotherapeutin Meg Massey. Sie hilft ihm, sich dem zu stellen, wovor sich seine Angst abwenden will. Zu seiner Überraschung begegnet er Susan wieder…

Alan Garner – Boneland (Zauberstein 03) weiterlesen

Alan Garner – Elidor. Jugend-Fantasy

Das vergessene Britannien: Kinder helfen in der Not

„Stadtpläne können Wegweiser in ungeahnte Dimensionen sein. Warum ist Rolands Blick ausgerechnet auf die Thursday Street gefallen? Eigentlich nur zum Zeitvertreib machen er und seine drei Geschwister sich auf die Suche nach dieser ominösen Straße und geraten in ein Abbruchviertel von Manchester. Jemand lockt und drängt sie, die Schwelle in das einstmals lichthelle Land Elidor zu überschreiten, zu dessen Erlösung sie durch die Kraft ihrer Vorstellung ausersehen sind. Und von da an lassen ihnen die magischen Mächte aus Elidor auch in der Alltagswirklichkeit im Schutz ihres Elternhauses keine Ruhe mehr.“ (dt. Verlagsinfo)

Dieser Besprechung liegt die englische Originalausgabe zugrunde.

Der Autor
Alan Garner – Elidor. Jugend-Fantasy weiterlesen

Robert B. Parker – Terror auf Stiles Island. Ein Fall für Jesse Stone

Großangriff mit Apache: Überfall auf die Insel der Reichen

Jesse Stone, der Cop aus Los Angeles, hat in der beschaulichen Kleinstadt Paradise in Massachusetts ein neues Zuhause gefunden. Aber noch immer trinkt er zu viel und denkt zu oft an seine Exfrau, die plötzlich in der Stadt auftaucht und als neue Wetterfee für den lokalen Fernsehsender arbeitet.

Während Stone eine kurze Affäre mit einer Immobilienmaklerin hat und sich auch schlecht von der attraktiven Staatsanwältin lösen kann, ahnt er nicht, dass eine Gangsterbande einen raffinierten wie hinterhältigen Plan schmiedet. Das Ziel sind die Reichen und Schönen auf Stiles Island. Doch da haben sie die Rechnung ohne Jesse Stone gemacht. (Verlagsinfo)

Robert B. Parker – Terror auf Stiles Island. Ein Fall für Jesse Stone weiterlesen

Alan Garner – Der Mond von Gomrath (Zauberstein 02)


Mystisch & actionreich: Der Kampf um Susans Seele

Ein Feuer, auf dem Hügel entzündet, weckt, anstatt Wärme zu verbreiten, die Wilde Jagd. Susan wird auf einem kohlrabenschwarzen Pony davongetragen und versinkt in einen Zustand unerklärlicher Leblosigkeit. Die Morrigan sendet ihre Plagegeister aus. In Der Mond von Gomrath machen Susan und Colin Bekanntschaft mit der Alten Magie in ihrer ganzen schrecklichen und wunderbaren Macht. Und Susan fällt dabei eine besondere Aufgabe zu.-

Ruhige Zeiten scheinen eingekehrt zu sein in Alderley Edge. Doch dann bewahrheitet sich das, was der Zauberer Cadellin Susan und ihrem Bruder Colin vorhergesagt und wovor er sie hatte schützen wollen: Einmal in den Kampf zwischen guten und bösen Mächten verwickelt, können sie nicht mehr abseits stehen. Ihre Anteilnahme und ihr Mut entfesseln nun auch die lange gebundenen Kräfte der Alten Magie wie die Wilde Jagd und den gestaltlosen, in fremde Gestalten schlüpfenden Brollachan.

Nicht zufällig steht Susan im Mittelpunkt des Geschehens, und die Morrigan bietet all ihre Hexenkünste und ihr ganzes grausiges Gefolge gegen sie auf. Aber Susan, von Feenhand mit einem Amulett versehen, lässt keinen Augenblick den Mut sinken, und die Zwerge und Elfen stehen ihr zur Seite. (Verlagsinfo)

Vom Verlag empfohlenes Alter: ab 12 Jahren. Diese Besprechung beruht auf der englischen Originalausgabe.

Der Autor
Alan Garner – Der Mond von Gomrath (Zauberstein 02) weiterlesen

Kevin Hearne – Erwischt (Die Chronik des eisernen Druiden 5)

Anti-Druiden-Verschwörung: Verfolgt von Dunkelelfen und Vampiren

Nach zwölf Jahren geheimer Druidenausbildung ist es endlich soweit: Atticus O’Sullivan kann seine Auszubildende Granuaile an die Erde binden. Auf diese Weise würde die Anzahl der Druiden auf der Welt auf einen Schlag verdoppelt werden. Unglücklicherweise fliegt auf dem Höhepunkt des Rituals Atticus‘ Tarnung auf.

Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit Granuaile und seinem Wolfshund Oberon an den Fuß des Olymps zu reisen. Dort hat allerdings der römische Gott Bacchus geschworen, Rache an ihm zu nehmen. Damit ist er aber nicht der Einzige. Er muss sich hinter einem alten Vampir und einer Horde dunkler Elfen anstellen. Bei denen steht die Ermordung von Atticus ganz oben auf der Prioritätenliste. (Verlagsinfo)
Kevin Hearne – Erwischt (Die Chronik des eisernen Druiden 5) weiterlesen

Alan Garner – Der Zauberstein von Brisingamen / Feuerfrost (Zauberstein 01)

Überschätzter Fantasyklassiker

„Die Gegend um Alderley Edge ist unheimlich und sagenumwoben. Als Susan und Colin ihren Onkel dort besuchen, werden sie schnell in die schreckliche Wirklichkeit der alten Sagenwelt hineingerissen. Durch ihre Ankunft flammen die uralten Kämpfe zwischen dem guten Zauberer Cadellin und dem bösen Grimnir wieder auf. Und sie selbst spielen eine zentrale Rolle dabei – mal erbarmungslos gejagt, mal geheimnisvoll beschützt. Aber warum gerade sie?“ (dt. Verlagsinfo)

Vom Verlag empfohlenes Alter: 12-15 Jahre. Diese Rezension beruht auf der englischen Originalausgabe.

Der Autor
Alan Garner – Der Zauberstein von Brisingamen / Feuerfrost (Zauberstein 01) weiterlesen

Kim Stanley Robinson – Goldküste (Kalifornien-Trilogie 2)

Bombenleger in Autopia

Orange County, Kalifornien, 2067: L.A. ist eine Metropolis der flüchtigen Begegnungen und schneller Geschäfte, der harten Drogen und falschen Träume. Wie ein verirrter Nachtfalter schwirrt Jim McPherson durch diese bunte Neonwelt, von einer Party zur nächsten. Der Möchtegern-Dichter schlägt sich als Aushilfslehrer durch. Das laute, hektische Treiben an der Goldküste scheint ihm ohne Sinn, ohne Aussicht auf Glück. Dann lernt er Arthur kennen. Dieser gehört einer revolutionären Gruppe an, die durch Sabotage die Rüstungsindustrie Amerikas zerstören will. Begeistert macht Jim bei den Aktionen mit, obwohl – oder gerade weil – sein Vater Ingenieur in dem größten Rüstungskonzern von Orange County ist … (Verlagsinfo)
Kim Stanley Robinson – Goldküste (Kalifornien-Trilogie 2) weiterlesen

Cornwell, Patricia – Defekt

_Mysteriös und tödlich: Projekt „Bestie“_

Hand of God – so nennt sich der mysteriöse Anrufer, der dem Ermittler Pete Marino mitten in der Nacht mit Bibelzitaten droht, Andeutungen über einen ungeklärten Todesfall macht und Scarpettas Nichte, dieser „lesbischen Schlampe“, droht. Der Privatdetektiv Marino ist der gute Kumpel von Dr. Kay Scarpetta. Sie ist alarmiert. Es wäre nicht das erste Mal, dass Lucy in Schwierigkeiten wäre. Sie macht sich auf, diesem Psychopathen das Handwerk zu legen.

