Archiv der Kategorie: Historisches

Sabine Ebert – Blut und Silber

Inhalt

Freiburg 1296: Das Apothekermündel Änne leidet an Alpträumen, in denen sie zusehen muss, wie ihre Mitbürger abgeschlachtet werden. Inbrünstig hofft sie, dass diese Träume mit der Realität nichts zu tun haben, und doch weiß sie es eigentlich besser: Ihre Träume werden mit beunruhigender Regelmäßigkeit wahr.

Und tatsächlich: König Adolf von Nassau träumt von den Silberschätzen der reichen Stadt und braucht sie darüber hinaus zur Festigung seines Reiches. Zwar halten die Mauern, und die Soldaten sind hervorragend ausgebildet, doch gegen Verrat ist niemand gefeit, und so wird die Stadt erobert.

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Simmons, Dan – Drood

_Das geschieht:_

Im Sommer des Jahres 1865 überlebt Charles Dickens, der nicht nur in seiner englischen Heimat berühmte Schriftsteller, ein schreckliches Eisenbahnunglück. Während er den zahlreichen Verletzten zu helfen versucht, entdeckt er eine bizarre Gestalt, die sich an den Opfern zu schaffen macht: Dies ist Dickens‘ erste Begegnung mit dem mysteriösen Drood, der ihn in den nächsten fünf Jahren – die letzten seines Lebens – immer wieder peinigen wird.

Nur seinen engsten Vertrauten zieht Dickens ins Vertrauen. Der kränkliche und opiumsüchtige Wilkie Collins, ebenfalls ein erfolgreicher Autor, mag an die Existenz von Drood lange nicht glauben, bis ihn ein ehemaliger Polizist eines Besseren belehrt. Inspector Field ist in Ungnade gefallen, nachdem Drood praktisch unter seinen Augen einen Edelmann ermordete. Besessen verfolgt Field den Schurken seit Jahren, um sich zu rehabilitieren und Drood stoppen zu können, der unter dem Pflaster von London ein Reich des Schreckens etabliert hat: In ehemaligen Steinbrüchen und Grabgewölben hausen die Ausgestoßenen und Verdammten der großen Stadt, die zum Sklaven eines Mannes wurden, der als intimer Kenner altägyptischer Riten sogar den Toten befehlen kann.

Als Collins seinem Freund Dickens helfen will, gerät er ebenfalls in Droods Gewalt. Verzweifelt versucht Collins zu entkommen, doch Drood und seine Schergen lauern überall. Systematisch werden jene ermordet, die ihnen in die Quere kommen. Nur Dickens eilt von Erfolg zu Erfolg, was in Collins die Frage aufkommen lässt, ob ihn sein Freund womöglich verraten und an Drood verkauft hat. Als Dickens ahnt, dass Collins ihn verdächtigt, beginnen beide Männer ein heimliches Katz-und-Maus-Spiel, das nur einer überleben wird – oder keiner, falls Drood es so will …

_Ein Autor zwischen allen Stühlen?_

Wie bespricht man einen so umfangreichen und mit Handlung nicht geizenden Roman? Schon die leserübliche Eingangsfrage lässt sich kaum beantworten: Welchem Genre lässt sich „Drood“ zuordnen? Dan Simmons entzieht sich ihr mit bemerkenswerter Energie. Er will – immerhin das wird bald deutlich – primär eine unterhaltsame Geschichte erzählen. Die Kategorisierung überlässt er denen, die ohne Schubladen nicht leben (oder lesen) können. Der Versuch wird dennoch unternommen: „Drood“ ist Historien-Roman, (doppelte) Autoren-Biografie, Liebesgeschichte, Horror, Krimi und Abenteuer, wobei die Grenzen verschwimmen und die Genre-Anteile sich in ständig wechselnder Intensität mischen. (Man könnte das alles auch unter dem hilfreichen Nonsense-Begriff „Belletristik“ subsumieren …)

Die Unberechenbarkeit der daraus resultierenden Geschichte irritiert. Einerseits ist das vom Verfasser, der sein Publikum in die Irre führen möchte, durchaus gewollt, andererseits ist es aber auch die unschöne Folge einer Story, die sich offensichtlich selbstständig gemacht hat. Deutlich wird jedenfalls, was Simmons nicht schreiben wollte: eine weitere Gruselgeschichte in viktorianischer Kulisse, in der Drood das geniale Scheusal gibt, das letztlich doch sein Schicksal ereilt. Folgerichtig bleibt die Identität von Drood ebenso unklar wie das Ende von Dickens‘ letztem Roman, was in weiterer Konsequenz eine der zahlreichen literarischen Spielereien ist, die Simmons sich und seinen Lesern gönnt.

Eindeutig lässt „Drood“ einen roten Faden vermissen. Knapp 1000 Seiten ist dieses Buch stark; die Geschichte benötigt so viel Papier objektiv nicht. Darin spiegelt Simmons freilich die zeitgenössische Literaturwelt wider: Dickens und Collins schrieben in einer Zeit ohne die Attraktionen und Ablenkungen des 21. Jahrhunderts. Jene Menschen, die sich Freizeit leisten konnten, lasen – konzentriert und ausgiebig. 1000 Seiten „Drood“ hätten 1865 kein Aufsehen erregte; Romane waren oft zwei- oder dreibändig. Mäandrierende Handlungen waren kein Manko, sondern wurden in den Lektüre- und Verständnisprozess integriert.

_Ein Drood als Schnittmenge zweier ‚Freundschaften’_

Das hat sich geändert. Auf den Punkt soll ein Autor heute kommen. In dieser Hinsicht wird „Drood“ vielfach zur harten Geduldsprobe. Viel hat sich Simmons vorgenommen – zu viel womöglich, denn Vielschichtigkeit ist kein literarisches Qualitätsmerkmal, wenn nur der Verfasser weiß, worauf er eigentlich hinauswill. Falls „Drood“ primär die Geschichte einer von Neid und Konkurrenzdenken überlagerten Freundschaft ist, deren Scheitern sich in der Manifestation eines Dämons namens Drood ausdrückt, geht dies in der Unzahl der Handlungsstränge unter.

Benötigt „Drood“ überhaupt ein phantastisches Element? Diese Frage stellte sich schon, als Simmons sein monumentales Epos [„Terror“ 4278 (2007) mit einem Polar-Monster anreicherte, obwohl die Geschichte auch ohne den so erzeugten Horror glänzend funktionierte. Offenbar möchte sich Simmons ein Hintertürchen offenhalten und jene Leser nicht verlieren, die ihn als Verfasser ausgezeichneter Science und Weird Fiction kennen und schätzen. Unerquicklicherweise wirken die damit einhergehenden Effekte in „Drood“ aufgesetzt.

Dabei ist die Geschichte der ‚Freundschaft‘ zwischen Charles Dickens und Wilkie Collins spannend wie ein Krimi. Simmons hat ausgiebig recherchiert und zwei Männer zu nicht nur literarischem Leben erweckt. Stimmen alle Details? Das ist nebensächlich, denn viel wichtiger ist die Geschichte, die Simmons daraus formt. Sowohl Dickens als auch Collins sind Getriebene und Besessene, die schon vor dem Erscheinen Droods einander belauern. Collins, der Jüngere, will den charismatischen Älteren aus dem Olymp vertreiben, um selbst seine Stelle einzunehmen. Er hungert nicht nur nach Ruhm, sondern ersehnt auch den gesellschaftlichen Aufstieg, wie er Dickens gelang.

Der ist sich seiner Gipfelstellung nicht nur bewusst, sondern auch keinesfalls bereit, sie zu räumen. Dickens durchschaut Collins, denn er ist nicht nur der bessere Autor, sondern durchaus durchtrieben. Wie man sich in der Öffentlichkeit ins rechte Licht setzt, versteht er besser als Collins. Dass er Dickens niemals das Wasser reichen konnte und was er als Freund ungeachtet dessen an ihm hatte, begreift Collins viel zu spät.

Wie Kater umkreisen der Alte und der Junge sich. Viktorianische Höflichkeit betont die Härte ihres Duells noch, das über unzählige Runden geht, unfaire Methoden wie den Einsatz von Hypnose einschließt und die Kontrahenten körperlich wie geistig zermürbt. Ganz selten fallen die Masken, und purer Hass bricht sich Bahn. Angesichts dieser realen Unbarmherzigkeit wirkt Drood wie ein Geisterbahn-Bösewicht.

Gleichzeitig spornen sich Dickens und Collins zu literarischen Höchstleistungen an. So erzählt „Drood“ auch von der Geburt des modernen Kriminalromans, der beiden Autoren wichtige Entwicklungsimpulse verdankt. Wie die Psyche das menschliche Handeln bestimmt, spielte Collins noch vorsichtig, aber schon überzeugend in „The Moonstone“ (1868; dt. „Der Monddiamant“) durch. Dickens griff dies 1870 in seinem letzten Roman (s. u.) auf. „Drood“ wiederum macht (in Romanform) deutlich, wie sich die beiden Männer in die gefährlichen Untiefen der menschlichen Seele vortasten – und dort verlieren.

_Die Vergangenheit nimmt Gestalt an_

„Drood“ ist ein Roman, dessen Verfasser sehr viele Seiten dem Versuch widmet, seinen Lesern die Welt des 19. Jahrhunderts näherzubringen. Das geschieht zwar auf Kosten einer stringenten Story, aber Simmons handelt generell richtig. Obwohl die viktorianische Ära von Dickens & Collins kaum 150 Jahre zurückliegt, käme sich ein Mensch der Gegenwart im London der Jahre 1865 bis 1870 wie ein Außerirdischer vor.

Die Erkenntnis dessen, was diese Fremdartigkeit ausmacht, ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis von Simmons‘ nicht nur inhaltlich seltsamen Geschichte. Im 21. Jahrhundert ist die allgegenwärtige Präsenz mehr oder weniger prominenter Zeitgenossen alltäglich geworden. Deshalb ist es beispielsweise schwierig nachzuempfinden, wie berühmt Charles Dickens wirklich war – nicht nur ein genialer Erzähler, sondern auch begnadet im Vortrag seiner Werke; ein Superstar seiner Zeit, der sein Publikum ohne Verstärker oder digitale Effekte, sondern nur mit der Kraft seiner Stimme zu fesseln und hysterische Ausbrüche zu erzeugen vermochte.

Wie dies gelingen konnte, vermag Dan Simmons überzeugend deutlich zu machen. ‚Sein‘ Charles Dickens ist kein fehlerfreier, aber ein faszinierender Mann und in seinem Metier der unnachahmliche Meister. Deshalb bedeutete sein Tod am 9. Juni 1870 einen doppelten Verlust: das Ende eines nicht von Verlagen und Medien gehypten, sondern von seinen Lesern gekürten Bestsellerautoren, der sein letztes Werk unvollendet lassen musste.

_Ein Geheimnis fasziniert die lesende Welt_

Am 1. April 1870 erschien die erste Lieferung des Romans „The Mystery of Edwin Drood“, der wie seinerzeit üblich zunächst in Fortsetzungen erschien. Für den März 1871 war der zwölfte und letzte Teil angekündigt. Da „The Mystery …“ eine Kriminalgeschichte erzählte, würde dieses Finale gleichzeitig die Auflösung eines Mordfalles bieten, dessen Autor alle seine beträchtlichen Register zog, um die Spannung zu schüren. Doch Dickens, der noch schrieb, während „The Mystery …“ bereits erschien, und den Lieferungen dabei nie weit voraus war, starb über den Fahnen des sechsten Teils, der im September 1870 postum erschien. Notizen über den Ausgang der Geschichte hinterließ Dickens nicht.

Womöglich wurde „The Mystery …“ gerade auf diese tragische Weise unsterblich: Dickens musste nie unter Beweis stellen, ob die Auflösung seinem Rätsel genügte. Stattdessen hinterließ er ein an offenen Fragen und Rätseln reiches Fragment, an dessen Interpretation, Entschlüsselung oder Vollendung sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten Literaturwissenschaftler und Schriftsteller, aber auch und erst recht unzählige Hobby-Kriminologen versuchten.

Simmons verknüpft das Drood-Rätsel geschickt mit einem Unglück, dem Charles Dickens am 9. Juni 1865 nur knapp mit dem Leben entkam: Er saß in dem Zug, der nahe Staplehurst in der englischen Grafschaft Kent auf einem Eisenbahnviadukt entgleiste. Zehn Fahrgäste starben, vierzig wurden zum Teil schwer verletzt. Dickens wurde von den Bildern dieses Unglücks verfolgt. Für „Drood“ knüpfte Simmons hier an. In diesem Zusammenhang war es außerdem hilfreich, dass Dickens mysterygerecht auf den Tag genau fünf Jahre nach dem Unfall starb.

Solche realen Ereignisse werden vom Verfasser entweder aufgegriffen, aber auch chiffriert und verfremdet. Zusammen mit unzähligen Anspielungen, die den Roman zur Freude literaturhistorischer „nitpicker“ durchziehen, machen sie „Drood“ zum Selbstbedienungsladen, in dem jeder Leser finden kann, was ihm gefällt. Das ist die positive Deutung, denn „Drood“ ist auch ein mit Überraschungen allzu prall gefüllter Koffer, dessen Inhalt dem Leser beim Öffnen um die Ohren fliegt. Der Rezensent kann und mag hier kein abschließendes Urteil treffen, sondern beschränkt sich auf die (persönliche) Feststellung, dass sich selten ein Buch mit 1000 Seiten auch ohne roten Faden so flüssig und spannend lesen ließ wie „Drood“.

_Der Autor_

Dan Simmons wurde 1948 in Peoria, Illinois, geboren. Er studierte Englisch und wurde 1971 Lehrer; diesen Beruf übte er 18 Jahre aus. In diesem Rahmen leitete er eine Schreibschule; noch heute ist er gern gesehener Gastdozent auf einschlägigen Workshops für Jugendliche und Erwachsene.

Als Schriftsteller ist Simmons seit 1982 tätig. Fünf Jahre später wurde er vom Amateur zum Profi – und zum zuverlässigen Lieferanten unterhaltsamer Pageturner. Simmons ist vielseitig, lässt sich in keine Schublade stecken, versucht sich immer wieder in neuen Genres, gewinnt dem Bekannten ungewöhnliche Seiten ab.

Über Leben und Werk von Dan Simmons informiert die schön gestaltete Website [www.dansimmons.com.]http://www.dansimmons.com

_Impressum_

Originaltitel: Drood: A Novel (New York : Little, Brown & Co. 2009)
Deutsche Erstausgabe (geb.): Oktober 2009 (Wilhelm Heyne Verlag)
Übersetzung: Friedrich Mader
976 Seiten
EUR 24,95
ISBN-13: 978-3-453-26598-1
http://www.heyne.de

_Dan Simmons auf |Buchwurm.info|:_

[„Terror“ 4278
[„Ilium“ 346
[„Olympos“ 2255
[„Sommer der Nacht“ 2649
[„Im Auge des Winters“ 2956
[„Kinder der Nacht“ 4618
[„Lovedeath“ 2212
[„Die Feuer von Eden“ 1743
[„Das Schlangenhaupt“ 1011
[„Welten und Zeit genug“ 790
[„Endymion – Pforten der Zeit“ 651
[„Fiesta in Havanna“ 359
[„Hardcase“ 789
[„Hard Freeze“ 819
[„Hard as Nails“ 823

Douglas, Tania – Ballonfahrerin des Königs, Die

_Inhalt_

Marie-Provence de Serdaine entstammt einer adligen, königstreuen französischen Familie. Was zu anderen Zeiten sicherlich ein Grund zur Freude gewesen wäre, ist im Paris des Revolutionsjahres 1795 ein Grund, um seinen Kopf zu fürchten.

