Kaum ein Jahrzehnt ist vergangen, seit die menschliche Zivilisation beinahe unterging. Kein Atomkrieg, keine terroristischen Umtriebe und keine Ebola-Pandemie haben ihr den Untergang gebracht, sondern Zombies – verstorbene und wiederauferstandene Männer und Frauen, die nicht nur hungrig Jagd auf ihre früheren Mitmenschen machten, sondern diese durch ihren Biss selbst in lebende Tote verwandelten. Erst nach Jahren eines verzweifelten Kampfes konnten die Zombies ausgerottet werden. Die Zahl der Opfer geht in die Milliarden.
Der Autor dieses Buches gehörte einer Kommission an, die für die Vereinten Nationen die Geschichte des „Zombie-Weltkriegs“ rekonstruierte. Er konnte die Brennpunkte der Ereignisse bereisen und mit denen sprechen, die dort mit den Zombies in Berührung kamen (und dies überlebten). Die gesammelten Interviewtexte sind wichtige Steinchen in einem Mosaik, das bisher nie in seiner Gesamtheit dargestellt werden konnte. Sie wurden chronologisch geordnet und spielen an vielen Orten der Erde.
Der erste Band der zweiteiligen Anthologie „Dark Ladies“ vereint 13 Kurzgeschichten talentierter, meist namhafter deutscher Autoren.
Nach einem Vorwort der Herausgeberin Alisha Bionda entführt Martin Clauß den Leser bis an das Ende der Zeit, wo „Luzifers Schöpfung“ ihren Anfang nimmt. Sabine Ludwigs entlässt Gottes männermordende Dämonin „Machlath“. Günter Suda beschreibt in „Der letzte Pendelschlag“, wie stark der Einfluss einer Frau auf einen Mann sein kann. „Eiskalt“ geht es in Eva Markerts gleichnamiger Geschichte zu, in der eine dämonische Eisdrachin auf Beutezug geht. Barbara Büchner offenbart „Das Geheimnis“, und Martin Kay spekuliert in „Der Kuss Walhallas“ auf ein anregendes Leben nach dem Tod.
„Der Fluch der Hexengräfin“ von Corina Bomann ist eine fast schon klassische Gruselgeschichte, in der ein jahrhundertealter Fluch eine hochschwangere Frau trifft. Harald A. Weissen belauscht in „Stadttiere“ ein Kneipengespräch zwischen zwei Männern, in dessen Verlauf eine unglaubliche Geschichte von Mischwesen erzählt wird. Der Fantasyautor Christoph Hardebusch berichtet in „Tag & Nacht“, wie der Sohn sein gepeinigtes Volk gegen die Armee seiner bildschönen Mutter in die Schlacht schickt. Die Verlegerin und Autorin Uschi Zietsch erzählt das berühmte Märchen von „Dornröschen“ auf eine neue und düstere Art und Weise. Damian Wolfes „Hexenspiele“ nehmen für zwei Teenager ein böses Ende, während „Thanatos Muse“ von Lothar Nietsch den Protagonisten der Geschichte auf ewig straft. „Die, die tote Herzen bricht“ stammt direkt aus der Hölle und bereitet Peter, dank Boris Koch, den Himmel auf Erden.
_Meine Meinung:_
Die „Dark Ladies“ von Alisha Bionda bilden in dem ersten Band der zweiteiligen Anthologie einen abwechslungsreichen Reigen. Mal düster-melancholisch, mal unheimlich und schaurig sind die Geschichten, welche die oben genannten dreizehn Autoren zu Papier gebracht haben. Martin Clauß schrieb eine abenteuerliche Story mit einem interessanten Plot, der den Schöpfungsmythos ad absurdum führt. Blutig und unheimlich geht es dagegen bei Sabine Ludwigs zu, deren morbide Story „Machlath“ zeigt, wie weit eine Frau zu gehen bereit ist, wenn sie ein bestimmtes Ziel verfolgt.
Bestsellerautorin Barbara Büchner schrieb die kürzeste Geschichte dieser Sammlung und zugleich eine der einfühlsamsten: ein eindrucksvolles Zeugnis davon, dass man auch mit wenigen Worten sehr viel auszudrücken vermag. Die längste Story, von Corina Bomann, kommt da schon viel geradliniger daher und bietet dem Leser eine fast schon klassische Gruselgeschichte nach dem Schema düsterer Romantik-Thriller. Wer sich innerhalb des Genres ein wenig auskennt, weiß recht schnell, welche Richtung die Geschichte einschlägt. Mit einer Länge von über 50 Seiten ist „Der Fluch der Hexengräfin“ eigentlich schon eine Novelle, die handwerklich solide und stimmig ist, aber keine Überraschungen für den Leser parat hält.
Poetisch und leidenschaftlich zeigt sich Christoph Hardebusch mit seiner Mär von Tag und Nacht, die er literarisch sehr kunstvoll zum Besten gibt. Uschi Zietsch schrieb für die Anthologie eine schauerliche Dornröschen-Variante, und macht aus der lieblichen, aber langweiligen Prinzessin einen lasziven Vamp, der sich Riesenspinnen als Schoßtiere hält. Ebenfalls herausragend ist Boris Kochs Beitrag, der Humor und Erotik auf einzigartige Art und Weise verbindet und damit den krönenden Abschluss des ersten Bandes der „Dark Ladies“ bildet. Im Anhang erfährt der Leser mehr darüber, wer hinter den Geschichten steht.
Äußerlich gehören die „Dark Ladies“ zu den edelsten Anthologien auf dem deutschen Buchmarkt. Eine erstklassige Papierqualität bringt die wunderbaren Grafiken von Gaby Hylla auch in Schwarzweiß perfekt zur Geltung. Einige Bilder wirken aufgrund der 3D-Technik zwar etwas hölzern, doch der Großteil ist sehr kunstvoll ausgefallen und passt immer hervorragend zum Inhalt der Geschichten. Bei den Verschnörkelungen vor und nach den Storys sowie bei den Szenentrennern hat man sich ebenfalls sehr viel Mühe gegeben. Um dem guten Eindruck die Krone aufzusetzen, erwartet den Käufer ein einklappbarer Umschlag, auf dessen Innenseiten zusätzliche Grafiken aus Band zwei in Farbe zu betrachten sind.
_Fazit:_
„Dark Ladies“ ist eine wunderschön aufgemachte Anthologie mit dreizehn düsteren Geschichten über wahrhaft dunkle Damen. Abwechslungsreich und äußerst unterhaltsam präsentiert sich dem Leser fast die komplette Bandbreite der düsteren Phantastik.
Acht Kurzgeschichten eines Großmeisters der „Pulp“-Ära:
– Vorwort, S. 7-9
– |Das Ungeheuer aus dem Sumpf| („Black Canaan“, 1936), S. 10-54: In den Sümpfen von Louisiana übt ein Zaubermeister mit schwarzer Magie sein Schreckensregiment aus …
– |Delenda est| („Delenda est“, 1968), S. 55-63: In der Nacht vor dem Vandalen-Sturm auf Rom offenbart sich König Geiserich ein gespenstischer Verbündeter …
– |Der Dämon des Ringes| („The Haunter of the Ring“, 1934), S. 64-84: Ein eifersüchtiger Magier will sich seines Nebenbuhlers auf wahrlich teuflische Weise entledigen …
– |Das Haus unter den Eichen| („The House in the Oaks“, 1971), S. 84-107: Sein Blick durch seine Fenster fällt in eine andere Welt, doch können ihn deren Bewohner ebenfalls sehen …
– |Der Todestraum| („The Cobra in the Dream“, 1968), S. 107-115: Ein Fluch überlebt seinen höllischen Vollstrecker und macht sich selbstständig …
– |Dermods Fluch| („Dermod’s Bane“, 1967), S. 115-121: Ein grausam zu Tode gekommener Unhold sucht Opfer, die er ins Verderben locken kann …
– |An der schwarzen Küste| („People of the Black Coast“, 1969), S. 122-134: Auf einer einsamen Insel führt ein Mann einen grimmigen Rachefeldzug gegen die dämonischen Bewohner …
– |Die unter Gräbern hausen| („The Dwellers under the Tombs“, 1976), S. 134-161: Der alte Jonas plant einen Schurkenstreich, doch er fängt sich in der eigenen Falle, als er dabei schauderhafte Kreaturen aufstört …
_Die schrecklich schöne Welt des Groschen-Grusels_
Ein Cent pro Wort – das war der durchschnittliche Satz, nach dem die Autoren der „Pulp“-Magazine in den 1930er Jahren ‚entlohnt‘ wurden. Wer auf Geld aus dieser Quelle angewiesen war, schrieb deshalb möglichst rasch & viel. Das Ergebnis war oft entsprechend; kein Wunder, dass neun von zehn Schriftsteller (oder Schreiberlinge) der Pulp-Ära nur noch Eingeweihten bekannt sind.
Doch die Schufterei in den Pulp-Minen bot gleichzeitig jungen und ehrgeizigen Autoren die Möglichkeit zu publizieren, sich einen Namen zu machen und diesen in klingende Münze zu verwandeln. Viele Klassiker der US-Phantastik wurden mit und durch die Groschenhefte groß.
Robert E. Howard (1906-1936) schaffte zwar den Durchbruch, doch er starb zu früh, um nachhaltig unter Beweis zu stellen, was seine Storys ankündigten: Hier stand ein Meister der unterhaltsamen Phantastik in den Startlöchern.
_Horror rasant – und roh_
Howard war in praktisch allen Genres präsent, die von den Pulps bedient wurden. „Das Ungeheuer aus dem Sumpf“ zeigt eine Auswahl seiner Horrorstorys. Für diesen Bereich seines Werkes sind sie einigermaßen repräsentativ, obwohl sie die wirklich guten Geschichten ausdrücklich ausklammern. Das lässt sich jedenfalls dem Vorwort entnehmen, bevor eilig erklärt wird, dass auch der ‚hastige‘ Howard, der Stoff für die Pulps strickte, sein erzählerisches Talent nicht verleugnen könne.
Solche argumentativen Fallrückzieher hat Howard weder verdient noch nötig. Hilfreicher wären Hinweise auf das historische Umfeld des Verfassers, denn es sind weniger die Qualität – ohnehin ein Begriff mit schwammigen Definitionskriterien – der hier vorgestellten Geschichten als gewisse zeitgenössische Eigentümlichkeiten, die für Staunen oder Stirnrunzeln sorgen.
Eher ungünstig steigt der Leser mit einer Titelgeschichte ein, die tief dem alltäglichen Rassismus ihrer Entstehungszeit verhaftet ist. Nicht nur dem zwanghaften Gutmenschen der Gegenwart stößt Howards Mär vom Kampf eines weißen Herrenmenschen – diesen Begriff muss man hier nicht in Anführungsstriche setzen – gegen schwarze „Sumpf-Nigger“ übel auf. Niemand dachte sich offensichtlich etwas dabei, denn sonst wäre diese Story kaum 1936 im Magazin |Weird Tales| veröffentlicht worden; aus ökonomischen Gründen blieben die Pulps politisch und ideologisch konformistisch. (Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob „Das Ungeheuer aus dem Sumpf“ in der die unschönen Dinge deutlich beim Namen nennenden Übersetzung von 1981 heutzutage noch erscheinen dürfte.)
Objektiv betrachtet, stellt Howard freilich auch in dieser Story sein Talent für abenteuerreiche Unterhaltung unter Beweis. Die Handlung ist dynamisch, die Stimmung düster und bedrohlich. Tiefsinnigkeit ist Howards Sache nicht, das Übernatürliche ist in der diesseitigen Welt überraschend heimisch; es verbirgt sich nie, sondern agiert dynamisch im Vordergrund. Damit kommt es seinen menschlichen Widersachern entgegen, denn Howards Figuren sind – Helden und Schurken – Männer der Tat. Kommt es zur Konfrontation, dann erfolgt diese direkt. In dem dann ausbrechenden Kampf kann sich der Mensch auf atavistische Kräfte aus dem Unterbewusstsein verlassen: „All seine zivilisierte Zurückhaltung war von ihm abgefallen, und übrig blieb der primitive, elementare Mensch, rasend und über den Untergang eines verhassten Feindes jubilierend.“ (S. 79) Dazu passen Seelenwanderung („Der Dämon des Ringes“) oder die leibhaftige Wiederkehr längst verstorbener, aber mit der Welt der Lebenden noch nicht ‚fertiger‘ Menschen („Delenda est“).
_Des Schreckens andere Töne_
Während nur eine (und glücklicherweise nur kurze) Story wirklich schlecht (= vorhersehbar und abgedroschen) geraten ist („Der Todestraum“), überwiegen in „Das Ungeheuer …“ die lesenswerten Geschichten. „An der schwarzen Küste“ ist eine eindringliche Rachegeschichte auf einer fast kulissenleeren Bühne. Einmal mehr nimmt die Handlung eine unerwartete Wende: Nicht der einsame Mann flüchtet vor seinen schrecklichen Verfolgern. Howard kehrt – typisch für ihn – die Rollen um: Die Mächte des Jenseits sind vielleicht letztlich stärker als der Mensch, doch dieser leistet Widerstand, und der Sieg des Bösen muss nicht selten teuer erkauft werden.
Dass Howard keineswegs auf handfeste Prügeleien mit den Kreaturen der Nacht fixiert war, belegt „Dermods Fluch“. Hier rettet das Opfer eines irischen Schlagetots sich nicht aus eigener Kraft. Hilfe kommt von unerwarteter Seite, und sie hinterlässt kein blutiges Trümmerfeld, sondern einen weinenden (!) Mann, dem das Erlebte endlich die Kraft gibt, um seine verstorbene Schwester zu trauern.
_In den Schuhen des Meisters_
Eine Sonderstellung nehmen in dieser Sammlung die Storys „Das Haus unter den Eichen“ und „Die unter Gräbern hausen“ ein. Der Freund der Phantastik erkennt sofort die thematische und stilistische Nähe zu den Horrorgeschichten von H. P. Lovecraft (1890-1947). Sein „Cthulhu“-Zyklus gehört zu den fundamentalen Klassikern des Genres. Lovecraft ging hier von der Prämisse aus, dass die Erde Nebenschauplatz eines kosmischen Krieges ist, den mächtige und unsterbliche Wesenheiten seit Äonen miteinander führen. Allzu neugierige Menschen erfahren mehr, als sie verkraften können; sie geraten in den Bann der Kreaturen und nehmen ein schreckliches Ende.
Noch zu seinen Lebzeiten scharte Lovecraft eine kleine Gruppe meist jüngerer Autoren um sich, die seine Geschichten nicht nur bewunderten, sondern sich selbst an der „Cthulhu“-Sage versuchten. Lovecraft förderte solche Versuche belustigt oder geschmeichelt. Mit seiner Unterstützung unternahmen später selbst erfolgreiche Autoren erste literarische Gehversuche. Zu ihnen gehörten u. a. Robert Bloch, Frank Belknap Long, August Derleth – und Robert E. Howard.
