Archiv der Kategorie: Horror & Unheimliches

Shocker, Dan – Hexensabbat (Larry Brent, Band 25)

Dieser Band enthält die beiden Heftromane „Hexensabbat“ und „Die Horror-Maschine“, welche erstmalig als Silber-Krimis Nr. 970 und 974 erschienen sind und später in der eigenständigen Heftromanserie „Larry Brent“ als Band 85 und 49 neu aufgelegt wurden.

|Hexensabbat|

In London kommt es zu einer Häufung von Kindesentführungen. Viele Anzeichen deuten auf ein verstärktes Treiben von Hexenzirkeln hin und die Computer der PSA stellen einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen fest. Larry Brent soll den ermittelnden Inspektor Paul Tabbert unterstützen. Gemeinsam befragen sie eine Zeugin in einer Spielwarenabteilung, wo das letzte Kind verschwunden ist. Dort kommt ihnen Kommissar Zufall zu Hilfe, denn die Zeugin entdeckt just in diesem Moment jene Frau, welche sie mit dem entführten Kind hat weggehen sehen.

Unauffällig verfolgen sie die Frau in ein abgelegenes Waldstück, wo sie ihre Spur verlieren. Larry Brent wird bei der Suche nach der Frau von einem gewissen Lord Shanny niedergeschossen. Als der Agent wieder erwacht, kümmern sich der besorgte Lord und seine Frau um Brent. Der begeisterte Jäger hat den Agenten mit einem Wildschwein verwechselt und glücklicherweise nur einen Streifschuss gelandet. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem Gespräch, an dessen Ende sich für Larry immer mehr Verdachtsmomente gegen die Adeligen verhärten. Kurz darauf wird Paul Tabbert telefonisch bedroht und wenig später stirbt der Inspektor an plötzlichem Herzversagen. Ist Hexerei und Teufelsspuk mit im Spiel?

Derweil schafft es Larrys Kollegin Morna Ulbrandson, die ebenfalls auf den Fall angesetzt wurde, sich in einen der Hexenzirkel einzuschleichen und an dem größten Hexensabbat Englands teilzunehmen, zu dem sich sämtliche Satansschwestern unter der Führung des Great Ram versammelt haben, um dem Teufel zu huldigen …

Zunächst beginnt der Roman wie ein gewöhnlicher Sektenroman, wie sie in den siebziger Jahren zu Dutzenden erschienen sind, doch schon bald merkt man, dass man einen echten Larry-Brent-Roman in Händen hält. Es kommt zwar nicht allzu viel Action vor, dafür aber eine Menge Atmosphäre und ein kräftiger Schuss Okkult-Horror, wie man ihn aus Filmen wie „Das Omen“ oder „Rosemaries Baby“ kennt.

Die Identität des Great Ram überrascht den erfahrenen Gruselromanleser zwar nicht allzu sehr, ist aber durchaus logisch und fesselnd beschrieben worden. Die unsichtbare Bedrohung durch den magisch begabten Teufelsdiener, der mittels Voodoo-Magie seine Opfer zu töten vermag, erhöht den Gruselfaktor und lässt auch den Serienhelden in ernste Gefahr geraten. Äußerst gelungen ist auch der Humor, der durch eine gewisse Situationskomik das Geschehen an den richtigen Stellen aufzulockern versteht. Besonders lesenswert ist die Stelle, an der Larry Brent völlig sediert durch ein Gift von Morna Ulbrandson geweckt wird und sich einfach wieder schlafen legen will.

|Die Horror-Maschine|

In China verschwindet ein junger Mann namens Pao Lim spurlos. Er wurde entführt von einer schrecklichen Mutation mit sechs Armen. Die Zeugin des Vorfalls, Tschiuu Lo, erhält einen so schweren Schock, dass sie die Sprache verliert. Die Kreatur bringt Pao Lim zu einem abgelegenen Gebäude, in dem der wahnsinnige Genetiker Professor Wung Experimente mit menschlicher DNS durchführt. Durch eine Maschine ist es ihm gelungen, die Erbinformationen in menschlichen Zellen so zu verändern, dass diese sich wie Krebszellen verformen und Geschöpfe erschaffen werden, die dem Willen des Professors gehorchen.

Um weiterhin mit Menschen experimentieren zu können, lässt Wung Menschen entführen und pflanzt ihnen mit Hilfe seines Assistenten Lon Tung einen Elektrochip ins Gehirn. Einem der Gefangenen, der sich als Geistesgestört ausgegeben hat und dadurch der Operation entgangen ist, gelingt die Flucht. X-RAY-1, der Wind von den Vorgängen in China bekommen hat, reist in die Provinz Kwangchow und verhört den Mann. Anschließend schickt er seinen besten Mann X-RAY-3 inkognito nach China.

Larry gibt sich als amerikanischer Reporter aus und simuliert durch eine von den Medizinern der PSA entwickelten Droge einen Herzinfarkt und seinen daraus resultierenden Tod. Larry wird in das Krankenhaus überführt, in dem auch Tschiuu Lo behandelt werden soll. Doch Lon Tung, der in einer zweiten Existenz dort als Arzt arbeitet, will Tschiuu endgültig in den Wahnsinn treiben und schiebt die Chinesin regelmäßig in die Leichenhalle, wo er sie allein in der Dunkelheit stehen lässt.

Als Larry zu sich kommt und sich mit Hilfe einer biosynthetischen Maske ein neues Aussehen verleiht, erscheint wieder der verbrecherische Arzt mit seinem Opfer. Als sie allein sind, will Larry Tschiuu befreien. Durch diesen neuerlichen Schock erhält sie zwar ihre Stimme wieder und beginnt zu schreien, aber zugleich wird Tung auf die Geschehnisse aufmerksam und überwältigt den Agenten und die Frau. Er nimmt sie mit in Wungs geheimes Labor. Dort erwartet den Amerikaner und seine Begleiterin das nackte Grauen …

Rasant, actionreich, unheimlich und fesselnd. So lässt sich der Roman in wenigen Worten beschreiben. Die Handlung wird konsequent weitergeführt, ohne das Langeweile aufkommt. Larrys Eingreifen wird in allerbester Geheimagenten-Manier geplant, vorbereitet und durchgeführt, dass James Bond vor Neid erblassen würde. Allein das Präparat für den künstlichen „Tod“ des Agenten und die biosynthetischen Masken sind klasse. Die einzelnen Erklärungen, auch bezüglich der Experimente des Professors, sind durchaus schlüssig, wenn auch teilweise sehr an den Haaren herbeigezogen. Aber immerhin ist das hier auch ein Unterhaltungsroman und keine wissenschaftliche Abhandlung.

Auf alle Fälle ist dies ein erstklassiger Larry-Brent-Roman mit einer altbekannten Storyline, eben einem wahnsinnigen Wissenschaftler, der in seinem geheimen Labor menschenverachtende Experimente durchführt und sich ganz nebenbei auch auf die Weltherrschaft vorbereitet. Eines der Lieblingsthemen des Autors, welchem er sich im Laufe der Jahre des Öfteren widmete. Die vorliegende Variante dieses Themas ist wirklich super umgesetzt worden.

|Insgesamt|

Beide Geschichten spielen jede auf ihre Weise mit den Stereotypen des Gruselromans, gewinnen ihnen aber auch jede Menge neue Aspekte ab. Während sich „Hexensabbat“ mit okkulten Phänomenen, basierend auf satanistischem Aberglauben, befasst, beschäftigt sich „Die Horror-Maschine“ mit der Bedrohung durch skrupellose Wissenschaftler, und das mit einer Thematik, wie sie gerade heute wieder hochaktuell ist, wo die Genetik immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik gerät.

Die Romane wurden wieder eindrucksvoll von Pat Hachfeld illustriert, der nicht nur das Ambiente des Hexensabbats grotesk darstellte, sondern auch einem Monster aus der Horror-Maschine ein Gesicht verlieh. Das Artwork des Künstlers passt zu den bizarren Geschichten Dan Shockers wie die Selbstgedrehte zu Iwan Kunaritschew. Das Cover zeigt den Hexensabbat in voller Blüte. Das Bild vermittelt exzellent die Atmosphäre der satanistischen Veranstaltung und präsentiert im Hintergrund die typischen Frauengestalten, wie sie Lonati am liebsten darstellte: Jung, grazil, mit kleinen festen Brüsten, die am liebsten aus dem Bild zu hüpfen scheinen.

_Fazit:_ Spannende Grusel-Thriller mit abwechselungsreichen Handlungen und originellen Einfällen. Dan Shocker in Reinkultur!

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Shocker, Dan – Dartmoor (Larry Brent, Band 24)

Das Buch enthält die beiden Heftromane „Der Gehenkte von Dartmoor“ und „Bis zum letzten Schrei“, die zum ersten Mal 1972 in der Reihe Silber-Krimi aus dem |Zauberkreis|-Verlag erschienen sind.

|Der Gehenkte von Dartmoor|

David Gallun, alias X-RAY-1, empfängt in der PSA-Zentrale in New York das Signal vom Tod seines Agenten X-RAY-14. Der letzte Aufenthaltsort des Agenten war Dartmoor, das berüchtigste Sumpfgelände Englands. Larry Brent, alias X-RAY-3, erhält von seinem Chef den Auftrag, den Tod seines Kollegen aufzuklären. Da Chiefinspector Higgins von Scotland Yard das mysteriöse Verschwinden von 19 Häftlingen aus dem berühmten Gefängnis im Moor aufklären soll, schließt sich Larry Brent seinem alten Freund an.

Doch die Rätsel sind noch viel verworrener, als die beiden Kriminalisten zunächst annehmen. Die Leiche von X-RAY-14 wird an einem berüchtigten Galgen inmitten des Sumpfes gefunden, die rechte Hand wurde dem Agenten abgetrennt. Den PSA-Ring, der das Signal an die Zentrale in New York weiterleitet, entdeckt Larry in der Auslage eines Antiquitätengeschäftes, der Selbstzerstörungsmechanismus hat nicht angeschlagen. Wie passen aufgebrochene Särge, denen die Nägel fehlen, der größte Gangsterboss Londons, der sein Quartier nahe Dartmoor aufgeschlagen hat, und der exzentrische Sir Charles Parkinson ins Bild?

|Bis zum letzten Schrei|

Auf einem Schloss im Elsass geht die Weiße Frau um. Alle hundert Jahre fordert sie neue Opfer. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der sie wieder zuschlägt. Eine junge Frau, die eine Nacht in dem geschichtsträchtigen Gemäuer verbringt, wird ihr erstes Opfer. Larry Brent wird von seinem Chef David Gallun nach Frankreich geschickt, da die Computer der PSA die Wiederkehr des Geistes errechnet haben und eine Untersuchung des Phänomens für Notwendig erachten. Getarnt als Geisterjäger, begibt sich der PSA-Agent mit einer Reisegruppe zum Ort des gruseligen Geschehens …

Bereits auf den ersten Seiten stellt Dan Shocker seinen enormen Ideenreichtum unter Beweis. Die Story um den Gehenkten in Englands berühmtesten Sumpf erinnert unweigerlich an alte Edgar-Wallace-Filme und verströmt immer noch den trashigen Charme der siebziger Jahre. Es ist faszinierend zu lesen, wie sich eine Frage nach der anderen dem Leser und den Protagonisten stellt und wie der Autor die Handlungsfäden zusammenführt und den Gordischen Knoten in einem dramatischen Finale löst.

Die Lösung des Falles wirkt dabei so unglaublich überzogen, dass es einfach Spaß gemacht hat zu lesen, wie Larry den Tätern auf die Spur kam. Die plastische Schilderung des Schauplatzes Moor hat zu einem Großteil zu der schauerlichen Atmosphäre des Romans beigetragen.

Interessant zu lesen war auch, dass mal ein anderer Agent außer Larry Brent oder seine Kollegen Iwan Kunaritschew und Morna Ulbrandson erwähnt wurde. Leider erfährt der Leser außer dem Namen nichts über X-RAY-14. Mit der Erklärung des defekten Selbstzerstörungsmechanismus des PSA-Ringes macht es sich der Autor dagegen ein wenig zu leicht. Doch der Leser wird mit einer rasanten Handlung, liebevoll gezeichneten Charakteren und einem Wiederlesen mit Chiefinspector Higgins belohnt.

Die zweite Story ist eine geradezu klassische Gespenster-Geschichte um das Phänomen der „Weißen Frau“. Der Text hat zwar einen nicht unbeträchtlichen Gruselfaktor, allerdings plätschert die Handlung auch seitenlang vor sich hin, ohne dass die Handlung großartig vorankommt. Larry selbst kommt erst nach 28 Seiten ins Spiel und es dauert abermals 35 Seiten, bis er richtig in den Fall einsteigt.

Dafür beschreibt der Autor einen Urlaub von Morna Ulbrandson, der mit dem Fall eigentlich nichts zu tun hat, außer, dass sie zufällig den Sohn des Schlossbesitzers trifft, der hoch verschuldet ist. Und natürlich treffen sich Morna und Larry am Ende des Romans auch rein zufällig vor dem Tor des Gemäuers. Wenn die aparte Schwedin nicht schon zuvor nicht schon seitenlang als Spannungskiller aufgetreten wäre, dann wäre das zufällige Treffen der beiden Agenten ein richtig guter Gag geworden.

Larrys Inkognito war dagegen sehr gelungen, und es wirkte schon amüsant, wie sich Larry als schrulliger Geisterjäger ausgegeben hat. Nur die ständige Titulierung als „Ghost Hunter“ hat genervt und ist einfach nicht zeitgemäß. In den Siebzigerjahren war es modern, wenn in Heftromanen englische Begriffe fielen, doch heutzutage liest es sich eher altbacken. Larrys Verfolgungsjagd durch die unterirdischen Gewölbe wird von dem Autor gekonnt dargestellt und die beklemmende Atmosphäre der stockdunklen Gänge überträgt sich unweigerlich auf den Leser. Leider wurde das Finale sehr abrupt und unspektakulär abgehandelt, so dass der Leser den Roman unbefriedigt zur Seite legen muss.

Die Innenillustrationen von Pat Hachfeld runden den Gesamteindruck des Buches hervorragend ab. Das Bild zum zweiten Roman wirkt allerdings sehr fade, aber es gibt auch keine wirklich unheimliche Szene in dem Roman, die zeichnerisch gut darzustellen gewesen wäre. Das Cover des Buches ziert das Original-Titelbild des Heftromans „Bis zum letzten Schrei“ und zeigt eine Szene aus dem Traum des Schlossherren.

_Fazit:_ Origineller, kurzweiliger Einstieg vor der unheimlichen Kulisse einer englischen Moorlandschaft und ein fader, begrenzt spannender Abschluss des Buches. Der Band zeigt, wie ambivalent die Storys bisweilen ausfallen können und wie schwierig dadurch die Bewertung des Buches wird.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Shocker, Dan – Mordleiche, Die (Larry Brent, Band 23)

Der Band enthält die beiden Heftromane „Die Mordfalter“ und „Die Leiche aus der Kühltruhe“, welche erstmals als Silber-Krimi Band 954 und 958 erschienen sind.

|Die Mordfalter|

Larry Brent soll in Paris einen Mittelsmann der PSA treffen, der angeblich eine besondere Entdeckung gemacht hat. Doch Landrue hält sich nicht an den vereinbarten Termin. In seiner Wohnung findet Larry Brent die Leiche eines Mannes, der an Herzversagen starb, aber es ist nicht Landrue. Auf Nachfrage bei seinem Chef X-RAY 1 erfährt Larry, dass sich Landrue mit einem Insektenforscher namens Dodot getroffen hat und sich der PSA-Mitarbeiter mit gehäuften Fällen von Herzversagen befasste. Bei der Obduktion der Leiche finden die Ärzte heraus, dass das Opfer keinerlei Rückenmark mehr besitzt und sich stattdessen Insekteneier mit Raupenlarven dort befinden.

Larry fährt in die Gegend, wo sich der Forscher angeblich herumtreibt, nämlich eine alte verrufene Kneipe in der Nähe einer Müllhalde. Doch der PSA-Agent muss unverrichteter Dinge wieder abziehen. Larry Brent und die Pariser Polizei wollen einen weiteren Insektenforscher hinzuziehen, da der Verdacht besteht, dass die gehäuften Fälle von Herzversagen auf die Raupen und Falter zurückzuführen sind. Sie übergeben ihm die Eier aus der obduzierten Leiche. Als Larry mit der Polizei vor der Wohnung des Wissenschaftlers steht, sehen sie Hunderte von Faltern durch das Fenster. Der Entomologe wurde ein Opfer der Mordfalter. Versuche, die Tiere mit DDT auszuräuchern, scheitern und den Tieren gelingt die Flucht. Was steckt hinter dem Überfall der Mordfalter? Eine Laune der Natur oder der kranke Geist eines verrückten Wissenschaftlers?

|Die Leiche aus der Kühltruhe|

Gerome Wallace leidet an einem inoperablen Krebsgeschwulst. In der Hoffnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein Heilmittel gefunden wird, schließt der Großindustrielle einen Vertrag ab, in dem er festlegt, dass er sich einfrieren lässt, bis eine Heilung möglich ist.

