Alle Beiträge von Tobias Schäfer

Cory Doctorow – Backup



Ein langes Leben?
Ein langes gesundes Leben?
Ein langes gesundes Leben ohne Krankheit?
Ein langes gesundes Leben ohne Krankheit und Tod?
Ein endloses Leben.

Ein Leben aus dem Backup. Keine Gefahr für den Geist und die Seele, Mord sinnlos. Der Körper aus der Retorte mit allen Modifikationen, die man sich wünscht. Zum Beispiel an den Weltraum angepasst oder mit einem zweiten Kniegelenk für den eleganten Schritt oder dem Gesicht eines berühmten Schauspielers (dessen Gesicht wiederum nicht sein eigenes sein muss). Oder alles das – und viel mehr.

Und das Beste: Alles kostenlos! Jedenfalls auf den ersten Blick, denn man ist auf die Achtung seiner Mitmenschen angewiesen, und mit der Achtung steigen die eigenen Whopple-Punkte. Den Punktestand kann jeder Mensch anpingen und entscheiden, ob man es würdig ist, beachtet zu werden oder in welcher Suite eines Hotels man würdig ist zu übernachten oder welche Klonmodifikationen man sich leisten kann.

Das ist die Bitchun-Society. Man legt an entsprechenden Terminals in individuellen Abständen Backups seiner Persönlichkeit an, um im Falle des eigenen Ablebens mit einem möglichst aktuellen Erinnerungsstand wiederbelebt werden zu können. Natürlich kann man auch ältere Backups nutzen, um unangenehme Erfahrungen nicht nur aus dem Gedächtnis, sondern auch aus der Persönlichkeit zu streichen. Sehr praktisch, zum Beispiel wenn man ein Verbrechen begehen will und sich danach an nichts mehr erinnert …

Cory Doctorow sagt von sich selbst, er lebe im Internet. Und so gestaltet sich auch die Geschichte: Es begann als Revolution des Internets. Die Bitchun-Society, die Gesellschaft größten Glücks, entsteht und stürzt die alten Lehrstrukturen an den Universitäten. Das Internet findet in den Köpfen der Mitglieder statt, der Informationszugriff ist optimiert. Daraus entwickelt sich die scheinbar einzig gerechte Währung, die Whopple-Punkte gegenseitigen Respekts und Achtung, in der jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft die gleichen Chancen hat. Grundlage ist natürlich auch die Weiterentwicklung künstlicher Arbeitskräfte, so dass grundsätzlich jeder Mensch der Gesellschaft Zugriff auf alles Lebensnotwendige hat, und zwar in für unseres Verständnis luxuriösen Maßen. Es gibt Arbeiten, die weiterhin von Menschen erledigt werden müssen (wie Putzen oder kreative Programmierung), und die entsprechenden Menschen sammeln mit dieser Arbeit enorme Punkte.

Natürlich gibt es Feinde und Neider dieser Gesellschaft, aber sie hat ein schlagendes Argument: Ihre Gegner sterben aus, während ihre Mitglieder beliebig oft aus einem Backup neu erstellt werden können. Man kann sich trotz der perfekt sozialistisch anmutenden Idee der Whopple-Punkte ausmalen, dass es Betrugsmöglichkeiten in diesem System gibt. Und hinter den Kulissen ist alles viel komplizierter, als sich in wenigen Sätzen sagen lässt. Zentrales Thema des Romans ist zum Beispiel die Langeweile, die bei den fast unsterblichen Mitgliedern der Gesellschaft häufig aufkommt. Man hat schon alles erlebt, jedes Risiko genossen, jede Anstrengung vollbracht, jede Möglichkeit der Entspannung und des Nichtstuns genutzt – was kann einem dann das Leben noch bieten? Man lässt sich einfrieren, um vielleicht in hundert Jahren zu erwachen und etwas Neues zu erleben. Oder ein Computer wacht über die Ereignisse und weckt einen, wenn interessante Neuigkeiten greifbar sind. Oder man lässt sich auf unbestimmte Zeit einfrieren, sagen wir, bis zum Kollaps unseres Universums. Denn das bietet auf jeden Fall noch Unerlebtes.

Was aber passiert mit einem Menschen, der durch Fehlfunktionen seiner Implantate aus dem Netz fliegt? Normaler Weise kann er sich aus einem Backup neu erstellen lassen, aber wenn er die Erlebnisse seit dem Backup nicht vergessen will? Er wird zum Außenseiter, der keinen Zugriff mehr auf die sphärische Kommunikation seiner Mitmenschen hat, sondern auf die normale Sprache angewiesen ist. Dessen Whopple nicht mehr angepingt werden kann, der also völlig vom guten Willen seiner Mitmenschen abhängig ist. Und hinter dessen Rücken man eins-a intrigieren kann, ja, in dessen Beisein man an ihm vorbei kommunizieren und sich über ihn lustig und ihn betrügen kann.

»Backup« ist mit seinen 285 Seiten für heutige Verhältnisse ein erfrischend dünner Roman, dessen flotte Gangart seinem Thema entspricht und Lesevergnügen »in einem Rutsch« liefert. Er ist spritzig, witzig, tiefgründig – uneingeschränkt zu empfehlen.

Originaltitel: Down and out in the Magic Kingdom, 2003
287 Seiten
Aus dem US-Englischen von Michael K. Iwoleit

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 1,33 von 5)

Andreas Eschbach – Die steinernen Schatten (Das Marsprojekt 4)

In nicht allzu ferner Zukunft existiert auf dem Mars eine Siedlung, die Menschen haben eine Art Weltregierung und sind bis zum Asteroidengürtel im Sonnensystem vorgedrungen. In der Marssiedlung gibt es sogar Kinder, die weltbekannten Marskinder, die gerade zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden. Seit Neuestem gibt es ein fünftes Kind: Urs, den Sohn des Siedlungsverwalters Pigrato, gerade frisch von der Erde eingetroffen.

Die Kinder entdeckten unter anderem gigantische Blaue Türme, Artefakte außerirdischer Besucher oder Bewohner des Mars, die der menschlichen Technik bislang unzugänglich bleiben. Doch seit der eine Turm durchsichtig geworden ist und das Bild einer fremden Umgebung zeigt, hat sich die Situation geändert. Scheinbar stellt er eine Passage auf einen fremden Planeten dar und gilt damit als potenzielle Gefahr, da die Außerirdischen durchaus feindlich gesinnt sein könnten. Zumal die Passage bisher nur Carl, dem Ältesten der Marskinder, von einem anderen Marsbereich her möglich war.

Was die Erwachsenen noch nicht wissen, ist, dass inzwischen neue Artefakte aufgetaucht sind. Diese anfangs von Carls jüngerer Schwester Ellin gefundenen »Steine« tragen mittlerweile die Namen der Marskinder Urs, Carl und Ellin, während Arianas Artefakt bei der ersten Berührung zerbröselte. Ronny, der Jüngste der Marssiedler, hat bislang noch kein Artefakt mit seinem Namen entdeckt, dafür gibt es eines für »Curly«. Wer sich dahinter verbirgt, ist bisher unbekannt. Und was die Erwachsenen daher auch nicht wissen, ist, dass diese Artefakte demjenigen, dessen Namen sie tragen, die Passage durch die blauen Türme gestatten. Und natürlich treiben widrige Umstände die Kinder durch dieses Tor, das sich anschließend schließt und den Rückweg verwehrt …

Eschbachs Marsprojekt geht langsam in die finale Phase. Mit diesem vierten liegt der vorletzte Band um die Marssiedlung und ihre Kinder vor. Kinder: Ein teilweise unglücklicher Begriff, wenn man die Zielgruppe im gleichen Alter sucht wie das der jüngsten Marsbewohner. Carl, Ariana und Urs sind inzwischen »beziehungsreif« und damit in einem Alter, in dem man ungern als Kind bezeichnet wird. Für die Welt des Marsprojekts ist es jedoch ein gewachsener Begriff, dem die Betroffenen langsam entwachsen.

Die Spannung steigt. War im ersten Band noch gar nicht von Außerirdischen auszugehen, entwickelte sich über die nächsten Romane die Gewissheit ihrer Anwesenheit, so dass die Marssiedlung zwar noch eine extrapolierte Möglichkeit darstellt, mit dem Verlauf ihrer Geschichte inzwischen aber deutlich fantastische Züge angenommen hat. Wir stellen uns jetzt die Fragen: Wer sind die Aliens, woher kommen sie? Warum kennen sie die Marskinder, und warum gerade jene, die zur Zeit des verschollenen Vaters von Carl schon bekannt waren? Wer ist Curly? Vielleicht der Spitzname für Ellins Mutter. Ellin selbst hat einen Moment lang den vollen Durchblick, doch reißt ihr gedachter Faden im Chaos ihrer Atemnot und verschwindet wieder in die Tiefe ihres Unterbewusstseins. Schade, oder zum Glück, denn so kommen wir in den Genuss des finalen Bandes dieser spannenden Serie.

Streckenweise fragt man sich, ob Eschbach wirklich für die hypothetische Zielgruppe der Teenager schreibt oder ob nicht in Wahrheit seine Fans die Zielgruppe sind. Er verschweigt keineswegs physikalische Zusammenhänge, sondern holt sie auf ein allgemein verständliches Niveau herab, lässt die Kinder als DAU agieren und benutzt Professoren, Präsidenten oder einfach Erwachsene als Decoder für die wissenschaftlichen Erklärungen. Aber Ronny ist etwa 13. Ob all dies für einen hypothetischen Dreizehnjährigen auch verständlich ist, ist schwer einzuschätzen. Wahrscheinlich muss in diesem Fall einfach nur die Geschichte fesseln und fließen, und das tut sie.

Bleibt als Abschluss
nur zu sagen, dass »Die steinernen Schatten« eine schöne, spannende, flüssig und flott zu lesende wunderbar leichte Unterhaltung ist, die hoffentlich auch den Teenies gefällt – warte auf das nächste Jahr zum Finale!

gebunden, 347 Seiten
Originalausgabe

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,33 von 5)

Marcus Hammerschmitt – Der Fürst der Skorpione

Ein paar Jahrzehnte in der Zukunft. Afrika ist die Kornkammer Europas. Genoptimierte Getreidestämme existieren in der Sahara, ertragreicher als die bisherigen Sorten. Diesen Einbruch in die Natur verfolgen afrikanische Nomadenstämme mit Missgunst und attackieren das europäische Vordringen mit rebellischer Gewalt.

Die |Euroforce| wird zum Schutz der Felder und Einrichtungen eingesetzt. Sie ist im Besitz moderner Waffentechnik, darunter gigantische Käfer, die über Neuroports von ebenfalls verkabelten Soldaten gesteuert werden. Die Rebellen haben ihnen wenig entgegenzusetzen, einzig ihre künstlichen Skorpione vermögen die Käfer zu töten. Und mit ihnen sterben auch die Soldaten.

Björn ist einer von ihnen. Bei ihm waren sowohl die Zeit als auch das gefundene Material ausreichend, um ihm ein zweites Leben zu schenken, als so genannter |Zombie|, wie sie von der Normalbevölkerung genannt werden. Eine Neuroportblockade sorgt bei ihnen für widernatürlich langsame Reflexe bei normaler Gehirnleistung, wodurch sie sich eingesperrt und hilflos fühlen. Die dem Zombie Björn anvertraute jugendliche |BLA| entdeckt, wie Zombies bei Fehlfunktion oder Nutzlosigkeit erledigt werden, und entflieht mit Björn aus Europa, natürlich nach Afrika. Und natürlich gelangen sie in die Fänge der Rebellen, wo Björns blockierter Port deaktiviert und damit seine normale Leistungsfähigkeit zurückgewonnen wird.

Björn widmet sich mit Ingrimm der Sache der Rebellen, um sich an der |Euroforce| zu rächen.

Dieser Roman erschien in gebundener Form im |Patmos|-Verlagshaus und stellt sich in ansehnlicher Aufmachung dar: Der stählerne Skorpion, der aus einem dunklen Hintergrund, aus der Verborgenheit heraustritt und über einen rissigen Wüstenboden sein Ziel verfolgt, thematisiert gelungen den Guerillakrieg der Rebellen gegen die übermächtige, technisch überlegene |Euroforce|. Dass dabei dieser Skorpion für den Roman selbst nur eine untergeordnete Rolle spielt, bleibt auch bei der Titelwahl unberücksichtigt. Hammerschmitt hat zwar die Beziehung von Zombie Björn zu diesen Skorpionen herausgearbeitet, indem er Björns ersten Tod mit ihnen verknüpft und ihnen später eine erneute Begegnung spendiert, doch gibt er dem neuen Rebellen Björn mitnichten die Rolle des Fürsten, des Gebieters über die Skorpione oder übertragen über die Rebellen, die ihren Skorpionen gleich hinterhältige Attacken gegen die EF vornehmen. Björn wirkt vielmehr als von allen Seiten missbrauchter Charakter, dem schließlich sein eigener Wahn – der Wunsch nach Rache – die Augen vor den Dingen verschließt, die seiner Umgebung wichtig sind und die als zwischenmenschliche Festigung seines erschütterten Daseins gelten könnten – die Gefühle und Bedürfnisse seiner Kameradin, die ihm überhaupt erst die Befreiung aus dem Überwachungsnetz der EF ermöglichte, sowie sein Wert und sein Ansehen unter den Rebellen, durch die er schließlich als die Waffe, die er für die EF war, gegen sie eingesetzt wird.

BLA dagegen ist nur Mittel zum Zweck. Ihr kommt die Rolle des Auges zu, das die Geschehnisse wahrnimmt und aus einem relativ unabhängigen Blickwinkel betrachtet für den Leser darstellt. Sie befreit Björn, bringt ihn nach Afrika und folgt ihm zu den Rebellen, wo sie miterleben muss, wie er sich von ihr entfremdet und fanatisch nur noch die Ziele verfolgt, die ihm die Führer der Rebellion diktieren. Sie ist das Überbleibsel aus Björns Welt, das sich nicht mit den Rebellen identifizieren kann, für die es aber auch kein Zurück gibt. Ihre Person selbst hat keinen Einfluss auf die Geschehnisse nach Björns Befreiung, und auch der Weg nach Afrika erfolgt eher zufällig als unter ihrem Einfluss. Sie gibt dem Roman eigentlich nichts außer einem gekränkten Blick auf den Wahn in Björns Veränderung sowie eine obligatorische Liebesgeschichte, um ihrem Dasein einen Sinn aufzupfropfen.