_Die Autorin_

Patricia Cornwell, 1956 in Miami geboren, war Polizeireporterin und Computerspezialistin am Gerichtsmedizinischen Institut von Virginia, bevor sie zu schreiben begann. Mit den Thrillern um ihr literarisches Alter Ego, die Gerichtsmedizinerin Kay Scarpetta, wurde sie zur „erfolgreichsten Thrillerautorin der Welt“ (|Der Spiegel|). Cornwell lebt allein in Richmond / Virginia und in Malibu, Kalifornien. (Verlagsinfo)

_Die Sprecherin_

Franziska Pigulla war Moderatorin bei |n-tv|, |SAT.1| und bei der |BBC| in London. Als eine der bekanntesten Sprecherinnen synchronisiert sie Gillian Anderson aus „Akte X“, Demi Moore, Fanny Ardant und Sharon Stone. Auch als Erzählerin bei „Galileo“-Dokumentationen ist sie regelmäßig im Off zu hören. Für |Hoffmann & Campe| hat Pigulla bereits mehrere Romane vorgetragen:

– „Blinder Passagier“
– „Das letzte Revier“
– „Das fünfte Paar“
– „Brandherd“
– „Die Dämonen ruhen nicht“

Weitere Cornwell-Hörbücher: „Wer war Jack the Ripper? – Portrait eines Killers“; „Die Tote ohne Namen“.

Der Text wurde von Rainer Scheer gekürzt. Regie führte Vlatko Kucan, die Aufnahme fand im TrueMuze Rec Studio, Hamburg, statt.

_Handlung_

In der Wirklichkeit geschehen die meisten Dinge, die zusammenhängen, gleichzeitig, und in Dr. Kay Scarpettas Leben ist das nicht anders. Nur dass sie von den Zusammenhängen – noch – keine Ahnung hat …

|Bestie|

Obwohl sie in Miami lebt, arbeitet Scarpetta mit ihrem FBI-Freund Benson Westley, einem rechtsmedizinischen Psychologen, an einem supergeheimen Projekt namens „Bestie“ zusammen. Im Rahmen dieses Projekts, das an einer Klinik im nördlich gelegenen Massachusetts stattfindet, sollen die Gehirne von Gewaltverbrechern mit Magnetresonanztomographen (MRT) untersucht werden. Man will herausfinden, wie Gewaltbereitschaft und Hirnstruktur zusammenhängen. Was macht einen Menschen zur Bestie? Paradebeispiel ist der Serienmörder Basil Genrette, den Scarpetta und Westley aus Louisiana eingeflogen haben.

|Abgehört|

Kay und Benson kommunizieren über das sichere VPN-Netzwerk ihrer Nichte Lucy, doch sie wissen ebenso wenig wie Lucy, dass Kays Kollege Dr. Jay Amos Lucys Passwörter geklaut hat. Sie hatte ihren PDA liegen gelassen, und er nutzte die gute Gelegenheit, um alle Dateien auf dem Gerät zu kopieren. Nun kann er in zahlreichen sicherheitsrelevanten Netzwerken manipulieren, abhören und falsche Botschaften schicken. Auch an Scarpettas Arbeitsplatz der Akademie für forensische Medizin in Miami. Er hört auch Pete Marino ab, den Privatdetektiv, den Scarpetta hin und wieder als Ermittler einsetzt. Doch Marino wird allmählich misstrauisch, wie es zu den Falschmeldungen, die er bekommt, kommen kann …

|HOG|

Marino berichtet ihr von zwei Dingen: 1) Er habe einen seltsamen anonymen Anruf von einem durchgeknallten Typen bekommen, der sich „Hand of God“, kurz: HOG, nennt. Und 2) Was wisse sie über den angeblichen Selbstmord von Dr. Johnny Swift, der in Boston an einer Klinik arbeitete und von seinem Zwillingsbruder Laurel gefunden wurde, der nun in Miami wohnt? Diesen „Selbstmord“ habe HOG nämlich erwähnt. Und ebenso nannte der Typ den Namen Christine Christian – und Lucy, Scarpettas Nichte, beschimpfte er als „lesbische Schlampe“. Kay testet, wie sich Johnny Swift mit einem Schrotgewehr erschossen haben soll. Es geht nicht. Der Verdacht auf Mord erhärtet sich.

|Hands of God|

Benson Westley wird zu einem neuen Mord gerufen. Die weibliche Leiche wurde in Massachusetts gefunden, der Täter hatte ihr eine Schrotflinte in den Mund gesteckt und abgedrückt, und entsprechend verheerend sieht ihr Kopf aus. Was Benson aber als Erstes auffällt, sind die knallroten Handabdrücke an ihren Brüsten und Oberschenkeln. Sind die aufgemalt? Nur wenig später lernt Kays Nichte Lucy in einer Bostoner Bar eine hübsche Lesbe kennen, die sich Stevie nennt. Zusammen verbringen sie eine Liebesnacht in Lucys gemietetem Häuschen. Was Lucy an Stevies Haut als erstes auffällt, sind die knallroten Handabdrücke auf ihren Brüsten und Oberschenkeln …

|Verschwunden|

Scarpetta sucht in Hollywood, Florida, nach der Familie Christian. Sie scheint vor etwa 15 Tagen verschwunden zu sein, und dies wurde erst dadurch bemerkt, dass die beiden Schwestern Christine und Ev (für Evelyn) Christian sehr aktiv in einer Sekte waren, der andere Nachbarn ebenfalls angehören. Die Schwestern hatten zwei elternlose Jungen, David und Tony, aus Südafrika adoptiert. Alle vier sind spurlos verschwunden, doch die zuständige Mordinspektorin Reba Wagner macht sich dennoch keine Sorgen. Sie konnte bislang keine Spuren eines Verbrechens entdecken, und man könne den Leuten ja nicht verbieten, in den Urlaub zu fahren, oder? Aber warum steht dann dieser Lieferwagen mit den verdreckten Reifen in der Einfahrt der Christians, will Scarpetta wissen, und wieso war die Herdplatte noch eingeschaltet, als die Nachbar das Haus betrat? Darauf hat Detective Wagner keine Antwort. Aber Marino hat eine: Weil Reba (seine Ex) dumm wie Bohnenstroh ist, darum.