„Das Haus unter den Eichen“ und „Die unter Gräbern hausen“ zeigen einen Howard, der Lovecrafts eigentümlichen Schreibduktus einerseits gut imitieren kann, während er andererseits dessen sonst eher von schwächlichen Forscherseelen dominierte Welt mit seinen Tatmenschen bevölkerte. (Wenn „Das Haus unter den Eichen“ mehr nach Lovecraft als nach Howard klingt, so mag dies allerdings daran liegen, dass diese Geschichte erst 35 Jahre nach Howards Tod und in einer ‚Bearbeitung‘ durch Lovecrafts Nachlassverwalter Derleth erstmals veröffentlicht wurde. Andere Beispiele belegen, dass dieser sich im Rahmen solcher ‚postumer Kollaborationen‘ erhebliche Freiheiten gestattete und Storys nachdrücklich ‚lovecraftisierte‘, um sie dem Mythos, wie er ihn nach Lovecrafts Tod definierte, anzupassen.)
_Einige bibliografische Anmerkungen_
„Das Ungeheuer aus dem Sumpf“ basiert auf der US-Original-Kollektion „Black Canaan“, die Glenn Lord 1978 herausgab. In Deutschland erschien sie als „Das Ungeheuer aus dem Sumpf“ in der Reihe „Terra Fantasy“ der |Pabel|-Verlags. Dieser frönte noch Anfang der 1980er Jahre der Unsitte, Taschenbücher prinzipiell auf 160 Seiten zu limitieren. War ein Roman im Original zu lang, wurde gekürzt.
Auch „Das Ungeheuer aus dem Sumpf“ erfuhr dieses Schicksal. Die Kurzgeschichten selbst blieben immerhin vom Rotstift verschont. Stattdessen ließ man zwei Storys einfach weg. „The Noseless Horror“ und „Moon of Zembabwei“ sollten später nachgereicht werden, doch das Ende der „Terra Fantasy“-Reihe verhindert das. „The Noseless Horror“ erschien 1986 als „Der Fluch der Mumie“ in der 36. Folge des Magazins |Magira|; „Moon of Zembabwei“ arbeiteten Lyon Sprague de Camp und Lin Carter 1977 zur „Conan“-Story „Der rote Mond von Zembabwei“ für „Conan von Aquilonien“ (|Heyne| SF-TB Nr. 4113) um.
Von den acht Storys der Originalsammlung erschienen nur zwei („Der Dämon des Ringes“ und „Das Ungeheuer aus dem Sumpf“) zu Howards Lebzeiten. Er war ein Mann vieler Projekte, zu deren Verwirklichung ihm wenig Zeit blieb. Als Howard 1936 starb, hinterließ er offenbar ganze Stöße halb oder fast fertiggestellter Manuskripte, Entwürfe und Skizzen, und als er in den 1960er Jahren ‚wiederentdeckt‘ wurde, nahmen sich zahlreiche Autoren dieses ungehobenen Schatzes an. Sie schrieben Howards Werke zu Ende oder setzten seine Vorgaben um, so gut dies ging. Lange war es schwierig zu entscheiden, was tatsächlich aus Howards Feder geflossen und was ihm nachgedichtet war. Als „Das Ding aus dem Sumpf“ 1981 in Deutschland erschien, war dieses Wissen noch einer Handvoll Eingeweihter vorbehalten. Erst allmählich wurde die Spreu vom Weizen getrennt. Heute lässt sich meist per Internet ermitteln, was Howard wirklich zuzuschreiben ist.
_Der Autor_
Robert Ervin Howard wurde am 22. Januar 1906 in Peaster, einem staubigen Flecken irgendwo im US-Staat Texas, geboren. Sein Vater, ein Landarzt, zog mit seiner kleinen Familie oft um, bis er sich 1919 in Cross Plain und damit im Herzen von Texas fest niederließ. Robert erlebte nach eigener Auskunft keine glückliche Kindheit. Er war körperlich schmächtig, ein fantasiebegabter Bücherwurm und damit der ideale Prügelknabe für die rustikale Landjugend. Der Realität entzog er sich einerseits durch seine Lektüre, während er sich ihr andererseits stellte, indem er sich ein intensives Bodybuilding-Training verordnete, woraufhin ihn seine Peiniger lieber in Frieden ließen: Körperliche Kraft bedeutet Macht, der Willensstarke setzt sich durch – das war eine Lektion, die Howard verinnerlichte und die seine literarischen Helden auszeichnete, was ihm von der Kritik lange verübelt wurde; Howard wurden sogar faschistoide Züge unterstellt; er selbst lehnte den zeitgenössischen Faschismus ausdrücklich ab.
Nachdem er die Highschool verlassen hatte, arbeitete Howard in einer langen Reihe unterbezahlter Jobs. Er war fest entschlossen, sein Geld als hauptberuflicher Autor zu verdienen. Aber erst 1928 begann Howard auf dem Magazin-Markt Fuß zu fassen. Er schrieb eine Reihe von Geschichten um den Puritaner Solomon Kane, der mit dem Schwert gegen das Böse kämpfte. 1929 ließ er ihm Kull folgen, den König von Valusien, dem barbarischen Reich einer (fiktiven) Vorgeschichte, 1932 Bran Mak Morn, Herr der Pikten, der in Britannien die römischen Eindringlinge in Angst und Schrecken versetzte. Im Dezember 1932 betrat Conan die literarische Szene, ein ehemaliger Sklave, Dieb, Söldner und Freibeuter, der es im von Howard für die Zeit vor 12000 Jahren postulierten „Hyborischen Zeitalter“ bis zum König bringt.
Die Weltweltwirtschaftskrise verschonte auch die US-amerikanische Magazin-Szene nicht. 1935 und 1936 war Robert E. Howard dennoch in allen wichtigen US-Pulp-Magazinen vertreten. Er verdiente gut und sah einer vielversprechenden Zukunft entgegen, korrespondierte eifrig und selbstbewusst mit Kollegen und Verlegern und wurde umgekehrt als noch raues, aber bemerkenswertes Erzähltalent gewürdigt.
Privat litt Howard an depressiven Schüben. Diese Krankheit war in den 1930er Jahren noch wenig erforscht und wurde selten als solche erkannt oder gar behandelt. In Howards Fall kam eine überaus enge Mutterbindung hinzu. Als Hester Ervin Howard 1935 an Krebs erkrankte und dieser sich als unheilbar erwies, geriet ihr Sohn psychisch in die Krise. Im Juni 1936 fiel Hester ins Koma, am 11. des Monats war klar, dass sie den Tag nicht überleben würde. Als Howard dies realisierte, setzte er sich in seinen Wagen und schoss sich eine Kugel in den Kopf. Er war erst 30 Jahre alt. Sein umfangreiches Gesamtwerk geriet in Vergessenheit, bis es in den 1950er und 60er Jahren wiederentdeckt wurde und nie gekannte Bekanntheitsgrade erreichte, was seinen frühen Tod als doppelten Verlust für die moderne Populärkultur erkennbar macht.
_Impressum_
Originaltitel: Black Canaan (New York : Berkley Books 1978)
Übersetzung: Klaus Mahn
Deutsche Erstausgabe: April 1981 (Erich Pabel Verlag/Terra Fantasy 84)
161 Seiten
[keine ISBN]
Sammlung von 13 Novellen und Kurzgeschichten, die den Einbruch des Schreckens in die alltägliche Welt ganz gewöhnlicher Zeitgenossen schildert:
Vorwort, S. 11-15
– Willa (Willa, 2006), S. 17-45: Geistern bleibt die Wahl, wie sie die Ewigkeit verbringen möchten.
– Das Pfefferkuchen-Mädchen (The Gingerbread Girl, 2007), S. 46-114: Dass ihr ein irrer Serienkiller im Nacken sitzt, weist ihr den Ausweg aus einer Lebenskrise.
– Harveys Traum (Harvey’s Dream, 2003), S. 115-127: Sind Träume nur Schäume? Manchmal beantwortet sich diese Frage, ohne dass sie gestellt wurde. Stephen King – Sunset weiterlesen →
24 Geschichten lassen die große Zeit der englischen Gespenstergeschichte aufleben. Sie stehen in der Tradition von M. R. James, der als Meister gilt und zum Vorbild einer eigenen Schule von Autoren wurde, die nach seinem Vorbild neue Storys schrieben. Die ungemein lesenswerte, sorgfältig edierte und hervorragend übersetzte Sammlung liefert ausführliche Hintergrundinformationen zur „James-Gang“ und zur zeitgenössischen Phantastik: Feinste Lektüre für schauerliche Nächte. Frank Rainer Scheck / Erik Hauser (Hg.) – Berührungen der Nacht. Englische Geistergeschichten in der Tradition von M. R. James weiterlesen →
Elf Geschichten aus der Welt auf ihrem Weg in den Untergang: Sechsmal geht Handyman Jack, gesetzloser aber moralischer Retter der Unterprivilegierten, gegen Mörder, Wahnsinnige und Ungeheuer vor; fünf weitere Storys erzählen vom Einbruch des Phantastischen in die Realität, was in der Regel katastrophal endet:
– Zwischenspiel im Drugstore (Interlude at Duane‘s, 2006), S. 7-22: Ausgerechnet an einem Tag, als er waffenlos unterwegs ist, gerät Jack in einen Raubüberfall. Der Tatort – ein Supermarkt – bietet indes viele Möglichkeiten für einen improvisationsfreudigen Mann.
– Ein ganz gewöhnlicher Tag (A Day in the Life, 1989), S. 23-68: Eine Schutzgeld-Mafia soll er ausschalten, und ein rachsüchtiger Killer sitzt ihm im Nacken, doch Jack findet eine Möglichkeit, den Job mit der Gegenwehr zu kombinieren. F. Paul Wilson – Handyman Jack. Erzählungen weiterlesen →
Das Leben von Will Gul dreht sich um einhundertachtzig Grad, als eines Tages eine Frau in seinem Blumenladen erscheint und ihm eine unerhört hohe Summe bietet, wenn er seinen Vermieter und Arbeitgeber dazu überredet, die Villa, in der Will lebt, zu verkaufen. Als sich der indische Blumenhändler weigert, schickt die Anwältin eine Schar skrupelloser Schläger, von denen sich Will allerdings nicht einschüchtern lässt. Doch an dem Abend, an dem Will eine große Party in der Villa feiert, kommt es zur Katastrophe.
Die geheimnisvolle Tür, die es in dem Anwesen gibt und von der Will bis dato nichts wusste, wird durch unheilvolle Einflüsse geöffnet und das Wesen, das daraus hervorbricht, richtet ein Massaker unter den Gästen an. Nur Will und die hübsche Köchin Saskia überleben das Inferno. Saskia steht vollkommen unter Schock und begreift erst viel später, dass nur durch ihre Anwesenheit das Blutportal geöffnet werden konnte, denn die leidenschaftliche Fechterin wurde erst vor kurzem bei einem Duell mit dem geheimnisvollen Maitre mit merkwürdigen Symbolen gezeichnet, die eine ungeahnte Kraft in der jungen Frau weckten.
Als das gegenseitige Misstrauen abebbt, sehen die beiden ungleichen Menschen ein, dass sie nur gemeinsam den Verfolgern entgehen können, die scheinbar mit dunklen Mächten paktieren. Das Blatt wendet sich zu ihren Gunsten, als sie Hilfe von einer unerwarteten Seite erhalten …
_Meine Meinung:_
Markus Heitz‘ vierter Ausflug in die Gefilde der düsteren Phantastik ist nicht minder tempo- und actionreich als der Werwolf-Zweiteiler „Ritus“ und „Sanctum“ oder der Vampirroman „Kinder des Judas“. In „Blutportale“ verlässt der Autor nun das Areal klassischer Gruselmonster und konfrontiert seine Leser und Protagonisten mit der ganzen Palette des Übernatürlichen. Dämonen, Vampire, Wandelwesen und nicht zuletzt Zeitreisen erwecken bisweilen den Eindruck, einen John-Sinclair-Roman der Superlative in Händen zu halten, nur mit dem Unterschied, dass Markus Heitz einen viel rasanteren Stil offenbart und eine härtere Gangart an den Tag legt, was Brutalität und Sex angeht.
Bei Letzterem hält er sich in puncto Quantität erstaunlich zurück und verblüfft den Leser eher durch eine ausgefeilte Handlung und Actionsequenzen, wie sie jedem Hollywood-Actionfilm gut zu Gesicht stünden. Heitz besitzt einen sehr prägnanten visuellen Stil, der jedem Kino-Fan ein Leuchten in die Augen zaubern dürfte. Allerdings leidet darunter auch die Atmosphäre des Romans, denn allein durch Action, flotte Sprüche und blutige Gewalt kann man 666 Seiten nicht zufriedenstellend füllen, ohne dass Längen auftreten. In Anbetracht der Thematik ist die Seitenzahl sicherlich kein Zufall und ein netter Gag am Rande. Auch die Charaktere wirken oft oberflächlich und trivial, was allein schon durch die stereotype Attraktivität kundgetan wird. Bei Markus Heitz gibt es kaum „normale“ Menschen mit Schwächen und Fehlern, höchstens bei den Opfern oder den Bösewichten, und dieser Umstand schafft eine innere Distanz zum Leser, die den Spaß an der Lektüre ein wenig trübt. Selbst der zunächst bieder wirkende Will Gul entpuppt sich in Stresssituationen als kompromissloser Kämpfer. Der geheimnisvolle Maitre, der sich schnell als übernatürliches Wesen outet, besitzt allein durch seine Präsenz eine sonderbare Anziehungskraft und Attraktivität und erfüllt damit sämtliche Klischees, die Teufeln und Dämonen in bestimmten Kreisen düsterer Phantastik angedichtet werden.
Diese Punkte dürfen aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Heitz auch mit diesem Roman ein sehr unterhaltsamer Dark-Fantasy-Thriller gelungen ist, der mit einem originellen Plot zu überraschen versteht. Äußerst faszinierend ist darüber hinaus zu lesen, wie der Autor verschiedene Personen und Ingredienzen der oben genannten Romane in „Blutportale“ einfügte und mit der Werwölfin Justine einen vielschichtigen, sympathischen Charakter reaktivierte, der in kommenden Romanen hoffentlich noch häufig mit von der Partie ist.
In Sachen Aufmachung überzeugt die Werbeagentur |ZERO| erneut durch ein hohes Maß an Kreativität. Der Buchumschlag fügt sich nahtlos in die Phalanx der vorherigen Bände aus dem „Pakt der Dunkelheit“ ein und zeigt eine beeindruckende Dämonenfratze. Satz und Papierqualität bezeugen, dass der Verlag hier einen Bestseller erwartet.
_Fazit:_
Abermals geizt Markus Heitz nicht mit Action, Gewalt und Horror. „Blutportale“ ist rasant, unterhaltsam, stellenweise aber auch ein wenig seelenlos. Hollywood-Kino zum Lesen, bei dem mehr Wert auf Spezialeffekte gelegt wurde als auf Atmosphäre und eine authentische, vielschichtige Charakterisierung.
Das Genre der Dark Fantasy lebt in den letzten Jahren wieder auf und erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Die erzählerischen Grenzen zwischen Gut und Böse sind dabei fließender geworden. Vampire und Werwölfe, Magier und Dämonen, allesamt können sie hinterhältig und wirklich böse sein, andererseits helfen sie den sterblichen Menschen durchaus und beweisen damit, dass scheinbar artentypische Verhaltensmuster letztlich nur eine Frage der Betrachterperspektive sein können.