Hammerschmitt ergeht sich in untypischen Perspektivenwechseln, meist zwischen Björn und BLA, manchmal so fließend, dass man erst anhand der erhaschten Gedanken merkt, in wem man sich befindet. Damit eröffnet sich Hammerschmitt die Möglichkeit, den Leser als gedankenlesenden Adler über der Geschichte fliegen zu lassen und je nach Bedarf in den Kopf eines Protagonisten einzutauchen, ohne sich auf eine Perspektive festzulegen. Damit vereinfacht er sich die Erzählung einerseits, verwirrt andererseits sein Publikum an manchen Stellen. Der geringe Umfang des Romans macht diesen Kunstgriff allerdings nötig, um auf wenig Platz die wichtigen Erkenntnisse versammeln zu können.

Unterhaltsam geschrieben ist der Roman allemal, wenn ihm auch der entscheidende Funke fehlt, der ihn zu dem Kracher machen könnte, den ein Kommentar von Andreas Eschbach auf dem Buchrücken erwarten lässt.

http://www.patmos.de

Charles Stross – Dämonentor. Die mysteriösen Fälle des Bob Howard

Der Heyne-Verlag deklariert diesen Roman mit dem Schriftzug: »Die große Mystery-Serie«. Sollen wir also davon ausgehen, dass dies der erste Band einer Serie wie »Akte X« ist, wie uns der Umschlag glauben macht? Auf der Autorenhomepage findet sich nur der Hinweis auf den Roman »The Atrocity Archives«, der in England ein großer Erfolg gewesen sei und nun unter anderem ins Deutsche für den Verlag übersetzt wurde. Jedensfalls erschließt sich daraus nicht, ob es zu »Dämonentor« weitere Romane geben wird. Lesen wir ihn also unter dem Gesichtspunkt der Eigenständigkeit.

Bob Howard arbeitet für eine Abteilung des britischen Geheimdienstes, die unter Eingeweihten als »Wäscherei« bekannt ist. Er ist für die Netzwerke und einzelnen Rechner der Einrichtung verantwortlich und integriert sich mit wachsender Beteiligung in den aktiven Außendienst. Dabei kümmert sich die Abteilung um mathematische Grundlagen zur Erschaffung sogenannter Tore zu anderen Universen, durch die je nach Beschaffung Daten oder auch feste Körper transferiert werden können. Die Wäscherei sorgt dafür, dass diese Mathematik der breiten Bevölkerung unzugänglich bleibt, da die außeruniversalen Wesen oft den schlimmsten Alpträumen entsprungen zu sein scheinen und für die Erde die Vernichtung bedeuten könnten, außerdem ist dieselbe Wirkung durch physikalische Einflüsse zu befürchten, wenn die Tore nicht richtig gesichert werden.

Auch in Deutschland ist Charles Stross kein Unbekannter mehr, denn mit seinen drei Science-Fiction-Romanen »Singularität«, »Supernova« und »Accelerando« wurde er regelmäßig für Preise nominiert. Er schreibt mit außergewöhnlichem Stil und mit außergewöhnlichen Ideen und ist schon von daher lesenswert, plus den hohen Unterhaltungsfaktor seiner Geschichten.

Die drei bisher erschienenen Romane waren Science-Fiction, bei »Dämonentor« fällt die Einordnung nicht so leicht. Durch übernatürliche und okkulte Aspekte macht der Verlag keinen Fehler, wenn er das Buch als Mystery führt, allerdings kennt der Protagonist die mathematischen Hintergründe dieser Geschehnisse und nimmt damit diesen »mystischen« Hauch echter unerklärlicher Geschichten.

Der Protagonist ist ein kleiner Computerfreak, der sein Schicksal gelassen sieht. Es hat ihn für immer in die Wäscherei verschlagen, also macht er das Beste daraus und versucht, dem Papierkram der Bürokratie möglichst aus dem Weg zu gehen. Dabei faszinieren ihn die Theorien über Außerirdische, Paralleluniversen und die Praxis dazu stark. Er versucht, über alle für ihn erreichbaren Quellen auf dem aktuellen Stand der Fälle zu sein, dadurch gerät er mit seinen hochbürokratischen Vorgesetzten aneinander. Zu seinem Glück ist ein höheres Tier der Gesellschaft ein Freund von ihm, ein anderer erkennt sein Potenzial und übernimmt ihn.

Howard stellt sein Licht immer unter den Scheffel, außerdem steht er ziemlich weit unten auf der Karriereleiter. Trotzdem wird schnell deutlich, dass er sich ausgezeichnet auskennt und einer der besten und intelligentesten Agenten der Wäscherei ist, auch wenn weder diese noch er selbst das ohne weiteres eingestehen.

Stross lässt seinen Protagonisten Ich-erzählen, wodurch die Ereignisse mit interessanten Kommentaren gespickt werden können. Außerdem kann er ihn die fiktiven technisch-mathematischen Hintergründe seiner Paralleluniversumstheorie erläutern lassen, was dann auf das Wesen des Protagonisten zurückgeführt werden kann und das Mitteilungsbedürfnis des Autors versteckt.

Zum Unterhaltungswert des Buches kann man nur sagen: eins-a. Stross ist ein begnadeter Erzähler, er lässt Bob Howard in ironischer, teilweise fatalistischer Art über seine Arbeit sprechen und spinnt durchweg einen spannenden Erzählfaden. Der Entwurf dieser geheimen Agentenabteilung mit ihren Intrigen, ihrer Bürokratie und der Würze der Charaktere bietet tatsächlich die Grundlage für eine großartige Serie. Bei der Menge heutiger Serien sollte man nur hoffen, dass Stross es nicht übertreibt und sein Potenzial nach ein paar Romanen um Howard auch anderen Projekten zur Verfügung stellt.

Fazit: »Dämonentor« ist trotz des deutschen Titels ein Buch für jedermann, der sich spannender, intelligenter Thrillerunterhaltung mit einem ironischen Spritzer Mystery hingeben will.

Originaltitel: The Atrocity Archives
Aus dem Amerikanischen von Mechthild Barth
Taschenbuch, 400 Seiten

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (14 Stimmen, Durchschnitt: 2,79 von 5)

 

Andreas Brandhorst – Feuerstürme (Kantaki: Graken-Trilogie 2)

Kantaki

Andreas Brandhorst meldet sich nach langjähriger Pause mit eigenen Romanen zurück. Nachdem er sich weitgehend als Übersetzer betätigte und dabei namhafte Autoren wie Terry Pratchet, David Brin oder Scott Westerfeld übersetzte, startete er 2005 mit seiner umfangreichen und komplexen Erzählung über die Zukunft der Menschheit durch, die er durch die mysteriösen »Kantaki« einleiten ließ (siehe »Diamant«, »Der Metamorph« und »Der Zeitkrieg«). Im Herbst 2006 begann nun die neuerliche Reise in die Welt der Kantaki, die mit »Feuervögel« weit in die Zukunft der ersten Trilogie greift und ein gänzlich verändertes Machtgefüge in der Milchstraße zeigt.

Graken

Brandhorst vermeidet es gekonnt, mit den Erkenntnissen der ersten Trilogie die Eigenständigkeit des Graken-Zyklus‘ zu beeinträchtigen. Anspielungen sind natürlich vorhanden, gliedern sich aber in den Hintergrund der Geschichte, die ihren eigenen Charakter besitzt. War »Feuervögel« ein Roman, der ebenso gut hätte für sich stehen können, baut Brandhorst mit »Feuerstürme« auf diesem soliden Fundament seiner umgekrempelten Kantaki-Welt das komplexe Gewebe von Beziehungen, Geschichte, Handlung und Hintergrund weiter aus. Dieser zweite Band des Dreiteilers steht zu Recht in der Mitte und schreit nach seiner Fortsetzung.

Andreas Brandhorst

ist ein Phänomen. Für die beiden Dreiteiler hat er eine Welt entwickelt, die man sich verstrickter kaum vorstellen kann. Anhand seiner Chronik, des Glossars und der Hintergrundinformationen, die sich am Ende jedes Buches tummeln und ausführlicher noch auf seiner Homepage zu finden sind, lässt sich das Ausmaß der Vorbereitungen für die eigentlichen Romane andeutungsweise erahnen. Dabei ist noch nichts zur Kreativität der Romane selbst gesagt. Nebenbei ist Brandhorst ein viel beschäftigter Übersetzer, mehrere unterschiedlichste Romane übersetzt er jedes Jahr, deren Qualität außerordentlich ist. Und außerdem schreibt er hin und wieder einen Roman für eine große deutsche Science-Fiction-Serie, und seine Beiträge erfreuen sich regelmäßig großer Beliebtheit. Bleibt die Frage nach seinem Neurobooster, der ihm diese gedankliche und technische Geschwindigkeit und Qualität gestattet.

»Feuerstürme«

Aus der Beziehung zwischen Dominik und einer ehemaligen Tal Telassi ging ein Mädchen hervor, das in Gedenken an den jung verstorbenen Vater Dominique genannt wird. In ihr vereinen sich weit größere Kräfte als selbst in ihrem Vater. Doch seit 23 Jahren werden die Tal Telassi unterdrückt, und obwohl die Graken seither keine Aktionen mehr starteten, ist von einem Ende des Konflikts keine Rede, die Allianzen freier Welten erzielen nicht einmal Fortschritte.

Die Tal Telassi erheben sich gegen ihre Unterdrücker, genau als die Graken eine neue, weit energischere Offensive starten. Mit sogenannten Feuerstürmen greifen sie nun die Welten direkt an, benötigen keinen Feuervogel in der Sonne mehr, um das System zu erreichen. Unter ihrem neuen Druck bricht die Allianz auseinander, die Tal Telassi befinden sich in der Schnittmenge der Interessen von Militär und Graken, während Dominique auf ein altes Geheimnis trifft und den »Großen K« begegnet, und in den Randbezirken tritt ein neues Phänomen ins Bild: die Crota, höchste maschinelle Intelligenzen mit biologischen Komplexen für Kreativität und Impulsivität. Sie stellen eine Gefahr für die Graken dar, bedeuten aber für die Galaktiker noch lange keine Hilfe, da die Graken umso schneller und härter vorgehen.

Fazit

Brandhorst ist ein außerordentlicher Schriftsteller, er bereichert das Genre mit seiner Energie und seinen Geschichten. »Feuerstürme« bietet fesselnde Unterhaltung in Zusammenarbeit mit dem ersten Band des Dreiteilers, und es steigert die Sucht nach Brandhorstscher Weltenschöpfung. Wenn auch hin und wieder eine Szene zu technisch abgearbeitet wird, bleibt im Endeffekt das Gefühl, etwas Großartigem auf der Spur zu sein.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (5 Stimmen, Durchschnitt: 1,80 von 5)

 

Desirée und Frank Hoese – Die Zyanid-Connection

In diesem Roman teilen sich mehrere längere Kapitel den Platz, wobei jedes einzelne eine Geschichte aus dem Leben und den Problemen der ausgestoßenen Hauptpersonen erzählt und sie insgesamt das Bild eines umfassenden Konflikts malen. Ein Konflikt, der in dieser zukünftigen Gesellschaft schwelt und durch einen zufälligen Fokus auf die Protagonisten zu eskalieren droht. Ein Konflikt, auf dem diese Gesellschaft errichtet ist, die ohne ihn so nicht funktioniert.

Abhängigkeiten zwischen Privilegierten und Gesetzeslosen.

Die Hoeses traten mit diesen Geschichten über das Computermagazin c’t an die Öffentlichkeit und fanden ein fasziniertes Publikum. Für den Wurdackverlag erweiterten, überarbeiteten, schrieben neu und verknüpften sie die Abenteuer ihrer Helden zu einem Roman. Das Ergebnis spricht für sich.

Auf der Welt entwickelten sich Megastädte, in denen das gesetzlich geregelte Leben kondensierte und sich konzentriert, während sich außen herum weitgestreckte Slums anlagerten, in denen all jene leben, für die es keinen Platz in der legalen Gesellschaft gibt. Aber nicht nur Drogen und Amusement sind die Ware dieser so genannten Outskirts, sondern es lebt hier auch allerlei fähiges Volk wie ausgestoßene Programmierer, Polizisten, Köche, Händler, Ingenieure, Bänker. Geregelt werden die Interessen von Gangs, die die Skirts in Bereiche aufteilen und in einem wackligen Gleichgewicht halten.

Instant Auger und Wren Ironside sind fähige, ganglose Bewohner der Outskirts von New Athens. Instant ist eine begnadete Programmiererin, Wren ein Ex-Bulle. Sie landeten hier, weil ihnen die kriminellen Arbeitsweisen der legalen, noch dazu weltgrößten Herstellerfirma von Biochips nicht mehr gefallen. Und vor allem gegen diese Firma richten sich ihre neuen Tätigkeiten: die Skirts auf dem neuesten Stand der Implantatetechnik halten und damit die Abhängigkeiten zwischen Skirts und Gesetz erhalten. Die Cyberfirma reagiert kompromisslos, und so steigert sich diese Folge von Actio und Reactio bis an die Grenze zum Chaos, zur Eskalation.

Dieser Roman ist ein dicker Fang für den Wurdackverlag. Die Geschichten, die aus der Ichperspektive des Bullen Wren Ironside erzählt werden, bieten das Höchstmaß an Unterhaltung. Interessante Wortschöpfungen, vor allem im cybertechnischen Bereich, gepaart mit der harten, geraden Linie der protagonistischen Erzählsprache, ergeben einen attraktiven Stil. Schnell wird das Protagonistenpaar sympathisch, kommt völlig ohne Sex aus und erzeugt doch die Gewissheit von enger Beziehung und gegenseitiger Wichtigkeit. Schubladentechnisch bietet der Roman mindestens Thriller, Cyberpunk und Krimi. Es wird ganzzeitlich eine straffe Handlung gewebt, die Gefühle lesen mit und das Herz schlägt schneller, bis zur letzten Seite – Suchtgefahr gegeben!

Was es nicht gibt, sind allzu detaillierte Hintergründe zu den Protagonisten. Trotzdem wächst ihr Profil mit jedem Gedanken, den der Icherzähler formuliert, zu einem sympathischen und glaubwürdigen Gerüst. Über Wren Ironside erfährt man noch am wenigsten, er denkt lieber über seine Partnerin und andere Charaktere nach als über sich selbst. Aus seiner Sprache und seinen sarkastischen Bemerkungen zum Beispiel zum Ableben einiger Personen lernt man ihn aber kennen und schätzen.