Marie-Provence nimmt einen anderen Namen an und schafft es durch einige Kunstgriffe, als Hilfskraft bei einem Arzt angestellt zu werden. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass sie tatsächlich etwas verdient – Geld, das sie und ihre versteckten Leidensgenossen gut gebrauchen können: Marie ist nicht die einzige Adlige, die im Verborgenen überlebt hat.

Tatsächlich kommt es der mutigen jungen Frau auf etwas ganz anderes an. Ihre Mutter – inzwischen auf der Guillotine gestorben – hatte sie in glücklicheren Jahren oft mit nach Versailles genommen, wo sie eine besondere Bindung zum Dauphin, zum kleinen Thronfolger, hatte aufbauen können. Der Sohn des enthaupteten Königspaares wird nun unter schmählichen Bedingungen gefangen gehalten, und Marie-Provence, die ihn einst zu beschützen versprach, will einen Weg finden, ihn zu befreien.

Sie war sich der Gefährlichkeit ihres Plans vorher bewusst, doch den Strudel der Ereignisse, in den sie als Arztassistentin hineingerissen wird, hätte sie unmöglich vorhersehen können. Vor allem hätte sie ganz sicher nicht damit gerechnet, ihr Herz zu verlieren – noch dazu an einen Bürgerlichen. Fakt aber ist, dass sie André, dem Tapetenhändler und Ballonfahrer aus Leidenschaft, vollkommen verfällt, ohne jedoch dabei ihr eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, einen Jungen zu retten, das ihr am Herzen liegt! Das jedenfalls sagt sie sich, doch die Kreise, die sie unterstützen, sehen im Königssohn nicht das verängstigte Kind, das er ist, sondern den neuen Feldherrn und König. Marie-Provence weiß, dass das absurd ist, und doch muss der kranke Junge dringend aus dem Kerker geholt werden, sonst stirbt er bald. Die junge Frau weiß, dass sie dafür Andrés Hilfe benötigt – und seinen Ballon. Genauso gut weiß sie, dass sie beides aus freien Stücken nie bekäme, und so schmiedet sie einen Plan, der ihre Liebe und den Mann ihrer Träume zu Gunsten eines Kindes verrät …

_Kritik_

Tania Douglas hat sich die Gerüchte, die sich Jahrhunderte lang um das Schicksal des Dauphin rankten, zunutze gemacht und ihre eigene Interpretation geschrieben. Sie verpackt diese Geschichte in die Bilder, die schon viele Menschen faszinierten: Die Bilder des blutigen Terrors auf Frankreichs Straßen, der Hysterie um die Guillotine, des Wahnsinns des immer wiederkehrenden Umsturzes.

Die Beschreibungen des Ballons – von der Herstellung über die Wartung und den Flug bis zur Verwendung für militärische Zwecke – scheinen sorgfältig recherchiert und sind interessant zu lesen.

Allerdings sind mir persönlich ein paar Dinge zu reißerisch dargestellt. Da wäre beispielsweise eine Rettung in letzter Sekunde vor der Guillotine, mit schreiendem Volk und Umfallen-nach-Schlag-ins-Gesicht und allem Drum und Dran – das wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Das erinnert eher an das, was italienische Filmemacher der 50er Jahre aus einem Roman machen würden, als an einen Roman an sich.

Und der Kernpunkt der Geschichte – die Befreiung des Thronfolgers von Frankreich mittels Ballon – verlangt mir zu viel Phantasie ab. Vielleicht wurde man als Leser so behutsam wie möglich an diesen Punkt herangeführt, aber holprig war der Weg trotzdem. Es gab einfach viel zu viele wahnsinnige Zufälle dafür, als dass das Ganze als machbar durchgehen könnte.

_Fazit_

Tania Douglas hat einen zugegebenermaßen spannenden und unterhaltsamen Roman geschrieben, der mir aber nicht gefallen hat. Superlativ jagt hier Superlativ, und das ist einfach zu viel. Das schmale Korsett des Buches (einengend wie das an Marie-Provences Abendkleid aus adligen Tagen) ist kaum imstande, all die Handlung einzuschnüren, und so quillt sie an allen Ecken und Enden hervor. Und der Stil ist all dem so angemessen und glatt, dass er mich nicht mit schönen Außergewöhnlichkeiten über diesen Wust aus Geschehnissen hinwegtröstet.

Die Auseinandersetzung mit den Umbrüchen im Frankreich der Revolution habe ich in „Désirée“ von Annemarie Selinko und der „Joséphine“-Trilogie von Sandra Gulland schon schöner gelesen. Wer allerdings jede Menge Action mag und dringend etwas über die Anfänge der Ballonfahrt wissen möchte, der sollte sich an „Die Ballonfahrerin des Königs“ halten.

|Broschiert: 584 Seiten
ISBN-13: 978-3499252525|
http://www.rowohlt.de
http://www.taniadouglas.com

_Mehr von Tania Douglas auf |Buchwurm.info|:_

[„Tanz der Wasserläufer“ 4047

Schweikert, Ulrike – Herz der Nacht, Das

In [„Der Duft des Blutes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4858 erzählte die deutsche Autorin Ulrike Schweikert von dem Vampir Peter von Borgo, der im Hamburg der Gegenwart sein Unwesen treibt. Wie er in die deutsche Stadt kam und wie er zumindest ein paar Jahre seines langen Lebens verbracht hat, erfährt man in „Das Herz der Nacht“:

Im 19. Jahrhundert kommt der Vampir András Petru Báthory, der sich später Peter von Borgo nennt, nach Wien. Dort wird er ein guter Freund der Fürstin Therese Kinsky, die sich von ihrem Ehemann vernachlässigt fühlt und in dem Vampir bald mehr als einen Kameraden sieht. Doch András ist da zurückhaltender, obwohl auch er sich von der schönen Frau angezogen fühlt. Zu sehr fürchtet er, dass Therese mit seinem Geheimnis nicht umgehen kann.

Zur gleichen Zeit wird Wien durch eine seltsame Mordserie erschüttert. Vor allem junge Mädchen verschwinden und werden dann mit grausam zerrissener Kehle tot aufgefunden. Nachdem András in der Nähe von zwei Tatorten gesehen wurde, fällt der Verdacht des findigen Wiener Polizeikommissär Hofbauer auf den Vampir. Schnell merkt er, dass mit András etwas nicht stimmt und beißt sich an ihm fest. Zu spät merkt András, dass es beabsichtigt war, den Verdacht auf ihn zu lenken und ihn damit in Gefahr zu bringen. Doch wer würde so etwas tun?

Anders als „Der Duft des Blutes“ ist „Das Herz der Nacht“ mehr ein historischer Roman als ein Krimi und genau das rettet ihn davor, eine ähnlich durchschnittliche Bewertung wie der Gegenwartsroman zu erhalten. Schweikert gelingt es nämlich ausgezeichnet, das Porträt der damaligen Gesellschaft mit einer gut konstruierten, durchaus spannenden Handlung zu verbinden. In bunten Farben schildert sie nicht nur die verschiedenen Sitten, Traditionen und Affären im Wien der 19. Jahrhundert, sondern auch die im Buch vorkommenden Personen. Sie erwachen zum Leben, ohne aber historisch überfrachtet zu sein. Auf sehr unterhaltsame Art und Weise erfährt der Leser etwas über die damaligen Zustände, beinahe ungestört durch untote Wesen wie András.

Vampire an und für sich spielen tatsächlich nur eine ziemlich kleine Rolle in der Geschichte. Schweikert verzichtet darauf, ein untotes Wesen ans andere zu reihen, wie das in den „modernen“ Vampirromanen manchmal der Fall ist. Ihr Bild das Vampirs ist eher klassisch. András schläft tagsüber in einem Sarg, ist überaus stark und kann sich in eine Fledermaus oder einen Wolf verwandeln. Diese Einfachheit passt gut zu der historischen Kulisse, genau wie das Gentleman-Benehmen des Protagonisten. Dieser wirkt in der Geschichte eher distanziert, vor allem, weil er den Leser nur sehr oberflächlich an seinen Gedanken und Erinnerungen teilhaben lässt. Das ist ein bisschen schade, da er bestimmt viel zu erzählen hätte.

Als Entschädigung präsentiert sich Therese dafür umso geschwätziger, was auch nicht uninteressant ist. Mit ihrem bissigen Humor beschreibt sie die Zustände der Wiener Oberschicht nicht immer freundlich, dafür aber umso interessanter. Ihre Bemerkungen und Dialoganteile sind ebenfalls häufig durch diesen Witz geprägt, was aber die einzige Stelle im Buch bleiben soll, wo es lustiger zugeht. Ansonsten schreibt Schweikert eher ruhig und gedeckt. Ihre Beschreibungen sind zwar angenehm vielfältig und detailliert, doch ansonsten beschränkt sie sich auf einen gehobenen, der historischen Epoche angepassten Wortschatz, der nur wenig Stilmittel verwendet.

Doch abgesehen davon, dass Schreibstil und Personen nicht immer mitreißend sind, ist „Das Herz der Nacht“ ein schöner historischer Roman mit einem Schuss Grusel und einer Note Krimi. Gerade für Fans von historischen Geschichten ist dieses Buch eine gute Investition.

|471 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3802582233|

http://www.egmont-lyx.de

_Ulrike Schweikert beim Buchwurm:_
[Nosferas. Die Erben der Nacht 1 5084
[Lycana. Die Erben der Nacht 2 5359
[Seele der Nacht, Die (Die Legenden von Phantásien) 1232

Gablé, Rebecca – Hiobs Brüder

_Inhalt_

England, 1147: Der junge Simon de Clare ist verzweifelt. Er hat die Fallsucht, und zwar in einer so beängstigenden Form, dass seine Mitmenschen ihn für besessen halten. Da auch ein Exorzismus keine Ergebnisse zeitigt, sperrt man ihn ein. Aber nicht in einem normalen Gefängnis, sondern in einer alten Inselfestung – zusammen mit anderen Menschen, die von der Norm abweichen und/oder gefährlich sind. Hier trifft Simon auf Losian, der sein Gedächtnis verloren hat, auf King Edmund, der sich für einen verstorbenen Märtyrerkönig hält, auf den an einem Down-Syndrom leidenden Oswald, auf die siamesischen Zwillinge Godric und Wulfric und andere.

Der junge Adlige ist der Verzweiflung nahe: Seine Mitgefangenen sind ihm unheimlich, der Hunger macht ihm zu schaffen, und er hadert mit sich und der Welt. Nicht lange nach seiner Ankunft aber verwüstet ein Sturm die Insel und reißt einen Teil der Festung ein. Für die Männer steht der gefährliche Weg in die Freiheit offen.

Unwillkürlich übernimmt der Mann mit Amnesie die Führung – Losians Gedächtnis mag versagen, aber seine Muskeln und Reflexe erinnern sich an sein früheres Leben. Er hält die Männer zusammen, und so trotzen sie den Gefahren ihres Wegs durch das vom Krieg um den Thron zerrissene Land.

Widerwillig lässt Losian sich von Simon in die Geschichte der Kaiserin Maud von Deutschland und König Stephen einweihen, die seit zwölf Jahren um die Krone Englands kämpfen. Während Maud die von ihrem Vater eingesetzte Königin ist, halten die meisten Barone zu Stephen. Die Leidtragenden in diesem Konflikt sind die Landbewohner Englands, die überall dort, wo die Kämpfe toben, den Soldaten nichts entgegen zu setzen haben.

Was aber, so denkt Losian, geht mich dieser Kampf an? Er ahnt nicht, was auf ihn zukommen wird, wenn er sein Gedächtnis wiederfindet …

_Kritik_

„Hiobs Brüder“ führt die seltsamen Gefährten durch eins der blutigen Kapitel der englischen Geschichte. Illustre Gestalten kreuzen ihren Weg – nicht nur die beiden mit Herrschaftsanspruch, sondern auch Geoffrey Plantagenet, Thomas Becket und die wunderschöne, eigenwillige Aliénor von Aquitanien.

Wie die symbiotischen, ungleichen Freunde am Rande der Ereignisse auf die Geschichte Englands Einfluss nehmen, erzählt Rebecca Gablé in epischer Breite.

Die Lebenswege der Protagonisten sind durch ihre gemeinsame Gefangenschaft miteinander verwoben, und durch die Notwendigkeit, sich arrangieren zu müssen, wachsen sie mit- und aneinander. Diese Entwicklung wird unmittelbar erzählt, so dass man den fiktiven Personen persönliches Interesse entgegenzubringen beginnt. Jedenfalls, wenn man die gesammelten Klischees der ersten hundert Seiten hinter sich gebracht hat: Die ganzen bösen Mönche. Und dann all den Aberglauben. Auch ein paar Ungenauigkeiten haben sich eingeschlichen: So fürchten sich die Gefährten beispielsweise vor Raubrittern, was wahrscheinlich ziemlich genau die Bedrohung beschreibt, die die Autorin verdeutlichen wollte, allerdings kam das Raubrittertum erst im Spätmittelalter auf.

Doch letztlich sind diese Kleinigkeiten egal. „Hiobs Brüder“ ist schließlich Unterhaltung, und zwar ziemlich gute und spannende Unterhaltung.

_Fazit_

Es gibt massenweise historische Romane, die es mit den geschichtlichen Tatsachen weniger genau nehmen als das neue Werk Rebecca Gablés, und wenn man sich erst einmal in diese Geschichte hineingelesen hat, möchte man dringend wissen, wie sie ausgeht. Und damit ist nicht der geschichtliche Rahmen gemeint (der ist den Liebhabern historischer Romane spätestens seit Tanja Kinkels großartigem Buch „Die Löwin von Aquitanien“ bekannt), sondern die individuellen Geschichten der erdachten Protagonisten, denen man nach der langen Lesebekanntschaft nur das Beste wünscht.

Alles in allem ist die Lektüre von „Hiobs Brüder“ durchaus empfehlenswert. Bringen Sie Zeit mit, die 900 Seiten lesen sich nicht an einem Abend.

|ISBN: 978-3-431-03791-3
Hardcover/Gebunden
907 Seiten
Preis: 24,99 EUR ISBN (D), 25,70 EUR (A), 42,90 SFR (UVP)
Ersterscheinungsdatum: 09.10.2009|
http://www.luebbe.de
http://www.gable.de

_Rebecca Gablé auf |Buchwurm.info|:_

[„Die Siedler von Catan“ 1218 (Hörbuch)
[„Die Siedler von Catan“ 258 (Buch)
[„Das Lächeln der Fortuna“ 1522 (Hörbuch)
[„Die Hüter der Rose“ 1733 (Buch)
[„Das Spiel der Könige“ 4129 (Buch)
[„Das zweite Königreich“ 4541 (Hörspiel)

Er, Li – Koloratur

_Inhalt_

Im Mai 1942 fand die Schlacht von Erligang statt. Chinesische und japanische Truppen kämpften, die Chinesen schlugen die Japaner zunächst in die Flucht, verloren aber ihrerseits viele tapfere Männer und Frauen. Unter ihnen war Ge Ren, der Übersetzer, Literat, Dichter und Kommunist aus Überzeugung.

Jedenfalls hätte er das sein sollen. Er wäre ein so großartiger Volksheld gewesen mit seinem sanften Wesen, den großartigen Gedichten und der romantischen Liebe zu seiner Frau, der berühmten Schauspielerin Bingying.

Ge Ren allerdings hatte andere Pläne, für die er am Leben sein musste. So starb er nicht, sondern zog sich in ein Dorf im Dahuang-Gebirge zurück. Er verhielt sich ruhig und schrieb an seiner Autobiographie – unentdeckt erst, doch bald sickerten Gerüchte durch, dass er nicht den Heldentod gefunden habe. Kurz darauf war Ge Ren tot – die Legende lebte.

Ge Ren war in China aufgewachsen, hatte in Japan studiert und war nach Russland gereist, weil sein politisches Sehnen ihn zu den Wurzeln des Kommunismus zog. Er hatte den langen Marsch mitgemacht und sich dort mit Tuberkulose infiziert, die er bis zu seinem Tod nicht losgeworden war.

