_Rachel Morgan:_
Band 1: [„Blutspur“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3253
Band 2: [„Blutspiel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4512
Band 3: [„Blutjagd“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5252
Band 4: Blutpakt
Band 5: [„Blutlied“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5897
Band 6: [„Blutnacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5988
Band 7: _Blutkind_
Mit „Blutkind“ veröffentlichen Heyne und Kim Harrison den siebten Band der Rachel-Morgan-Serie. Dieser spielt eine besonders wichtige Rolle, da er den Tod von Rachels Geliebtem Kisten aufklärt, der bereits in Band 5 ums Leben gekommen ist.
_Schock für die_ Hexe Rachel: Glenn, ein guter Freund von ihr, liegt im Krankenhaus. Anscheinend hat er einen Mordanschlag überlebt, denn man hat ihn in der Wohnung der Geliebten seines Freundes gefunden. Dieser Freund ist allerdings vor kurzem gestorben und Glenn ermittelt auf eigene Faust, weil er nicht an einen natürlichen Tod glaubt.
Edden, der Captain des FIB, des Federal Inderland Bureau, und Glenns Vater bittet Rachel um Mithilfe bei der Suche nach dem Täter. Als sie den Tatort sichten, finden sie heraus, dass die kleine Familie, die dort wohnte, schon längst nicht mehr lebt. Stattdessen haben andere ihre Namen angenommen und geben sich für sie aus. Im Kinderzimmer findet Rachel einen Hinweis, der ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt: Die Träne einer Banshee. Banshees leben von den Emotionen der Menschen um sie herum und können diese töten, wenn sie alle Gefühle aus ihnen heraus saugen. Banshees sind sehr gefährlich und selbst Rachel ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, eine solche Inderländerin jagen zu müssen.
Die Banshee denkt allerdings gar nicht daran, sich fangen zu lassen. Immer wieder entwischt sie den Ermittlern, bis Rachel und ihre Partnerin Yvy ihr auf die Spur kommen. Doch Rachel muss dafür teuer bezahlen. Die kleine Tochter der Banshee, Holly, sieht zwar aus wie ein ganz normales Kind, doch als Rachel sie in den Arm nimmt, saugt sie ihre gesamte Aura auf …
_“Blutkind“ ist das_ siebte Buch einer Reihe, deren einzelne Bände nie dünner als 500 Seiten sind und ein ähnlich hohes Niveau haben. Es gehört schon einiges dazu, eine Reihe so zu schreiben. Band 7 enttäuscht, wie die Vorgänger, kein bisschen. Im Gegenteil ist dies der vermutlich bislang beste Titel. Die Handlung ist dieses Mal wesentlich konsistenter und fokussierter. Die Haupthandlung – die Suche nach der Banshee – steht im Vordergrund, alles andere fungiert als unterstützende Nebenhandlung. Dass dabei der Mord um Kisten aufgeklärt wird, sorgt für zusätzliche Spannung, lenkt aber nicht von den anderen Ereignissen ab. Darüber hinaus gibt es die üblichen kleinen Katastrophen: Rachel macht sich unbeliebt, tritt in ein paar Fettnäpfchen, versagt in der Liebe, hat Ärger mit dem Dämonen Al, ihren Mitbewohnern und ihrer Mutter und trifft auf ihren Todfeind Trent Kalamack. Harrison bedient wie gewohnt alle Gefühle von Herzschmerz bis Zorn.
Rachel Morgan, die Ich-Erzählerin, die dem Fan der Reihe schon längst ans Herz gewachsen ist, zeigt sich auch dieses Mal als toller, facettenreicher Charakter. Sie ist humorvoll, schlagfertig, gleichzeitig aber auch sehr emotional. Harrison hat kein Problem damit, Rachel auch mal tieftraurig, nachdenklich und verletzt sein zu lassen. Hinzu kommt, dass sie, trotz der vorangegangenen sechs Bände, immer noch ein paar Überraschungen bereit hält. Auch die Persönlichkeiten der anderen auftretenden Figuren entwickelt sich stetig weiter. Langweilig wird einem mit dieser Reihe sicherlich nicht.
Herausragend ist auch wieder der Schreibstil. Sicher, gewitzt und manchmal fast schon eigen erzählt Harrison ihre Geschichte. Die schlagfertigen Dialoge und vor allem die fantasievollen Flüche des Pixies Jenks machen dabei besonders viel Spaß. Einziges Manko sind die manchmal etwas langatmigen Beschreibungen von bestimmten Ereignissen. Das fällt vor allem im ersten Kapitel negativ auf. Einleitend scheint Harrison die erneute Besichtigung des Tatorts von Kistens Mord besonders in die Länge zu ziehen, um Spannung zu erzeugen. Das Gegenteil ist leider der Fall. Allerdings kennt der Fan dieses Vorgehen schon und weiß, dass es danach besser wird.
_Wer noch nicht_ Fan ist, dem sei wärmstens ans Herz gelegt, einer zu werden. Kim Harrisons Serie um die chaotische Erdhexe Rachel Morgan gehört zu den besten Urban-Fantasy-Serien. Allerdings empfiehlt es sich, bei Band 1 anzufangen, da man sich sonst mit sehr vielen losen Enden konfrontiert sieht.
|Taschenbuch: 780 Seiten
Originaltitel: |White Witch, Black Curse|
Deutsch von Vanessa Lamatsch
ISBN-13: 978-3453533523|
http://www.heyne.de
http://www.kimharrison.net
Der alte Prospektor Sonny McGuiness kann sein Glück kaum fassen, als er in den Bergen der Wah-Wah-Moutains tief in der Wüste des US-Staates Utah auf die legendäre Jessup-Mine stößt. Anderthalb Jahrhundert war sie verschollen, und noch länger gilt sie bei den Ureinwohnern der Region als verflucht, da Goldgräber und später Höhlenforscher hier beunruhigend regelmäßig spurlos verschwanden. Zuletzt ereilte 1942 drei Studenten dieses Schicksal, aber zuvor bargen sie ein seltsames, viele Jahrtausende altes Messer aus purem Platin, das für Menschenhände untauglich wirkt. Die Archäologin Veronica Reeves hat ein gussgleiches Messer in Argentinien entdeckt; offenbar gab oder gibt es im Inneren der Erde eine uralte, mächtige Kultur, die den „oben“ lebenden Menschen feindlich gesonnen ist.
Eine wissenschaftliche Untersuchung der Fundstätte in Utah ist allerdings nicht möglich. Der mächtige, sowohl rechtlich als auch moralisch außerhalb der Norm agierende EarthCore-Konzern ist McGuiness auf die Schliche gekommen und hat ihn zur „Zusammenarbeit“ erpresst. Modernste Technik wird heimlich zur Mine geschafft, die sich als gewaltiges, künstlich geschaffenes Höhlensystem entpuppt, dessen Zentrum ein gewaltiger, unermesslich wertvoller Block puren Platins bildet. Diesen Schatz will EarthCore-Manager Connell Kirkland mit wirklich allen Mitteln sowohl geheim halten als auch heben. Dazu bedient er sich notfalls der psychopathischen Killerin Kayla Meyers, die freilich längst das Lager gewechselt hat und das Wissen um die Mine an EarthCores Konkurrenz verkaufen will.
Fünf Kilometer dringt die Bohrfräse in die Erdkruste vor. In ewiger Dunkelheit stören die (neu-) gierig dorthin vorrückenden Menschen, zu denen sich inzwischen Veronica Reeves gesellt hat, Kreaturen auf, die spinnefeind auf die Gäste aus der Helligkeit reagieren. Entschlossen, die Eindringlinge auszurotten, strömen sie aus der Tiefe, um ihre planvoll von der Außenwelt abgeschnittenen Opfer zu zerschnetzeln …
_Schatten und Dinge, die in ihnen lauern_
Uralte Furcht und Hightech-Wissen: Theoretisch sollte das Wissen den meisten Ängsten den Garaus machen. Doch das menschliche Reptilien-Gehirn ist noch präsent, und es greift nach wie vor steuernd in die Angriffs- und Verteidigungs-Aktivitäten seines Trägers ein, dessen Bauplan nie wirklich grundlegend modernisiert wurde. Gespeichert blieben und abgerufen werden deshalb Reize und Reaktionen, die dem urzeitlichen Höhlenbewohner angemessener sind als dem selbstbewussten Herrn oder der Dame der Schöpfung.
Wer dies auf die Probe stellen möchte, begebe sich im Einklang mit der Handlung dieses Romans in eine Höhle und schalte tief in deren Inneren das Licht ab. Selbst der Skeptiker wird nach kurzer Zeit erleben, wie die Vernunft mit archaischer Beklemmung zu kämpfen beginnt. Dass Ohren, Nase und Haut die Sinnesaufgaben der Augen zu übernehmen beginnen, bietet dabei keinen Trost, da der Mensch der Jetztzeit solche Signale nicht mehr korrekt auszuwerten weiß. Unbeeinträchtigt bleibt jedoch seine Vorstellungskraft. Diese stimuliert besagtes Reptilien-Gehirn, und das drückt den Alarmknopf.
Somit bietet eine Höhle ideale Voraussetzungen für spannende Geschichten, obwohl die thematische Spannbreite beschränkt bleibt: Es kann im Grunde immer nur darum gehen, dass in der Dunkelheit jemand hockt, der sich besser orientieren kann als das zitternde Opfer. Dieser Plot funktioniert jedoch prächtig. Wir wissen, dass hinter der nächsten Biegung kein Höhlenbär mehr auf uns wartet. Trotzdem stellen sich unsere Haare immer noch auf, selbst wenn wir über eine Expedition ins düstere Innere der Erde nur lesen.
|Das Angst-Eisen schmieden, bis es heiß wird|
Das Vergnügen steigt, wenn sich ein Autor wie Scott Sigler des Jobs annimmt, seine Leser in Angst & Schrecken zu versetzen. Literarische Ehren wird er zwar kaum jemals beanspruchen dürfen, doch in Sachen Unterhaltung ist sein Talent außerordentlich. „EarthCore“ ist ein Weird-&-Science-Fiction-Thriller der trivialen Art: ein „No-Brainer“, wie Sigler selbst sein Werk nennt. Originelle Ideen wird der Leser nicht finden. Die Story ist – freundlich umschrieben – gut abgehangen, die Figuren wurden aus den Tiefen der Klischee-Kiste hervorgelockt, die noch unter dem Handlungsort zu orten sein dürften.
Dem Spaß tut dies keinen Abbruch, denn Sigler umgeht die daraus eigentlich automatisch resultierende Abklatsch-Ödnis, indem er die Kopie kräftig nachfärbt. „EarthCore“ ist reines, gelungenes Fabulieren. Sigler hat ein erstaunliches Gespür für Timing. Die Spannung wird klassisch langsam aufgebaut, wobei sorgsam vielversprechende Hinweise auf das sich anbahnende Grauen eingestreut werden. Selbstverständlich ist die alte Mine verflucht; für entsprechende Vorfälle gibt es „historische“ Quellen, die Sigler seine Protagonisten in stimmungsvoll verstaubten Archiven finden lässt.
Obwohl die Figuren dem Baukasten des trivialen Abenteuers entnommen wurden, bemüht sich Sigler um Ambivalenz. „Gut“ und „böse“ werden sorgfältig miteinander verwoben. Selbst die sadistische Kayla hat ihre schwachen Momente. Eine Figurenentwicklung ist ausdrücklich Element des Roman-Konzepts. Noch bemerkenswerter ist die Tatsache, dass dies tatsächlich funktioniert. Zu allem erfreulichen Überfluss reibt uns der Verfasser solche emotionalen Momente nicht aufdringlich unter die Nase, sondern integriert sie geschmeidig in die Handlung, die dadurch keine Sekunde ins Stocken gerät – eine Talent, über das nicht gerade viele „No-Brainer“-Autoren verfügen.
|An alle Leser wird gedacht|
Für den historisch eher desinteressierten Leser bietet „EarthCore“ viel Technobabbel, denn schließlich ist es keine Kleinigkeit, ein Fünf-Kilometer-Loch in die Erdkruste zu bohren. Hightech überwindet zudem reale Hindernisse, die sich auf dir Handlung auswirken könnten; beispielsweise ist die enorme Abbildungskraft der beschriebenen Erdschichten-Tomografie reines Wunschdenken. Auch sonst bedient sich Sigler gern aus dem Fundus der Science Fiction. Den Leser stört dies nicht, denn er ist daran gewöhnt, dass man ihm naturwissenschaftliche und technische Superleistungen vorgaukelt – beschwert sich etwa jemand über die Märchen-Labors in den „CSI“-TV-Serien?
Allemal erweist sich „EarthCore“ als wahre Wundertüte. Aus einem Mystery- und Wissenschafts-Thriller wird eine Abenteuer-Geschichte, in der schließlich „echte“ SF-Elemente die Oberhand gewinnen. Genrereinheit war und ist weder Vorschrift noch Tugend, doch selten wirkt die Mixtur so harmonisch wie hier. Dabei erschien „EarthCore“ ursprünglich als Fortsetzungsroman. Die „Nähte“ zwischen den Episoden hat der Verfasser sauber kaschiert.
Selbst eine übliche und typische Enttäuschung hält sich in Grenzen: Ist die Katze aus dem Sack, entpuppt sie sich in der Regel als sehr gewöhnliche Kreatur. Auch die Silberkäfer und Felskraken aus „EarthCore“ können der zuvor aufgebauten Erwartungshaltung nicht standhalten. Mit seinem unbändigen Erzähldrang vermag Sigler dies zu überspielen. Er verzettelt sich nicht mit unnötigen Nebenschauplätzen, sondern hält die Story geradlinig und hart am Wind. Klug hält er immer neue Details parat, mit dem er unser Interesse entfachen kann. Es bleibt spannend bis zum Schluss; keine geringe Leistung bei einem Roman dieses Umfangs!
Mit „EarthCore“ schließt Scott Sigler nicht nur zu Science-Thriller-Autoren wie Michael Crichton oder Douglas Preston & Lincoln Child auf, sondern deklassiert sie, während grobschlächtige Fließband-Fabulierer wie James Rollins („Sub Terra“) oder Matthew Reilly („Ice Station“) sich schamvoll in noch tiefere Höhlen als Siglers Felskraken verkriechen sollten.
|Eine interessante Veröffentlichungsgeschichte|
Mit „EarthCore“ wollte Scott Sigler 2001 zum Pionier einer damals noch in den Kinderschuhen steckenden Publikationstechnik werden, denn dieser Roman war als eBook geplant. Der Plan zerschlug sich, und ein frustrierter Scott veröffentlichte sein Buch, dessen Rechte an ihn zurückgefallen waren, 2005 als Podcast. Dies hatte noch kein Autor gewagt. Scott setzte auf die Mund-zu-Mund-Propaganda seiner Leser und lag richtig. 2005 erschien „EarthCore“ als gedrucktes Buch in einem Kleinverlag, 2006 als kostenpflichtiger iTunes-Download. Der Erfolg bestärkte Sigler in dem Entschluss, auch zukünftig durch Podcast-„Erstveröffentlichungen“ auf seine Romane aufmerksam zu machen.
In Deutschland wurde Sigler erst 2008 und dann praktisch zeitgleich von zwei Verlagen „entdeckt“. „Infected“ (dt. „Infiziert“) erschien als Taschenbuch im Heyne Verlag, „EarthCore“ gebunden bei Otherworld. Nachdem „Infiziert“ zahlreiche Leser fand und Heyne weitere Titel veröffentlichen wollte, war klar, dass Sigler dorthin wechseln würde, wo man ihn besser bezahlen konnte. 2010 ging auch „EarthCore“ diesen (noch) seltenen Weg von einem deutschen Kleinverlag zu einer modernen Buchfabrik.
_Autor_
Scott Sigler wurde in Cheboygan, US-Staat Michigan, geboren. Hier wuchs er auf und studierte Journalismus und Marketing. Seine dabei erworbenen Kenntnisse kamen Sigler zupass, als er Ende der 1990er Jahre als Autor tätig wurde. Abseits ausgefahrener bzw. blockierter Wege zu den etablierten Printmedien setzte er von Anfang an auf digitale Vertriebswege. „Earthcore“, sein Romanerstling, erschien gratis als Podcast. Das Buch wurde zahlreich heruntergeladen und verschaffte Sigler ein festes Stammpublikum, das er bis heute hält, indem er seine Werke zunächst weiterhin ins Netz stellt; manche Romane und Siglers Kurzgeschichtensammlungen erschienen bisher sogar ausschließlich dort.
Auch mit seinen Fans hält Sigler online über [seine Homepage]http://www.scottsigler.com engen Kontakt. Er reagiert so auf einen Markt, in dem gedruckte Bücher nur mehr ein Segment des Gesamtangebotes bilden. Als literarische Vorbilder bezeichnet Sigler Stephen King und Jack London. Er ist verheiratet, lebt und arbeitet in San Francisco.
|Taschenbuch: 624 Seiten
Originaltitel: Earthcore (2001; als Buch Calgary : Dragon Moon Press 2005)
Aus dem Englischen übersetzt von Michael Krug
ISBN-13: 978-3-453-43507-0 (Hardcover: ISBN-13: 978-3-9026-0704-1)|
[www.otherworld-verlag.de]http://www.otherworld-verlag.de
[www.heyne.de]http://www.heyne.de
Dr. Theo Parmitter, in der englischen Elite-Universität Cambridge als Kunsthistoriker berühmt und inzwischen alt geworden, erzählt seinem ehemaligen Studenten und Freund Oliver von einem rätselhaften Bildnis, das er vor Jahrzehnten erwarb und welches seitdem sein Leben beeinflusst und beeinträchtigt. Es entstand 1797 und zeigt eine venezianische Karnevalsgesellschaft. Verkleidete Personen tummeln sich in und vor Palästen und Kanälen – ein eigentlich unverfängliches, ja triviales Motiv, das hier jedoch eine unheimliche Sogwirkung auf den Betrachter ausübt.