Gerade das Fehlen weitschweifiger Erklärungen und Rückblenden erzeugt im Roman das Flair von Geschwindigkeit und Entdeckerdrang. Man will alles erfahren und wird von der Handlung vorangetrieben, bis man die letzte Seite umschlägt und ein eindrückliches Bild der Outskirts hat – Slums, in denen man eigentlich nicht leben will, aber bieten die Megacitys nicht noch weniger? Totale Kontrolle und Bevormundung durch irgendwelche mächtigen Interessengruppen, die sich andererseits mit billigen Arbeitskräften aus den Slums versorgen. Desirée und Frank Hoese extrapolieren ein Zukunftsbild mit strikten Klassentrennungen und staatlicher Allgegenwart als Grundgerüst für ihre Geschichten voller Leben und Gefühle. Ein sehr empfehlenswertes Buch, das Aufmerksamkeit über die Grenzen des Genres hinaus verdient.

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (4 Stimmen, Durchschnitt: 3,00 von 5)

Andreas Eschbach – Ausgebrannt

Markus Westermann ist auf dem speziellen Trip, viel Geld mit »opi & opm« (other people’s ideas and other people’s money) zu machen. Die neue Ölkrise und mit ihr der »Öl-Guru« Block kommen ihm gerade recht. Block ist fest überzeugt von seiner Idee, dort Öl finden zu können, wo die moderne Geologie keines findet. Und er besitzt das Charisma, andere Leute zu überzeugen. Für Markus ist das die Gelegenheit seines Lebens, und er fackelt nicht lange.

Mit Block und seiner Methode im Schlepptau organisiert er eine erfolgreiche Risikoinvestment-Firma, die erste Bohrungen finanziert und – da tatsächlich Öl gefunden wird – die Sache groß aufzieht. Mit einem Schlag ist Markus reich und erfolgreich, findet die Frau seines Lebens und lebt unter den Reichen und Schönen New Yorks ein Leben voll Sex und Drogen. Bis die Firma »Block Explorations« einen Auftrag aus Saudi-Arabien annimmt. Trotz größter Anstrengungen scheitert Block und verschwindet unter mysteriösen Umständen, die Investmentfirma zieht ihr Kapital zurück und Markus versinkt in Schulden. Es ist programmatisch, dass er auf seiner einer Flucht gleichenden Jagd nach den Unterlagen Blocks, um seine Methode zu retten, plötzlich mit leerem Tank auf dem Highway steht und einen schweren Unfall verursacht, der ihn zurück nach Deutschland in eine spezielle Reha-Klinik bringt.

Die globale Lage spitzt sich zu, Saudi-Arabien steht vor den Ruinen seines Ölreichtums und muss das Versiegen der größten Quellen offenbaren, die Weltwirtschaft bricht ein. Erste militärische Schläge von China, USA und Russland versuchen, die übrigen Ölvorkommen zu verstaatlichen, Terroranschläge erschweren ebenso wie offizielle Beschränkungen den Ölhandel. Es ist absehbar, dass die industrialisierte Welt im Chaos versinken wird, wenn keine Alternativen entwickelt werden.

Block bleibt weiterhin verschwunden, Markus wird nun auch in Deutschland polizeilich gesucht, und eigentlich bleibt nur die Block-Methode als rettender Strohhalm. Markus plant seine Flucht nach Amerika, um nochmals zu versuchen, der Unterlagen habhaft zu werden, die vielleicht die Welt retten können …

Andreas Eschbach schaffte mit dem vorliegenden Roman erstmals den Sprung in die Top10 der Spiegel-Bestsellerliste. Seine Romane zeichnen sich von jeher durch die hohe atmosphärische Dichte aus, was noch bei seinem Erstling Die Haarteppichknüpfer von vielen Verlegern verkannt wurde. Mittlerweile gehört Eschbach zu den interessantesten Schriftstellern, die in der Romanwelt zu finden sind. Eschbach lebt und arbeitet in Frankreich.

Das Erdöl – weiß doch jeder, dass es nicht ewig reichen wird. In Deutschland wurde der Grüne Punkt eingeführt mit dem Hinweis, an die Kinder zu denken. Damals wurden die Karosserien der meisten Autos noch aus Blech gefertigt. Spätestens 2050, so heißt es im Volksmund, müssten die Erdölvorkommen erschöpft sein. Hat sich mit diesem verbreiteten Wissen irgendetwas in unserem Verhältnis zu diesem Rohstoff getan? Ja. Man sammelt Kunststoffe und führt sie Recyclinganlagen zu. Oder findet sie in der Wüste wieder. Man schafft gläserne Getränkeflaschen ab und trinkt nur noch aus Plastikflaschen. Zwischen den einzelnen Käsescheiben liegt kein Papier mehr, sondern eine Folie. Und die Autos bestehen zu immer mehr Anteilen aus Kunststoff.

Eschbach findet in »Ausgebrannt« noch weit wichtigere und augenöffnendere Beispiele für diese verkehrte Welt, in der das Öl so unglaublich billig und kurz vor dem Versiegen ist. Man macht sich keine Vorstellung davon, wie billig es wirklich ist; man sieht die steigenden Treibstoffpreise und schimpft auf die Ölscheichs. Okay, seit diesem Jahr auch auf die Mehrwertsteuer.

Eschbach selbst hat einmal gesagt, in einem Roman stünde nur die Spitze des Eisberges an Informationen, die der Autor im Laufe seiner Recherche zusammenträgt. Legt man das zugrunde, muss er jetzt eine Bibliothek über wirtschaftliche Zusammenhänge, das Ölgeschäft, die Weltgeschichte in Zusammenhang mit dem Öl und den Standpunkt der alternativen Energien besitzen. Und trotzdem fühlt man sich von diesen Informationen nicht erdrückt, sondern im höchsten Maß unterhalten, man ist gefesselt bis zur letzten Seite und dankt Herrn Eschbach für die Eröffnungen. Einiges ist allgemein bekannt, viel dagegen wird nicht in der Form publik gemacht; es wird viel zu selten mit diesem Thema konfrontiert und viel zu wenig unternommen, was dem Menschen zeigen würde: Wir verschwenden das Öl nicht sinnlos, wir sind auf der Suche nach Alternativen, und zwar ernsthaft.

Ob die Theorie von Block wahre Aspekte haben könnte, werden wir nie erfahren, hoffentlich. Der Gedanke, doch noch mehr Öl finden zu können, klingt faszinierend, führt aber letztlich nur weiter in die Sackgasse. Diese Erkenntnis sammelt Markus Westermann auf seiner Suche nach Reichtum und dem Gefühl, »es geschafft zu haben«, reichlich spät und lässt damit Raum genug, den Leser ein Bewusstsein für die Problematik entwickeln zu lassen. Wenn man nach der Lektüre ein Formel-1-Rennen guten Gewissens anschauen kann, wer nicht die verbrannte Energie fühlt, wenn ein LKW die Straße vorbeidonnert, der hat zu viele Pausen beim Lesen gemacht und sich nicht auf die Thematik und die Geschichte eingelassen.

»Ausgebrannt« beschäftigt sich nicht in ausgelutschter Art mit einer Endzeit voll Mutanten und barbarischen Diktatoren. »Ausgebrannt« verlagert die Probleme, die sich aus dem Thema ergeben, aus der nahen Zukunft in die Gegenwart, führt vor Augen, dass es jederzeit zu dem Zusammenbruch kommen kann, und erklärt auch die Gründe. »Ausgebrannt« erzählt die Geschichte von modernen Ölsuchern und ihrer Habgier, die sie lange die Augen vor der Wahrheit verschließen lässt. Und »Ausgebrannt« breitet sich über die gesamte Zivilisation aus, dringt in jeden Haushalt ein, in jede Regierung, in jede Firma, in das Bewusstsein der Kinder. Eschbach erzählt keine Geschichte über einige wenige Helden, auch wenn die Protagonisten naturgemäß wenige sind.

Im Zusammenhang mit dem Ende des Erdöls kommt man schließlich doch nicht am Weltuntergang vorbei. Eschbach schafft das Kunststück, ein befriedigendes Ende zu liefern, in dem der Protagonist zu einer Erkenntnis gekommen ist, die das Ganze umschlagen lassen könnte in die ultimative Katastrophe. Dabei wird gerade in den Möglichkeiten, die noch erforschbar wären, geschickt die Assoziation zu anderen Erkenntnissen in der Geschichte geweckt, die sich schließlich als Geißel herausstellten.

Die Lektüre des Buchs führt zu einem Punkt: Man macht sich Gedanken. Mission erfüllt. Ein Roman für den Nobelpreis.

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 2,33 von 5)

Armin Rößler, Heidrun Jänchen (Hrsg.) – LAZARUS

Bei »LAZARUS« handelt es sich um eine Sammlung von fünf längeren Geschichten bereits aus den Sammlungen von »Deus ex machina« bis »Tabula rasa« bekannter Autoren. Armin Rößler und Heidrun Jänchen selbst, die Herausgeber der Science-Fiction-Reihe des Wurdack-Verlags, sind natürlich mit dabei. Außerdem Andrea Tillmanns und Bernhard Schneider, beide Gewinner der Storyolympiade und Verfasser vieler Geschichten, sowie Petra Vennekohl.

»Novellen« nennen die Herausgeber die Geschichten in Ermangelung eines adäquaten Ausdrucks und begeben sich damit auf Neuland, denn wer erinnert sich noch an deutsche Science-Fiction-Novellen? Allerdings stellen sie in ihrem Vorwort klar, dass sie nicht den Anspruch haben, Novellen in literaturwissenschaftlich exakter Form zu liefern, sondern diese Bezeichnung auf Grund der wichtigsten Attribute der Novelle gewählt haben: Geschichten, zu lang für eine Kurzgeschichte und zu kurz für einen Roman, die gut unterhalten wollen. Und ich nehme es vorweg: Sie tun es!

Armin Rößler, Heidrun Jänchen (Hrsg.) – LAZARUS weiterlesen

Iain Banks – Der Algebraist

In einer Welt, in der die Menschheit in hauptsächlich zwei Wellen in die Galaxis vorgestoßen ist, steht das System Ulubis kurz vor einer Invasion. Man reist entweder dicht unterhalb der Lichtgeschwindigkeit und braucht Jahrzehnte für eine intergalaktische Reise, oder man benutzt die aufwändig installierten Wurmlöcher der Merkatoria, dem politischen Zusammenschluss der meisten Völker. Im Ulubis-System haben Angriffe von Merkatoria-Feinden das Systemwurmloch in einer spektakulären Aktion zerstört. Uralte Hinweise auf ein geheimes Wurmlochnetzwerk, dem die meisten Sonnensysteme angehören, gewinnen bei verschiedenen galaktischen Interessengruppen plötzlich an Bedeutung. Eine algebraische Formel, eine Transformation auf diese uralten Hinweise, soll den Zugang zu diesem Netzwerk ermöglichen – und diese Formel wird im Ulubis-System vermutet. Nicht nur die Invasoren schicken eine gigantische Flotte, auch die Merkatoria bringt ihre Streitkräfte auf den Weg. Ulubis bereitet sich auf schwere Zeiten vor …

Der »Langsamen«-Seher Fassin Taahk bekommt den Auftrag von höchster Priorität, auf dem Gasriesen Nasqueron nach der Transformation zu suchen. Fast alle Gasriesen der Galaxis werden von einem äußerst langlebigen Volk bewohnt, das bereits seit Milliarden Jahren existiert und den Aktionen der von ihnen sogenannten »Schnellen« – aller Völker mit Existenzerwartung von wenigen tausend bis Millionen Jahren – gelassen gegenübersteht. Selbst die Individuen dieses Volkes, der Dweller, leben oft mehrere Millionen Jahre. In ihren Forschungen verlangsamen sie ihre Denkgeschwindigkeit um ein Vielfaches, und »Langsamen«-Seher beherrschen diese Fähigkeit ebenfalls. Sie forschen in den unendlichen Bibliotheken der Dweller, um Wissenswertes für die Merkatoria zu entdecken.

Fassin Taahk ist einer der begabtesten Seher und entdeckte auf einem seiner Trips eben jene Hinweise auf die Transformation. Nun ist er derjenige, der mit Hilfe der Dweller oder auch gegen ihren Willen die algebraische Formel sicherstellen soll. Während dieses Einsatzes muss er sich mit vielen Problemen herumschlagen. Die Dweller führen ihn an der Nase herum, die Merkatoria attackiert ihn versehentlich und setzt ihn unter Druck, selbst unter den Dwellern gibt es Saboteure und nebenbei wird das System von einer Invasion heimgesucht …

Was sofort auffällt, ist die Komplexität dieses Romans und des Universums, in dem er spielt. Hier entwickelt Iain Banks eine Welt, die es sicher mit seiner »Kultur« aufnehmen kann. Vergleiche zwischen beiden mögen noch unangebracht sein, da sich das Kultur-Universum aus vielen Romanen zusammensetzt, allerdings kommt man aus eben diesem Grund nicht daran vorbei und ist beinahe genötigt, Banks an seinem umfang- und erfolgreichen Werk zu messen. Erleben wir hier den Beginn einer neuen großen Reihe, oder bleibt »Der Algebraist« ein eigenständiger Roman? Anfang und Ende packen die Geschichte ein und schließen sie ab, doch ist es wie bei so vielen guten Romanen, aus denen eine Serie gemacht wurde: Die Geschichte ist eingebettet in ein hochkomplexes, vielschichtiges, wundervolles und rätselhaftes Universum, dass es fast zu schade ist, nicht mehr hierüber zu erfahren.

Es gibt Aspekte, die unangebracht und wie Beiwerk wirken; zum Beispiel tritt schon auf den ersten 50 Seiten ein grausamer Diktator auf, dessen Grausamkeit Banks sehr deutlich beschreibt, wie es für ihn typisch ist. Im Zusammenhang mit der Geschichte wirkt diese Grausamkeit deplaciert. Es erweist sich aber als nötiges Element, um die Handlungen des Diktators bei seiner Invasion zu erklären und ebenso die Gelassenheit der Dweller und ihre Überlegenheit in Höchstform darzustellen.