Als interessierter Intellektueller hatte Ge Ren im Laufe seines Lebens mit den verschiedensten Leuten Freundschaft geschlossen: Mit anderen Kommunisten, mit chinesischen Nationalisten und mit Japanern. Verschiedenste Menschen schätzen ihn aufs Höchste – und erzählen seine Geschichte auf unterschiedliche Weisen. Welche davon der Wahrheit am nächsten kommt, lässt sich im Nachhinein wohl kaum mehr rekonstruieren …

_Kritik_

Die drei Erzählungen über Ge Rens Schicksal lesen sich wie Krimis. Gerade weil von Anfang an klar ist, wie die Geschichte enden wird, ist es fast schmerzhaft, die verschiedenen Erzähler von ihrer Hoffnung sprechen zu hören, den verehrten Dichter und Freund retten zu können.

Speziell der Unterschied zwischen dem ersten Bericht – dem des Arztes – und dem zweiten, der von Ge Rens Jugendfreund und skrupellosen Mann fürs Grobe der Kommunisten verfasst wurde, ist faszinierend. Die Einstellungen, das gesamte Weltbild, Ethik und Moral sind gänzlich entgegengesetzt, was durch die Diskrepanz in den Sprachstilen perfekt untermauert wird.

Das Puzzle aus drei verschiedenen Sichtweisen auf ein und denselben Gegenstand ergibt ein Bild, das so ganz schlicht nicht stimmen kann. Nicht einmal unterschiedliche Blickwinkel können die Abweichungen erklären – jemand lügt. Vielleicht alle drei? Und wenn ja, ist das dann verwunderlich, oder würde nicht doch jede Geschichte so klingen, wenn man nur genügend Leute fragte?

Eine hässliche Geschichte von Politik, von Schein und Sein, von Ruhm und befohlenem Opfer arbeitet einen Teil der chinesischen Historie auf, der bisher nur unzureichend beleuchtet wurde. Und all das Grau, all die Lügen werden immer wieder unterbrochen von sanft schimmernden Lichtstrahlen, die Ge Ren und Bingying beleuchten und Liebe, Großmut, Weisheit und Freundlichkeit ein Zeichen setzen lassen gegen den von einer kranken Realität aufgezwungenen Wahnsinn, obwohl sie von Vornherein zum Scheitern verurteilt sind.

_Fazit_

„Koloratur“ ist ein faszinierendes Stück Literatur. Die Tatsache, dass Ge Ren zwar bei allen Geschichten die Hauptperson ist, aber tatsächlich in diesem winzigen Bergdorf sitzt, ruhig schreibt und bewusst auf seinen Tod wartet, ist herzzerreißend.

Selbst ich, die ich weder mit Kommunismus noch mit Lyrik wirklich viel anfangen kann (nicht, dass da ein zwingender Zusammenhang bestünde), war von diesem Buch hingerissen. Alles, was von den so verschiedenen Männern über den Dichter gesagt wird, zeichnet das Bild eines feinfühligen, intelligenten, freundlichen, großherzigen Menschen – der gar nicht hätte sterben dürfen, wenn die Geschichten gänzlich wahr wären, in denen die einzelnen Erzähler ihre Motive und Rettungsversuche darlegen.

Ich kann die Lektüre nur jedem ans Herz legen, der jetzt nicht unbedingt nur laue Unterhaltung sucht. Die Fremdartigkeit von Sprache, Rhythmus und Lebensgefühl ist für mich als Menschen, der über China extrem wenig weiß, exotisch und interessant gewesen; die Figuren schillernd und die Gegensätze atemberaubend. Lesen Sie es, Sie werden es nicht bereuen.

|Titel der Originalausgabe: Huaqiang
Aus dem Chinesischen übersetzt von Thekla Chabbi
ISBN-13: 978-3608937947
Gebundene Ausgabe, 440 Seiten|
http://www.klett-cotta.de

Edward Rutherfurd – Die Rebellen von Irland (Die große Dublin-Saga, Band 2)

Nach dem erfolgreichen Auftakt  seiner „Dublin-Saga“ war Edward Rutherfurd noch den zweiten Teil schuldig, der die jüngsten Entwicklungen des Landes mit all den politischen Ränken, Glaubenskämpfen und Unabhängigkeitsgesinnungen präsentieren sollte. In „Die Rebellen von Irland“ fasst der Autor die Ereignisse vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zusammen, lässt viele gewichtige Weltbürger jeder Zeit zu Wort kommen, erzählt dabei weiterhin die Geschichten des einfachen Volkes, beschreibt aber natürlich auch die Entwicklungen an der Spitze der Gesellschaft und den schwelenden Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Herausgekommen ist dabei ein Wälzer, der in dieser Form seinesgleichen sucht, aber zu keiner Sekunde überladen wirkt – doch das Fazit gehört wohl noch nicht an diese Stelle …

Edward Rutherfurd – Die Rebellen von Irland (Die große Dublin-Saga, Band 2) weiterlesen

Nielsen, Maiken – siebte Werk, Das

1982 suchte eine Cholera-Epidemie von ungekannter Stärke Hamburg heim. Über 8600 Menschen mussten sterben, weil in der Handelsstadt katastrophale hygienische Bedingungen herrschen. Immerhin wurden nach dem großen Sterben die dringlichsten Sanierungen vorgenommen, damit man die Geißel kein weiteres Mal würde ertragen müssen.

_Inhalt_

Kurz vor Ausbruch der Seuche: Die junge Liliane Winterberg ist erleichtert, dass die lange Reise von London nach Hause nun endlich vorbei ist. Nicht, dass Lili nicht gern ihrem verwitweten Bruder dort bei seinen Geschäften geholfen hatte, doch es ist so schön, wieder in den Schoß der Familie zurückzukehren.

Aber apropos: Wo ist die eigentlich? Warum holt sie niemand ab? Halb ärgerlich, halb besorgt macht Lili sich auf den Heimweg. Zu Hause sorgt sie fast für einen Herzinfarkt bei ihren Eltern, die just an diesem Morgen vor ihrer Haustür ein ermordetes Mädchen gefunden hatten, das fast genau wie Lili aussah.

Wer ist die junge Frau, woher kam sie, und wer hat sie getötet? Und wie – das ist wohl das Rätselhafteste – ist sie in den Besitz der Taschenuhr gelangt, die Liliane in London entwendet worden ist?

Lili würde sich gern näher mit dieser mysteriösen Geschichte beschäftigen, doch ihre Konzentration wird empfindlich gestört durch ihr viel zu lautes Herzklopfen, wenn der junge Journalist Rurik Robertson in der Nähe ist. Wie es scheint, erwidert er ihr Interesse … aber kann sie sich dessen ganz sicher sein? Schließlich meiden die meisten Menschen sie, da sie als Bestatterstochter in dem Ruf steht, Unglück zu bringen. Außerdem gibt es eine ganze Menge anderer Mädchen, welche die Ansicht teilen, dass Rurik ganz hinreißend ist.

Auch um das Geschäft macht Lili sich Sorgen: Es ist eine Katastrophe, dass ihr Vater vorübergehend eingesperrt wird, weil man ihn des Mordes an der unbekannten Toten verdächtigt, doch auch ohne diese Komplikation kämpft das Unternehmen ums Überleben. Zwar war Herr Winterberg der erste, der einen umfassenden Service angeboten hatte, doch inzwischen gibt es Nachahmer, die den Bestatter mittels massiver Werbung aus dem Geschäft zu drängen versuchen.

In der Person einer jungen Frau aus dem übel beleumdeten Gängeviertel findet Liliane zufällig eine Spur in dem Mordfall, der ihr Leben so einschneidend verändert hat. Doch ehe sie mit Recherchen loslegen kann, warnt ihr Nachbar, der Arzt Christian Buchner, sie vor einer neuen Gefahr: Die Cholera hat Einzug in Hamburg gehalten und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Die Behandlung ist unzureichend, da man sich nicht einmal über die Art der Ansteckung einig ist. Angst vor Ketzereiverdacht lässt die Bewohner der Handelsstadt zögern, das neu erbaute Krematorium in Betrieb zu nehmen, was der Seuche als Einziges Einhalt gebieten könnte. Und in all dem Elend und dem Sterben vergisst Liliane ganz, dass ihr vielleicht auch von anderer Seite tödliche Gefahr droht.

_Kritik_

Mit der Familie des Bestatters Winterberg hat Maiken Nielsen einen interessanten Mikrokosmos geschaffen. Durch das abergläubische Unbehagen, das ihr Gewerbe bei ihren Mitmenschen auslöst, rücken die Familienmitglieder eng zusammen, und wie Lilis kleine Geschwister mit der Abneigung umgehen, ist rührend dargestellt. Auch der Arzt, der in der Kaufmannsstadt weniger gilt, als man annehmen möchte, muss auf eigene Art damit umgehen. Ob dem wirklich so war, ob diesen beiden Berufsgruppen tatsächlich auf diese Weise begegnet wurde, weiß ich nicht. Die Charaktere sind jedoch ordentlich herausgearbeitet und glaubwürdig.

Der Kriminalfall ist besonders verwickelt. Kaum eine Spur lässt sich finden, und man weiß meist nicht einmal im Ansatz, wie er einzuordnen ist: Handelt es sich um die Mordserie eines Wahnsinnigen? Geht es um politische Prinzipien, oder ist das Ganze doch privater Natur?

Bis zum Finale werden die Windungen enger, die Hinweise verwirrender. Es ist schwer, sie richtig einzuordnen, und wer das vor der Auflösung schafft, muss über jede Menge Scharfsinn verfügen.

_Fazit_

Maiken Nielsen besitzt einen sicheren, flüssigen Stil, der die Lektüre von „Das siebte Werk“ zu einem Vergnügen macht. Zwar ist dieser Roman keine große Literatur, aber er ist rundherum angenehme Unterhaltung.

|Taschenbuch: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3499249433|

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Serno, Wolf – Spiel des Puppenkönigs, Das

_Story:_

Berlin im Jahre 1783: Der berüchtigte Puppenspieler Julius Klingenthal möchte sein Glück an der Spree versuchen und mit seinem Puppenspiel vor ein neues Publikum treten. Doch schon bei seiner Ankunft stößt Klingenthal auf Schwierigkeiten: Seine Barschaft wird grundlos in Beschlag genommen, woraufhin seine Karriere vorerst ruiniert scheint. Hilfesuchend wendet sich Julius an Friedrich den Großen und darf sich völlig überraschend tatsächlich auf die Schützenhilfe des Potsdamer Regenten verlassen.

Doch die Freude währt erneut nicht lange. Im Anschluss an sein Anliegen in Sanssouci trifft der Puppenspieler auf einen mysteriösen Fremden, der noch an Ort und Stelle in Julius‘ Armen stirbt. Aus Angst vor möglichen Konsequenzen tritt Klingenthal die Flucht an und hält sich künftig vom Schloss des Herrschers fern. Dabei stößt er auch wieder auf seine einstige Lebensgefährtin Alena, die mittlerweile bei Madame Chattemont eine lukrative Anstellung bekommen hat und ihren Ruf als Klagefrau ablegen kann. Aber auch sie ist nicht restlos glücklich: Im Salon der Madame trifft sich regelmäßig das edle Collegium Artis und präsentiert der jungen Dame ein Leben, das niemals das ihre sein wird.

Nach einer dieser Veranstaltung kommt der russische Fürst Katusow ums Leben – und das neu verbundene Pärchen gerät in Verdacht, in die Sache involviert zu sein. Erneut sieht Julius sein einziges Heil in der Flucht. Als ihm jedoch gewahr wird, dass der Fürst einen ähnlichen Handschuh trug wie auch der arme Kerl, der ein Jahr zuvor in seinen Armen verstorben war, ahnt er eine böse Verschwörung. Gemeinsam mit Alena versucht er die Sache aufzudecken – und begibt sich zum wiederholten Male in äußerste Lebensgefahr!

_Persönlicher Eindruck:_

Es gibt wohl in der ganzen historischen Belletristik kaum einen Autor, der so witzig und flüssig, gleichzeitig aber auch faktisch und informativ schreibt, wie es Wolf Serno nun schon seit Jahr und Tag tut. Seine Geschichten sind die von Hexen, Vagabunden und hauptsächlich Underdogs; sie zeigen die untersten Stände, vornehmlich Vorurteile und Ungerechtigkeiten, aber eben auch den unbändigen Willen, sich als einfacher Mensch nicht unterbuttern zu lassen. Mit dem Puppenspieler Julius Klingenthal hat Serno eine Figur erschaffen, die kaum besser in sein Profil hätte hineinpassen können. Dieses Potenzial hat der Autor sofort erkannt und seinem mittlerweile vielleicht wichtigsten Charakter direkt eine ganze Trilogie gewidmet. Teil zwei hört auf den Titel „Das Spiel des Puppenkönigs“ und ist nicht nur Fortsetzung, sondern auch die raffinierte Weiterentwicklung des Debütbandes.

Die zweite Erzählung um den gewieften Puppenspieler beginnt ähnlich dramatisch, wie die letzte endete. Klingenthal steht erneut vor den Scherben seines Lebens und sieht sich gezwungen, zu einem unkonventionellen, aber nötigen Schritt zu greifen. Fest entschlossen bittet er um eine Audienz bei Friedrich dem Großen und bittet darum, ihn seiner aktuellen Misere zu unterstützen. Alles läuft perfekt, die Unterstützung wird ihm erstaunlicherweise sogar gewährt, doch dann geschieht erneut etwas, das Julius nicht beeinflussen kann, das sein persönliches Dilemma aber noch weiter verschlimmert. Ein unverhoffter Todesfall eines unbekannten Menschen, der auf mysteriöse Weise und ausgerechnet in den Armen des Hauptakteurs erliegt – und schon ist ein komplett neues Fass mit dem Potenzial für eine richtige spannende Geschichte aufgemacht.

Allerdings sind die Geschehnisse vor Sanssouci erst die Saat, die ausgestreut werden muss, um eine weitere, sehr vielschichtigere Story zu erzählen. Es geht um ein fürchterliches Mordkomplott, um Liebe, Emotionen, Verrat, Intrigen, Anrüchiges und zuletzt natürlich wieder um die Cleverness der untersten Gesellschaftskaste, die es den Obrigen mit einer Menge Mut und Risikofreude heimzahlt. An der Spitze natürlich der stets fröhlich-besorgte Julius, der um keinen Streich verlegen ist und viele humorvolle Glanzmomente innerhalb der Handlung hat. So bastelt er geheim eine siebte Puppe, die er Friedrich dem Großen widmet, und treibt fortan Schabernack mit ihr. Aber auch sein Gebaren im Salon von Madame Chettemont ist oft spitzfindig und komisch und gehört zu den zentralen und amüsantesten Inhalten eines sehr abwechslungsreichen, gerade zum Ende auch sehr spannenden Romans.

Dass die Geschichte anschließend sogar noch Inhalte eines historischen Krimis aufnimmt, gepflegtes Rätselraten ob der eigenartigen Mordfälle vom Leser einfordert und sich prompt wieder in einen Serno-typischen Mix aus eigensinniger Gesellschaftsdokumentation, fiktivem, allumfassendem Plot und kurzweiligen themenspezifischen Episoden entwickelt, ist schließlich das i-Tüpfelchen, das „Das Spiel des Puppenkönigs“ aber im Grunde genommen auch schon stilistisch gesetzt hat. Fakt ist: Das zweite Kapitel um den raffinierten Puppenspieler ist eines der Highlights im reich bestückten Katalog des Autors und lässt für den Abschluss der Serie noch einiges erwarten!

|487 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-426-19748-6
Taschenbuch: ISBN-13 978-3-426-63545-2|
http://www.droemer-knaur.de
http://www.wolf-serno.de

_Mehr von Wolf Serno auf |Buchwurm.info|:_

[„Hexenkammer“ 1820
[„Der Balsamträger“ 2298

Simmons, Dan – Drood

Die Werke des englischen Schriftstellers Charles Dickens gehören zu den wichtigsten Romanen der englischen Literatur. Titel wie: „Oliver Twist“, „David Copperfield“ oder „Eine Weihnachtsgeschichte“ wurden mehrfach erfolgreich verfilmt. Seine Figuren wie Scrooge, der Waisenjunge Oliver Twist oder der Abenteurer David Copperfield sind aus der literarischen Welt nicht mehr wegzudenken, und ihre Schicksale verzaubern und berühren noch immer viele Generationen von Lesern.