Als der klinische Tod von Wallace schneller eintritt als erwartet, wird alles nach den Wünschen des Todkranken erfüllt. Doch etwas läuft gewaltig schief, denn plötzlich erwacht Gerome Wallace in seiner Kühltruhe und entsteigt seinem kalten Grab. Ein lebender Toter, dessen Psyche erheblich Schaden genommen hat. Als Gerome dann erfährt, dass seine um viele Jahre jüngere Frau Linda ihn seit längerem mit einem guten Freund betrügt, brennen bei der lebenden Leiche sämtliche Sicherungen durch und ein grausamer Rachefeldzug nimmt seinen Anfang.

Larry Brent wird auf den Fall aufmerksam, als ihn ein befreundeter Psychiater auf den Fall einer jungen Frau hinweist, die sich von einer grauenhaften Gestalt verfolgt sieht. Was zunächst als Halluzinationen abgetan wird, erweist sich bald als Irrtum. Denn die junge Frau namens Sandy Jovlin ist das uneheliche Kind eines gewissen Gerome Wallace, der vor kurzem angeblich verstorben ist …

Das Buch bietet dem Leser zwei kurzweilige, spannende Gruselgeschichten aus der Feder Dan Shockers, hervorragend überarbeitet von einem gewissenhaften Lektorat, welches den einen oder anderen sprachlichen Fauxpas ausgewetzt hat.

Die erste Story ist ein klassischer Ökothriller und zugleich ein düsterer Tierhorror-Roman, welcher in einfacher, heftromantypischer Manier vor den Folgen übermäßigen Einsatzes von Insektiziden warnt und dem Leser drastisch vor Augen führt, dass sich der Mensch dadurch letztendlich selber gefährdet. Die Art und Weise, wie Dan Shocker seine Mordfalter sich vermehren und auf Raubzug gehen lässt, legt Zeugnis ab von dem schöpferischen Ideenreichtum des Autors. Dass die Falter ihre Eier in das ausgesaugte Rückenmark legen, erhöht dabei den Ekelfaktor, macht den Roman aber auch irgendwie glaubhafter.

Einzig und allein der Bankraub und die Handlung um die beiden Bankräuber nimmt sehr viel Raum ein, der später bei der Darstellung der Falterbedrohung und deren Bekämpfung fehlt. Dafür wurde die Atmosphäre der fragwürdigen Spelunke und der Müllhalde plastisch und lebensnah beschrieben.

In der zweiten Geschichte hat Dan Shocker eine Rachegeschichte konstruiert, die sich aber auch differenziert mit der Angst vor dem Sterben befasst und sich dem umstrittenen Thema widmet, ob es sinnvoll ist, sich einfrieren zu lassen, um später wiederbelebt zu werden, wenn eine Heilung erfolgversprechend ist. Sehr gekonnt und realistisch beschreibt der Autor die Angst des Gerome Wallace vor dem Tod und sein Entsetzen, als er bemerkt, wie er lebendig eingefroren werden soll. Auch das Erwachen in der Kühltruhe lässt den Leser nicht nur vor der erwähnten Kälte schaudern.

Leider verschenkt der Schriftsteller viel Potenzial bei der Handlung um Sandy Jovlin. Diese Nebenhandlung birgt zwar einige interessante Facetten, wird aber im Finale eher unbefriedigend aufgelöst. Auch der Psychoterror, den Gerome seiner Frau angedeihen lässt, wird zu überhastet abgearbeitet, um den Leser wirklich zu berühren. Man merkt dem Roman deutlich an, dass er zu wenig Seiten hat, um beiden Plots gerecht zu werden. Gemeint ist zum einen die Story um die Rache des wiedererwachten Gerome Wallace und zum anderen die Aktion mit dem Doppelkörper des Untoten aus einer parallelen Antiwelt. Gerade das Finale wurde viel zu schnell über die Bühne gebracht. Viel zu nüchtern, sachlich und undramatisch wird das Problem aus der Welt geschafft.

Dass der Roman schon vor zirka 30 Jahren geschrieben wurde, merkt man ihm trotz allem an einer Szene deutlich an, in der Tequila als neuartiges, noch unbekanntes Getränk angepriesen wird und der Autor das Ritual mit Salz und Zitrone minutiös beschreibt, weil es in Deutschland noch nicht so bekannt ist. Das wirkt für den heutigen Leser sehr amüsant, wo das richtige Genießen von Tequila quasi zur Allgemeinbildung gehört. Dem Seriencharakter wird in diesem Band insofern Rechnung getragen, als sich Larry Brent an zwei Fälle erinnert, die er erst vor Kurzem erlebt hat. Das gibt dem Leser ein größeres Gefühl der Zusammengehörigkeit mit der Hauptfigur, mit der er quasi die gleichen Erinnerungen teilt.

Die Illustrationen von Pat Hachfeld sind beide äußerst gelungen, und vor allem das Bild zu den Mordfaltern gehört mit zu Hachfelds besten Arbeiten. Das Frontcover ist dagegen eine der überzeugendsten Arbeiten des mittlerweile verstorbenen Künstlers Lonati. Es ist das Originalcover zu dem Roman „Die Leiche aus der Kühltruhe“ und wurde speziell für diesen Roman angefertigt, was den Wiedererkennungswert der Szenen in der Geschichte erhöht. Zum Ende hin wird Gerome genau so beschrieben wie auf dem Bild dargestellt, und der rote Hintergrund einschließlich dem dämonische Antlitz vermittelt eine stimmige Gruselatmosphäre.

_Fazit:_ Zwei klassische Larry-Brent-Abenteuer, welche das Talent und den Einfallsreichtum Dan Shockers dokumentieren. Nur in der zweiten Story geht der Geschichte zum Ende hin die Luft aus und schließt den Roman eher unbefriedigend ab.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Shocker, Dan – Bluthände (Larry Brent, Band 5)

_Der Fluch der blutenden Augen_

Larry Brent verbringt seinen seltenen und wohlverdienten Urlaub diesmal in London. Auf einem Rummelplatz findet die angedachte Ruhe jedoch ein jähes Ende. Während einer Fahrt durch die Geisterbahn verstirbt Larrys Mitfahrerin – eine junge Inderin – auf sehr seltsame Art und Weise. Die örtliche Polizei diagnostiziert einen Herzstillstand.

X-RAY-1 will einen ordinären Unfall nicht ganz akzeptieren, vor allem nicht mehr, als kurz darauf ein Anschlag durch einen Taxifahrer auf ihn verübt wird. Er ist davon überzeugt, dass es schon jemand in der Geisterbahn auf ihn abgesehen hatte – der Tod der hübschen Hira Rasmandah scheint nur ein Versehen gewesen zu sein.

Als Larry auch noch in seinem Hotelzimmer von einem indisch aussehenden Mann angegriffen wird, macht er sich umgehend an seine Nachforschungen, ohne dass ein Auftrag der PSA vorliegt. Er findet heraus, dass er mit einem gewissen Roy Robertson verwechselt wird, einem Forscher, der zusammen mit seinem Kollegen Henry Waverlean im Tempel der Toten die so genannten blutigen Augen aus einer Statue der Göttin Kali entwendet hat. Jetzt will dem Engländer ein blutgieriger Sektenkult an den Kragen – dummerweise ist Robertson bereits verstorben und Larry gleicht dem Mann nahezu aufs Haar.

Letztendlich gerät der Agent in die Gewalt dieser Fanatiker und wird auf spektakuläre Weise nach Indien verschleppt, um dort für seinen angeblichen Frevel geopfert zu werden. Doch hier warten einige Überraschungen auf Brent …

Vorweg muss ich gleich sagen, dass der Plot dieses Larry-Abenteuers sehr dünn bestückt ist. Von dem gewohnten Grusel absolut keine Spur, vielmehr ein etwas ausgefallener Krimi mit einem Hauch von James Bond oder Jerry Cotton; dazu leider auch noch mit der ausgelutschten Sekten-Thematik versehen, die mir so gar nicht mundet.

Larry gerät diesmal durch einige wirklich waghalsige Zufälle in diese Geschichte, kommt ein paarmal fast ums Leben (Action wird dabei allemal geboten), wird in ein exotisches Land entführt, bleibt aber letztendlich von allen paranormalen Auswüchsen verschont. Der einzige übernatürliche Einsprung ist die unheimliche Existenz von Swomi, dem Hausgott des Sektenführers, aber auch dieses Phänomen wird leider sehr schnell enttarnt.

Positiv sei zu erwähnen, dass die Handlung stellenweise recht flott zur Sache geht, fast schon zu flott, wenn man das sehr abrupte und leider auch sehr sensationsarme Finale in Betracht zieht. Ich habe einen kleinen Moment gebraucht, um zu begreifen, dass diese Story jetzt tatsächlich zu Ende ist. Zusammengefasst eines der etwas schlechteren Abenteuer des PSA-Agenten

_Die Bestie mit den Bluthänden_

Die Gegend um den französischen Ort Rostrenen ist zum Jagdrevier eines Serienmörders geworden. Vier bedauernswerte Opfer hat er bereits gefordert, doch der zuständige Polizeichef, Kommissar Fernand Rekon, tappt weiterhin im Dunkeln.

Der einzige Hinweis auf den Verbrecher ist eine farbige Knotenschnur, ein so genanntes Quipu, welches als Nachrichtenübermittlung bei den Inka verwendet wurde. Durch diesen Umstand bieten sich Rekon zwei Hauptverdächtige: der menschenscheue Altertumsforscher Henri Blandeau, welcher zurückgezogen in einem alten Gehöft am Ortsrand lebt, und Dr. Sandos aus Südamerika, der Leiter des Erholungsheims für wohlhabende Patienten in Rostrenen.

Die beiden undurchsichtigen Herren pflegen heimlich regen Kontakt, basierend auf der gemeinsamen Begeisterung für ein gespenstisches Gemälde aus der Inka-Kultur, welches Blandeau in seinem Keller aufbewahrt. Von diesen Umständen ahnt Rekon jedoch nichts; sein Interesse gilt allein dem unheimlichen Killer.

Larry Brent wird eingeschaltet, da der PSA-Agent Mike Burton alias X-RAY-16 eben genau zu jenem Zeitpunkt verschwunden ist, als die Mordserie bei Rostrenen begonnen hat. David Gallun vermutet einen Zusammenhang.

Zufällig gerät Larry bei seinen Nachforschungen vor Ort in die Wirren eines Komplotts des reichen Geschäftmannes Jean-Claude Feydeau, der mit einigen fiesen Methoden versucht, seine Frau Mireille – die ebenfalls eine Patientin in Dr. Sandos‘ Sanatorium ist – in den Wahnsinn zu treiben. Doch das böse Spiel findet ein unerwartetes Ende, und Larry wird hilfloser Zeuge, wie Feydeaus Sekretär Armand Dupont von dem Serienkiller als neues Opfer auserkoren wird.

Kommissar Rekon und Larry Brent versuchen nun unermüdlich, des unheimlichen Mörders habhaft zu werden. Am Ende erwarten sie ein denkwürdiger Blick in die düstere Vergangenheit der Inka und eine große Überraschung, was die Identität des Täters anbelangt …

Dieser vorliegende Psycho-Thriller lebt in erster Linie von der düsteren, fast schon kalten Atmosphäre in einer etwas ländlich anmutenden Gegend. Ansonsten hat man es hier in der Tat mehr mit einem klassischen Thriller und weniger mit einer tatsächlichen Gruselgeschichte zu tun, was aber der Handlung nicht unbedingt einen Abbruch tut – und Dan Shocker wollte sich mit seiner Serie schließlich ja auch auf eben jenem Zwischengenre bewegen.

Der Rahmen der Geschichte hat mir ganz gut gefallen: eine düstere Mordserie in der dazu passenden Gegend, ein unbekannter, krankhafter Killer, und drumherum verteilen sich diverse ominöse Gestalten, von denen einige definitiv Dreck am Stecken haben.

Der Leser wird bis zum Ende im Dunkeln gelassen und stellenweise in die Irre geführt, was mir persönlich Spaß gemacht hat. Zusammen mit Larry und Rekon stolpert man nichtsahnend durch das Dickicht und versucht einem gespenstischen Mörder auf die Schliche zu kommen, wobei sich immer wieder die Frage aufdrängt: Mensch oder Bestie oder letztendlich beides? Die verschiedenen Nebenhandlungen der beteiligten Protagonisten, wie dem introvertierten Forscher und dem undurchsichtigen Arzt, sorgen für weitere Verwirrung sowie neue Verdachtsmomente. Auch die Auflösung ist absolut akzeptabel und schlüssig, wenn auch hier wieder das paranormale Element etwas erzwungen wird, um nicht gänzlich mit einem „stinknormalen“ Thriller abzuschließen.

Die vorliegenden Geschichten in diesem Band haben also eine große Gemeinsamkeit: Das Paranormale ist jeweils nur eine fast unbedeutende Randerscheinung; in der ersten Geschichte entfällt es sogar gänzlich. Hier präsentiert sich vielmehr ein klassischer Kriminalroman oder aber eben ein waschechter Thriller, welcher nur sehr sparsam mit dem Fünkchen Horror versehen werden.

Dafür serviert uns Pat Hachfeld diesmal zwei äußerst psychedelisch anmutende Illustrationen, die eine ganz eigene Atmosphäre als Einleitung vermitteln – verwirrend, bedrohlich und surreal –; das Original-Bild auf dem Cover von Lonati hingegen basiert zwar trotz seines fast schon symbolischen Charakters auf einer tatsächlichen Szenerie innerhalb der zweiten Geschichte, dennoch äußert sich dieses Bild vielmehr klischeehaft und leider auch eher drittklassig im Vergleich zu einigen anderen meisterlichen Werken des verstorbenen Künstlers.

Der Leser findet hier nicht unbedingt die absoluten Highlights der Brent-Serie, aber doch zwei recht kurzweilige Geschichten für ein paar unterhaltsame Stunden, so dass dieser Band dem eingefleischten Shocker-Fan schon allein der Vollständigkeit halber nicht fehlen sollte.

http://www.BLITZ-Verlag.de

Hill, Joe – Blind

Jude Coyne ist ein Rockstar Anfang fünfzig mit einem makaberen Hobby: Er sammelt morbide und okkulte Gegenstände. Zu seinen Errungenschaften gehören eine Zeichnung des Serienmörders John Wayne Gacy, ein Totenkopf aus dem 16. Jahrhundert, das Sündenbekenntnis einer als Hexe verbrannten Frau, eine Henkersschlinge und sogar ein [Snuff-Film.]http://de.wikipedia.org/wiki/Snuff-Film

Eines Tages erhält sein Assistent Danny den Hinweis auf eine interessante Internetauktion, bei der ein Geist versteigert wird. Jude schlägt zu und erhält für tausend Dollar den Sonntagsanzug des Verstorbenen in einer schwarzen Herzschachtel. Was wie ein schlechter Scherz klingt, entpuppt sich bald als Realität, als Jude den Geist des alten Mannes zu Gesicht bekommt. Es stellt sich heraus, dass der Verkauf kein Zufall war. Der tote Craddock McDermott ist auf grauenhafte Weise mit Judes Vergangenheit verbunden – und er ist hier, um sich für das zu rächen, was Jude seiner Ex-Freundin Anna, Craddocks Stieftochter, angetan hat.

Für den Rockmusiker beginnt ein Horrortrip, in den nicht nur er, sondern auch sein Umfeld miteinbezogen werden und bei dem Craddock nicht mehr der einzige Geist ist, der ihn verfolgt. In seiner Verzweiflung macht er sich gemeinsam mit seiner jungen Gothic-Freundin Georgia und seinen beiden Hunden auf zur Verkäuferin des Geistes, der Tochter des Toten. Dort in Florida hofft er, Antworten zu finden …

Geistergeschichten haben seit Jahrunderten ihren festen Platz in der Horrorliteratur. Umso schwerer ist es da, diesem Aspekt noch eine originelle Seite abzugewinnen. Joe Hill, Pseudonym des Sohnes von Horrormeister Stephen King, erzählt in seinem Debütroman zwar eine typische Geister-Rache-Geschichte, doch dass ein Geist per Internet an sein Opfer gelangt und käuflich erworben wird, ist eine nette Übertragung des Phänomens in die moderne Welt.

|Spannung bis zum Schluss|

Die Handlung geht gleich |in medias res|, ohne sich mit langem Vorgeplänkel aufzuhalten. Schon bald hält der Geist Einzug im Hause Coyne, sorgt für eine unheilvolle Atmosphäre, und Leser wie Hauptfigur ahnen, dass der Kauf keine gute Idee war. Ein Telefongespräch mit der Verkäuferin klärt rasch die persönlichen Hintergründe. Judes depressive Ex-Freundin war die Stieftochter des Verstorbenen, die Verkäuferin die Schwester und für das scheinbare Unrecht, das Jude ihr mit seinem Rausschmiss angetan hat, soll er nun mit seinem Tod büßen.