Dagegen sind die Erlebnisse von Taince, Saluus und Fassin auf dem verbotenen Raumschiffswrack wirklich nur Beiwerk, was sich erst am Ende erschließt. Daraus entwickelt sich zwar eine schöne Geschichte über verschiedene Charaktere und ihren Weg, bis hin zur Rache (die Banks übrigens in ausnehmend gelungenem Stil schildert), trägt aber nicht ausschlaggebend zum Geschehen bei. Als Erklärung könnte man anführen, über diese Charaktere hätte man Einblick in die verschiedenen Bereiche wie Merkatoriaflotte, Ulubissystem kurz vor der Invasion und Dwellerwelt mit der Suche nach der Transformation. Die Beziehung zwischen diesen Charakteren ist interessantes Beiwerk, aber letztlich »ist es halt nur da, was das Gleiche ist, als wäre es nicht da«, um einen guten Freund zu zitieren. Vielleicht das i-Tüpfel. Aber: Während seiner Suche trifft Fassin mehrfach auf den Hinweis auf das »zweite Schiff«, auf dem die Transformation gefunden werden könnte. Dem Leser drängt sich der Verdacht auf, jenes Wrack, das Taince, Saluus und Fassin verbindet, könnte mit dem zweiten Schiff identisch sein, und man erwartet dadurch eine höhere Bedeutung für diese Episode. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass Saluus nun im Besitz der Transformation ist und es darüber zu einer Tragödie zwischen den Bekannten kommt. Diese Erwartung wird in keiner Weise erfüllt (auch nicht im Entferntesten), obwohl – es liegt im Ulubis-System, die Transformation wird im Ulubis-System vermutet – wer weiß? Vielleicht ist es ja wirklich das »zweite Schiff« …

Auch wenn der Umfang des Romans abschrecken mag oder Längen erwarten lässt, es lohnt sich uneingeschränkt, ihn zu lesen und in seinen phantastischen Tiefen zu versinken. Er ist spannend, unterhaltsam und steigert sich von der ersten Seite an bis zum Epilog, der nach altem griechischen Vorbild die Spannung ausklingen lässt. Mit diesem Roman hat Iain Banks ein Universum erschaffen, in dem die Fantasie keine Grenze findet.

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Birgit Erwin – Neun Leben

Die junge Catherine strotzt vor Unternehmungsgeist und Selbstsicherheit und sieht toll aus. Sie ist ein Profi als Privatdetektivin und Tochter einer reichen, adligen Familie in Nordengland. An ihrem Geburtstag besucht sie das Anwesen ihrer Eltern, und für ihren bodenständigen Freund Michael zeigt sich die Gesellschaft so intellektuell und spröde wie im Mittelalter. Der Haussegen hängt schief, Catherines Zwillingsbruder ist nicht gekommen und die alten Geschichten über ihren Berufsweg werden ausgegraben. Catherine und Michael verschwinden so bald wie möglich.

Ein anonymes Schreiben ruft sie an einen sehr persönlichen Ort der Freundschaft zwischen ihrem Zwillingsbruder und ihr, den sonst niemand kennt. Catherine und Michael besuchen ihn in der Nacht, in der Hoffnung auf ein heimliches Treffen mit dem Bruder. Sie finden ihn auch, ermordet.

Die Beziehungen, die Catherine über ihre Familie nutzt, führen dazu, dass ein Freund und Verehrer aus der schottischen Polizei (der Mord geschah knapp in Schottland) den Fall übernimmt. Catherine selbst stürzt sich auf ihren aktuellen Auftrag, der sich mit einer Sekte beschäftigt. Sie hat den Tod ihres Bruders noch nicht verarbeitet und grübelt über ihre Beziehung und setzt alle neuen Erlebnisse mit ihm in Verbindung.

Catherine wird im Zuge ihrer Ermittlungen plötzlich gehäuft in Unfälle verwickelt, aus denen sie immer wie durch ein Wunder nur leicht verletzt hervorgeht. Ihr Arzt wird misstrauisch und befürchtet Verbindungen zu ihrer Arbeit, aber sie glaubt nicht an Mordversuche. Erst ihre Ermittlungen bei der Sekte bewirken eine schleichende Veränderung.

Und während ihr Fall immer mehr unerwartete Verbindungen mit ihrem Bruder bekommt, sie selbst mit den Ansichten der Sekte konfrontiert wird und die Polizei in ihrer Ermittlung nicht vorankommt, macht sich ihr Freund Michael Sorgen und ermittelt auf eigene Faust und auf seine Art als Journalist. Er kommt der Wahrheit auf die Spur und sieht seine Freundin sich immer tiefer verstricken, immer weiter zurückziehen und immer stärker entfremden. Er bekommt ernsthaft Angst, sie zu verlieren.

Wie schon in ihrem Erstling »Lichtscheu« greift Birgit Erwin auf ein verbreitetes unerklärliches Phänomen und einen Glauben zurück, um ihrer Geschichte die phantastische Note zu verleihen. Waren es dort Vampire, sind es hier die ägyptischen Mythen, aus denen Erwin ein Detail aufgegriffen hat. Die Göttin Isis, Schwester des Obergottes Osiris und gleichzeitig seine Frau und Liebesgefährtin, steht als Pate für die Sekte, in deren Fänge es Catherine treibt. Diese Sekte besteht aus sogenannten Kriegern und Kriegerinnen der Isis, die weiterhin ihre Ziele verfolgen und in ihrem Sinne kämpfen. Sie sollen nach dem Glauben der Sekte neun Leben besitzen, um ihren gefährlichen Aufgaben gerecht werden zu können. In einer recht schnellen Wandlung gelangt Catherine von ihrer spöttisch-herablassenden Art, die sie vor allem ihrer sterndeutenden Mutter gegenüber hervorkehrt, zu der Überzeugung, selbst eine Kriegerin mit neun Leben zu sein. Mit diesem Glauben erscheinen die vielen Unfälle in ihrem Leben in einem ganz neuen Licht: Überlebte sie nur aufgrund ihrer Eigenschaften? Überlebte sie also gar nicht, sondern verlor lediglich ein Leben?

Man könnte die Wandlung in ihrer Schnelligkeit kritisieren. Erwin hat geschickt den Tod des Bruders als Erklärungsansatz für Catherines Labilität geliefert, andere Agonisten spekulieren im Laufe der Geschichte, dass sie gar nicht so selbstsicher sei, sondern durch ihre Entwicklung und selbst durch die Beziehung zu ihrem Bruder in ihrer Psyche geschwächt sei.

Michael hat ebenfalls seine Probleme. Er ist sich weder seiner Liebe zu Catherine noch ihrer Liebe zu sich sicher. Wenn er auch nicht als Alkoholiker bezeichnet wird, kommt man doch nicht umhin zu sehen, dass er seine Probleme in Bier ertränkt. So wie der zur Flasche greift, ist das jedenfalls nicht völlig normal. Das gemeinsame Leben der beiden zeugt bis zu dieser Situation auch nicht gerade von Harmonie. Und in dieser »heißen Phase« kommunizieren sie über gekritzelte Notizen und leben aneinander vorbei, statt die Probleme miteinander anzugehen. Seine Neigung zum Alkohol lässt auch ihn nicht gerade als Sympathieträger auftreten.

Erwins Stil ist persönlich und modern, trifft damit sicher den Geschmack vieler Leser und stößt andere vielleicht ab. Flüche, wie sie sonst oft vermieden oder dezent eingesetzt werden (zum Beispiel »Scheiße«) kommen in naturalistischer Häufung vor, und wahrscheinlich wird im normalen Leben noch mehr geflucht und geschimpft. Spannend und unterhaltsam ist die Geschichte auf jeden Fall, flüssig zu lesen, weitgehend glaubwürdig. Vor allem in die Überlegungen von Catherine kann man sich hineinversetzen, man kann sogar den Schwenk in die Übernatürlichkeit mit vollziehen. Nochmal bedacht, ergibt er sich aus der Angst und dem großen Verlust, den Catherine erfahren und der ihrem Leben eine gleichmäßige Stütze genommen hat. In dieser Phase erkennt sie ihren Lebensgefährten nicht als Hilfe.

So steuert der Roman einem beinahe klassischen Finale entgegen, wobei man sich über weite Strecken fragen könnte, wohin der Weg führt. Lange bleibt der Sinn des Titels verborgen, so dass er sogar aus dem Bewusstsein verschwindet. Schließlich wird alles mit einem Schlag deutlich und das Ende ist absehbar, aber in seiner Dramatik doch überraschend.

Gerade der Epilog befriedigt die Spannung, die sich über den Roman aufbaut und in unerwarteter Tragik entlädt. Er kann aber nicht verschleiern, dass die Geschichte lange ohne Ziel verläuft und so nur die Hoffnung auf ein gutes Ende bleibt.

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Andreas Brandhorst – Feuervögel (Kantaki: Graken-Trilogie 1)

»Feuervögel« ist der erste Roman aus der zweiten Trilogie, die Andreas Brandhorst im Kantaki-Universum ansiedelt. Nach der Trilogie um Diamant, Valdorian und die Temporalen, die in einer umfassenden Neuordnung der Realität gipfelte, setzt der vorliegende Roman in einer Zeit an, die tausende von Jahren in der Zukunft des Zeitkriegs spielt.

Die Situation in der Milchstraße

Nach der zweiten Großen Lücke (einer einhundert Jahre umfassenden Zeit, über die es keinerlei historische Daten gibt) tauchten die Graken auf, unbeschreibliche Wesen, die mit ihren anscheinend symbiotisch lebenden Hilfsvölkern in die Galaxis eindrangen und eine Welt nach der anderen eroberten. Dabei ist das Vorgehen dieser Wesen, die Gedanken der Menschen und anderen Völker in ihre Träume einzugliedern und ihnen über diesen Weg das sogenannte Amarisk, die Lebensenergie und Seele, auszusaugen. Die Graken gelten als Seelenparasiten.

Um die weitere Ausbreitung zu verhindern, bleiben den Milchstraßenvölkern nur wenige Möglichkeiten. Den technisch weit überlegenen militärischen Hilfsvölkern der Graken haben sie nichts entgegenzusetzen. Die Graken, die sich auf Planeten festsetzen, beherrschen das Umfeld durch ihren Geist und ihre Träume, so dass sich »freie« Wesen nur unter speziellem Schutz (zum Beispiel dem Gegenträumer) nähern können, ohne in den Einfluss des Graken zu geraten. Hundertprozentigen Schutz bietet nur der Verzicht auf alle Gefühle durch einen operativen Eingriff ins Gehirn. Für wen das nicht in Frage kommt, der muss sich auf biotechnische Symbionten verlassen, die für die Zeit eines Einsatzes die Gefühle unterdrücken.

Jeder Graken lässt seine Brut heranreifen, um sie auf neue Systeme und Planeten loszulassen. Diese Brut ist der einzige bisher erfolgreiche Ansatzpunkt, nicht um die Graken zu besiegen, aber um sie an der weiteren Ausbreitung zu hindern.

Tako Karides ist Kommandant eines Trupps der galaktischen Streitkräfte, der auf eine Welt (Kabäa) vorstoßen soll, um die dortige Brut zu vernichten. Mit dabei ist eine Großmeisterin der Tal Telassi. Ihr geheimes Ziel ist, dem Graken einen »fatalen Traum« zu implantieren, der sich als Geschwür über möglichst viele Graken im Umfeld ausbreiten und sie vernichten soll.

Zwar wird die Brut vernichtet, aber auch die Großmeisterin kommt zu Tode und ihr fataler Traum zeigt keine Wirkung. Dafür entdeckt Tako Karides einen Jungen, der die einzigartige Gabe besitzt, in den Grakentraum einzudringen und dort frei zu bleiben, sogar, Wesen in seiner Umgebung vor der Grakenpräsenz zu schützen. Ihn rettet Karides vor dem Eintreffen von sieben weiteren Graken von Kabäa, bevor sie einen »Schwarm« bilden können.

Die Milchstraße muss immer stärkere Rückschläge hinnehmen, die Graken breiten sich dank der plötzlichen Schwarmbildung immer schneller aus. Bleibt die Hoffnung auf den Jungen Dominic, dessen Macht von den Tal Telassi geschult wird und dessen Schicksal es ist, die Grakenbedrohung zu bekämpfen.

Kritik

Es gibt wenig zu kritisieren, scheint mir. Die psychosoziale Seite der Protagonisten ist konsequent und nach einem erfolgversprechenden Schema erarbeitet. Tako Karides verlor Frau und Kind durch die Graken, das machte ihn zu ihrem erbittertsten Gegner und ermöglicht ihm, weitere Schicksalsschläge wie den Verlust großer Teile seines Körpers hinzunehmen und trotzdem mit unverminderter Härte gegen sich und andere an der Bekämpfung der Graken mitzuwirken. Durch seine Erfahrung und sein »Glück« – er ist regelmäßig an den Brennpunkten des Krieges – und trotz seiner wiederkehrenden sehr freien Auslegung von Befehlen erklimmt er die Rangleiter innerhalb der Streitkräfte. Vom einfachen »Keil« – einem Einsatzleiter – wird er zur »Lanze« mit hohen Befugnissen und erhält schließlich das Kommando über das letzte große Projekt, durch das die galaktischen Völker gerettet werden sollen. Unter seiner Leitung wird die zweihundertjährige Vorbereitung des galaktischen Exodus geplant und mit ihrer Umsetzung begonnen. Denn in Andromeda nebenan wurden bislang keine Graken gesichtet. Hauptziel seiner persönlichen Bemühungen ist aber Dominic, den Karides vor den Graken rettet und damit etwas vollbringt, was ihm beim eigenen Sohn nicht gelang. Er sieht in Dominic einen Sohnersatz und kämpft darum, bei ihm bleiben zu können.

Dominic ist der unwissende Schüler mit den überragenden Fähigkeiten, was ihn zu einem leicht formbaren Werkzeug der Tal Telassi macht. Aber entgegen ihrer Maxime verzichtet er nicht auf seine Gefühle und lernt im Zuge seiner Ausbildung ein Mädchen kennen, in das er sich verliebt. Das wirft die vorhersehbaren Probleme auf, bestärkt ihn aber in der Richtigkeit seiner Handlungen. Schneller, als die Lehrerinnen es erwarten und bemerken, entwickelt er seine Fähigkeiten weiter und kann dem Gefängnis der strengen Ausbildung entkommen. Im Endeffekt lastet auf ihm die gesamte Verantwortung, denn |nur er| kann – mit Hilfe der Tal Telassi und seines Freundes Tako Karides – der Gefahr der Graken Herr werden. Er muss seine Liebe in tragischer Weise aufgeben und erkennt schließlich, dass er die Wiedergeburt der mächtigsten Tal Telassi ist, die es bisher gab.