|Mrs. Simister|

Marino selbst verfolgt einen Telefonanruf von einer gewissen Mrs. Simister, die eine Nachbarin der Christians ist, gerade mal auf der anderen Seite eines Abzugskanals. Die Stimme, die er in seinem Büro hörte, ist aber eine ganz andere als die, die er jetzt am Telefon hört. Die erste klang heiser und gebrechlich, doch die jetzige ist kräftig und weist einen starken ausländischen Akzent auf (sie stammt aus Polen). Diesem Widerspruch will Marino auf den Grund gehen. Doch als er nach mehrmaligen Klopfen und Rufen das Haus betritt – nicht ohne Scarpetta Bescheid zu geben -, findet er nur noch die Leiche der Bewohnerin vor. Mrs. Simister liegt auf dem Bett. Der Killer hat ihre eine Schrotflinte in den Mund gesteckt und abgedrückt. (Kommt uns das irgendwie bekannt vor? Nicht? Sollte es aber – bitte noch mal von vorne lesen.)

|Falscher Fuffziger|

Scarpetta eilt mit Reba Wagner herbei. Sie haben zusammen einen Knall gehört, aber Reba hielt es für eine Fehlzündung (was Marinos Vorurteil gegen sie bestätigt). Aber wichtiger noch: Sie haben in der Nähe einen einzelnen Kontrolleur für Zitrusbaumpest gesehen. Das ist ungewöhnlich, denn erstens kommen diese Landwirtschaftskontrolleure immer zu zweit, zweitens war er ohne Erlaubnis auf dem Nachbargrundstück und drittens arbeitete er mit einem Pflückstab, den er auseinandernahm und in eine große schwarze Tasche steckte – darin konnte er auch eine abgesägte Schrotflinte verstecken. Und viertens markierte er Bäume mit einer roten Sprühfarbe, so als ob sie infiziert wären. Diese Markierungsmethode, erfahren Marino & Co. später, ist bereits völlig veraltet.

|Gefängnis|

Doch dieser Kontrolleur ist nirgends aufzutreiben. Kein Wunder: Er hat sich in sein Versteck zurückgezogen, einem Häuschen in den Sümpfen. Hier hält er Ev Christian gefangen. Sie ist nach zwei Wochen Gefangenschaft bereits sehr geschwächt. Hand of God beugt sich über seine halbnackte Beute und verlangt von ihr immer wieder, sie solle sich entschuldigen. Sie fleht ihn an – nicht etwa um Gnade, sondern er solle Gott um Vergebung bitten, so wie sie ihm ebenfalls vergebe. Diese Hartnäckigkeit widert Hand of God an. Und dass sie den Namen Gottes in den Mund nimmt, macht ihn wütend. Er weiß, wer Gott ist. Sie ist eine schöne Frau, hat einen IQ von 150 und darum dient er ihr treu ergeben von ganzem Herzen. Und als er gerade seine Lieblingsspinne, eine giftige Tarantel, auf Evs Hals setzt, pfeift Gott ihn zurück. Es gebe wieder was zu erledigen. Basil Genrette, dem Verbündeten, müsse geholfen werden. Sofort …

|Nach Norden|

Scarpetta hat in Hollywood, Florida, getan, was sie konnte und sich mit Benton darüber den Kopf zerbrochen. Die Erkenntnisse sind im (keineswegs sicheren) Netzwerk gespeichert. Nun freut sie sich darauf, Benton in Boston besuchen zu können. Bei der Gelegenheit will sie auch einen Blick auf ihr gemeinsames Forschungsobjekt werfen: Basil Genrette, die „Bestie“ in Menschengestalt.

Auch Basil freut sich auf dieses Treffen. Er wurde per Kassiber informiert, dass seine Flucht vorbereitet worden ist. Er beginnt, ein Seil zu knüpfen …

_Mein Eindruck_

Wieder einmal spielt die Autorin va banque und setzt auf volles Risiko, dass sie ihren Leser in die Irre führt und er nicht mehr das Licht am Ende des Tunnels sieht. Auf mehreren Schauplätzen beginnt die verzweigte Handlung, so dass der ahnungslose die Zusammenhänge nirgendwo sieht. (Ich habe in meinem Inhaltsabriss sogar noch einen Schauplatz weggelassen, um das Chaos nicht zu vergrößern.)

Doch allmählich erkennt der aufmerksame Leser eine Reihe von Koinzidenzen: abgesägte Schrotflinten als Tatwaffen, Frauen mit roten Handabdrücken auf dem Körper, Kupferspuren an Tatorten und noch einiges mehr. Doch selbst dann noch, als die Ermittler – Scarpetta, Lucy, Benton, Marino, Reba – gute Chancen hätten, das Puzzle zusammenzusetzen, führt die Autorin mehrere Störfaktoren ein. Den Guten soll ihre Aufgabe ja nicht zu einfach gemacht werden. Da ist zunächst das abgehörte und manipulierte Daten- und Kommunikationsnetz. Merke: Feind hört mit und legt falsche Fährten. Und was von den Hinweisen eines geisteskranken Serienkillers wie Basil Genrette zu halten ist, dürfen wir uns mit Fug und Recht ebenfalls fragen.

|VORSICHT, SPOILER|

Doch den absoluten Coup, sozusagen den Royal Flush, landet die Autorin mit der Einführung eines Killers mit multipler Persönlichkeit. Er/sie/es leidet unter dissoziativer Persönlichkeitsspaltung, dem DIS-Syndrom. Jonathan Nasaw verwendet diesen Tätertyp bereits in [„Die Geduld der Spinne“ 82 ein, und der Thriller „Identität“ setzt gar auf einen gefesselten Mörder, der unter DIS leidet. Ich werde nun aber nicht verraten, für wie viele Figuren dieser Täter mit seinen Persönlichkeiten herhalten muss. Und die Handlung ist auch keineswegs, wie im Film, imaginär, sondern für seine Opfer höchst real (so weit die Fiktion des Romans es eben zulässt).

Ein solcher Schurke im Stück stellt den Autor vor mehrere Probleme, die früher oder später auch den Leser betreffen. Erstens darf er als Joker erst ganz zum Schluss enthüllt werden, sonst ginge sämtliche Spannung flöten. Zweitens könnte die Anzahl und Charakteristik der multiplen Persönlichkeiten beliebig erscheinen – upps, schon wieder ein Karnickel aus dem Hut! Dieser Effekt darf niemals eintreten, denn sonst verliert die gesamte Handlung ihren Sinn und ihre Stringenz.

Zuletzt aber, und das ist vielleicht am wichtigsten, ist der Täter mit DIS selbst ein Opfer. DIS wird in der Regel, so die Schulweisheit, durch ein tiefes traumatisches Erlebnis ausgelöst. Die Psyche des Opfers versucht mit verschiedenen Strategien, dieses Trauma zu verarbeiten, um zu überleben. DIS besteht in der Schaffung verschiedener Rollen, die Strategien verkörpern, um mit verschiedenen Problemen und Konfliktsituationen des Lebens fertigzuwerden: Begegnungen mit Sexualpartnern beiderlei Geschlechts, Ausübung von Gewalt, Ausleben von tabuisierten Phantasien, das Verhältnis zu Gott, wenn der Verursacher des Traumas den Missbrauch im Namen eines religiös begründeten Prinzip („Gott“) begangen hat, und so weiter.