Die Frage, ob jemand eine anscheinende böse Tat begeht, ist meistens sehr differenziert und mit Abstand zu betrachten. Die Überzeugung, das Richtige für sich und andere zu tun oder unter Druck in Extremsituationen handeln zu müssen, lässt manchmal keinen anderen Ausweg zu, aber steht dabei auch das Wohl des Einzelnen über dem von vielen?
Markus Heitz konnte schon mit seinem Zwergenepos ein großes Publikum für sich gewinnen, nur wenig später folgten „Ritus“ und „Sanctum“, in denen Wandelwesen das Sagen haben. Mit „Die Kinder des Judas“ verfolgte der Autor die Geschichte eines Vampirclans.
Inzwischen sind der Name Markus Heitz und seine Werke eine feste Größe in der deutschen Fantasywelt. Nun ist der Feder des Autors ein neuer Roman entsprungen: „Blutportale“ und dieser Roman vermengt die Reihe „Ritus“/“Sanctum“ mit „Die Kinder des Judas“ und fügt noch ein paar dunkle Figuren aus dem Reich der Mystery und des Horrors hinzu.
_Inhalt_
Saskia Lange ist eigentlich Chefköchin in einem noblen Restaurant in Hamburg, doch ihre eigentliche Berufung und Leidenschaft ist das Fechten. Diese Kampf- und Schwertkunst, die schon ihr Vater ausübte, fordert ihr einiges ab. In einem anonymen Club mit dem Namen „Union“, der auf strenge Regeln Wert legt, kämpfen zwei Kontrahenten bis zum Blut und manchmal auch bis zum Tod, obwohl es nicht das Ziel ist, seinen Gegner zu töten. Es geht um die Ehre, die Würde des Kämpfers und darum, weiter bis zur Spitze der Union aufzusteigen.
Anführer dieser Rangliste ist der geheimnisvolle und charismatische Maître, der seit Jahren mit seiner außergewöhnlichen Fechtkunst jeden Gegner ohne Anstrengung im Kampf demütigt. Im Kampf gelingt es Saskia zwar, den Maître zu verletzen, aber in Wut geraten, zeichnet er Saskia mit blutigen Schnitten und die junge Frau weiß, dass sie solch einer Schwertkunst und Energie nichts entgegenbringen kann. In Panik und Todesangst gibt sie sich geschlagen.
Ihre Wunden schmerzen und werden vom „Professor“ der Union behandelt, doch sie denkt bereits wieder an eine Revanche. Aber zuerst muss sie auf die Party ihres Blumenhändlers, den sie seit langem kennt – Will Gul. Will ist zum Teil Inder und übt seinen Glauben an Shiva und Kali auch praktisch aus, aber was ihm bald zustoßen wird und womit er konfrontiert werden wird, soll sein gesamtes Weltbild erschüttern. Er lebt in einer großen Hamburger Villa, die er für einen anonymen „Sir“ verwaltet. Als die Villa mit seinen Freunden und Geschäftspartnern gefüllt und auch Saskia zugegen ist, geschieht etwas Schreckliches: Ungewollt öffnet die junge Frau eine rätselhafte Tür, die seltsam verziert ist, und lässt dadurch unabsichtlich einen Schutzgeist frei, der die Besucher als Eindringlinge ansieht und ein Massaker anrichtet, das nur Saskia und Will überleben.
Doch auch etwas anderes wird durch das Portal geschleudert: Justine, eine Werwölfin, die nach ihrem gewaltsamen Tod ihre Seele einem Dämon überließ. Wieder in ihrer physischen Gestalt, ist es ihr nicht mehr möglich, kraft ihres Willens die Bestie in sich zu wecken, die einen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit ausmacht.
Saskia beginnt zu verstehen, dass der Kampf mit dem Maître – oder Levantin, wie er sich selbst nennt, kein Zufall war. Das Trio gerät zwischen die Fronten verschiedener Gruppen, die alle auf der Suche nach bestimmten verstreuten Artefakten sind und keine Gnade und Menschlichkeit kennen. Sollten diese dämonischen Artefakte zusammengeführt werden, so könnte man das Portal zu einem besonders machtvollen und grausamen Dämon öffnen, und die Menschheit fiele dem Untergang anheim.
Ein Wettlauf durch Raum und Zeit beginnt und die Fronten verändern sich erneut, denn auch Will und Justine besitzen übermenschliche Kräfte und setzen sie manchmal etwas unkontrolliert ein. Dabei sehen sie sich menschlichen und dämonischen Mächten ausgeliefert …
_Kritik_
In „Blutportale“ von Markus Heitz geht es diesmal deutlich actionreicher zu als in seinen bisherigen Mystery- und Horrorthrillern. Heitz weiß, wie man ‚bildlich‘ schreibt; er versteht sein Handwerk. Schon im Prolog bekommt der Leser einen blutigen ersten Eindruck und kann bereits erahnen, wohin der Weg des Grauens führen wird.
Dass Markus Heitz diesmal seine Protagonisten aus „Ritus“/“Sanctum“ und „Die Kinder des Judas“ in einer neuen Erzählung auftauchen lässt, ist gewöhnungsbedürftig und fügt sich erst langsam zu einem stimmigen Bild. Aber dem Autor sind die charakterlichen Ideen nicht ausgegangen. Es gibt neue, bösartigere, intensivere Charaktere, die sich hier ein Stelldichein geben. Originell ist dieser Ansatz in jedem Fall und außergewöhnlich spannend obendrein.
Die Reise unserer Helden ist im wahrsten Sinne des Wortes ‚bewegend‘. Nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich verschlägt es sie in andere Ebenen, wenn Saskia ihre besondere Gabe nicht kontrollieren kann und alles aus dem Ruder läuft. Saskia ist die Schlüsselgestalt in „Blutportale“, und sie ist nicht nur talentiert darin, materielle Räume zu öffnen – sie kann noch viel, viel mehr.
Es gibt zwei Handlungsstränge. Der erste lässt uns zusammen mit Saskia, Will und Justine unter Lebensgefahr nach Artefakten suchen, denn immer wieder müssen die drei gegen eine Vielzahl von dämonischen Angreifern kämpfen, die ihnen alles Menschenmögliche abverlangen. Saskia will sich bei ihrem ehemaligen Gegner, dem Maître, revanchieren, der sie verletzt und ihre Gabe anscheinend geweckt hat, und Justine will ihr zweites Alter Ego – die Bestie, die in ihr wohnt – wieder rufen können. Tja, und Will ist auch kein Zuschauer in diesem Drama, schließlich war es ja sein Haus, in dem der Schutzgeist das Massaker angerichtet hat.
Im zweiten Handlungsstrang ist der Maître selbst auf der Suche. Nicht die dämonischen Relikte seine primäre Motivation, nein, er will Saskia, die für ihn ein besonderes Portal öffnen soll. Nach ihr hat er Jahrtausende gesucht und nun sieht er sich seinen langersehnten Ziel sehr nahe. Seine Person ist auch die tiefgründigste und originellste und immer für Überraschungen gut. Dass die Menschen ihm gleichgültig sind und er entsprechend kalt und unnahbar wirkt, wird am Ende des Romans verständlich. Wer seit Jahrtausenden auf einer Welt wandelt, die nicht sein Zuhause ist, kann verbittert und egoistisch reagieren.
Justine war in den Romanen „Ritus“ und „Sanctum“ eine Nebenfigur. Nun muss sie sich beweisen, ohne auf ihre wandlerischen Fähigkeiten zurückgreifen zu können, doch auch ohne Klauen und Zähne ist sie eine beachtenswerte Gegnerin. Alle Fähigkeiten hat sie noch nicht verloren, und sich zwischen den Welten zu bewegen, ist ihr förmlich ins Blut übergegangen. Saskia wäre ohne ihre unfreiwilligen Freunde verloren; sie ist eine Einzelgängerin und wusste sich immer zu behaupten, aber bei dieser Gefahr sieht sie sich überfordert.
Spannend ist „Blutportale“ allemal. Obwohl die Spannung nicht so sehr von den Protagonisten ausgeht, sondern vielmehr von den zahlreichen Schauplätzen beider Handlungsstränge. In der Mitte der Erzählung gibt es einige Längen, die aber durch das Auftauchen des geheimnisvollen Maître/Levantin immer wieder relativiert werden können. Er ist ein (über)mächtiger Gegner und seinen Kontrahenten meistens einen Schritt voraus.
In „Blutportale“ gibt es angenehmerweise nicht das klischeehafte Gut-Böse-Denken. Hinter jeder Gruppe und beinahe jedem Charakter verbergen sich unterschiedliche Perspektiven und Betrachtungsebenen. Moral und Ethik kann man sich hier ohnehin kaum leisten, es bleib einfach keine Zeit dazu. Die Atmosphäre des Buches ist entsprechend auch durchweg pragmatisch zu sehen; es muss gehandelt werden, und Verluste sind in dieser Gleichung durchaus vorgesehen. Aufgrund der spannenden und abwechslungsreichen Handlung bleibt manchmal die Logik im Hintertreffen, doch so atemberaubend die Geschichte voranschreitet, fällt das kaum auf. Die Dialoge sind dabei spärlich gesät; zu sehr entlädt sich hier die Gewalt um die Protagonisten herum.
Zum Ende von „Blutportale“ entfaltet sich die Geschichte in einem gekonnten Höhepunkt, der wirklich extrem aufregend und spannend geraten ist, so dass alle vorherigen erzählerischen Längen vergessen sind. Das Buch endet, wo es begonnen hatte, doch bleibt alles anders, und wir wissen: „Blutportale“ war nur der Auftakt zu einer weiteren dunklen Saga.
_Fazit_
„Blutportale“ von Markus Heitz ist anders als die schon von ihm geschriebenen Romane. Sehr positiv finde ich die realistische Atmosphäre in der Geschichte: Das ‚Böse‘ ist niemals wirklich abgrundtief schlecht, das ‚Gute‘ niemals nur hell und rein, es gibt viele Schattierungen, die uns vor Augen geführt werden und mahnend davon erzählen, dass alles mehrere Perspektiven besitzen kann.
Wer die drei anderen Romane aus dem |Pakt der Dunkelheit| gelesen hat, wird ebenso Gefallen an „Blutportale“ finden; dass Markus Heitz allerdings einige Charaktere entliehen hat, mag erstmal merkwürdig wirken. Das Actionfeuerwerk, das hier gezündet wird, sucht allerdings seinesgleichen, und so gibt neben dem spannenden Nervenkitzel eine Menge Rauch und Feuer, Gewalt und Kampf, und demzufolge auch Opfer und Verlust. Selbst die Liebe kommt nicht zu kurz, und für wen sich der „Finder-Inder“, wie er gelegentlich benannt wird, entscheidet, wird hier nicht verraten.
Für alle Fans mysteriöser und dunkler Gestalten ist „Blutportale“ ein Must-read-Titel. Es ist nicht Heitz‘ bester Roman, da zu wenig von Hintergrund erklärt wird und doch einiges offen bleibt – mag sein, dass sich der Eindruck in einer möglichen Fortsetzung relativiert -, doch ist er in jedem Fall empfehlenswert und bietet spannende Unterhaltung.
_Mike Hughes_ ist Mitte dreißig, Familienvater und arbeitet als Arzt im Tanglewood Memorial Krankenhaus. An diesem Abend erwartet die letzten Mitarbeiter ein besonderes Ereignis: Der berüchtigte Serienmörder Frank Snow wird zur Kernspinuntersuchung gebracht. Mehrere Polizisten begleiten ihn, alles läuft unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ab. Kurz vor Beginn der Untersuchung steckt Snow Mike einen Zettel zu: „Du hast die Wahl. Bleib hier und mach deinen Job, oder schnapp dir deine Familie und hau ab. Entscheide dich JETZT. Noch eine Warnung kriegst du nicht.“
Noch bevor Mike auf diese seltsame Nachricht reagieren kann, erscheint seine Frau Sarah mit dem kleinen Sohn Eli. Sarah fürchtet schon länger, dass Mike eine Affäre mit seiner hübschen Kollegin Jolie Braun führt und will ihn zur Rede stellen. In diesem Augenblick aber bricht im Untersuchungsraum eine Art Explosion los. Offenbar ist Frank Snow die Flucht gelungen, mehrere seiner Bewacher sind tot.
Zu allem Überfluss spielt auch noch der Strom verrückt, das Licht fällt aus. Mike und seine Familie werden voneinander getrennt. Frank Snow macht seine Jagd auf die letzten Überlebenden in der Klinik – allem Anschein nach unterstützt durch übernatürliche Kräfte …
_Mit seinem Debütwerk_ „Untot“ zog Joe Schreiber die Aufmerksamkeit der Horrorwelt auf sich und stürmte die Bestsellerlisten. Leider ist ein gelungener Erstling noch lange kein Garant dafür, dass auch die nachfolgenden Werke diese Klasse erreichen.
|Wenige Stärken|
Die Zutaten, die Schreiber für seinen Roman verwendet, sind althergebracht, können zu Beginn aber dennoch das Interesse wecken: Ein Serienmörder, dessen Taten offenbar so grauenvoll waren, dass sie nur angedeutet werden, weil sich jeder der Erinnerung verschließen möchte – ein geschickter Zug, der sich angenehm von so mancher Gewaltdarstellung im Buch abhebt; ein Krankenhaus, das erst recht bei Nacht ein unheilvoller Schauplatz wird, eine Drohung und eine Flucht inklusive Jagd auf die Verbliebenen, die sich in den verwinkelten Teilen der Klinik verstreuen. Bei keinem Charakter ist ein Überleben garantiert und man ahnt früh, dass den Leser kein wirkliches Happy-End erwartet.
Interessant ist auch das Verhältnis zwischen Sarah und Mike Hughes. Einerseits ist Sarah überzeugt davon, dass er ein Verhältnis mit der begehrten Jolie pflegt, doch Snows Flucht verhindert eine Aussprache. Anschließend steht Sarah zwischen den Fronten und muss einerseits den verängstigen Sohn trösten, der seinen Daddy vermisst, und sorgt sich selbst um ihren Mann, der sich irgendwo in der Klinik aufhält und womöglich gefangen ist; andererseits ist ihr Schmerz über den vermeintlichen Betrug nicht verraucht und belastet sie in dieser Extremsituation zusätzlich. Ein paar lesenswerte Einblicke in sein Leben erhält man auch beim dem Alkohol zusprechenden Pförtner Steve Calhoun, wenn in flüchtigen Bildern seine unschöne Vergangenheit angerissen wird. Dadurch, dass sich die Handlung fast in Echtzeit abspielt und sich keine Abschweifungen erlaubt, liest sich der Roman außerdem sehr zügig, unter Umständen direkt an einem Stück.
|Zu blasse Charaktere, zu viele Klischees|
Insgesamt aber sind die Charaktere nicht wirklich interessant geraten. Mike Hughes bleibt als Hauptperson unnötig blass, über sein Seelenleben erfährt der Leser wenig, Jolie wird einem im späteren Verlauf sogar unnötig unsympathisch. Der kleine Eli ist ein Abbild jener Kinderfiguren, wie sie gerne in belanglosen Horrorfilmen auftauchen, voller Zutrauen in „Mommy“ und „Daddy“. Er führt klischeehafte Monologe und verhält sich verblüffenderweise fast ruhiger als so mancher Erwachsener. Man möchte meinen, dass ein Kind angesichts des Chaos, des Lärms und der Dunkelheit im Krankenhaus in Panik ausbricht und sich nicht so mustergültig zu beherrschen weiß wie Eli.