Auf Seiten der Tal Telassi gibt es die Großmeisterin Norene, die einen sehr konservativen Weg beschreitet und Dominic für diesen Zweck einspannen will. Sie übernimmt seine Ausbildung und zeigt sich als kalte, emotionslose Lehrerin, allerdings ohne die hintergründige Anteilnahme und Zuneigung des klischeehaften Lehrers. Schließlich unterliegt sie Dominics Geist, der in seiner Inkarnation und seinem Einblick in das Wesen des Seins den einzig gangbaren Weg gefunden hat – natürlich konträr zu Norenes Absichten.

So erleben wir das klassische Spiel vom Soldaten, der alles verlor und plötzlich eine neue Aufgabe erkennt, dem Jungen mit der verlorenen Liebe und der ausweglosen Zukunft und dem mächtigen Gegner in den eigenen Reihen, der wie stets von seiner Mission überzeugt ist und eigentlich nur einen anderen Weg gegen die Bedrohung beschreitet.

Trotz dieses im ersten Moment simpel und althergebracht erscheinenden Aufbaus enthält der Roman Spannung und Unterhaltung und Kreativität und Faszination von hohem Anspruch. Es ist vorhersehbar, dass am Ende ein Erfolg stehen würde. Aber die Komplexität der Geschichte und ihre Rätsel – und nicht zuletzt der atemberaubende Hintergrund – verbergen gekonnt den Weg zu diesem Erfolg und die damit verbundenen Konsequenzen. Außerdem führt doch die Mehrzahl aller Romane zu einem Erfolg.

Lange Zeit ist man enttäuscht, dass die Kantaki keine Rolle spielen, wo sie doch in der ersten Trilogie das faszinierendste Volk darstellten. Ein großes Rätsel dieses Zyklus ist das Verbleiben der »Großen K«, wie sie heute in Legenden genannt werden. Wer die Trilogie um den Zeitkrieg kennt, wird erstaunt sein, Schiffe der Kantaki im Zentrum der Grakenträume zu finden. Es bleibt noch ein Rätsel, wie sich aus den Kantakipiloten die Tal Telassi entwickelten. Auf den wichtigen Welten der Tal Telassi gibt es Mausoleen, in denen Kantakipiloten begraben liegen und ihr Andenken gewahrt wird. Auf diesem Weg stoßen wir auch auf unsere Bekannten: Diamant und Esmeralda. Was wurde aus Valdorian?

Und wem Olkin der Spieler noch ein Begriff ist: Auch er hat seinen kurzen Auftritt, auch wenn er sich mit Dominic konfrontiert sieht, der seine »Spiele« gar nicht lustig findet.

Es ist erstaunlich, dass schon der erste Roman eine Geschichte zum Ende bringt, nämlich den Krieg gegen die Graken. Doch die vielen Zusammenhänge bedürfen noch der Verknüpfung, und so bleibt die Spannung auf die beiden Folgebände auf einem hohen Niveau. Andreas Brandhorst kann erzählen!

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (9 Stimmen, Durchschnitt: 2,22 von 5)


 

Marc Hillefeld – Die Quantenfestung (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 3)

Band 1: »Die Lebenskrieger«
Band 2: »Die Trümmersphäre«

»Die Quantenfestung« bildet den Abschluss der dreiteiligen Spin-off-Serie PAN-THAU-RA, die in der aktuellen Handlungszeit der Perry-Rhodan-Serie angesiedelt ist und sich mit einem weiteren Aspekt der erhöhten Hyperimpedanz befasst: PAN-THAU-RA ist die Bezeichnung eines mondgroßen Raumschiffes, eines so genannten Sporenschiffes, mit dem Beauftragte der Ordnungsmächte des Universums Galaxien bereisten, um Lebenssporen zu »säen« und dem intelligenten Leben den Weg zu bereiten. Es wurde schließlich außerhalb unseres Kontinuums verankert und droht nun wieder zu erscheinen.

Das Sporenschiff ist das Ziel der Aktionen einer der beiden sich bekämpfenden Loowerfraktionen, die es erobern und mit ihm den Krieg zu den Ordnungsmächten tragen, in denen sie eine Bedrohung allen Lebens sehen. Die andere Fraktion versucht, diesen Krieg zu verhindern, da sie die Mächte als unangreifbar einschätzt und befürchtet, mit einem Angriff radikale Sanktionen erst herauszufordern.

Unglücklicherweise spielt sich der Krieg in der Milchstraße ab, wo sich Perry Rhodan mit den Menschen zwischen den Fronten findet. Da die Loower technisch hoch überlegen sind, kann er sich nicht militärisch gegen sie verteidigen, sondern muss andere Wege finden. In den vorhergehenden Romanen verschlug es Rhodan auf eine Odyssee, an deren Ende nun, im letzten Band, das Treffen mit allen ausschlaggebenden Personen des Konflikts steht.

was geht

Hillefeld, bisher noch nicht am Perryversum beteiligt, gelingt es problemlos, sich in die Materie zu vertiefen und im umfangreichen Serienhintergrund zurechtzufinden. Trotzdem ist dieser Roman der schwächste des Zyklus‘, allerdings obliegt ihm auch die undankbare Aufgabe, die Fäden der Geschichte zusammenzuführen und das Finale entsprechend zu gestalten. So beansprucht es die Geduld doch sehr, die vielen Handlungsebenen und die Sprünge zwischen ihnen anzunehmen. Die Ebene von Reginald Bull und seiner Suche nach Rhodan ist dabei die unwichtigste, jene von Julian Tifflor im Heimatsystem der Loower die gekünsteltste, Gucky ist am wenigsten nachvollziehbar, Rhodans eigene Ebene ist eher langweilig und plätschert nebenher und die Geschichte um die Biophoren ist sehr gut geschrieben, entpuppt sich aber als unwichtig und soll wohl nur das Schicksal der Betroffenen beleuchten. Natürlich geht es in Romanen immer um Schicksale, aber dieser dritte Roman der Reihe vereint so viele Schicksale in sich, dass man getrost auf das eine oder andere hätte verzichten können. Dem Autor ist darüber kein Vorwurf zu machen, er musste das Konzept zu einem Abschluss bringen und mühte sich auch redlich.

flickwerk

Über Bull erhält der Leser einen Blick von außen auf das Geschehen und auf die Probleme, mit denen sich die Menschen herumschlagen müssen. Es passt auch zu Bulls Charakter, dass er sich persönlich um die Suche kümmert, aber in einer derartigen Krisensituation würde ein politisches Gebilde wie die Liga Freier Terraner ihren Verteidigungsminister nicht mit einem schrottreifen Schrottsammler losfliegen und die Verwaltung anderen überlassen.

Tifflor trifft auf Alkyra auf eine eingesperrte Frau, die er befreit. Unumgänglich für das Konzept, aber auch unerquicklich für den Autor, der um der Spannung willen die ganze Aktion über den Roman hinziehen muss.

Gucky ist ein größenwahnsinniges, selbstüberschätzendes, mit Minderwertigkeitskomplexen beladenes Wesen, dem einstmals einer der Serienväter ein sinnvolles und liebenswertes Leben einhauchen konnte. Es erwarb legendären Ruhm und muss jetzt zwangsweise weiter durch die Serie geschleppt werden. Dabei sollte man aber immerhin auf seinen Charakter achten: Er würde sich nicht so herumschubsen lassen, wie das in diesem Roman beschrieben wird. Er ist also ein Opfer der Handlung und kommt nicht wirklich zum Zug, so dass es seinem Ansehen unter den Lesern eher abträglich sein dürfte, wie er hier eingesetzt wird.

Rhodans Handlungsebene beschränkt ihn auf die Rolle des Beobachters. Er ist Gefangener der einen Loowerfraktion und wird mitgeschleift, damit er im Finale schlaue Sprüche liefern kann.

Die Biophoren sind die eigentlichen Bewohner des Sporenschiffs und damit direkt betroffen von dem Krieg. Sie schicken ein Team, das mit Worten versuchen soll, den Krieg zu verhindern, und im Notfall die PAN-THAU-RA vernichten soll. Beides klappt nicht, aber sie bekommen ihren Frieden.

Im Endeffekt sind es zwei bisher nicht aufgetretene Wesen, die für die Beilegung des Konfliktes sorgen, und diese Tatsache ruft Widerwillen im Leser gegen die ganze Geschichte hervor. Zweieinhalb Romane lang werden Charaktere aufgebaut und meist gleich wieder umgebracht, der Krieg dient als Hintergrundspektakel für die Handlung, und dann tauchen zwei Wesen auf und befrieden die Feinde. Fertig.

Was ist mit Yun und Shon, die im ersten Roman eine interessante Rolle spielten? Das große Rätsel des ersten Romans bleibt ungelöst: Was erzählte Shon über Funk Perry Rhodan, das ihn veranlasste, die überlegene Loowerflotte anzugreifen und sich dabei selbst um ein Haar in den Tod zu stürzen? Jetzt sieht es nach einem Mittel zum Zweck aus, zu dem Zweck, Rhodan an Bord eines Loowerschiffes und in seine Odyssee zu stürzen.

Der Kinderwart des zweiten Romans ist eine sinnvoll aufgebaute Figur, über die die Beweggründe der beiden Loowerführer dargestellt wurden. Gut.

Bis zum Epilog des dritten Romans stellt sich ein unbefriedigtes Gefühl ein, das Gefühl, mit der weiten Verzweigung der Geschichte übers Ohr gehauen worden zu sein. Denn bis zum Epilog entsteht eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung, die das Übliche aussagt: Großer Protagonist rettet Universum vor verheerendem Krieg, danach sind alle froh, dass es vorbei ist, und gehen nach Hause, und alles ist wie zuvor. Bis zum Epilog. Denn der dreht noch einmal alles um und beendet das ausweglose Drama, das sich im Hintergrund (und leider nur dort) abgespielt hat. Er reißt zwar nicht alles heraus, was sich an Mängeln eingestellt hat, aber er ruft wenigstens am Ende noch einmal das Gefühl hervor, eine gute Geschichte gelesen zu haben.

fazit

Hillefeld meistert seine Aufgabe technisch gut und bringt in dem hervorragenden Epilog das an Stimmung und Dramatik, was dem Konzept für den Roman fehlt. Hut ab.

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Charles Stross – Accelerando

Nahe Zukunft:

Die irdische Zivilisation hat sich merklich gewandelt. Die uns bekannten politischen Verhältnisse sind weitgehend in Auflösung begriffen oder regressiv, so gibt es im Osten eine Neuauflage des Kommunismus mit KGB, und die USA haben ihren Status als führende Weltmacht eingebüßt.

In der Gesellschaft ist ein ausgeprägter Trend zum Cyberspace zu bemerken; so hat jeder fortschrittliche Mensch ständig Zugriff auf das Internet, sei es über Konsolen oder Brillen, die ihre Informationen direkt in das Sichtfeld des Benutzers einblenden. Microsoft ist aus dem Rennen, nur die russischen Kommunisten setzen noch auf ihre Software, nach dem Motto „Was ich bezahlen muss, ist auch höchster Standard“. Doch ansonsten überwiegt die open source und es bilden sich idealistische Gruppierungen, die auch das Leben zu einer echten open source machen wollen. Ihr Vorreiter ist Manfred.

Manfred besitzt eine Datenbrille von höchster Bandbreite, die ihn ständig mit den aktuellsten Informationen konfrontiert. Aus diesem Brei filtert er für sich Interessantes heraus und fügt es seinem externen Speicher hinzu, der sein Gedächtnis erweitert. Er ist ein Infonaut, der seine Informationen an Kunden verschenkt, die es möglicherweise interessieren könnte. Außerdem entwickelt er aus dem Gehalt seiner Recherchen ständig profitable Ideen, die er sofort patentieren lässt und einer Stiftung für freies Gedankengut zur Verfügung stellt, die alle neuen Ideen zu open source macht.

Manfred besitzt sozusagen keinerlei Zahlungsmittel. Aber seine genialen Ideen, die er weltweit verschenkt, um andere Leute reich zu machen, verschaffen ihm eine Kreditwürdigkeit, die allgemein kaum noch zu übertreffen ist. Daraus folgt für ihn, dass er ständig und an jedem Ort der Welt von irgendeinem durch ihn reich gewordenen Menschen oder einer Firma gesponsort wird.

Mit dem Upload einer Hummerspezies in den Cyberspace nimmt die Entwicklung eine neue Richtung an: Im Netz existiert nun eine künstliche Intelligenz, basierend auf den Neuronen der Hummer, die sich an Manfred wendet. Er kann auch ihr zu Menschenrechten verhelfen und schafft damit einen Präzedenzfall, der in der Zukunft der Menschheit noch eine bedeutende Rolle spielen wird, denn im Zuge ihres Strebens nach einem Leben nach dem Tod nehmen ab nun immer mehr Menschen die Möglichkeit eines Uploads in Anspruch.

Damit erhält auch die Raumfahrt neuen Aufwind. Durch die Möglichkeit, Massenspeicher in Form von Miniaturraumschiffen zu den Sternen schicken zu können – als Passagiere hochgeladene Zustandsvektoren von den betreffenden Menschen – erhält diese Form der Reise mehr Effizienz als bis dato vorstellbar. Manfreds geschaffener Präzedensfall bezüglich der Menschenrechte einer KI treibt einen Rückgang der realen Bevölkerung voran und fördert den Zuwachs künstlicher Intelligenzen. Um die Informationsdichte des Sonnensystems bestmöglich auszunutzen, beginnt eine neue Art der Eroberung: Die solaren Planeten werden – beginnend mit Merkur – abgebaut und zu Nanorechnern umstrukturiert, die in einer Wolke um die Sonne kreisen. Damit steigt die Informationsdichte – MIPS, Millionen Informationseinheiten pro Sekunde – rapide an. Die innerste Schale der Wolke nutzt die direkte Sonneneinstrahlung als Energie, ihre Abwärme wird von der nächsten Schale genutzt und so weiter: Eine Dyson-Sphäre entsteht.

Manfreds Tochter macht sich derweil auf, einer außerirdischen Form von systemumfassender Dysonsphäre auf die Spur zu kommen, und lädt sich mit ihren Freunden in das System eines galaxisumspannenden Netzwerks hinein. Sie stellt fest, dass dieser Weg eine ebensolche Sackgasse ist wie die Beschränkung auf einen Planeten …

„Accelerando“ erzählt die Geschichte einer Familie auf dem Weg in die Zukunft, eine Zukunft, die rasanter auf die Menschheit zugestürmt kommt als für möglich gehalten wird. Stross schreibt von einer Singularität, einem Ereignis, nach dem sich die Menschheit in eine Richtung entwickelt, die ein Mensch vor Eintreten des Ereignisses nicht hätte vorhersehen können. Er lässt seine Protagonisten auch darüber spekulieren, zu welchem Zeitpunkt diese Singularität anzusiedeln ist. Möglichkeiten findet er einige: Die Inbetriebnahme des Internet, den erfolgreichen Upload der Hummer und weitere, nicht nur aus seiner Fantasie entspringende Ereignisse aus der Geschichte der Menschheit.