Parmitter kennt die Geschichte des Gemäldes, seit ihn die Gräfin von Hawdon darüber in Kenntnis setzte. Sie hatte in ihrer Jugend Lawrence, den Grafen, kennen und lieben gelernt. Doch der Edelmann hatte bereits der schönen Clarissa Vilgo die Ehe versprochen. Von ihrem Bräutigam sitzen gelassen, schwor sie bittere Rache. Zur Hochzeit schickte sie dem Paar besagtes Bild, das die Gräfin sofort in Angst und Schrecken versetzte. Als sie mit ihrem Gatten wenig später eine Italienreise unternahm, verschwand dieser in Venedig unter mysteriösen Umständen. Kurz darauf musste die Gräfin entsetzt feststellen, dass sich das Gemälde selbstständig um eine Szene ergänzt hatte, die ihren Ehemann als hilfloses Opfer einer Entführung zeigte.
Die böse Clarissa ist längst tot, aber ihr Geist scheint das Bildnis weiterhin zu beleben. Parmitter spürt seinen unheilvollen Einfluss, und auch Oliver ist nicht immun. Obwohl Clarissas Rache vollendet wurde, blieb ihr Zorn ungebrochen. Er richtet sich nunmehr gegen die Besitzer des Gemäldes, wie Parmitter und später Oliver zu ihrem Leidwesen erfahren müssen …
_Schaurig schöner Grusel ist zeitlos_
Die „gotische“ Geistergeschichte ist ein Kind des 18. Jahrhunderts. Mit ihrer Vorliebe für offensiv schaurige Schauplätze wie Burgruinen, Friedhöfe oder verwunschene Landhäuser konnte sie nicht nur die zeitgenössischen Leser fesseln. Formal und inhaltlich einer angenehm schauerlichen Vergangenheit zugewandt, fand sie ihr Publikum auch im 19. und frühen 20. Jahrhundert, zumal sich wahre Meister der Phantastik ihrer annahmen.
Einer der größten Geisterbeschwörer der Schriftsteller-Zunft war Montague Rhodes James (1862-1936). Seine gleichzeitig schnörkellosen und wunderbar ziselierten, auf den größtmöglichen Effekt hinarbeitenden, nie rührseligen oder abschweifenden und vor allem von durchweg bösartigen Gespenstern bevölkerten Geschichten haben bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren. Ihr Alter ließ sie nicht verstauben, sondern nostalgisch glänzen.
M. R. James fand bereits zu seinen Lebzeiten zahlreiche Bewunderer und Nachahmer. Es bildete sich eine regelrechte „James-Gang“, die Geistergeschichten seines Stils verfassten. Auch nach dem Tod des Meisters entstanden und entstehen solche Storys. Dass James‘ Einfluss noch heute stark ist, belegt jetzt Susan Hill mit ihrem Kurzroman „Das Gemälde“. Es ist nicht ihr erster Versuch, den Grusel à la James aufleben zu lassen. Zuvor erschienen bereits „The Woman in Black“ (1982; dt. „Die Frau in Schwarz“) und „The Mist in the Mirror“ (1992; dt. „Das Gesicht im Spiegel“).
|Das Böse überlebt seinen Wirt|
Das Wissen um James‘ Definition des Gespenstes als durchweg böse Kreatur ist wichtig zum Verständnis von „Das Gemälde“. Ansonsten irritiert das Konzept eines Geistes, der Verderben sät, obwohl der Grund seines Zorns längst nicht mehr existiert. Clarissa Vigo hat jene erwischt, die sie hasste. Entweder wurde sie darüber so verrückt, dass ihr Hass alle Menschen einschloss, oder sie musste ihren Preis zahlen: Das Instrument ihrer Vergeltung – das titelgebende Gemälde – hat sich ihrer bemächtigt. Nun muss Clarissa ihm auf ewig neue Opfer zutreiben.
Dieses gnadenlose Prinzip hat James mit großem Geschick und gleichzeitig voller Witz immer wieder variiert. Susan Hill belegt, wie gut er darin war, wobei dies garantiert unfreiwillig geschieht: „Das Gemälde“ bedient sich der typischen Elemente einer James-Geistergeschichte, ohne jedoch deren Geschlossenheit und vor allem Wirkung jemals zu erreichen.
Hauptsächlich verursacht dies ein Plot, der höchstens eine Kurzgeschichte tragen könnte. Selbst ein Kurzroman wiegt zu schwer für die Grundidee, die Hill deshalb doppelt erzählt: Hat Theo Parmitter gerade von seinen Erlebnissen mit dem Gemälde berichtet, schließt sich die sehr ähnliche Geschichte der Gräfin von Hawdon an. Hill fabuliert über Personen und Ereignisse, die dem zentralen Element – dem Gemälde – nichts Wesentliches beizutragen haben. Der Bericht der Gräfin ließe sich problemlos mit der Erzählung Parmitters verschmelzen. Dann könnte die Autorin allerdings keinen Text vorlegen, der sich zu einem eigenen Buch binden ließe.
|Stimmung ist nicht alles|
Keinem kurzen Roman bekommt es, wenn die Handlung im Mittelteil auf der Stelle tritt. „Das Gemälde“ ist auch sonst keine Geschichte, die fesseln oder gar erschrecken kann. Als Leser bewundert man Hills handwerkliches Geschick, mit der sie eine klassische Erzählform aufleben lässt. Die Autorin lässt Feuer prasseln, während vor dem Fenster Herbststürme heulen; es knarrt und wispert in alten, großen, nur scheinbar leeren Häusern. Wenn das Böse zuschlägt, geschieht dies stets ein wenig außerhalb des Blickfelds, sodass grausige Wahrheit und Täuschung eine trübe, die Unsicherheit fördernde Mischung eingehen.
Was nützt jedoch alle Atmosphäre, wenn ihr keine angemessene Handlung zu Grunde liegt? Das Grauen eines Gemäldes, das seine Opfer abbildet, teilt sich dem Leser nur bedingt mit. Die mehrfache Wiederholung dieses Effektes wirkt zusätzlich kontraproduktiv. Hinzu kommt der Verlauf einer Handlung, die jeglicher Überraschung abhold ist. Es kommt in dieser Geschichte, wie es kommen muss aber nicht müsste, würde Hill mit eigenen Einfällen vom Weg abweichen. James konnte dies, und er tat es gern. Vor allem verkniff er sich jene Sentimentalitäten, die Hill einfließen lässt, die hier ihrem zweiten Vorbild Reverenz erweisen möchte: Daphne du Maurier (1907-1989), deren mit Gefühlen und Gefühlsduseligkeiten prall gestopftes Hauptwerk „Rebecca“ (1938) Hill 1993 mit „Mrs. de Winter“ (dt. „Rebeccas Vermächtnis“) fortsetzte.
Doch James und du Maurier passen nicht zusammen. „Das Gemälde“ ist eine formal gelungene und (auch in der Übersetzung) gut lesbare Fingerübung, die inhaltlich keinen Eindruck hinterlässt. Was bleibt, ist ein gebundenes Bändchen, das wohl (schon in seiner englischen Ausgabe) vor allem als hübsches aber kostengünstiges Geschenk – das Buch zum Tee-Service? – konzipiert wurde.
_Autorin:_
Susan Hill wurde 1942 im englischen Scarborough, North Yorkshire, geboren. Die Familie zog Ende der 1950er Jahre nach Coventry um. Hill studierte am King’s College in London Englisch. Noch bevor sie 1963 ihren Abschluss machte, veröffentlichte sie 1961 ihren Roman-Erstling „The Enclosure“, der aufgrund seiner sexuellen Offenheit großes Aufsehen erregte.
Hill arbeitete ab 1963 als Journalistin. In den 1970er Jahren heiratete sie, gründete eine Familie und etablierte sich als Autorin. Ihr mehrfach preisgekröntes Werk schließt „hohe“ Literatur ebenso ein wie Kriminalromane (darunter eine mehrbändige, auch in Deutschland erfolgreiche Serie um den Polizeibeamten Simon Serailler), Geistergeschichten, Kinderbücher oder Autobiografien.
Jährlich erscheint durchschnittlich ein neuer Titel, den Hill seit 1998 meist in ihrem eigenen Verlag „Long Barn Books“ herausbringt. Die Autorin lebt und arbeitet heute in Cotswold, einem Distrikt der englischen Grafschaft Gloucestershire.
|Hardcover: 158 Seiten
Originaltitel: The Man in the Picture. A Ghost Story (London : Profile Books 2007)
Übersetzung: Susanne Aeckerle
Deutsche Erstausgabe (geb.): Oktober 2009 (Knaur Verlag/Nr. 66350)
ISBN-13: 978-3-426-66350-9|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de
[www.susan-hill.com]http://www.susan-hill.com
_Susan Hill bei |Buchwurm.info|:_
[„Der Menschen dunkles Sehnen“ 1698
[„Des Abends eisige Stille“ 3889
[„Der Seele schwarzer Abgrund“ 5348
[„Der Kampf um Gullywith“ 5954
_Stadt der Finsternis:_
Band 1: [„Die Nacht der Magie“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5963
Band 2: [„Die dunkle Flut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6134
Band 3: _Duell der Schatten_
Wenn eine amerikanische Großstadt phasenweise von Wellen der Magie heimgesucht wird, kann man davon ausgehen, dass dort einiges los ist. Neben gelegentlichen Gästen wird das düstere Atlanta in Ilona Andrews‘ Reihe „Stadt der Finsternis“ von einer Menge übernatürlicher Wesen bewohnt. Zum Beispiel von den Gestaltwandlern, deren Rudel das zweitgrößte in Nordamerika ist. Grund genug für Feinde dieser Werwesen, Atlanta ins Visier zu nehmen …
_Nach den aufregenden_ Ereignissen im letzten Band ist ein wenig Ruhe in Kate Daniels Leben eingekehrt. Allerdings nicht für lange. Ein Gestaltwandler wird bestialisch ermordet, doch als sie den Tatort untersuchen will, wird sie von einigen Werwesen aufgehalten. Jim, ihr einstiger Partner aus Söldnerzeiten, hält sie auf. Wenig später stellt sie fest, dass er nicht nur ihre Ermittlungen behindert hat, sondern den Mord auch seinem Vorgesetzten Curran, dem Alphatier des Rudels und Kates liebstem Feind, verheimlicht. Ein solches Verhalten ist verboten und Jim begibt sich damit in Lebensgefahr.
Doch bevor Kate sich weiter damit auseinander setzen kann, hält ein anderes Ereignis sie in Atem. Der junge Werwolf Derek scheint in eine merkwürdige Sache verwickelt zu sein, die mit den Midnight Games – Gladiatorenkämpfe mit Entertainmentcharakter – in Verbindung steht. Als Saiman, ein alter Bekannter, sie dazu einlädt, bei einem dieser Games ihre Begleiterin zu sein, nutzt sie die Gelegenheit, um sich um zu schauen. Sie erfährt, dass sich Derek mit einem Mädchen aus einem der Kampfgruppen treffen will. Dabei hat er sich allerdings ausgerechnet ein Mädchen von den Reapern, einer seltsamen, hochgefährlichen Truppe, ausgesucht. Als Derek wenig später schwerverletzt in einem Hinterhof gefunden wird, hat Kate den Verdacht, dass die Reaper auch an den Mord an dem Gestaltwandler verwickelt sein könnten. Ihre Ermittlungen führen sie zurück in die Kampfarena, wo sie ihre Jugend verbracht hat. Gleichzeitig schlägt sie sich auf Jims Seite und hintergeht damit Curran, der nicht gerade begeistert ist, als er davon erfährt …
_Der zweite Band_ der Reihe hat bei der Handlung etwas geschwächelt, doch „Duell der Schatten“ lässt diesen Makel schnell vergessen. Die Handlung in dieser Geschichte ist gut konstruiert, rasant erzählt und spannend. Obwohl es auch dieses Mal Ränke und Verwicklungen gibt, konzentriert sich das Autorenduo Andrews auf die Haupthandlung, also der Aufklärung des Mordfalls und des Anschlags auf Derek. Dadurch wirkt die Geschichte schön kompakt und hat einen definierten Anfang und Schluss. Auf eine gewisse Nebenhandlung muss man trotzdem nicht verzichten: Die Hassliebe zwischen Kate und Curran bekommt weiteren Zündstoff und endet in einem viel versprechenden Cliffhanger. Die Autoren steigern die Spannung zwischen den beiden, schließen aber nicht aus, dass aus dem Hass eines Tages Liebe wird. Trotzdem wird die Geschichte angenehm kitschfrei gehalten. Vielmehr nutzen sie den Handlungsstrang, um die innere Zerrissenheit ihrer Hauptfigur zu zeigen.
Kate Daniels ist zwar auf der einen Seite eine toughe, junge Frau, die ihr eigenes Geld verdient und keine Angst kennt. Auf der anderen Seite hat sie allerdings Schwierigkeiten, anderen Menschen zu vertrauen oder sich gar auf sie einzulassen. Trotz ihrer großen Klappe schimmern diese Probleme immer wieder durch und sie spielt sie nicht herunter. Dadurch wirkt sie vielschichtig und sympathisch, was durch die Ich-Perspektive, aus der sie erzählt, noch verstärkt wird. Sehr angenehm ist darüber hinaus, dass Ilona und Andrew Gordon, die Genies hinter dem Synonym Ilona Andrews, darauf verzichten, ihrer Protagonistin einen Begleiter an die Seite zu stellen, der sie den Verstand verlieren lässt. Im Gegenteil behält Kate in Currans Nähe einen kühlen Kopf und wenn es doch mal etwas heißer wird, wirkt es trotzdem noch authentisch.
Ein weiterer, nicht zu verachtender Pluspunkt ist der freche Schreibstil. Kate nimmt kein Blatt vor den Mund. Das Buch ist voller funkensprühender Dialoge, Witzeleien, derben Ausdrücken, Redewendungen und Sprichwörtern, die der Übersetzer gut ins Deutsche überträgt. Mit komödiantischen Vampirromanen wie denen von Mary Janice Davidson hat die Reihe trotzdem nichts zu tun. Obwohl die Geschichte sicherlich eher Frauen als Männer anspricht, ist sie doch kein simpler Frauenroman. Dafür ist die Sprache zu ausgefeilt, zu sarkastisch und streckenweise auch zu düster und martialisch – was aber kein Nachteil ist, wenn man mit Frauenromanen nicht viel anfangen kann.
_“Duell der Schatten“_ ist bislang der Höhepunkt der Reihe. Die Autoren haben die Anfängerfehler der ersten Bände ausgemerzt und präsentieren sich in Bestform. Die Handlung ist spannend und frei von unnötigem Ballast, die Hauptperson glänzt einmal mehr und der Schreibstil verbindet alles zu einem tollen Fantasyspektakel.
In acht Geschichten lässt der Verfasser nackten Horror in trügerische Idyllen einfallen.
|So bleich, so kalt, so tot| („So Pale, So Cold, So Fair“), S. 7-26: In Athen lässt sich alles zu Geld machen, aber manchen Handel überlebt der Verkäufer nicht …?
|Das Gottesgeschenk| („The Godsend“), S. 27-43: Sie erscheint im goldrichtigen Moment, um auf das Kleinkind aufzupassen, weshalb die gestressten Eltern die Herkunft dieses Babysitters nicht so gründlich wie nötig überprüfen …
|Bello| („Rover“), S. 44-49: Er ersetzte seiner blinden Gattin Zeit seines Lebens die Augen, und zumindest auf die will sie nach seinem Tod nicht verzichten …
|Das Kinderfest| („Circle of Children“), S. 50-62: Ein gewaltiges Freudenfeuer und der Auftritt einer sehr überzeugenden Hexe – was kann damit bei einem Kinderfest schon schiefgehen …?
|Lots Weib| („Lot’s Wife“), S. 63-71: Sie machte ihrem Ehemann das Leben zur Hölle, weshalb seine Rache teuflisch ausfällt …
|Gideon| („Gideon“), S. 72-82: Die betrogene Gattin ist Notärztin und wartet geduldig, bis ein Unfall ihr die Nebenbuhlerin ausliefert …
|Eine faszinierende Schönheit| („A Hunting Beauty“), S. 83-103: Als selbst der Mord an der Rivalin ihr den Geliebten nicht zurückbringt, zieht die erzürnte Jacqueline die Terror-Schraube ein wenig zu fest an …
|Der Gott der Zuflucht| („Lords of the Refugee“), S. 104-126: Dieser Missionar legt auf einer Pazifik-Insel nach Ansicht der Bewohner zu viel Pflichtbewusstsein an den Tag und übersieht gleichzeitig, wie abgelegen dieser Ort ist …
_Die Lust am elegant servierten Schrecken_
Die „conte cruel“ oder „Schauergeschichte“ bezeichnet eigentlich ein Literaturgenre des 19. Jahrhunderts. Formal und inhaltlich wiegt der Verfasser seine Leser durch die Schilderung scheinbarer Alltäglich- und Nebensächlichkeiten in trügerischem Frieden. Naht das Ende, geschieht plötzlich Schreckliches, das gern plakativ, d. h. blutig und grausig ausfallen darf. Wenn dies gelingt und der Autor seinem Publikum einen (unterhaltsamen) Schrecken einjagen konnte, hat er das angestrebte Genre-Ziel erreicht, wobei Zurückhaltung oder die Einhaltung des sog. „guten Geschmacks“ zwar ausgeklammert blieben, der Verfasser das Grauen jedoch durch (schwarzen) Humor konterkarierte und ihm auf diese Weise ein Ventil schuf.