Am 9. Juni 1865 verunglückte der Tidel Train in Staplehurst. Das schwere Bahnunglück forderte zahllose Tote und Verletzte. Charles Dickes, einer der Fahrgäste, überlebte die Entgleisung des Zuges und den Sturz von der Brücke. Noch am Unfallort leistete Dickens Erste Hilfe, doch auch wenn Dickens mit dem Schrecken davongekommen war, so durchlebte er dieses Unglück im Geiste immer wieder. Ein Trauma für den Rest seines Lebens, wie sich zeigen sollte.

Der vielseitige amerikanische Autor Dan Simmons, der mit seinem ebenfalls im |Heyne|-Verlag erschienen Buch „Terror“, in dem er die abenteuerliche Suche nach der Nordwestpassage von John Franklin erzählte, einen internationalen Bestseller landete, erzählt nun in „Drood“ die nicht minder abenteuerliche Geschichte von Charles Dickens und beginnt dabei mit genau diesem Ereignis.

_Inhalt_

Als der berühmte Autor Charles Dickens bei einem schweren Bahnunglück am 9. Juni 1865 nur knapp mit dem Leben davonkommt, ist dies der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Der bekannteste Schriftsteller seiner Zeit wird mit dem unmittelbaren Tod konfrontiert, und fortan leidet er unter diesem tragischen Erlebnis. Noch am Unfallort, als er Schwerverletzte birgt und bei der Versorgung hilft, begegnet dem Autor ein Mann mit schwarzem Umhang und Zylinder. Eine imposante, aber auch mysteriöse dunkle Erscheinung, die den Schriftsteller verängstigt, aber ebenso fasziniert.

Der unbekannte Mann stellt sich als „Drood“ vor, und Dickens erlebt persönlich, wie dieser am Ort des Unfalles zur elementaren Personifizierung des Todes wird. Eine schier unheimliche Aura umgibt Drood, und Dickens erscheint diese Person als Botschafter des Todes.

Charles Dickens wird in seinen Träumen fortan von Drood verfolgt. Dickens entwickelt eine verhängnisvolle Leidenschaft in dem Versuch herauszufinden, was es mit Drood auf sich hat. Zusammen mit seinem literarischen Kollegen und Freund Wilkie Collins begibt sich Dickens in die dunklen Gassen des viktorianischen Londons und erlebt eine makabere Faszination für das ihm Unbekannte und Spirituelle.

Auf der Jagd nach dem geheimnisvollen Phantom finden die beiden etwas, das sie so nicht vermutet haben, nämlich ihre dunklen Seiten, die sie in Opiumräuschen ausleben und deren Grenzen sie zwischen Alptraum und Realität nicht mehr ausloten können …

_Kritik_

„Drood“ ist in erster Linie ein bodenständiger historischer Roman von Dan Simmons. Nach „Terror“ und dessen Erfolg ist die Erwartungshaltung der Leser sicherlich groß, und Dan Simmons versteht es wie erwartet, seine Geschichten auf hohem Niveau zu erzählen.

Der Leser wird dennoch keinesfalls den Roman „Terror“ mit „Drood“ vergleichen können. Zu unterschiedlich ist nicht nur das Thema, sondern auch vielmehr der Stil des Autors. Als spannend ist „Drood“ nun wirklich nicht zu bezeichnen; der Autor vermischt zwar historische Fakten mit Fiktion, doch erzeugt er bei dem Leser nicht die packende Atmosphäre wie in seinem Vorgängerroman.

Dan Simmons konzentriert sich viel zu sehr auf die umfangreiche Charakterisierung seiner Protagonisten und nimmt damit der Geschichte die Dynamik. Die Einleitung des Romans, das schwere Zugunglück und das erstmalige Erscheinen von Drood gehören schon zu den wenigen Höhepunkten in disem Roman. Überflüssige Passagen, in denen das Leben von Charles Dickens und Collins bis ins kleinste Detail analysiert
und interpretiert wird, mildern das Lesevergnügen und wirken ungemein ernüchternd, oder sagen wir schlicht – es wird langweilig. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass es sich beinahe um eine nonfiktionale Biografie von Dickens handeln könnte.

Als Hauptfigur allerdings kommt Charles Dickens nicht gut an. Dan Simmons hat den großen Schriftsteller als arroganten, unsympathischen Menschen dargestellt, der bei seinem Mitmenschen alles andere als positiv im Gedächtnis geblieben ist. „Drood“ wird aus der Perspektive von Wilkie Collins erzählt, der immer im Schatten von Dickens lebt und arbeitet und seinen Erfolg zwar nachvollziehen kann, aber das nur mit Neid- und Hassgefühlen.

Dan Simmons hat sich mit der Entstehung seines Romans „Drood“ viel vorgenommen. Wie schon gesagt, gewinnt der Leser schnell den Eindruck, dass es die etwas ausführlichere Version einer Biografie sein könnte. Ebenso findet man in „Drood“ eine Geistergeschichte und phasenweise eine Dokumentation wieder. Der Autor hat dabei aber außer Acht gelassen, dass sich der Leser dabei schnell verlieren könnte, denn ein wirklich spannendes Konzept sucht man hier leider vergebens.

Nicht nur der Leser verliert hier den Überblick, auch die Protagonisten verlieren im Drogennebel der Opiumhöllen ihre Wahrnehmungen und ihre Intelligenz. Streckenweise gelingt es allerdings Dan Simmons, sich wieder als faszinierender Erzähler zu profilieren. Das viktorianische London lässt der Autor vor den Augen des Lesers mit all seiner stinkenden und dunklen Präsenz aufleben. Inmitten der labyrinthischen Unterstadt, der Kanalisation, die von opiumsüchtigen Menschen bevölkert ist, beweist Simmons sein Talent der Erzählkunst.

Diese authentischen Abschnitte werden mit einem stilvollen, beklemmenden Gefühl dargeboten, ähnlich grandios wie in „Terror“. So bildlich und düster stellt man sich eine Gruselgeschichte vor, so hätte es sein können und bleiben müssen.

Im Scheinwerferlicht der Handlung bleiben allerdings nur zwei Personen übrig – Dickens und Collins, der kümmerliche Rest von Protagonisten finden sich in der klassischen Rollenverteilung wieder, die das soziale Bild einer Gesellschaft um das Jahr 1865 in London gut widerspiegeln.

_Fazit_

In „Drood“ finden sich gleich mehrere Genres wieder. Eher als historischer Roman konzipiert, könnte er ebenso gut eine Biografie, eine Dokumentation oder Mystery-Roman sein; wenn man allerdings alles erreichen möchte und dabei über einen schmalen Grat wandert, könnte man leicht abstürzen. Und genau das ist leider bei „Drood“ passiert.

Dan Simmons‘ „Drood“ kann ich letztlich nicht zur Lektüre empfehlen. Zu wenig inhaltliche Spannung ist in diesem Roman zu finden, dafür viel zu viele kleinere Nebengeschichten rund um die Protagonisten, die zusammen mit der Person des geheimnisvollen Drood als in der Summe völlig überflüssig erscheinen.

Dan Simmons hat mit [„Terror“ 4278 bewiesen, dass er ein großartiger Autor ist. Sein Stil und sein Talent für Sprache sind deutlich ausgeprägt, und er weiß durchaus, wie man Spannung erzeugen kann, doch hier hat Simmons sich anscheinend übernommen. „Drood“ ist ein Flickenteppich unterschiedlicher stilistischer Genres, der mich im Gesamtbild leider nicht überzeugen konnte.

|Originaltitel: Drood
Aus dem amerikanischen Englisch von Friedrich Mader
975 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-453-26598-1|
http://www.heyne.de
http://www.dansimmons.com

_Dan Simmons auf |Buchwurm.info|:_

[„Terror“ 4278
[„Ilium“ 346
[„Olympos“ 2255
[„Sommer der Nacht“ 2649
[„Im Auge des Winters“ 2956
[„Kinder der Nacht“ 4618
[„Lovedeath“ 2212
[„Die Feuer von Eden“ 1743
[„Das Schlangenhaupt“ 1011
[„Welten und Zeit genug“ 790
[„Endymion – Pforten der Zeit“ 651
[„Fiesta in Havanna“ 359
[„Hardcase“ 789
[„Hard Freeze“ 819
[„Hard as Nails“ 823

Walz, Eric – schwarze Papst, Der

Rom, Sommer 1552. Das Collegium Germanicum wird von Papst Julius III. gegründet. Der Orden, der vorrangig aus Priestern der Jesuiten besteht, wollte neue Reformationen bekämpfen und romtreue Priester in Theologie intensiv ausbilden. Die Eröffnungsfeier des Collegiums wird jedoch durch den Tod eines jungen Schülers unterbrochen. Als die Leiche des jungen Mannes untersucht wird, stellt man überraschend fest, dass dieser vergiftet wurde. Wer hatte Interesse daran, den Schüler umzubringen, denn seltsam ist es schon, da dieser erst vor wenigen Tagen aus Bayern nach Rom gekommen war.

Papst Julius beauftragt den jungen aber schon in Ermittlungen erfahrenen Jesuitenpater Sandro Carissimi damit herauszufinden, was es mit dem mysteriösen Mord auf sich hat. Zur Seite steht ihm die junge Glasmalerin Antonia Bender, die ihm schon öfter geholfen hat. Das Duo nimmt die Ermittlungen auf und stellt manche heikle Fragen, doch als eine ehemaliger Förderer Carissimis, Luis de Soto, ins Visier gerät, wird es kompliziert.

Im Laufe der Nachforschungen führen die Spuren Sandro und Antonia immer tiefer in die Armenviertel der ewigen Stadt. Als sich abzeichnet, dass eine Liebesgeschichte mitverantwortlich für den Tod des jungen Priesters sein könnte, findet man eines Morgens den Verdächtigen Luis de Soto erhängt vor. Hat sich de Soto selbst getötet, weil er sonst keinen Ausweg mehr fand? Den Papst reicht der Selbstmord als Beweis für dessen Schuld und erklärt die Ermittlungen für beendet.

Antonia und Sandro vermuten, dass mehr hinter den mysteriösen Todesfällen steckt, und setzen gegen den Willen des Papstes ihre Suche weiter fort, um sich nur wenig später in akuter Lebensgefahr wiederzufinden …

_Kritik_

Eric Walz lässt in seinem neuesten historischen Kriminalroman „Der schwarze Papst“ wieder sein altbewährtes Duo ermitteln. In der Renaissance gab es zahllose Verschwörungen, seien es nun politische oder klerikale. Macht korrumpierte jeden, und nicht immer waren sich die Regierungen und die Oberhäupter der Kirche einig über die verschiedenen politischen Verhältnisse.

Eric Walz hält sich eng an die Fakten – die Rodriguez-Verschwörung hat es wirklich gegeben -, doch viele Details wird man nicht rekonstruieren können, so dass sich Walz als Schriftsteller einiger künstlerischer Freiheiten bedient. Die Story ist spannend, doch es gibt keine überraschende Wendungen, kein Katz-und-Maus-Spiel. Da es sich um einen Krimi handelt, dreht sich alles um das Ermittlerduo, die Puzzleteil für Puzzleteil mühsam finden und zusammensetzen müssen. Eric Walz‘ Schreibtechnik hat dabei etwas Perfektionistisches an sich. Mehrere Handlungsstränge geben sich die Hand, wechseln sich ab oder ergänzen sich ohne logische Fehler, die auffallen oder den Lesespaß trüben könnten.

„Der schwarze Papst“ entwickelt im Laufe der Handlung einige bewegende und auch witzige Dialoge zwischen Sandro und Antonia. Eine gewisse Eigendynamik hebt sich dabei positiv heraus und lässt die beiden Protagonisten sich entwickeln. Als Vertrauter des Papstes Julius weißt Sandro, welche Hebel er in der vatikanischen Maschinerie bewegen muss, um ans Ziel zu kommen, er weiß, über welche Macht er verfügt, und er setzt diese auch gerne ein.

_Fazit_

„Der schwarze Papst“ ist ein buntes, spannendes Mosaik von Personen, Verbrechen, Politik, Kirche und Macht. Da dies der dritte Teil aus der Reihe ist, trifft der Leser zudem auf einige Bekannte, z. B. Carlotta und Hauptmann Forli aus Trient.

Eric Walz hatte die Möglichkeit, sich mit dem dritten Teil zu steigern, und er hat sie auch genutzt. Mit Spannung, einigen witzigen Dialogen und liebevollem Detailreichtum der Protagonisten und ihrer Lebenswelt überzeugt sein aktueller Roman und bietet absolutes Lesevergnügen.

|444 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-37269-0|
http://www.blanvalet.de

Bernard Cornwell – Sharpes Sieg. 1803: Richard Sharpe und die Schlacht von Assaye

Vier Jahre sind vergangen, seit Richard Sharpe, seines Zeichens Sergeant der britischen Armee in Indien, in „Sharpes Feuerprobe“  Tippu, den Herrscher von Seringapatam, tötete und um dessen Juwelen erleichterte. Eigentlich führt er nun ein relativ beschauliches Soldatenleben unter dem Kommando von Major Stokes und macht sich hauptsächlich Gedanken darüber, wie er die erbeuteten Juwelen wohl am besten in seine Kleidung einnähen könnte. Doch dann führt ihn das Schicksal (oder eher Stokes‘ Befehl) nach Chasalgaon, gerade als dessen Bewohner vom Verräter Dodd hingemetzelt werden. Sharpe, als einziger Überlebender, kann nur entkommen, indem er sich tot stellt.

Bernard Cornwell – Sharpes Sieg. 1803: Richard Sharpe und die Schlacht von Assaye weiterlesen

Clifton Adams – Tanz im Hexenkessel

Vier blindwütige Geschwister tragen ihre Blutfehde in eine kleine Westernstadt. Weitgehend auf sich selbst gestellt, muss der Marshal sich ihrer erwehren … – Vor der Kulisse einer selbstvergessen feiernden Stadt spielt sich die bekannte aber interessant variierte Geschichte vom einsamen Gesetzeshüter im Kampf gegen eine Übermacht von Gegnern ab, die hier von krankhaftem Hass getrieben werden. Clifton Adams – Tanz im Hexenkessel weiterlesen

Carsten Jensen – Wir Ertrunkenen

Das Meer – unendliche Weiten, unendliche Möglichkeiten. Ungezählte Menschen zog es hinaus in die entbehrungsreichen Abenteuer der Segelschifffahrt, und meist waren es Männer, die ihre Familien über Jahre hinaus verließen. Sie sahen ihre Kinder nicht aufwachsen, kannten nicht die alltäglichen Probleme der Familien, ihr sehnsüchtiges Warten oder verzweifeltes Schimpfen und die ständige Angst, den Sohn, Ehemann oder Vater nicht wiederzusehen. Denn das Meer ist nicht gut oder böse – es ist gleichgültig.

Carsten Jensen erzählt die Geschichte der dänischen Stadt Marstal, die über Generationen hinweg ein angesehener Ursprungsort guter Seeleute war. Hunderte von Segelschiffen waren in diesem Hafen beheimatet, und Generationen von Vätern und Söhnen war der Weg vorherbestimmt. Bis mit den Weltkriegen die Männer knapp wurden, immer mehr Schiffe sanken, die Dampfschifffahrt und der Stahlbau die edlen Segler verdrängten und die großen Reedereien von den überlebenden Frauen übernommen wurden, um teils zu verschwinden, teils zur Zerstörung der Lebensgrundlage der Stadt verwendet zu werden.