Man kann sich demnach vielleicht vorstellen, welch eine Fülle von Persönlichkeiten ein DIS-Opfer entwickeln kann: Dutzende sind keine Seltenheit. Der Leser wird überrascht sein, welche Bandbreite an Figuren sich damit schaffen lässt. Als eine Übereinstimmung zwischen zwei untersuchten „Menschen“ festgestellt wird, könnte die Überraschung für die Wissenschaftler nicht größer sein. Es ist ungefähr so, als hätte man die DNS eineiiger Zwillinge vor sich, nur dass es sich diesmal um ein und denselben Menschen handelt.

|ENDE SPOILER|

Hat es sich die Autorin mit dieser Täterfigur zu einfach gemacht? Der Verdacht könnte aufkommen. Doch sie führt das Konzept konsequent durch, und da es seit Jahren Fallstudien von DIS-Opfern gibt, kann man ihr zu große Fantasie oder fiktionale Freiheit nicht vorwerfen. Es ist der Leser, der umdenken sollte. Außerdem will die Autorin etwas beweisen. Sie will darstellen, wie sich die Vorstellung einer „Bestie“, eines Raubtiers (= „Predator“ im Originaltitel) auf Menschen anwenden lässt.

Benton und Scarpetta untersuchen in ihrem Geheimprojekt „Bestie“ genau diese Frage. Ab wann ist ein Mensch eine Bestie – ist das überhaupt eine objektiv qualifizierbare Kategorie oder nur moralischer Subjektivismus? Die Autorin als gewiefte Fallenstellerin zeigt in einer höchst ironischen Weise, wie sehr sich die beiden Wissenschaftler – beide sind ja Rechtsmediziner – irren und hereinlegen lassen. Ihre Methoden für die Probandenbeschaffung sind ebenso naiv wie die für ihre Untersuchungen. Ja, diese Untersuchung selbst wird von Basil Genrette benutzt, um ihnen zu entkommen (einer der Höhepunkte des Buches).

Hinter dieser Ironisierung verbirgt sich die geharnischte, ernst gemeinte Kritik der Autorin an diesen Methoden, an den Wissenschaftlern, die sie anwenden, und noch viel mehr an den falschen Konzeptionen und Ideen, die die Wissenschaftler leiten. „Bestie“, so der zu ziehende Schluss, ist also keine objektive Größe, sondern etwas, das in den Untersuchungsgegenstand, den Killer Hineingedachtes, mithin also etwa völlig Unwissenschaftliches.

|Identität, Realität, Wahrheit|

Der Prüfstein für diese Haltung der Autorin muss der DIS-leidende Killer sein. Er begeht reihenweise Morde in Florida und Massachusetts, und wer weiß, wie lange schon. (Und wer sich fragt, wie er an die Daten von Scarpetta & Co. herankommt, der denke einmal über Joe Amos‘ Freundin Jan Hamilton nach.) Unversehens wird aus dem Killer ein Opfer, und als die ursprüngliche Identität bekannt wird, solche man als Ermittler und Leser Mitgefühl verspüren: für das missbrauchte zwölfjährige Mädchen.

Dass der Killer mehrere Persönlichkeiten hat, stellt die Ermittler vor ein weiteres Problem: Was ist die Natur der Wirklichkeit, und kann es so etwas wie Wahrheit geben? Wenn Wirklichkeit darin besteht, was die Daten uns sagen, so sind wir verloren. Das findet Marino heraus, ein John McClane auf einer Harley Davidson. Eine weitere Schicht der Realität enthüllen Chemikalien wie Luminol: Es zeigt Blutspuren an, aber auch „falsche Positive“ – Kupfer beispielsweise. Merke: Die Realität ist so irreführend und flirrend wie die Wahrheit. Wir machen sie uns alle selbst. Genau wie unsere „Bestien“.

|Die Sprecherin|

Wieder einmal macht Franziska Pigulla aus einem mittelmäßigen Buch der Cornwell ein Hörerlebnis, an das man sich noch gerne erinnert. Dabei ragen mehrere Figuren, die sie ausgezeichnet charakterisiert, heraus. Am meisten im Gedächtnis ist mir Pete Marino geblieben. Er redet mit einer tiefen grollenden Stimme, bei der man sich fragt, wie die Pigulla sie wohl hinkriegt. Er ist auch der Einzige, der so etwas wie Humor in die Handlung einbringt.

Marinos Macho-Stil steht im Gegensatz zu Angebertypen wie Joe Amos, dem hinterlistigen Basil Genrette und dem distinguierten Benton Westley. Es gibt aber einen Typen, der wesentlich furchteinflößender als Marino und Genrette zusammen wirkt: Hand of God als Gefängniswärter von Ev Christian. Er klingt mit seiner tiefen Tonlage gehässig und boshaft, insgesamt also bedrohlich.

Aber auch auf der weiblichen Seite der Figurenliste lassen sich schöne Unterschiede feststellen. Das Gegenstück zu Marino ist seine Ex, die Polizistin Reba Wagner. Sie ist aber eine ehrliche Haut, im Gegensatz zu Stevie, Lucys One-Night-Stand, und zu Jan Hamilton, Joe Amos‘ Freundin. Diese beide Herrschaften setzen mit voller Absicht verführerische Untertöne in ihrer Stimme ein, denen weder Mann noch Frau lange widerstehen können. Es gibt aber auch eine befehlende Frau im Reigen: Gott höchstpersönlich, so wie Hand-of-God sie sieht.

Schließlich sind da noch die ganz schwachen Frauen. Mrs. Simister tritt gleich zweimal auf, einmal heiser und gebrechlich wie ein altes Großmütterchen, dann aber auch als grantige Nachbarin der Familie Christian. Dass sie aus Polen stammt, versucht die Sprecherin mit einem Akzent darzustellen, der mich stark ans Jiddische erinnert hat. Die Allerschwächste ist hingegen die gefangene Ev Christian. Sie haucht, fleht und keucht zum Steinerweichen. Aber „Gott“ zeigt ihr einen Ausweg aus ihrem Martyrium.

Es gibt bei dieser Hörbuchproduktion weder Geräusche noch Musik, nicht einmal Intro und Outro, so dass ich darüber keine Worte verlieren muss. Aber man fragt sich doch, warum dann die sechs CDs so teuer sind (bei |amazon.de| übrigens um satte zehn €uro billiger zu bekommen).

_Unterm Strich_

Der Thriller ist von bei Cornwell gewohnter Güte und lässt den Leser lange Zeit rätseln, wie all die Morde und anderen seltsamen Ereignisse miteinander zusammenhängen. Sie führen schließlich zu einer recht brenzligen Situation, die potentiell tödlich für Scarpetta und Benton ist. Doch meine Enttäuschung war groß, als die Autorin es besser fand, auf die Darstellung der zwangsläufig folgenden Actionszene zu verzichten. Vordergründige Action will sie nicht, sondern vielmehr tiefschürfende Ermittlungen, die zielführend sind, sonst nichts. Dies also kein Roman für Freunde von „Stirb langsam“. Vielmehr sind Leser von Val McDermid und Karin Slaughter angesprochen.

Die Sprecherin Franziska Pigulla ist der entscheidende Faktor, der aus dem weitverzweigten, möglicherweise etwas verwirrenden Plot so etwas wie ein reales Szenario schafft, indem sie die meisten Figuren zum Leben erweckt. Seltsamerweise gelingt ihr dies mit Kay Scarpetta nicht, so dass es keine echte Hauptfigur gibt. Auch Benton Westley taugt nicht zum Helden – das ist noch am ehesten Pete Marino, der Privatschnüffler auf der Harley Davidson. Er ist auch der einzige, der für etwas Humor in der Geschichte beiträgt, und das weiß die Sprecherin sehr gut hervorzuheben.

|Schwächen:| Ein Tippfehler im Klappentext des Hörbuchs: Es muss statt „Pete Marion“ besser „Pete Marino“ heißen.

|Originalttel: Predator, 2005
Aus dem US-Englischen übersetzt von Karin Dufner
406 Minuten auf 6 CDs|
http://www.hoffmann-und-campe.de

Douglas Adams – Per Anhalter ins All (Hörspiel)

Die Antwort lautet „42“

Dieses Hörbuch bietet die Handlung der ersten zwei Romane „Per Anhalter durch die Galaxis“ und „Das Restaurant am Ende des Universums“. Das sind nach allgemeiner Ansicht sowieso die besten Teile der fünfteiligen Trilogie.