Auch sein Assistent Danny bekommt bald zu spüren, was es heißt, einem Geist zu begegnen, und spätestens ab diesem Augenblick ist Jude klar, dass er in höchster Gefahr schwebt. Der Leser fragt sich, ob auch Georgia ein Opfer des Geistes werden wird, ob die beiden auf ihrer Flucht Hilfe aus dem Jenseits erhalten, was Jude in Florida von Annas Schwester erfährt, ob diese ihnen helfen wird oder Jude zu drastischen Mitteln greift. Auch eine überraschende Wendung ist enthalten, die plötzlich alle Dinge in einem anderen Licht erscheinen lässt.

|Interessante Charaktere|

Vielschichtigkeit ist ein Stichwort zur Beschreibung der Charaktere. Jude Coyne wächst dem Leser zwar immer mehr ans Herz, doch ein makelloser Held ist er beileibe nicht. Er trägt die typisch verwegene Vergangenheit eines Rockstars mit sich herum, inklusive Drogentrips und den munteren Affären mit halb so alten Gothic-Girls, denen er ihren Heimatstaat als Spitznamen verpasst. Früh erfährt man vom Hass auf seinen sterbenskranken Vater, dem er schon lange den Tod an den Hals gewünscht hat, ebenso von seiner gescheiterten Ehe. Letztlich befremdet auch sein makaberes Hobby, vor allem der Besitz des Snuff-Videos, auch wenn Jude selbst gewisse Skrupel dabei hegt. Der alternde Star ist eine zwiespältige Persönlichkeit und kein moralisches Vorbild, erfährt aber im Verlauf seiner Reise neue Einsichten.

Auch die ehemalige Stripperin Georgia, eigentlich Marybeth, ist anfangs nicht leicht einzuschätzen. Der erste Eindruck entspricht dem einer naiven Bettgefährtin, eines leichenblassen Groupies mit kunstvollem Make-up und oberflächlichen Interessen. Doch als Judes Leben außer Kontrolle gerät, entwickelt sich Georgia zu einer hilfreichen Unterstützung. Sie kennt wenig Furcht und hält zu Jude, auch wenn sie sich damit selber in Gefahr bringt. Auf dem Weg nach Florida machen sie Station bei ihrer Großmutter „Bammy“, einer resoluten und okkult-erfahrenen Frau aus Hillbilly-Kreisen, durch die auch Georgia ein wenig Geister-Kenntnis mitbringt.

|Kleine Schwächen|

Frei von Mankos ist das Debüt dennoch nicht. So lobenswert es auch ist, vielschichtige Charaktere zu erzeugen, so blass bleibt dagegen der Horrorfaktor. Zwar sind die ersten Auftritte von Craddocks Geist durchaus unheimlich, doch danach schwindet die Gruselatmosphäre immer mehr. Dazu trägt auch die ungünstige Beschreibung bei, nach der die Augenpartie der Geister wie mit schwarzem Stift überkritzelt aussieht – ein Effekt, der zweifellos in einem Film besser zur Geltung kommt als in einem Roman. Es fehlt dem Geist an einer geheimnisvollen Aura, die ihn von einem mord- und rachlustigen Psychopathen unterscheidet. Bezeichnend dafür ist, dass eine kleine Nebenepisode mit Bammys Schwester Ruth, die im Kindesalter entführt wurde und nie zurückkehrte, auf wenigen Seiten einen viel intensiveren Schauer auslöst als alle Auftritte mit Craddock McDermott zusammen. Der Roman ist weniger der Horror-Schocker, den der Verlag ankündigt, sondern zeigt eher das Bild eines Mannes auf der Suche nach sich selbst während eines Trips quer durch die USA, vor dem Hintergrund einer Geistergeschichte.

_Unterm Strich_ bleibt ein ordentlicher Debütroman, der nicht allen Lobpreisungen gerecht wird. Vor allem den interessanten Charakteren und dem flüssigen Stil ist zu verdanken, dass „Blind“ ein lesenswerter Geisterroman geworden ist. Der Horrorfaktor dagegen fällt eher gering aus, sodass eingefleischte Schocker-Fans nicht zu hohe Erwartungen haben sollten.

_Der Autor_ Joe Hill, eigentlich Joseph Hillstrom King, ist ein Sohn des bekannten Autorenehepaares Stephen & Tabitha King. 2005 erschien seine Geschichtensammlung „20th Century Ghosts“, die im November 2007 bei |Heyne| unter dem Titel „Black Box“ auf Deutsch veröffentlicht werden soll. Er ist Träger des |Ray Bradbury Fellowship|, wurde bereits zweimal mit dem |Bram Stoker Award| sowie dem |British Fantasy Award|, dem |World Fantasy Award|, dem |A. E. Coppard Price| und dem |William L. Crawford Award| als bester neuer Fantasy-Autor 2006 ausgezeichnet. Erst im Zuge des Verkaufs der Filmrechte von „Blind“, seinem Debütroman, wurde das Pseudonym gelüftet. Joe Hill wurde 1972 in Bangor/Maine
geboren und lebt mit seiner Familie in New Hampshire.

http://www.joehillfiction.com

|Originaltitel: Heart-Shaped Box
Originalverlag: Morrow
Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller
Gebundenes Buch, 432 Seiten|
http://www.heyne.de

Koontz, Dean – Todesregen

_Handlung_

Eines Nachts werden Molly und ihr Ehemann Neil von einem Unwetter geweckt. Der Regen leuchtet schwach und riecht komisch; ein ungutes Gefühl überkommt die beiden. Im Fernsehen wird weltweit von merkwürdigen Wetterphänomenen berichtet. Plötzlich fallen das Fernsehen, das Telefon und die Internetverbindung aus. Die beiden machen sich auf den Weg in die Stadt und kommen an verlassenen Autos und Häusern vorbei. Überall ist es nebelig.

In einem Lokal treffen sie die wohl letzten Überlebenden in der Stadt. Viele sind verschwunden, oder tot, aber keiner weiß, warum. Was ist bloß passiert?

Auf der Suche nach Erklärungen kristallisiert sich eine These heraus: Eine fremde und überlegene Spezies will die Erde für sich und beginnt einen „Terraforming“-Prozess, um diese Welt für sich nutzbar zu machen. Können die letzten Überlebenden die Welt vor den Invasoren retten?

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren und lebt heute mit seiner Frau in Kalifornien. Seine zahlreichen Romane – Thriller und Horrorromane – wurden sämtlich zu internationalen Bestsellern und in über dreißig Sprachen übersetzt. Weltweit hat er bislang über 250 Millionen Exemplare seiner Bücher verkauft. Zuletzt bei |Heyne| erschienen: „Trauma“.

_Mein Eindruck_

„Todesregen“ klingt, wenn man dem Buchrücken glauben schenken mag, wie eine Hommage an [„Krieg der Welten“ 1475 von H. G. Wells. Doch Koontz wäre nicht Koontz, wenn er die Kopie eines anderen Buches schriebe. Koontz widmet sich also in „Todesregen“ dem Ende der Welt, was eigentlich nicht wirklich ins Koontz’sche-Schema von unterhaltsamer Horror-Literatur zu passen scheint. Allerdings darf ich den geneigten Leser beruhigen, denn Koontz ist nicht zu einem reinen Science-Fiction-Autor geworden. Vielmehr vermischt er geschickt Mythologie und Science-Fiction-Themen zu einem Buch, das den Leser zwingt, sich auf die Geschichte einzulassen und sich selber Gedanken dazu zu machen. Dadurch wird eine unglaubliche Spannung erreicht, die den Leser stundenlang fesselt und ihm den ein oder anderen wohligen Schauder über den Rücken jagt. Gerade auch das Motiv des Terraforming, das ja schon weltweit, infolge der Marsexpeditionen diskutiert wurde, gefällt mir ausgesprochen gut.

Über das Ende möchte ich natürlich nicht zu viel verraten, nur so viel: Es ist wirklich sehr unerwartet!

Koontz zu analysieren, fällt immer wieder schwer, darin mag auch seine Stärke liegen. Zuerst einmal begeistert seine Sprachgewandheit immer wieder aufs Neue. Es macht einfach Spaß, sich durch die Satzkonstrukte zu wühlen, die allerdings immer sehr flüssig lesbar sind. Was dieses Mal ebenfalls besonders gut gefällt, sind die vielen Verweise auf andere Autoren wie T. S. Eliot, Henry James, Edgar Allen Poe, H. P. Lovecraft und andere, wobei besonders T. S. Eliot häufig zitiert wird.

Die beiden Hauptcharaktere Molly und Neil sind für meinen Geschmack allerdings etwas zu schablonenhaft geworden, denn sie verhalten sind an einigen Stellen des Romans zu kitschig, moralisch und tugendhaft. Allerdings werden sie nicht durchgehend oder häufig so übertrieben dargestellt, dass es wirklich stören würde. Auch seiner Faszination für Hunde frönt Koontz wieder einmal ganz unverhohlen, und manchmal ein wenig nervig.

„Todesregen“ wird bisher in Deutschland äußerst zwiespältig gesehen. Die Vorwürfe an Koontz reichen von „er würde die Gesellschaft unter Bush verherrlichen“ bis dahin, „er würde die christliche Religion über andere heben“. Ich muss ehrlich sagen, dass mir davon nichts aufgefallen ist, im Gegenteil, denn die zwei Protagonisten haben nicht wirklich etwas mit Religion am Hut. Sicher benutzt Koontz Charaktere, die „typisch amerikanisch“ erscheinen, aber wieso sollte er nicht? Schließlich spielt die Handlung in einer amerikanischen Kleinstadt. Zumal diese so gut wie keinen Einfluss auf die Handlung haben, also reine Nebenfiguren sind. Einzig bei der Rettung der verschiedenen Kinder erhebt er den Zeigefinger, denn diese kommen fast ausnahmslos aus sehr schwierigen Verhältnissen. Alles in allem kann ich also nichts entdecken, was diese Vorwürfe bestätigen würde. Bei „Die Anbetung“ etwa hätte ich solche Vorwürfe noch eher verstehen können, denn dort wird Mohammed Atta (Attentäter vom 11. September) wiederholt als „Monster“ bezeichnet.

Was mich an „Todesregen“ mit Abstand am meisten gestört hat, ist aber, dass das Buch nicht deutlich dicker geworden ist. Hundert oder zweihundert Seiten mehr wären durchaus möglich und wünschenswert gewesen, denn der Stoff hätte sicher noch mehr hergegeben. Auch wenn man sich den Preis von knapp 20 € anschaut, wären ein paar Seiten mehr (oder ein paar Euro weniger) sicher ein gutes Kaufargument gewesen, wobei der Gesamtaufmachung insgesamt wirklich gut ist.

_Fazit_

„Todesregen“ ist wieder ein starker Horror-Roman geworden, auch wenn er an einigen kleinen Schwächen leidet. Trotzdem schafft es Koontz mit seiner lebendigen Sprache, seinen tollen Ideen, plötzlichen Wendungen und einem völlig unerwarteten Ende, seine Leser von der ersten bis zur letzen Seite zu fesseln.

http://www.heyne.de

_Dean Koontz auf |Buchwurm.info|:_

[„Frankenstein: Das Gesicht “ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt« “ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

Bargen, Ascan von – Lilienblut

Als „Ein blutiger Vampirroman“ kündigt der |Ubooks|-Verlag „Lilienblut“ von Ascan von Bargen auf der Buchrückseite an, was natürlich so gar nicht zu dem doch eher lieblichen Titel passen möchte.

Im Prolog wird man allerdings eines Besseren belehrt. Bereits hier wird das Blut eines jungen Mädchens vergossen, auch wenn der Zusammenhang zum eigentlichen Geschehen an dieser Stelle noch etwas unklar ist.

Protagonist ist der Arzt Joaquin Ferrier, der in den Pariser Kreisen im Jahr 1894 sehr beliebt ist. Eines Tages ruft man ihn zu einem jungen Mädchen, das an einer mysteriösen Krankheit leidet. Als er die Bettdecke zurückschlägt, entdeckt er etwas, das weit davon entfernt ist, eine einfache Erkrankung zu sein. Justines Körper scheint um Jahre gealtert zu sein, einer Mumie ähnlich. Der Arzt kann nichts mehr für sie tun, sie stirbt ihm unter den Händen weg, während sie den Namen „Margot“ flüstert. Bei der Autopsie stellt er fest, dass sie keinen einzigen Tropfen Blut mehr in ihrem Körper hat.

Zur gleichen Zeit wird Joaquin von der Verlobten seines guten Freundes Frédéric Moreaus zu einem kleinen Fest eingeladen. Moreau hütet ein düsteres Geheimnis, doch auch seine bildhübsche Verlobte Christine scheint nicht die zu sein, die sie vorgibt zu sein. Wenig später kommt eine weitere junge Frau zu Tode …

Ascan von Bargen hat seine Geschichte dieses Mal ins späte neunzehnte Jahrhundert in Paris angesiedelt und lässt anhand detailgetreuer Beschreibungen diese Epoche vor dem inneren Auge des Lesers aufleben.

Er erzählt seine Geschichte flott und ohne Längen. Der Aufbau ist klar und sauber und anders als bei [„Die Legenden des Abendsterns“ 3780 weit weniger prall angefüllt mit Details. Diese Abmagerungskur tut „Lilienblut“ sehr gut, denn nun gibt es keine Beschreibungen mehr, die vom eigentlichen Geschehen ablenken. Der Plot hat genug Platz, um sich über das ganze Buch zu entfalten, und weist die eine oder andere überraschende Wendung auf. An einigen Stellen treibt von Bargen ein kleines Verwirrspiel mit dem Leser, in dem er ihn glauben lässt, er wüsste alles, doch letztendlich ist dem nicht so.

Das wird an dem unerwarteten Ende deutlich. Schon während der Lektüre hat man etwas Derartiges geahnt, doch von Bargen setzt die Ahnung des Lesers in eine Dimension, mit der er nicht rechnen konnte. Dadurch entsteht ein letzter Schub Spannung und Überraschung, der „Lilienblut“ zu einem fulminanten Abschluss bringt.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Joaquin Ferrier, der den tragischen Helden mimt. Er lebt zurückgezogen, denn nach einem längeren Afrikaaufenthalt hat er eine mysteriöse Krankheit in sich, die ihn immer wieder einholt. Er ist ein Einzelgänger und einem Verbrechen auf der Spur. Ab und zu setzt der Autor auch andere Perspektiven ein, aber er konzentriert sich hauptsächlich auf den Arzt, dessen Charakter er dementsprechend differenziert darstellt.

Von Bargens Schreibstil profitiert davon, dass der Autor sein Buch dieses Mal etwas einfacher gehalten hat. Dadurch können sich die klar strukturierten, oft mit nostalgischem Vokabular versehenen Sätze besser entfalten und den Charme der Geschichte tragen.

http://www.ubooks.de

Hottinger, Mary (Hg.) – Mehr Gespenster

16 Kurzgeschichten aus drei angelsächsischen „Hochburgen“ der Phantastik zeichnen die Entwicklung der Gruselgeschichte anhand klassischer und weniger bekannter Beispiele nach. Diese Sammlung markiert historische Meilensteine des Genres und ist trotzdem zeitlos, da sie ihren Unterhaltungswert bewahren konnte und ein Muss für den Horrorfan geblieben ist, der auch die alten und älteren Meister zu schätzen weiß.