Die Geschichte einer Familie zieht sich als roter Faden durch das Buch. Laurids Madsen, Erbe der schweren Seemannsstiefel seines Vaters, wird mit anderen Seeleuten seiner Stadt von der Marine eingezogen, um im Ersten Weltkrieg gegen Deutschland zu kämpfen. Im Gefecht vor Eckernförde versagen die Dänen in ihren überlegenen Militärschiffen gegen die schwachen Geschütze der deutschen Stellungen. Bei der Explosion der Pulvervorräte wird Laurids in den Himmel geschleudert und landet später am Strand auf seinen Füßen. »Ich habe Petrus‘ Arsch geküsst, aber der Himmel wollte mich nicht«, so erzählt er daraufhin jedem Kriegsgefangenen, der es hören will.

Albert Madsen findet die Stiefel seines Vaters Laurids auf dem Dachboden und nimmt sie mit auf seine erste Heuer. Er durchkreuzt lange die Weltmeere auf der Suche nach seinem Vater, bis er schließlich an Bord eines Menschenhändlers als Steuermann anheuert und nach dem Tod dieses gefürchteten Mannes Kapitän seines ersten Schiffes ist. Albert wird ein wichtiger Mann für Marstal, ein großer und angesehener Reeder, der die Interessen der Stadt und der Seefahrt zu seinen eigenen macht. Sein Ziehsohn Knud Erik Fries wird schließlich der letzte einer langen Reihe fähiger Männer, die die geschichtsträchtigen Stiefel der Madsens tragen. Mit ihm und durch seine Mutter Clara Fries, Erbin Albert Madsens, endet die Ära der großen Seestadt Marstal.

Carsten Jensen erzählt die Geschichte seiner Heimatstadt in tiefen Farben und gischtenden Wogen, erweckt die Liebe ihrer Einwohner zur Heimat und zur Seefahrt im Leser und beleuchtet den Wandel der Menschen und der Zeit mit erzählerischem Geschick erster Güte, so dass der Schmerz der alten Generation, die den rasanten Wandel in der Seefahrt nach einem eigenen Leben, das noch nach den alten Regeln verlief, erlebt, den Leser mitreißt und trotz aller Vorteile der neuen seemännischen Sicherheit diesen stolzen alten Zeiten der großen Segler nachtrauern lässt.

Auffällig ist die Menschlichkeit der Charaktere. Schon der gefeierte Laurids verschwindet plötzlich und hinterlässt eine vielköpfige Familie, um in der Südsee mit einer eingeborenen Inselbewohnerin eine neue zu gründen. Albert lebt ein inbrünstiges Leben als Seemann ohne menschliche Bindungen, er scheint verheiratet mit Marstal und dessen Schicksal. So wird seine Beziehung zu Clara Fries ein Drama und erweckt die Leidenschaft und Fähigkeiten dieser Frau, die schließlich in der Zerstörung Marstals als Seehafen münden. Ein fähiger Seemann namens Hermann, dessen Jugend durch den Seetod seines Vaters verkorkst wird, kehrt erfolgreich nach Marstal heim und wird Kinderschreck und großspuriger Wortführer gegen die Gemeinschaft. Er gilt als Mörder und Vergewaltiger, aber im Zweiten Weltkrieg begegnet er Knud Erik in hilfloser Lage und wird beliebtes Mannschaftsmitglied auf dem von Erik befehligten Kriegsschiff. Knud Erik selbst zerbricht fast an der Verantwortung für die Menschen auf seinen Schiffen, deren Notsignalen im Kampfeinsatz zu gehorchen verboten wurde. Diese Verantwortung verfolgt ihn in den Schlaf und errichtet eine Barriere um ihn, die zu durchbrechen erst seiner plötzlich wieder auftauchenden ersten Liebe gelingt. Clara Fries schließlich, deren Mann dem Meer zum Opfer fiel und deren Beziehung zu Albert Madsen einer Tragödie gleicht, zerbricht an ihrem Schmerz und befreit so einen Intellekt, der durch ihren Wahnsinn die Reedereien Marstals ruiniert und der Stadt so die Lebensgrundlage raubt.

Das Meer ist gleichgültig, schreibt Jensen. Doch während der Lektüre lernt der Leser die Gründe der vielen Menschen und ihre Faszination für diesen Schiffe fressenden Moloch kennen und teilen, und so bleibt auch bei ihm der Verlust spürbar, den die Welt durch das Abwracken der großen Segler erfuhr.

Originaltitel: Vi, De Druknede
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
781 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-8135-0301-2

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (9 Stimmen, Durchschnitt: 1,78 von 5)

Niehaus, Ursula – Heiligenspiel, Das

_Augsburg im ausgehenden 15. Jahrhundert_: Die junge Anna lebt nach dem frühen Tod ihres Vaters mit ihrer Mutter Barbara und der kleinen Schwester in ärmlichen Verhältnissen. Anna entspricht zwar nicht dem Schönheitsideal, ist aber eine gewitzte junge Frau mit einem guten Herzen. Durch eine Intrige wird sie verurteilt und aus der Stadt gejagt. Zu ihrem Glück findet sie bei der alten Kräuterfrau Oda Unterkunft, die sie in ihr heilkundiges Wissen einweiht.

Nach mehreren Jahren erreicht Oda Annas Begnadigung und die junge Frau darf in ihr geliebtes Augsburg zurück, muss aber im Seelhaus bei den Ordensschwestern leben. Eine mehrwöchige Magenverstimmung, die sie alle Speisen erbrechen lässt, sorgt für das Gerücht, Anna sei eine Hungerheilige, die sich nur von der Hostie ernährt. Gegen Annas Willen pilgern immer mehr Menschen zu ihr, um ihren Segen zu empfangen und Rat einzuholen.

Als Anna wieder essen kann, drängt Pater Quirinus sie aus Eigennutz, ihre Rolle weiterzuspielen. Anna fühlt sich unwohl dabei, freut sich aber, dass sie durch die zahlreichen Spenden den Armen helfen kann. Sogar höchste Würdenträger wie König Maximilian suchen den Rat der vermeintlichen Heiligen. Doch als Anna den reichen und älteren Kaufmann Anton Welser kennenlernt, nimmt das Verhängnis seinen Lauf …

_Auch in ihrem zweiten Roman_ nach der „Seidenweberin“ nimmt sich Ursula Niehaus einer historischen Frauengestalt an.

|Interessante Hauptfigur|

Mit Anna Laminit ist der Autorin eine gelungene Darstellung einer ungewöhnlich und zugleich grundsätzlich sympathischen jungen Frau geglückt. Sie ist nicht besonders hübsch und auch nicht herausragend intelligent, besitzt aber einen gesunden Menschenverstand und eine ordentliche Portion Bauernschläue, die ihr immer wieder durchs Leben helfen. Ihr Schicksal als „Heilige wider Willen“ ist ungewöhnlich und faszinierend zugleich. Obwohl Anna durch ihre falsche Heiligkeit tausende von Menschen betrügt, ist sie keine Egoistin. Stattdessen kann der Leser gut nachvollziehen, warum sie den Schein der Heiligkeit über viele Jahre hinweg aufrechterhält – will sie ihre Haut retten, bleibt ihr in der Tat keine andere Wahl. Anna macht aus der Not eine Tugend, schließlich kann sie dank der großzügigen Spenden den vielen Armen helfen und muss sich keine Gedanken über ihre eigene Versorgung machen.

Eine sehr liebenswerte Gestalt ist das Kräuterweiblein Oda. Die alte Frau ist zunächst alles andere als angetan, als die fünfzehnjährige, halb verhungerte Anna in ihrer einsamen Hütte auftaucht. Widerwillig pflegt sie das verletzte Mädchen gesund. Anna allerdings erweist sich als nützliche Hilfe, geht der Oda zur Hand und darf schließlich bleiben. Die brummige Alte ist als Einsiedlerin recht eigensinnig, hat die seltsame Angewohnheit, ihre Katzen jeweils nach dem vorherigen Papst zu benennen und zeigt ihre Zuneigung selten offen. Trotzdem oder gerade deswegen ist sie nach Anna wohl die sympathischste Figur des Romans.

Im reichen Kaufmann Anton Welser findet Anna einen weiteren Vertrauten, nachdem er zufällig hinter ihr Geheimnis kommt und nicht daran denkt, sie zu verraten. Der ältere Mann, der beinah Annas Großvater sein könnte, ist trotz seines Alters sehr anziehend und charmant – und umgekehrt weckt die nur äußerlich so spröde Anna in ihm erotische Begierden. Die über viele Jahre hinweg andauernde Affäre hat nie eine echte Chance, zu einer richtigen Beziehung zu werden. Anton ist verheiratet und hat einen guten Ruf zu verteidigen, Anna gilt als jungfräuliche Heilige. Dennoch besteht zwischen den beiden ein vertrautes Band, das erst kurz vor Schluss durch ein schreckliches Ereignis ins Wanken gerät.

|Historik und Fiktion|

Viele der Figuren hat es wirklich gegeben, angefangen bei Anna Laminit über ihre Mutter Barbara, Anton Welser, Kaiser Maximilian, Herzogin Kunigunde, sogar Annas Magd Appel und natürlich Martin Luther. Der Autorin gelingt es stimmig, den tatsächlichen Lebenslauf mit fiktiven Ereignissen aufzufüllen. Ursula Niehaus weicht in ihrer Darstellung der Anna Laminit aber von der traditionellen Geschichtsschreibung ab. Sie macht aus der angeblich hinterlistigen Betrügerin, die ihr Heiligenspiel bewusst zur Täuschung einsetzt, ein Opfer der Umstände, erpresst durch den bösartigen Pater Quirinus, dessen Annäherungsversuche sie brüsk zurückweist. Auch das Ende der historischen Anna, so viel sei verraten, übernimmt sie nicht, sondern nutzt ein Hintertürchen für eigene Spekulationen.

Annas wendungsreiches und aufregendes Leben fesselt den Leser von Beginn an. Ihr überwiegend liebenswerter Charakter trägt dazu bei, dass man mit ihr fühlt und inständig hofft, dass sie aus jeder misslichen Lage heil herauskommt. Mehrfach läuft Anna Gefahr, öffentlich enttarnt zu werden. Über Jahre hinweg muss sie heimlich essen und heimlich ihre Notdurft verrichten – denn wer nichts isst, braucht natürlich nicht auf die Toilette zu gehen. Anna begegnen im Laufe der Zeit nicht nur Bewunderer, sondern auch neidische und misstrauische Gemüter. Im letzten Viertel des Romans überschlagen sich die Ereignisse, sodass man das Buch am liebsten gar nicht mehr aus der Hand legen möchte, ehe sich klärt, wie es mit Anna weitergeht.

|Kleine Schwächen|

Dennoch ist der Roman nicht in allen Punkten ideal umgesetzt worden. Das Hauptmanko liegt darin, dass manche Zeitspannen zu gerafft dargestellt werden. Vor allem in der zweiten Hälfte werden mehrfach mehrere Jahre übersprungen, und gegen Ende hat man gar den Eindruck, die Autorin habe unter Zeitdruck zu Ende geschrieben, so rasch wird durch die Handlung gehetzt. Das ist vor allem schade, weil wichtige Szenen und Personen, etwa Anton Welser, dabei zwangsläufig zu kurz kommen – und auch Anna selbst verliert im letzten Viertel an Kontur. Obwohl wichtige Entscheidungen zu treffen sind, werden diese nur angerissen. Gerade in diesen Phasen wünscht man sich, dass Annas Handlungen näher begründet und vor allem vom Leser miterlebt werden können, stattdessen werden diese Passagen übersprungen und nur kurz in der Rückschau erwähnt.

Kürzungen müssen natürlich bei einem Handlungsraum über zwei Jahrzehnte sein, sie werden aber, wie schon im Debütroman der Autorin, teilweise an den falschen Stellen angesetzt. Ein bisschen unglaubwürdig und schwer nachvollziehbar ist zudem, dass Anna nicht schon früher ihr Schicksal in die Hand nimmt, als sich die Gegner in Augsburg mehren und immer häufiger offen darüber gesprochen wird, dass sie eine Affäre habe und gar keine echte Heilige sei. Der Stil ist zwar grundsätzlich sehr flüssig, schwankt aber manchmal etwas uneinheitlich zwischen moderner Wortwahl und altertümelnden Formulierungen.

_Unterm Strich_ ist der zweite Roman von Ursula Niehaus ist kein herausragender, aber doch ein solider und unterhaltsamer Historienschmöker. Die Geschichte um die interessante Figur Anna Laminit ist gut recherchiert und sehr spannend gestaltet, die Hauptperson meist sympathisch dargestellt. Ein paar kleine Schwächen trüben den Gesamteindruck, vor allem der gehetzte Schluss und Kürzungen an unpassender Stelle – dennoch für alle Freunde des historischen Romans eine Leseempfehlung wert.

_Die Autorin_ Ursula Niehaus wurde 1965 in Köln geboren. Nach Ausbildung und Studium machte sie sich mit einem Stoffgeschäft selbstständig. Ihr erster Roman war „Die Seidenweberin“, an dessen Fortsetzung sie derzeit arbeitet.

http://www.droemer-knaur.de

Bendikowski, Tillmann – Tag, an dem Deutschland entstand; Der

Im September 2009 jährt sich die Varusschlacht zum zweitausendsten Mal. Schirmherrin wird Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sein. In Kalkriese, wo Archäologen und Geschichtsforscher vermuten, dass es sich um den Ort der legendären Schlacht zwischen drei römischen Legionen unter dem Statthalter Varus und aufständischen germanischen Stämmen unter der Führung Arminius des Cheruskers handeln soll, laufen schon die ersten Vorbereitungen. In der Nähe von Detmold hingegen steht seit 1875 das berühmte, gut 53 Meter hohe Hermannsdenkmal, ein heroisches Standbild, das uns daran erinnern soll, dass Arminius alias Hermann uns von dem römischen Joch befreit hat und ein strahlender, selbstloser Held deutscher Geschichte sein soll.

Doch weder wissen wir mit absoluter Gewissheit die genaue Lokalität der Schlacht, auch wenn in Kalkriese Unmengen von Münzen, Waffen, Rüstungsteile und selbst Knochen mit eindeutigen Kampfspuren gefunden worden sind, noch können wir den genauen Ablauf der Schlacht rekonstruieren. Im Laufe der Jahrhunderte verblasste die Erinnerung an die Schlacht im Teutoburger Wald und die Quellen des Tacitus und des römischen Konsuls Cassius Dio und damit auch der Mythos von der Befreiung und Einigkeit deutscher Gebiete.

Viele Jahre später, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wurde aus Arminius dem Cherusker, Hermann, der Befreier Germaniens. Um Arminius ranken sich viele Legenden und Mythen, und gerade zum Varusjahr werden uns noch mehr Geschichten um seine Person und die legendäre Schlacht erreichen.

Dr. Tillmann Bendikowski, Historiker und Journalist, hat sich mit der Konfrontation zwischen dem Statthalter Varus und dem cheruskischen Fürsten Arminius befasst und wirft auch einen genauen Blick auf die Entwicklung des Mythos und der Person des späteren Hermann, der als Sinnbild für die Befreiung und Entstehung Germaniens immer noch über dem Teutoburger Wald sein Schwert in Pose gen Himmel richtet.

_Inhalt_

Im September des Jahres 9 n. Chr. soll es fürchterlich geregnet haben. Wir können das nicht mehr nachweisen, vielleicht handelt es sich nur um eine Ausrede der Berichterstatter, um die Katastrophe angesichts des Verlustes von drei römischen Legionen mit über 20000 Soldaten des Imperiums im fernen Germanien zu erklären. Es fand keine Feldschlacht statt, sondern die römischen Legionen wurden auf dem Weg in ihr Winterlager durch Hinterlist und Verrat in einem zermürbenden Guerillakrieg, der drei Tage anhielt, vernichtend geschlagen.