Die beobachtete Familie erlebt diese Entwicklung aus verschiedenen Perspektiven mit, ist unterschiedlich involviert. Manfred zum Beispiel ist in hohem Maße mitverantwortlich für Teile des Geschehens, und ihm, als äußerst schnelllebigem Mann, immer auf der Jagd nach Informationen, fällt ein großer Teil der Last des Fortschritts zu, des Zukunftsschocks, den diese Entwicklung mit sich bringt. Zu einem Zeitpunkt, als er noch auf seine Brille beharrt, hat sich in der Bevölkerung bereits der Einsatz von Implantaten durchgesetzt, die ihr eine viel größere Bandbreite bieten, als es äußeren Hilfsmitteln ohne direkten Zugang zum Hirn eines Menschen möglich ist.

Es ist ein Fortschritt, der nicht einmal vergleichbar ist mit dem Fortschritt von der ersten bewussten Feuermachung bis zum alltäglichen Gebrauch des Internet, denn er richtet sich nicht nur auf die äußeren Lebensbedingungen, sondern in größter Weise auf das Innere, den Informationsgehalt der Seele eines Menschen. Und im Hintergrund steht immer die Idee, dass es eine intergalaktische Sphäre, einen Cyberspace gibt, in dem sich die hochstehenden Zivilisationen tummeln. Trotzdem stimmt diese Idee den Autor nicht optimistisch, sondern er nutzt sie, um den absoluten Weg in den Cyberspace ad absurdum zu führen. Denn wie oben erwähnt, ist Stross klar, dass der eigentliche Weg der Menschheit nicht vorhersehbar ist, durch eine Singularität vom Vorstellungsvermögen der präsingularen Menschen getrennt. Er führt die Idee der Dyson-Sphäre bis zum apokalyptischen Ende und sägt damit an einer Vorstellung, die in vielen Science-Fiction-Lesern vorherrscht: Die Erde als Heimat der Menschheit fiele diesem Fortschritt zum Opfer und geht in seiner Vision sogar weitgehend unbeachtet den Weg in ihre Einzelteile.

Was bei diesem Roman noch stärker als bei den anderen beiden in Deutschland veröffentlichten Romanen deutlich wird, ist Stross‘ umfassende Recherche und seine ebenso umfassende Allgemeinbildung. Er handhabt kulturelle und gesellschaftliche Details aus vielen verschiedenen Ländern und Bereichen mit einer Selbstverständlichkeit, die zumindest suggeriert, dass sie zu seinem Wortschatz und seinem Wissensspeicher gehören. Das macht es dem Leser in manchen Fällen natürlich schwer, seinen Gedanken zu folgen. Es bleiben immer Details, die ohne eigene Recherche nicht einordenbar sind, aber im Grunde sind all diese Dinge ohne Belang für das Verständnis der eigentlichen Geschichte, die sich sehr spannend und unterhaltsam vor dem Leser ausbreitet. Relevante Begriffe benutzt er dagegen entweder sehr häufig oder erklärt sie im Folgenden ausreichend, um zumindest eine Vorstellung vom Sachverhalt zu vermitteln, die den Leser zufrieden stellt und dem Lesefluss nicht im Weg steht.

Natürlich ist der Roman schon an sich für Leser, die entweder ganz andere Interessengebiete haben oder deren erster Ausflug in das utopische Genre dieser Roman ist, schwer verdaulich. Glücklicherweise hat es diese Thematik auf der Kinoleinwand zu einem breiteren Publikum gebracht als auf Papier; gerade in diesen Jahren wurden einige hochwertige SF-Romane verfilmt. Es fällt also kaum jemand völlig unbedarft ins kalte Wasser, denn gerade die Cyberspace-Thematik ist spätestens seit „Matrix“ allgemein zugänglich.

Bemerkung

Durch die Gestaltung des Layouts suggeriert Heyne, „Accelerando“ wäre ein weiterer Roman aus dem Universum des Eschaton und würde in irgendeiner Weise in Verbindung zu „Singularität“ und „Supernova“, den beiden vormals erschienenen Romanen von Charles Stross, stehen. Hier muss gewarnt werden, denn trotzdem durchaus das Eschaton erwähnt wird, steht „Accelerando“ völlig eigenständig da und hat keinerlei Beziehung zu den oben genannten Romanen. Marketing.

„Accelerando“ ist meiner Meinung nach der bisher beste Roman von Stross und ein Highlight des Jahres 2006. Er birst vor Ideen und zieht den Leser in seinen Bann. Er leidet weder unter seiner Komplexität, die auch nur den Hintergrund der Geschichte bildet, noch wirkt er überladen. Es scheint ein Merkmal Stross’scher Schreiberei zu sein, dass jeder seiner Romane fast unter Ideenüberschuss leidet. Charles Stross schreibt einen Roman mit einem Hintergrund, auf dem andere Autoren ihre gesamte Karriere aufbauen würden – und das macht er jedes Mal so.

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (4 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Andreas Eschbach – Die gläsernen Höhlen (Das Marsprojekt 3)

Bei Erscheinen von Andreas Eschbachs erstem Jugendroman „Das Marsprojekt“ hätte noch niemand erwartet, dass er daraus eine spannende Serie entwickeln würde. Die Geschichte um die Marskinder nimmt an Faszination zu, je mehr Geheimnisse der Mars freigibt.

Das Marsprojekt geht weiter!

Im vorliegenden dritten Band der fünfteilig geplanten Serie stößt man auf weitere Artefakte, kleine, scheinbar aus geschmolzenem Sand bestehende Scheiben, die nun aber mit Namen versehen sind. Die Kinder behalten ihre Entdeckung vorläufig für sich, zumal bisher nur ihre Namen erscheinen.

Carl nimmt an einer Expedition teil, die sich um den Ursprung der geheimnisvollen untermarsischen Röhrengangsysteme kümmern will. Er ist den Wissenschaftlern als Marsgeborener eine Hilfe bei der Beurteilung der Wegsamkeit ihrer Route. Schließlich entdecken sie eine gigantische Ruinenlandschaft, die ebenfalls, gleich den blauen Türmen, unter einem von oben undurchdringlichen Tarnfeld liegt. Ein Sandsturm, der durch illegale Aktivitäten der anderen Kinder nicht rechtzeitig bemerkt wird, trennt Carl vom Team und treibt ihn zu einem überhängenden Felsen. Überraschend entdeckt er dort eine Trennwand aus demselben glasartigen Material, aus dem die Türme bestehen. Ein (Wind?-)Stoß drückt ihn dagegen – und hindurch! Die beschrifteten Artefakte entpuppen sich als Schlüssel zu den fremden Bereichen. Carl macht die umwälzendste Entdeckung des Jahrtausends: In einer dieser Höhlen liegen konservierte Aliens …

Neben der eigentlichen Handlung beschäftigt Andreas Eschbach sich auch mit den zwischenmenschlichen Beziehungen, die einen Jugendlichen interessieren könnten, wie die Gefühle von Ariana und Urs zueinander, der Weg bis zum gegenseitigen Eingestehen, erste Küsse etc.

Die Geschichte ist spannend erzählt, allerdings war das Auftauchen wirklicher außerirdischer Wesen sehr überraschend. Hinterlassenschaften, Roboter, Welten … alles fügt sich zusammen, aber die Wesen selbst kommen unerwartet.

Carl, der durch Urs‘ Auftauchen etwas in den Hintergrund gedrängt wurde, bekommt wieder mehr Gewicht durch seine Teilnahme an der Expedition. Er entdeckt die gläsernen Höhlen und einen Sinn in den Artefakten, er entdeckt die fremden Wesen und betritt als Erster ihren Bereich, und er erlebt als Erster den Transfer zwischen weit entfernten Orten ohne Zeitverlust. Dafür kommt Ronny, der Jüngste der Gruppe, wieder etwas zu kurz, aber so bekommt jeder der Romane seinen schwerpunktmäßigen Charakter.

Die Beschreibungen von physikalischen, technischen und astronomischen Details gelingt Eschbach auf jugendfreundliche und interessante Weise, und auch für Erwachsene bieten sie Hintergrundinformationen genug, um den Roman realistisch zu gestalten. Eschbach bewegt sich weitgehend im vorstellbaren Bereich, auch wenn bestimmte Dinge wie Kernfusionsreaktoren noch echte Wunschträume sind. Für die plötzlich im 21. Jahrhundert erfolgte Einigung der Menschheit durch einen Umschwung im Denken liefert er einen mysteriösen, im Bezug auf die Science-Fiction-Geschichte aber glaubwürdigen oder zumindest interessanten Erklärungsansatz: Ist der Einfluss von Außerirdischen, die die Menschen auf einen Kontakt mit sich vorbereiten wollen, wirklich auszuschließen?

Insgesamt greift Eschbach viele, auch alte Themen der SF auf und verarbeitet sie in jugendfreundlicher und aktueller Form. Damit legt er bei seiner Zielgruppe den Grundstock eines SF-Verständnisses, quasi als Einstieg in die großartigen Tiefen des Genres. Und dass er dabei auch gute Geschichten erzählen kann, dürfte bekannt sein. Etwas Besseres kann man sich kaum wünschen.

gebunden, 324 Seiten
Originalausgabe

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (8 Stimmen, Durchschnitt: 1,63 von 5)

Heidrun Jänchen – Nach Norden!

Elfen, Zwerge, Trolle … Gestalten, die in standardisierter Form die vielzähligen Welten der Fantasy bevölkern. Heidrun Jänchen zeigt in einer erfrischenden Auffassung von den Möglichkeiten der Fantasy das Potenzial des Genres jenseits der abgegriffenen Völker, Kriege, Schauplätze und Charaktere af. »Nach Norden!« erzählt auf spannende und unterhaltsame Art, mit mehr als nur einem zwinkernden Auge an der einen und anderen Stelle, die Geschichte von zwei Außenseitern auf der gemeinsamen Suche nach einem Zuhause oder einer Identität. In einer Welt voll Mythen, Göttern und Helden, die sich am Ende in ihrem Wesen von der unseren kaum unterscheidet, sind es ganz besondere Charaktere – mit Schrullen und Kanten und gerade dadurch lebendig. Es macht Spaß, sie auf ihrem Weg nach Norden zu begleiten, ihre Ängste zu begreifen und unter Spannung ihre Hoffnungen zu verfolgen.

Frett ist der eigentliche Protagonist des Romans. Er ist der Charakter aus dem Romandebüt »Der eiserne Thron« des Autorentrios Jänchen, Savoy, Tillmanns, dessen sich Heidrun Jänchen schon damals vordringlich annahm. Damals stand er auf der falschen Seite im Kampf um die Macht, er musste seine Wahlheimat im Süden des Landes verlassen und fliehen. Sein Weg führt ihn im vorliegenden Roman anfangs nach Süden, bis er auf die ebenso geheimnisvolle Elra trifft. Ihr Geheimnis ist für Frett keins: Er assistierte bei ihrer Geburt und erkannte sie als Gestaltwandlerin. Elra war ebenfalls in die Wirren um den »Eisernen Thron« involviert, doch für sie begann damit ein neues Leben. Sie ist auf der Suche nach ihrem verfolgten Volk, das man gemeinhin im Norden vermutet. Frett fühlt in ihr die gleichen Probleme, die ihn unruhig von einem Ort zum nächsten treiben. Sie ist heimatlos wie er, eine Außenseiterin, die ihr wahres Wesen vor der Welt verstecken muss. Es ist die Angst der Menschen, die sie zu einer Waffe im Kampf um den eisernen Thron machte: ihre Fähigkeit der Gestaltwandlung, in der die Menschen eine Bedrohung sehen. Frett führt sie auf ihrem Weg nach Norden, und in ihre Reise mischt sich auch die Gegenseite ein: ein Mann, der ebenfalls auf der Suche nach den Wandlern ist, aber seine Triebkraft ist der Hass. Er will die Wandler umbringen.

»Nach Norden!« ist ein eigenständiger Roman, der nur über wenige Berührungspunkte mit dem oben erwähnten »Eisernen Thron« in Verbindung steht. Die fehlenden Informationen verschafft Jänchen ihren Lesern über luftige Rückgriffe, ohne sich dabei von den damaligen Geschehnissen fesseln zu lassen. Dadurch entsteht die erfreuliche Feststellung, dass die Lektüre des »Throns« keine Voraussetzung für das Verständnis dieser Geschichte ist.

Heidrun Jänchen benutzt eine ungezwungene Sprache und erzählt die Geschichte in einem Fluss, dem der Leser für die Bedürfnisse seines realen Lebens künstliche Sperren in den Weg setzen muss. Es ist nicht nochmals in Worte zu fassen, aber es ist der Stil der Autorin, der ihre Erzählung zu einem wunderbaren Erlebnis macht.

»Frett stellte fest, daß er in seiner Hast die Jacke des Mannes geprügelt hatte. Vermutlich war sie bewußtlos […]«
(»Nach Norden!«, Seite 91, Zeile 8f)

Derlei überraschende Wendungen sorgen für den letzten Pfiff im Text. Jänchen setzt sie dosiert ein und erzielt damit die beste Wirkung. Es gibt keine zwanghaften Witzeleien, man kann nach der Lektüre nicht sicher sagen, ob man überhaupt alle humorvollen Stellen bewusst erlebt hat – ungeachtet der Frage, ob eine solche Trennung möglich ist. Es ist Kunst, der Roman ist ein kunstvolles Geflecht, das erst in seiner Gesamtheit die ganze Wirkung entfaltet, aber nicht um seiner selbst Willen, sondern immer nur als Träger der Geschichte. Man vergisst sofort, dass es sich erst um den zweiten Roman der deutschen Autorin handelt, noch dazu aus einem Kleinverlag. Es ist das Werk einer echten Schriftstellerin, selbst wenn sie nebenbei noch einen anderen Beruf ausübt.