Der Autor

„Douglas Adams hasste das Schreiben“, wie uns sein Freund Ken Follett verriet. Dennoch wurde er ausgerechnet mit den fünf Romanen seiner Anhalter-Trilogie weltbekannter Kultautor. Aus der Trilogie wurden nicht nur die anfänglichen BBC-Hörspiele von anno 1978, sondern auch Schallplatten, Filme und Handtücher (die Kausalität ist wie immer arbiträr und rein zufällig).

Er starb viel zu früh im Jahr 2001 vor der Fertigstellung eines neuen Romans, der posthum in dem Sammelband „Lachs im Zweifel“ (|Heyne|) abgedruckt wurde.
Douglas Adams – Per Anhalter ins All (Hörspiel) weiterlesen

Michelle Paver – Wolfsbruder (Chronik der dunklen Wälder 1)

Die Wälder vor 6000 Jahren erstrecken sich von einem Ende der Welt zum anderen, voller lebendiger Seelen – außer einer … Der zwölfjährige Torak erhält von seinem sterbenden Vater den Auftrag, den Berg des Weltgeistes zu suchen. Nur so kann die böse Macht aufgehalten werden, die in den Wäldern für Angst und Schrecken sorgt.

Zusammen mit einem jungen Wolf macht sich Torak auf den Weg, um seine gefahrvolle Aufgabe zu erfüllen. Er stößt auf Feinde, doch zum Glück findet er in Renn auch eine verlässliche Freundin. Nur gemeinsam kann es ihnen gelingen, die Prophezeiung vom Auftrag des „Lauschers“ erfüllen.

Die Autorin

Michelle Paver – Wolfsbruder (Chronik der dunklen Wälder 1) weiterlesen

Jo Nesbö (Nesbø) – Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang. Oder auch nicht … (Lesung)

Doktor Proktor:

1) „Doktor Proktors Pupspulver“
2) „Doktor Proktors Zeitbadewanne“
3) „Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang. Oder auch nicht …“

Skurril, aber gefährlich: Invasion der Mondchamäleons

Ganz Norwegen ist von einem bösen Kapellmeister hypnotisiert worden. Ganz Norwegen? Nein, Lise und Bulle nicht. Sie haben aber das bestimmte Gefühl, dass ihr Kunstlehrer, der mit Vorliebe Insekten verspeist, in die rätselhafte Sache verwickelt ist.

Die wenden sich ratsuchend an ihren Freund Doktor Viktor Proktor. Doktor Proktor ist ein verrückter Professor. Na ja, beinahe vielleicht – eigentlich ist er ja ein genialer Erfinder. Er berichtet, dass es sich um Mondchamäleons handeln muss – über ihre Existenz gab es schon 1969 Gerüchte. Sie tarnen sich wie Chamäleons, kommen aber vom Mond. Ja, um was zu tun? Sie klauen Socken, naja. Aber was haben sie vor? Und wieso will der Kapellmeister, der nun Präsident geworden ist, unbedingt Dänemark und den Rest der Welt angreifen? Da hat Bulle (wieder mal) eine seiner „Ideen“. O nein, denkt Lise.

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 8 Jahren.
Jo Nesbö (Nesbø) – Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang. Oder auch nicht … (Lesung) weiterlesen

Kim Stanley Robinson – Geschöpfe der Sonne. Erzählungen

Einfallsreich und bewegend: Mit der Armada nach Hiroshima

„Geschöpfe der Sonne“ ist die erste Sammlung mit Geschichten des vielseitigen Science Fiction Autors Kim Stanley Robinson. Sie enthält eine wichtige preisgekrönte Story mit dem Titel „Schwarze Luft“, die seinerzeit sogar Storys von William Gibson von den ersten Plätzen verdrängte. Diese Geschichten entstanden in einem Zeitraum von zehn Jahren, wie der Autor in seiner Einleitung schreibt. In ihnen mischen sich Elemente aus Science Fiction, Fantasy und Kriminalerzählung.
Kim Stanley Robinson – Geschöpfe der Sonne. Erzählungen weiterlesen

Andreas Eschbach – Perfect Copy – Die zweite Schöpfung

Ein Klon, aber doch kein Spider-Man!

Sind menschliche Klone irgendwelche Monster, die zu Spezialzwecken gezüchtet werden? Dass Klone auch Menschen wie du und ich sein können, macht Eschbach in diesem Jugendroman deutlich. In einer fesselnden, humorvollen und anrührenden Geschichte berührt er Fragen, die nach dem fragen, was uns zu Menschen macht und worin eigentlich das Verbrechen des Klonens bestehen soll.

Der Autor

Andreas Eschbach – Perfect Copy – Die zweite Schöpfung weiterlesen

Lee Child – Der Bluthund (Jack Reacher 22)

Drogenschnüffler wider Willen

Der ehemalige Militärpolizist Jack Reacher entdeckt zufällig bei einem Pfandleiher einen Abschlussring der Militärakademie West Point. Warum trennt sich jemand von einer so hart errungenen Trophäe? Einem Impuls folgend beschließt er, die ursprüngliche Besitzerin aufzuspüren und ihr diese Auszeichnung zurückzubringen.

Doch der Ring ging bereits durch viele Hände, und plötzlich befindet sich Reacher im Netz einer kriminellen Organisation mit Verbindungen in die höchsten Kreise der Gesellschaft. Ein Preis wird auf seinen Kopf ausgesetzt, Killer heften sich an seine Fersen. Es gibt eben Leute, mit denen man sich nicht anlegen sollte – zum Beispiel mit Jack Reacher! (Verlagsinfo)
Lee Child – Der Bluthund (Jack Reacher 22) weiterlesen

Alexander, Lloyd – Turmfalke, Der (Westmark-Trilogie 2)

_Krieg ist wie Picknick, nur länger_

Die Westmark-Trilogie in nach den „Prydain-Chroniken“ um Taran ein weiterer interessanter Zyklus von Lloyd Alexander. Die Neuausgabe erscheint bei |Bastei Lübbe| in einer schönen Aufmachung im Taschenbuchformat. Der Schauplatz ist diesmal nicht ein Fantasy-Wales aus grauer Vorzeit, sondern eher das 17. oder 18. Jahrhundert irgendwo in Europa. „Der Turmfalke“ setzt das Geschehen aus „Der Setzerjunge“ direkt fort.

Theo reist im Auftrag der neuen Königin Augusta durch das Königreich Westmark und lernt viel Neues über das Land. Die Armen werden von den Adligen ausgebeutet. Zwei Dinge überraschen ihn: ein Pistolenschuss, der seine Brust trifft – und der Ausbruch des Krieges mit dem Nachbarkönigreich Regia.