_George Mackay Brown (1921-1996): Die Vernehmung_ („The Interrogator“), S. 7-37 – Für den Tod der jungen Frau sind viele Menschen verantwortlich, deren Lügen und Ausflüchte ein Ermittler erst entwirren kann, als er die Verstorbene selbst verhört …

_Herbert George Wells (1866-1946): Das unerfahrene Gespenst_ („The Story of the Inexperienced Ghost“, 1902), S. 38-59 – Unkenntnis schützt vor Strafe nicht, wie ein wackerer Englishman drastisch erfahren muss, den ein tumbes Gespenst mehr lehrt, als er verkraften kann …

_Rudyard Kipling (1865-1936): Die gespenstische Rikscha_ („The Phantom Rickshaw“, 1888), S. 60-98 – Eine Frau kann an gebrochenem Herzen sterben, doch das muss sie nicht unbedingt davon abhalten, ihren treulosen Geliebten weiterhin ihrer Liebe zu versichern …

_William Fryer Harvey (1885-1937): Das Werkzeug_ („The Tool“, 1928), S. 99-121 – Ein urlaubender Pfarrer leidet unter seltsamen Gedächtnislücken, während er gleichzeitig einen Mord entdeckt …

_(Joseph) Sheridan Le Fanu (1814-1873): Der böse Captain Walshawe_ („Wicked Captain Walshawe of Wauling“, 1864), S. 122-140 – Er war zeit seines Lotterlebens ein Wüstling; im Tod muss er endlich für seine Übeltaten zahlen, aber noch jetzt piesackt er die Lebenden …

_Ambrose Bierce (1842-1914?): Der Fremde_ („The Stranger“, 1909), S. 141-148 – Auch im Wilden Westen kann es spuken, zumal ein Leben dort oft drastisch endet …

_Saki (d. i. Hector Hugh Munro, 1870-1916): Die offene Tür_ („The Open Window“, 1911), S. 149-155 – Im Sumpf sind der Onkel und seine Brüder versunken, erzählt das kleine Mädchen, aber die verwirrte Tante rechne fest damit, dass sie eines Abends wieder auftauchen und heimkehren …

_Andrew Lang (1844-1912): Glams Geist_ („The Ghost of Glam“), S. 156-172 – Auf einem isländischen Gehöft geht in mittelalterlichen Tagen ein mörderisches Gespenst um, das nur ein wahrer Held bezwingen kann …

_Forbes Bramble (geb. 1939): Ferien_ („Holiday“, 1976), S. 173-196 – An diesem idyllischen See solltest du dein Zelt nicht aufschlagen, denn er beherbergt Bewohner, die ungeduldig auf die Dunkelheit warten …

_James Allan Ford (geb. 1920): Eine Art Besitz_ („A Kind of Possession“, 1976), S. 197-217 – Alle Welt bedauert den im Krieg verrückt gewordenen Helden; nur ein kleiner Junge weiß, dass es nicht nur böse Erinnerungen sind, die ihn jagen …

_Angus Wolfe Murray: Der Fluch_ („The Curse of Mathair Nan Uisgeachan“, 1976), S. 218-251 – Eine grausame Bluttat brachte ihn vor Jahrhunderten über die Familie, und er ist heute noch so gültig wie einst …

_Iain Crichton Smith (1928-1998): Die Brüder_ („The Brothers“, 1976), S. 252-268 – Er glaubt seine „rückständigen“ schottischen Wurzeln abgeschnitten zu haben, aber die zornigen Geister seiner Heimat dulden diesen „Verrat“ nicht …

_Fred Urquhart (1930-1994): Stolze Dame im Käfig_ („Proud Lady in a Cage“, 1976), S. 269-292 – Der Fluch einer Hexe erfüllt sich in der Gegenwart und quält eine junge Frau, indem er ihren Geist in eine grässliche Vergangenheit verbannt …

_John McGahern (1934-2006): Hauch des Weins_ („The Wine Breath“, 1977), S. 293-308 – Ein alternder Priester wird von seltsamen Visionen verfolgt, die ihn auf sein baldiges Ende vorbereiten sollen …

_Brian Moore (1921-1999): Das zweite Gesicht_ („The Sight“, 1977), S. 309-337 – Ein stolzer Menschenfeind lernt Demut und Angst, als eine hellsichtige Frau ihm den Zeitpunkt seines Todes nennen könnte …

_Terence de Vere White (1912-1994): Einer aus der Familie_ („One of the Family“, 1977), S. 338-358 – Wer ist Mr. Richard, der sich selbst als Geist verfolgt, und was ist der Grund für diese Heimsuchung?

Nachweis, S. 359-361

Zum zweiten Mal (nach „Gespenster“) sammelt Mary Hottinger (1893-1978) klassische Gruselgeschichten. Dieses Mal erweitert sie den Kreis und bezieht außer englischen auch schottische und irische Autoren ein; darüber hinaus gibt es je eine Story aus Island und – seltsamerweise – aus den USA. Die Kollektion zerfällt dieses Mal in zwei deutlich erkennbare Teile. Die Seiten 1-155 spiegeln die englische Gespenstergeschichte chronologisch wider. Berühmte Autoren sind mit genreprägenden Storys aus der zweiten Hälfte des 19. und dem frühen 20. Jahrhundert vertreten.

Anschließend gibt es einen Sprung: Die schottischen und irischen Geschichten (ab S. 173) stammen sämtlich aus den Jahren 1976 und 1977. Damit können sie nicht als repräsentativ gelten – kein Wunder, sind sie doch sämtlich zwei Storysammlungen der genannten Jahre entnommen. Hier hat es sich Hottinger sehr einfach gemacht – oder einfach machen müssen? „Bloody Mary“, die vom |Diogenes|-Verlag gekrönte Fachfrau für die Auswahl hochrangiger Krimi- und Gruselgeschichten, war stolze 85 Jahre alt, als „Mehr Gespenster“ erschien. Noch 1978 ist sie gestorben, was die Frage aufwirft, wie groß ihr Anteil an diesem Band eigentlich ist. Hat sie wirklich als Herausgeberin gearbeitet – arbeiten können? Oder bediente man sich einfach ihres werbeträchtigen Namens und stellte zusammen, was gerade greifbar war?

Glücklicherweise griffen Hottinger oder der Verlag auf zwei Sammlungen zurück, die inzwischen selbst als Klassiker gelten. „Mehr Gespenster“ ist deshalb zwar kein Standardwerk wie „Gespenster“ von 1956, aber der Leser muss in Sachen Unterhaltungswert kaum Abstriche machen.

Die Klassiker Kipling, Wells, Harvey, Bierce, Le Fanu und Saki sind mit Beiträge vertreten, die nicht grundlos immer wieder in einschlägige Storysammlungen aufgenommen wurden und werden, belegen sie doch mit bestechender Eleganz, was „Gruseln“ bedeutet, wenn ein Schriftsteller sein Handwerk beherrscht. Das literarische Niveau ist hoch, die Wege zur Erzeugung einer unheimlichen Stimmung sind unterschiedlich doch generell wirkungsvoll. Die hier auftretenden Gespenster sind manchmal grausam aber nie brutal; obwohl sich die Zeiten geändert haben, bleibt ihr Auftreten effektvoll. Die genannten Meister machen außerdem deutlich, dass der Schrecken mit wohl dosiertem Humor nicht nur harmoniert, sondern diesen sogar verstärkt. H. G. Wells und Saki balancieren mit traumhafter Sicherheit auf diesem schmalen Grat, doch auch Sheridan Le Fanu beweist (auch dank sorgfältiger Übersetzung, die übrigens den gesamten Band kennzeichnet), dass eine anderthalb Jahrhunderte alte Story witzig sein kann.

Keine „richtige“ Gespenstergeschichte ist „Glams Geist“, die der „Saga of Grettir the Strong“ (= „Grettir’s Saga“) entnommen wurde, welche wahrscheinlich im frühen 14. Jh. auf Island entstand und die Abenteuer des (fiktiven?) Kriegers Grettir Ásmundarson beschreibt. Diese Saga wurde mehrfach übersetzt, da sie immer wieder viele Leser fand: Grettir ist ein Anti-Held – er sinkt zum Geächteten ab, wird von Glams Geist verflucht, verfällt einem depressiven Wahnsinn und endet tragisch. Sie interessiert darüber hinaus den Historiker, da der unbekannte Autor detailliert das Leben auf Island zwischen dem 9. und 11. Jh. beschreibt und „Grettir’s Saga“ somit als zeitgeschichtliche Quelle gilt.

Die (inoffizielle) zweite Hälfte von „Mehr Gespenster“ enthält Geschichten von Autoren, deren Namen dem Phantastik-Fachmann zumindest hierzulande wenig sagen. Recherchiert man ein wenig, findet man Bramble, Ford, Murray & Co unter den lokalen Schriftstellergrößen Schottlands und Irlands. Sie haben sich literarischen Ruhm mit historischen Epen, Dramen oder Gedichten verdient, mit denen sie ihrer Heimat ein Denkmal setzten. Die hier aufgenommenen Geschichten greifen einerseits auf das klassische „Motiv“ des Spukens zurück: Gespenster sind die Seelen von Menschen, die ihr Leben nicht „ordnungsgemäß“ zu Ende bringen konnten, weil sie einen tödlichen Unfall erlitten haben oder ermordet wurden. Möglicherweise haben sie sich eines schlimmen Verbrechens schuldig gemacht, das ihnen im Jenseits keine Ruhe lässt. In jedem Fall kehren sie als Geister zurück, suchen nach Hilfe oder Rache.

Doch die Zeiten ändern sich: Zwischen dem Gespenst von Heute und seinem Opfer muss es keine direkte Bindung mehr geben. Die Natur des Spuks hat sich gewandelt bzw. erweitert. So wurzeln die jüngeren Geschichten dieser Sammlung in der bewegten, oft grausamen Historie der Schotten und Iren, die ein ständiges Ringen mit der unwirtlichen Natur, das oft genug einem Kampf auf Leben und Tod gleichkam, gleichzeitig bodenständig, egoistisch und hart werden ließ. Immer wieder thematisieren die Autoren den Konflikt der von Naturgeistern beseelten heimgesuchten, archaischen Wildnis, in die unwissende Besucher aus der „modernen“ Außenwelt eindringen. Sie scheren sich nicht um die ungeschriebenen Regeln, die jeder Einheimische kennt und zu achten gelernt hat. Die Folgen sind schrecklich, denn diese Geister kennen keine Gnade. Unkenntnis ist für sie nicht Entschuldigung, sondern Grund für Strafe und Chance zur Befriedigung eigener, düsterer Bedürfnisse. Hier gibt es keine erkennbare Gerechtigkeit mehr, der Fluch trifft nicht mehr jene, die ihn „verdienen“, sondern Pechvögel, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhalten.

Immer wieder spielt darüber hinaus der ewige Konflikt zwischen den „angelsächsischen“ Engländern, den „gälischen“ Schotten und den „keltischen“ Iren eine wichtige Rolle. Ihre gemeinsame Geschichte wird durch brutale Kriege, Unterdrückung und grausame Not markiert. Die Geister dieser Vergangenheit ruhen verständlicherweise nicht, die übel geendeten Ahnen schreien nach Rache und verhalten sich entsprechend. Dabei kann ihr Zorn auch die eigenen Nachfahren treffen, die ihre Herkunft verleugnet haben. Die Konsequenzen solchen „Verrats“ hat Iain Crichton Smith in seiner Erzählung „Die Brüder“ eindringlich literarisch verarbeitet.

So darf und muss abschließend noch einmal festgestellt werden, dass „Mehr Gespenster“ als Sammlung „anders“ als „Gespenster“ ist. Das verbindende Zauberwort lautet „Qualität“ – und die prägt eindeutig beide Bücher. Der zweite Band der „Gespenster“-Trilogie wird deshalb seine Leser/innen ebenso unterhalten und begeistern wie sein Vorgänger.

Die „Gespenster“-Trilogie des |Diogenes|-Verlags:

(1956) „Gespenster: Die besten Gespenstergeschichten aus England“ (hg. von Mary Hottinger)
(1978) „Mehr Gespenster: Gespenstergeschichten aus England, Schottland und Irland“ (hg. von Mary Hottinger)
(1981) „Noch mehr Gespenster: Die besten Gespenstergeschichten aus aller Welt“ (hg. von Dolly Dolittle)

http://www.diogenes.de

Kurt Singer (Hg.) – Horror 4: Klassische und moderne Geschichten aus dem Reich der Dämonen

singer horror 4 cover kleinFünf angejahrte aber bis auf eine Ausnahme nicht klassische, sondern eher derbe Gruselgeschichten, die einfach nur unterhalten wollen, verfasst von Haudegen der Pulp-Ära und einer großen alten Dame der (phantastischen) Literatur. Kurt Singer (Hg.) – Horror 4: Klassische und moderne Geschichten aus dem Reich der Dämonen weiterlesen

Joachim Körber (Hg.) – Das dritte Buch des Horrors

Zehn Kurzgeschichten aus der großen Zeit der klassischen Gespenstergeschichte:

_W. W. Jacobs: „Die Affenpfote“_ (The Monkey’s Paw, 1902), S. 11-24 – Drei Wünsche erfüllt sie dir, die verzauberte Affenpfote aus dem Morgenland, aber bedenke, dass der Teufel noch jeden ausgetrickst hat, der ihn versuchte …

_Hanns Heinz Ewers: „Die Topharbraut“_ (1903), S. 25-58: Ein Schriftsteller lernt einen mysteriösen Privatgelehrten kennen, der sich als waschechter „mad scientist“ mit ausgeprägtem Pharaonenwahn entpuppt …

_William Hope Hodgson: „Tropischer Horror“_ (A Tropical Horror, 1905), S. 59-72: Aus den Tiefen des Meeres schwingt sich der personifizierte Horror an Bord des kleinen Schiffes, um dort ein Tod bringendes Schreckensregiment zu errichten …

_Algernon Blackwood: „Die Weiden“_ (The Willows, 1907), S. 73-144: Zwei Abenteurer verschlägt es auf ihrer Kanufahrt die Donau hinab auf eine einsame Insel, die eine Art Relaisstation zwischen dieser und einer anderen, recht feindseligen Welt darstellt …

_Georg von der Gabelentz: „Der gelbe Schädel“_ (1909), S. 145-200: Aus einer verfallenen Gruft nimmt ein junger Mann das Haupt des Magiers Cagliostro als makaberes Souvenir mit nach Haus, was die zu erwartenden Folgen zeitigt …

_M. R. James: „Das Chorgestühl zu Barchester“_ (The Stalls of Barchester Cathedral, 1911), S. 201-224: Gar nicht fromm hat der Dechant seinen allzu langlebigen Amtsvorgänger aus dem Weg geräumt, doch was in dieser Welt womöglich unbemerkt bleibt, setzt in der nächsten einige unangenehme Rachegeister in Marsch …

_E. F. Benson: „Wie die Angst aus der langen Galerie verschwand“_ (How Fear departed from the Long Gallery, 1912), S. 225-244: Grausam sicherte sich einst ein verschlagener Landjunker das Familienerbe, aber die gemeuchelte Konkurrenz rächte sich noch aus dem Grab und verschont auch die Nachfahren nicht …

_Karl Heinz Strobl: „Das Grabmal auf dem Père Lachaise“_ (1914), S. 245-278: Die exzentrische, vor einiger Zeit verstorbene Gräfin vermacht dem ein Vermögen, der ein Jahr in ihrem Mausoleum haust. Ein armer Gelehrter schlägt ein und hat bald die Gelegenheit, seine Gönnerin persönlich kennen zu lernen …

_Gustav Meyrink: „Meister Leonard“_ (1916): Der Nachfahre eines gotteslästerlichen Geschlechts von Tempelrittern wehrt sich erbittert gegen den Familienfluch, der ihn immer wieder einholt …

_Sax Rohmer: „Die flüsternde Mumie“_ (The Whispering Mummy, 1918): In Kairo lasse die Finger von Frauen, deren Verlobte als mächtige Zaubermeister bekannt und gefürchtet sind …

Teil 3 einer auf vier Bände angelegten „Geschichte der unheimlichen Literatur“, die Anfang der 90er Jahres des vergangenen Jahrhunderts unter der Herausgeberschaft von Joachim Körber erschien. Den ehrgeizigen Obertitel sollte man am besten gleich wieder vergessen, da er den Anschein eines gewissen literaturwissenschaftlichen Anspruches erwecken könnte, der sich – dem Genre wohl angemessen – im hellen Licht der Kritikersonne rasch in Nichts auflöst. Aus den kargen Körberschen Vorworten lernt der Wissbegierige jedenfalls herzlich wenig über das Wesen des geschriebenen Horrors. Aber das sollte man dem Herausgeber nachsehen, denn sein Plan ist es ohnehin, besagte Geschichte „in meisterhaften Erzählungen“ nachzuzeichnen – und das gelingt auf jeden Fall!

Dieser Band versammelt Erzählungen aus dem Zeitraum 1900 bis 1920 – eine scheinbar recht willkürliche Einteilung, die jedoch durch historische Realitäten gestützt werden kann: Der Tod der Königin Victoria 1901 leitete in der Tat das Ende einer Ära ein, und dieser Prozess war mit dem Ende des I. Weltkriegs 1918 quasi abgeschlossen. In Europa verschwanden die seit Jahrhunderten prägenden Monarchien oder verloren ihre reale Macht, die alten Gesellschaftsordnungen zerbrachen. Die Naturwissenschaften feierten Triumphe, die Lösung noch der letzten Rätsel schien zum Greifen nahe. Das menschliche Gehirn wurde entschlüsselt, die Wunder der Psyche wurden gedeutet.

Diese hier nur skizzierten historischen Prozesse lassen sich – mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung – im „Dritten Buch des Horrors“ nachvollziehen. William Wymark Jacobs (1863-1943) markiert mit „Die Affenpfote“ den Auftakt. Die viktorianische Gespenstergeschichte, die wie kaum eine andere Epoche die unheimliche Literatur prägte, zeigt sich mit ihm noch auf ihrem Höhepunkt. Systemkonformität und Schicksalsergebenheit sind das Gebot der Stunde; Verstöße gegen die göttliche Ordnung werden umgehend mit schrecklichen Strafen geahndet. Diese Haltung ist typisch und wird es bleiben; noch heute erscheint es dem Gruselfreund völlig richtig, dass Michael Myers die allzu lebenslustigen Teenies schlachtet und die Langweiler verschont. Ungeachtet dessen ist „Die Affenpfote“ zu Recht ein Klassiker des Genres, der meisterhaft eine Atmosphäre des stetig wachsenden Grauens beschwört.