Am wichtigsten wäre wohl gewesen, den diabolischen Frank Snow markanter darzustellen; nicht erst seit Hannibal Lecter weiß man, wie sehr Serienmörder die Leserwelt faszinieren können. Nichts davon zu spüren ist jedoch bei Frank Snow. War es noch reizvoll, seine genauen Taten lediglich anzudeuten, muss man nun leider erkennen, dass dieser geheimnisvollen Einführung nichts nachfolgt außer grausamen Massakern. Auch Katz-und-Maus-Spiele eignen sich normalerweise sehr gut, um in Thrillern oder Horrorwerken Spannung zu garantieren, aber dafür fehlt es an einer wirklichen Identifikationsfigur und einem Killer mit Profil.
Bald ist offensichtlich, dass bei seiner Flucht übernatürliche Fähigkeiten eine Rolle gespielt haben. Hier gleitet der Roman von einem scheinbaren Thriller in Horror über, geht dabei aber zu verschwenderisch mit okkulten Elementen und Gewaltszenen um. Zu sehr erinnert die Handlung nunmehr als Groschenromane und lässt sowohl Originalität als auch Subtilität vermissen. Das Ende ist nicht sehr überraschend, wenn man auch zugute halten muss, dass die Fäden zusammenlaufen und das Handeln einzelner Personen plausibel erklärt wird. Der Epilog aber ist dann wieder zu vorhersehbar und abgegriffen und hinterlässt ein Gefühl, Vergleichbares schon hundertmal gelesen zu haben.
_Als Fazit_ bleibt ein belangloser Horrorroman, der rasch in Klischee abgleitet und kaum interessante Charaktere vorzuweisen hat. Die Ausgangslage ist zunächst noch ansprechend, wenn auch nicht originell, die Horrorelemente aber werden zu billig und effektheischend in Szene gesetzt. Dank der temporeichen Handlung und der Kürze lässt sich der Roman schnell lesen, ist aber unterm Strich keine Empfehlung wert.
_Der Autor_ Joe Schreiber wurde in Michigan geboren und lebt heute mit seiner Familie als Mathematiklehrer in Pennsylvania. Bereits vor seinem ersten Roman [„Untot“ 4320 arbeitete er als Ghostwriter und Co-Autor, ehe ihm der internationale Durchbruch als Horrorautor gelang.
|Originaltitel: Eat the Dark
Aus dem Englischen von Ulf Ritgen
253 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-404-15889-8|
http://chasingthedead.blogspot.com/
http://www.bastei-luebbe.de/
Sechs Storys führen zurück in die „Frühzeit“ der modernen Geistergeschichte. Sie mögen stilistisch altmodisch wirken, sind aber inhaltlich erstaunlich zeitlos, d. h. spannend und schauerlich geblieben. Das Grauen trifft Schuldige wie Unschuldige und ist erschreckend unberechenbar, was der Verfasser mit manchmal dokumentarisch anmutender Präzision darzustellen weiß.Joseph Sheridan Le Fanu – Maler Schalken und andere Geistergeschichten weiterlesen →
Innerhalb von vierundzwanzig Stunden hat die Seuche einen Großteil der menschlichen Bevölkerung getötet. Kurz darauf haben sich viele der Leichen erhoben und vegetieren vor sich hin, stolpern orientierungslos durch eine verwüstete Stadt. Einige Überlebende haben sich in einem Universitätsgebäude verschanzt und müssen hilflos mit ansehen, wie die Untoten immer aggressiver und scheinbar vergessene Fähigkeiten wieder reaktiviert werden.
Bevor die Spannungen in der Gruppe der Überlebenden eskalieren, trifft ein überlebender Soldat aus einem nahegelegenen Militärstützpunkt ein. Dort hat ein ganzes Regiment überlebt. Die Menschen schöpfen neue Hoffnung, und gemeinsam plant man einen waghalsigen Ausbruchsversuch …
_Meine Meinung:_
Auch im zweiten Teil der |Herbst|-Trilogie des englischen Shootingstars David Moody greift der Autor zunächst die Schicksale von Einzelpersonen auf und schildert in einfühlsamer Manier ihre Gedanken und Gefühle angesichts einer derartigen Katastrophe, die jegliches Vorstellungsvermögen sprengt. Von den Protagonisten des ersten Bandes liest man erst nach gut der Hälfte des Buches wieder etwas.
In einem Wohnmobil fristen Michael Collins und Emma Mitchell ein Dasein, welches von Angst und Hoffnung geprägt wird. Auch sie schöpfen wieder neuen Mut, als sie die Soldaten bemerken, die immer wieder Exkursionen in die verwüstete Stadt unternehmen. Das Militär hat sich in einem Bunker abgeschottet und wagt sich nur mit Atemschutzmasken an die Oberfläche. Die Seuche, welche die Menschheit derart rasch dezimiert hat, scheint sich über die Luft zu verbreiten – ein Aspekt, welcher Moodys Zombie-Szenario von dem der einschlägigen Filme unterscheidet. Dort wird der Virus in der Regel von den Untoten direkt oder durch deren Blut und Körperflüssigkeiten übertragen.
In der Wahl der Lokalität und der Handlung um den Militärstützpunkt erinnert die Geschichte ein wenig an die Filme „28 Weeks Later“ und George A. Romeros „Day of the Dead“. Moodys Untote sind ebenso wie die von Romero eher tumbe Gesellen, die kurz nach ihrem Erwachen aber keinerlei Aggressivität besitzen. Das Grauen verbreitet sich langsam und schleichend, allein durch den Umstand, dass Tote wieder lebendig werden und sich bewegen. Eine Situation, die, wenn man sie sich mal genau vor Augen führt, allein schon grauenerregend ist. Doch diesen Aspekt hat der Autor bereits in seinem ersten Band ausführlich beschrieben, so dass sich das vorliegende Buch stellenweise sehr in die Länge gerät und bekannte Situationen abermals wiederkäut. Schlecht nachvollziehbar ist auch die Panik der Überlebenden vor den Toten, die sich zum einen sehr langsam fortbewegen und zum anderen äußerst schwach sind. Es bleibt eigentlich den kompletten Roman über unklar, was die Leichen mit ihren Opfern anfangen, wenn sie ihrer habhaft werden.
Es ist dem Schriftsteller hoch anzurechnen, dass er keine vor Blut triefende Splatter-Orgie feiert, wie sie bei einer solchen Szenerie, gerade im Film, sehr beliebt ist. Moody setzt eher auf ausgefeilte und glaubwürdige Charaktere, und da macht ihm so schnell keiner was vor. Insbesondere die Beziehung zwischen Michael und Emma wird sehr differenziert und authentisch beschrieben. Insbesondere Michaels Schuldgefühle in Hinsicht auf seine sexuellen Gedanken gegenüber Emma verleihen dem Roman eine sehr realistische Komponente. In manchen Situationen beschreibt der Autor die Geschehnisse allerdings recht umständlich, so dass es nicht immer leicht ist, die Handlung logisch nachzuvollziehen.
„Herbst“ ist eine postapokalyptische Schreckensvision mit einem ungeheuren Potenzial, das nicht immer genutzt wird. Dennoch erwartet man mit Spannung den dritten Teil der Trilogie. Leider weist die deutsche Übersetzung einige herbe Druckfehler auf, die den Lesespaß etwas trüben. Das Cover von Mark Freier hingegen zeugt wieder einmal von dem großartigen Talent des Grafikers, der nicht umsonst von der deutschen Phantastik-Szene gefeiert wird.
_Fazit:_
„Herbst: Stadt“ ist eine erschreckende Zukunftsvision, die mit glaubwürdigen Charakteren belebt wird. Die Bedrohung durch die wandelnden Toten kommt leider nur unzureichend zur Geltung, und außer wenigen Szenen bekommt der Leser kaum etwas Neues geboten, das er nicht aus dem ersten Teil „Herbst: Beginn“ oder einschlägigen Filmen kennt.
_Die „Autumn“-Reihe von David Moody:_
(2002) Autumn (dt. „Herbst: Beginn“)
(2003) The City (dt. „Herbst: Stadt“)
(2004) Purification (dt. „Herbst: Läuterung“, für März 2009 angekündigt)
(2005) The Human Condition
(2005) Echos (nur als englischsprachiger Download von der Website des Verfassers)
(2007) Disintegration
|Originaltitel: Autumn: The City
Aus dem Englischen von Helga Müllneritsch und Michael Krug
Titelillustration von Mark Freier
350 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-902607-10-2|
http://www.otherworldverlag.com
http://www.djmoody.co.uk
http://www.theinfected.co.uk
Ein Großmeister der ‚kurzen‘ Phantastik belegt mit 15 Gespenstergeschichten aus den Jahren 1904 bis 1934 einmal mehr den hohen Rang der klassischen britischen Phantastik. Die einfallsreichen Untaten rächender Geister und anderer Spukgestalten werden in feiner, nie überkandidelter Prosa dargeboten und bilden einen zeitlosen, ebenso intellektuellen wie sinnlichen Genuss. E. F. Benson – Der Mann, der zu weit ging. Gruselgeschichten weiterlesen →
Ein Höllendämon baut sich ein unzerstörbares Auto und bläst damit in der Wüste von Utah zur Jagd auf US-Kleinstadtbürger, bis sich ihm ein mutiger Sheriff in den Weg stellt … – Gelingt es, den hanebüchenen Plot zu akzeptieren, liest man ein durchaus solide geschriebenes Buch, das wesentlich besser geraten ist als der Film, nach dem es entstand. Dennis Shryack/Michael Butler – Der Teufel auf Rädern weiterlesen →
Vampire, Hexen, Werwölfe, Dämonen – das Genre der Dark Fantasy beherbergt einen bunten Reigen unterschiedlichster Wesen. Cassandra Palmer, die Heldin von Karen Chances Romanen, ist im Grunde zwar menschlich, aber sie besitzt übersinnliche Kräfte, dank denen sie mit Geistern kommunizieren und in Zukunft und Vergangenheit sehen kann. Solche Fähigkeiten sind für machtversessene Leute natürlich sehr attraktiv, was erklärt, wieso die junge Frau seit Jahren auf der Flucht vor ihrem Ziehvater Tony, einem skrupellosen Vampir, ist.
Sie hat es geschafft, sich nach Atlanta abzusetzen und dort ein neues Leben zu beginnen. Sie hat einen Job, einen netten Mitbewohner, doch sie hat nicht vergessen, wie grausam es war, bei Tony aufzuwachsen, der außerdem ihre Eltern auf dem Gewissen hat. Nach diesem Vorfall hat er Cassie mehr oder weniger gefangen gehalten, da er ihre Kräfte für seine Belange benutzen wollte. Eines Tages gelang ihr die Flucht, aber die Angst vor Tony sitzt ihr noch immer im Nacken.
Eines Tages erhält sie eine verschlüsselte Botschaft darüber, dass ihr Ziehvater ihr auf den Fersen ist. Sie beschließt, erneut zu fliehen, aber vorher gerät sie mit ihrem Mitbewohner Tomas in einen Hinterhalt. Mehrere Meistervampire attackieren die beiden, doch wider Erwarten überleben die beiden und Cassie wird zum Vampirsenat gebracht, wo man ihr Schutz anbietet. Natürlich nicht ohne entsprechende Gegenleistung. Sie soll in die Vergangenheit reisen, um dort einen gefährlichen Gegner des Senats auszuschalten. Ehe Cassie sich versieht, steckt sie tief in einem Sumpf aus Intrigen fest und erfährt zudem, dass sie nicht die Person ist, die sie zu sein glaubt …
Karen Chance ist nicht die erste amerikanische Autorin, deren Dark/Urban-Fantasy-Reihe in Deutschland veröffentlicht wird, und das macht es für sie schwierig, eine eigene Nische zu finden. Cassandra Palmer ähnelt in ihrem Wesen und der Art und Weise, wie sie dargestellt wird, dem Stereotyp, das sich bei solchen Veröffentlichungen mittlerweile herauskristallisiert hat. Jung, sexy, frech, Single und mit einer bewegten Vergangenheit, die sie immer wieder einholt – die Protagonistin entspricht diesem Rezept perfekt, auch wenn die Ausgestaltung ihrer Vergangenheit einige originelle Stellen enthält. Das Großwerden als Mensch an einem Vampirhof sorgt beispielsweise für die eine oder andere interessante Episode.
Weitere Pluspunkte sind Cassies Gabe und ihre ‚Beziehung‘ zu dem Geist Billy. Cassie kann, im Gegensatz zu Menschen und Untoten, die Geister sehen. Selbige werden zumeist als ziemlich komisch gezeichnet. Billy ist beispielsweise ein ehemaliger Cowboy und Frauenheld, dem seine Spielsucht zum Verhängnis wurde. Da Atlanta im südlichen Teil von Nordamerika liegt, trifft Cassie außerdem auf eine waschechte Südstaatenlady, deren Auftritt für den einen oder anderen Lacher sorgen wird. Weitere Nebencharaktere sind ganz interessant, lassen aber häufig echte Eigenheiten vermissen. Die Vampire werden als historisch angehauchte Männer mit hohem Verführungspotenzial dargestellt. Die Autorin entscheidet sich folglich nicht für die Variante des modernen Vampirs, sondern orientiert sich an älteren literarischen Vorlagen.
Vampire und Geister sind allerdings nicht die einzigen übernatürlichen Wesen, die zum Zug kommen. Zusätzlich treten auch Elfen, Hexen, Magiere und Werwesen auf. Häufig wirkt ihr Auftritt marginal, und nicht immer bleibt genug Platz, um sie ausreichend einzuführen. Das gelingt Kim Harrison in ihren Büchern über die Erdhexe Rachel Morgan wesentlich besser. Dort hat jedes Wesen seinen Platz, wird entsprechend eingeführt und scheint auch nicht überflüssig zu sein. Karen Chance ist dies nicht gelungen. Die unterschiedlichen Spezies sind teilweise schlecht integriert, was aber mit einem anderen Problem einhergeht. Obwohl beispielsweise Cassies Vergangenheit gut ausgearbeitet ist, schwächelt die Welt, die Chance erschafft, an ein paar Kinderkrankheiten. Einige Punkten wirken unausgereift und ausbaufähig, auch wenn die Autorin sich redliche Mühe gegeben hat.
Ähnlich sieht es bei der Handlung aus. Hier fehlt es ebenfalls an Struktur. Der Aufbau folgt keinem üblichen Spannungsverlauf, sondern setzt die Höhepunkte recht beliebig. Dank ihres tollen Erzählstils kann Chance diesen Fehler wettmachen. Sie schreibt sehr flüssig aus Cassies Perspektive und lässt weder den Humor noch den nötigen Ernst zu kurz kommen. Das Bild von Cassie als zerrissene, aufgrund ihrer Vergangenheit zynisch gewordener Person wird sehr unterhaltsam übertragen. Man kann der Autorin zwar vorwerfen, dass ihr Stil sich nicht wesentlich von dem einer Kim Harrison oder Patricia Briggs unterscheidet, aber solange der Lesespaß stimmt, sollte dies zweitrangig sein.