_Der Autor_

Lloyd Alexander, geboren 1924, ist der Autor der „Chroniken von Prydain“, des Taran-Zyklus‘. Ähnlich wie bei Tolkien, der mit „The Hobbit“ (1937) zunächst eine Fantasy für Kinder schrieb, beginnt auch Alexander mit einer leichtfüßigen Kinder-Fantasy, um dann jedoch schnell auf tiefere, dunklere Themen sprechen zu kommen.

Die Westmark-Trilogie, die der |Bastei-Lübbe|-Verlag mit „Der Setzerjunge“ beginnt, ist ebenso abenteuerlich, hat aber weitaus mehr politische Untertöne: Sie spielt in einem Phantasieland, das auf dem technischen Stand des 17. bis 18. Jahrhunderts ist und über ein Feudalsystem beherrscht wird. Der erste Band wurde laut Verlag mit dem |American Book Award| ausgezeichnet.

Die Westmark-Trilogie:
1. [Der Setzerjunge 760 (09/2004)
2. Der Turmfalke (01/2005)
3. Die Bettlerkönigin (02/2005)

_Handlung_

Im Vorgängerband gelang dem Freundespaar Theo, dem Setzerjungen, und Bohnenstange, der verloren gegangenen Prinzessin Augusta, die Palastrevolution. Sie ist mittlerweile die Thronfolgerin und er der designierte Prinzgemahl. Sobald Augustas Vater, der König, gestorben ist, werden sie zusammen das Königreich Westmark regieren. Die Prinzessin gibt Theo den Auftrag, das Land erkunden, um herauszufinden, wie die Dinge dort stehen. Sie will nämlich das Land reformieren.

Nun hat sich Theo umgesehen, und sein Fazit fällt ziemlich negativ aus. Die korrupten und moralisch verkommenen Adligen nutzen ihre in Generationen erworbenen oder geraubten Privilegien dazu aus, die eh schon arme Landbevölkerung noch weiter auszubeuten. Was Theo nicht ahnt: Augusta will diese Privilegien in Rechte auf gesetzlicher Grundlage umwandeln, aber das hat Adlige wie den Baron Montmollin in das feindliche Lager getrieben.

Montmollin und der Oberbefehlshaber des Heeres haben sich mit dem Königreich Regia verbündet, um Westmark zu erobern und ihre Machtstellung dort auszubauen. Herzog Konrad von Regia ist nur zu gern dazu bereit. Sobald er Westmark in der Hand hat, wird er die Verräter aufknüpfen lassen. Schließlich kann man ihnen nicht vertrauen, oder? Der junge König von Regia, Konstantin, wird nicht nach seiner Meinung gefragt. Er findet Krieg einfach nur aufregend. Deshalb spielt er so gern mit Zinnsoldaten. Der Krieg in Westmark dürfte höchstens ein paar Wochen dauern, denken die Regianer.

Als Theo, der gerade in einem Landgasthaus in der Provinz logiert, die Nachricht erreicht, dass der König gestorben sei, bricht er sogleich auf, um seiner „Bohnenstange“ beizustehen. Im Gasthaus hat er einen der Untergrundkämpfer aus Freyborg wiedergetroffen, doch mit den Leuten des Rebellenführers Florian will Theo vorerst nichts zu tun haben. Er will mit der Prinzessin das Land auf friedlichem Wege reformieren. Doch ein unerwarteter Schuss aus der Pistole eines Schergen der Verräter setzt seinem Weg ein jähes Ende. Die Rebellen retten ihn aus der Lebensgefahr und bringen ihn in die Hügel, wo sie ihr Lager aufgeschlagen haben. Theo fragt sie, was sie hier wollen. Ihr Anführer Justin sagt, dass etwas im Busch sei.

Was da im Busch ist, ist die regianische Invasion. Doch sie verläuft ganz anders als geplant. Denn Bohnenstange hat sich aus dem Palast geschlichen, um ihren Freund Theo zu suchen. Und als sie an der wichtigsten Brücke über den Fluss Carla angekommen ist, da sieht sie die geschlagenen Fußtruppen über die Straße und die Brücke strömen. Es sind hauptsächliche Deserteure. Aber ehrenhafte Deserteure, denn nicht sie haben ihre Offiziere verraten, sondern die Offiziere sind zum Feind übergelaufen, und bei diesem Hochverrat wollten die Soldaten nicht mitmachen.

Bohnenstange gibt sich als die neue Königin zu erkennen und übernimmt das Kommando über den führungslosen Haufen. Verfolgt von der Vorhut der Regianer, fliehen die Westmarker über die Brücke. Bohnenstange lässt die Brücke in einem tollkühnen Manöver in die Luft jagen. Der Weg nach Karlsbruch ist den Regianern nun versperrt. Schon bald müssen sie feststellen, dass sie sich zwischen zwei Fronten befinden: Bohnenstanges Truppen auf der einen Seite und die Rebellen in den Hügeln auf der anderen.

Dieser Krieg scheint kein Picknick zu werden, sondern könnte im Gegenteil ziemlich lange dauern.

_Mein Eindruck_

Nach dem eher heiter-ironischen Geplänkel im ersten Band geht es in der Fortsetzung richtig heftig zur Sache. Obwohl sich Theo und Bohnenstange einen friedlichen Wandel gewünscht hätten, so haben sich doch die politischen Kräfte in Westmark gegen sie verschworen. Es gibt Krieg, und zwar nicht den Krieg der Schlachten, in denen Armeen aufeinander eindreschen, sondern den Krieg der Partisanen, die die regianischen Invasionstruppen vom Nachschub abschneiden und sich so mit Proviant und Munition versorgen.

Doch schon bald wendet sich der Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Die Regianer besorgen sich ihren Proviant bei den Einheimischen und wer aufmuckt, wird aufgeknüpft. Das hat zur Folge, dass die Partisanen ständig neuen Zulauf bekommen, aber es reicht nicht für die offene Feldschlacht. Die Ernte fällt aus, weil keiner mehr sät und pflügt. Der Krieg wird für die Regianer immer teurer, doch es gibt lange keinen Durchbruch, denn auch die Truppen der Königin liefern keine Feldschlacht, sondern räumen eine Stadt nach der anderen. Bohnenstange sind lebende Soldaten lieber als heldenhafte, aber tote.

|Kein Taugenichts|

Theo steckt bei den Rebellen mittendrin und er steigt bis zum Truppenkommandeur auf: Er gibt sich den Decknamen „Turmfalke“, daher der Buchtitel. Theo ist, obwohl eine Vollwaise, ein aufgeweckter Bursche, der trotz seiner Jugend schon über ein ausgebildetes moralisches Gewissen verfügt. Diese Ansichten, die im 1. Band immer wieder auf die Probe gestellt wurden, hat er sich einerseits aus den gelehrten Büchern von Lehrmeister Antons Bibliothek angelesen, andererseits auch immer wieder mit seinem Lehrmeister und Mentor diskutiert.

|Absolutismus|

Dazu gehören Grundsätze, die für uns seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert selbstverständlich geworden sind. Doch zu Theos Zeiten ist das herrschende Gesellschafts- und Regierungsystem der absolutistische Feudalismus: Alles muss nach der Pfeife des Königs tanzen – oder zumindest nach der seines Premierministers. Die Königin hat leider nichts zu melden, und der Leibarzt des Königs, ein rechtschaffener Freidenker, wurde vom Hofe verbannt. Nun muss Dr. Torrens als neuer Premierminister zu seinem Bedauern die Freiheit von Presse und Buchdruckern einschränken, um die Moral im Lande aufrechtzuerhalten. Wie stets gilt auch hier: Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst.