Montague Rhodes James (1862-1936) scheint mit „Das Chorgestühl zu Barchester“ zunächst in dasselbe Horn zu stoßen. Tatsächlich ist er der Erzähler klassischer englischer Gespenstergeschichten par excellence; vielleicht sogar ihr König. James‘ Gespenster sind immer schlecht gelaunt und bösartig, und ihr Zorn trifft jeden, der ihn herausfordert. Eine persönliche Schuld, wie sie der allzu ehrgeizige Dechant dieser Geschichte auf sich geladen hat, ist dabei nicht zwangsläufig der Auslöser. Das erklärt den Erfolg der James-Geschichten, deren ungeheuerliche Popularität im Heimatland des Verfassers bis heute ungebrochen andauert: Sie sind nicht verankert in ihrer Entstehungszeit, sondern Kunst-Werke im eigentlichen Sinn. James hat sie zum Zeitvertreib und unter Anwendung handwerklicher Regeln und Nutzung seines immensen historischen Fachwissens geschrieben. So spiegeln sie nur bedingt den Zeitgeist wider, sondern sind zeitlos, ohne echtes Herz vielleicht, wie die James-Kritiker schimpfen, aber vergoldet durch Nostalgie und erschreckend unterhaltsam.

Auch Edward Frederic Benson (1867-1940) haut zunächst in dieselbe Kerbe. „Wie die Angst aus der langen Galerie verschwand“ ist viktorianischer Grusel als Maßarbeit. Noch meisterlicher als James präsentiert ihn Benson dabei im Verbund mit knochentrockenem, britischem, schwarzem Humor und erinnert damit daran, dass Schreien und Lachen sich nicht so fremd sind, wie man gemeinhin annimmt. Aber Benson ist auch barmherziger als James: Das Grauen der langen Galerie wird gütlich und ohne weitere Opfer beendet – und siehe da: Es funktioniert!

William Hope Hodgson (1877-1918) ist der (hierzulande kaum bekannte) Meister der Seespuk-Geschichte. Die Amok laufende, vor geiler Fruchtbarkeit berstende, Schleim und Schimmel über ihre unglücklichen oder allzu neugierigen Besucher ergießende, aber nie willentlich bösartige Natur, die den Gentech-Horror des späten 20. Jahrhunderts bereits vorwegnimmt, ist Hodgsons Passion. „Tropischer Horror“ ist keine seiner besten Geschichten, weil zwar sehr effizient, aber ein wenig grobschlächtig und ganz sicher nicht raffiniert.

Ganz anders dagegen Algernon Blackwood (1869-1951) mit „Die Weiden“, einer der besten unheimlichen Novellen aller Zeiten. Bei aller Hingabe an die Moderne war das frühe 20. Jahrhundert auch eine Hochzeit okkulter Moden. Wenn sich die sichtbare Welt durch Naturgesetze erklären und bannen ließ, dann vielleicht auch die bisher unsichtbare, weil jenseitige oder x-dimensionale. Blackwood mag nicht an eine quasi unbelebte, starren Regeln gehorchende Natur glauben. Er bevölkert sie mit Geistwesen, die seit Urzeiten neben der Menschenwelt existieren. Kontakte erfolgen eher zufällig und enden in der Regel katastrophal, aber sie haben ihren Platz in der natürlichen Ordnung der Dinge, die sich eben doch nicht immer rational erfassen lassen. H. P. Lovecraft hat Blackwood aufmerksam gelesen und wird ihn zitieren, wenn er seinen „Cthulhu“-Zyklus schöpft.

Erfreulicherweise nimmt Körber auch vier deutschsprachige Gruselgeschichten auf. Im Zeitalter des Jason-Dark- und Hohlbein-Dumpfhorrors ist es in Vergessenheit geraten, aber bis die Nazis ihr 1933 ein Ende machten, gab es eine deutsche Phantastik, die sich vor der angelsächsischen nicht verstecken musste. Hanns Heinz Ewers (1871-1943) liefert mit „Die Topharbraut“ eine grundsolide Schauermär ab. Georg von der Gabelentz (1868-1940) kann da mit „Der gelbe Schädel“ nicht mithalten – der Horror wird hier eher behauptet als beschworen, und das mit ziemlich angestaubten literarischen Tricks. Karl Heinz Strobl (1877-1946) glänzt mit „Das Grabmal auf dem Père Lachaise“,  einer straff komponierten, effektvollen Vampir-Story, und Gustav Meyrink (1868-1932) beeindruckt durch „Meister Leonard“. Obwohl die phantastischen Elemente aufgesetzt wirken, kann die meisterhafte Darstellung der manischen Mutter wirklich erschrecken.

Sax Rohmer (eigentlich Arthur Henry Ward, 1883-1959) ist der geistige Vater des diabolischen Dr. Fu-Manchu. Dieser stellt seinen Schöpfer inzwischen als moderner Mythos längst in den Schatten und lässt dadurch vergessen, dass Rohmer kein wirklich guter Schriftsteller war. „Die flüsternde Mumie“ ist daher nicht nur des Themas wegen ziemlich angestaubt und keine glückliche Wahl als Ausklang dieser Sammlung – es sei denn, Körber wollte eine Überleitung finden zum sich nun schon abzeichnenden Zeitalter der „Pulp“-Magazine, die in den 1920er Jahren ihren Siegeszug antraten.

Broschiert : 348 Seiten
www.heyne.de

Bargen, Ascan von – Legenden des Abendsterns, Die

Der |Ubooks|-Verlag ist bekannt für sein ausgefallenes Programm, und dementsprechend passt „Die Legenden des Abendsterns“ von Ascan von Bargen perfekt zu dem kleinen Verlag in der Nähe von Augsburg.

Seltsame Dinge ereignen sich in der Umgebung von London im 17. Jahrhundert. Tote werden gefunden, deren Körper auf grausame Art und Weise entstellt und mit Tätowierungen übersät sind. Als ob das noch nicht genug wäre, erstehen einige der Toten wieder auf.

Grund dafür ist „die Hurentochter“, eine tote Göttin, die einst von einer Gruppe junger Männer zum Leben erweckt wurde und sich nun ihrer Macht besinnt. Die meisten Männer des magischen Zirkels sind bereits verstorben. Einzig Dunclan Claireborne, Sohn des Mannes, der damals den Schaden anrichtete, hält die Waffe gegen die Göttin in der Hand: der Brief seines Vaters. Schafft er es, rechtzeitig die darin enthaltene Botschaft zu enträtseln?

Ascan von Bargen hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinem Buch das England des 17. Jahrhunderts wieder aufleben zu lassen, und das ist ihm sehr gut gelungen. Der Barock hatte zu dieser Zeit seinen Höhepunkt und dementsprechend prunkvoll sind die Menschen gekleidet und gestalten ihren Lebensstil teilweise sehr ausschweifend.

Von Bargen lässt seinen Blick allerdings nur kurz auf dem Prunkgehabe ruhen. Er nutzt den Hintergrund des Barock, um eine sehr finstere Geschichte voll zwielichtiger Gestalten, Degenkämpfe und schlechter Sitten zu stricken, ohne dabei zu sehr die Sex-and-Crime-Schiene zu fahren. Im Gegenteil schafft er es, einen düsteren, aber nicht überzogenen Schauplatz zu kreieren, der einen sehr authentischen Hintergrund für die gruselige Handlung bietet.

Selbige ist nicht wirklich stringent und scheint ab und zu ins Leere zu verlaufen, fängt sich aber auch immer wieder. Leider bleiben die Personen und ihre Motive dem Leser so gut wie verschlossen, weshalb der Zugang zu diesem Buch schwer fällt. Trotzdem kommt man nicht umhin, von Bargens Sorgfalt und Detailgenauigkeit zu loben, auch wenn er diese manchmal so übertreibt, dass das eigentliche Ereignis darin verloren zu gehen scheint.

Die Personen fügen sich gut in dieses Schema ein. Auch sie sind sehr detailreich und scharf umrissen, der Epoche entsprechend. Leider wirken sie etwas steif und es fällt schwer, sich in sie hineinzuversetzen. Erneut stolpert der Autor hier über seinen sehr stark ausschmückenden Stil. Es fällt schwer, zwischen all den Beschreibungen die Person durchschimmern zu sehen, die der Leser sich gerne mit seiner Fantasie selbst zu einem originellen Charakter zusammengesetzt hätte. Ausführliche Beschreibungen sind keine Schande. Wenn sie jedoch geradezu diktatorisch jede Wolke, jeden Stein und jedes noch so kleine Wesensmerkmal wiederzugeben versuchen, engen sie sehr stark ein.

Schuld an dieser Kleinteiligkeit ist sicherlich auch von Bargens Schreibstil, an dem rein technisch nichts auszusetzen ist. Er schreibt sicher, wählt seine Worte treffend und weiß, wie man einen abwechslungsreichen Satzbau schafft. Er passt seine Schreibe ein wenig der Epoche in seinem Buch an, ohne den Leser jedoch zu überfordern. Er unterfordert ihn aber auch nicht. Es ist Konzentration vonnöten, sich durch die dichten Sätze zu kämpfen, was allerdings nicht negativ ist.

Was dagegen viel mehr Probleme bereitet, ist van Bargens bereits erwähnte Art, so umfassend wie möglich zu schreiben. Bei Handlung und Personen fällt das zwar auf, stört aber nicht wirklich. Im Schreibfluss dagegen ist die Anzahl von erklärenden Sätzen und vor allem von ergänzenden Adjektiven – stellenweise befindet sich vor jedem Nomen eines – manchmal irritierend. Hier wäre etwas weniger mehr gewesen, denn diese Fülle von Informationen erfordert manchmal enervierend viel Konzentration.

In der Summe hat Ascan von Bargen eine interessante, nostalgische Horrorgeschichte geschaffen, die mit einigen Struktur- und Schreibproblemen zu kämpfen hat. Trotzdem kann man von „Die Legenden des Abendsterns“ nicht behaupten, dass es nicht gelungen wäre. Dafür ist der Inhalt zu qualitativ hochwertig und der Schreibstil, trotz der Überfülltheit, zu geschliffen.

http://www.ubooks.de
http://www.ubooksshop.de

_Ascan von Bargen bei |Buchwurm.info|:_
[„Annwyn – Die Tore zur Anderwelt“ 1825
[„Annwyn 2“ 2266

Körber, Joachim (Hg.) – zweite Buch des Horrors, Das

Zehn Kurzgeschichten aus den Jahren zwischen 1920 und 1940, in denen aus der klassischen Gespenstergeschichte das „kosmische Grauen“ des [H. P. Lovecraft 345 und seiner diffusen, aber gemeingefährlichen „anderen Wesen“ aus Zeit und Raum entsprang:

_Stefan Grabinski: Der Blick_ („Spojrzeme“, 1922), S. 11-28 – Wenn gewisse Philosophen Recht haben und diese Welt nur eine Illusion ist – wie sieht dann die Realität aus? Grauenhaft, wie Dr. Odonicz weiß, aber er kann es uns sicher nicht mehr mitteilen …

_Jean Ray: Die weiße Bestie_ („La bete blanche“, 1925), S. 29-38 – Ein Einsiedler entdeckt in den Wäldern der Ardennen eine tiefe Höhle, darin eine Goldader – und einen missgestimmten Überlebenden aus der Urzeit …

_Seabury Quinn: Der Poltergeist_ („The Poltergeist“, 1927), S. 39-72 – Jules de Grandin, französischer Meisterdetektiv des Okkulten, rettet eine schöne Maid aus den Klauen eines geilen Gespenstes …

_Howard Phillips Lovecraft: Cthulhus Ruf_ („The Call of Cthulhu“, 1928), S. 73-120 – Des alten Forschers Großneffe und Erbe entdeckt im Vermächtnis Spuren, die auf die Existenz eines Äonen alten Kultes hinweisen, der sich zum Ziel setzt, recht unangenehme „Gottheiten“ auf die Welt zu bringen …

_Frank Belknap Long: Die Dämonen von Tindalos_ („The Hounds of Tindalos“, 1929), S. 121-144 – Allzu neugierig ist ein Forscher, der mit Hilfe einer Droge in die Zeit zurückreist und herausfindet, wer tatsächlich hinter dem biblischen Sündenfall steckt …

_Lady Cynthia Asquith: Gebe Gott, dass sie in Frieden ruht_ („God Grante That She Lye Still“, 1931), S. 145-196 – Ein Unfall riss die junge Frau einst aus ihrem Leben, das sie mehr liebte als ihr Seelenheil. Nun drängt sie zurück ins Diesseits und liefert sich mit einer Nachfahrin einen Kampf auf Leben und Tod um deren Körper …

_David H. Keller: Das Ding im Keller_ („The Thing in the Cellar“, 1932), S. 197-208 – Der kleine Junge fürchtet sich vor dem dunklen Keller. Die beschämten Eltern beschließen, ihn durch eine Schocktherapie zu „heilen“; die spektakulären Folgen dürften zumindest den Leser nicht überraschen …

_Clark Ashton Smith: Teichlandschaft mit Erlen und Weide_ („Genius Loci“, 1933), S. 209-240 – Ein böser Geist nistet an einem verwunschenen Ort, wo er auf unvorsichtige Besucher lauert, um sie ins Verderben zu locken …

_Robert Bloch: Das Grauen von den Sternen_ („The Shambler from the Stars“, 1935), S. 241-258 – Wissen ist Macht; dieses alte Sprichwort bewahrheitet sich für einen Amateur des Okkulten, dem der Zufallsfund eines Zauberbuches ersehnte Gewissheiten und einen grausigen Besucher bringt …

_August Derleth: Jenseits der Schwelle_ („Beyond the Threshold“, 1941), S. 259-302 – In den finsteren Wäldern Neuenglands öffnet ein fanatischer Forscher das Tor zu einer Welt, die von abgrundtief bösen, nur halb stofflichen, aber übermächtigen Kreaturen aus der Urzeit des Universums bevölkert wird …

Die 20er Jahre des 19. Jahrhunderts waren eine Zeit des Umbruchs. Der I. Weltkrieg hatte in Europa die politische Landkarte verändert und gewaltige soziale Umbrüche in Gang gesetzt. Gleichzeitig machten die Naturwissenschaften enorme Fortschritte. Besonders die Physiker drangen in Sphären vor, die sich von den meisten Menschen nur noch ansatzweise erfassen ließen.

Kunst und Literatur blieben von diesen Entwicklungen nicht unberührt. Im phantastischen Genre ging die Ära der klassischen Gespenstergeschichte zu Ende. Natürlich verschwand sie weder abrupt noch vollständig. In dieser Sammlung treffen wir sie bei Seabury Quinn (1889-1969), Lady Cynthia Asquith (1887-1960), David Henry Keller (1880-1966) und Clark Ashton Smith (1893-1961), wobei sie das gesamte Spektrum von trivial (Quinn) über psychologisch (Asquith) bis atmosphärisch (Smith) abdeckt.

Eindrucksvoll ragt aus diesem Quartett die Story von Keller heraus. Dieser recht unbekannte, nicht besonders produktive Autor legt hier eine Geschichte vor, die ihrer Zeit weit voraus ist. Fast dokumentarisch und mit knochentrockenem Humor erzählt er eine bitterböse Gespenstergeschichte, deren Gespenst wie kein einziges Mal zu sehen bekommen. Jeder Satz, jedes Wort steht im Dienst der Geschichte – die Wirkung ist beispielhaft für das Genre!

Jean Ray (d. i. Raymond Jean Marie de Kremer, 1887-1964) baut zumindest in dieser Kollektion eine Brücke zwischen dem „alten“ und dem „neuen“ Horror. Seine „Weiße Bestie“ ist kein übernatürlicher Spuk, sondern ein der Forschung bisher fremdes, aber sehr lebendiges Wesen, das dort, wohin der kluge Zeitgenosse seine Nase nicht stecken sollte, auf allzu Neugierige nicht einmal lauert, sondern einfach nur sein Territorium gegen Fremdlinge verteidigt.

Dieses Konzept wurde Ende der 1920er Jahre von Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) weiter entwickelt und zur Vollendung gebracht. „Cthulhus Ruf“ steht am Anfang einer neuen Ära. Lovecrafts böse Geißeln leben in einer Art Parallelwelt, aber auch sie sind und waren durchaus lebendig. Damit verbinden die Cthulhu-Geschichten die Genres Horror und Science-Fiction.

Die SF gab es zwar schon, aber auch sie hatte just einen neuen Entwicklungsschub bekommen: Mitte der 1920er Jahre fand sie einen reichen Nährboden in den „Pulps“, auf billiges, holzhaltiges Papier gedruckte Magazine. Sie wurden gern gekauft und prägten die Szene etwa ein Vierteljahrhundert. Der Bedarf an Geschichten war gewaltig, die Leser jung, der Gegenwart verhaftet und von der Zukunft fasziniert. Grusel aus der guten, alten Zeit stand nicht mehr hoch im Kurs. Schneller und härter – oft genug auch flacher – wurde die Gangart. Bewährte Ideen wurden gern kopiert oder variiert.

Frank Belknap Long (1903-1994), ein Vollprofi der Pulp-Epoche, beweist es mit „Die Dämonen von Tindalos“. Eine spannende, aber routinierte und kaum originelle Geschichte, die Lovecraft indes nicht gefallen haben dürfte, weil Long etwas tut, das der Einsiedler aus Providence stets vermieden hat: Er verquickt den Cthulhu-Kosmos mit der christlichen Mythologie und weist dem tintenfischköpfigen Unhold und seinen nicht minder unfreundlichen Genossen die Rolle schnöder Bibel-Dämonen zu.