Die Sprunghaftigkeit bezüglich der Ereignisse, auf die man bei der Handlung trifft, ist dagegen keineswegs eine Bagatelle. Manchmal hat man als Leser das Gefühl, dass man trotz konzentrierten Lesens irgendeine Kleinigkeit, die wichtig wäre, verpasst hat. Das geschieht mehrmals in der Geschichte, zudem fehlen manchmal notwendige Erklärungen. Gerade am Anfang, wenn man sich noch nicht richtig in die Lektüre hineingefunden hat, wirkt das störend. Positiv fällt dagegen auf, dass Chance viele Actionelemente verwendet und diese sehr angenehm erzählt. Sie wirken nicht übertrieben, würzen das Buch aber an den richtigen Stellen.
In der Summe ist „Untot mit Biss“ trotz des reißerischen Titels ein interessantes Buch, in dessen Mittelpunkt eine sympathische Hauptfigur steht. Im Aufbau offenbaren sich einige Schwächen, doch wer an Rachel Morgan oder Mercy Thompson einen Narren gefressen hat, wird sicherlich auch mit Cassie Palmer warm werden.
|Originaltitel: Touch the Dark
Aus dem Amerikanischen von Andreas Brandhorst
Taschenbuch, 397 Seiten
ISBN-13: 978-3-492-29183-5|
http://www.piper-verlag.de
Fenryders Wölfe sind zurück. Die bösartige Geheimgesellschaft aus Alec Covins Debütroman „Die Augen der Angst“ treibt dieses Mal in New York ihr Unwesen und hofft, ihre Macht ausweiten zu können. Doch es gibt ein paar Leute, die vom Geheimnis der Wölfe wissen und vorhaben, sie zu zerstören …
Tim Molder, Privatdetektiv in New York, und seine Freunde, die durchsetzungsfreudige Sarah und der Künstler Forrest, wissen genau, dass Walter Skoll einer von Fenryders Wölfen ist. Er gibt sich großzügig als Kunstmäzen, aber in dem Gebäude, das er seine Stiftung nennt, scheint etwas Düsteres vorzugehen. Forrest wird dort hineingeschmuggelt. Als gefeierter Künstler soll er seine Werke ausstellen und zugleich hinter Walter Skoll herspionieren.
Gleichzeitig tritt Sarah mit Senator March in Kontakt, der den Ausschuss leitet, der sich mit Sekten beschäftigt und unter anderem auch Informationen über die Wölfe besitzt. Sie erfährt von ihm, dass momentan eine Operation geplant ist, deren eigentliches Ziel ungewiss ist. Sie soll an dem Tag ihren Höhepunkt finden, an dem Forrests Ausstellung eröffnet wird. Gemeinsam mit ihren Freunden und Jodie, einer Sekretärin der Stiftung, bereitet man sich gewissenhaft auf diesen Tag vor und rechnet mit dem Schlimmsten. Es scheint, als ob der mysteriöse Fenryder persönlich dafür sorgen möchte, dass die „Operation Dämon“ gelingt …
„Die Rückkehr der Wölfe“ möchte sich gern mit dem Attribut ’spannend‘ schmücken, aber so einfach ist das nicht, denn dieses Attribut muss man sich verdienen. Das gelingt Alec Covins Zweitling nur in Teilen. Der Aufbau der Geschichte ist recht flach und die Handlung wird dadurch, besonders am Anfang, seicht. Es fehlt an Spannung, fesselnden Ereignissen und überraschenden Wendungen. Die Geschichte plätschert vor sich hin und krankt manchmal an den absatzlangen Erklärungen zu historischen Details oder Erinnerungen. Diese sind nicht besonders geschickt eingefügt und ziehen das Buch unnötig in die Länge. Die wenigen Höhepunkte, welche die simpel gestrickte Geschichte zu bieten hat, finden sich am Ende, wo es dann tatsächlich spannend(er) wird. Es geschehen Dinge, die man so nicht erwartet hat, komplettiert durch ein Set an möglichen Verrätern, welche die Hauptfiguren – und auch den Leser im positiven Sinne – verwirren. Das finale Feuerwerk zündet zwar nicht wirklich, bringt das Buch aber zu einem versöhnlichen Ende.
Die Hauptfiguren der Geschichte entwickeln, ähnlich wie Handlung, zu wenig Tiefe, um mitreißend zu sein. Sie wirken eindimensional und ihre Gedanken und Gefühle hinterlassen wenig Eindruck. Sarah, Tim und Forrest sind noch nicht mal besonders trennscharf. Obwohl sich der Autor redlich bemüht, Tim als raubeinigen Außenseiter darzustellen, wirkt der Detektiv eher blass. Seine Charakterzüge kommen kaum zum Tragen, was letztendlich auch auf alle anderen Charaktere zutrifft.
Wenigstens der Schreibstil funktioniert bei Covin, der gern mit Stephen King verglichen wird. Locker, manchmal fast schon mit persönlicher Note und wortreich schildert er die Erlebnisse der drei Helden. Das Buch lässt sich schnell und flüssig lesen und hängt, im Gegensatz zur Handlung, nicht durch.
In der Summe ist „Die Rückkehr der Wölfe“ zwar nett geschrieben, hinterlässt aber trotzdem keinen bleibenden Eindruck. Dazu ist die Handlung zu flach, hat zu wenig spannende Momente und die Personen sind zu eindimensional.
|Originaltitel: États primitifs
Aus dem Französischen von Monika Buchgeister
477 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-404-15933-8|
http://www.bastei-luebbe.de
An einem heißen Augusttag legt sich ein mysteriöses elektrisches Feld über die schwedische Hauptstadt Stockholm. Es reizt die Menschen bis zum Wahnsinn, bevor es sich plötzlich auflöst. Die Erleichterung währt nur kurz, denn in der folgenden Nacht erwachen in den Sektionsräumen der Krankenhäuser die Leichen. Sie brechen aus und versuchen ’nach Hause‘ zurückzukehren, was ihnen oft gelingt. Die Wiedersehensfreude der Hinterbliebenen hält sich in Grenzen, denn die ‚Rückkehrer‘ zeigen sämtliche Schäden, die der Tod dem menschlichen Körper zufügt. Außerdem reagieren sie nicht, werden sie angesprochen; das Gehirn ist offenbar geschädigt. Immerhin sind die Zombies harmlos, d. h. weder aggressiv noch hungrig auf Menschenfleisch. Das zu wissen ist wichtig, denn kurz darauf graben sich die ersten Leichen aus ihren Friedhofsgräbern.
Dem Entsetzen folgt wilder Aktionismus. Die „Wiederlebenden“, wie man sie bald politisch korrekt nennt, werden mit Hilfe des Militärs gesammelt und in einer aufgelassenen Wohnsiedlung konzentriert, wo man sie besser untersuchen kann. Das gruselige Phänomen beschränkt sich glücklicherweise auf diejenigen Menschen, die vor höchstens acht Wochen gestorben sind. So sind es letztlich ’nur‘ 2000 Zombies, die leicht unter Kontrolle zu halten sind.
Doch wer sind „Wiederlebenden“? Sind es noch Menschen? Kann man sie ‚heilen‘? Haben sie Bürgerrechte? Die psychischen Folgen sind verheerend, denn wer zunächst um verstorbene Angehörige trauerte, wird nunmehr womöglich mit ihren schrecklichen Zerrbildern konfrontiert. Die Politik reagiert nervös, die Kirchen mauern, die Medien laufen Amok. Der Tod muss neu definiert werden. Die daraus resultierenden Konsequenzen drohen die Gesellschaft zu spalten. Fast geraten die Zombies selbst darüber in Vergessenheit, bis sie sich nachdrücklich in Erinnerung bringen, denn sie haben durchaus ihre eigene Sicht der Dinge …
_Was wäre, wenn sie wiederkehren?_
Die Zombies kommen! Dieses Mal bleiben sie eher friedlich und jagen die Lebenden nicht hungrig durch die Straßen. Das macht es möglich, einige Dinge zu überdenken, die über die Frage nach dem schnellstmöglichen Ausschalten der lästigen Schreckgestalten hinausgehen.
Siehe da, es entsteht eine völlig neue Art der Spannung. Die Toten sind wieder da. Sie bleiben passiv und überlassen den Lebenden die Entscheidung, was mit ihnen zu geschehen hat. Das ist perfide, denn hier gilt es, Grundsätzlichkeiten des Lebens völlig neu zu beurteilen. Tod bedeutete bisher tot. Wer sich nach ein, zwei Tagen nicht mehr rührt und atmet, kann und muss unter die Erde, wird von Angehörigen und Freunden betrauert und schließlich mehr oder weniger vergessen. So läuft es seit jeher, und es funktioniert.
Selbstverständlich taucht in diesem Prozess häufig das Verlangen nach der Wiederkehr des oder der Verstorbenen auf – ein verständlicher Wunsch, der zuverlässig nicht in Erfüllung ging. John Ajvide Lindqvist schaltet dieses Hindernis nun aus. Er ist nicht der erste Schriftsteller, der dies tut und über die Konsequenzen nachdenkt. William Wymark Jacobs (1863-1943) griff bereits 1902 das Thema in einer der berühmtesten Gruselgeschichten überhaupt („The Monkey’s Paw“, 1902; dt. „Die Affenpfote“) auf. Bereits er kam zu dem Schluss, dass eine solche Wiedervereinigung die Lebenden überfordern würde.
Was damit gemeint ist, deutete Jacobs noch vornehm an. Lindqvist hält sich im 21. Jahrhundert in keiner Weise zurück und beschreibt ausführlich und drastisch, wie sich der Körper nach dem Tod aufzulösen beginnt. Er lässt 2000 verwesende, von Krankheiten zerfressene, durch Unfälle zerstörte Leichname durch Stockholm torkeln. Will und kann man sie wirklich wieder in die Gemeinschaft aufnehmen?
_Was machen wir mit ihnen?_
„So ruhet in Frieden“ lautet zwar sinnig aber wie üblich falsch der deutsche Titel dieses Romans. Das Original macht deutlicher, worum es wirklich geht: „Vom Umgang mit den Untoten“, könnte man ihn übersetzen. Wichtig ist dabei, dass die Romerosche Ur-Katastrophe ausbleibt. Es sind nicht die Toten einer ganzen Welt, die sich erheben, sondern gerade 2000 Leichen, denen weiterhin mehr als sechs Milliarden Menschen gegenüberstehen. Was das bedeutet, fasst eine von Lindqvists Figuren mit diesen Worten zusammen: |“Nichts deutete darauf hin, dass die Welt in dieser Nacht aus den Fugen geraten war.“| (S. 155)
Das Konfliktpotenzial entsteht unter den Lebenden. Sie müssen entscheiden, wie sie mit den Wiederkehrern umgehen. Das können und das wollen sie nicht. Die Folgen bilden die eigentliche Handlung dieses Buches. In diesem Punkt stimmt Lindqvist mit George A. Romero überein: Die Uneinigkeit der Lebenden ist der Schlüssel zu ihrem Untergang und zum Sieg der „Wiederlebenden“. Nur weil die Zombies dieses Mal in der Minderzahl sind, wird Schweden nicht zum „Land der Toten“.
Lindqvist gibt den unterschiedlichen Reaktionen Gesichter. „So ruhet in Frieden“ ist ein Roman in Episoden. Das Unfassbare wird aus mehreren Perspektiven durch die Augen verschiedener Figuren betrachtet, die einander erst später oder auch gar nicht begegnen: David fürchtet die Rückkehr seiner fremden, schrecklich veränderten Gattin Eva, während der Journalist Mahler seinen „wiederlebenden“ Enkel als Gelegenheit sieht, alte Fehler als Vater und Großvater wettzumachen. Die religiöse Elvy hält den Tag des Jüngsten Gerichts für gekommen. Ihre agnostische Enkelin Flora wartet auf eine positive Veränderung der Welt.
Sie alle müssen lernen, dass sie vor allem ihre eigenen Wünsche und Ängste auf die Rückkehrer projizieren, was fatale Auswirkungen haben wird. Überfordert zeigen sich auch die Ordnungsmächte. Politiker, Militärs, Gelehrte, Kirchenleute – sie versuchen ein nie gekanntes Phänomen mit alten Methoden zu meistern, zu instrumentalisieren oder zu verdrängen.
_Wer sind sie?_
Ob direkt oder indirekt betroffen: Die Menschen reagieren falsch. Der Wirbel um die Zombies ist wesentlich schädlicher als die „Wiederlebenden“ selbst. Wer oder was sie sind, klärt sich deshalb erst, als es beinahe zu spät ist. Dass sie „sind“ und eigene Pläne haben, kündigt der Autor spannenderweise schon früh an.
Lindqvist hat sich wie für seine Vampire in [„So finster die Nacht“ 5218 für seine Zombies eine ‚logische‘ Existenzerklärung einfallen lassen. Sie verharrt wohlweislich in den Grauzonen der modernen Medizin, die den meisten Laien ohnehin wie Voodoo erscheint.
Letztlich schwenkt Lindqvist doch wieder auf die klassische Horrorgeschichte ein, die zur zwar fesselnden, aber fast ‚literarischen‘ Beschäftigung mit der Rolle der lebenden Toten in einer modernen Gesellschaft eine ‚richtige‘ Handlung addiert. Der Tod ist nicht nüchterne Tatsache, sondern eine reale Wesenheit. Ob das nötig oder gar gelungen ist, bleibt eine Streitfrage. Es öffnet dem Verfasser vor allem eine Hintertür zu einem einigermaßen gelungenen Ende seiner Geschichte, auch wenn dieses an Filme wie „Final Destination“ oder „Reeker“ erinnert. Leider kann sich Lindqvist nicht zurückhalten, ein fantastisches, aber wohl doch im Gefüge der Naturgesetze verankertes Geschehen mit (christlich) religiösen Heilsmetaphern zu verquicken – ein unnötiger und sentimentaler Ausklang, mit dem sich der Autor vor weiteren Fragen drückt: Die Toten sind wieder fort, doch das Wissen um ihre Wiederkehr ist ein Vermächtnis, dessen Aufarbeitung gerade dort beginnt, wo dieser Roman endet.
_Der Autor_
John Ajvide Lindqvist wurde 1968 in Blackeberg, einem Vorort der schwedischen Hauptstadt Stockholm, geboren. Nachdem er schon in jungen Jahren als Straßenmagier für Touristen auftrat, arbeitete er zwölf Jahre als professioneller Zauberer und Comedian.
Sein Debütroman „Låt den rätte komma“ (dt. [„So finster die Nacht“), 5218 eine moderne Vampirgeschichte, erschien 2004. Bereits 2005 folgte „Hanteringen av odöda“ (dt. „So ruhet in Frieden“), ein Roman um Zombies, die in Stockholm für Schrecken sorgen. „Pappersväggar“ ist eine Sammlung einschlägiger Gruselgeschichten. Lindqvist schreibt auch Drehbücher für das schwedische Fernsehen. Das prädestinierte ihn, das Script für die Verfilmung seines Romanerstlings zu verfassen, die 2008 unter der Regie von Tomas Alfredson entstand.
Als Buchautor ist Lindqvist in kurzer Zeit über die Grenzen Schwedens hinaus bekannt geworden. Übersetzungen seiner Werke erscheinen in England, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen und Russland.