Die Zustände in Westmark und Regia erinnern stark an die französischen Verhältnisse im 17. und 18. Jahrhundert. Natürlich versucht der Autor in seinem Jugendroman keine Gesellschaftsanalyse, geschweige die Schilderung einer Revolution. Vielmehr dürften sich die jungen amerikanischen Leser, an die sich dieses Buch zunächst richtete, an die Zeiten vor dem Unabhängigkeitskrieg erinnert fühlen, also an die Kolonien vor 1776. Die Leser dürften wie ihre Vorväter die Abschaffung des unterdrückenden Systems herbeigesehnt haben.

|Etwas Neues|

In „Der Turmfalke“ sitzen sich schließlich die siegreichen Anführer gegenüber: die Königlichen einerseits, Florian mit seinen Partisanen andererseits. Theo sitzt irgendwie zwischen den Stühlen. Sie baldowern aus, welche Staatsform Westmark künftig haben soll. Florian kassiert alte Schulden bei Theo, Bohnenstange macht wie immer unkonventionelle Vorschläge. Die Revolution findet im Sitzungssaal statt. So könnte es auch seinerzeit 1783 nach dem Sieg der amerikanischen Rebellen über die englischen Kolonialherren in Philadelphia ausgesehen haben. Man hatte sich eine Regierungsform zu geben. Und man gab sich etwas, das es seit über 2000 Jahren nicht mehr gegeben hatte: eine Demokratie.

|Fantasy? Welche Fantasy?|

Der Leser darf sich zu Recht fragen, warum dieser Jugendroman in einer Fantasyreihe erscheint. Bislang sind nämlich weder Zauberer noch Ritter noch irgendwelchen Wunderwesen aufgetreten – und das ändert sich auch in Band 2 nicht. Aber wenigstens gibt es einen – nicht ganz genau definierten – kulturellen und geschichtlichen Hintergrund, der wie für ein Märchen geschaffen ist. Der Schauplatz könnte irgendwo in den USA oder in Westeuropa liegen. Die Namen sind englisch, französisch, sogar deutsch und italienisch. Es ist eine Schnittmenge, die sich der Autor aus dem 18. Jahrhundert zusammengesucht hat. Der Vorteil für den jungen amerikanischen Leser: Er braucht sich nicht in der verworrenen Geschichte Europas auszukennen, um das Buch verstehen zu können, bekommt aber dennoch einen zutreffenden Eindruck davon, wie es damals zuging.

|Humor|

Da viele dieser kriegerischen Vorgänge ziemlich ernster Natur, gibt es einen auffallenden Mangel an Humor. Doch wie Shakespeare selbst in „Hamlet“ und „King Lear“ komische Elemente durch Nebenfiguren eingeführt hat, so lässt auch der Autor Lloyd Alexander bislang eher unscheinbar gewesene Figuren auftreten. Spatz und ihr Bruder Wiesel sind Wasserratten, die als Waisenkinder am Hafen aufwuchsen und nun von dem Journalisten Keller in seine Obhut genommen werden. Sie lieben ihn dafür. Sie sind unbedarft und naiv, völlig ohne Ausbildung. Deshalb bringt er ihnen Lesen und Schreiben bei.

Doch eines Tages schickt der Premierminister Dr. Torrens Keller mit einem geheimen Auftrag zum Anführer der Rebellen, Florian. Nun sind Spatz und Wiesel plötzlich allein, aber das lässt sich ja leicht wieder ändern. Sie müssen bloß herausfinden, in welchen Krieg Keller gezogen ist. (Wiesel weiß nicht mal, was ein Krieg ist. Spatz erklärt es ihm. Aha, denkt Wiesel: Krieg ist wie Picknick, nur länger.) Am besten fragen sie mal den Torwächter, welcher Krieg wohl in Frage käme. Doch der Torwächter nimmt sie auf den Arm. Wütend zieht Spatz mit ihrem Bruder allein los. Die beiden werden noch eine wichtige Rolle spielen. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ein König von zwei kleinen Wasserratten gefangen genommen wird.

_Unterm Strich_

In den „Chroniken von Prydain“ siedelte der Autor seine humorvollen Helden-Geschichten noch im mythisch-überzeitlichen Raum an. In der Westmark-Trilogie verlegt er den Schauplatz der Story in den geschichtlichen Raum, obwohl weder Zeit noch Ort ganz genau festzumachen sind. Wozu andere Kriegsbuchautoren sechshundert oder noch mehr Seiten brauchen, das schafft Alexander mit nur 270 Seiten: eine spannende Handlung mit interessanten, sich entwickelnden Figuren zu erzählen und dabei jede Menge kluger , wenn auch bitterer Erkenntnisse über Krieg, Rebellen, Politik und Wahrheit einfließen zu lassen.

Diese Kombination hat mich überzeugt, die Westmark-Trilogie weiterzuempfehlen. Die Leser sollten mindestens 14 Jahre alt sein, denn es geht mitunter doch recht blutig zu.

|Die Übersetzung|

… ist Rainer Schumacher gut gelungen, doch der Korrektor, sofern vorhanden, hat ihm einige Streiche gespielt. Immer wieder finden sich Druckfehler. Auf Seite 47 heißt es zum Beispiel „Man spuckt ich aus“ statt „man spuckt ihn aus“. Auf Seite 124 heißt es „die Gefangen“ statt „die Gefangenen“. Auf Seite 92 findet sich eine Konstruktion, die so verdreht ist, dass ich mir nicht mal vorstellen kann, wie sie richtig lauten könnte. Aber das sind nur die offensichtlichsten Fälle. Es gibt noch eine Reihe weiterer, aber die aufgezählten sollen genügen, um klar zu machen, dass sich das Niveau der Textqualität noch steigern ließe.

|Originaltitel: The Kestrel, 1982
270 Seiten
Aus dem US-Englischen von Rainer Schumacher|

Stephan Harbort – Phänomen Serienmörder: Blaubeer-Mariechen

Mogelpackung: Kriminalfall mit Predigt

Der Kriminalkommissar berichtet in seiner Hörbuchserie „Phänomen Serienmörder“ authentische Kriminalfälle aus der deutschen Kriminalgeschichte. In der Folge „Blaubeer-Mariechen“ wirkt die Serientäterin wie das nette, rundliche „Muttchen“ von nebenan, das keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Doch in den Verhören auf dem Polizeirevier kommt die dunkle Seite von Maria Horn ans Licht …

_Der Autor_

Stephan Harbort – Phänomen Serienmörder: Blaubeer-Mariechen weiterlesen

Conn Iggulden – Die Tore von Rom (Imperator 1)

Julius Caesar, der junge Held: Actionreiche Abenteuer im alten Rom

Rom im ersten Jahrhundert vor Christus: Auf einem Landgut nahe der Stadt unterwerfen sich zwei Patriziersöhne einem unmenschlich harten Drill. Eines Tages nämlich sollen Gaius Julius Caesar und sein Freund Marcus Brutus unbesiegbare Soldaten und mächtige politische Anführer sein.