Robert Bloch (1917-1994) macht es mit „Das Grauen von den Sternen“ besser. Trotz seiner Jugend – er war 1935 gerade 18 Jahre alt – kopiert er Lovecraft (der den jungen Kollegen schätzte und förderte) nicht einfach, sondern bringt eigene Ideen in den Cthulhu-Mythos ein. Dazu gehört vor allem „De Vermis Mysteriis“, das fiktive Zauberbuch des Erzmagiers Ludvig Prinn, das der Cthulhu-Jünger heute ebenso häufig zitiert wie Lovecrafts „Necronomicon“.

Lovecraft tritt übrigens persönlich in Blochs Geschichte auf. Der Schriftsteller, der ein ereignisarmes Leben führte, wird hier durch ein Ende geadelt, wie es einem Sucher nach der Realität des Grauens zukommt: Er stirbt in den Klauen einer wirklich fiesen Kreatur, was wiederum ein Insider-Gag ist, da es Abdul Alhazred, den Verfasser des „Necronomicons“, genauso erwischt hatte.

August Derleth (1909-1971) gilt als Lovecrafts treuester Jünger, Diener, Nachfolger und Retter. Unermüdlich hat er nach 1937 dessen Werk an die Öffentlichkeit gebracht. Dass Lovecraft den Ruhm der Gegenwart genießt, verdankt er vor allem Derleth. Gleichzeitig hat sich Derleth Freiheiten herausgenommen, die sein Meister kaum gutgeheißen hätte. Dies betrifft Derleths Drang, das kosmische Grauen Lovecrafts zu „ordnen“, d. h. Cthulhu und die Seinen in eine Art dunklen Götterhimmel einzupassen. Doch für Lovecraft gehört das Chaos mit zum Konzept. Verstehen heißt auch: die Furcht verlieren. Das kann kaum im Sinne einer Gruselgeschichte sein.

Fleißig bastelte Derleth an seiner „verbesserten“ Lovecraft-Vision. Lücken im Konzept werden mit eigenen Kreationen gefüllt. Cthulhu wird dabei zu einer Art Elementargeist unter vielen anderen, deren Namen schwierig zu merken sind. Dass man das noch weiter treiben kann, bewies Derleth 1945 mit „The Lurker at the Threshold“, ein Roman, der unzweifelhaft eine Erweiterung von „Jenseits der Schwelle“ darstellt, und in dem sich die bösen Götter aus dem All quasi gegenseitig auf die Füße treten.

Eine hochinteressante Fußnote stellt Stefan Grabinskis (1887-1936) „Der Blick“ dar. Diese Geschichte belegt, dass Lovecraft weder der erste noch der einzige war, der das Konzept des „kosmischen Horrors“ fand. Grabinski bedient sich seiner bereits 1922 völlig unabhängig von der US-amerikanischen Pulp-Szene und mit einer Souveränität, die belegt, dass diese Veränderung offensichtlich in der Luft lag.

Festa, Frank (Hrsg.) – Pflanzen des Dr. Cinderella, Die

25 Erzählungen der Schauerliteratur aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert geben sich in diesem Sammelband ein unheimliches Stelldichein.

»Das Haus in der Rue M. le Prince« erzählt von einem Spukhaus in Paris, in dem der Ich-Erzähler mit seinem Freund, dem Erben, und zwei weiteren Bekannten eine unheimliche Nacht verbringt. Anfangs sind die Besucher noch guter Dinge, doch schon bald zeigen sich Anzeichen dafür, dass das verfluchte Haus seinen Ruf nicht zu Unrecht trägt … Die erste von insgesamt fünf hier versammelten Reisegeschichten von _Ralph Adams Cram_, die alle aus der Sicht des gleichen Erzählers stammen, stellt einen gelungenen Einstieg in die Anthologie dar. Trotz des altbekannten Plots wird eine dichte unheilvolle Atmosphäre kreiert und zwischen den Zeilen offenbart sich ein leiser Humor, der für gute Unterhaltung sorgt.

In »Das Ding auf dem Dach« erhält der Ich-Erzähler Besuch von seinem alten Bekannten und Forscherkollegen Tussmann. Tussmann braucht seine Hilfe bei der Beschaffung eines Buches, das sich mit geheimnisvollen Kulten und Mysterien befasst. In einem Dschungeltempel soll sich ein sagenhafter Schatz verbergen und der Schlüssel dazu liegt in einem Juwel. Tussmanns Suche hat zwar Erfolg, bringt aber auch fatale Konsequenzen mit sich … Der „Conan“-Autor _Robert E. Howard_ legt hier eine solide Geschichte vor, die mit dunklen Kulten und geheimnisvollen Flüchen spielt. Die Vorhersehbarkeit nimmt der Handlung die Spannung, für Freunde des Themas ist es dennoch eine unterhaltsame Kurz-Erzählung.

»Die Pflanzen des Dr. Cinderella« erzählt von einem Ägyptologen, der einst im Wüstensand eine geheimnisvolle Statue ausgrub, die eine Hieroglyphe nachbildet. Seitdem verspürt er zunehmend Wahnvorstellungen, die ihn in einer planlosen Nacht in ein fremdes Haus treiben … _Gustav Meyrink_ gehört zu den bekanntesten Namen des Bandes, allerdings kann seine Geschichte nicht durchweg überzeugen. Das Zusammenfließen von Wahn und Wirklichkeit ist gut dargestellt, bleibt aber nicht länger im Gedächtnis haften, zumal der Gruselfaktor intensiver hätte sein können.

»Die Kirche von Zinsblech« ist der Ort, an dem sich ein verirrter Wanderer einen Schlafplatz sucht. Er erwacht, als eine merkwürdige Prozession durch den Gang zum Altar zieht, die ihn nicht wahrzunehmen scheint … Auch in dieser Erzählung klingt die antireligiöse Haltung an, die viele Werke von _Oskar Panizza_ durchzieht. Verwirrend-absurde Erlebnisse vermischen sich mit einer schauerlichen Atmosphäre und hinterlassen beim Leser den zwiespaltigen Eindruck einer interessanten, aber gleichzeitig befremdlichen Geschichte.

»Der australische Gast« handelt vom heimgekehrten Mister Rumbold, der nach London zurückkehrt, um dort seinen erworbenen Reichtum zu genießen. Doch ein seltsamer Mann folgt ihm bis in sein Hotel … Zum ersten Mal ist diese wunderbare Erzählung von _Leslie Poles Hartley_ auf Deutsch erschienen, die mit ihrer klaren, flüssigen Sprache, der sich bedrohlich-zuspitzenden Atmosphäre und dem gekonnten Schluss einen weiteren Höhepunkt in der Sammlung bildet.

»Gefangen auf Schloss Kropfsberg« erzählt die schauerliche Legende des bösartigen Grafen Albert, der einst alle Gäste durch ein Feuer auf seinem Schloss umkommen ließ und sich anschließend das Leben nahm. Zwei ungläubige Geisterforscher verbringen eine Nacht in der Ruine, in der es spuken soll … Im Gegensatz zum ersten geisterhaften Reisebericht von _Ralph Adams Cram_ ist der Ich-Erzähler – samt seinem Freund Tom Rendel – nur Teil der Rahmenhandlung, die sich etwas zu ausschweifend an den Anfang setzt. Danach jedoch überzeugt die Geschichte auf ganzer Linie, entwirft ein bedrückend-unheimliches Szenario, das nicht nur die Protagonisten, sondern auch den Leser beeindruckt.

»William Wilson« nennt sich der Ich-Erzähler, der zu Schulzeiten einen Mitschüler gleichen Namens hatte, der ihm sowohl äußerlich als auch charakterlich stark ähnelte und mit dem er von Beginn an rivalisierte. Auch nach Verlassen der Schule fühlt er sich, wohin er auch geht, von ihm verfolgt … Mit dieser stark autobiographisch gefärbten Geschichte von _Edgar Allan Poe_, die sich um das Doppelgänger-Motiv dreht, liegt die wohl bekannteste Erzählung des Bandes vor. Schein und Sein fließen stark ineinander, vor allem im symbolträchigen Schluss. Die Erwartungen, die an Poes Werke geknüpft sind, werden souverän erfüllt.

»Die weiße Villa« bietet dem Protagonisten und seinem Freund Tom Zuflucht für die Nacht, als sie auf einer Italienreise den Rückzug verpassen. Grauenvolle Dinge spielten sich hier vor vielen Jahren ab, welche die Gemäuer auch heute noch nicht verlassen haben … Das italienische Flair wird von _Ralph Adams Cram_ gut eingefangen, der Rest der Geschichte jedoch ist ausgesprochen konventionell und belanglos im Vergleich zu den meisten anderen Erzählungen.

»Der Flötenbläser« ist ein arabischer Mann, der dem jungen Ehepaar Ariadne und Erich auf deren Hochzeitsreise nach Ägypten auf dem Schiff begegnet. Sein trauriges Flötenspiel verwirrt Ariadnes Sinne. An Land trifft sie ihn bald darauf wieder … _Leonhard Stein_, von dessen Biographie man kaum mehr als seinen Namen kennt, hinterlässt eine Reisegeschichte mit Wüstenflair, die mit irrationalen Gefühlen und Suggestion spielt. Der detailverliebte Stil allerdings ist angesichts der recht dünnen Handlung zu überladen.

»Im Haus des Richters« erzählt vom angehenden Examenskandidaten Malcom Malcomson, der sich zum Lernen in eine kleine Stadt zurückzieht. Er quartiert sich im Haus eines verstorbenen Richters ein, in dem es nicht geheuer ist … Diese Geschichte beweist, dass _Bram Stoker_ zu Unrecht immer nur als „Dracula“-Autor gerühmt wird. In erfrischend klarer Sprache bietet sich eine wohlig-gruselige Geistergeschichte dar, die zwar konventionell ist, aber gut unterhält.

»Lemuren« setzt sich zusammen aus den hinterlassenen Tagebucheinträgen des ehemaligen Irrenstaltsinsassen Dr. Wijkander, der sich nach seiner Entlassung in die Wildnis zurückgezogen hat. Je weiter man liest, desto stärker wandeln sich die Einträge in die Worte eines Verfolgten – oder eines Wahnsinnigen … Diese Geschichte von _Willy Seidel_, dem Bruder der bekannten Schriftstellerin Ina Seidel, stellt zwar glaubwürdig die seelische Verfassung des Schreibers dar, gehört aber aufgrund des hektischen, stakkatohaften Stils und des eher unoriginellen Themas zu den schwächeren Texten des Bandes.

»Notre Dame des Eaux« heißt die uralte Kirche, die sich über den Meeresklippen erhebt, in deren Nähe die Familie de Bergerac eine Sommerresidenz einrichtet. Tochter Heloise schläft eines Abends beim Besuch in der Kirche ein und wird Zeugin einer fatalen Begegnung … In schwerfällig-blumiger Sprache wird eine Gruselgeschichte von _Ralph Adams Cram_ dargeboten, die zwar keinen großen Eindruck hinterlässt, aber solide unterhält.

»Wenn man des Nachts sein Spiegelbild anspricht« berichtet von der unglücklichen Liebe zwischen dem Ich-Erzähler und Yseult. Nach einem glücklichen gemeinsamen Sommer kehrt jeder in seine Stadt zurück. Ein Jahr darauf erhält er eine Einladung von ihr zu einem Treffen auf einem Maskenfest. Yseult ist inzwischen verheiratet, aber einmal noch wollen sie eine Nacht zusammen verleben. Dabei spielt der große Spiegel im Vorzimmer eine unheilvolle Rolle … _Max Brod_ ist nicht nur als Autor, sondern auch als enger Freund von Franz Kafka bekannt. Inhaltlich zwar interessant, hinterlässt der allzu überladene Stil aber einen negativen Beigeschmack, ebenso wie die moralisierende Pointe. Der Phantastikcharakter ist zwar gegeben, doch der Grusel- oder gar Horrorfaktor hält sich, im Gegensatz zu anderen Geschichten, stark zurück.

»Das tote Tal« durchqueren zwei Jungs bei Nacht, nachdem sie bei ihrem Ausflug die Zeit vergessen haben. Von Angstzuständen wie gelähmt, machen sie eine grauenvolle Erfahrung … Die Handlung wird von _Ralph Adams Cram_ unspektakulär in Szene gesetzt, besticht aber durch eine intensive Darstellung, die zu Recht von Großmeister Lovecraft gelobt wurde, auch wenn der Beginn sich ein wenig zu lang zieht.

In »Eine eigenartige Abendgesellschaft« gerät der Freund des Erzählers in einer verträumten Frühlingsnacht. Die Dame des Hauses lädt ihn in ihre pompöse Villa ein, in der gerade ein prunkvolles Fest gefeiert wird. Unsicher, aber doch neugierig, lässt er sich darauf ein und genießt die schmeichelnde Aufmerksamkeit. Doch trotz des eleganten Ambientes und der vornehmen Gäste liegt eine seltsame Stimmung in der Luft … Der Ukrainer _Orest M. Somow_, als Vorläufer des großen Nikolaj Gogol gepriesen, legt eine sehr atmosphärische Geschichte vor, die den Leser bis zum Schluss gebannt in Atem hält. Zu bedauern ist nur, dass die ersten Sätze schon einiges vom Ende vorwegnehmen. Wünschenswert wäre gewesen, den Ausgang zunächst völlig offen zu lassen.

Der Instrumentenmacher »Tobias Guarnerius« ist von der fixen Idee besessen, eine Stradivari nachzubauen. Um seinen Erfolg zu krönen, will er die Seele eines Menschen einfangen … Obwohl _Ignaz Franz Castelli_ kein Spezialist für Schauerliteratur war, entwickelt er hier auf der Basis einer Volkssage eine interessante Künstlergeschichte mit phantastischen Elementen, deren geschwollener und umständlicher Stil allerdings einiges an Konzentration vom Leser verlangt.

»Das gespenstische Gasthaus« erzählt von einer düsteren und gefährlichen Fahrt über die Kuhrische Nehrung nach Russland. Vor vielen Jahren nahm dort ein Gasthaus Reisende auf, bis ein Mord und einige unheimliche Begebenheiten Einzug hielten … Die Erzählkunst von _Alexander von Ungern-Sternberg_ ist unbestritten, leider schmälern die dominante Rahmenhandlung, die immer wieder die Handlung unterbricht, und der zu ausführliche Anfangsteil den Gesamteindruck. Amüsant dagegen ist der Abschluss, der trotz der gruseligen Stimmung einen Schuss Humor einfließen lässt.

»Das zweite Gesicht« ist eine Erzählung über morbide Visionen, die einen Baron beim Besuch eines alten Freundes befallen. Von der Schwermut befallen, sucht er beim Abbe Maucombe Ablenkung. Trotz des freundlichen Empfangs und der gemütlichen Ländlichkeit wird er von düsteren Halluzinationen ergriffen … Diese Geschichte stammt aus der Feder des verarmten Adligen _Jean-Marie Villiers de l’Isle-Adam_. Wie auch beim Rest seines Werks, dominiert hier die melancholische Stimmung, die sich vom Protagonisten auf den Leser überträgt. Trotzdem hinterlässt das Ende eher Nachdenklichkeit als Traurigkeit. Eine überzeugende Erzählung, die im Gedächtnis haften bleibt.

Von »Eine(r) Erscheinung« geisterhaften Ursprungs erzählt in gesellschaftlicher Runde der Marquis de la Tour-Samuel. Als junger Mann begegnet er einem Jugendfreund, der unter dem frühen Tod seiner Ehefrau leidet. Da er es nicht über sich bringt, das gemeinsame Schloss noch einmal zu betreten, bittet er seinen Freund, diesen Gang zu übernehmen und einige Papiere zu besorgen. Noch ahnt der Marquis nichts von seiner unheimlichen Begegnung auf dem Schloss … An seine Meisterwerke wie [»Der Horla« 584 oder »Wer weiß« kann diese Erzählung von _Guy de Maupassant_ nicht heranreichen. Der Anfang ist zu geschwätzig gestaltet, das Ende weiß nicht zu überraschen. Es bleibt eine durchschnittliche Geschichte, wenn man die besseren Texte des Autors im Hinterkopf hat.

»Severins Gang in die Finsternis« zeigt das trostlose Leben eines jungen Mannes, der seine Tage im Büro und seine Abende in den dunklen Gassen Prags verbringt. Neuen Auftrieb erhält er durch die Bekanntschaft mit dem Antiquar Lazarus Kain. Durch ihn begegnet er auch Susanna und Karla, die geheime Wünsche in ihm wecken, und nicht zuletzt dem mysteriösen Nikolaus … Dieser wiederentdeckte Kurzroman des zu Unrecht wenig beachteten Autors _Paul Leppin_ thematisiert Zerrissenheit und seelische Abgründe vor dem Hintergrund der Prager Bohème.

»Das Geheimnis in der Gerrard Street« ist die Geschichte des Kaufmanns Wiliam Furlong, der bei seinem geliebten Onkel Richard in Toronto aufwächst. Vor der Hochzeit mit seiner Cousine Alice geht er für ein paar Jahre nach Australien, um dort zu Geld zu kommen. Auf der Rückreise erhält er in Boston überraschend einen Brief seines Onkels der viele Fragen aufwirft … Mit dieser klassischen Geistergeschichte setzt _John Charles Dent_ einen weiteren Höhepunkt in die Sammlung. Sehr behutsam steigert sich die Spannung zu einer rundum überzeugenden Erzählung.