Was vor 2000 Jahren wirklich geschah, darüber geben antike Quellen nur wenig Auskunft. Das schlechte Wetter dürfte für eine Berufsarmee wie die der Römer vielleicht hinderlich, aber nicht verantwortlich für die Niederlage gewesen sein. Ausschlaggebend war die Person des Cheruskerfürsten Arminius, der lange Jahre in Diensten Roms stand und durch seine militärische Ausbildung der Taktik und Strategie der römischen Militärmacht entgegenwirken konnte. Er kannte alle Schwachstellen der Legionen, und hinzu kamen noch seine geografischen Kenntnisse des zu durchquerenden Gebietes.

Der Sieg des Arminius hatte zur Folge, dass die Römer ihre Eroberungspolitik für Germanien aufgaben, aber auch der Fürst der Cherusker hatte wenig Glück nach seinem anfänglichen Erfolg. Zwar konnte er seine Stellung innerhalb der Fürstengemeinschaft ausbauen, doch auch ihn kosteten die anschließenden Fehden und kleineren Auseinandersetzungen das Leben.

Dem historischen Arminius wurde eine Karriere zuteil, von der viele römische Offiziere nur träumen konnten. Politisch und militärisch wurde er von Varus hoch geschätzt, der als Statthalter Germanien befrieden und reorganisieren sollte. Die germanischen Stämme waren alles andere als einig. Stammesinterne und übergreifende Konflikte waren an der Tagesordnung, und längst waren sich die einzelnen Fürsten nicht einig darüber, wie sie den Römern begegnen sollten. Arminius wusste sehr wohl, welche Strategie ihn persönlich zum Erfolg verhelfen sollte; für jeden Fall sicherte er sich ab und spielte auf beiden Seiten gleichwohl seine Trümpfe aus. Ein nicht ungefährliches Pokerspiel, aber zeitweise, wie man ja weiß, recht erfolgreich.

Germaniens unmittelbarer Nachbar war Gallien und damit ein angrenzendes Sicherheitsrisiko. Die ganze Provinz, die von Julius Cäsar erobert wurde, sollte von den Barbaren geschützt werden, keine andere Aufgabe hatten die Germanen aus römischer Sicht. Für das römische Imperium waren diese Menschen ohne jede Kultur, ohne etwaige Landwirtschaft oder Bodenschätze, und die tiefen, dichten Wälder machten das Land noch unheimlicher. Es gab nichts, was die Römer in Verbindung mit Zivilisation und kulturellem Erbe sahen.

Octavian – Kaiser Augustus – berief Publius Quinctilius Varus zum neuen Statthalter der Provinz Germanien. Mit seinen 55 Jahren war Varus ein erfahrener Politiker und Offizier, der schon in Syrien für „Ruhe“ gesorgt hatte, allerdings mit militärischer Härte und Rücksichtslosigkeit, aber ebenso konnte er durchaus als feinfühliger Diplomat agieren.

Unmittelbar nach der Schlacht war der Ruf des verstorbenen Varus zweifellos in Takt. Erst später wurde sein Ruf zweifelhaft und gezielt diffamiert; angesichts politischer Streitigkeiten wurde ihm posthum persönliches Versagen vorgeworfen. Theodor Mommsen nannte Varus einen Mann von stumpfem Geist und trägem Körper, ohne Begabung und militärische Erfahrung. Fakt ist jedoch, dass Kaiser Augustus die Sicherung der wichtigsten Rheingrenze keinem Nobody anvertraut hätte, sondern jemandem, der schon Erfolge vorweisen konnte.

Nach der Schlacht muss das Gelände kilometerweit von Leichen und Verwundeten bedeckt gewesene sein. Es ist davon auszugehen, dass sich Varus zusammen mit einigen seiner Offiziere ins Schwert stürzte. Gefangene wurden nur von den Germanen gemacht, um sie ihren Göttern zu opfern. Mit einem Freitod konnte man wenigstens noch seine soldatische Ehre retten. Der Kopf des Varus wurde nach Rom geschickt, wo ihm noch eine Bestattung in allen Ehren zuteil wurde.

Das Imperium hatte drei Legionen verloren, ein neuntel seiner militärischen Größe. Augustus sandte seinen späteren Nachfolger Germanicus an die Ufer des Rheins, um die Grenzen zu sichern und gegebenenfalls die gefallenen Kameraden zu beerdigen, was dann auch genauso geschah. Doch auch Tiberius gelang es nicht, das Grenzgebiet zu Gallien zu sichern, zu hoch waren die Verluste, zu hoch das Risiko, sodass die Truppe den Feldzug letztlich nicht mehr befürwortete.

Rom behandelte das Drama um die drei verlorenen Legionen verständlicherweise sehr verschwiegen. Von germanischer Seite war nicht zu befürchten, dass die Niederlage schriftlich dokumentiert wurde, und der römische Senat hatte wenig Interesse am Gegenteil. So fiel dieses Ereignis in einen historischen Winterschlaf.

Erst Jahrhunderte später sollte der deutsche Humanist Ulrich von Hutten bei einem Studienaufenthalt in Rom über die ersten Bücher und antiken Schriften des Tacitus stolpern. Dieser stellte Arminius als den Befreier Germaniens dar, der das römische Reich durch seinen Sieg in den Grundfesten erschütterte. Für von Hutten war das ein willkommenes Geschenk, und er publizierte die Botschaft des Tacitus noch ein wenig heroischer und in einem noch strahlenderen Lichte.

Die Befreiungstat des fürstlichen Cheruskers passte sehr gut ins Gesamtbild Deutschland, und so wurde auch der Name Hermann geboren. Zwischen 1750 und 1850 entstanden mehr als 200 Schauspiele, Opern und Sagen zu diesem Themenkreis. Das Bild der militärischen Macht Roms wurde negativiert, und eine Idealisierung Arminius/Hermanns angestrebt. Die Begeisterung sollte mit dem nationalen Denkmal in Detmold ihren Höhepunkt erreichen. 1875 wurde das Hermannsdenkmal eingeweiht und präsentierte ein willkommenes Symbol für die Zuversicht und das Selbstbewusstsein eines starken Deutschen Reiches.

In den kommenden Jahren wurde es auch zum Symbol für Stärke und Kampfkraft auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges und später auch ein wichtiger Markstein der Nationalsozialisten.

_Kritik_

Dr. Tillmann Bendikowski hat mit „Der Tag, an dem Deutschland entstand“ ein erzählerisch dichtes und verständliches Sachbuch geschrieben. Sieht man rückblickend auf die Varusschlacht, könnte der Eindruck entstehen, dass Arminius den Grundstein für ein Deutschland als geeinigten Staatenverbund gelegt hat. Doch war dieses Ereignis nur ein kleiner Anstoß, der dann den Stein in den nächsten Jahrhunderten ins Rollen brachte, um im Verlauf ganzer Epochengenerationen einen gesamtdeutschen Staat daraus zu schmieden.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, wobei der erste und erzählerisch stärkere Part die Konfrontation vor zwei Jahrtausenden zwischen dem Statthalter Varus und seinem Gegenspieler Arminius präsentiert. Der Verlauf der Schlacht wird vom Autor spannend und anhand gut recherchierter Quellen fabelhaft lesbar wiedergegeben. Der Mythos von Arminius als volksnahem Helden wird dabei analytisch und detailreich infrage gestellt und anhand von Quellennachweisen ausgeräumt, die sich im Anhang nachlesen lassen.

Das Buch versteht sich nicht als Roman, sondern als Sachbuch, das ohne fiktive Erzählungen auskommt. Wissenschaftlich fundiert werden hier Irrtümer, die über Jahrhunderte hinweg selbstbewusst gepflegt wurden, aufgearbeitet und regelrecht seziert. Dass ein relativ junges Deutschland Helden, Ideale und Idole benötigte, um sich angesichts verlorener Kriege das nötige Selbstbewusstsein einzureden, ist nachvollziehbar, aber pathetisch und hat die Realität entsprechend verzerrt. Doch Propaganda war schon immer ein wichtiger Ansatz für jegliches Politikum im Staate. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde Varus als Feindbild mit dem Franzosen, einem unserer „Erbfeinde“, verglichen, und die Rolle des Hermanns spielten in diesem Stück natürlich die deutschen Truppenverbände. Ein Vergleich, der sichtlich hinkt, seinerzeit aber als Bild recht gern aufgegriffen wurde.

Unserem historischen Gedächtnis mag manchmal eine Amnesie ganz gut tun, doch ist es wichtig, dass wir uns unserer Rolle bewusst bleiben und historische Fakten nach Belieben und politischer Windrichtung zu verdrehen versuchen. Nun jährt sich nächstes Jahr die Schlacht des Varus, und an mindestens drei Standorten wird es Kundgebungen, Feiern und Informationsveranstaltungen geben, doch was daraus gemacht wird, wird sich zeigen. Wird Hermann der Cherusker, dessen Denkmal über dem Teutoburger Wald in Detmold thront, wieder zum Wahrzeichen deutschen Heldenmutes mutieren? Oder wird man den antiken Quellen gerecht und bleibt so bei der historischen Wahrheit? Brauchen wir wieder einen „Volkshelden“, zu dem wir aufschauen und mit dem wir uns identifizieren können?

_Fazit_

Die Frage, wie wir im Varusjahr dem Jubiläum begegnen werden, kann auch das Buch „Der Tag, an dem Deutschland entstand“ nicht beantworten, dafür aber viele andere wichtige Fragen; und damit ist das Buch eine wertvolle Bereicherung für die Literatur, die sich jetzt zeitgleich mit der Varusschlacht befasst und noch befassen will. Dr. Tilmann Bendikowski hat mit fundiertem Wissen ein Werk verfasst, das allen empfehlen kann, die in diesem Jahr vielleicht vor dem Denkmal bei Detmold stehen werden oder sich die Fundstücke der Legionäre in Kalkriese anschauen wollen. Ein Stück Geschichte wird erzählt, das nicht übertreibt oder ins Phantastische abdriftet, sondern aufräumt mit einer Heldengestalt, die letztlich ein ganz normaler, auch nur nach Macht strebender Mensch seiner Zeit gewesen ist.

_Der Autor_

Dr. Tillmann Bendikowski, Historiker und Journalist, ist Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg. Er verfasste Beiträge für Printmedien und Hörfunk, betreut Forschungsprojekte und übernimmt die Realisierung historischer Ausstellungen.

|271 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und 56 Abbildungen
ISBN-13: 978-3-570-01097-6|
http://www.cbertelsmann.de
http://www.hermann2009.de
http://www.arminiusforschung.de
http://www.arminius-varusschlacht.de
http://www.varusschlacht-am-harz.de
http://www.kalkriese-varusschlacht.de

Dübell, Richard – Wächter der Teufelsbibel, Die

Der „Teufelsbibel“ genannte |Codex Gigas| ist keineswegs nur eine literarische Schöpfung, denn das unheimliche, knapp 75 Kilogramm schwere Manuskript – in einem hölzernen Umschlag, in Leder gebunden und mit metallischen Ornamenten verziert – existiert wirklich.

Glaubt man der Legende, so wurde diese Bibel von einem undisziplinierten Mönch geschrieben, der gegen die Klosterregeln verstoßen hatte und dem daher die Strafe drohte, in einem Raum eingemauert zu werden. Um dieser Strafe zu entgehen, versprach er Buße zu tun, indem er in einer einzigen Nacht ein Werk verfassen wollte, in dem das gesamte Wissen der Menschheit niedergeschrieben sein sollte. Gegen Mitternacht musste er einsehen, dass er diese Aufgabe niemals schaffen könnte, und so verkaufte er dem Teufel seine Seele und dieser schrieb das Manuskript zu Ende. Der Mönch fügte dem Schriftstück ein Bildnis des Teufels hinzu, um so dem wahren Autor dieses Werkes gerecht zu werden.

Wissenschaftler vermuten, dass die „Teufelsbibel“ Anfang des 13. Jahrhunderts in einem Benediktinerkloster in Böhmen verfasst wurde. Jahre später wurde das Buch als Kuriosität in die Sammlung Rudolfs II. aufgenommen. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurde es letztlich zur Beute der schwedischen Armee, und noch heute kann man die „Teufelsbibel“ in der |Kungliga Biblioteket| in Stockholm bewundern.

Richard Dübell hat mit seinem 2007 erschienen Roman „Die Teufelsbibel“ einen großen Erfolg feiern können, so dass er sich dazu entschloss, die Geschichte des Manuskriptes in einem zweiten und einem nachfolgenden dritten Roman („Die Erbin der Teufelsbibel“) weiterzuerzählen.

_Handlung_

Nach dem Tod des Kaisers Rudolf II. der zu Lebzeiten ein großer Kunstsammler war, dringen „Mönche“ in seiner Prager Burg ein und rauben das wohl gefährlichste Buch seiner Zeit und seiner kuriosen Sammlung – die Teufelsbibel. Seine Dienerschaft wird brutal ermordet und die Räuber fliehen unerkannt.

Erste Gerüchte und unheimliche Dinge beunruhigen nicht nur die Kirche. Kardinal Melchior Khlesl weiß um die Gefährlichkeit und die dämonischen Kräfte der Bibel. Als die ersten grausamen Morde geschehen und die gefassten Täter berichten, dass nicht sie, sondern der Teufel unter grausamem Gelächter und Tanzen die barbarischen Morde begangen hat, ist es Zeit zu handeln.

Ist die Bibel des Teufels schuld an den Grausamkeiten und der Dunkelheit, die sich langsam ausbreitet? Kardinal Melchior beauftragt seinen Neffen Cyprian Khesl und seinen Freund Andrej von Langenfels damit, den Codex aufzuspüren und in Sicherheit zu bringen. Er kann nicht ahnen, in welche Gefahr sich die beiden Freunde damit begeben, denn auch die Kinder der beiden Gefährten werden mit dem Bösen konfrontiert, und das offenbart unerwartete Gesichter …

_Kritik_

Richard Dübell entwickelt auch in seinem zweiten Roman um die Teufelsbibel eine dichte Atmosphäre. Schon am Anfang der Erzählung überzeugt er mit einem spannenden Plot und hält sich nicht lange damit auf, die Handlung allzu gemächlich zu entwickeln. Doch sollte der aufmerksame Leser darauf achten, dass er sich in den einzelnen Episoden nicht verliert, denn die verschiedenen Erzählstränge benötigen etwas Raum, um ein Gesamtbild zu präsentieren.

Alle Schauplätze und sind historisch gut recherchiert und bildlich so getreu dargestellt, dass man den Protagonisten vor dem inneren Auge auf ihrer Reise folgen kann. Jeder Handlungsort wird lebhaft und realistisch beschrieben. Der Autor befleißigt sich dabei eines bemerkenswerten Stils, der nicht nur spannend und informativ ist, sondern auch mit wohl platzierten zynischen und sarkastischen Bemerkungen überrascht.

Dübells Protagonisten hinterlassen beim Leser einen tiefen Eindruck und man hat oft das angenehme Gefühl, dass dabei nichts dem Zufall überlassen wurde, da die Figuren, ob es sich nun um Neben- oder Hauptcharaktere handelt, mit viel Sinn fürs Detail und Sorgfalt konzipiert wurden. Wie aus dem Leben gegriffen, gibt es hier ebenso rücksichtslose und egoistische Figuren, die menschliche Abgründe aufzeigen, wie auch liebenswerte und ehrenhafte Personen, die aufopfernd aus dem Gefühl heraus agieren.