Da der Schock-Effekt auch einer modernen Leserschaft genehm ist, starb die Schauergeschichte nicht aus. Sie wandelte sich und passte sich den geänderten Zeitläufen an, was erwartungsgemäß vor allem bedeutete, dass der Schock an Intensität und Härte zunahm. Das finale ironische oder humoristische Element blieb ebenfalls erhalten.
Zu den modernen Meisters der Schauergeschichte gehören u. a. Robert Bloch (1917-1994), Roald Dahl (1916-1990) und Charles Birkin (1907-1986). Während Bloch und Dahl auch hierzulande mit ihren bösen Stories bekannt wurden, blieb Birkin, der ihnen durchaus gewachsen ist, in Deutschland fast gänzlich unbekannt. Nur zwei schmale Bände mit Erzählungen erschienen Anfang der 1970er Jahre. Sie sind immerhin repräsentativ und verdeutlichen, wieso Birkin in Großbritannien als Klassiker gilt und seine Werke präsent blieben.
|Der Alltag als Brutstätte des Todes|
Grausame Überraschungen auch in der modernen Gegenwart zwar nicht alltägliche aber doch mögliche Zwischenfälle. Birkin verwurzelt seine Geschichten sorgfältig in der meist idyllischen Welt der (englischen) Mittelklasse. Er nimmt sich viel Zeit, sie ausführlich zu schildern, und verliert sich dabei in Details, die mit der Handlung nur wenig zu tun haben – scheinbar, denn sie komplettieren das Bild des Friedens, das dem Verfasser wichtig ist: Der Leser lernt den Ort der Handlung ihre Figuren kennen und wird gleichzeitig ein wenig eingelullt.
Plötzlich kippt die Stimmung um. Nachträglich ist es möglich, diesen Moment im Text wiederzufinden: Birkin zieht die Samthandschuhe aus. Misstöne ziehen in das harmonische Geschehen ein, und sie werden stetig schriller. Unbehaglich verfolgt der Leser die Entstehung einer Situation, die nicht nur unerwartet, sondern auch unaufhaltsam ist. Die Normalität entpuppt sich als Fassade, hinter der sich höllische Abgründe auftun.
Der Höhepunkt ist fast schon identisch mit dem Finale. Birkin kennt nun keine Zurückhaltung mehr, er schont um des Effektes wegen weder Babys noch schwangere Frauen, schändet Leichen oder pumpt allzu vertrauensselige Touristen blutleer. Es wird brutal, blutig und oft schlicht widerlich. Der Kontrast zur Vorgeschichte könnte – und soll – nicht größer sein. Macht Birkin es richtig, fühlt sich der Leser nicht nur unterhalten. Geschichten wie „Das Gottesgeschenk“, „Bello“ und vor allem „Das Kinderfest“ hinterlassen zudem ein deutliches Gefühl des Unbehagens.
Ein solcher Doppel-Erfolg gelingt naturgemäß selten, zumal Birkin nicht nur oder immer erschrecken will. „Lot’s Weib“ oder „Der Gott der Zuflucht“ sind „nur“ Geschichten mit böser aber lustiger Auflösung. Mit „So bleich, so kalt, so tot“ oder „Eine faszinierende Schönheit“ schafft Birkin den Spagat zwischen Vorbereitung und Final-Effekt nicht; der eine ist in seiner Absurdität zu unglaubhaft, und der andere lässt das Intrigen-Opfer dem Wahnsinn verfallen, was zu vielen schlechten Autoren als billiger Ausweg dient.
|Andere Zeiten, andere (Un-) Sitten|
Vielleicht sollte man besser von „politisch unkorrekten“ Untaten sprechen, denn zu den Exzessen des Splatterpunks späterer Horror-Jahre klafft doch eine deutliche Lücke. Bekanntlich gibt es einen angelsächsischen, d. h. gleichzeitig schwarzen und trockenen Humor. Berühmt sind die Briten auch für ihr Talent, selbst Schreckliches deutlich aber trotzdem zurückhaltend darzustellen. Als „So bleich, so kalt, so tot“ 1970 erschien, war Charles Birkin seit vier Jahrzehnten im Literaturgeschäft. Obwohl er sich sichtlich bemüht, die Gegenwart in seine Geschichten einfließen zu lassen, wirken kurze Momente sexueller Offenherzigkeit etwas bemüht und aufgesetzt. Auf diese Art zu schockieren ist Birkins Ding eindeutig nicht.
Auch sonst stammt er nicht aus dem „Swinging London“ der späten 1960er Jahre. In Birkins literarischer Welt ist ein uneheliches Kind noch ein gesellschaftliches Todesurteil. Dies muss man verstehen, um die Verbissenheit zu begreifen, mit der sich die beiden weiblichen Protagonisten in (und um) „Gideon“ streiten oder Jacqueline in „Eine faszinierende Schönheit“ notfalls durch Mord Hindernisse auf dem Weg zur „ehrbaren“ Ehefrau ausräumt.
Ohnehin mögen feministisch engagierte Leser/innen über manche Geschichte die Stirne runzeln. Um 1970 steckte die Gleichberechtigung noch in den Kinderschuhen, wofür der Verfasser (sicherlich unfreiwillig) zahlreiche Belege liefert. Dies ist aber nur ein Indiz dafür, dass die Schauergeschichte à la Charles Birkin veraltet ist. Sie hat im 21. Jahrhundert ihre Relevanz verloren und an Schockwirkung eingebüßt. Nichtsdestotrotz gefällt Birkin durch die Kunstfertigkeit, mit der er die Worte zu setzen weiß, mit denen er sein Publikum erst einlädt, um es schließlich in Angst & Schrecken zu versetzen!
_Autor:_
Sir Charles Lloyd Birkin (geb. 1907), ab 1942 „5th Baronet of Ruddington Grange in the County of Nottingham“, studierte als Spross eines (allerdings nicht sehr alten) Adelsgeschlechtes standesgemäß in Eton und kämpfte mit seinem Regiment – den „Sherwood Forresters“ – im Zweiten Weltkrieg.
In den frühen 1930er Jahren gab Birkin für den Verlag Philip Allan zahlreiche Anthologie-Bände der berühmten „Creeps Library“ heraus. Unter dem Pseudonym „Charles Lloyd“ schrieb er selbst für diese Reihe. Seine Geschichten stehen den „contes cruels“ („Schauergeschichten“) des 19. Jahrhunderts näher als dem „richtigen“ Horror und setzen auf einen sorgfältig vorbereiteten, drastischen Schlusseffekt.
In den 1960er und 70er Jahren wurde Birkin erneut schriftstellerisch und als Herausgeber aktiv. Inzwischen verheiratet, verbrachte er seine späteren Lebensjahre in Sulby auf der Insel Man. Dort ist er 1985 gestorben.
|Taschenbuch: 126 Seiten
Originaltitel: So Pale, So Cold, So Fair (London : Tandem 1970)
Übersetzung: Jutta von Sonnenberg
Deutsche Erstausgabe: 1972 (Wilhelm Heyne Verlag/Heyne Allgemeine Reihe 01/947)
ASIN: B0027TPE1C|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de
In der US-Militärakademie West Point geht es um. Zwei Psychologen und ihr Team gehen dem Spuk mit moderner Technik auf den Grund. Sie stoßen auf eine nie geklärte Tragödie, die seit anderthalb Jahrhunderten fortlebt und auch für moderne Zeitgenossen höchst gefährlich werden kann … – Ambitionierter und in seinen phantastischen Szenen wirkungsvoller Thriller, dessen Unterhaltungswert sehr unter den für die Handlung kaum relevanten aber extensiv ausgewalzten Konflikten der Hauptfiguren leidet: im Ganzen enttäuschend, weil Thema verfehlt! Timothy R. O‘Neill – Das Grau der Hölle weiterlesen →
Diese zwölf Geschichten präsentieren Phantastik in formaler und sprachlicher Vollendung. Auf oft nur wenigen Seiten verfremdet der flämische Verfasser die Realität und kreiert ebenso spannende wie erschreckende Zwischenwelten, die trotz ihrer Drastik der Imagination des Lesers viel Raum lassen: eine wunderbare & wundersame Herausforderung!
|Das Storchenhaus| („Storchhaus ou la maison des cigognes“, 1961), S. 7-21: Das uralte Haus nimmt seine Bewohner gern – und buchstäblich – in sich auf …
|Die Nacht von Camberwell| („La nuit de Camberwell“, 1925), S. 22-25: Nur knapp entkam er mörderischen Einbrechern, doch in welchem Haus fand das nächtliche Feuergefecht eigentlich statt …?
|Die Geschichte des Wûlkh| („L’histoire du Wûlkh“, 1943), S. 26-37: Der berühmte Jäger überhört auf der Spur seiner größten Beute die Stimme der Vernunft …
|Die seltsamen Studien des Dr. Paukenschlaeger| („Les étranges études du Dr. Paukenschlaeger“, 1925), S. 38-44: Als dem Forscher der Durchbruch in eine fremde Dimension gelingt, hat man dort schon sehnlich – und hungrig – auf ihn gewartet …
|Mondköpfe| („Têtes-de-lune“, 1961), S. 45-53: An einem seltsamen Kindheitstag blieb das Leben des Kapitäns „hängen“ und erschöpft sich in ewiger und grotesker Wiederholung …
|Die Bank und das Tor| („Le banc et la porte“, 1964), S. 54-56: Die Schrecken der Kindheit kehren zurück und holen einen Mörder, der das Gesetz täuschen konnte …
|Smith, wie die meisten Leute| („Smith, comme tout le monde“, 1964), S. 57-60: Zu seinem Pech durchdenkt Mr. Smith die Konsequenzen nicht, als er entdeckt, wie böse Gedanken sich materialisieren können …
|Der „Tesseract“| („Le ‚Tesseract'“, 1964), S. 61-69: Das Ding aus der vierten Dimension erfüllt seinen Findern Wünsche, wobei es allerdings Wunschträume nicht von Albträumen unterscheiden kann …
|Der schwarze Spiegel| („Le miroir noir“, 1943), S. 70-88: Der Zauberspiegel sorgt für Reichtum und Schutz, bis das, was in ihm wohnt, die Rechnung stellt …
|Der letzte Reisende| („Le dernier voyageur“, 1932), S. 89-99: In der Nacht holt der Tod sein aktuelles Opfer; einen erschrockenen Zeugen will er gleich mitnehmen …
|Das große Notturno| („Le grand nocturne“, 1942), S. 100-134: Zwischen dem Hier und dem Nichts existiert das Reich des großen Notturno, der sehnliche Wünsche wahr werden lässt, wofür er aber einen hohen Preis verlangt …
|Die Straße des verlorenen Kopfes| („La rue de la Tête-Perdue“, 1938), S. 135-187: Als in einer englischen Kleinstadt biedere Bürger erst verschwinden, um später weit entfernt grässlich entstellt und tot wieder aufzutauchen, ruft dies den berühmten Detektiv Harry Dickson auf den Plan, der einen wahrhaft dämonischen Täter stellt …
_Die Faszination des schwer Verständlichen_
Normalerweise ist dieser Rezensent kein Freund der gänzlich realitätsfernen Phantastik. Natürlich verblüfft diese Aussage erst einmal, sind doch das Jenseits und seine spukhaften Bewohner generell alles andere als alltäglich. Aber die meisten Gruselgeschichten bedienen sich einer recht stringenten, chronologisch korrekten und „logischen“ Handlung. Die Medaille hat ohnehin zwei Seiten, wie eine zweite Frage belegt: Wie kann der Mensch in Worte fassen, was sich seinem Verständnis entziehen müsste? Und gerade dies ist eine Herausforderung, der sich Jean Ray einfallsreich stellt.
Es gibt verschiedene Möglichkeit, das Übernatürliche fremd wirken zu lassen und doch den Kontakt zum Leser zu schließen. Rays moderne „contes fantastiques“ wurzeln in der Realität, aber dort bleiben sie (wie in „Der schwarze Spiegel“ oder „Der letzte Reisende“) kurz und selten. Meist behält die Wirklichkeit nur wenige Zeilen die Oberhand. Nach und nach schleicht sich das Irreale ein, sorgt für erste Irritationen, hebelt die Erfahrung des Lesers, die ihm gleichzeitig Sicherheit gibt, heimlich (und herrlich heimtückisch) aus und stürzt ihn gemeinsam mit dem oder den Protagonisten in eine seltsame, nicht einmal klassisch gefährliche, sondern vor allem unbekannte und angsteinflößende Welt.
|Im Konflikt mit verdrängten Ängsten|
Dieser Übergang gelingt Ray sicherlich am elegantesten in „Das große Notturno“. In dieser längeren Erzählung wird außerdem deutlich, wie der Verfasser mit dem schwer verständlichen Geschehen die aus den Fugen geratene Seelenwelt der Hauptfigur spiegelt. Mit jenen Grundängsten, die dem Protagonisten oft nur dunkel oder gar nicht bewusst sind, beschäftigt sich Ray immer wieder.
Manchmal ist die Verbindung unmittelbar. In „Die Bank und das Tor“ nehmen Kindheitserinnerung Gestalt an und ziehen einen Mörder zur Verantwortung. „Der schwarze Spiegel“ des Dr. Dee ist nicht nur das Instrument, mit dem sich sein Besitzer ein neues Leben erzwingt, sondern wird auch zum Schlüssel, mit dem man sich Zugang zu einer Handlung verschaffen kann, die vergleichsweise genrekonform verläuft aber dennoch für Ray typisch nie eine echte Erklärung für das Geschehen bietet: Die Interpretation bleibt dem Leser überlassen.
Oft ist der Weg zum Verständnis steiniger. Über eine nur kurze Geschichte wie „Smith, wie die meisten Leute“ muss der Leser schon einige Zeit nachdenken, bis sie sich ihm erschließt. Ähnlich komplex sind „Die Geschichte des Wûlkh“ oder „Mondköpfe“. Hier wird Rays Konzept einer zeitlosen, traumähnlichen und regelfreien Zwischenwelt besonders deutlich. Sie existiert neben oder sogar in der Realität. Die meisten Menschen nehmen sie niemals wahr. Zufälle („Die Nacht von Camberwell“), ungute Neugier („Die seltsamen Studien des Dr. Paukenschlaeger“, „Der ‚Tesseract'“) und vor allem geistig-seelische Ausnahmezustände und Krisen lassen die Barriere aufweichen und zusammenbrechen, Welten oder Dimensionen vermischen sich: Es treffen sich „schlimme Zeiten, böse Orte“, wie Stephan Berg 1991 sehr prägnant seine gleichnamige Untersuchung über „Zeit- und Raumstrukturen in der phantastischen Literatur des 20. Jahrhunderts“ betitelte.
|Klare Worte für das Unaussprechliche|
Die Konfrontation mit dem Unbekannten wirkt umso dramatischer, weil Ray sie in vergleichsweise klarer Sprache quasi wie ein Dokumentarist schildert; „unerklärte, unheimliche Vorgänge, meist von einer sehr grotesken und skurrilen Natur, werden nüchtern als Tatsachen geschildert“, fasst es Franz Rottensteiner im Klappentext zur „Storchenhaus“-Sammlung zusammen.
Diese Nüchternheit wird nicht nur durch das Bizarre des Geschehens verstärkt, sondern von Ray durch eine an Charles Dickens erinnernde, ungemein humorvolle Gemütlichkeit in seinen idyllischen, von der Zeit übersehenen, wie aus einem früheren Jahrhundert stammenden Schauplätzen und Figuren konterkariert. Hinzu kommt Rays Hang zum Grellen und Drastischen („Der Eisenstab war … pfeifend wie ein Geschoss durch die Luft gesaust und hatte getroffen. Baxter-Brown hatte sich noch immer nicht geregt, als der andere bereits zusammengebrochen war und sein Blut in großen Wellen aus dem Kopf strömte …“, in: „Der schwarze Spiegel“, S. 81) und oft an die Splatter-Effekte moderner Horrorfilme erinnert („Er verschwand in einer Flut von Speichel und Säure“, in: „Das Storchenhaus“, S. 18).
|Zwischen Sherlock Holmes und Fox Mulder|
Eine gewisse Ausnahmestellung nimmt in dieser Sammlung die Novelle „Die Straße des verlorenen Kopfes“ ein. Sie erschien ursprünglich als Nr. 176 von insgesamt 178 Heft-Romanen, die zwischen 1929 und 1938 die Abenteuer des Sherlock-Holmes-Klons Harry Dickson erzählten. Ray übersetzte die ursprünglich in Deutschland entstandenen und bereits vorliegenden Hefte für den belgischen und französischen Markt. Unzufrieden mit der Qualität dieser Vorlagen, ging Ray schon 1930 dazu über, sie zu bearbeiten. Zwei Jahre später verfasste er eigene Dickson-Abenteuer und hielt die Serie allein bis 1938 in Gang.
„Die Straße des verlorenen Kopfes“ ist gleichzeitig reines Unterhaltungsprodukt und echter Jean Ray. Harry Dickson lebt und ermittelt in einer irrealen Welt. Eher oberflächlich bedient er sich der bekannten kriminologischen Methoden; er ermittelt in Fällen, die das gesamte Spektrum der trivialen Phantastik umfassen. Die Umtriebe verrückter Wissenschaftler, Außerirdischer oder wie hier reinkarnierter Dämonen sind völlig normal in Dicksons Welt. Ray kreiert keine große Literatur, aber er spielt hemmungslos mit den Genres und spinnt ein logisch oft schwer nachzuvollziehendes aber unterhaltsames Garn, das die Liebe des Verfassers zu einer Arbeit, die ihm nicht nur Job war, deutlich ahnen lässt und wohl auch deshalb heute noch fasziniert.