Gegen die anderen Veröffentlichungen des Verlags fällt auf, dass der Roman in der alten Rechtschreibung vorliegt. Auch eine Möglichkeit, mit den Konflikten dieses Themas umzugehen: Die Formen der Rechtschreibung als Stilmittel …

Ein Wort zum Titelbild von Ernst Wurdack: Es ist eine Tatsache, dass bei Buchbesprechungen die Titelbilder und ihre Künstler in der Regel zu kurz kommen. Das hat möglicherweise seinen Grund, denn Rezensenten behandeln die Literatur, nicht den Einband. Manche mögen sogar sagen, dass sie nichts von Bildkunst verstehen und die Kritik an Bildern lieber einem anderen Fachkreis überlassen. Nun ja. Aber das Titelbild von »Nach Norden!« ruft das Gefühl hervor, schon lange kein wirkliches Titelbild mehr gesehen zu haben, eines, das zu seinem Roman passt, das den Roman abrundet. Das nicht reißerisch im Regal stehen will und HIER ruft, indem es sich durch möglichst große Abgefahrenheit von den Mitbewerbern absetzt. Es setzt sich ab, keine Frage, aber es fängt das vom Roman vermittelte Gefühl ein und ist damit ein gleichwertiger Bestandteil des Gesamtbildes.

»Nach Norden!« ist einer der beachtenswertesten Romane des Jahres und ein Aushängeschild für Autorin und Verlag.

broschiert, 220 Seiten
ISBN-13: 978-3938065099

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,33 von 5)

Andrea Tillmanns – Der dritte Armreif

Andrea Tillmanns zählt mit über 300 veröffentlichten Texten zu den produktivsten Nachwuchsautorinnen Deutschlands. Zusammen mit Heidrun Jänchen und Christian Savoy verfasste sie den Fantasyroman „Der eiserne Thron“ als Preisgewinnerin bei der Storyolympiade. Die vorliegende Sammlung von Fantasystorys und modernen Märchen ist ihre erste Einzelpublikation.

Die Geschichten wie „Wenn das Tier erwacht“ erzählen von mythisch erscheinenden Begebenheiten, die uns unglaublich anmuten, durch ihr verhüllendes Ende aber wie phantastische Thriller einen Hauch von „könnte es nicht doch … ?“ ausstrahlen. Andere Erzählungen wie „Der dritte Armreif“ sind echte moderne Märchen, deren phantastische Komponente (in dem gewählten Beispiel) in der unerklärlichen Vorwegnahme von Begebenheiten liegt. „Die Insel der Delphine“ konfrontiert uns eindringlich mit der tragischen Rolle der Delphine in der Erdengeschichte und unserer menschlichen Schuld an der rückgehenden Zahl so intelligenter Tiere. Die Geschichte konfrontiert nur, benutzt dabei zwar Tillmanns stark ausgeprägte Einfühlsamkeit, verzichtet aber auf moralische Zeigefinger.

Allen Geschichten ist die sehr gefühlvolle Stimmung gemein, anzuerkennen als hohe Kunst der Autorin, die mit den wenigen Absätzen, aus denen die Geschichten bestehen, ein eindringliches Gefühlsbild zu erschaffen vermag und mit jedem einzelnen der sieben Stücke die sprichwörtlichen Saiten im Leser zum Schwingen bringt.

Aufgrund des Umfangs der Sammlung fehlen füllende Texte, die Lektüre fühlt sich an wie ein Stück ausgesuchter Qualität, mit der die Autorin die verschiedenen Felder der Phantastik beleuchtet. Einzig „Ein letzter Wunsch“ entzieht sich meinem direkten Verständnis, allerdings bleiben auch hier der emotionale Eindruck und das sinngemäße Verständnis der Erzählung unberührt.

Es ist dem Augenschein nach ein unscheinbares Heftchen, in dem sich aber sieben fesselnde Geschichten von hoher Qualität verbergen, die nicht nur unterhalten, sondern im selben Maße zum Nachdenken anregen.

Andreas Brandhorst – Die Trümmersphäre (Perry Rhodan PAN-THAU-RA Band 2)

Band 1: Die Lebenskrieger
Band 3: Die Quantenfestung

In dem Versuch, aus der antiquierten Romanheftszene heraus zu treten und erneut Fuß in Form von Taschenbüchern zu fassen, konzipieren die Macher der großen Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“ seit ein paar Jahren erfolgreich neue Abenteuer, die aus der Hauptserie ausgekoppelt eigenständig lesbar sind. Verlegt werden diese Romane vom Heyne-Verlag, außerdem kommen regelmäßig Schriftsteller zum Zuge, die sich nicht oder selten bei Perry Rhodan blicken lassen. Der aktuelle PAN-THAU-RA-Zyklus, bestehend aus drei Paperbacks, bildet die Spielwiese von gleich zwei vor allem außerhalb der Serie bekannten Autoren.

Andreas Brandhorst ist der Autor des vorliegenden zweiten Bandes. Er arbeitete die letzten Jahre vor allem als Übersetzer, derzeit verlegt er den Schwerpunkt seiner Arbeit wieder mehr zu Gunsten eigener Romane. So erschien bei Heyne seine Trilogie um die „Kantaki“, die als hervorragende deutsche Space-Opera gilt und ab Oktober 2006 Sprungbrett für eine weitere Trilogie bilden soll.

Nähere Informationen finden sich in unserem Interview mit Brandhorst.

In den ersten Jahren der Einkehr der Loower, ihrer Sesshaftwerdung um den Planeten Alkyra II und des Verlustes ihres Tiefenbewusstseins äußerten sich verschiedene Persönlichkeiten gegen diesen Weg des Volkes. Karn-Terg, Pilot eines interstellaren Raumschiffes, wird von der neuen Ordnung verurteilt und zum Kinderwart degradiert, bei den Loowern die niederste Aufgabe, die vorstellbar ist. Doch seine Kommandantin schickt ihm kurz vor ihrem Tod eine Nachricht: Seine Aufgabe ist wichtig für die Zukunft der Loower, wichtiger, als er bisher ahnt. Er kann diese Worte noch nicht deuten, doch in seinem langen Leben wird ihm klar, dass damit sein Einfluss auf den Nachwuchs der Gesellschaft gemeint ist, denn er erzählt den Kindern ergreifende Geschichten über die glorreiche Zeit vor der Einkehr.

Größten Erfolg hat er bei einem Zwillingspaar. Die Brüder sind hochintelligent, entwickeln sich aber in ganz unterschiedliche Richtungen. Kilan-Gerp wird heißer Verfechter einer neuen Idee, den Weg zu den Sternen erneut zu wagen und den höheren Mächten, von denen die Loower verbannt wurden, den Krieg zu erklären (für das Leben des Universums). Hisk-Mekang wird erster Konstrukteur des Volkes und bietet Kilan die Stirn. Er vertritt die andere Seite, die an der Einkehr und dem neuen Leben festhält und im Krieg gegen die hohen Mächte den Weg in den Untergang sieht. So kommt es zur Eskalation, als die beiden Brüder mit ihren Anhängern die Schiffe der Loower wieder flott machen, aus dem Verbund der Trümmersphäre, einer gigantischen Stadt um den Planeten, lösen und in einen Bruderkrieg stürzen.

Zwischen die Fronten gerät die Liga Freier Terraner, deren Oberhaupt Perry Rhodan verschollen ist. Während seine Getreuen auf der Suche nach ihm mehr über die Absichten der Loower erfahren, findet er sich in der Gefangenschaft von Hisk-Mekang wieder. Er soll den Loowern gegen Kilan-Gerp helfen, ehe die hohen Mächte eingreifen. Mal wieder fokussiert sich das Geschehen um den unsterblichen Terraner …

Nachdem Frank Borsch im ersten Band der Trilogie die undankbare Aufgabe hatte, einen spannenden Roman zu schreiben, in dessen Verlauf Perry Rhodan verlustig geht und ein Licht auf den Krieg der Loower geworfen wird, um den Boden für die Vorgeschichte zu bereiten, befasst sich Brandhorst nun mit eben dieser Vorgeschichte und wenig mit der Gegenwart. Trotzdem oder gerade deshalb erhält der Leser viele neue Informationen, die die Absichten der Loower deutlich aufdecken und den unnachvollziehbaren Krieg aus dem ersten Roman in eine verständliche Perspektive rücken.

Nach wie vor bleibt allerdings die Erzählung um die Loower, in diesem Fall die Erzählung des Kinderwarts Karn-Terg und seines Einflusses auf den Werdegang der loowerischen Gesellschaft, der weitaus unterhaltsamste und interessanteste Teil des Romans. Die Figur des Perry Rhodan bleibt dagegen blass und stellenweise sogar unglaubwürdig, wenn er trotz seiner jahrtausendelangen Erfahrung mit sich umspringen lässt wie ein Schuljunge. Zur Verteidigung muss noch gesagt werden, dass eine Überfigur wie der strahlende Titelheld der 45-jährigen Serienhandlung mittlerweile schwer geschildert werden kann, will man ihm weiterhin die Menschlichkeit lassen. Von daher packt Brandhorst die Sache richtig an, indem er sich der Darstellung neuer, unverbrauchter Charaktere widmet und um sie eine dichte Erzählung strickt, die die Geschichte in einer straffen Weise voranbringt. So kommt es endlich mal in einer Trilogie vor, dass die Geheimnisse nicht krampfhaft bis zum letzten Teil gehütet werden und dadurch die Frustration in den ersten Teilen hervorruft, sondern dass man durch die Aufdeckung der Informationen bei der Stange gehalten wird, denn nun ist die Auflösung der Geschichte der Knackpunkt, nachdem der Hintergrund deutlich dargestellt ist.

Es bleiben natürlich ein paar Rätsel für den letzten Band zurück, so zum Beispiel die Frage nach den Monaden, den offenbar geknechteten Wesen aus einem anderen Universum. Und wie der visionäre Kilan-Gerp zu einem anscheinend durchgedrehten und rücksichtslosen Fanatiker hat werden können.

Der Roman ist eine gelungene Fortsetzung der Reihe und baut wunderbar auf die Erzählung aus dem ersten Teil auf, beleuchtet die Geschichte von einer anderen Seite. Noch ist offen, was der merkwürdige Shon Leehan Perry Rhodan erzählt hat, um ihn zu einem Angriff auf die Loower zu veranlassen und entgegen seiner sonstigen Art das Leben vieler Millionen Menschen zu gefährden. Rhodan sitzt erstmal fest und seine Freunde vermeiden bisher den Konflikt mit den Loowern.

Fazit:

Der Roman ist eine wunderbare Erzählung über ein Einzelschicksal und seine Verknüpfung mit dem Schicksal eines Volkes. Dabei führt er die große Handlung spannend und unterhaltsam weiter und bereitet den Boden für das Finale, das den Zyklus vielleicht zum bisher besten Spin-off-Zyklus der Serie machen wird.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (5 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Thomas Kohlschmidt – BLIND

Thomas Kohlschmidt, in der Phantastikszene bekannt durch zahlreiche veröffentlichte Artikel und Kurzgeschichten, legt jetzt mit dem Phantastikthriller „BLIND“ sein Romandebüt vor.

Professor Keller sitzt in einer Hamburger Psychiatrie gefangen, da er ein Buch über eine merkwürdige Dunkelheit veröffentlichte, die die Erde zu beherrschen drohe. Mit diesen esoterischen Thesen kam er einem Kollegen in die Quere, der seinen gesamten Einfluss geltend machte, um Keller aus dem Verkehr zu ziehen.

Gerade diese beschworene und verlachte Dunkelheit ist nun im Begriff, sich auf die Erde herabzusenken, und Keller wird von einer amerikanischen Sturmtruppe aus der Psychiatrie befreit. Außerdem sind die Russen, die UNO und andere Mächte plötzlich an ihm interessiert, so dass er als Spielball von einem zum anderen wechselt, bis ihn eine Söldnertruppe nach Kalkutta, dem Ort seiner Forschungen und einzig mögliche Ausgangsbasis zur Lösung des Problems, bringt.

Seine Anhänger haben ihm im Verlauf der Gefangenschaftsjahre ein Labor ganz nach seinen Wünschen eingerichtet und in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt, von dem aus er nun auf die andere Seite, in die „Nicht-Licht-Welt“, vorzudringen gedenkt, um der Gefahr zu begegnen. Für die Außenstehenden wird seine krankhafte Fantasie von Nicht-Licht-Wesen plötzlich zur alles betreffenden Gefahr; die Weltbevölkerung bricht in Panik aus und jede Macht will Keller für die nationale Sicherheit benutzen, ohne zu akzeptieren, dass er das Übel an seiner Wurzel in Kalkutta packen muss, wo er vor Jahren das Tor zur anderen Seite öffnete, das schon die Magier und Schamanen vergangener Zeiten zu hüten und zu verschließen bemüht waren. Was aber in der Nicht-Licht-Welt vorgeht, ist auch Keller noch unbekannt …

In einem Artikel auf WARP-online nimmt Kohlschmidt Stellung zu seiner Arbeit an diesem Roman und verdeutlicht seine Vorgehensweise bei der Recherche, die eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung gespielt hat, da er seine Geschichte an bekannten Orten mit verschiedensten Nationalitäten und Umgangsformen und realen Techniken erzählt. Dabei schafft er es sehr gut, die gefundenen Informationen zu bearbeiten und in einem gesunden, knappen Maß in seine Geschichte einfließen zu lassen, so dass man an keiner Stelle das Gefühl hat, er wolle möglichst alles, was er an Arbeit mit der Recherche hatte, auf Biegen und Brechen in dem Roman verarbeiten. Diese Fähigkeit muss man hervorheben, tun sich doch sehr viele gestandene Schriftsteller damit schwer und spicken ihre Erzählungen mit seitenlangen Abhandlungen. Kohlschmidt schafft diesen Balanceakt mit Auszeichnung, strafft so die Handlung und rückt das Wesentliche in den Mittelpunkt.

Dagegen erschweren die vielen unterschiedlichen Erzählebenen ein wenig den Lesefluss und behindern die Entwicklung der wichtigen Charaktere. An sich ist gegen die schlaglichtartige Darstellung der Situation nichts einzuwenden, wird so doch der große erdumfassende Zusammenhang sehr deutlich herausgestellt. Damit erhält jedoch jede einzelne Nebenfigur das gleiche Gewicht wie die wirklichen Handlungsträger, um deren Ausarbeitung etwas mehr hätte gegeben werden können.