Genauso vielseitig und vor allem vielschichtig wie die Gestalt des Teufels ist auch die Handlung dieses Romans. „Die Wächter der Teufelsbibel“ ist keineswegs ein wenig inspirierter Pausenfüller, keine weniger spannende Fortsetzung eines Erfolgstitels, sondern ein in sich geschlossener und logisch konstruierter Roman, der eine eigene Existenzberechtigung besitzt. Ebenfalls lobend ist zu erwähnen, dass Richard Dübell die damalige etwas komplizierte oolitische Lage, das Streben der Kirche nach Macht und Vorherrschaft sowie die Anfänge des Dreißigjährigen Krieges sorgsam recherchiert und für den Leser ansprechend aufgearbeitet hat.

In der Handlung erscheint keine Situation taktisch überflüssig, sondern überrascht den Leser auch mit unvorhersehbaren Wendungen, die der Geschichte aber erst die richtige Antriebskraft geben. Die Kunst Richard Dübells liegt insbesondere darin, mit geschickt formulierten Wortspielen einzelnen Szenen Leben einzuhauchen, um damit einen historischen Thriller zu präsentieren, der Geschichte zum Anfassen mit Spannungslektüre zu verbinden weiß.

_Fazit_

„Die Wächter der Teufelsbibel“ ist intelligente Unterhaltung, die spannend daherkommt und in enger Anlehnung an die Historie grandios in ihrer Gesamtwirkung ist. Anspruchsvolle Feierabendlektüre gepaart mit einem seltenen Talent für bildliche Sprache sorgen dafür, dass die Erzählung den Leser packt und kaum wieder loslässt.

_Der Autor_

Richard Dübell ist als Autor historischer Romane bekannt und gehört mittlerweile zu den beliebtesten deutschen Autoren in seinem Genre. Nach den großen Erfolgen seiner ersten Bücher, die bei |Nymphenburger|/|Langen-Müller-Herbig| erschienen, wechselte Dübell zum Verlagshaus |Lübbe|, das seine Hardcover-Bände im Haus |Ehrenwirth| und seine Taschenbücher bei |Bastei-Lübbe| publiziert. Neben seinen schriftstellerischen Aktivitäten leitet er eine Schreibwerkstatt, die er sowohl in Abendkursen als auch als Wochenendseminare und Urlaubsreisen anbietet, und arbeitet als Cartoonist und Grafiker.

Richard Dübell ist einer der Paten des art.131-Projekts des Bayerischen Kultusministeriums, das sich der Aufgabe verschrieben hat, Kunst und Kulturschaffen in bayerische Schulen zu tragen. Dübell ist in zwei Projekte involviert: eine Schreibwerkstatt und ein Gemeinschaftsroman-Projekt. Daneben engagiert er sich, um das Handwerk des Schreibens und die Kultur des Lesens jungen Menschen nahezubringen, vor allem in Hauptschulen.

Richard Dübell ist für seine lebhaften, kurzweiligen Autorenlesungen bekannt, die er mit seinen schauspielerischen Fähigkeiten stets zu literarischen Events gestaltet. Zusammen mit dem DJ und Tontechniker Maik O. Klein hat er den Begriff der „medialen Lesung“ geprägt, bei der Musik- und Toneffekte zu einem Erlebnis führen, das nahe an einem Live-Hörspiel liegt.

Die Stadt Landshut hat Richard Dübell im Jahr 2003 den Kulturförderpreis verliehen und widmete „ihrem“ lokalen Autor die zehnte Folge der Landshuter Literaturtage 2006.

Dübells Roman „Der Tuchhändler“ wird derzeit in ein Drehbuch adaptiert, an dem der Autor selbst mitarbeitet. Sein Roman „Der Jahrtausendkaiser“ nimmt die These des Erfundenen Mittelalters auf. In „Die Teufelsbibel“ widmet er sich einem der rätselhaftesten Artefakte der mittelalterlichen Kirchengeschichte, dem Codex Gigas.

|Diese Autoreninformation ist dem Artikel [Richard Dübell]http://de.wikipedia.org/wiki/Richard__D%C3%BCbell aus der freien Enzyklopädie |Wikipedia| entnommen und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Am obigen Ort ist eine Liste der Autoren verfügbar.|

|825 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN-13: 978-3-431-03758-6|
http://www.duebell.de/
http://www.ehrenwirth.de/

Mehr von Richard Dübell auf |Buchwurm.info|:

[„Der Tuchhändler“ 2750
[„Der Jahrtausendkaiser“ 3003
[„Eine Messe für die Medici“ 3288
[„Die schwarzen Wasser von San Marco“ 3323
[„Das Spiel des Alchimisten“ 3380
[„Die Tochter des Bischofs“ 4662

Schweikert, Ulrike – Dirne und der Bischof, Die

Die soziale Rolle der Frau im frühen wie auch im späten Mittelalter ist schwierig einzuordnen. Geherrscht und regiert haben in den Adels- und Königshäuser zumeist die Männer, nur selten hat eine selbstbewusste Frau das Zepter der staatlichen Souveränität und der Macht schwingen dürfen. Und vergessen wir auch nicht das tausendfache Sterben europäischer Frauen, die als Hexen angeklagt den Tod auf einem Scheiterhaufen fanden. Oftmals der puren Gier und Willkür der Männer ausgesetzt, hatten es gerade die sozial schwächer gestellten Frauen schwer, ihre Position in der Gesellschaft zu finden und dann auch erfolgreich zu verteidigen.

Noch schwieriger verhält es sich mit Prostituierten, den Dirnen, die im Mittelalter in Frauenhäusern lebten und arbeiteten, ganz offiziell und vom Rat der Stadt geduldet. Dies waren die ersten Bordelle der Neuzeit, die offiziell eingerichtet, finanziell subventioniert und kontrolliert wurden, und dies nach durchaus strengen Regeln. Diese Kontrollaufgaben oblagen zumeist den städtischen Henkern und Scharfrichtern.

Die Frauen, die als Dirnen im Frauenhaus lebten, hatten ein relativ ruhiges und für ihre Zeit vergleichsweise gutes Leben. Was blieb solch gescheiterten Frauen aber sonst auch übrig? Geflohen aus kriegsverwüsteten Regionen, verstoßen oder straffällig geworden, blieb ihnen nichts anderes, als vielleicht in einer anderen Stadt unter dem Schutz einer gewissen Anonymität einen Neuanfang zu wagen. Als Dirnen waren sie zwar in gesellschaftlichen Kreisen akzeptiert und genossen durch den Rat einen gewissen Schutz, doch sozial waren sie öffentlich stigmatisiert und mussten außerhalb des Frauenhauses gekennzeichnete Kleidung tragen – ein gefärbtes Band oder der Saum ihres Kleides.

Dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen und gegebenenfalls aus dem Frauenhaus auszubrechen, um irgendwo neu anzufangen, war fast unmöglich und dementsprechend eher selten. Doch es gab, wie bereits angedeutet, schlimmere Schicksale. Hatten es die Frauen auf den Feldern, die täglich um Nahrung und Leben kämpfen und Entbehrungen auf sich nehmen mussten, weniger hart getroffen? Der Tod war auch bei ihnen allgegenwärtig, Krankheiten, Kriege und Verbrechen machten den Alltag jeden Tag aufs Neue zu einem gefahrenreichen Spiel.

Ulrike Schweikert hat in ihrem letzten historischen Roman „Die Dirne und der Bischof“ das Leben und das Schicksal eines solchen Freudenmädchens im ausgehenden Mittelalter thematisiert.

_Inhalt_

Würzburg im Jahre des Herren 1430. Zwei Männer entledigen sich in der Nacht ihrer unhandlichen Fracht. Im Schutze der Dunkelheit und des Nebels am Main, der den Marienberg einhüllt, suchen sie nach einem Ort, um die vermeintliche Leiche der jungen Frau verschwinden zu lassen. In der Nähe des alten Judenfriedhofs wird diese schließlich in die Kürnach geworfen.

Nur wenig später wird die junge, nackte Frau von zwei Betrunkenen in einem Wassergraben gefunden. Dem Tode näher als dem Leben, wird die schwerverletze Frau in das naheliegende Frauenhaus gebracht. Else Eberlein, die Meisterin des Frauenhauses, auch die Eselswirtin genannt, nimmt sich der verletzten Frau an. Weder sie noch die anderen Dirnen wissen, wer die unbekannte Frau mit der Kopfverletzung ist.

In den nächsten Tagen pflegt Else die schöne Unbekannte. Als sie aufwacht, kann sie sich an nichts erinnern: Wer sie ist, woher sie kommt – alles ist wie ausradiert, nur bruchstückhafte Gedanken blitzen manches Mal zusammenhangslos vor ihr auf. Die Dirnen im Frauenhaus schlagen ihr verschiedene Namen vor und sie entscheidet sich schließlich für den Namen Elisabeth, an den sie sich irgendwie zu erinnern vermag. Die Eselswirtin fordert für Pflege und Medizin, dass Elisabeth für sie als Dirne arbeitet. Hier soll sie Freiern zu Diensten sein.

Elisabeth, die scheinbar aus sehr gutem Hause stammt, da sie rechnen und lesen kann, ziert sich, doch die Meisterin zwingt sie hartnäckig, durch Hurerei ihre Schulden abzuarbeiten. Noch nach knapp einen Jahr weiß Elisabeth nichts über ihre Vergangenheit, und doch glaubt sie, dass sie von manchen Personen wiedererkannt wird. Die Frau eines Ratsherrn fällt in Ohnmacht, als sie Elisabeth in der Stadt erblickt, und alles Fragen und Bitten der jungen Frau nach ihrem früheren Leben wird abgeschmettert.

Inzwischen wird es aber in Würzburg unruhig. Das verschwenderische Leben des Bischofs Johann von Brunn erhitzt die Gemüter der Bürger, denn nun wird Würzburg von einem Heer belagert, das sein Geld vom Bischof oder der Stadt einfordert. Doch der Landesherr gibt nicht auf und spielt ein falsches Spiel mit den Bürgern der Stadt. Seinen Vorsitz über die Stadt und vor allem sein lasterhaftes Leben möchte er um keinen Fall aufgeben.

Als Elisabeth eines Tages eher durch Zufall zwei Männern des Bischofs begegnet, erkennt sie die Stimmen wieder … Können sie Elisabeth dabei helfen, die Vergangenheit aufzuarbeiten und ihr Gedächtnis zu reaktivieren, damit sie endlich nach Hause kommen kann? Und wer wollte sie aus welchem Grund umbringen und damit zum Schweigen bringen?

_Kritik_

Frauenschicksalen in historischen Romanen wird auf dem Büchermarkt der letzten Jahr viel Platz eingeräumt, und das ’schwache Geschlecht‘ gibt sich in diesen manchmal recht fantasievoll erzählten Geschichten sehr stark. Dass dabei oftmals ganze historische Elemente kippen und der erzählerischen Freiheit mehr als Genüge getan wird, ist oftmals zwar der Spannung halber wichtig, aber es kann der Geschichte auch die atmosphärische Dichte nehmen.

Historisch korrekt und sauber recherchiert zu erzählen, ist nämlich noch einmal eine ganz andere Liga. Ulrike Schweikert, die schon in anderen historischen Romanen ihr Können bewiesen hat, beschreibt in ihrem neuen Roman „Die Dirne und der Bischof“ das Schicksal einer Dirne wider Willen, die verzweifelt, aber nicht aussichtslos um ihr Leben und ihre Vergangenheit kämpft.

In einem Bordell, denn nichts anderes war ein Frauenhaus vor knapp 600 Jahren, ging es den Umständen entsprechend nicht gerade unmenschlich zu. In sozial und moralisch niedrig angesiedelter Rangordnung eingestuft, waren die Dirnen stigmatisiert und unrein, doch ihr Dienst an der Gesellschaft wurde im Widerspruch dazu geachtet und respektiert. Immerhin überlebten die Prostituierten auf diese Weise und hatten ein Dach über dem Kopf und Essen, was in Kriegs- oder Seuchenzeiten durchaus nicht alltäglich war.

Ulrike Schweikert beschönigt das Leben der Dirnen nicht, sie beschreibt es aber auch nicht zu dramatisch. Den Quellen nach zu urteilen, könnte es so zugegangen sein, wie hier beschrieben. Allerdings hat sich die Autorin bei ihrer Protagonistin Elisabeth einige erzählerische Freiheiten genommen. Dass eine junge Frau mit solchem Umfang an Wissen, Bildung und Selbstbewusstsein nicht intensiver ihre Vergangenheit erforscht, gerade bei dem Rat der Stadt, bei offiziellen Anlässen und Behörden, der Kirche usw., widerspricht eigentlich der inneren Logik. Auch dass nicht von anderer Seite mit allen Mitteln gesucht wird, dass kaum jemand sie trotz ihrer vormaligen Stellung erkennt, fällt dem Leser irritierend auf.

„Die Dirne und der Bischof“ ist davon unabhängig aber spannend geschrieben, und fast bis zum Schluss bleibt die Wahrheit über die Rolle der anonymen Elisabeth ein Rätsel. Rasant, nur von wenigen Lücken durchsetzt, schreitet die Handlung gleichmäßig voran, wenngleich es nicht gerade viele Höhepunkte und Abwechslungen dabei gibt. Elisabeth ist der Nabel der Erzählwelt, und beispielsweise vom Bischof und seinem wollüstigen Leben und seiner Politik erfährt man nur dann etwas, wenn es gerade Bezug zum Geschehen hat, aber nicht unbedingt, was diese ganze Situation nun eigentlich ausgelöst hat.

Die Autorin hat die Rahmenbedingungen ihrer Geschichte gut recherchiert. Viele Personen sind historisch verbürgt, auch der Streit des Bischofs mit der Stadt Würzburg ist dokumentiert, ebenso die fast verbrecherischen Anweisungen des Kirchenmannes, die nahezu zum wirtschaftlichen Ruin der Stadt geführt hätten. Weitere Erzählfiguren gibt es zwar reichlich, aber sie kommen nur spärlich zur Geltung. Elisabeths Kolleginnen werden namentlich genannt und kommen auch in einigen Nebenhandlungen vor, doch auch sie stehen nur im Schatten der tragisch-traurigen Hauptperson.

Ich hätte es begrüßt, wenn die Autorin uns die Gelegenheit gegeben hätte, noch mehr über die Politik der Stadt und der beschöflichen Macht in Würzburg zu erfahren. Am Ende steht der Leser nämlich eher hilflos da und kann nur begrenzt erahnen, wie es weitergehen könnte, ganz gleich, ob es nun Elisabeth oder den Bischof betrifft. Elisabeth ist am Ende loyal, macht eine emotionale Kehrtwendung und wirft damit die Verwirrung darüber auf, wie ehrlich und selbstlos sie doch zuvor als Dirne gehandelt hat – und nun nicht mehr. Vergisst sie jegliche Moral und den Anstand, wenn sie wieder den gesellschaftlichen Platz einnimmt, den sie sich nicht erarbeitet hat, sondern in den sie hineingeboren wurde?

Über die Vergangenheit der beiden in Titel genannten Personen erfährt der Leser nicht viel. Alle Schilderungen, die weiter ausgreifen, sind nur schwach umrissene Momentaufnahmen, die zur wirklichen Befriedigung des Lesers eine Fortsetzung verlangen.

_Fazit_

„Die Dirne und der Bischof“ ist spannend und unterhaltsam geschrieben, und gerade weibliche Leser wird der Roman in seinem Stil ansprechen. Wer sensibel ist, wird Verständnis für Elisabeth aufbringen und über einige erzählerische Lücken und logische Fehler hinwegsehen. Die Geschichte der angerissenen Konflikte zwischen Kirche und Bürgertum, zwischen Arm und Reich, Politik und Gesetz ist interessant und sauber recherchiert, bekommt aber leider zu wenig Platz eingeräumt. Gesellschaftliche Werte und Normen sind zeitgemäß eingebunden, Detailfragen werden am Ende des Romans im Nachtrag „Dichtung und Wahrheit“ erklärt. Ein konzentriertes Glossar und ein Personenregister runden das Gesamtbild ab.