Deshalb ist es nicht nur doppelt, sondern dreifach schade, dass Jean Ray zumindest in Deutschland nie aus seiner Nischenposition entkommen konnte. Nur ein verschwindend geringer Teil seines Werkes ist hierzulande erschienen. Für „Das Storchenhaus“ hat Herausgeber Kalju Kirde (1923-2008) Geschichten herausgesucht, die repräsentativ für Rays Werk sind. Er hat klug gewählt, denn davon wünscht sich der Leser mehr!
_Autor:_
Nach eigener Auskunft war Raymundus Johannes Maria Kremer ein Abenteurer, Weltreisender, Schmuggler, Pirat, was man ihm nach der Lektüre seiner farbenprächtigen, schnurrigen, quicklebendigen Geschichten gern glauben möchte. Allerdings stimmt kein Wort davon; der vermeintliche Tausendsassa hat seine belgische Heimatstadt Gent, in welcher er am 8. Juli 1887 ins kleinbürgerliche Milieu geboren wurde, kaum verlassen. Nach gescheitertem Studium arbeitete er ab 1910 für die Stadtverwaltung, 1919 wurde er Journalist.
Als Schriftsteller entwickelte sich Kremer zu einem ungemein fleißigen Autor. Sein Œvre lässt sich dreiteilen. Da gab es Jean Ray, den Autoren unzähliger (französischsprachiger) Kurzgeschichten, die sich dem phantastischen Genre zuordnen lassen. Als „John Flanders“ oder unter einem anderen seiner zahlreichen Pseudonyme schrieb Kremer – in flämischer Sprache – Abenteuerromane für eher jugendliche Leser, aber auch etwa 300 Storys mit starken Science-Fiction- und Fantasy-Elementen. Schließlich war Kremer noch der ungekrönte, wenn auch anonyme König des belgischen Heftromans, für den er die unglaublichen Abenteuer des Detektivs Harry Dickson in Serie spann.
Trotz seines gewaltigen literarischen Ausstoßes gilt Raymundus de Kremer als einer der Großen der europäischen Phantastik. Vor allem die in den 1940er Jahren entstandenen Geschichten und Romane werden von der Kritik gelobt. In den 1950er kehrte Kremer in die Minen der Trivial-Unterhaltung zurück. Vor dem endgültigen Versinken in obskure Anonymität bewahrte ihn die Neuveröffentlichung seiner Hauptwerke, doch das breite Publikum registrierte es nicht, als Kremer am 17. September 1964 im Alter von 77 Jahren starb.
Über Kremers Leben und Werk informiert ausführlich diese (französischsprachige) Website: www.noosfere.com/heberg/jeanray
Taschenbuch:. 188 Seiten
Originalzusammenstellung (ausgewählt von Kalju Kirde)
Übersetzung: Hilde Linnert u. Willy Thaler
Dt. Erstveröffentlichung: Januar 1986 (Suhrkamp Verlag/TB Nr. 1299 = Phantastische Bibliothek Nr. 182)
ISBN-13: 978-3-518-37799-4
www.suhrkamp.de
Böse Gespenster kommen über allzu neugierige Zeitgenossen. Auch Unschuld schützt vor solcher Heimsuchung nicht, sodass sich die geplagten Seelen allerlei einfallen lassen müssen, um – vielleicht – davonzukommen: Zehn klassische Geschichten definieren in der perfekten Balance von Gruselspannung und Humor das Genre „Ghost Story“:
|Der Schatz des Abtes Thomas| („The Treasure of Abbot Thomas“, 1905), S. 7-30: Wer sein Gold einst finde, den beneide er nicht, hinterließ der Abt eine Warnung; viele Jahre später erkennt ein Schatzsucher, was – und wen – Thomas meinte …
|Ein Herzensvetter| („Lost Hearts“, 1905), S. 31-43: Der freundliche Verwandte hegt böse Pläne, als er seinen verwaisten Vetter aufnimmt, doch zwei bereits früher hässlich geendete Hausgäste machen ihm einen Strich durch die Rechnung …
|Ibi cubavit Lamia| („An Episode of Cathedral History“, 1919), S. 44-65: Als die alte Kirche renoviert wird, stoßen die Bauarbeiter im Inneren auf ein Grab, das sie besser ungestört gelassen hätten …
|Das Puppenhaus| („The Haunted Doll’s House“, 1925), S. 66-81: Was einst Grässliches unter dem Dach des Vorbildes geschah, wiederholt sich nun im verfluchten Puppenhaus als mitternächtliches Miniatur-Drama …
|Das Vermächtnis des Kanonikus Alberic| („Canon Alberic’s Scrapbook“, 1905), S. 82-96: Wen der gar nicht fromme Kirchenmann einst aus der Hölle zitierte, haust noch heute in seiner Kirche, weshalb man wissen sollte, wie man ihm aus dem Weg geht …
|Eine Pfadfinder-Geschichte| („Wailing Well“, 1931), S. 97-111: Als er trotz eindringlicher Warnung ein verfluchtes Wäldchen betritt, erfährt der ungehorsame Knabe, dass Gespenster weniger nachsichtig als Erwachsene sind …
|Der Eschenbaum| („The Ashtree“, 1905), S. 112-129: „Es werden Gäste sein auf Castringham Hall“, kündigt die Hexe unter dem Galgen an, und die haben es auf den Richter und seine Nachfahren abgesehen …
|Drei Monate Frist| („Casting the Runes“, 1911), S. 130-156: Der reizbare Amateur-Historiker pflegt Kritiker mit einem tödlichen Fluch zu belegen, aber dieses Mal gedenkt sein Opfer, es ihm mit gleicher dämonischer Münze heimzuzahlen …
|Das Chorgestühl zu Barchester| („The Stalls of Barchester Cathedral“, 1911), S. 157-176: Als der alte Amtsvorgänger nicht sterben will, hilft der Nachfolger ungeduldig nach; zu seinem Pech ruft die böse Tat unheimliche Rächer auf den Plan …
|Liber nigrae peregrinationis| („Count Magnus“, 1905), S. 177-194: Auch im Tod sollte man Magnus fürchten, denn noch immer hasst er Störenfriede und hetzt ihnen hinterher, was ganz sicher nicht von dieser Erde ist …
_Wer zu tief schürft, trägt die Folgen!_
Eigentlich sind es harmlose Zeitgenossen, die zudem zufällig dorthin geraten, wo sie ganz sicher nie landen wollten: im Reich der Gespenster, zumal diese sich von ihrer besonders unerfreulichen Seite zeigen. Sie sind böse, heimtückisch und nachtragend. Ihnen zum Opfer fallen allzu forschungseifrig Bücherwürmer, Kirchenmänner und sogar Jugendliche, die nur altersbedingt gegen die Regeln von Zucht & Ordnung verstoßen: Die Gespenster des M. R. James kennen keine Gnade!
Eher zufällig trifft es den hinterhältigen Mr. Abney („Ein Herzensvetter“), den kritikerfeindlichen Mr. Carswell („Drei Monate Frist“), den selbstgefälligen Junker Fell („Der Eschenbaum“) oder den scheinheiligen Archidiakon Haynes („Das Chorgestühl zu Barchester“), die tatsächlich Verbrechen begehen. Aber selbst mit diesen Schurken hat der Leser Mitleid, denn die Strafe für ihr unchristliches Tun ist ausnahmslos schrecklich.
Mit einiger Sicherheit ist zu erwarten, dass nicht einmal der grausige Tod ein Ende dieser Strafe bringt. Im Fall des vorwitzigen Pfadfinders Stanley Judkins („Eine Pfadfinder-Geschichte“) wissen wir es sogar genau: Er muss sich denen zugesellen, die ihm das Leben nahmen, und ist in Zukunft ebenso gefährlich für zukünftig allzu Neugierige!
|Horror mit Humor|
Gerecht geht es bei M. R. James also nicht zwangsläufig zu, und seine Gruselgeschichten enden keineswegs automatisch mit einer lehrreichen Moral. Dazu nahm der Verfasser die Geisterwelt nicht ernst genug. Ob James dennoch an Geister glaubte, blieb sein Geheimnis. Seine Storys bleiben ambivalent, denn sie werden mit viel schwarzem Humor dargeboten. „Eine Pfadfinder-Geschichte“ ist ganz offen als Horror-Komödie gestaltet, die zusätzlich ihren Scherz mit dem eigentlich zu erwartenden Schlussappell – Haltet euch an die Regeln! – treibt.
Auch sonst ist James immer für einen Seitenhieb gut. Wenn sich ehrwürdig aufgeblasene Kirchenfürsten gegen den Umbau einer Kirche sträuben, weil man anschließend sehen könnte, dass sie der Messe im Tiefschlaf beiwohnen, klingt das in „Ibi cubavit Lamia“ trügerisch harmlos so: „Andere wiederum bemängelten, sie würden dem Anblick der Kirchenbesucher preisgegeben sein, was, wie sie sagten, besonders während der Predigten unangenehm sein werde, denen die Domherren gern in einer Haltung lauschten, die zu Missverständnissen Anlass geben könnte.“ (S. 51)
Auf der anderen geht die Begegnung mit dem Übernatürlichen regelmäßig grimmig aus. Die Kunstfertigkeit, mit der James sein Garn spinnt, verbirgt durchaus plakative Grausamkeiten. Da werden Herzen aus dem Leib („Ein Herzensvetter“) oder gar Gesichter vom Schädel gerissen („Liber nigrae peregrinationis“), und in „Das Puppenhaus“ frisst der zum Zombie mutierte Großvater die an seinem Schicksal unschuldigen Enkelkinder. Wie im Märchen gibt James seinem Publikum, was es verlangt.
|Wie der Horror überlebte|
Dass sich das Vergnügen an Horror und Humor den deutschen Lesern gleichermaßen mitteilt, verdanken sie der kongenialen Übersetzung von Friedrich Polakovics. Während er seinen Hang zum künstlich antiquierten Ausdruck in anderen Story-Sammlungen manchmal bis zur Unerträglichkeit übertreibt, findet er hier stets den korrekten Tonfall. M. R. James schreibt zwar „nur“ Gruselgeschichten, aber er ist ein akademisch hochgebildeter Autor, der daraus keinen Hehl macht.
So wird „Der Schatz des Abtes Thomas“ durch ein halbseitiges lateinisches Zitat eingeleitet. (Keine Sorge – es wird übersetzt.) Das sorgte vor 100 Jahren nicht für Entsetzen, sondern wurde als Entscheidung des Verfassers zur Kenntnis genommen. Der ebenfalls des Lateinischen mächtige Leser – solche soll es sogar noch heute geben – erfährt den doppelten Lektürelohn, wenn er verfolgt, wie präzise und doch der Story angemessen James Sprachduktus und Inhalt des Mittelalters nachahmt.
|James-Grusel in anderen Medien|
In England werden die Geistergeschichten von M. R. James seit Jahrzehnten nicht nur als Klassiker verehrt und gelesen, sondern auch verfilmt. 1957 setzte Jacques Tourneur (1904-1977), ein Meister des „Film Noir“, die Story „Drei Monate Frist“ unter ihrem Originaltitel „Casting the Runes“ (dt. „Der Fluch des Dämonen“) um. Zwar wurde er vom Studio gezwungen, jene heraufbeschworene Kreatur, die er wie James ursprünglich nur andeuten wollte, per Filmtrick zu zeigen, aber es gelang Tourneur dennoch ausgezeichnet, die bedrückende Atmosphäre einer dämonischen Bedrohung in Bilder voller trügerischer Schatten umzusetzen.
M. R. James fand natürlich auch Eingang in die TV-Serie „Mystery and Imagination“, die zwischen 1964 und 1968 als angelsächsische Variante der „Twilight Stories“ in England entstand; verfilmt wurden aus unserer Sammlung „Drei Monate Frist“ und „Ein Herzensvetter“. Eine stimmungsvolle und mit 45 Minuten Länge nicht über Gebühr gestreckte Version von „Das Chorgestühl zu Barchester“ stammt aus dem Jahre 1971. Von 1974 bzw. 1975 datieren ähnlich auf das Wesentliche konzentrierte Verfilmungen von „Der Schatz des Abtes Thomas“ bzw. „Der Eschenbaum“.
Auch heute bilden James-Storys einen Grundstock vor allem für TV-Filme. 2000 schlüpfte niemand Geringerer als Christopher Lee in die Rolle von M. R. James und erzählte vier „Ghost Stories for Christmas“. Die derzeit letzte Version von „Ein Herzensvetter“ entstand erst 2007.
_Autor:_
Montague Rhodes James wurde am 1. August 1862 in Goodnestone, einer Kleinstadt in der englischen Grafschaft Kent, geboren. Als „Monty“ drei Jahre alt war, zog seine Familie nach Great Livermere in Suffolk um, dessen Landschaft ihn stark prägte und deren Naturdenkmäler und Altertümer später immer wieder in seinen Geistergeschichten auftauchten.
Rhodes‘ zweiter Lebensschwerpunkt wurde die Universitätsstadt Cambridge. Nach einem Intermezzo in Eton studierte er hier am King’s College antike und mittelalterliche Geschichte und spezialisierte sich auf alte Schriften und Sprachen. Nachdem er seinen Abschluss gemacht hatte, bot ihm das King’s College eine Anstellung an. Rhodes bewährte sich als Dozent und Wissenschaftler. 1905 wurde er zum Direktor („provost“) ernannt. Diese Stelle hatte er 13 Jahre inne, bevor er in die entsprechende Position ans Eton College wechselte, wo er 1936 im Amt starb.
M. R. James‘ Einfluss auf die (britische) Phantastik kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Schon zu Lebzeiten schätzten ihn nicht nur seine Leser. Berühmte Kollegen äußerten sich lobend über sein Werk. Zu ihnen zählten der überaus kritische H. P. Lovecraft (1890-1937) oder Clark Ashton Smith (1893-1961).
Darüber hinaus wurde James zum Vorbild für andere Autoren, die „Ghost Stories“ in seinem Stil schrieben. Die erste Generation bildeten Mitglieder der „James-Gang“, die der Schriftsteller vor allem in seinen Eton-Jahren um sich scharte. Viele dieser Pastiches sind zu Recht vergessen, während andere dem Vorbild nicht nur nahe kommen, sondern es reizvoll neu interpretieren.
|Taschenbuch: 195 Seiten
Übersetzung: Friedrich Polakovics
Dt. Erstveröffentlichung (geb.): 1970 (Insel Verlag)
[keine ISBN]
Als Taschenbuch: 1979 (Suhrkamp Verlag/TB Nr. 540 = Phantastische Bibliothek Nr. 32)
ISBN-13: 978-3-518-37040-7|
[www.suhrkamp.de]http://www.suhrkamp.de
_Montague Rhodes James bei |Buchwurm.info|:_
[„Dreizehn Geistergeschichten“ 5690
Vor zwölf Jahren war Paul Seaton aus London ein junger Journalist auf dem Weg nach oben. Auch privat hatte er sein Glück in Gestalt der Studentin Lucinda gefunden. Der Untergang kam, als Seaton sich entschloss, seiner Freundin bei einer schwierigen biografischen Recherche zu unterstützen. Lucinda schrieb an ihrer Abschlussarbeit über die hochtalentierte aber in Vergessenheit geratene Fotografin Pandora Gibson-Hoare, die ihrem kurzen Leben 1937 in der Themse ein Ende setzte. Wider Erwarten fand Seaton bisher unbekannte Aufzeichnungen, in denen Pandora von nie entdeckten und sorgfältig versteckten Fotografien schrieb, deren Auffinden eine Sensation bedeutet hätte.
Unklugerweise schenkte Seaton jenen Kapiteln von Pandoras Tagebuch, in denen sie schilderte, wie sie in einen Zirkel hochrangiger Satanisten geriet, nicht die gebührende Aufmerksamkeit. Seaton glaubte nicht an Schwarze Magie und wagte sich deshalb in das berüchtigte Fischer House, das einst dem Anführer dieser Gruppe gehörte und seit vielen Jahren leerstand. Dort entkam er nur knapp einer mörderischen Kreatur und erregte die Aufmerksamkeit von Klaus Fischer und seinen bösen Genossen, die zwar tot aber keineswegs im Jenseits verschwunden waren. Lange saßen die Geister Seaton im Genick. Sie zerstörten sein berufliches und privates Leben, bis sie endlich das Interesse an ihm verloren. Seitdem lässt Seaton sich treiben.
Nun sucht ihn der Therapeut Malcolm Covey mit einer dringenden Bitte auf: Fünf Forscher haben das Fischer House aufgesucht und dessen Geister geweckt. Ein junges Mädchen ist bereits tot, die anderen „Gäste“ kämpfen mit dem Wahnsinn. Seaton, der dem Schrecken einst entrann, soll sich ihm neuerlich stellen, um die neuen Opfer zu retten. Dies abzulehnen ist unmöglich, denn Fischer hat von Seatons Mission erfahren und nimmt freudig die Herausforderung an …
_Klassischer Spuk – endlich wieder einmal!_
In einem Meer – vielleicht sollte man besser von einem bösen, saugenden Sumpf sprechen – nur unfreiwillig schrecklicher Vampir-Schmonzetten darf ein „richtiger“ Grusel-Roman heutzutage mit Vorschusslorbeeren rechnen. Zwar wird auch „Im Haus des Bösen“ geliebt, aber immerhin nicht geschmachtet. Noch wichtiger: Das Übernatürliche gerinnt nicht zur Wunschprojektion unerfüllter Träume, sondern ist ein rundum unerfreulicher Ort mit ebensolchen Bewohnern.