Die Handlung steht auf etwas tönernen Füßen. Tragende Wichtigkeit kommt der Tatsache zu, dass die Anhänger von Kellers Theorie eine Organisation aufgebaut haben, die keinerlei finanzielle Probleme hat und außerdem die größten Könner aus jedem Gebiet rekrutieren konnte. Das erhebt alles in ein überirdisches Licht und enthebt Keller der Schwierigkeit, seiner (durch seinen Aufenthalt in der Klappsmühle nicht eben im Ansehen gesteigerten) phantastischen Theorie die Mittel und die Anerkennung zu erkämpfen, die es benötigt, um der Gefahr rechtzeitig entgegentreten zu können. So erscheinen die Protagonisten über jede weltliche Schwierigkeit erhaben, was durchaus der Glaubwürdigkeit der Geschichte abträglich ist.

Die Auflösung ist interessant und verknüpft die Mythologien eigentlich sämtlicher frühzeitlicher Völker auf einer neuen Ebene. Und natürlich muss der tragische Tod einer sympathischen Person die emotionale Bindung zum Leser gerade am Ende noch einmal richtig festigen.

Fazit: Kohlschmidts Romanerstling lässt sich locker, flüssig und spannend lesen und bietet kurzweilige Unterhaltung, hat aber einige Schwächen bei der Ausarbeitung der Charaktere und durch ein paar klischeehafte Wendungen. Ausbaufähig, aber ein Roman, der hohes Potenzial erkennen lässt.

China Miéville – Der Eiserne Rat

In der Welt Bas-Làg gibt es eine Stadt, New Crobuzon, einen Moloch, der als Stadtstaat die mächtigste Organisation ihrer Art ist. Ein anderer Stadtstaat beginnt, New Crobuzon die Herrschaft auf den Meeren streitig zu machen. Betrieben durch elyktrische Kräfte oder Dampf und Segel, liefern sich die Mächte andauernde Seeschlachten, zu Land bekämpfen sich die Heere, die eine neue Ordnung bringen sollen. New Crobuzon versucht, die Macht zu behaupten. Wichtigste Einheiten stellen für sie die Thaumaturgen dar, die Kraft ihres Geistes und allerlei Beschwörungsformeln Macht über Elemente wie Wind oder Wasser oder Elyktrizität besitzen. Doch die andere Seite hat noch unvorstellbarere Mittel, die ihrer Vollendung harren und damit den Untergang New Crobuzons bedeuten würden …

Zwischen die Fronten gerät eine Volkslegende, der Eiserne Rat, der es geschafft hat, sich der Fesseln New Crobuzons zu entledigen und den Häschern zu entkommen. Der Rat gründete sich aus Remade-Sklaven – bio-thaumaturgisch rekonstruierten Wesen – und freien Arbeitern, die sich gegen unzumutbare Bedingungen auflehnten. Das Remaking ist in New Crobuzon eine kunstvoll praktizierte Bestrafung für Verbrecher und Regierungsgegner.

Der Eiserne Rat, ein gigantischer Tross aus Lokomotiven, Wagons und allerlei Volk, das sich den Rebellen zu Fuß angeschlossen hat. Die Schienenleger und Planierer bereiten den Weg für die Stadt auf Rädern, die sich in Fußmarschtempo dahinbewegt. Von hinten werden die Schienen mit Lastkarren wieder nach vorn transportiert, ein ewiger Kreislauf.

Ein Mentor und Mitbegründer des Rats ist Judah Low, ein Golemist, der unbelebte Materie jeder Art zu einem Pseudoleben erwecken und sich dienstbar machen kann. Judah befindet sich in New Crobuzon als Barde des Rats, um die Legende im Volk zu verbreiten und den Keim der Rebellion zu legen. Er ist es, der erfährt, dass der Rat erneut von der Miliz gesucht wird, und er zieht los, um seine Heimat zu warnen. Ihm folgen begeisterte Anhänger aus verschiedenen Gründen: Cutter zum Beispiel ist Judahs junger Liebhaber und folgt ihm, wie er ihm überall hin folgen würde.

Der Rat wird verfolgt, weil der Krieg in der Bevölkerung zu Unruhen führt. Man kann es sich nicht mehr leisten, einen Rebellen ungeschoren zu lassen. Das Vorbild durch den Eisernen Rat soll vernichtet werden …

China Miéville befindet sich wieder in seiner überbordenden Schöpfung, der Welt Bas-Làg. Nach „Perdido Street Station“ (dt: „Die Falter“ und „Der Weber“) und „The Scar“ (dt: „Die Narbe“ und „Leviathan“) soll „Iron Council“ der vorerst letzte Band einer lose über die Stadt New Crobuzon verknüpften Trilogie sein, von der jedoch jeder Teil selbstständig lesbar ist (natürlich sollte man hierbei die Splittung der beiden ersten Teile im Deutschen in je zwei Teile beachten). Nach der Narbe kehrt man nun in die Stadt zurück, doch handelt dieser Teil der Geschichte viele Jahre später.

Der Roman liest sich spannend und flüssig, doch weniger wie Phantastik, als vielmehr wie ein Western. Revolverhelden, Kopfgeldjäger, Spielsucht, Eisenbahner und ihr brachialer Weg durch fremdes Land, ihr Zusammentreffen mit Einheimischen … Trotzdem bleibt die Faszination bestehen, die Miéville mit dieser Welt geschaffen hat. Neue Entartungen schockieren, neue Mächte faszinieren, neue Völker erweitern das Bild der Welt.

Um den Rat selbst dreht sich die Geschichte recht wenig, eher um die Revolution in New Crobuzon, das Verhältnis Cutters zu Judah und dessen Geschichte als Mentor des Rates, mit dem er sich völlig identifiziert und dem er sich jederzeit zu opfern bereit ist.

Was auffällt, ist die Beschaffenheit des Charakters „Judah“: Name, Weltsicht und Fähigkeiten zusammen lassen frappierende Ähnlichkeiten mit dem legendären Juden Rabbi Löw erkennen, ein liebevoller, weiser Vater und Partner, dem das Wohl seiner Vertrauten und seiner Heimat über alles geht. Sowohl der Rabbi als auch Judah Low haben die Fähigkeit, Golems zu erschaffen und ihnen Befehle einzuarbeiten, die bis zur Selbstaufgabe der Golems ausgeführt werden. Und schließlich das Verhängnis Rabbi Löws durch seine eigene Schöpfung – auch hier finden sich entsprechende Verbindungen zu Judah Low. Mit seiner mächtigsten Schöpfung gibt er sich selbst auf – oder verwirkt sein Recht auf Leben, je nach Sichtweise.

Ob es für die anderen Charaktere auch Entsprechungen aus der Weltliteratur gibt, ist nicht ersichtlich. Doch ihr teilweise tragisches Schicksal färbt den Roman in gleicher Weise wie Judahs Einfluss. Miéville verausgabt sich auch nicht an den Mengen handelnder Personen, sondern konzentriert sich auf einige wenige, aus deren Blickwinkel er die Geschichte ablaufen lässt. So haben wir Einblicke in die Gefühle und Gedanken von Normalmenschen, die sich leichter auf die Masse projizieren lassen als die vielleicht reineren und abgehobeneren Beweggründe von Führern.

„Der Eiserne Rat“ ist eine geschickte Mélange aus Dramatik und Erzählung, sein Stimmungsschwerpunkt liegt in der Tragik. Mit jedem Einzelschicksal konfrontiert sich der Leser mit Fehlern in Beziehungen, Scheidepunkten in Lebenswegen und Einflüssen höherer Gewalt, die manchmal nur wenige Auswege offen lassen. Und eines ist sicher: Trotz aller Brutalität und Abstrusität ist Bas-Làg auch eine Welt voller Wunder, die sich zu entdecken lohnt. Sollte es China Miéville gefallen, erneut den Pfadfinder durch diese Welt zu spielen, hat er sich eine große Reisegruppe verdient.

Isaac Asimov – Das galaktische Imperium (Foundation-Zyklus 4)

Isaac Asimov bemühte sich gegen Ende seiner Schaffenszeit, seine beiden großen Steckenpferde, die Robotergeschichten mit ihren Gesetzen der Robotik und die Geschichte der Menschheit mit der Foundation-Trilogie, zu einer zusammenhängenden, umfassenden Erzählung zu verknüpfen. »Das galaktische Imperium« wurde so zum vierten Band des erweiterten Foundation-Zyklus und bildet den endgültigen Übergang von den Robotergeschichten zur galaktischen Menschheitsentwicklung mit Hilfe der Psychohistorik.

Zweihundert Jahre nach Elijah Baleys letztem Fall auf Aurora, in dessen Verlauf er den Erdenmenschen einen neuen Anlauf für die Besiedlung der Galaxis ermöglichte, droht eine neue Krise: Die Spacer, die in ihrer von Robotern behüteten Zivilisation verharren, sehen ihre Macht über die Erdenmenschen durch die neuen Siedler bedroht, die allein durch ihre Masse zur Gefahr werden könnten. Der oberste Robotiker macht den hinterhältigen Plan eines seiner Kollegen zu dem seinen, der darauf abzielt, die Erde als Zentrum der Siedlerbewegung zu vernichten.

Inzwischen scheinen die Bewohner des letzten von Spacern besiedelten Planeten, die Solarianer, einen eigenen Plan zu verfolgen. Ihre Bevölkerung war schon immer die niedrigste aller Spacerwelten, und in dieser Krisenzeit haben sie ihren Planeten plötzlich verlassen.

Die bekannten Roboter Daneel und Giskard sehen sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, nach den Gesetzen der Robotik zu handeln und die Menschen zu beschützen und gleichzeitig die Vernichtung der Erde durch Menschen zu verhindern. Sie als intelligenteste Roboter machen sich Gedanken um die Zukunft der gesamten Menschheit, was ursprünglich die Kapazität von Positronengehirnen übersteigt.

In typischer Weise entwickelt Asimov die Geschichte um seine Protagonisten, wobei diesmal ein deutlicher Schwerpunkt auf Daneel und Giskard und ihren inneren Konflikt zwischen ihren Erkenntnissen bezüglich der Menschheit und der Robotikgesetze gelegt wird. Es ist erstaunlich, über welchen Zeitraum (seiner Lebenszeit) und welchen Umfang (zehn, ursprünglich noch mehr, inzwischen zusammengelegte, Bände) er den großen Bogen spannt. Dass dem Leser dabei nicht langweilig wird, da er (in dieser Ausgabe nicht zuletzt wegen der wirren Veröffentlichungsstrategie des Verlags) die Romane wahrscheinlich nicht in chronologischer Reihenfolge gelesen hat und somit Details der Zukunft, auf die Asimov hinarbeitet, bereits kennt, ist ein Merkmal des Unterhaltungswerts der Geschichte und Asimovs Fähigkeit, spannende und verstrickte Abenteuer zu schreiben.

Ein wichtiger Punkt des Stils sind die langen Unterhaltungen, die einen Großteil der Geschichte ausmachen. Hier wird Stellung bezogen, Handlungen werden rückblickend dargestellt, neue Rätsel ausgestreut oder alte gelöst, und der Leser denkt mitunter zusammen mit den Protagonisten in die völlig falsche Richtung oder meint, Hintergründe noch vor ihnen durchschaut zu haben.

Geschickt flicht Asimov Fäden ein, die bereits in späteren Romanen gelöst wurden, und erklärt zum Beispiel, wie Daneel und Giskard zu ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten kommen. Bereits in vorangehenden Bänden wird angedeutet, dass nicht der geniale Hari Seldon (siehe Foundation Bände 7, 8) auf die Idee mit der Psychohistorik kam, sondern diese ein wichtiges Anliegen ursprünglich Giskards und ausgefeilter Daneels ist, wozu auch im vorliegenden Roman deutliche Grundsteine gelegt werden. Daneel, der durch Elijah Baley noch an dessen Sterbebett in Richtung Menschheit beeinflusst wurde (»ein einzelner Faden ist nichts im Gegensatz zum ganzen Gewebe«), schafft es sogar, sich selbst endgültig das Nullte Gesetz der Robotik einzuprogrammieren und es den ursprünglichen drei Gesetzen voranzustellen: Ein Roboter darf der Menschheit nicht schaden oder durch Untätigkeit zulassen, dass ihr Schaden widerfährt. Demzufolge wird die Unverletzbarkeit von Individuen der Abstraktion der Menschheit untergeordnet, was für den Einzelnen durchaus zur Gefahr werden könnte.

Es ist schwierig, darüber zu urteilen, aber ging Asimov vielleicht etwas zu weit, als er den Robotern die Macht zusprach, sich über die zum Schutz der Menschen eingesetzten Drei Gesetze hinwegzusetzen? Sollte es einem Roboter, und sei er noch so intelligent, zustehen, über die Zukunft der Menschheit zu entscheiden und damit vielleicht Einzelne zu gefährden? In dem Zusammenhang lässt er seine Roboter eine brisante Idee fassen:

[…] Wir müssen eine wünschenswerte Spezies formen und sie dann schützen, damit wir uns nicht wieder gezwungen sehen, zwischen zwei oder mehr unerwünschten Alternativen wählen (d.h. welcher unerwünschten Menschengruppe ihr Schutz gelten soll!) zu müssen. […] (Seite 492f)

Bei diesem Satz kann den Leser Unbehagen befallen, denn was wäre das für eine Menschheit, die nach den Wünschen von Robotern geformt ist? Ähnliches Unbehagen beschleicht einen ganz zum Ende des Zyklus, doch es soll nicht zu viel vorweggenommen werden.

Was den Roman gegenüber seinen Vorgängern so besonders macht, ist die gewisse Überlegenheit der Roboter gegen die Menschen; so spielte Daneel in den Bänden Foundation 2 und 3 zwar eine wichtige Rolle, dominiert wurden die Geschichten aber von Elijah Baley. Jetzt, nach Baleys Tod, bemüht sich Daneel um die Denkweise der Menschen allgemein und der Baleys im Besonderen, um der Menschheit möglichst perfekt dienen und sie schützen zu können. Dabei wird er in seinen Gedanken, Gefühlen und seiner Handlungsweise immer menschlicher, und darum wirkt es auch menschlich tragisch, als er sich seiner Aufgabe endgültig allein gegenübergestellt sieht.
Ein den anderen Bänden ebenbürtiger Beitrag zum großen Foundationuniversum.

Der Foundation-Zyklus im Überblick

1. Meine Freunde, die Roboter
2. Die Stahlhöhlen
3. Der Aufbruch zu den Sternen
4. Das galaktische Imperium
5. Die frühe Foundation-Trilogie
6. Die Rettung des Imperiums
7. Das Foundation-Projekt
8. Die Foundation-Trilogie
9. Die Suche nach der Erde
10. Die Rückkehr zur Erde