_Impressum_
Originaltitel: Hanteringen av odöda (Stockholm : Ordfront Förlag 2005)
Übersetzung: Paul Berf
Deutsche Erstausgabe: September 2008 (Bastei-Lübbe-Verlag/TB Nr. 15913)
446 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-404-15913-0
http://www.bastei-luebbe.de
Als Hörbuch: September 2008 (Lübbe Audio)
6 CDs, gelesen von Sascha Rotermund
445 min (bearbeitete Fassung)
EUR 19,95
ISBN 978-3-7857-3679-1
http://www.luebbe-audio.de
18 klassische und moderne, meist selten und manchmal gar nicht veröffentlichte Kurzgeschichte erfassen das weite Spektrum der Phantastik. Mancher gruselig unterhaltsamer Schatz wird gehoben, oft stößt des Lesers Spaten auch auf taubes Gestein: Die Reise durch die literarische Dunkelheit lohnt dennoch auf jeden Fall!
_Inhalt_
|Graham Masterton: Die graue Madonna| („The Grey Madonna“, 1995), S. 9-27: Im belgischen Brügge verlor Dean auf tragische Art seine Gattin; sie hatte sich Rat suchend an die denkbar falsche Person gewandt, die der untröstliche Ehemann zu seinem Unglück ebenfalls findet …
|Christopher Fowler: Die langweiligste Frau der Welt| („The Most Boring Woman in the World“, 1995), S. 29-41: Eine vernachlässigte und betrogene Hausfrau und Mutter schwelgt in Rachevisionen, deren Umsetzungen näher rücken …
|Stefan Grabinski: Szamotas Geliebte| („Kochanka Szamoty“, 1922), S. 43-60: Endlich erhört sie den vor Liebe Verrückten, doch wen hat er eigentlich woher zu sich gerufen?
|David H. Keller: Da unten ist nichts!| („The Thing in the Cellar“, 1952), S. 61-69: Jedes Kind fürchtet sich vor dem Ding in der Dunkelheit, doch was geschieht, wenn es wirklich existiert …?
|Guy de Maupassant: Die Tote| („La morte“, 1887). S. 71-76: Im Laufe einer denkwürdigen Nacht auf dem Friedhof erfährt der Geliebte, um wen tatsächlich er so untröstlich trauert …
|F. Paul Wilson: Schockwellen| („Aftershock“, 1999), S. 77-127: Im Augenblick des eigenen Todes zeigen sich geliebte Verstorbene: eine Erfahrung, die bizarres Verhalten nach sich zieht …
|Clark Ashton Smith: Necropolis – Das Reich der Toten| („The Empire of the Necromancers“, 1932), S. 129-141: Zwei mächtige, aber moralfreie Zauberer schaffen sich ein Heer aus Zombie-Sklaven, doch sie treiben es schließlich so toll, dass sogar die Toten rebellieren …
|Simon Clark: Die Geschichte des Totengräbers| („The Gravedigger’s Tale“, 1988), S. 143-153: Was der faule Totengräber dieses Mal aus der Erde holte, hätte er besser lagern sollen, denn es erweist sich als nicht richtig tot …
|Margaret Irwin: Das Buch| („The Book“, 1930), S. 155-174: Wer es liest und seinen Anweisungen folgt, wird reich und berühmt – bevor der eigentliche Preis gefordert wird …
|Brian McNaughton: Ringard und Dendra| („Ringard and Dendra“, 1997), S. 175-219: Ein junges Paar sucht Zuflucht bei einem Hexenmeister, was wie erwartet für teuflische Folgen sorgt …
|Karl Hans Strobl: Das Auge| (1926), S. 221-230: Der berühmte Schriftsteller fühlt sich im Wahn beobachtet, und ein kleiner Junge rückt ihm in seiner Neugier ein wenig zu nahe …
|Storm Constantine: So ein nettes Mädchen| („Such a Nice Girl“, 1997), S. 231-257: Wer war Emma wirklich? Die unbedarfte Nachbarin findet es heraus, was ihr mehr Wissen über schwarze Magie beschert, als sie verkraften kann …
|Montague Rhodes James: Pfeife, und ich komme zu dir, mein Freund!| („Oh, Whistle, and I Come to You, My Lad“, 1904), S. 259-284: Als ein neugieriger Urlauber in die am Strand gefundene antike Pfeife bläst, erscheint des Nachts ein unerfreulicher Besucher …
|Cornell Woolrich: Papa Benjamin| („Papa Benjamin“, 1962), S. 285-340: Wer die Voodoo-Götter beleidigt, darf sich über spektakuläre Strafmaßnahmen nicht wundern …
|John Keir Cross: Das Glasauge| („The Glass Eye“, 1946), S. 341-361: Es gibt kein Leid auf dieser Welt, das nicht durch noch größeres Unglück übertroffen werden könnte …
|Algernon Blackwood: Der Schrecken der Zwillinge| („The Terror of the Twins“, 1914), S. 363-372: Der zornige Vater hielt die Geburt seiner Zwillingssöhne schon immer für einen Irrtum der Natur, den er nach seinem Tod zu korrigieren gedenkt …
|Mort Castle: Party-Time| („Party Time“, 1984), S. 373-376: Wenn Söhnchen nur zu bestimmten Anlässen aus dem Keller gelassen wird, so gibt es dafür gute Gründe …
|Graham Masterton: Der Hexenkompass| („Witch-Compass“, 2000), S. 377-412: Er erfüllt dir zuverlässig deine Wünsche, aber du bist womöglich nicht glücklich mit dem Ergebnis, denn du zahlst deinen speziellen Preis dafür …
|Frank Festa: Nachwort|, S. 413-415
_Sie kommen wieder, aber lange hat’s gedauert_
Viel, sehr viel Zeit ist verstrichen, bis diese neue Sammlung alter und aktueller Storys im |Festa|-Verlag erschien. Fast musste man als enthusiastischer Leser des [ersten „Necrophobia“-Bandes 1724 schon bangen, dass diese der phantastischen Kurzgeschichte gewidmete Reihe eingegangen war, bevor sie sich überhaupt zur Reihe entwickeln konnte. So ist es glücklicherweise nicht gekommen, doch die dreijährige Pause verdeutlicht einmal mehr, dass der ‚kurze Horror‘ in Deutschland einen schweren Stand hat.
Dabei nahm Herausgeber Frank Festa deutschsprachige Storys der Gegenwart erst gar nicht in seine Sammlung auf. Er begründet das mit deutlichen Worten: „Nun, ich habe schon öfter erklärt, dass ich lieber die Originale veröffentliche als deren Kopien, und zurzeit sehe ich wirklich keinen eigenständigen, unamerikanisierten Horrorautor im deutschen Sprachraum.“ (S. 414) Die Anhänger der deutschen Phantastik werden dies energisch und empört bestreiten, der Rezensent gibt Festa Recht und setzt noch eins drauf: Deutscher Grusel ist nicht nur Nachahmung, sondern Horror auf Groschenheft-Niveau, der seine Existenz dem Reservat der aktuellen Kleinverlage verdankt, die ihm mit viel Liebe, aber wenig Sinn für Qualität eine unverdiente Scheinblüte bescheren.
_Sie kommen nicht nur in der Nacht_
Das trifft auf die Mehrzahl der in „Necrophobia II“ versammelten Storys glücklicherweise nicht zu. Aus zwölf Jahrzehnten stammen sie und dokumentieren damit die Entwicklung, die das Genre nahm. Eine ‚akademische‘ Präsentation ist dem Herausgeber dabei fern; „Necrophobia II“ gehorcht keiner inhaltlichen und erst recht keiner chronologischen Systematik, Unterhaltung ist Trumpf. Alte und neue Geschichten stehen nebeneinander, thematisch decken sie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – das breite Spektrum des Genres ab. Monster, Vampire, Phantome, Wahnsinn: Alles ist da, ein lange, gut bestückte Tafel für den gierigen Leser. Welchem Leser welche Story besser gefällt, ist natürlich Ansichtssache. An dieser Stelle können nur einige (subjektive) Hinweise und Hintergrundinformationen folgen.
_Gespenster, Gespenster …_
Die gute, alte Gespenstergeschichte wird in dieser Sammlung gleich mehrfach erzählt. Sie hat sich im Kern nicht geändert: Im Leben blieb der verstorbene Mensch ‚unvollendet‘, sodass er (oder sie) nun als Geist spuken und für Abhilfe sorgen oder sich rächen möchte.
Handwerklich perfekt drechselt Montague Rhodes James [1862-1936] seine Gruselmär vom Tempelritter-Schutzgeist. Sehr typisch für den Verfasser, trifft dessen Zorn einen völlig Unschuldigen: James-Gespenster unterscheiden nicht zwischen Gut und Böse; sie haben es auf alle Lebenden abgesehen. Vermutlich kann nur ein Autor, der rein gar nicht an Gespenster glaubt, sie so perfekt, d. h. spannend, witzig und ohne Beachtung ‚literarischer‘ Qualitäten heraufbeschwören wie James! Weniger elegant und nüchtern im Ton, aber mindestens ebenso konsequent ist David H. Keller [1880-1966], der gar nichts von einem Happy End hält, nur weil sein (niemals auch nur zipfelhaft sichtbar werdender) Keller-Schrecken Kinder als Beute bevorzugt. Wie man diesen Plot als makaberen Scherz zelebriert, zeigt uns Mort Castle [*1946].
Wesentlich ‚psychologischer‘ geht James‘ Zeitgenosse Algernon Blackwood [1869-1951] an das Thema heran. Das Gespenst des Vaters hat ein Motiv für sein Tun, das grausam und grauenvoll ist, was Blackwood einmal mehr ungemein stimmungsvoll darzustellen weiß. Graham Masterton [*1946] stellt unter Beweis, dass das Konzept des Gespenstes auch heute keineswegs unmodern geworden ist. F. Paul Wilson [*1946], mit seinen „Handyman Jack“-Geschichten sonst eher für grobschlächtigen Horror bekannt, erstaunt mit einer ‚aktuellen‘ und doch höchst klassischen Gespensterstory.
_Rückkehr als Leiche_
Noch erschreckender als das Gespenst wirkt die Vorstellung vom oder von der Toten, der oder die in persona aus dem Grab zurückkehrt und nicht nur durch das Erscheinen, sondern auch durch den Anblick (und den Geruch) Entsetzen verbreiten. Sehr drastisch spielt das Simon Clark [*1958] durch, der freilich gleichzeitig belegt, dass Horror und (friedhofserdeschwarzer) Humor erstaunlich gut korrespondieren.
Deutlich allegorischer beschäftigt sich Guy de Maupassant [1850-1893] mit dem Thema Tod. Die Erlebnisse seines Helden mögen sich so ereignet haben oder die Ausgeburt eines kranken Hirnes sein; eine Entscheidung, die dem Leser überlassen bleibt, ohne dass diese an der ‚Moral‘ der Geschichte etwas ändern würde. Ähnlich diffus bleibt Stefan Grabinski [1887-1936], der dem Schrecken indes eine perfide Präsenz verleiht; sein Geist gehört zu den wahrlich seltsamen seiner Art.
Grabinskis Geschichte balanciert auf der Schneide zwischen ‚reinem‘ Spuk und dem Grauen, das derjenige beschwört, der sich mit dem Jenseits einlässt und dabei meist mehr abbeißt, als er oder sie zu schlucken vermag. Margaret Irwin [1889-1969], Cornell Woolrich [1903-1968] und noch einmal Graham Masterton thematisieren das schaurige Angebot, das scheinbar eine ‚Abkürzung‘ zu Reichtum und Macht bietet, bis die Macht im Hintergrund ihren Preis einfordert. (Die Woolrich-Story gehört zu den Ausgrabungen Festas; leider hält sie in der Umsetzung nicht, was der Plot verspricht, und sie transportiert zahlreiche zeitgenössische Rassismen.) Storm Constantine [*1956] überrascht mit einer Nachwuchs-Magierin, die zur Abwechslung einmal erfolgreich bleibt; ohne Opfer geht es jedoch ebenfalls nicht ab.
_Wahn und Wirklichkeit_
Der letzte Schritt zum ‚realen‘ Grauen ist der Verzicht auf Übernatürliches. John Keir Cross [1911-1967], Karl Hans Strobl [1877-1946] und Christopher Fowler [*1953] erzählen von Menschen in der Krise, deren Stress sie geistig zu zerbrechen droht oder schon zerbrochen hat. Die Folgen sind furchtbar, weil hier der Mensch und nur der Mensch die Verantwortung für daraus resultierende Wahnsinnstaten trägt.
Aus dem Rahmen fallen die Storys von Clark Ashton Smith [1893-1961] und Brian McNaughton [1935-2004]. Sie mischen Horror mit Fantasy zur „Dark Fantasy“, wobei Smith trotz des schwülstigen, künstlich altmodischen Tonfalls fesselt, während McNaughton ein weiteres Mal mit seiner (zudem aus dem früheren |Festa|-Sammelband „Psycho-Express“ von 2000 recycelten) haltlos zwischen Pathos und Klamauk schwingenden Mär langweilt: neben „Papa Benjamin“ ist diese Story die einzige echte Enttäuschung in „Necrophobia II“.
Damit lässt sich leben. Das grundsätzliche Konzept der „Necrophobia“-Reihe hat seine Tragfähigkeit bewiesen. Bleibt zu hoffen, dass es bis zum dritten Teil nicht wieder so lange dauert.
_Impressum_
Originalzusammenstellung
Übersetzung: Andreas Diesel (4), Sigrid Langhaeuser (3), Jutta Swietlinski (2), Alexander Amberg (2), Felix Lake, Felix F. Frey, Friedrich v. Oppeln-Bronikowski, Heiko Langhans, Otto Knörrich (je 1)
Cover: Markus Vesper
Deutsche Erstausgabe: Juli 2008 (Festa Verlag Nr. 1521/Horror TB, Bd. 20)
415 Seiten
EUR 13,95
ISBN-13: 978-3-86552-061-6
http://www.festa-verlag.de
Die Erfahrung, dass man mit dem Teufel nicht handeln sollte, hat bereits Dr. Faust gemacht. Dante Valentine, die Heldin von Lilith Saintcrows Dark-Fantasy-Roman „Teufelsbraut“, schreckt aufgrund ihres unerschrockenen Naturells nicht davor zurück, einen Auftrag von Luzifer anzunehmen. Das wird sie allerdings schnell bereuen …
Dante Valentine lebt in einer Welt, in der magische Wesen und Menschen, die mit Magie umgehen können, weit verbreitet sind. Sie selbst ist eine so genannte Nekromantin, das heißt, sie kann Tote für eine bestimmte Zeit zum Leben erwecken, um beispielsweise Erbrechtsfragen oder die Identität der Opfer zu klären. An und für sich ist die junge Frau aber auch für jeden anderen Job zu haben, denn die Hypothek für ihre Wohnung muss irgendwie zurückgezahlt werden.
Eines Abends steht ein Dämon vor ihrer Haustür und zwingt sie, ihm zu seinem Herren Luzifer in die Hölle zu folgen. Der Teufel höchstpersönlich möchte Dante sprechen und erteilt ihr den Auftrag, den auf der Erde wütenden Dämonen Santino zu vernichten und das Artefakt, das dieser gestohlen hat, in die Hölle zurückzubringen. Darüber hinaus hat sie auch ein persönliches Interesse an Santinos Vernichtung: Der Dämon hat ihre beste Freundin Doreen auf dem Gewissen und Dante will ihren Tod rächen.
Allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass Luzifer darauf besteht, ihr den Dämonen, der bei ihr angeklopft hat – den geheimnisvollen Japhrimel -, zur Seite zur stellen. Sie ist eine Einzelkämpferin und will Santino alleine erledigen. Doch sie hat nicht mit ihren Freunden und der Macht des abtrünnigen Dämons gerechnet …
Lilith Saintcrows Roman fällt aus dem Rahmen der aktuellen Mode von Vampirromanen, denn es gibt keinen einzigen Blutsauger in ihrer Geschichte. Sie löst sich von den Vorstellungen, die man mit Dark Fantasy im Allgemeinen derzeit verbindet und erschafft eine ganz eigene Welt, die neben ihrer sauberen Ausarbeitung durch ihre Originalität besticht. Es kommt sehr viel Magie in verschiedenen Formen vor und sie hat verschiedene Arten von Menschen mit jeweils unterschiedlichen Kräften entworfen. Andere Lebewesen spielen kaum eine Rolle, insgesamt ist alles sehr menschlich gehalten, nur eben „menschlich“ in anderem Sinne. Saintcrow hat sich zudem eine komplette Historie für ihre Welt ausgedacht und reichert das Ganze mit ausgefeilten Science-Fiction-Elementen wie Hightech-Waffen und -transportfahrzeugen an. Der Schauplatz, den die Autorin entwirft, ist auf den ersten Blick so fremd, dass man tatsächlich eine Weile braucht, um sich darin zurechtzufinden. Glücklicherweise gibt es am Ende des Buches ein umfassendes Glossar, welches das Verständnis erleichtert, auch wenn es nicht ganz vollständig scheint.
Vor dieser außergewöhnlichen Kulisse wird eine Geschichte angesiedelt, welche die Coolness eines amerikanischen Agententhrillers besitzt und die düstere Stimmung eines Mafiafilms. Diese Atmosphäre ist eigentlich Grund genug, um das Buch nicht so schnell zuzuschlagen, aber tatsächlich kreiert Saintcrow eine überaus spannende Handlung, die flott voranschreitet und so gut wie keine Längen aufweist. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, die neue, unerwartete Ereignisse in der dem Leser fremden Welt hervorbringen. Man weiß nie, was einen erwartet, und die Autorin weiß damit gut zu spielen. Leider wird sie gegen Ende der Geschichte ein wenig zu schnell, was das Erzähltempo angeht. Die große Schlacht im Finale wird rasch abgehandelt, hätte aber gerne etwas umfassender und vor allem detaillierter beschrieben sein können.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht die junge Dante Valentine, die frech und angriffslustig ist. Sie ist alles andere als ein guter Mensch, denn sie ist nachtragend und greift gerne und schnell zu ihrer Waffe, einem magisch aufgeladenen Schwert. Trotzdem ist sie sehr sympathisch, da jede ihrer Handlungen verständlich erklärt wird. Sie ist die Erzählerin und berichtet aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen. Insgesamt konzentriert sich die Autorin stark auf die Gegenwart von Dante. Die Vergangenheitserlebnisse, die interessant gewesen wären, werden häufig sehr schnell erzählt – leider. Gerade ihre Kindheit und Jugend wären die eine oder andere ausgefallene Episode wert gewesen. Immerhin ist Dante unter anderen Umständen großgeworden als ihre Leser. An dieser Stelle versäumt Saintcrow es, mehr in die Tiefe zu gehen. Da dies aber das erste Buch einer Reihe ist, wird man später vielleicht noch in den Genuss weiterer Erinnerungen kommen.
Die Nebenfiguren werden natürlich durch die Augen der Protagonistin betrachtet. Ihre gute Auffassungsgabe und ihr teilweise scharfes Vokabular sorgen dafür, dass die Charaktere gut beschrieben werden. Da es nur eine begrenzte Anzahl von ihnen gibt, sind sie einfach zu unterscheiden, und vor allem die Erdhexe Eddie sorgt immer wieder für den einen oder anderen Lacher. Dantes Erzählstil ist genauso frech wie sie selbst, aber trotzdem gewandt und treffsicher. Sie wird ab und an etwas vulgär, aber da sie als temperamentvoll geschildert wird, passt es genau ins Schema. Insgesamt ist das Buch sehr flüssig geschrieben und begeistert durch die leichte Verständlichkeit.
„Teufelsbraut“ zieht den Leser in den Bann und gibt ihn erst nach über 400 Seiten wieder frei. Lilith Saintcrow – im Übrigen der echte Name der Autorin und kein Pseudonym – hat eine originelle und interessante Welt geschaffen, in der sie eine rasante Geschichte um eine junge Frau auf einem Rachefeldzug ansiedelt. Trotzdem lässt sie Platz für ruhige Momente, so dass man nebenbei Dante Valentine, von der in Deutschland bald weitere Bände veröffentlicht werden sollen, kennen und lieben lernt.
|Originaltitel: Working for the Devil
Übersetzt von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
Broschiert, 429 Seiten
ISBN-13: 978-3-8025-8175-5|
http://www.egmont-lyx.de
http://www.lilithsaintcrow.de
Irgendwo im Mittleren Westen der USA liegt eine kleine Stadt ohne Namen. Die Einwohner leben von den Erträgen der Maisfelder, die sich endlos außerhalb der Gemeindegrenze erstrecken. Unabhängig von den Widrigkeiten der Landwirtschaft sind die Ernten dauerhaft hoch. Das hat seinen Grund, der gleichzeitig das düstere Geheimnis der Bürgerschaft ist: Irgendwann wurde ein Pakt geschlossen. Der Preis für den Mais ist die Jagd auf den „October Boy“. In jedem Jahr wächst er aus dem Feldboden – ein Wesen aus Ranken mit einem Kürbis als Schädel. Sein Ziel ist die Kirche in der Mitte der Stadt. Sollte er sie je erreichen, ist die Gemeinde dem Untergang geweiht.
Doch die mächtige Schnittergilde sorgt dafür, dass es so weit nie kommt. Zu Halloween wird die Jagd auf den October Boy eröffnet. Alle männlichen Bewohner unter 18 Jahren müssen ihn in der Nacht jagen und umbringen. Wem dies gelingt, der darf die Stadt als reicher Mann verlassen.
Pete McCormick gehört in diesem Jahr 1963 zu den Jägern. Er will unbedingt gewinnen, denn er hat nichts zu verlieren. Jedes Mittel ist ihm recht und seine Intelligenz erstaunlich. Sie macht Pete zum ernsten Gegner für den October Boy, der voller Schrecken erwacht und alles andere als der Schrecken ist, als der er hingestellt wird. Der Boy kennt die grausame Wahrheit hinter dem Ritual, das keine Gewinner kennt. Er will die Wahrheit verkünden und den Teufelskreis durchbrechen, doch wer wird eine Kreatur aus dem Reich der Schatten anhören, zumal im Hintergrund die Schnittergilde dafür sorgen wird, dass der October Boy auf jeden Fall seinen Kürbiskopf verliert …
_Die Frage nach dem wahren Monster_
In einer großartig geschilderten Szene reinen Schreckens wird in einem toten Maisfeld der October Boy geboren – ein Monster wie aus dem Bilderbuch mit einem Körper aus verdrehten Pflanzenranken, gekleidet in die zerrissenen Gewänder einer Vogelscheuche und mit einem Kürbis als Kopf, in dem ein geisterhaftes Licht flackert: Das MUSS ein Monster sein, zumal es ein großes Messer bei sich trägt und seine Verfolger schlau und mit üblen Folgen in schmerzhafte Fallen lockt.
Kein Wunder, dass so ein Geschöpf gejagt und zur Strecke gebracht werden soll. Angenehme Schauder lenken erst einmal von Frage ab, was hinter dem Ritus steckt, der ja selbst für US-Landgemeinden ganz und gar nicht typisch ist. Warum gibt es den October Boy? Muss es ihn geben?
Allmählich wird dieses Rätsel größer, des Lesers Unbehagen steigt. Seine Sympathien schlagen um, als er erkennen muss, dass der October Boy selbst nur ein Opfer ist. Er wird in seine Rolle gepresst und will nichts sehnlicher als aus dem Albtraum zu erwachen, der sein ‚Leben‘ geworden ist.
Zu diesem Zeitpunkt hat uns Autor Partridge einen aus der Verfolgerhorde als Identifikationsfigur ans Herz gelegt. Pete McCormick steckt in seiner eigenen privaten Hölle, aus der ihn scheinbar nur der ‚Tod‘ des October Boy retten kann. Gerade der ist sein natürlicher Verbündeter – eine spannende Situation, da sich die beiden Kontrahenten selbstverständlich treffen werden.
_Es gibt Schlimmeres als böse Geister_
Die kleine Stadt ohne Namen ist ein verdammter Ort. Nach und nach schält sich heraus, in welche Abgründe der Verworfenheit sich seine Bewohner gewagt haben. Das wahre Grauen besteht indes in der Tatsache, dass sich keine übernatürliche Macht um die Einhaltung des Paktes kümmern muss. Außer dem October Boy spukt niemand umher.
Gibt es überhaupt jemanden, der Verstöße gegen den Ritus ahnden würde? Die Beantwortung dieser Frage verhindert entschlossen die Schnittergilde, deren Mitglieder sich zum Hüter des Zeremoniells und damit zu den eigentlichen Machthabern der Stadt aufgeschwungen haben. Sie schützen das System und damit ihre Privilegien nicht nur durch nackte Gewalt, sondern auch durch das Schüren der Furcht vor den Folgen, die ein Ende der „Jagd“ auf den October Boy nach sich ziehen könnte.
Die Folge ist ein Riss, der sich durch die Bevölkerung zieht: Da sind die Jugendlichen, die der Jagd und ihrer Belohnung entgegenfiebern, während ihre Eltern Bescheid wissen und still leiden. Niemand wagte bisher ernsthaft aufzubegehren. Erst die Jagd von 1963 bringt die Wende, weshalb Norman Patridge von ihr ‚berichtet‘.
_Der Ausbruch aus dem Teufelskreis_
Die Gründe dafür, wieso sich in diesem Jahr die Ereignisse überstürzen, lässt Partridge behutsam und überzeugend in die Handlung einfließen. 1963 ist das Maß voll. Sogar die Schnittergilde kann den Widerstand nicht mehr unterdrücken, der sich über die Jahre aufgestaut hat. Der October Boy ist intelligenter und willensstärker als seine Vorgänger. Pete McCormick hinterfragt die Routinen des Rituals. Mit Kelly Haines steht ihm eine weibliche Verbündete – so viel Klischee muss sein – entschlossen zur Seite.
„Die dunkle Saat“ spielt in der jüngeren Vergangenheit, weil diese Geschichte eine Abgeschiedenheit benötigt, die das 21. Jahrhundert dank Handy und Internet nicht mehr bieten kann. Die Isolation der verdammten Stadt trägt zur bedrohlichen Stimmung entscheidend bei. Sie ist nicht nur ein namenloser Punkt auf der Landkarte, sondern wirkt verloren in einem Dschungel aus Mais, der sie zusätzlich abschirmt.
Mais ist eine Pflanze, die sich hervorragend als ‚Requisit‘ für einen Horrorroman eignet. Sie wächst dem Menschen über den Kopf und bildet dichte und dunkle Felder, in denen sich Übles gut verstecken kann. Im Herbst, wenn die Tage ohnehin früh enden, steht der Mais trocken auf dem Feld, raschelt Unheil verkündend bei jedem Windstoß und erzeugt ein Unbehagen, dem sich niemand entziehen kann, der in der Nacht neben einem solchen Feld steht und lauscht.
Die Stadt ohne Namen ist auf Mais gegründet. In den USA war und ist für Farmer eine gute Maisernte die Existenzgrundlage für das kommende Jahr. Sie hoffen und bangen und sind womöglich sogar bereit, im Bund mit eindeutig unchristlichen Mächten diese Angst zu mildern … Wieder fügt Partridge diese Information geschickt dem Mosaik ein, das sich zur dramatischen Gesamtgeschichte formt.
_Verdiente Ehren für eine tolle Story_
Die ist für einen Roman ausgesprochen kurz. „Die dunkle Saat“ gehört indes zu den Werken, die genauso lang sind, wie sie sein sollen: Autor Partridge hat auf der 191. Seite seine Geschichte erzählt; nachdem er sie durchweg schlank gehalten und auf literarische Verzierungen und erzählerische Nebenstrecken verzichtet hat, mündet sie in ihr logisches und doch überraschendes Ende.
Im trüben Sud der aktuellen ‚Monster-als-love-interest‘-Gruselschmonzetten für kleine und klein gebliebene Mädchen ist „Die dunkle Saat“ ein echtes Highlight. Dass dies sogar hierzulande durch eine Veröffentlichung gewürdigt wird, liegt sicherlich auch an dem Ruf, den sich das Buch in kurzer Zeit erwerben konnte. Es wurde für mehrere Literaturpreise nominiert und konnte einen „Bram Stoker Award“ für den besten Roman des Jahres 2006 gewinnen. Den hat es zweifellos verdient – und Norman Patridge weitere Übersetzungen in diese unsere Sprache!
_Der Autor_
Norman Partridge wurde am 28. Mai 1958 in Vallejo, US-Staat Kalifornien, geboren. Er veröffentlicht seit Anfang der 1990er Jahre und begann mit Kurzgeschichten; die knapp, auf den Plot zentrierte Sprache hat er in seine Romane übertragen, die er seit 1994 vorlegt.
Partridge gehört in die Generation der (nicht mehr so) ‚jungen Wilden‘ um Joe R. Lansdale – der zu seinen engen Freunden gehört -, Ed Gorman oder Ed Bryant, die sich nicht in Schubladen pressen lassen. Er schreibt Phantastisches, Krimis und Abenteuergeschichten, wobei er unbekümmert die Genregrenzen ignoriert. Sein Roman „Wicked Prayer“, den er für die Mystery-Serie „The Crow“ verfasste, diente 2005 als Grundlage für das Drehbuch zum gleichnamigen Film.
Mit seiner Ehefrau lebt und arbeitet Norman Partridge in der San Francisco Bay Area. Über sein Werk informiert er auf seiner Website: http://www.normanpartridge.com.
_Impressum_
Originaltitel: Dark Harvest (Forest Hill/Maryland: Cemetery Dance Publications 2006)
Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt
Deutsche Erstausgabe: September 2008 (Rowohlt Verlag/RoRoRo TB Nr. 24764)
191 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-499-24764-4
http://www.rowohlt.de
Malcasa Point, ein Nest irgendwo in Kalifornien, 400 Einwohner – und das Horrorhaus, eine zwiespältige Touristenattraktion. Vor über 70 Jahren soll ein Serienmörder in dem viktorianischen Gebäude sein Unwesen getrieben haben, aber auch jetzt, im Jahre 1978, ist es dort nicht geheuer. Wer sich des Nachts dort umschauen will, stößt auf die Bestie, die hier ihr Lager aufgeschlagen hat.
Donna Hayes strandet auf der Flucht vor ihrem gerade aus der Haft entlassenen Ex-Gatten Roy, der für seine minderjährige Tochter Sandy ganz und gar nicht wie ein Vater empfand. Als sie ihn deshalb anzeigte und man ihn verurteilte, schwor Roy Rache und kündigte an, sie zu finden, wo immer sie sich verstecken würden. Genau das setzt er sechs Jahre später in die Tat um und hinterlässt eine Spur aus Folter und Mord, während er sich zielstrebig seiner ‚Familie‘ nähert.