»Die verruchte Stimme« gehört dem berühmten Sänger Balthasar Cesari, genannt Zaffirino, der mit ihrer Hilfe zu töten wusste … _Vernon Lee_ ist das androgyne Pseudonym der vielseitig gebildeten Intellektuellen _Violet Paget_, die hier eine außergewöhnliche, aber auch anstregende Geschichte vorlegt, durchsetzt von inneren Monologen und sprunghaften Gedanken.

»Der Spuk auf der Jarvee« erzählt von einer Schiffreise, die der auf übersinnliche Begebenheiten spezialisierte Detektiv Carnacki unternommen hat. Sein Freund Captain Thompson ist überzeugt davon, dass es auf der Jarvee nicht mit rechten Dingen zugeht … _William Hope Hodgson_ gilt als Meister der unheimlichen Seegeschichten, und auch diese achte von insgesamt neun Erzählungen um die Hauptfigur Carnacki entfaltet eine intensive Atmosphäre, begleitet von wissenschaftlichem Einschlag.

»Die andere Seite« wird die gegenüberliegende Bachseite von den Dorfbewohnern argwöhnisch genannt. Der junge Gabriel begibt sich aus Neugierde hinüber und entdeckt eine Welt voller Abgründe und Geheimnisse … _Eric Count Stenbock_ stand zeitlebens im Schatten des großen Oscar Wilde. Seine morbide Geschichte steht ganz im Zeichen der Dekadenz-Epoche, ist mit seinen blumig-schwerfälligen Schilderungen aber auf sehr spezielle Geschmäcker zugeschnitten.

»Der Skelett-Tänzer« Mac Robert ist der Star der Varietés. Mit einem kunstvollen, leuchtendem Skelettanzug führt er vor dunklem Hintergrund einen unheimlichen Tanz auf, der ihn zu einer gefragten Berühmtheit macht. Eines Tages fordert ihn der undurchsichtige Herr Semert zu einer Partnerschaft auf, die den Ruhm beider noch vergrößert. Als Robert sich nach einer Weile von Semert trennt, ahnt er noch nichts von den katastrophalen Folgen … _Karl Hans Strobl_ setzt mit seiner Totentanz-Geschichte ein Glanzlicht an den Abschluss der Anthologie. Der Text besticht durch unheilvolle Andeutungen, einen unvorhersehbaren Verlauf und eine intensive Atmosphäre und gehört zweifelsfrei zu den Höhepunkten der Sammlung.

_Als Fazit_ bleibt eine äußerst lesenswerte Sammlung klassischer Horrorgeschichten aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Große Namen wie E. A. Poe und Guy de Maupassant wechseln sich mit viel zu früh vergessenen Literaten der Phantastik ab. Zwar sind auch einzelne schwächere Geschichten enthalten, doch es gibt keinen wirklich negativen Beitrag und der Großteil der Auswahl ist hervorragend gelungen. Die schöne Aufmachung und die jeweiligen Kurzinformationen zu den Autoren runden das positive Gesamtbild ab. Ein Muss für jeden Freund der unheimlichen Phantastik. Einziges Manko: Einige der Geschichten wurden bereits mehrfach in diversen Anthologien abgedruckt.

_Der Herausgeber_ Frank Festa wurde 1966 in Düsseldorf geboren. 1997 gründete er den Kleinverlag „Edition Metzengerstein“, 2001 schließlich den auf Horror und Dark Fantasy spezialisierten |Festa|-Verlag.

http://www.festa-verlag.de

Cox, Greg – Underworld – Blutfeind

Seit Jahrhunderten tobt ein erbitterter Krieg zwischen Vampiren und Werwölfen. Zwei moderne Episoden dieser Auseinandersetzung schildern die Filme „Underworld“ und „Underworld: Evolution“ (die – s. u. – unter diesen Titeln auch als Filmromane existieren), während „Underworld – Blutfeind“ vom Ursprung des Krieges erzählt: Einst lebten Vampire und Menschen im mühsam gewahrten Frieden miteinander. Die zwar unsterblichen und mit unglaublichen Kräften begabten aber zahlenmäßig unterlegenen Vampire hüteten sich, ihre menschlichen Nachbarn durch die Auferlegung eines allzu großen Blutzolls aufzubringen. Leider hielt sich eine dritte Partei nicht an diese Spielregel: Die Lycaner oder Werwölfe lebten als wilde Tierwesen in den Wäldern, aus deren Schutz sie immer wieder die Siedlungen der Menschen überfielen und für blutigen Terror sorgten.

Die Vampire versuchten solche Übergriffe zu stoppen, indem sie einerseits selbst Jagd auf die Lycaner machten und die Überlebenden andererseits versklavten. Einige konnten „zivilisiert“ werden. Anfang des 13. Jahrhunderts gehört Lucian zu ihnen. Seit zwei Jahrhunderten dient er der Lady Ilona auf Schloss Corvinus in den Karpaten. Sie gehört zum Hochadel der Vampire, ist sie doch mit dem Ältesten Marcus liiert, der in Kürze die Oberherrschaft über sein Volk übernehmen wird. Lucian ist wohlgelitten auf Corvinus, doch er gilt trotzdem als Wesen zweiter Klasse. Deshalb verbirgt er sorgfältig seine Liebe zur schönen Sonja, der Tochter Ilonas.

Wider Erwarten kommen sich die beiden näher, als nach besonders grausamen Übergriffen der Werwölfe der Mönch Ambrosius Ilonas Tross überfallen lässt, der den Schutz des Schlosses verlässt. Lucian und Sonja sind unter den wenigen, die entkommen. Ihre unmögliche Liebe keimt auf, die eines Tages dem erzürnten Marcus offenbart wird. Grausam ist seine Strafe, und der schwer verletzt entkommene Lucian gelobt ihm und allen Vampiren Rache – ein Schwur, den er seit acht Jahrhunderten mit unerbittlicher Konsequenz hält …

Die Existenz des „Underworld“-Franchises ist ein eigenartiges Phänomen, denn es stützt sich auf einen wirren Auftaktfilm und seine noch schlimmere Fortsetzung. „Underworld“ und „Underworld: Evolution“ bieten eindimensionale, inhaltlich aus besseren Filmen zusammengeklaubte, im epileptischen MTV-Stil geschnittene Horror-Action. Der tricktechnische Overkill, die dick aufgetragene „Coolness“ der harthölzernen Darsteller sowie Kate Beckinsale im hautengen Lederdress haben jedoch ihre Fans gefunden, denen mit einer breiten Palette diversen Schnickschnacks noch ein bisschen mehr Geld aus der Tasche gezogen werden soll.

Dazu gehören „tie-ins“, Romane zu den beiden Filmen, die aufgrund der flachen Handlung zwar wenig Inhalt vermuten lassen, aber andererseits ein wenig Sinn in die turbulenten Kloppereien zwischen Vampiren und Werwölfen bringen können. Die Niederschrift übernahm Greg Cox, ein Veteran auf dem Schlachtfeld des Filmromans, dem es tatsächlich gelang, „Underworld“ und „Underworld: Evolution“ zu zwei dicken Buchschwarten aufzuschäumen. Sicherlich wäre auch die Romanfassung des geplanten „Underworld“-Prequels aus seiner Feder geflossen, hätten die vergleichsweise enttäuschenden Kassenerträge des zweiten Teils nicht zu einem Stopp der Serie geführt. Ein Buch zur Vorgeschichte des Krieges zwischen den Untoten hat Cox dennoch geschrieben und es „Underworld: Blutfeind“ genannt.

Wie es sich für einen guten „Tie-in“-Fabrikanten gehört, hält sich Cox dicht an die dem „Underworld“-Fan vertrauten Fakten. Bei näherer Betrachtung verlegt er die bekannte Handlung einfach aus der Gegenwart in die Vergangenheit und verankert sie auf einem Fundament, das bewährt und haltbar ist, wurde es doch ausschließlich aus vielfach geprüften Elementen zusammengesetzt. Irgendwie müssen sich Vampire und Werwölfe einst bitter zerstritten haben. Komplexe Erklärungen widersprechen der Konstruktion des „Underworld“-Universums. Deshalb wählt Cox eine tragische Liebesgeschichte mit viel Dramatik und Verrat, denn das funktioniert auf bescheidenem Niveau immer.

Cox belastet uns nicht mit historischen Fakten; die Geschichte spielt um 1200 „in den Karpaten“. Man könnte die folgenden Jahrhunderte ebenso annehmen wie das Mittelalter, „Vergangenheit“ ist hier nur eine weitere Schablone, aus der Klischees gestanzt werden. Cox ist immerhin Profi genug, sein Garn ohne Knotenbildung abzuspulen. „Underworld: Blutfeind“ läuft ab wie geschmiert. Die simple, mit dicken Strichen weniger gezeichnete als angedeutete Story setzen das Kino im Kopf der „Underworld“-Leser in Gang, die auf einen „richtigen“ Film dieses Mal verzichten müssen. Für diejenigen, die sexy Selene und die Straßenschlachten zwischen Vampiren und Werwölfen im 21. Jahrhundert vermissen, hat Cox einen Handlungsstrang entworfen, der auch sie zufriedenstellt.

Damit hat Greg Cox nüchtern betrachtet seinen Job getan. Die geschäftsmäßige, beinahe zynische Kaltschnäuzigkeit, mit der das Produkt mit möglichst geringem Aufwand auf seine Verbraucher zugeschnitten wird, mag diejenigen, die wirklich „gute“ Horrorromane kennen bzw. zu erkennen vermögen, verblüffen und erschrecken. Für dieses Publikum wurde „Underworld: Blutfeind“ jedoch nicht geschrieben.

Romeo & Julia treten dieses Mal in unorthodoxen Gestalten auf, sind aber trotzdem leicht zu identifizieren: Der schmucke Werwolf liebt das schöne Vampirmädchen, aber ach, es trennen sie buchstäblich Welten: Lucian ist ein Sklave, für den sich seine Herren hin und wieder ein Wort des Lobes abringen, Sonja gehört nicht nur zum vampirischen Hochadel, sondern ist auch die Tochter von Marcus, einem Vampir-Ältesten, der sein untotes Volk als Herrscher leitet.

Lucian steht darüber hinaus zwischen den Stühlen, weil er als Lycaner einen Job ausübt, der ihm zunehmend zu schaffen macht: Er führt die Vampire in die Lager der „wilden“ Werwölfe, die anschließend ausgerottet oder in die Sklaverei verschleppt werden. Darin ist er gut, aber wenn Lucian das Elend sieht, das die Vampire mit seiner Hilfe über die Lycaner bringen, fragt er sich, ob er richtig handelt. Wer ist er, den seine Herren nicht nur „zivilisiert“, sondern auch manipuliert haben?

Der Funke der Rebellion wäre sicherlich noch lange nicht aufgeflammt, hätte die schöne Sonja ihn eines Tages nicht erhört. Damit bringt sie ihren Vater und alle übrigen Vampire gegen sich auf, rüttelt sie doch an einem grundsätzlichen Tabu ihres Volkes: Eine Vermischung der Rassen darf nicht stattfinden! Selbst Nikolai, Markus‘ Sohn, gilt als dekadent, weil er sich mit menschlichen Liebesdienerinnen umgibt. Doch die Lycaner stehen sogar noch tiefer in der Hierarchie – sie gelten als halb tierische Kreaturen, weil sie sich bei Vollmond in Wölfe verwandeln, die nicht mehr vom Verstand geleitet, sondern von Instinkten beherrscht werden.

Für Lucian geht es ums nackte Leben. Als die Liaison öffentlich wird, hat er sich im Grunde längst entschieden und weigert sich, in der ihm zugewiesenen Rolle zu verharren. Er wird seine Strafe nicht akzeptieren, weil er sich nicht als Verbrecher fühlt. Intelligent und entschlossen wie er ist, schlägt er sich auf die Seite derer, die allein ihn gegen die Vampire schützen können: Lucian – ein mondsüchtiger Spartakus – wird zum Herrn und Lehrer der Werwölfe, die sich unter seiner Führung der Macht bewusst werden, die sie zum gleichwertigen Gegner der Vampire werden lässt.

Wem das zu komplex und psychologisch anspruchsvoll erscheint, sei beruhigt: Es wird literarisch auf Kurzrasenniveau präsentiert und mit sämtlichen Klischees bestückt, die sich der Horrorfan denken (oder über die er sich ärgern) kann. Die angestaubte Konstellation bietet Raum für weitere Pappkameraden. Selbstverständlich sind sowohl Marcus als auch Victor – der ihm später auf den Thron folgt – engstirnige Gewaltherrscher, die zudem den Einflüsterungen tückischer Verräter zugänglich sind. Falls das Alter wirklich Weisheit bringt, hat sie einen weiten Bogen um unsere Vampirfürsten geschlagen. Das gilt ebenso für die Lycaner, obwohl Lucian sie erst ordentlich schleifen muss, damit sie sich in der ihnen zugewiesenen Gegnerrolle nicht völlig blamieren. Ketzerisch ist die Frage, wieso beide Parteien nach 800 Kriegsjahren keinen Schritt weitergekommen sind – ketzerisch deshalb, weil sie einen tieferen Sinn in „Underworld: Blutfeind“ vermuten ließe, den es ganz sicher (den „Underworld“-Fans sei es garantiert) nicht gibt.

Greg Cox (geb. 1959) gehört zu den Autoren, die sich mit Haut und Haaren dem Verfassen sog. „tie-ins“ verschrieben haben: Er schreibt sehr erfolgreich Romane zu Filmen und Fernsehserien, die zum jeweiligen Franchise gehören und mit ihren Erträgen zum Gesamtgewinn beitragen. Literarische Qualität ist in diesem Umfeld eher ein Schimpfwort. Weitaus wichtiger ist die rasche Produktion und pünktliche Lieferung eines Titels, der zum Film- oder Serienstart im Buchladen liegen muss. Dort bleibt er nicht lange, denn die Halbwertzeit für einen „Tie-in“-Roman ist kurz und in der Regel mit der Zeitspanne identisch, die ein Film im Kino und eine TV-Show im Fernsehen läuft.

Cox erfüllt auch die zweite Anforderung eines „Tie-in“-Routiniers: Er findet den „Ton“ der jeweiligen Filme, den er in seine Bücher überträgt. Die Leser entdecken, was sie an den Vorlagen schätzen, und nehmen dabei in Kauf, dass sie nie mit wirklich Originellem konfrontiert werden, weil das Franchise ein Verharren im Status quo fordert: Mögliche Entwicklungen sollen dem Film vorbehalten bleiben, der die höheren Einkünfte garantiert.

Seit anderthalb Jahrzehnten schreibt Cox spannende aber anspruchslose Geschichten zu Blockbustern wie „Daredevil“, „Underworld“ oder „Ghost Rider“. Im TV-Segment gehört er zu den „Stammautoren“ der „Star Trek“-Serien, die er nach ihrem Auslaufen um halbwegs eigenständige Fortsetzungen bereichern kann. Zu den Fernsehserien, die Cox in Buchform aufleben ließ, gehören „Roswell“ und „Alias“. Storys lieferte er zu Sammelbänden mit neuen Abenteuern von „Xena“ und „Buffy“.

Grex Cox lebt in Oxford, Pennsylvania. Über sein umfangreiches Werk informiert er auf seiner Website http://www.gregcox-author.com.

Die „Underworld“-Trilogie wurde von Greg Cox verfasst und erscheint im |Panini|-Verlag:

1. Underworld (TB Nr. 1308)
2. Underworld – Evolution (TB Nr. 1309)
3. Underworld – Blood Enemy (dt. „Blutfeind“, TB Nr. 1343)

http://www.paninicomics.de

Stefan Bauer / Marco Schneiders (Hgg.) – Halloween

Inhalt:

Meist ohne Halloween-Bezug und auch sonst willkürlich zusammengeworfene Mischung aus (guten) klassischen und (überwiegend miserablen) deutschen Gruselgeschichten:

– Andreas Eschbach: Halloween, S. 11-25: Am Halloween-Abend kannst du dem Teufel einen Wunsch abringen, du solltest allerdings den Kalender unbedingt besser kennen als er.

Während die Ausgangsidee, ihre Entwicklung und der nur scheinbar überraschende Schlussgag nicht einmal mit gutem Willen als originell zu bewerten sind, lässt die Umsetzung dieser altmodischen Spukgeschichte nichts zu wünschen übrig. Wie der Vergleich mit den übrigen deutschen Gruselstorys dieses Bandes deprimierend belegt, ist dies eine Kunst, die hierzulande nicht viele Autoren beherrschen.

– Saki: Laura (Laura, 1914), S. 26-32: Wer kennt sie nicht – jene unerfreulichen Zeitgenossen, die ihre Mitmenschen zeitlebens vor den Kopf stoßen und womöglich einen Weg finden, dies nach dem Tode fortzusetzen?