„Die Dirne und der Bischof“ wird sich gut einreihen in die Vielzahl historischer Frauenschicksale, die sich derzeit erfolgreich verkaufen. Es könnte eine Fortsetzung der Geschichte um die Dirne geben, denn auch wenn der Leser jetzt weiß, was passiert ist, so erahnt er am Ende des Romans nicht, wie Elisabeths Geschichte weitergehen wird.

_Die Autorin:_

Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem fulminanten Romandebüt „Die Tochter des Salzsieders“ ist sie eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen historischer Romane. Ihr Markenzeichen: faszinierende, lebensnahe Heldinnen. Standen bisher Figuren und Ereignisse rund um ihre Heimatstadt Schwäbisch Hall im Mittelpunkt ihrer Bücher, so betritt sie mit der Heldin ihres neuen Romans souverän das Parkett großer, europäischer Geschichte. Nach ihren beiden großen Jugendbuch-Erfolgen „Das Jahr der Verschwörer“ und „Die Maske der Verräter“ hat die vielseitige Autorin nun ihren erste Fantasy-Saga für Jugendliche verfasst: „Die Erben der Nacht“. Ulrike Schweikert lebt und schreibt in der Nähe von Stuttgart. (Verlagsinfo)

|Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 448 Seiten
ISBN-13: 978-3-7645-0200-3|

Liebe Besucher meiner Internetseite,


http://www.blanvalet-verlag.de/

_Mehr von Ulrike Schweikert auf |Buchwurm.info|:_

[„Nosferas. Die Erben der Nacht“ 5084
[„Lycana. Die Erben der Nacht“ 5359
[„Der Duft des Blutes“ 4858
[„Die Seele der Nacht“ 1232 (Die Legenden von Phantásien)

Mielke, Thomas R. P. – Varus-Legende, Die

Varus war ein erfahrener Stratege, ein früherer Konsul, Senator und Statthalter Roms. Auch wenn seine Familie in den Wirren des Bürgerkrieges nicht auf der Seite der Julians stand und somit geächtet wurde, konnte er sich durch Geschick und Taten positiv in der Politik des römischen Imperiums positionieren.

In der historischen Geschichtsschreibung dagegen ist seine Person umstritten. Einige Historiker hielten Varus für schwerfällig an Körper und Geist und gaben allein ihm die Schuld an der verheerenden Niederlage in der Schlacht im Teutoburger Wald, bei der 20000 Legionäre und unzählige Zivilisten ihr Leben lassen mussten. Kann ein Feldherr und Politiker wie Varus derartig unfähig gewesen sein, wenn er doch schon in der judäischen Provinz für Recht und Ordnung sorgte, und das mit starker Hand? War wirklich seine persönliche Fehleinschätzung schuld an diesem Drama, das als Varusschlacht in die Geschichte einging? Kaiser Augustus hatte tiefes Vertrauen in seinen früheren Konsul und jetzigen Statthalter. Schließlich war Varus auch Teil der Familie Augustus‘ und seine Referenzen und seine Loyalität standen zur keine Zeit in Frage.

Als Statthalter von Judäa soll Varus, wie es sich für eine solche Position ziemt, erhebliche Steuern eingenommen und einen nicht unerheblichen Teil in seine eigenen Truhen abgezweigt haben. Persönliche Bereicherung oder Amtsmissbrauch waren in Rom und in seinen entferntesten Provinzen durchaus an der Tagesordnung, denn wer konnte das riesige Konstrukt schon ausreichend kontrollieren? Gab es einen solchen Schatz? War Varus korrupt oder war das Gold vielleicht ein Pfand, eine Bestechungsmöglichkeit, um in dem stets unruhigen Land die von Rom eingesetzten Könige zu zwingen, nach Roms Willen zu agieren? Und wenn es den Schatz wirklich gab, wo war er und worin genau bestand er? Wurde Varus zusammen mit seinen Legionen im Teutoburger Wald wegen eines mysteriösen Schatzes niedergemetzelt? Was ist übrig geblieben von diesem Schatz und wo ist er jetzt?

Der deutsche Autor Thomas R. P. Mielke erzählt das Drama um die Schlacht zwischen germanischen Stämmen und drei Legionen des römischen Reiches nicht neu, gibt aber dem Hintergrund ein völlig neues Gesicht.

_Inhalt_

Varus‘ Tätigkeit als Statthalter in Judäa bewies sein starkes Durchsetzungsvermögen in Krisenregionen sowie sein diplomatisches Geschick im Umgang mit regionalen Fürsten und Herrschern, die letztlich nur als Marionetten für das römische Reich fungierten.

In Germanien bzw. zur Grenze Galliens hin gibt es immer noch Unruhen, das Gebiet gilt als nicht befriedet, sondern eher als wild und ungestüm. Kaiser Augustus überträgt Varus die Aufgabe, für Recht und Ordnung zum Wohle des Imperiums zu sorgen. Zusammen mit drei erfahrenen Legionen, die jeweils eine Stärke von 6000 Soldaten umfassen, vertritt er dort des Kaisers Interessen.

Varus ist zwar loyal zu Land und Kaiser, betreibt als erfahrener Politiker aber auch seine ganze eigene, persönliche Politik. Er führt einen Schatz mit sich, den er aus Judäa mitgebracht hat und als Pfand einsetzt, um den dortigen Herrscher Herodes zwingen zu können, Rom anzuerkennen. Doch Varus ist davon zu abgelenkt, um zu erkennen, dass Arminius, ein Fürst der Cherusker, der als Tribun dem römischen Heer dient, eine Verschwörung gegen die Besatzungsmacht in Germanien plant.

Genau 2000 Jahre später finden im Varusjahr anlässlich des Jubiläums die ersten Vorbereitungen für die Feier statt. Im Museum in Kalkriese wird ein Forscher, dessen Gebiet die Varusschlacht ist, von einem antiken Legionärsspeer ermordet. Thomas Vresting, Journalist einer Tageszeitung, verfolgt nach einem Tipp den Mord und findet Indizien einer Verschwörung und Hinweise auf einen Schatz, der es wert ist, dafür über Leichen zu gehen.

_Kritik_

„Die Varus-Legende“ von Thomas R. P. Mielke ist zwar im Genre des historischen Romans anzusiedeln, zugleich ist er aber auch ein Thriller. In zwei Zeitebenen gegliedert, erzählt der Roman die persönliche Situation des Varus in Judäa und später in Germanien. Hier hat sich der Autor recht gut an den Quellen orientiert und die Ereignisse in Varus‘ Umfeld sehr genau wiedergegeben. Aber so richtig kommt dabei keine Spannung auf, weder im historischen Teil noch in der Jetztzeit.

Thomas Vresting, ein Journalist wider Willen, ermittelt in einer nebulösen Schnitzeljagd und lässt der Story keine Zeit, sich so richtig an einem roten Faden entlangzuhangeln. Hier eine Spur, dort eine andere, verschiedene Interessen werden offenbart, und irgendwie wird alles mögliche recherchiert, aber letzten Ende doch wieder nichts. Erzählerisch eher trocken gestaltet, läuft die Suche nach dem Schatz weiter, und der Leser fragt sich wiederholt: Welcher Schatz überhaupt?

Und genau an dieser Stelle wechselt die Geschichte ins Reich der Fantasie. Recherchiert man ein wenig, so findet man keine Hinweise, noch nicht mal ein Indiz dafür, dass Varus so unvernünftig gewesen sein soll, einen Schatz quer durch unbefriedetes, feindseliges und teilweise unbekanntes Gebiet zu führen. Der Autor vermengt mir zu viel an Fakten mit noch mehr Fiktion. Für einen historischen Roman (so die Einordnung des Verlages) ist die Auslegung und Neuerzählung eine Spur zu eigen und auf Mystery-Thriller getrimmt.

_Fazit_

„Die Varus-Legende“ ist mehr fiktionaler als historischer Roman, der nicht zu überzeugen weiß, wenn man wirklich etwas von der verhängnisvollen Schlacht und den Hintergründen erfahren möchte. In keinem Kapitel ist die Story wirklich spannend zu nennen. Die Geschichte mäandert vor sich hin, es gibt keine erkennbaren Höhepunkte, weder in der Charakterisierung der Protagonisten, noch im Verlauf der Geschichte.

Dass sich der Autor im Kernthema in die Idee eines imaginären und mysteriösen Schatzes verrennt, finde ich unglücklich und bedauerlich. Sicherlich gibt es schon so manchen Roman rund um die beiden Kontrahenten der berühmten Schlacht, und natürlich kann man in der Auslegung und aus dramaturgischen Gründen ein wenig hinzufügen oder anders interpretieren. Aber die Story weist in diesem Falle so viele unpassende und unstimmige Passagen auf, dass jeder halbwegs geschichtsinteressierte Leser das Buch enttäuscht zur Seite legen wird.

|474 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-502-11043-9|
http://www.fischerverlage.de/page/scherz

McKinley, Tamara – Insel der Traumpfade

Wir schreiben das Jahr 1795. Australien ist eine englische Kolonie, in der sich neben den Militärs hauptsächlich Strafgefangene befinden. Hinzu kommen Abenteurer, welche sich im unbekannten Land neue Möglichkeiten erhoffen. Zu ihnen gehört Allice, die sich auf den weite Weg von England gemacht hat, um zu ihrem Mann Jack zu stoßen, der bereits mit seinem Freund Billy Penhalligan und dessen Ehefrau Nell eine kleine Farm aufgebaut hat. Schnell muss sie lernen, dass sie ein entbehrungsreiches Leben im alten Europa gegen ein nicht minder entbehrungsreiches und gefahrvolles eingetauscht hat. Hinzu kommt, dass man im australischen Outback Freunde und Mitstreiter braucht, auf die man sich in jeder Lebenslage verlassen können muss. So erarbeiten sich die vier ein bescheidenes Auskommen, das die Familien ernährt. Doch als beide Männer in einem Buschbrand ums Leben kommen, sind die Frauen plötzlich auf sich allein gestellt und müssen, obwohl zwischen ihnen unterschwellig immer eine Rivalität geherrscht hat, zusammenrücken, um ihr begonnenes Werk fortzusetzen und das Überleben ihrer Familien zu sichern.

Scheinbar leichter lebt die wohlhabende deutschstämmige Eloise Cadwallander, Tochter eines Barons und nach einer kurzen stürmischen Romanze verheiratet mit Edward Cadwallander, dessen größtes Vergnügen darin besteht, Menschen abzuschlachten – das Ausrotten zahlreicher Eingeborenenstämme geht bereits auf sein Konto. Die Justiz verschließt die Augen vor seinen Greueltaten, helfen diese doch, das Land zu erobern und die Machtbereiche auszudehnen. Nur dem Einfluss seines mit Schuldgefühlen beladenen Vaters hatte Edward es zu verdanken, dass er vor Jahren schon ungeschoren davonkam, als er ein europäischstämmiges Mädchen vergewaltigte und dessen sogar angeklagt wurde.

Eloise bereut bald, dass sie auf diesen trunksüchtigen Spieler und brutalen Menschen hereingefallen ist. Doch gestattet es ihr Ehrgefühl nicht, ihren Mann zu verlassen. Selbst als George Collinson um sie zu werben beginnt und sie im Verborgenen eine leidenschaftliche Affäre leben, bringt Eloise nicht den Mut auf, die Masken fallen zu lassen und den wahren Zustand ihrer Ehe der Öffentlichkeit preiszugeben. Stattdessen trennt sie sich von Collinson und lebt in ständiger Angst vor der Brutalität ihres Ehemannes, der bald keinen Grund mehr sieht, sein wahres Wesen vor Eloise zu verbergen. Ihre einzige Freude sind die drei Söhne, welche sie im Laufe der Jahre gebärt, von denen jedoch vor allem der Stammhalter Charles kaum den Vorstellungen seines Vaters entspricht und darunter ebenso zu leiden hat wie seine Mutter.

So wenig die beschriebenen Familien scheinbar zusammenhängen mögen, hat die Autorin Tamara McKinley doch ein dichtes Netz von Verbindungen geschaffen, die dem Leser erst im Laufe des Romans offenbart werden. In „Insel der Traumpfade“ stellt sie anhand der zwei Welten Sidney und der Farm Moonrakers beispielhaft dem Leben in der Stadt dasjenige beim erobernden Militär auf der Farm gegenüber. Sie zeigt den Kampf mit den Naturgewalten und dem Land auf der einen Seite und die Möglichkeiten, die sich jedem bieten, der nach dem Abbüßen seiner Strafe oder als finanziell gut ausgestatteter Einwanderer ungeachtet der Herkunft sein Glück zu machen versteht.

Die australischstämmige Autorin Tamara McKinley lebt zwar bereits seit ihrer Kindheit in England, verbringt aber jedes Jahr mehrere Monate in Australien, um für ihre Romane zu recherchieren. Daher resultiert vermutlich das Ziel, die Handlungsstränge der ‚weißen‘ Geschichte mit jener der eingeborenen Australier – die zwischen dem Hass auf und der Furcht vor den Eroberern sowie den Möglichkeiten an Fortschritt und Bildung hin- und hergerissen sind – in den Roman einfließen zu lassen. Die Ureinwohner sind gezwungen, sich zwischen den alten Werten und einem neuen Leben in Zusammenarbeit mit den Siedlern zu entscheiden – wobei eine wirkliche Entscheidungsfreiheit nicht mehr gegeben ist, als mehr und mehr Siedler nach Australien kommen. Die vielen durchaus interessanten Traditionen der Ureinwohner in der Erzählung unterzubringen und darzustellen, ist ein hehres Ziel, aber für den Plot nicht notwendig. Die weißen und schwarzen Lebenswelten berühren sich zwar gelegentlich, hängen jedoch nicht zusammen. Stattdessen verlangsamen die Ambitionen der Autorin nur das Tempo der eigentlichen und eigentlich auch recht bekannten Liebesgeschichte – eine Irrtumswahl sowie das Warten auf die Chance zur Erfüllung der wahren Liebe.

Die zahlreichen handelnden Personen wirken trotz der auftauchenden Verbindungen in den Erblinien zusammenhanglos. Da wären weniger Handlungsstränge, dafür detaillierter ausgearbeitet besser gewesen. Außerdem erscheint es irgendwann nicht mehr überraschend, sondern langweilig, wenn sich wieder eine solche Verbindung aus der Vergangenheit herausstellt. Es erinnert an Karl May, wenn sich in weiter Ferne plötzlich nur Bekannte treffen, die ihr altes Leben fast unverändert in die neue Welt verlagert, ein wenig mit Abenteuer gewürzt, aber letztendlich doch beibehalten haben. Zudem sind viele Handlungsmomente so offen angelegt, dass eine Fortsetzung von vornherein eingeplant scheint. Recht trivial ist auch, dass sich die Männer, abgesehen von Edward, alle mitfühlend und wartend verhalten sowie alle Beziehungen in eine Ehe münden. Und auch das Leben auf einer Farm mit Schafen und Naturgewalten wie Trockenheit, Buschbränden, plötzlich einsetzenden Regenfluten und der Abgeschiedenheit von der Zivilisation hat Colleen McCullough bereits vor Jahrzehnten mit ihren „Dornenvögeln“ wesentlich lebhafter und eindrucksvoller beschrieben.

Daher bietet „Insel der Traumpfade“ eine recht bekannte Geschichte; gut geeignet zum Schmökern und Eintauchen in eine spannende vergangene Epoche – aber dennoch nur durchschnittliche Unterhaltung.

|Originaltitel: A Kingdom for the Brave
Aus dem australischen Englisch von Marion Balkenhol
477 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-2340-1|
http://www.luebbe.de

Außerdem von Tamara McKinley auf |Buchwurm.info|: [„Das Lied des Regenpfeifers“ 1322 (Lesung)