Diese dürfen sogar düstere Prominenz für sich beanspruchen: Zwar gab es in der historischen Realität keinen Klaus Fischer, doch zu seinen Gästen (und Jüngern) gehörten laut F. G. Cottam ebenso illustre wie berüchtigte Gestalten: der Okkultist und „Magicker“ Aleister Crowley (1875-1947), der Schriftsteller Dennis Wheatley (1897-1977), der britische Faschistenführer Oswald Mosley (1896-1980) und der Nazi-Bonze Hermann Göring (1893-1946). Ihnen dichtet Cottam einen geheimen und unentdeckt gebliebenen Pakt mit dem Teufel an, der ihnen im Tausch für ihre Seelen Macht und Reichtum garantierte.
Akkurat wie die Vergangenheit und ihre Protagonisten lässt Cottam die klassische Geistergeschichte der 1920er Jahre aufleben. Deshalb verzichtet er auf plakative Gräuel. Seltsames und Erschreckendes ereignet sich gern (aber nicht nur; keine Sorge!) an den Rändern des Blickfelds oder zwischen den Zeilen. Der Erzählton ist ernst und dem Geschehen angemessen, das ohne die heute so beliebte Ironie eine bitterernste und oft traurige Geschichte darstellt, die mehr als ein Dreivierteljahrhundert abdeckt.
|Ebenfalls klassisch: das Figurenpersonal|
Autor Cottam plant nicht, dem Genre einen Schrittmacher zu schaffen, um es in „die Gegenwart“ zu hieven, was Literaturkritiker immer wieder fordern, ohne dass ihnen selbst klar zu sein scheint, wie das realiter funktionieren könnte. „Im Haus des Bösen“ ist Retro-Horror der gediegenen Art. Die bekannten Elemente funktionieren heute so gut wie gestern, also bedient sich Cottam ihrer. Abgestaubt werden sie nicht, zumal die Handlung sich meist ohnehin in der Vergangenheit abspielt. (Wenn die Handlung in die 1980er Jahre springt, liest sich Cottams Wiederbelebung dieser Ära ebenfalls authentisch. Der Verfasser greift hier auf die eigene Biografie zurück; wie Paul Seaton startete Cottam nach 1980 in eine Journalistenlaufbahn.)
Also haben wir das große, dunkle, alte Haus, in dem sich Schreckliches ereignete, das sich in den Wänden buchstäblich eingenistet hat und auf jene wartet, die sich neugierig oder einfach nur dumm hineinwagen. Dazu passt ein überlebensgroßer Schurke, der zwar tot aber deshalb umso schauderhafter ist. Ihm zur Seite stehen diverse Untergeister, die sich mit eigenen Bosheiten der „menschlichen“ Hauptfigur in den Weg stellen, damit das finale Duell zwischen diesem und besagtem Bösewicht nicht gar zu früh stattfinden muss.
Besagter Held ist zwar in der Minderzahl, steht jedoch nicht allein. Das macht ihn umso verwundbarer und sorgt für dramatische Momente, wenn die Teufelsbrut einen der „guten“ Spieler vom Feld nimmt. Cottam wandelt dieses Klischee – nennen wir es ruhig so, denn nicht immer trägt dieser Ausdruck negative Züge – insofern ab, als er Lucinda nur als Katalysator für das eigentliche Grauen einsetzt und Seaton schon recht früh der mondänen Pandora verfallen lässt, die in der Tat die interessantere Person (und Persönlichkeit) ist. Der Autor beherzigt eine Grundtugend der klassischen Geistergeschichte: Die Leser müssen die Figuren kennen und sie mögen (oder fürchten), damit sie an ihren Schicksalen Anteil nehmen.
|Irgendwas ging dennoch schief|
Trotz allen vielversprechenden Inputs ist „Im Haus des Bösen“ kein Roman, der sich seinen Lesern einprägt. Stattdessen kommt schon früh ein Gefühl der Enttäuschung auf. Cottam holt weit aus, um seinem Fischer House eine eindrucksvolle Geschichte zu verschaffen. Er erfindet ihr Figuren mit klingenden Namen (s. o.) und bettet sie (trotz einer eher laxen Charakterisierung, die auf dem Niveau reinen „name droppings“ verharrt) geschickt in die historische Realität ein. Der Glaube an das Okkulte war in Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in England auch und vor allem in den höheren Gesellschaftsschichten verbreitet (auch wenn der Teufel dort natürlich nur vereinzelt aktive Satanisten und Hexenmeister offiziell rekrutieren konnte, weil dies schlecht für den Ruf war).
Die Atmosphäre „stimmt“: Cottam weiß, was „unheimlich“ bedeutet, und er vermag es in entsprechende Worte zu fassen, kreiert eindrucksvolle Szenen, streut gut erfundene Anekdoten ein, deutet unaussprechliche Geheimnisse an, verliert sich in interessanten Details – und ehe man es sich versieht, sind zwei Drittel des Buches vorüber, ohne dass wirklich etwas geschehen ist!
Erst dann kommt Schwung in die Handlung, die jedoch den Versprechungen der gewichtigen Einleitung niemals gerecht werden kann. Vorher aufwendig eingeführte Figuren gehen sang- und klanglos über Bord. Die subtile Gemeinheit der Gespenster verwandelt sich in plumpes Kraft-Spuken. Jede Tür des Fischer-Hauses wird zum Portal in eine neue Visionen-Welt, in der aufwändig chiffriert wird, was sich nachträglich als ganz einfache Geschichte herausstellt.
Am Ende steht ein Sieg, der ebenso trivial erfochten wie unwahrscheinlich ist, wenn man sich noch einmal vor Augen führt, mit welchen Geschützen Fischer & Co. aufwarten konnten. Fast ein Jahrhundert haben sie Millionen an ihren Marionettenschnüren tanzen lassen, aber ausgerechnet Paul Seaton (im Bund mit einem geläuterten, schwer bewaffneten IRA-Terroristen) kann ihnen den Garaus machen? Das gibt die Figur einfach nicht her!
So ist „Im Haus des Bösen“ wieder einmal ein Buch, das in der Summe weniger gefällt als in seinen Einzelteilen. Cottam kennt das Genre, und er hat ein Gespür für bedrohliche und ambivalente Stimmungen. Was (noch) fehlt, ist die Komposition einer packenden Handlung. Weil sie fehlt, wollen die Elemente sich nicht zu einer stringenten Geschichte fügen.
_Autor:_
F. G. Cottam – 1957 als Francis Cottam in der englischen Grafschaft Lancashire geboren – studierte Geschichte an der University of Kent. Nach seinem Abschluss ging er nach London und wurde Journalist. Im Verlauf einer zwei Jahrzehnte währenden Karriere gab er u. a. das Herrenmagazin „FHM“, schuf das „Total Sport Magazine“ und betreute die britische Ausgabe des Magazins „Men’s Health“.
Ab 2001 wurde Cottam als Schriftsteller aktiv. In rascher Folge erschienen vier Historien-Thriller, in denen Ereignisse des II. Weltkriegs als Kulisse für abenteuerliche Unterhaltung dienten. Seit 2007 schreibt Cottam – nun als F. G. Cottam – Romane, die um übernatürliche Phänomene kreisen.
Mit seiner Familie lebt und arbeitet F. G. Cottam in Kingston upon Thames.
|Taschenbuch: 349 Seiten
Originaltitel: The House of Lost Souls (London : Hodder & Stoughton 2007)
Übersetzung: Rabanus Stern
Deutsche Erstausgabe: November 2009 (Deutscher Taschenbuch Verlag/Dtv 21178)
ISBN-13: 978-3-426-21178-9|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de
Nachdem die Zivilisation wieder einmal von Zombies überrannt wurde, flüchtet der junge Lamar hinaus auf das offene Meer, wo er sich sicher wähnt; er vergisst dabei, dass Untote nicht mehr ertrinken können und deshalb auf der Jagd keinen Unterschied zwischen Land und Wasser machen … – Drastischer, auf den Ekel-Effekt getrimmter Horror, der die Simpel-Handlung unter pausenlosen Zombie-Attacken zu verstecken versucht; die ungewöhnliche Kulisse sorgt dennoch für hirn- und kontextfreie Unterhaltung. Brian Keene – Totes Meer weiterlesen →
Mit zehn Kurzgeschichten und einer Novelle zielt der Autor nicht auf den Bauch-Grusel, sondern dringt – manchmal allzu behutsam aber eindrucksvoll und unsentimental – in die Schattenbereiche der menschlichen Seele vor:
– Das dreifache Band (The Threefold Cord, 1931), S. 7-20: Die schöne aber unheimliche Frau hat bereits den Großvater und den Vater in den Tod getrieben, und nun macht sie sich an den Sohn heran.
In 10 neoklassischen Kurzgeschichten beschwört der Verfasser wortreich und stimmungsvoll ein Grauen herauf, das in einer verdrängten und unbekannten Weltgeschichte wurzelt. Die Storys ähneln sich inhaltlich und neigen dort zur Detailfreude, wo Andeutungen effektvoller wären, sind aber in ihrer altmodischen Ernsthaftigkeit trotzdem unterhaltsam.
Inhalt:
– Der Nachkomme (The Survivor, 1954), S. 7-30: Nicht nur mit der Geduld des Krokodils ausgestattet, trotzt Dr. Charrieres seit Jahrhunderten dem Tod.
– Das Erbe der Peabodys (The Peabody Heritage, 1957), S. 31-55: Als Mr. Peabody pietätvoll das Gerippe seines Urgroßvaters im Sarg umdreht, wird uralter Hexenzauber neu belebt.
– Das Giebelfenster (The Gable Window, 1957), S. 56-74: Der Blick in fremde Welten fasziniert, bis deren unfreundliche Bewohner auf den heimlichen Beobachter aufmerksam werden.
– Der Vorfahr (The Ancestor, 1957), S. 75-90: Der Geist triumphiert über die Materie, aber reizt man diese dabei zu stark, schlägt sie irgendwann grausam zurück.
– Der Schatten aus dem All (The Shadow Out of Space, 1957), S. 91-112: Durch Raum und Zeit reist der entsetzte Erdenmann, als er sich unfreiwillig für einen uralten kosmischen Krieg rekrutiert sieht.
– Das vernagelte Zimmer (The Shuttered Room, 1959), S. 113-150: Was der Großvater gefangen hielt aber nicht vernichten konnte, wird vom ahnungslosen Enkel freigesetzt.
– Die Lampe des Alhazred (The Lamp of Alhazred, 1957), S. 151-161: Ihr Licht enthüllt Wunder und Schrecken, und einem Träumer weist sie den Weg in eine bessere Welt.
– Der Schatten in der Dachkammer (The Shadow in the Attic, 1964), S. 162-183: Was der böse Onkel dem Neffen als Erbe hinterließ, besucht ihn des Nachts in seinem Schlafzimmer.
– Die dunkle Brüderschaft (The Dark Brotherhood, 1966), S. 184-211: Sie sehen aus wie Edgar Allan Poe – und sie planen eine Invasion der besonders umständlichen Art.
– Das Grauen vom mittleren Brückenbogen (The Horror from the Middle Span, 1967), S. 212-233: Eine Flutwelle setzt frei, was bisher sorgfältig in seinem Mausoleum gefangen lag.
– Originaltitel & Copyright-Vermerke: S. 234
Unterhaltsam auf den Spuren des Meisters
Der deutsche Phantastik-Fan kennt August Derleth – falls ihm der Name überhaupt etwas sagt – höchstens als literarischen Nachlassverwalter des Grusel-Großmeisters H. P. Lovecraft (1890-1937). Derleth ist es zu verdanken, dass dieser schon lange jenen verdienten Ruhm erntet, der ihm zeitlebens verwehrt blieb. Doch Derleth war selbst ein fleißiger Autor. Seine Horrorgeschichten bilden einen vergleichsweise geringen Anteil an einem eindrucksvollen Gesamtwerk.
Weil Derleth sich hier jedoch stark an Lovecraft anlehnte und dessen Cthulhu-Zyklus durch eigene Beiträge vermehrte, wurde er primär durch seine Pastichés bekannt. Falsch aber folgerichtig erscheint die hier vorgestellte Sammlung unheimlicher Geschichten unter Erstnennung von Lovecrafts Namen. Sie entstammen jedoch allein der Feder Derleths, dessen Namen allerdings die Kundschaft längst nicht so lockt wie das Zauberwort „Lovecraft“.
Doch die in „Die dunkle Brüderschaft“ gesammelten Storys stellen mustergültig heraus, was die Phantastik Lovecraft verdankt, weil Derleth es zwar sehr gut kopieren aber nur ausnahmsweise nachschöpfen konnte. Vor allem Leser, die Lovecrafts Werk nicht kennen, sondern einfach für handfesten Grusel schwärmen, werden diese Einschränkung getrost ignorieren und ignorieren dürfen, denn eines sind Derleths Geschichten (bis auf eine Ausnahme: s. u.) garantiert: unterhaltsam!
Neugier bringt nicht nur die Katze um
Man sollte sie nach und nach lesen, denn auf diese Weise wird weniger offenbar, dass diese Storys recht einfallsarm einem bestimmten Muster folgen: Ein durchschnittlicher Zeitgenosse gerät durch Erbschaft, beruflich oder Zufall ahnungslos dorthin, wo düstere Mächte – oft in Gestalt zauberisch aktiver Vorfahren – kraftvoll ihr Unwesen trieben. Er (nie sie!) findet Spuren, die sein Interesse wecken und entsprechende Nachforschungen in Gang setzen. Das Resultat ist stets fatal: Längst vergangene Schrecken erweisen sich als höchst lebendig. Der unglückliche Forscher gerät in ihren Bann. Hat er Glück, kostet ihn die Erkenntnis, dass diese Welt keineswegs so funktioniert, wie es die ‚offizielle‘ Wissenschaft behauptet. ‚nur‘ seine geistige Gesundheit. Meist kommt es übler, wobei der Tod nicht einmal das schlimmste Schicksal darstellt.
Lovecraft postulierte eine von Derleth übernommene und ausgebaute (Universal-) Geschichte, die von der Existenz intelligenten Lebens weit vor der Entstehung des Menschen ausging. Kosmische Entitäten treiben ein Spiel, das der beschränkte menschliche Geist nur in Ansätzen begreifen kann: „Der Mensch ist schließlich nur eine kurzlebige Erscheinung auf dem Antlitz eines einzigen Planeten in einer der ungeheuren Welten, die das ganze All ausfüllen“ (aus: „Die dunkle Brüderschaft“, S. 108). Dieses rudimentäre Wissen wird immer wieder zur Quelle eines Entsetzens, das nicht nur auf offensive Attacken aus dem Jenseits, sondern auch auf ein Zuviel an Wissen zurückgeht, das der einzelne Mensch, der sich plötzlich buchstäblich mit einem ganzen Universum fremder und feindseliger Kreaturen konfrontiert sieht, nicht meistern kann.
Mit Jenseits ist hier übrigens nicht die Heimat der Toten gemeint. Derleth übernimmt Lovecrafts Prämisse eines Kosmos‘, dessen Raum und Zeit nicht stabil gefügt, sondern im Fluss sind. Die dem Menschen vertraute Realität bildet nur eine von unzähligen möglichen Welten, die zu allem Überfluss durch Dimensionsportale miteinander verbunden sein können. Obwohl diese Geschichten von Angst und Entsetzen erzählen, gründen sie nicht nur im Horror, sondern auch oder vor allem in der Science Fiction. Der Schrecken entsteht durch die absolute Fremdheit der kosmischen Wesen, deren Handeln womöglich nicht einmal böse im menschlichen Sinne, sondern primär unverständlich ist.
Schrecken aus zweiter Hand?
„Die dunkle Brüderschaft“ sammelt Geschichten, in denen August Derleth den Cthulhu-Mythos kommentierte und ergänzte. Er beschwört den Geist des Vorbilds und lässt ihn sogar mehrfach selbst auftreten (so als „Ward Phillips“ in „Die Lampe des Alhazred“ und als „Arthur Phillips“ in „Die dunkle Brüderschaft“). Derleth geht dabei Lovecrafts Imaginationskraft meist ab; er kopiert seinen Meister, den er freilich gut kennt. Der erfahrene Leser kann die Schnittstellen, d. h. die imitierten Vorlagen, leicht namhaft machen. „Der Schatten aus dem All“ ist beispielsweise eine Variation des Lovecraft-Kurzromans „Berge des Wahnsinns“.
Die älteren Geschichten lesen sich notabene besser als die Storys des ‚späten‘, schon nicht mehr gesunden und ausgelaugten Derleth. So ist die Titelstory „Die dunkle Brüderschaft“ ein missglücktes Werk, das zunächst stimmungsvoll an Lovecrafts Liebe zu den historischen Stätten Neuenglands erinnert, un plötzlich in eine Überfall-aus-dem-All-Plotte abzurutschen; Derleth kreiert dabei Invasoren, die es an Planungsdämlichkeit problemlos mit dem Bug-Eyed-Monster-Pärchen Kang & Kodos aus der TV-Serie „Die Simpsons“ aufnehmen. Auch was der finstere Onkel Uriah in „Der Schatten in der Dachkammer“ eigentlich plante, bleibt unklar; das abrupte Ende der Story legt nahe, dass der Verfasser es selbst nicht wusste.
Wagt es Derleth, sich wenigstens teilweise vom übermächtigen Lovecraft zu emanzipieren, gelingt ihm eigenständig Spannendes und Unheimliches. Mit „Das vernagelte Zimmer“ stellt er eine richtig gute Gruselgeschichte vor – ideenreich, effektvoll, sorgfältig getimt. Diesen August Derleth liest man gern; er weckt die Neugier auf Storys, die nicht dem Cthulhu-Mythos angehören. Diese fanden ihren Weg leider nur ausnahmsweise nach Deutschland, wo sie zudem über unzählige, längst vergessene Sammelbände verstreut und in der Regel nicht annähernd so nah am Original und so lesenswert übersetzt wurden wie die die Geschichten in „Die dunkle Brüderschaft“.