Doch viel zu früh endet die Ausbildung der beiden Jungen: Aufständische Sklaven verwüsten ihr Zuhause und zwingen sie zur Flucht nach Rom. Doch auch dort finden Gaius und Marcus keinen Frieden. Denn sie geraten in ein tödliches Netz aus Intrigen und offenen Machtkämpfen. Das Reich droht in einem blutigen Bürgerkrieg zu zerbrechen! (Verlagsinfo)

Conn Iggulden – Die Tore von Rom (Imperator 1) weiterlesen

Michael Connelly – Die Frau im Beton. Ein Harry-Bosch-Krimi

Solide Wertarbeit für spannende Unterhaltung

Vor vier Jahren hat Detective Harry Bosch einen vermeintlichen Serienmörder erschossen: den „Puppenmacher“. Nun bringt ihn die Witwe wegen Mordes vor Gericht. Kaum hat der Prozess begonnen, wird die Polizei mit einem anonymen Brief im Stil des „Puppenmachers“ auf eine einbetonierte Frauenleiche aufmerksam gemacht. Dieser Fund lässt es zweifelhaft erscheinen, dass der als „Puppenmacher“ Erschossene tatsächlich der Mörder gewesen sind.

Michael Connelly – Die Frau im Beton. Ein Harry-Bosch-Krimi weiterlesen

Alan Garner – Treacle Walker, der Wanderheiler

„Knochen, Lumpen und Papier! Reibstein und Geschirr, das gibt der Lumpensammler dafür!“ Als der junge Joseph diesem Ruf von seinem Fenster folgt, steht vor seiner Tür ein fahrender Händler mit dem Namen Treacle Walker, sowie sein Karren, auf dem er mit einer Kiste voller mysteriöser Gegenstände durch die englischen Lande zieht. Und so beginnt ein phantastisches Abenteuer voller magischer Begegnungen. (Verlagsinfo)

Der Autor
Alan Garner – Treacle Walker, der Wanderheiler weiterlesen

Frank Herbert – Auge. Erzählungen

_Einheit von Storys und Bildern_

„Auge“ ist eine Sammlung von illustrierten Kurzgeschichten des Erfinders des „Wüstenplaneten“ und bietet einen repräsentativen Querschnitt durch Herberts Werk als Ehrung und Erinnerung an ihn: Denn am 11. Februar 1986 starb der Science-Fiction-Autor an den unerwarteten Komplikationen nach einer vorsorglichen Krebsoperation.

_Der Autor_

Frank Herbert (1920-1986) wuchs im Nordwesten der USA auf, arbeitete als Reporter und Wahlkampfhelfer, bevor und während er ab 1952 seine ersten SF-Storys veröffentlichte, denen 1956 der erste Roman „Dragon in the Sea“ folgte. 1963 -1965 wurden seine Storys um den Wüstenplaneten Arrakis in „Astounding“ publiziert, doch um seinen daraus aufgebauten Roman „Der Wüstenplanet“ unterzubringen, musste Herbert erst 20 Ablehnungen kassieren, bevor es ihm 1965 gelang, den Verlag |Chilton Book Co.| zu gewinnen, der mehr für seine Autoreparaturratgeber bekannt war. Die DUNE-Saga umfasste schließlich sechs Romane aus Frank Herberts Schreibfabrik, von denen die ersten drei verfilmt worden sind. Herbert schrieb neben 20 anderen SF-Romanen auch einen interessanten Non-SF-Roman namens „Soul Catcher“, der noch nicht übersetzt worden ist.

Die DUNE-Saga:

1) [Der Wüstenplanet 1662 (1965)
2) [Der Herr des Wüstenplaneten 1637 (1969)
3) [Die Kinder des Wüstenplaneten 1634 (1976)
4) Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (1981)
5) Die Ketzer des Wüstenplaneten (1984)
6) Die Ordensburg des Wüstenplaneten (1985)

_Inhalte_

Der Herausgeber hat die Geschichten jeweils mit genauen Angaben zur Erstveröffentlichung versehen und in zeitlicher Reihenfolge sortiert. Die Auswahl hingegen erfolgt noch durch Herbert selbst, der das Erscheinen der US-Ausgabe noch erleben konnte. Durch den engen Kontakt, den Herbert und der bekannte Illustrator Jim Burns pflegten, entstanden realistische, eng an den jeweiligen Text angelehnte Schwarzweiß-Illustrationen.

Einen Höhepunkt dieser Arbeiten stellt sicherlich der Bilderzyklus „Auf dem Wüstenplaneten“ dar. Der nach den Illustrationen geschriebene Text dieses Kapitels (keine Story!) steht umschreibend neben der Hauptsache, dem Bild. Zu sehen sind auf diesem „Rundgang“ die Palastanlagen in Arrakeen, der Tempel Alias, ein Außenpanorama – vor allem aber mehrere Figuren aus den Romanen: Prinzessin Irulan, hier tituliert als „Mua’dibs jungfräuliche Gefährtin“ (?!), daneben auch Duncan Idaho und eine hohe Vertreterin des Bene-Gesserit-Ordens, Gaius Helen Mohiam.

Die zwölf Geschichten selbst sind von unterschiedlicher Qualität und oftmals von politischer Thematik. Ein Beispiel sei herausgegriffen. „Der Drache in der See“ ist die Vorlage zu Herberts erstem Roman „Atom-U-Boot 1181“ („The Dragon in the Sea“). Darin geht es recht spannend um die Frage, wie ein Kapitän eines Schiffstyps mit solcher Vernichtungskraft ethisch angemessen oder rechtfertigbar handeln kann. Am Ende der Geschichte bricht der Spannungsbogen leider abrupt ab. Wer wissen will, wie es weitergeht, muss sich den entsprechenden Roman im Antiquariat kaufen.

Eine gewisse Entschädigung bildet die Einführung zu dieser Sammlung. Herbert liefert hier interessante Hintergrundinformationen zur Filmproduktion von „DUNE – Der Wüstenplanet“ aus einer eigenen Sicht. Dazu gehört eine Detailliste von herausgeschnittenen, bereits fertig gedrehten Szenen. Sie und andere Szenen machen etwa drei Fünftel des Gesamtmaterials aus! Inklusive dieses Materials hätte es der Film auf eine Gesamtlänge von rund 5 Stunden gebracht. Leider wurde die damit anvisierte TV-Mini-Serie nie realisiert. Dies gelang erst Ende 2000 mit völlig anderen Darstellern. Diese DUNE-Version fand im Januar 2001 ihren Weg ins deutsche Fernsehen (|Pro7|).

Porträts des Autors, des Illustrators und weitere Erklärungen zu den Illustrationen runden die ganze Ausgabe ab. Das trägt zu einer selten anzutreffenden Geschlossenheit dieser Buchproduktion bei. Zahlreiche Geschichten dieser Sammlung sind nochmals in der Kollektion „Der Tod einer Stadt“ wiederzufinden (ebenfalls bei |Heyne|), die wesentlich umfangreicher ist.

_Unterm Strich_

Zweifellos handelt es bei diesem Buch um ein Sammlerstück. Für nur 12 Storys ebenso viele Markstücke hinzulegen, war schon 1987 recht teuer. Aber es lohnt sich: So eine geschlossene, wertvolle Buchausgabe von einem der wichtigsten Science-Fiction-Autoren und dem bestbezahlten Science-Fiction-Illustrator kommt niemals wieder.

|Originaltitel: Eye, 1985
Aus dem US-Englischen übertragen von Ronald M. Hahn
Zahlreiche Illustrationen von Jim Burns|