Saki alias Hector Hugh Munro (1870-1916) legt eine seiner bissigen, gar nicht verstaubten Geschichten vor, mit denen er der verkrusteten englischen Klassengesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts satirisch einen Spiegel vorhielt. Zwei Jahre später fiel Munro in einem französischen Schützengraben; das oft verspottete blinde Pflichtgefühl seiner Zeit hatte ihn, der eigentlich schon viel zu alt war für das Soldatendasein, schließlich doch eingeholt. Stefan Bauer / Marco Schneiders (Hgg.) – Halloween weiterlesen

Hamilton, Laurell K. – Tanz der Toten (Anita Blake 6)

Wieder einmal hat Anita Blake reichlich Aufregung in allen Bereichen ihres Lebens. Ein bei „lebendigem“ Leibe verfallender Meistervampir und sein menschlicher Diener bitten sie um Hilfe, um den Vampir zu heilen. Privat kämpft sie mit den Schwierigkeiten, die eine Beziehung zu einem Werwolf mit sich bringt. Das Wolfsrudel, dessen Verhalten für einen Menschen extrem irritierend und gefährlich ist, ist in zwei Gruppen gespalten. Da ihr Freund Richard der Anführer der einen Partei ist, wird sie in die Auseinandersetzung hineingezogen. Dass ihr gleichzeitig ein bezahlter Killer nach dem Leben trachtet, macht ihren Alltag noch komplizierter. So erkennt sie erst spät die Gefahr, die ihr von dritter Seite droht. Bei all den mörderischen Herausforderungen bleibt der Autorin aber viel Raum, um die Heldin reichlich erotisch angehaucht mit den zwei Männern in ihrem Leben turteln zu lassen.

Wie auch schon in früheren Bänden um die Totenerweckerin Anita Blake ist die Hauptfigur die Erzählerin der Geschichte. Cool und selbstsicher, wie weibliche Helden heute im Fantasy- und Horrorgenre sind, hat sie die Gefahren ihres Jobs stets im Griff. Ergänzt wird sie vom genretypischen Personal: einem französisch sprechenden Liebhaber, der natürlich ein schöner Frauentyp ist, dem kühl berechnenden Auftragskiller, gut in die bürgerlich-menschliche Gesellschaft integrierten Lykanthropen und in der Gastronomie tätigen Vampiren.

Was den Schreibstil anlangt, bleibt die Autorin ihrer in dieser Reihe eingeschlagenen Richtung treu. Mit der gebotenen Toughness schildert Anita Blake die Ereignisse und ihre Gefühle. Wieder kabbelt sie sich mit Meistervampir Jean-Claude, der sie in bewährter Manier umschmeichelt.

In diesem Buch treibt Laurell K. Hamilton die schwülstige Erotik zwischen der Vampirscharfrichterin und ihren zwei Verehrern jedoch auf die Spitze. Immer wieder wird die äußere Handlung durch anzüglichen Schlagabtausch unterbrochen. Das erinnert selbst die geneigte Leserin sehr an den Kitsch von Groschenheften mit Liebesgeschichten. Die gruseligen Szenen werden in der heute üblichen Manier drastisch genug geschildert.

Im sechsten Band um Anita Blake mutet die Autorin der Heldin und vor allem den Leserinnen viel zu. Leserinnen, weil wohl kaum Männer solchen schwülstigen Erotik-Unsinn mit Horror-Rahmenhandlung lesen würden, auch wenn es in den hinteren Kapiteln des Buchs befremdend nach Männerphantasie aussieht.

So, wie Anita und ihr Werwolffreund Richard entschlossen unentschlossen einander umschleichen und dann doch nie zur Sache kommen, passt es auf keine Monsterhaut. Dabei kann man Laurell K. Hamilton wirklich keine mangelnde Verwendung des f-Wortes vorwerfen. Aber das Ausmaß an gefühlsmäßiger Verwirrung und Verstrickung der Protagonistin lässt selbst die geneigte Leserin zu oft auf den nächsten Anschlag des Killers hoffen, um von den Passagen abzulenken, in denen man vom Erotikkitsch fast erschlagen wird. Die zum Finale hin sich anhäufende sexualisierte Gewalt erzeugt ebenfalls eher Unbehagen als Spannung. Schade, denn es stecken gute Ideen und überraschende Wendungen in der Story.

|Reihenfolge der Anita-Blake-Romane:

Guilty Pleasures ([Bittersüße Tode, 1009 2003)
Laughing Corpse ([Blutroter Mond, 1027 2005)
Circus of the Damned ([Zirkus der Verdammten, 2165 2005)
The Lunatic Cafe (Gierige Schatten, 2006)
Bloody Bones (Bleiche Stille, 2006)
The Killing Dance (Tanz der Toten, 2007)
Burnt Offerings (Dunkle Glut, 2007)
Blue Moon
Obsidian Butterfly
Narcissus in Chains
Cerulean Sins
Incubus Dreams
Micah
Danse Macabre
The Harlequin |

http://www.bastei-luebbe.de
http://www.laurellkhamilton.org/

_Maren Rhea Fanenbruck-Pelgrim_

Ted Dekker, Frank Peretti – Das Haus

Jack und Stephanie, ein Schriftsteller und eine Countrysängerin, sind noch nicht lange verheiratet, doch der Unfalltod ihrer kleinen Tochter hat ihre Ehe zum Scheitern gebracht. Jack gibt seiner Noch-Frau die Schuld am Geschehen, was Stephanie ähnlich empfindet. Eine Eheberatung in Montgomery soll ihnen nochmal eine Chance geben. Auf dem Weg dorthin geraten sie mit dem Auto ins Hinterland von Alabama. Ein Sheriff bewegt sie zu einer Umleitung in eine einsame Gegend. Zu allem Überfluss geraten sie in eine Straßenfalle und haben eine Panne. Im nächstgelegenen Hotel, einem finsteren Gebäude namens „Wayside Inn“, suchen sie Zuflucht.

Ted Dekker, Frank Peretti – Das Haus weiterlesen

Bionda, Alisha (Hg.) / Gruber / Büchner / Hohlbein / Siefener / Marzi / Koch u. a. – dünne Mann, Der (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek 8)

_Achter Anlauf: Autoren-Armada._

Während sich „Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek“ während der ersten Bände jeweils auf einen Autor konzentriert hat, bietet „Der dünne Mann“ einen Spaziergang durch die deutschsprachige Phantastik-Szene. Dabei dürfen sich unbekanntere AutorInnen ebenso vor dem Erbe Poes verneigen wie renommiertere Schreiberlinge und nicht zuletzt Genregröße & Zugpferd Wolfgang Hohlbein.

|Andreas Gruber| legt mit „Wie ein Lichtschein unter der Tür“ eine Poe’sche Betrachtung sexueller Begierden vor und zeigt, wie ein junger Bursche eine Vorliebe für ältere Frauen entwickelt und dabei in immer krassere Dimensionen vordringt. Die Story hat eine schöne Bildsprache, die an gewählte Worte eines betagteren Tagebuchschreibers erinnert, und ist mit einem atmosphärisch dichten Spannungsaufbau versehen, wenn das Ende auch nicht unbedingt überrascht. Ein wenig aus der Stimmung wird der Leser gerissen, wenn zwischen der würdevollen Tagebuchsprache plötzlich unbeholfene Jugend-Dialoge auftauchen, die sich mit Bauchnabelpiercings befassen oder mit Linda Blairs Gekotze in „Der Exorzist“. Trotzdem: Unterhaltsame Story!

|Barbara Büchner| schwelgt mit „Spinnwebschleier“ in einer düstererotischen Fantasie, die sich ihrerseits mit würdig ergrauter Sprache und morbiden Bildern vor dem Meister des Düsteren verbeugt. Ein kurzes Vergnügen, aber durchaus stimmig.

|Eddie Angerhuber| hat mit „Nepenthe“ eine sehr klassische Geschichte vollbracht über Zivilisationsmenschen, die sich in einem geheimnisvollen Landhaus niederlassen, die allmählich von der düsteren Vergangenheit dieses Hauses eingeholt werden, von düsteren Stimmungen, beklemmenden Abschiedsbriefen und unheimlichen saphiräugigen Katzen. Der Spannungsaufbau ist grandios gebastelt, die Sprache passend pathetisch, die Stimmung meisterhaft morbide und das Ende wurde mit einem wunderbaren Schlusssatz perfekt auf den Punkt gebracht. Tolle Story! Kein Vergleich zu Angerhubers elitärsprachlich dahergeprotztem Nachwort im ersten Band der „Bibliothek des Schreckens“!

|Michael Siefener| enttäuscht zunächst etwas mit seiner „Abendstimmung mit Burgruine“, zu schwach ist der Spannungsaufbau und zu metaphernverliebt die Sprache. Am Schluss jedoch gewinnt die Story durch ihre kluge, düstere Auflösung.

|Dominik Irtenkauf| verlässt sich in „Sündflut“ ebenfalls etwas sehr auf seine Metaphern und erzählt in weitschweifigem Stil von unheilvoller Begierde, Opium, Tod und Wahnsinn. Fans altmodisch bebilderter Innenschauen werden an „Sündflut“ sicher ihre Freunde haben, auch wenn das Ende etwas abrupt über den Leser hereinbricht.

|Micha Wischniewski| scheint mit seiner Story „Die Firma“ eher eine Hommage an Thomas Ligotti und Mark Samuels verfasst zu haben als an Edgar Allan Poe, aber das ändert nichts an ihrer Stärke. Eine namenlose Firma kommt in eine namenlose Stadt, der Protagonist bewirbt sich dort und wird von dem seltsamen Ort und seinen Aufgaben verschlungen. Die Ähnlichkeit mit Samuels „Die Sackgasse“ ist nicht zu übersehen und auch der „Dominioweg“, in dem sich die „Firma“ befindet, dürfte definitiv als Verbeugung vor Ligotti verstanden werden, und vor Frank Dominio, jenem vom Weltekel zerfressenen Protagonisten in Ligottis „Meine Arbeit ist noch nicht erledigt“ (in: „Das Alptraum-Netzwerk“). „Die Firma“ ist demzufolge also nicht unbedingt originell, aber wunderbar zynisch, nihilistisch und düster!

|Christoph Marzi| wandelt mit „Die Raben“ – wie der Titel schon vermuten lässt – sicheren Fußes auf klar Poe’schem Story-Terrain und befasst sich mit alten Familien, toten Ehefrauen und, wie immer, mit dunklen Geheimnissen. Alastair Carfax wird von einer Armada Raben belagert, deren Geheimnis sein neuer Hausverwalter – und gleichzeitig Erzähler der Story – allmählich auf die Schliche kommt. Marzis Sprache ist kraftvoll und seine Bilder treffen, wie schon die tolle Charakterisierung von Alastair Carfax zeigt: „Der letzte knorrige und langsam verrottende Ast dieses Stammbaums, der laut den Einwohnern Baltimores in die tiefste Hölle zurückzureichen schien.“ Kunstvolle Düsterstory!

|Wolfgang Hohlbein|, der „Star“ dieser Anthologie, hat mit „Der dünne Mann“ eine flockig unterhaltsame Gruselmär geschrieben, über den irischen Hafenarbeiter Ian McGillicaddi, über das große Beben in London und über einen geheimnisvollen dünnen Mann, der plötzlich bei McGillicaddi auftaucht und alles über den trinkfesten Iren zu wissen scheint. Nach und nach, in ironischem und lockerem Stil, eröffnen sich die Motive des dünnen Mannes und gipfeln in ein wohlkonzertiertes Ende. „Der dünne Mann“ ist zwar kein Meisterstück, aber handwerklich hochsolide Unterhaltung ohne Fehl.

|Christian von Aster| widmet sich in „Stanchloams Erbe“ ebenfalls ergrauten Gruselmotiven: Asters Protagonist ist ein Viktor Frankenstein, der mit einer Prise Hochmut und Misanthropie angereichert wurde. Dem Poe’schen Erbe angemessen, bedient sich auch Aster des Tagebuchstiles, in dem er die Besessenheit seines Protagonisten darlegt und den epischen Vorverweis darauf, dass der Tagebuchschreiber damit kein glückliches Ende finden wird. Auch Aster kann man einen gekonnten Umgang mit verstaubtem Sprachspielzeug attestieren, und das Ende seiner Story hat einen angenehm düsteren Abgang, wenn es auch nicht vollkommen unerwartet über den Leser herfällt und der Weg dorthin kleine Unglaubwürdigkeiten zu verkraften hat.

|Jörg Kleudgen und Boris Koch| haben mit „Der Fluch von Mayfield“ keine so kraftvolle Verbeugung hinbekommen wie ihre Vorgänger. Auch hier wird der Leser mit alten Häusern, Familientragödien und schrecklichen Geheimnissen konfrontiert, aber leider ist es den beiden Autoren nicht geglückt, eine tragfähige Atmosphäre zu erzeugen, und die Story schleppt sich spannungsarm zu einem lahmen Ende. Schade!

|Mark Freiers| „Kleine Nachtgeschichte“ ist ein kurzer Sechsseiter, der sich ebenfalls den Themen Liebe, Mord und Wahnsinn widmet. Zwar ist die Story nicht brüllend originell und der Spannungsaufbau etwas holprig, dafür entschädigt einen aber die würdig poeske Auflösung.

_Schwächeres Licht in der Ahnengalerie._

Zwar habe ich Band 6 und Band 7 von |Edgar Allan Poes Bibliothek des Schreckens| noch nicht gelesen, aber von den Gelesenen führen noch immer folgende Bände diese Reihe an: „Die Weißen Hände“ von Mark Samuels (Band 4), „Spuk des Alltags“ von Alexander M. Frey (Band 3) und, konkurrenzlos, „Das Alptraum-Netzwerk“ von Thomas Ligotti (Band 2). „Der dünne Mann“ ist durchaus unterhaltsam und zeichnet sich durch unterschiedliche Autoren aus, aus deren Feder Werke von unterschiedlicher Qualität geflossen sind. Der Unterhaltungswert dieses Bandes ist hoch, hat aber auch unter einigen Einbrüchen zu leiden, brüllend originell ist hier nichts, aber an eine Hommage an Poe sollte man solche Ansprüche vielleicht auch nicht stellen. Für Genre-Fans durchaus interessant, Neueinsteiger sollten aber lieber auf die Originale zurückgreifen – oder auf die Bände zwei bis vier.

http://www.blitz-verlag.de

Robert Morgan – Der Fluch des Salomon

morgan fluch cover kleinDas geschieht:

Theodore London, leidlich erfolgreicher Privatdetektiv in New York City, wird von der reizenden Lisa Hutchinson konsultiert. Sie fühlt sich beobachtet und gejagt, seit sie ihr Elternhaus in Crifo, US-Staat Vermont, fluchtartig verlassen hatt Ihr Vater Royce, ‚Priester‘ einer obskuren Sekte, hatte sie dort wie eine Gefangene gehalten und ihr ein unschönes Schicksal im Rahmen eines bizarren Rituals angekündigt. London will helfen, mag aber an nicht an die monströsen Verfolger glauben, die Lisa in ihren Träumen und neuerdings auch in der Realität belästigen. Er wird eines Schlechteren belehrt, als ein echsenhaftes Flugwesen durch das Bürofenster bricht und ihn beinahe in Stücke reißt, bevor er es töten kann. Lisas Monster sind also echt, und da sich London in seine Klientin verliebt hat, stellt er sich erst recht auf ihre Seite.

London rekrutiert eine bunte Schar enthusiastischer Mitstreiter. Zu ihnen zählen Dr. Timothy Bodenfelt, ein idealistischer Arzt, Paul Morcey, ein abenteuerlustiger Hausmeister, und Pa’sha Lowe, ein krimineller Waffenhändler, der London nicht nur mit schwerer Artillerie und Giftgas ausstattet, sondern ihm auch die chinesische Wahrsagerin Lai Wan zur Seite stellt. Sie recherchiert Sensationelles: Londons monströser Gegner war einst ein Mensch, der in seine neue Gestalt mutiert wurde. Dafür verantwortlich ist Royce Hutchinson, der jedoch nur als Erfüllungsgehilfe für einen leibhaftigen Dämonen fungiert: Q’talu, der aufmerksamen Lesern des Alten Testaments als „Salomons Fluch“ bekannt ist, plant seine Rückkehr in diese Welt, die er bei dieser Gelegenheit in Besitz nehmen will. Dazu bedarf es unbedingt eines Menschenopfers, das – wer hätte es gedacht – die arme Lisa darstellen soll. Robert Morgan – Der Fluch des Salomon weiterlesen

Peter Straub – Schattenstimmen

Straub Schattenstimmen Cover 2008 kleinSchriftsteller Underhill hat einen Serienkiller verunglimpft, dessen Geist rachsüchtig aus dem Jenseits zurückkehrt; gleichzeitig stellt der Autor fest, dass er einen Riss im kosmischen Gefüge verursacht hat, der Realität und Fiktion bizarr zusammenfließen lässt … – Erneut schreibt Peter Straub vom unmerklichen Einbruch des Phantastischen in den Alltag. Das gelingt ihm vor allem im ersten Teil, doch obwohl der Verfasser dann auf ausgefahrene Horror-Geleise einbiegt, wahrt er seine stilistische Brillanz und ringt dem Plot manche Überraschung ab: Genrefreunde dürfen freudig zugreifen.
Peter Straub – Schattenstimmen weiterlesen