Autor
August William Derleth wurde am 24. Februar 1909 in Sauk City (US-Staat Wisconsin) geboren. Schon als Schüler begann er Genre-Geschichten zu verfassen; ein erster Verkauf gelang bereits 1925. Die zeitgenössischen „Pulp“-Magazine zahlten zwar schlecht, aber sie waren regelmäßige Abnehmer. 1926 nahm Derleth ein Studium der Englischen Literatur an der „University of Wisconsin“ auf. Nach dem Abschluss (1930) arbeitete in den nächsten Jahren u. a. im Schuldienst und als Lektor. 1941 wurde er Herausgeber einer Zeitung in Madison, Wisconsin. Diese Stelle hatte Derleth 19 Jahre inne, bevor er 1960 als Herausgeber ein poetisch ausgerichtetes (und wenig einträgliches) Journal übernahm.
Obwohl August Derleth ein ungemein fleißiger Autor war, basiert sein eigentlicher Nachruhm auf der Gründung von „Arkham House“ (1939), des ersten US-Verlags, der speziell phantastische Literatur in Buchform veröffentlichte. Der junge Derleth war in den 1930er Jahren ein enger Freund des Schriftstellers H. P. Lovecraft (1890-1937). Dass dieser heute als Großmeister des Genres gilt, verdankt er auch bzw. vor allem Derleth, der (zusammen mit Donald Wandrei, 1908-1987) das Werk des zu seinen Lebzeiten fast unbekannten Lovecraft sammelte und druckte.
Lovecraft hinterließ eine Reihe unvollständiger Manuskripte und Fragmente. Derleth nahm sich ihrer an, komplettierte sie in „postumer Zusammenarbeit“ und baute den „Cthulhu“-Kosmos der „alten Götter“ eigenständig aus. Die Literaturkritik steht diesem Kollaborationen heute skeptisch gegenüber. Als Autor konnte Derleth seinem Vorbild Lovecraft ohnehin nie das Wasser reichen. Er schrieb für Geld und erlegte sich ein gewaltiges Arbeitspensum auf, unter dem die Qualität zwangsläufig litt.
Solo war Derleth mit einer langen Serie mehr oder weniger geistvoller Kriminalgeschichten um den Privatdetektiv Solar Pons erfolgreich, der deutlich als Sherlock-Holmes-Parodie angelegt war. Insgesamt veröffentlichte Derleth etwa 100 Romane und Sachbücher sowie unzählige Kurzgeschichten, Essays, Kolumnen u. a. Texte; hinzu kommen über 3000 Gedichte.
Nach längerer Krankheit erlag August Derleth am 4. Juli 1971 im Alter von 62 Jahren einem Herzanfall. Zum zweiten Mal verheiratet, lebte er inzwischen wieder in Sauk City, wo er auf dem St. Aloysius-Friedhof bestattet wurde.
Taschenbuch: 234 Seiten Originaltitel: The Watchers Out of Time (Sauk City : Arkham House 1974) Übersetzung: Franz Rottensteiner http://www.suhrkamp.de
Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: (No Ratings Yet)
Band 1: [Ruf des Mondes]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4490
Band 2: [Bann des Blutes]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5091
Band 3: Spur der Nacht
Band 4: _Zeit der Jäger_
Patricia Briggs‘ Urban-Fantasy-Reihe um die junge Automechanikerin Mercedes Thompson – die trotz ihres Namens am liebsten VWs repariert – ist mittlerweile so erfolgreich, dass es sie auch als Comicadaption gibt. Wer Mercy trotzdem lieber in Romanform genießen möchte, sollte zum vierten Band der Erfolgsserie, „Zeit der Jäger“, greifen.
_Nachdem Mercy im_ Vorgängerband den Vampir Andre getötet hat, ist sie in großer Gefahr. Marsilia, die Herrin der Vampire in der Stadt, hat es auf sie abgesehen. Marsilia möchte die Walkerin, die sich in einen Koyoten verwandeln kann, lieber tot als lebendig sehen. Das führt wiederum dazu, dass das Werwolfrudel in Mercys Nachbarschaft – und vor allem dessen gutaussehender Alphawerwolf Adam – sich dazu berufen fühlt, sie zu beschützen. Als ihre alte Collegefreundin Amber aus dem benachbarten Spokane sie bittet, sie zu besuchen, weil sie glaubt, einen Geist in ihrem Haus zu haben, nimmt Mercy dankbar an.
Sie hofft, dass sich die Situation in den Tri-Cities beruhigt, wenn sie sich aus der Schusslinie begibt. Sie hat allerdings nicht damit gerechnet, dass ihr Aufenthalt in Spokane neuen Ärger bedeutet. Sie schafft es nämlich, die Aufmerksamkeit des einzigen Vampirs in der Gegend auf sich zu ziehen und dieser hat auch noch einen besonders brutalen Ruf …
_Den vierten Band_ der Mercy-Thompson-Reihe sollte man nach Möglichkeit nicht vor dem Einschlafen lesen. Erneut erzeugt die Autorin Spannung durch geschicktes Ränkeschmieden, ständige Gefahren und eine Storyline mit einem actionreichen Finale. Manchmal sind es zwar der Intrigen ein paar zu viele, die Geschichte wird undurchsichtig, doch am Ende entwirrt Briggs die einzelnen Fäden einigermaßen. Schade ist dabei jedoch der starke Fokus auf Vampire. Das Werwolfrudel, bei dem Mercy Anschluss gefunden hat, rutscht von Buch zu Buch immer mehr in den Hintergrund. Dabei hat sich die Reihe anfangs vor allem dadurch von Büchern desselben Genres abgesetzt.
Natürlich ist Mercy alleine dadurch, dass sie eine Walkerin und eine ziemlich toughe Frau ist, die sich nicht so einfach von attraktiven Untoten oder Werwesen um den Finger wickeln lässt, etwas Einzigartiges. Im vierten Band der Reihe ist sie mittlerweile so etabliert, dass sie über einzelne Makel in der Handlung hinweg helfen kann. Überhaupt bezieht das Buch viel Spannung durch das gut eingespielte Personenensemble. Die Vampire, Werwölfe und Feenwesen sind gut ausgearbeitet und meistens eine gute Mischung zwischen dem, was aus der Literatur bekannt ist und dem, was sich Briggs selbst ausgedacht hat. Charakteristisch ist, dass alle Figuren etwas verschlagen und intrigant sind. Es gibt kaum eine Person beziehungsweise ein Wesen in dem Buch, zu dem Mercy eine einfache Beziehung hat. Häufig gibt es Machtkämpfe oder stille Feindschaften. Das ist eine der Gründe, wieso es schwer fällt, „Zeit der Jäger“ ohne die vorherigen Romane zu lesen. Die Personenkonstellation entwickelt sich kontinuierlich weiter und das erschwert es, ohne Vorwissen in die Geschichte einzusteigen.
Der Schreibstil ist wie auch in den anderen Büchern ansprechend und leicht lesbar. Briggs bleibt recht nüchtern. Humor, der ein Markenzeichen vieler Urban-Fantasy-Bücher ist, wird hier nur dezent eingesetzt. Dafür legt die Autorin umso mehr Wert darauf, ihre Geschichte mit knappen Worten und ohne ausufernde Schilderungen spannend zu gestalten. Gelegentliche Einschübe, die Ereignisse aus den Vorgängerbänden nacherzählen, helfen dem Fan der Reihe, sich zu erinnern. Das sind aber auch die einzigen Plänkeleien, mit denen Briggs sich aufhält. Ansonsten geht sie schnell und präzise vor und fördert so die Spannung in der Geschichte noch zusätzlich.
_Unter dem Strich_ steht „Zeit der Jäger“ den Vorgängerbänden in punkto Spannung in nichts nach. Die Intrigen werden immer zahlreicher, Mercys Feinde ebenfalls – man darf auf die Folgebände gespannt sein.
|Taschenbuch: 398 Seiten
Originaltitel: Bone Crossed
Deutsch von Vanessa Lamatsch
ISBN-13: 978-3453525801|
http://www.heyne.de
http://www.patriciabriggs.com
_Patricia Briggs bei |buchwurm.info|:_
[Drachenzauber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3933
[Rabenzauber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4943
[Schatten des Wolfes (Alpha & Omega 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5926
Band 1: [„Der letzte Vampir“ 4613
Band 2: [„Krieg der Vampire“ 5894
Vampire sind einfach nicht tot zu kriegen, das muss auch Laura Caxton langsam einsehen. In David Wellingtons Debutroman „Der letzte Vampir“ war sie eher zufällig in eine Vampirjagd geraten, doch seither lassen sie die Blutsauger nicht mehr los. Im zweiten Teil musste sie schon gegen eine ganze Hundertschaft von Untoten antreten. Nur knapp war sie mit dem Leben davon gekommen, ihren Vampirjägerausbilder Arkeley hatte es jedoch erwischt: Um Caxtons Leben zu retten, hatte er sich einverstanden erklärt, selbst zum Vampir zu werden. Sein Versprechen, zurück zu kommen und sich von Caxton endgültig töten zu lassen, hat er allerdings nicht gehalten.
Der dritte Band der Reihe, „Vampirfeuer“, setzt zwei Monate nach den verheerenden Ereignissen von Gettysburg ein. Caxton hat mittlerweile ihre eigene Abteilung bekommen – die SSU, Special Subjects Unit -, die sich vor allem mit der Vampirbedrohung befassen soll. Klar, die Unit besteht eigentlich nur aus Caxton und ihrem Kollegen Glauer, klar auch, dass sie komplett unterfinanziert ist. Und trotzdem – Caxton ist jetzt die offizielle Stelle für Vampiraktivitäten aller Art. Ihr Hauptaugenmerk liegt allerdings darauf, endlich Arkeley zu finden und dingfest zu machen. Da kommt es ihr sehr ungelegen, dass sie zwar zu einem viel versprechenden Tatort gerufen wird, sich der böse Vampir aber am Ende als Emo-Teenager mit Schminke und angeklebten Elfenohren herausstellt. Caxton ist entnervt, doch Glauer vermutet hinter der Attacke mehr und macht sich über das Tagebuch des selbsternannten Vampirs Rexroth her.
Gleichzeitig tritt auch Arkeley wieder in Aktion. Offensichtlich gefällt ihm seine Vampirexistenz, obwohl er sich wohl einsam fühlt. Und so bietet er nacheinander den Mitgliedern seiner Familie an, sich ihm doch anschließen. Welches Muster er verfolgt, wird Caxton leider erst klar, als bereits zwei Familienmitglieder tot sind, weil sie Arkeleys großzügiges Angebot abgelehnt haben. Und so gilt es, seine verhuschte Tochter und seinen bockigen Sohn gegen ihren Willen vor den scharfen Reißzähnen ihres Herrn Papa zu beschützen.
„Vampirfeuer“ erscheint etwas gemäßigter als seine beiden Vorgänger. Zwar beginnt der Roman gleich mit einem Kracher – einer ordentlichen Vampirjagd, ein paar Toten und spritzendem Blut -, doch Wellington konzentriert sich diesmal über weite Strecken auf einen konventionellen Krimiplot: Caxton versucht verzweifelt, Arkeleys Versteck ausfindig zu machen und Wellington folgt ihren Schritten minutiös und lässt den Leser miträtseln, was der böse Vampir wohl als nächstes geplant hat. Solide Polizeiarbeit steht also im dritten Teil der Reihe im Vordergrund, doch natürlich wird diese auch regelmäßig von actionlastigen Szenen unterbrochen – ganz abgesehen davon, dass der Roman mit einem im wahrsten Sinne heißen Showdown endet.
Großen Wert legt Wellington auf die charakterliche Entwicklung seiner Heldin Laura Caxton. Ihre Beziehung zu Arkeley war nie eitel Sonnenschein, war nie von persönlicher Sympathie geprägt. Zu Beginn verurteilte Caxton Arkeley noch wegen seinen Wildwest-Methoden und wegen seiner Unfähigkeit, an etwas Anderes als an die Vampirjagd zu denken. Umso interessanter, dass Caxton nun immer mehr in seine Fußstapfen tritt, manchmal gar, ohne es selbst zu merken. Ihre Freundin Clara foppt sie damit jedoch nicht. Sie meint über Arkeley: „Zuerst bringt er dich in Gefahr. Er hat dich zu seinem Vampirköder gemacht. Dann hat er dich zu einem echten Vampirkiller gemacht. Jetzt verwandelst du dich richtig in ihn. Vielleicht endest du auch genauso wie er. Dazu bereit, alles zu tun, nur um den Kampf fortzusetzen. Dazu bereit, schreckliche Dinge zu tun.“ Wer weiß, Claras Worte könnten prophetischen Charakter haben …
Arkeley zu finden und unschädlich zu machen ist für sie zur fixen Idee geworden, dem sich alles andere – auch persönliche Beziehungen – unterzuordnen hat. So ist ihre Denkweise zwar nachzuvollziehen, schließlich stellen die Vampire eine beängstigende Bedrohung dar. Gleichzeitig jedoch zeigt Wellington Caxtons langsames Abdriften in den Wahn. So scheut sie sich nicht, eine Leiche auf dem Polizeiparkplatz selbst zu verbrennen, weil sie kein Krematorium auftreiben konnte, das die Einäscherung noch am selben Tag vornehmen will. Dass Caxton nicht mehr klar denken kann, wenn es um Vampire geht, machen auch ihre manchmal sprunghaften und unlogischen Entscheidungen deutlich. Wie gut also, dass sie Glauer an ihrer Seite hat, einen herzensguten Cop, der auch viel besser mit Zivilisten umgehen kann als sie und der ihr ständig ins Gewissen redet und ihr klar zu machen versucht, dass sie als Dirty Henriette nicht weiterkommt: „Sie müssen vorsichtiger mit den Menschen in ihrer Umgebung sein. Vielleicht ist Ihnen ja egal, ob sie leben oder sterben …“ Und tatsächlich, Caxton wird zwar kurzfristig von Gewissensbissen geplagt, wenn sie Polizisten in den Tod schickt, doch letztendlich zählt für sie nur das große Ganze. Und unter großen persönlichen Opfern wird sie es auch schaffen, Arkeley schlussendlich zu stellen. Doch wird sie die Konsequenzen dafür tragen müssen, denn ihre Kompetenzen hat sie bereits weit überschritten.
Man muss es sagen: Wellington wird von Buch zu Buch besser. Zwar hat er den Horror- und Ekelfaktor in „Vampirfeuer“ um einiges herunter geschraubt, doch als Erzähler hat er sich seit seinem ersten Roman stetig weiter entwickelt und ein Universum geschaffen, dass auch im dritten Band weder langweilt noch stagniert. Langsam schließt sich der Kreis zum ersten Band, in dem noch Arkeley der große Vampirjäger war. Caxton hat in jeder Hinsicht seinen Platz übernommen. Doch heißt das tatsächlich, sie tut es ihm in jedem Fall gleich? Wird Clara recht behalten, wird Caxton vielleicht selbst als Vampir enden? Da muss man wohl einfach abwarten – der Folgeband ist in den USA bereits erschienen und kommt sicher bald auch in unsere Buchläden.
|Broschiert: 382 Seiten
ISBN-13: 978-3492267212
Originaltitel: |Vampire Zero|
Deutsch von Andreas Decker|
http://www.piper.de/
_Wellington beim Buchwurm:_
[Stadt der Untoten 4980
Joe Ledger ist ein hartgesottener Ordnungshüter, der als Mitglied einer Sondereinheit der Polizei von Baltimore die Augen offen und die Waffe entsichert hält, um aufmerksam nach Terroristen und anderen Strolchen auszuschauen, die seit dem 11. September 2001 in Scharen die USA zu infiltrieren versuchen. Gerade erst hat er einen neuerlichen Vorstoß solchen Gesindels aufgedeckt und persönlich beim Versuch, die Lumpenzelle auszuheben, nicht nur namenloses Fußvolk, sondern auch den prominenten Mordstrolch Javad Mustafa mit Blei vollgepumpt.
Vier Tage später wird das FBI bei Ledger vorstellig. Man konfrontiert ihn mit einem zwar mausetoten, aber putzmunteren Mustafa, der sich erstens als Zombie und zweitens als biologische Waffe muslimischer Gotteskrieger entpuppt. Solche Untoten sollen in die USA geschleust werden und dort brave Bürger beißen, die sich daraufhin ebenfalls in lebende Leichen verwandeln! Dahinter steckt El Mudschahid, selbst ernannter Zorn Gottes. Um ihm Einhalt zu gebieten, wollen Geheimdienst und FBI eine Taskforce zusammenstellen und den Zombiemachern aus dem Nahen Osten ordentlich einheizen. Als guter Amerikaner kann und will Ledger trotz seiner Probleme mit Autoritäten dabei nicht tatenlos zusehen.