Lawrence Maywood gehört zu den wenigen Menschen, die eine Begegnung mit der Bestie überlebten. Trotzdem für sein Leben gezeichnet, will er Rache und die Bestie zur Strecke bringen. Dafür heuert er den Söldner Judgment Rucker an, der an kein übernatürliches Treiben glauben mag.
Die Wege dieser fünf Personen werden sich im Horrorhaus kreuzen, ihre Schicksale sich dort entscheiden. Als Schiedsrichter tritt die Bestie auf, die – wer oder was sie auch sein mag – auf jeden Fall anwesend sein wird …
|II – Das Horrorhaus (S. 253-578)|
Ein Jahr später: Tyler vermisst Dan, einst die Liebe ihres Lebens. Kurz entschlossen packt Nora, ihre energische Freundin, die jammernde Schöne in ihren Wagen. Nachforschungen ergeben, dass Dan als Polizist in einem abgelegenen Ort namens Malcasa Point gelandet ist, wohin sich die beiden Frauen folglich aufmachen.
Den alternden Schriftsteller Gorman Hardy zieht die Geschichte des „Horrorhauses“ nach Malcasa Point. Er findet dort eine wertvolle Verbündete in der jungen Janice, die im Besitz des Tagebuchs der Lilly Thorn ist, die 1903 die Bestie im Keller des Hauses entdeckte – und lieben lernte! Das ist eine Bombenstory, die Hardy sich keinesfalls entgehen lassen möchte.
Jack und Abe, zwei Ex-Marines, die sich an Tylers und Noras Fersen (bzw. Hinterteile) heften, lassen sich von Hardy als Helfershelfer anheuern. Nachts sollen sie ins Horrorhaus einbrechen und Fotos schießen. Auch sie glauben nicht an die Bestie, was sich rasch ändert, da diese nicht nur sehr lebendig ist, sondern sich auf gänzlich unerwartete Unterstützung verlassen kann …
|III – Mitternachtstour (S. 579-1232)|
Wieder ein Jahr später: Sandy, die das Massaker im Horrorhaus vom Vorjahr überlebte, verlässt mit ihrer neuen Freundin, der Diebin und Mörderin Libby, sowie Eric, ihrem ganz besonderen Sohn, Malcasa Point und versucht ein neues Leben zu beginnen, was jedoch katastrophal fehlschlägt. Seitdem jagt Sandy erbittert aber erfolglos hinter Eric her.
1997: Das Horrorhaus ist nach mehreren Büchern und einer erfolgreichen Filmserie zu einer überregional bekannten Sehenswürdigkeit geworden. Es gehört jetzt Janice, die ihre grausame Geschichte so gut vermarkten konnte, dass sie nun mehrfache Millionärin ist. Tuck, ihr Stiefsohn, leitet eine ganze Schar von Fremdenführern, die routiniert durch das nun monsterfreie Horrorhaus führen.
Doch schon längst ist eine neue Generation gefräßiger und sexsüchtiger Kreaturen herangewachsen. Bisher haben sie sich im Hintergrund gehalten. Jetzt bricht die alte Wildheit durch. Die Bestie ist zurück und liefert den Mitgliedern der legendären Mitternachtstour durch das Horrorhaus eine Vorstellung, die nur wenige vergessen bzw. überleben werden …
_Drei Besuche im Haus der Bestie_
1232 recht ordentlich bedruckte Seiten: Diese Bestie hat ihren Verfasser, der nie Schwierigkeiten hatte, dicke Bücher mit neu ersonnenen Geschichten zu füllen, offensichtlich nachhaltig beschäftigt. Das bestätigt auch die Tatsache, dass Laymons letzte vor seinem überraschend frühen Tod 2001 fertiggestellte Arbeit der Kurzroman „Friday Night in Beast House“ war, der in diese Sammlung leider nicht aufgenommen wurde. Wie (oder ob) die Geschichte des Horrorhauses letztlich endet, bleibt auch nach der Lektüre dieses ziegelsteinstarken Werkes offen.
„Richard Laymons legendäres Meisterwerk“ soll dies sein, eifert der Klappentext. Tatsächlich liefert der Autor wie üblich wüste Kolportage. Mit nach einiger Lesezeit ermüdender Regelmäßigkeit verstößt er gegen möglichst jede politische Korrektheit, was er als beinahe ununterbrochene Folge von Splatter, Sadismen & Sex umsetzt. Mit dem Plot hält er sich dagegen nicht lange auf. „Im Keller“ gibt die Story vor: In einem von bizarren Hinterwäldlern bewohnten Städtchen – es wurde anscheinend um das „mal casa“, das „böse Haus“, herum gebaut – steht das „Beasthouse“, in dem es umgeht. Immer neue und neugierige Besucher kommen und werden zerschnetzelt oder geschändet oder beides. Wer oder was das Monster ist, wird bereits im ersten Teil enthüllt; Laymon hält nichts von Subtilität, sondern bevorzugt Vollgas und aufgeblendete Scheinwerfer.
_Das Original hat gruselige Momente_
Mit seinen nur 250 Seiten Umfang wird „Im Keller“ dem „Beasthouse“-Plot am besten gerecht. Die dünne Story gibt im Grunde gar nicht mehr her. Hier ist sie noch unbekannt und wird flott und nicht ungeschickt entwickelt. Laymon bemüht sich um Stimmung, ihm gelingen durchaus spannende Passagen, während er sich in seinen späteren Romanen oft damit begnügte, Dialogzeilen aneinanderzureihen.
1980 dürfte die Figur des Roy Hayes noch ziemlich starker Tobak gewesen sein – ein Psychopath, Folterknecht und Kinderschänder, wobei Laymon nicht ausblendet, wenn Hayes seine Triebe auslebt. Auch heute berühren diese Schilderungen den Leser so unangenehm, wie der Verfasser es geplant haben dürfte.
Laymon stellt dem ‚echten‘ Monster die „Bestie Mensch“ gegenüber. Der Mensch gewinnt, d. h. die Bosheit des Roy Hayes wirkt weitaus überzeugender, was Laymon veranlasste, die klassischen Gestalten der Dunkelheit in seinem späteren Werk mehr und mehr zugunsten sadistischer Schreckgestalten fallenzulassen.
Wie ‚böse‘ ist das Monster eigentlich? Ohne die Hilfe von Menschen, die auf seine besonderen ‚Fähigkeiten‘ nicht verzichten wollen, hätte es längst das Zeitliche gesegnet, denn es verfügt nur über geringe Intelligenz. Meist springt es als Buhmann durch seine eigene Geschichte und wird erst durch die Heimtücke seiner Spießgesellen zur Gefahr.
Schon im ersten „Beasthouse“-Roman stört indes Laymons Schlampigkeit. Er war ein schneller Schriftsteller, um es neutral auszudrücken. Was er einmal zu Papier gebracht hatte, überarbeitete er offenbar ungern. Wie sonst lässt sich das ständige Auftauchen von Figuren erklären, die kaum ordentlich eingeführt oder sogleich wieder sang- und klanglos aus der Handlung verabschiedet werden?
_Der Quark wird breiter_
„Das Horrorhaus“ entstand 1986, die Handlung knüpft indes an die Ereignisse des Jahres 1978 an. Faktisch wiederholt sich diese sogar – und das passagenweise wortwörtlich. Die dramaturgischen Grenzen des „Beasthouse“-Konzepts werden dadurch schmerzlich deutlich. Mit „Im Keller“ wurde die Geschichte eigentlich erzählt. Jetzt wird sie nur noch aufgewärmt. Die Bestie drückt sich weiter im Horrorhaus herum und tut, was sie halt nicht lassen kann. Einmal mehr geht die Gefahr vor allem von den Menschen aus.
Natürlich dürfte das auch Laymon aufgefallen sein. Er gedachte freilich nicht, dem Geschehen neue Impulse zu geben. Stattdessen lud er sie einfach mit Sexszenen an der Grenze zur Pornografie auf. Schöne, junge, stets geile Frauen machen die Mehrheit der Hauptfiguren im „Horrorhaus“ aus. Wie in seinen Gewaltschilderungen nimmt Laymon dabei kein Blatt vor den Mund. In den puritanischen USA mag er die Ideenarmut der Story seinem Publikum auf diese plumpe Weise verborgen haben. Dort, wo des Durchschnittsbürgers Hirn einer weniger eindimensionalen Gebrauchsanleitung folgt, lässt sich mit ausführlichen Waschlappen-Waschungen milchweißer Brüste und pseudo-ekstatischen Laken-Tollereien jedoch kein Blumentopf gewinnen.
Das erklärt auch, warum man um die Figuren nicht bangt, wenn ihnen die Bestie hinterhertobt: Sie sind sämtlich unsympathisch, nur Pappkameraden, die nach Schema F(uck) ‚denken‘ und handeln, wobei sich Letzteres im „Horrorhaus“ aufs Bluten & Töten beschränkt. Fast obsessiv beschreibt Laymon diese Dreiheit immer wieder in allen Details und unterstreicht die Einschätzung seiner Werke als Fastfood für knapp alphabetisierte Rednecks. Viel zu selten gelingt ihm im „Horrorhaus“ wirklich Finsteres, das ihn als Verfasser ehrt; so erschreckt die Beiläufigkeit, mit der Gorman Hardy zum Mörder mutiert und die Bestie an planvoller Bosheit leicht übertrifft. Und das Finale ist eine Splatter-Orgie, die an Dynamik und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
_Ein Neuanfang nach altem Rezept_
Mit seinen 650 Seiten ist „Mitternachtstour“ umfangreicher als die ersten beiden Teile der „Beasthouse“-Serie zusammen. Für Laymons Verhältnisse ist die Geschichte komplex, spielt sie doch auf zwei Zeitebenen. Nach mehr als zehn Jahren schloss der Verfasser einerseits noch einmal an die ursprünglichen Ereignisse an, während er andererseits einen Sprung ans Ende des 20. Jahrhunderts wagte. Diese Schere schließt er langsam und führt die beiden Handlungsstränge zusammen.
Die „Beasthouse“-Saga schlägt scheinbar eine neue Richtung ein, was zu begrüßen ist, da ein weiterer Aufguss selbst den langmütigsten Gruselfreund erzürnen dürfte. In Malcasa Point sind seit dem Massaker von 1979 fast zwei Jahrzehnte verstrichen. Das Horrorhaus ist zu einem Grusel-Disneyland und einer Geldmaschine geworden, was Laymon die Gelegenheit zu sarkastischen Seitenhieben auf die Sensationsgier der ‚Nachgeborenen‘ gibt, für die das blutige Schlachten der Vergangenheit zum Freizeitvergnügen geworden ist.
Laymon wäre freilich nicht Laymon, würde er nicht bald bekannte Pfade einschlagen. Selbstverständlich ist das Monster nicht tot. Es gibt zwar keinen logischen Grund für die Kreatur, ausgerechnet nach Malcasa Point zu gehen; sie könnte ungestörter dort morden, wo man sie nicht kennt. Doch die Story fordert die ‚Heimkehr‘, wobei Laymon zugestanden werden muss, dass er viel Spannung aus der Konfrontation des „Beasthouse“-Mythos mit der ‚Realität‘ der Bestie herausholt.
Erneut ist viel Schriftstellerei per Autopilot im Spiel. Laymon traut sich tatsächlich, die sattsam bekannte Horrorhaus-Historie ein drittes Mal ausführlich und wortwörtlich zu wiederholen. Mit neuen Figuren wird auch der Leser auf einen Rundgang durch das Haus genommen, der nur dann Neues bringt, wenn man die Teile eins und zwei nicht kennt. Ein vierhundertseitiger Mittelteil und viele gesichtslose Hauptdarsteller könnten problemlos und zum Wohle der Geschichte gestrichen werden. Erneut schwelgt Laymon in dümmlichen Sex-Getümmeln, die mit der Story selbst nichts zu tun haben und heftig anöden.
Erst im Finale geht es wieder hoch her. Ein drittes Mal wird ohne Rücksicht auf etablierte Hauptfiguren gekillt, werden die Karten noch einmal neu gemischt. Das Ende ist nicht happy, und selbstverständlich öffnet es die Hintertür zu einer weiteren Fortsetzung. Auf die ist man nach dem „Keller“-Hattrick indes nicht wirklich neugierig.
_Laymon-Salven, bis die Munition ausgeht?_
„Der Keller“ ist der Höhepunkt der aktuellen Laymon-Welle, die der |Heyne|-Verlag tsunamiartig auf seine Leser zurollen lässt. Man hat den Eindruck, die angekauften und übersetzten Werke des fleißig Verfassers sollen mit aller Macht unters Volk gebracht werden, bevor dessen Aufmerksamkeit sich anderen Attraktionen zuwendet. Dazu zwingt man es allerdings förmlich, weil man ihm die Möglichkeit gibt zu erkennen, wie limitiert der Laymon-Faktor ist: Die Tricks wiederholen sich, wirklich Neues gibt es nicht. „Der Keller“ belegt, dass Laymon die Masse der Klasse vorzog, obwohl er schreiben, d. h. an tiefen, unangenehmen, normalerweise lieber unerwähnten Dingen rühren konnte. Leider ließ er viel lieber die Hormone wüten und pubertäre Kleinhirne anschwellen …
_Der Autor_
Richard Carl Laymon wurde 1947 in Chicago, Illinois, geboren, wo er auch aufwuchs. Ein Studium in Englischer Literatur begann er an der Willamette University, Oregon, und schloss es mit einem Magistertitel an der Loyola University, Los Angeles, ab. Anschließend arbeitete Laymon u. a. als Schullehrer, Bibliothekar sowie Rechercheur für eine Anwaltskanzlei.
Als Schriftsteller debütierte Laymon 1980 mit den Psychothrillern „Your Secret Admirer“ und „The Cellar“ (dt. „Haus der Schrecken“/“Im Keller“). In den folgenden beiden Jahrzehnten veröffentlichte er mehr als 60 Romane und zahlreiche Kurzgeschichten. Dabei beschränkte er sich nicht auf die Genres Horror und Thriller, sondern schrieb u. a. auch Romanzen oder Westernromane. Laymons Erfolg hielt sich in den USA lange in Grenzen; seine eigentliche Fangemeinde hielt ihm in Europa die Treue. Dafür dürften seine ungeschminkt derben und an blutigen Effekten nicht sparenden, die puritanische Sexfurcht der US-Gesellschaft ignorierenden und anklagenden Geschichten verantwortlich sein. Dennoch wurden Laymon-Werke mehrfach für renommierte Buchpreise nominiert. Im Jahre 2000 wurde „The Travelling Vampire Show“ (dt. „Die Show“) mit dem „Bram Stoker Award“ für den besten Horror-Roman des Jahres ausgezeichnet.
Den Preis konnte Richard Laymon nicht mehr selbst in Empfang nehmen. Er starb am 14. Februar 2001 an einem Herzanfall. Über sein Leben, vor allem jedoch über sein Werk informiert die Website http://www.ains.net.au/~gerlach/rlaymon2.htm.
|Originaltitel: The Cellar/The Beasthouse/The Midnight Tour
Übersetzt von Kristof Kurz
Paperback, 1232 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-43351-9|
http://www.heyne.de