Hinter dem charismatischen, aber manipulierbaren El Mudschahid zieht der skrupellose Machtmensch Sebastian Gault die Fäden. Zusammen mit der wunderschönen und superschlauen Amirah hat er die Zombies buchstäblich entwickeln lassen, um den für seine unzähligen Firmen sehr lukrativen Terrorkrieg auf eine neue Ebene zu hieven. In dieses Geschäft will er sich nicht von US-Saubermännern pfuschen lassen und aktiviert seine Schergen, die gemeinsam mit den Zombies Ledgers Ledernacken einen unfreundlichen und bissigen Empfang bereiten …
_Die Welt im schwarz-weißen Schattenriss_
Man kann Jonathan Maberry nicht vorwerfen, aus seiner Weltsicht ein Geheimnis zu machen. Als Widmung stellt er seinem seitenstarken Zombie-Thriller folgende Zeilen voran: „Dieses Buch ist all jenen oft nicht beachteten und unbesungenen Helden gewidmet, die für die Geheimdienste bei verdeckten Operationen ganz einfach ihren Job machen.“ Er schweigt sich darüber aus, ob er dabei auch jene einschließt, die sich z. B. in Abu Ghuraib für die US-Sache ins Zeug gelegt haben, doch der Kontext lässt wenig Gutes ahnen. Zurückhaltung oder die Einhaltung von Gesetzen sind für Maberry jedenfalls keine Rezepte, um die Schurken dieser Welt Mores zu lehren, denn die sind unbelehrbar böse, heimtückisch und rücksichtslos, während Politiker wankelmütig oder korrupt vor allem am eigenen Posten kleben. Zumindest mit dem gedruckten Wort kann Maberry zeigen, wie’s eigentlich zugehen sollte!
„Patient Null“ drückt natürlich nur sekundär eine politische Haltung aus. Primär will Maberry (so bleibt zu hoffen) unterhalten. Eine grobe Differenzierung der Realität in schwarz = böse = Naher Osten (oder Nordkorea, Kuba bzw. Nicht-USA) und weiß = gut = USA hat dabei selten geschadet, wie unter anderem Hollywood immer wieder unter Beweis stellt. Für die Arena, in die der Kampfsportler Maberry die Welt als Handlungsort verwandelt hat, klingt dieses Konzept einfach und einleuchtend, weshalb er es für sein literarisches Schaffen übernommen hat.
_Ist doch alles nur Spaß …!_
Aktion erzeugt Reaktion. Auf dieses simple Schema hat Maberry die Dramaturgie des Geschehens reduziert. Diese Struktur hat Vorteile; so lassen sich vom Verfasser in Serie geschilderte Kampfszenen modulartig aneinander klinken, bis die mit dem Verlag vereinbarte Seitenzahl in Sichtweite gerät und es Zeit für das große Finale wird.
Politisch korrekt denkenden Lesern – auch diese sind mögliche Buchkäufer – sperrt Maberry ein Hintertürchen auf: Zwar gibt es mit El Mudschahid einen Burnus-Banditen, der mit Lust und Liebe Mordpläne gegen die USA inszeniert und den Koran als Steinbruch für farbenfrohe Metzeleien ausbeutet, doch hinter ihm steht ein Schlips-Schurke aus dem Abendland, den nicht Idealismus, sondern blanke Macht- und Geldgier antreiben.
El Mudschahid, Amirah und Sebastian Gault sind Bilderbuch-Böslinge, die für ein Rumpelpumpel-Abenteuer wie „Patient Null“ passend grob geschnitzt wurden. Sie tücken und schurken mit schmierenkomödiantischer Wonne, und es bleibt ihnen immer Zeit genug, dies durch kaltschnäuzige Phrasen zu unterstreichen. Damit komplettiert sich das Bild überlebensgroßer Übeltäter, die man keine Sekunde ernst nehmen kann.
Immerhin verschont der Autor auch seine Helden nicht. Über Joe Ledger muss man grinsen, wenn er sich als Peter Pan der „Terminator“-Ära gibt. Mit den Jahren ist er nicht schlauer geworden, sondern markiert nur den taffen Möchtegern-Rebellen. Weil Maberry Ledgers Kampf gegen verkrustete Konventionen sich nüchtern betrachtet als Kette kindisch-bockiger Regelverstöße darstellt, bleibt diese Figur nur ein Schwätzer, der sich letztlich doch wieder dem System eingliedert und unterwirft. Wenn Ledger dabei zum Anführer einer Elite-Einsatzgruppe aufsteigt, werden wir selbstverständlich ausgiebig mit pubertären Macho-Spielchen zwischen taffen Kämpfern im Wettstreit um die dickste Hose unterhalten, die durch bewährten Landser-Humor – einer der beinharten Kerls heißt „Bunny“: urkomisch! – ergänzt werden.
_Lesen, ohne denken zu müssen: ein ehrliches Angebot_
Bücher wie dieses soll und darf man nicht ernst nehmen. Das schützt sie zwar keineswegs vor Kritik. Angesichts der von Verfasser Maberry gar nicht verhohlenen Grobschlächtigkeit seines Romans kann diese höchstens ironisch gefärbt werden, bleibt aber letztlich hilflos: Verbrauchslektüre ist relativ rezensionsresistent, denn gelesen wird sie auf jeden Fall, wenn sie ein geneigtes Publikum findet. Davon darf unser Verfasser ausgehen, denn es gibt schlechtere „prose mechanics“ als ihn, zumal Profi Maberry den Fuß ständig auf dem Gaspedal ruhen lässt: „Patient Null“ ist Pageturner-Action der schnell vergessenen, aber zuvor noch schneller voraneilenden Art.
Für Irritation sorgt die Übersetzung. Allerdings ist davon auszugehen, dass es Maberry selbst war, der meinte, seine Geschichte durch eine saloppe, dem Ohr der (nicht mehr allzu intensiv) lesenden Jugend angenehme Umgangssprache zusätzlich aufpeppen zu müssen. Vor allem wenn Ledgar das Wort ergreift, meint der Leser vor dem inneren Ohr Dieter Bohlen zu hören, was zumindest dem Gegner derartigen Pidgin-Sprechs echte Qualen bereitet, die der Lektüre arg abträglich sind.
_Autor_
Jonathan Maberry wurde am 18. Mai 1958 in Kensington (US-Staat Kentucky) geboren. Nach Schule und Studium wurde er als Kampfsportler aktiv. Maberry war und ist nicht nur ein Jujitsu- und Schwertkämpfer von Rang und Namen, sondern gilt auch als Fachmann, der über Kampfsport und Selbstverteidigung zahlreiche Bücher und unzählige Fachartikel schrieb.
Im 21. Jahrhundert machte Maberry seine zweite Leidenschaft zum Beruf: Er wurde Schriftsteller, wobei er als Genre den (harten) Horror wählte. Schon mit seinen ersten drei Werken, der „Pine-Deep“-Trilogie, gelang dem Verfasser der Durchbruch. 2009 begann Maberry 2009 eine neue Serie um den Geheimagenten Joe Ledger, der überall auf der Welt mit Terroristen rauft, die Zombies, Ungeheuer und andere Plagegeister gen USA schicken. 2010 startete Maberry mit „Rot & Ruin“ eine Horror-Serie für jugendliche Leser, die in einem von Zombies verheerten Nordamerika spielt.
Darüber hinaus liefert Maberry Textvorlagen für den Comic-Verlag |Marvel| (u. a. für die Serien „Wolferine“ und „Black Panther“). Außerdem widmet er sich in Artikel und Sachbüchern den Mythen und Realitäten des modernen Horrors. Selbstverständlich ist Maberry auch im Internet ungemein aktiv. [„Jonathan Maberry’s Big, Scary Blog“]http://jonathanmaberry.com ist keineswegs die übliche Mischung aus Eigenwerbung und Buchankündigung, sondern bietet lebendig und kundig Informationen „About Books, Writing, Publishing and Everything in Between“.
Jonathan Maberry lebt in Warrington im US-Staat Kentucky.
Die Joe-Ledger-Serie:
(2009) Patient Null („Patient Zero“)
(2010) „The Dragon Factory“ (noch kein dt. Titel)
(2011) „The King of Plagues“ (noch kein dt. Titel)
_Impressum_
Originaltitel: Patient Zero (New York : St. Martin’s Griffin 2009)
Übersetzung: Wally Anker
Deutsche Erstausgabe: Januar 2010 (Wilhelm Heyne Verlag/TB Nr. 52604)
576 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-453-52604-4
http://www.heyne-verlag.de
Eigentlich müsste sich Bram Stoker, wäre er noch am Leben, geehrt fühlen. Denn auch nach über 100 Jahren Rezeptionsgeschichte zeigt sein wohl berühmtester Schurke, der untote Vampir Dracula, keine Ermüdungserscheinungen. Immer noch arbeiten sich Schriftsteller und Filmemacher an dem Thema ab und beleuchten den bluttrinkenden Transsilvanier von jeder erdenklichen Seite. Und natürlich gibt es auch Dutzende Fortsetzungen der Geschichte, denn wie meinte schon Buffy so treffend, als sie Dracula ins Jenseits beförderte: „Glauben Sie, ich hab Ihre Filme nicht gesehen? Sie kommen immer zurück.“ Die Frage nach dem „was wäre, wenn“ treibt also weiterhin Autoren um.
Und nun gibt es mit „Dracula – Die Wiederkehr“ eine weitere Fortsetzung des Romanstoffes, diesmal aus der Feder des Urgroßneffen Stokers. Deswegen darf sich der Roman wohl auch „offizielle Fortsetzung“ nennen. Daran, dass Bram Stoker selbst das Buch abgesegnet hat, wird es schließlich nicht gelegen haben. Was bewegt also einen obskuren Urgroßneffen namens Dacre Stoker (hoffentlich ein Pseudonym), literarisch ein unbeschriebenes Blatt („Die Wiederkehr“ ist sein Romandebüt), sich an so ein großes Thema zu wagen? Die Gründe sind wohl eher prosaischer Natur – scheinbar hat es der gesamte Stoker-Clan auch nach über 100 Jahren nicht verwunden, dass sich die kreative Welt am Hirnschmalz ihres Vorfahren bereichert. In Nordamerika ist das Copyright für „Dracula“ bereits 1899 (also nur zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung) erloschen und die Dollarnoten, die nicht in die Taschen der Stoker-Familie fließen, sind wohl ein kollektives Trauma. Dem will Stoker mit seinem „Dracula – Die Wiederkehr“ nun abhelfen. Es gibt hehrere Ziele, die man als Autor verfolgen kann und meistens produzieren diese dann auch die lesenswerteren Bücher.
Worum geht es also? Der Roman setzt 25 Jahre nach „Dracula“ ein und führt uns das gesamte Personal des Romans noch einmal vor Augen. Leider ist die Zeit an keinem der früheren Helden spurlos vorüber gegangen: Jack Seward ist ein morphiumsüchtiger Spinner, van Helsing ein alter Kauz mit Herzproblemen, die Ehe von Mina und Jonathan ist zerrütet und deren Sohn Quincey, der eigentlich an der Sorbonne Recht studieren soll, tut sich lieber als Schauspieler hervor. So trifft dieser auch auf den berühmten rumänischen Schauspieler Basarab, der in Paris ein Gastspiel gibt. Die beiden freunden sich an, doch sind Basarabs Beweggründe natürlich nicht nur uneigennützig.
Gleichzeitig schwebt eine neue Gefahr ein, nämlich die Blutgräfin Báthory. Diese stellt sich als Erzfeindin Draculas heraus (der natürlich nicht tot ist, logisch) und metzelt nur so aus Vergnügen in London ein paar Leute dahin, unter anderem einen Teil von Stokers Originalfiguren. Das bringt die Polizei in Form des Inspektors Cotford auf den Plan, der davon ausgeht, dass es sich um Ripper-Morde handelt. Jack the Ripper ist wieder da und es ist an Cotford, ihn zu stoppen – wie praktisch, dass einer der damaligen Hauptverdächtigen, nämlich kein geringerer als Abraham van Helsing, nun zufällig wieder in London weilt.
Und so nehmen die Dinge ihren Lauf. Dracula und die Báthory bekriegen sich. Dracula gesteht Mina seine ewige Liebe. Quincey Harker ist hitzköpfig und dumm. Viele, viele Charaktere sterben und wer am Schluss noch übrig bleibt, darf mit der Titanic in Richtung Neue Welt in See stechen.
Man kann Dacre Stoker nicht vorwerfen, dass er nichts über sein Thema wüsste. Offensichtlich hat er so ziemlich alles an Fachliteratur gelesen und auch jeden Vampirfilm gesehen. Doch hätte der Ratschlag, dass weniger manchmal mehr ist, bei einem Buch wie „Dracula – Die Wiederkehr“ vielleicht Wunder wirken und dem Plot Geradlinigkeit verschaffen können. Statt dessen liest sich der Roman wie ein vollkommen ratloses Sammelsurium an Vampir-Paraphernalia. Da gibt es Dracula, Vlad den Pfähler, die ungarische Blutgräfin Báthory (deren Anwesenheit prompt damit begründet wird, dass sie mit Dracula verwandt sei – irgendwie entfernt jedenfalls), Jack the Ripper, Bram Stoker höchstselbst und etliche Versatzstücke, die aus Filmen abgekupfert wurden. Das einzige, was hier noch fehlt, sind Werwölfe und vielleicht der Vampir von Hannover, Fritz Haarmann. Und für alle, denen das noch nicht bunt genug ist, hält Dacre Stoker auch noch einen Dr. Langella und die Polizisten Lee und Price parat. Wie würde Buffy sagen: Obvious much?
Um das alles irgendwie zusammenwurschteln zu können, muss Stoker ziemlich wirbeln. Er erklärt kurzerhand vieles aus dem Roman seines Vorfahren für nichtig oder schlicht falsch und ist auch sonst nicht zickig, wenn es darum geht, Bram Stoker zu diskreditieren. Gleich mehreren Charakteren räumt er das Recht ein, Stokers Roman in Verruf zu bringen. Basarab sagt zu Bram Stoker im Roman: „In Wahrheit haben Sie sich der üblen Nachrede schuldig gemacht.“ Und Van Helsing behauptet später: „Stattdessen hat Stoker eine Farce verfasst, die der Wahrheit Hohn spricht.“ Das ist ziemlich starker Tobak, vor allem aus der Feder eines Autors, der sich respektlos an den Figuren und Ideen seines Vorfahren bedient und mit ihnen sicherlich hofft, ein hübsches Sümmchen einzufahren.
Denn in „Dracula – Die Wiederkehr“ ist nichts, wie es mal war. Alle Figuren erscheinen wie durch den Fleischwolf gedreht. Mina und Dracula wird eine heiße Affäre angedichtet, die Dacre Stoker wohl aus Francis Ford Coppolas Verfilmung entwendet hat, die Stokers Text jedoch keineswegs stützt. Auch Dracula selbst ist zum Hänfling mutiert. Er sei gar nicht so böse gewesen, denn seine bisherigen Taten hätten nur dazu dienen sollen, Mina und ihre Lieben vor der Báthory zu beschützen. Draculas neu gefundene Moralvorstellungen kulminieren dann in dem abschließenden Satz: „Er war über fünfhundert Jahre alt, und er hatte noch immer nicht gelernt, sein wahres Erbe anzunehmen, ohne Schuldgefühle zu verspüren.“ Dracula, der noch bei Stoker das ultimativ Böse war, der Erzfeind, dem nur an Zerstörung gelegen war, wird hier nun endgültig zum Anne Riceschen Moralapostel. Ach nö.
Und so laviert sich Dacre Stoker mehr schlecht als recht durch seine eigene Romanhandlung. Sein als Protagonist konzipierter Quincey Harker ist ein kindischer Laffe und seine überböse Báthory ist eine männermordende Kampflesbe. Dacre Stoker verwendet unglaublich viel Zeit darauf, die Vergangenheit der Báthory zu beleuchten, um dem Leser in einer platten Gleichung von „wurde in ihrer Jugend von ihrem Mann misshandelt und hasst nun alle Männer“ die Beweggründe der Báthory zu erklären. Das bleibt jedoch im Oberflächlichen stecken, wohl weil es Dacre Stoker an der literarischen Finesse mangelt und er sich lieber auf den Showeffekt von spritzendem Blut verlässt. Ihn jedoch immer wieder dabei beobachten zu müssen wie er sich genüsslich in der vordergründigen Homosexualität der Báthory und ihrem schier endlosen Männerhass wälzt, wird für den Leser erst langweilig und dann abstoßend.
Wer Bram Stokers Roman mochte, der wird in Dacre Stokers Fortzsetzung kaum etwas finden, mit dem er sich identifizieren kann. Mit Brachialgewalt hat dieser die Vorlage uminterpretiert, um sie seinen Vorstellungen anzupassen. Diese Vorstellungen scheinen hauptsächlich vom Film geprägt, wobei das natürlich auch der Einfluss des Koautors Ian Holts sein kann, seines Zeichens Drehbuchautor. Und damit wird auch klar, warum sich der Roman über weite Strecken wie ein reichlich uninspirierter Slasher-Film liest. Auf Charaktertiefe wird wenig Wert gelegt. Statt dessen agieren die Figuren holzschnittartig in wechselnden Actionsettings. Da dürfen auch schon mal Kutschen explodieren und holde Jungfrauen à la „Hostel“ über einer Badewanne ausbluten. Das hat Dracula wirklich nicht verdient.
|Originaltitel: Dracula: The Un-Dead
Ins Deutsche übertragen von Hannes Riffel
592 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-8025-8220-2|
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Eine junge Frau mietet sich in ein Haus ein, das sich als Portal zur Hölle entpuppt und just einen neuen Wächter benötigt … – Horror-Roman, der wie „Rosemary’s Baby“ oder „Der Exorzist“ das Erscheinen des sehr realen Teufels in der modernen Welt thematisiert: ein wenig zu ernsthaft und altmodisch aber immer noch spannend und stimmungsvoll. Jeffrey Konvitz – Allisons Haus weiterlesen →
Wenn man zu den gefürchtetsten Kopfgeldjägerinnen der Welt gehört, hat man sich eine Pause verdient: Dante Valentine, die Heldin der gleichnamigen Dark-Fantasy-Reihe von Lilith Saintcrow, hat im vorherigen Band ihren Geliebten, den Dämon Tierce Japhrimel, wiedergefunden. In „Feuertaufe“ genießen die beiden deshalb ihren Urlaub in Toscano – jedenfalls bis sich der Teufel erneut in ihr Leben einmischt.
Das tut er nicht zum ersten Mal. Luzifer ist ein Dauergast in Dantes Leben. Dieses Mal verlangt er, dass sie sich für sieben Jahre als seine rechte Hand verpflichtet, nachdem sie ihm seinen ehemaligen Helfer Japhrimel abgejagt hat. Keine leichte Entscheidung, aber mit Japhrimels Verhandlungsgeschick schlagen die beiden einen guten Deal heraus. Das glauben sie jedenfalls. Dantes erster teuflischer Auftrag besteht darin, vier Dämonen, die aus der Hölle geflüchtet sind, zu stellen.
Doch das ist leichter gesagt als getan, denn gleichzeitig scheint jemand hinter der tapferen Nekromantin her zu sein. Immer wieder wird sie von merkwürdigen Wesen verfolgt und überlebt nur knapp einen Anschlag, der eigentlich Japhrimel gegolten hat. Gemeinsam mit Freunden von Japh versuchen sie die Verfolger zu stellen, doch dann ereignet sich etwas, womit selbst Dante nicht gerechnet hat. Ihre Vergangenheit rächt sich in überraschender Weise …
„Dante Valentine – Dämonenjägerin“ mausert sich immer mehr zur Vorzeigeserie. Sie dabei in eine Reihe mit aktuellen Vampirromanen zu stellen ist beinahe schon Blasphemie. Lilith Saintcrow hat für ihre faszinierende Hauptfigur eine ebenso faszinierende wie einzigartige Welt geschaffen. Nichts ähnelt darin unserer Welt. Die Reihe ist in einem düsteren Science-Fiction-Setting angesiedelt. Die Weltordnung ist eine andere, die Städte tragen andere Namen, sind von anderen Wesen bevölkert. Die Autorin schafft eine schöne Balance zwischen Urban Fantasy und Science Fiction. Auf der einen Seite gibt es neue Fortbewegungsmittel wie SlicBoards und Glider, dann aber auch jede Menge paranormale Wesen, die man in ähnlicher Form aus Fantasyliteratur kennt.
Die Geschichte ist, wie die vorhergehenden auch, unglaublich düster. Das liegt nicht nur an der Kulisse. In Dantes Welt sind Mord und Totschlag, Kriminalität, Prostitution, Gewalt und Drogenmissbrauch an der Tagesordnung und die Autorin macht keinen Hehl daraus. Nicht unbedingt etwas für schwache Nerven also. Allerdings ist es nicht so, dass die Seiten blutverklebt sind. Im Gegenteil passt die Menge an Kampfszenen perfekt zu Geschichte und Protagonistin. Die wiederum ist einer der Gründe, wieso die Geschichte so düster ist, denn Dante, die Ich-Erzählerin, ist stets von inneren Zweifeln zerrissen. Nicht nur ihre bewegte Vergangenheit holt sie immer wieder ein, nein, auch ihre Gegenwart. Ihre Beziehung zu Japhrimel ist eine Verbindung zwischen zwei kaputten Charakteren, denen es schwer fällt zu vertrauen und zu lieben. Jede Szene, die von der Ferne romantisch anmutet, enthält auch immer eine Nuance Selbstdestruktion, Misstrauen, Verzweiflung. Die Intensität, mit der die Autorin den Leser mit Dantes pessimistischen, manchmal selbstverletztenden Gedanken torpediert, ist beinahe schon grausam und gleichzeitig ein Markenzeichen der Geschichte. Saintcrow weiß genau, was sie tun muss, um den Leser zu fesseln. Tatsächlich fällt es schwer, dieses Buch aus der Hand zu legen. Zu sehr steckt man in der Geschichte fest, möchte wissen, wie sie ausgeht.
Die Handlung ist dabei nicht mal das überzeugendste Element im Buch. Sie ist solide, manchmal sogar spannend, insgesamt aber nur eine Aneinanderreihung verschiedener Ereignisse. Allerdings ist sie wesentlich strukturierter und leichter zu verstehen als in den Vorgängerbänden. Es sind allerdings die zwischenmenschlichen Beziehungen und Geheimnisse, die den Roman wirklich ausmachen. Dantes Probleme mit Japhrimel, die Zusammenarbeit mit dem zwielichtigen Lucas und Japhrimels Gefährten, die Ränke, die gegen Dante geschmiedet werden – Saintcrow baut gerade bei letzterem erfolgreich auf Wissen aus den Vorgängerbänden auf, weshalb es zu empfehlen ist, diese zuerst zu lesen. Ohne zu viel verraten zu wollen, aber Saintcrow schafft es auch im dritten Band noch, den Leser zu überraschen, indem sie Geheimnisse ihrer undurchsichtigen Hauptperson enthüllt.
Ein großer Pluspunkt der Reihe – und der Autorin – ist der Schreibstil. Sie erzählt aus der Ich-Perspektive, wobei die Gedanken von Dante häufig in Kursivschrift stehen, was ihnen ein gewisses Gewicht verleiht. Ansonsten hält sich die Autorin knapp und wortkarg, verrät aber alles, was man wissen muss. Freude kommt dabei keine auf. Eine gewisse Melancholie durchzieht die Geschichte. Der Humor ist trocken bis sarkastisch und wird eher sparsam eingesetzt. Düstere Metaphern prägen das Bild, gehobene Begriffe und kurze Sätze unterstreichen die Stimmung der Geschichte. Wenn man eine völlig neue Welt erschafft, gehört es dazu, auch neue Begriffe einzuführen. Saintcrow stellt ans Ende ihrer Bücher nicht umsonst ein Glossar, auch wenn dieses zumeist weniger umfassend als nötig ist. Einige Begriffe, wie Datband oder Gleiter, erklären sich von selbst. Andere wiederum muss man als Leser herleiten, was nicht immer problemlos funktioniert.
„Feuertaufe“ ist das bislang beste Buch der Reihe um Dante Valentine. Das liegt zum einen daran, dass die Haupthandlung dieses Mal nicht so komplex ist und die Nebenhandlungen, die durchaus von Bedeutung sind, geordnet nebenher laufen. Spannung kommt vor allem dadurch auf, dass weitere Geheimnisse aus Dantes Vergangenheit enthüllt werden und ihre Beziehung mit Japhrimel immer mehr von romantisch zu selbstzerstörerisch driftet. Gemeinsam mit der düsteren Grundstimmung und der unglaublich gut ausgearbeiteten Hauptfigur ist Saintcrow definitiv eine der besten Adressen für Urban-Fantasy-Geschichten.
|Originaltitel: The Devil’s Right Hand
Aus dem Englischen von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
400 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802581960|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autorin“]http://www.lilithsaintcrow.com
_Cassie Palmer bei |buchwurm.info|:_
[„Untot mit Biss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5419
[„Hinreißend untot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5741
Pythia wider Willen – die chaotische Cassie Palmer ist eher unfreiwillig zur größten Hellseherin der Welt geworden. Normalerweise erhält man für diese Position jahrelanges Training. Cassie hatte dies nicht. Sie kann dem entsprechend weder vernünftig mit den großen Kräften umgehen, die von der verstorbenen Pythia auf sie übergegangen sind, noch hat sie eine Ahnung, wie sie mit den Intrigen von Vampiren, Magiern und anderen Wesen verfahren soll. Von diesen erhebt nämlich so ziemlich jeder Anspruch auf sie, so dass sie sich in einem undurchsichtigen politischen Gewirr wiederfindet. Zu allem Überfluss ist da noch das Problem mit dem Geis, einem Zauberbann, den der Vampir Mirceas ihr auferlegt hat. Dieser Geis verhindert, dass sich ein anderer Mann ihr nähern kann und verstärkt die unfreiwillige Bindung zwischen Cassie und Mirceas. „Für immer untot“ ist bereits der dritte Band in Karen Chances Reihe, und Cassies Probleme sind bislang nicht weniger geworden.
Um den Geis ein für alle Mal zu beenden und damit sowohl Cassies aus auch Mirceas Leben wieder erträglich zu machen, verbündet sich die Seherin mit Pritkin, einem Magier, dem gegenüber sie nicht unbedingt Sympathien verspürt. Doch was tut man nicht alles, um einen alten Meistervampir vor dem Wahnsinn und sich selbst vor den Verführungskünsten eben jenes Blutsaugers zu retten?
Die Eliminierung des Geis hat jedoch einen Haken: Der Gegenzauber befindet sich in einem alten Zauberbuch, dem Codex Merlin. Doch um dieses zu finden, müssen Pritkin und Cassie in die Vergangenheit reisen. Für Cassie kein Problem, denn Zeitreisen stellen ihre Spezialität dar. Allerdings müssen sie fest stellen, dass man ihnen in der Vergangenheit nicht unbedingt wohlgesonnen ist – und dass der Codex sich entgegen der Legenden ganz woanders befindet. Doch auch in der Gegenwart hat Cassie genug zu tun. Der Vater von Pritkin, ein Dämon, hat es auf sie abgesehen, der intrigante Senat will sie für seine Zwecke einspannen und dann tauchen plötzlich auch noch Straßenkinder auf, die etwas mit Cassies Vergangenheit zu tun haben …
Die Geschichte ist mit über 460 Seiten nicht gerade kurz. Dafür packt die Autorin aber auch genug Ereignisse in die Handlung. Um ehrlich zu sein, sogar zu viele. Die zahlreichen Nebenhandlungen, die entweder in Vorgängerbänden oder in diesem Buch beginnen, überdecken stellenweise die eigentliche Geschichte. Die verschiedenen Feindschaften und Koalitionen zwischen den einzelnen Wesen sind schwer zu durchblicken, selbst wenn man die vorherigen Bände gelesen hat. Hinzu kommt Chances hektischer Erzählstil, der zwar dem chaotischen Wesen der Ich-Erzählerin entspricht, den Leser aber etwas überfordert. Spannung kommt eigentlich erst dann richtig auf, wenn die Nebenhandlungen mal ruhen. Das ist an einer Stelle im Buch, nämlich bei einer längeren Vergangenheitsreise von Cassie, der Fall. Ansonsten sind die Seiten rappelvoll, denn neben den eigentlichen Ereignissen finden darauf auch noch Cassies zahlreiche humorvolle Gedanken und die schlagfertigen Dialoge Platz.
Cassie Palmer war in den vorherigen Bänden immer eine tolle Hauptperson. In „Für immer untot“ schwächelt sie allerdings. Ihr Humor wirkt schlaff, manchmal sogar fehl am Platze, ihre Handlungen sind nicht immer schlüssig. Das, was sie vorher von anderen Figuren abgehoben hat, fehlt. Sie wirkt wie die x-beliebige Protagonistin eines schmalzigen Vampirromans und kommt bei der Unmenge von Handlungssträngen überhaupt nicht mehr richtig zum Tragen. Sie hetzt durch das Buch und gibt dem Leser nur selten die Möglichkeit, sich in Ruhe mit ihr auseinander zu setzen.
Ihr Humor schimmert an der einen oder anderen Stelle zwar noch durch, erscheint aber häufig bemüht. Karen Chance hat ansonsten immer ganz annehmbar geschrieben, doch in diesem Band scheint auch ihr Schreibstil mit der Wucht an Ereignissen nicht zurecht zu kommen. Dass die Autorin zu einer gewissen Geschwätzigkeit neigt und Cassies Gedanken gerne sehr ausführlich darstellt, ist nicht gerade hilfreich. Dadurch wird die Geschichte nur noch unübersichtlicher.
„Für immer untot“ schwächelt. Die Geschichte ist sehr lang und sehr vollgestopft, weshalb sowohl die Hauptfigur als auch Chances Schreibstil nicht mehr wirklich überzeugen können. Es bleibt zu hoffen, dass die Autorin es in den nächsten Bänden vielleicht etwas ruhiger angehen lässt und sich stärker auf die Haupthandlung konzentriert.
|Originaltitel: Embrace the Night
Aus dem Englischen von Andreas Brandhorst
463 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3492291866|
http://www.piper-fantasy.de
[„Website der Autorin“]http://www.karenchance.com
_Stadt der Finsternis_
Band 1: [Die Nacht der Magie]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5963
Kate Daniels ist die Neue in den Reihen der jungen, toughen Dark-Fantasy-Heldinnen. In „Die dunkle Flut“ hat sie nun ihre Bewährungsprobe. Der erste Band war richtig gut, aber kann das Autorenduo dieses Niveau halten?
_Die Geschichte spielt_ in Atlanta. Allerdings sieht die Stadt etwas mitgenommen aus, da immer wieder Wellen von Magie über sie branden, die Elektronik außer Gefecht setzen und seltsame Wesen zurück lassen. Kate Daniels‘ Aufgabe ist es, diese ungebetenen Gäste, die häufig keine guten Absichten haben, zu eliminieren. Im Moment ist das allerdings ziemlich anstrengend, denn ein Flair, eine besonders starke Flut von Magie, kündigt sich an und alle sind durcheinander, sowohl die Menschen als auch die Gestaltwandler, die Untoten und die Hexen.
Kate hat alle Hände voll zu tun, als die Gestaltwandler an sie heran treten, weil man ihnen Landkarten gestohlen hat. Schnell findet sie heraus, dass dahinter ein komischer Mann steht, der sich quasi in Luft auflösen kann und deshalb schwer zu fassen ist. Als ob dies noch nicht genug wäre, trifft sie auch noch auf das Straßenmädchen Julie, dessen Mutter, eine Hexe, verschwunden ist. Die Hexe gehörte zu einem illegalen Hexenzirkel und als Kate weiter forscht, findet sie heraus, dass dieser Zirkel nichts Gutes im Sinn hatte. Im Gegenteil. Es scheint, als ob die Hexen durch ihr Treiben schlafende Gottheiten geweckt hätten, die den Magieüberschuss des Flairs nutzen, um sich Atlantas zu bemächtigen …
_Kate Daniels ist keine_ einfach zu verführende Blondine und Vampire sind keine erotischen Tausendsassa, sondern willenlose Kreaturen, die wie mumifizierte Leichen aussehen und auf vier Beinen laufen – die Autoren machen in ihrer Geschichte einiges anders. Während das Setting eher an einschlägige Vampirliteratur erinnert, spielt die Hauptrolle die Magie. Atlanta wird als düstere Großstadt beschrieben, die Dank der Magie voller Ruinen und merkwürdiger Gestalten ist und sich ständig ändert. Kein besonders schöner und sicherer Ort also, aber einer, der der Geschichte eine ganz eigene Note gibt.
Die Handlung beschäftigt sich vor Allem mit den unterschiedlichen Gruppen in der Stadt. Der Orden, der ehrenamtlich die Entsorgung magischer Lebewesen übernimmt, aber dabei nicht ganz uneigennützig handelt; die Söldner, zu denen Kate gehört und die sich diese Dienstleistung gut bezahlen lassen; die Untoten, die sich gerne in die Belange Atlantas einmischen; und schließlich die Gestaltwandler, mit deren Anführer Curran Kate immer wieder aneinander gerät. Sie alle haben etwas gegeneinander, müssen aber häufig zusammenarbeiten, was für Spannung und Machtspielchen sorgt. Jede dieser Gruppe hat ihre ganz eigenen Interessen, doch leider wird es im zweiten Band der Reihe etwas unübersichtlich, als auch noch die Gottheiten auf den Plan treten. Das Buch beginnt gradlinig, aber vor Allem zum Ende hin wird die Geschichte ziemlich konfus. Es ist unklar, wer jetzt genau was will, wer wen hasst und worum eigentlich gekämpft wird. Es ist ein bisschen zu viel von Allem. Der starke Anfang verliert sich in den zahlreichen Nebenhandlungen, die Geschichte flacht stark ab. Hinzu kommt, dass das Ende sehr dem aus dem ersten Band ähnelt.
Die Handlung macht es schwierig, „Die dunkle Flut“ so ins Herz zu schließen wie den Vorgängerband. Sicher, die Hauptperson ist die gleiche und sie ist immer noch gut, aber sie schafft es nicht, das Gewirr aus Ereignissen zu überstrahlen. Dabei hätte Kate durchaus etwas Besseres verdient, denn sie ist ohne Frage eine der interessanteren Charaktere des Genres. Sie besitzt immer noch Geheimnisse, die sie zwar erwähnt, aber nicht erläutert, und ihre kratzbürstige Art ist wesentlich authentischer als bei ähnlichen Romanfiguren. Ihre freche Schnauze und ihr Talent, mit Anlauf in Fettnäpfchen zu springen, reizen zum Lachen. Die sarkastischen Bemerkungen, die die Autoren immer wieder in ihren ansonsten sehr lebendigen und abwechslungsreichen Schreibstil einfügen, tun das Ihrige. Gleichzeitig hat die Protagonistin aber auch eine sehr düstere Seite, so dass die Reihe trotz des Humors nicht zu den komödiantischen Vampirgeschichten gehört. Außerdem ist es sehr erholsam, dass Kate nicht von einem Bett ins andere fällt, weil sie den Reizen irgendwelcher Untoter nicht widerstehen kann.
_Es ist schade_, dass „Die dunkle Flut“ trotzdem nicht richtig zündet. Schreibstil und Protagonistin sind nach wie vor auf hohem Niveau und dass der Fokus weniger auf Vampiren als vielmehr auf Magie liegt, hebt das Buch zusätzlich hervor. Die Handlung allerdings kann in diesem Fall nicht überzeugen. Etwas mehr Struktur und etwas weniger Verwicklungen hätten gut getan.
|Originaltitel: |Magic Burns|
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer
303 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582134|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autoren“]http://www.ilonaland.com
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