Archiv der Kategorie: Rezensionen

Ursula Spuler-Stegemann (Hrsg.) – Feindbild Christentum im Islam. Eine Bestandsaufnahme

Die „Feindbild Christentum im Islam“ herausgebende Professorin lehrt Islamwissenschaften an der Universität Marburg und hatte zuvor bereits mit „Muslime in Deutschland“ das wohl beste Werk über die ausländischen Islam-Angehörigen in unserem Land vorgelegt. In diesem Band hat sie nun eine ganze Reihe von Fachleuten versammelt, die sich dem interreligiösen Dialog widmen, der seit dem 11. September 2001 mit größerem Interesse als zuvor in der Bevölkerung wahrgenommen und beobachtet wird.

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Strobl, Karl Hans – HR Giger\’s Vampirric 3 – Das Grabmal auf dem Père Lachaise

HR Gigers Anthologie von Vampirgeschichten, die 2003 bei Festa unter dem Titel „HR Giger’s Vampirric“ erschienen ist, erlebt in Auszügen eine Neuauflage in vier Hörbüchern. Auf dem dritten Hörbuch findet sich Karl Hans Strobls Vampirerzählung „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“ – das Tagebuch eines Hunger leidenden Naturwissenschaftlers, der ein Jahr in einem Mausoleum auf eben jenem Pariser Friedhof zubringen will.

Ernest erfüllt das Testament einer offensichtlich übermäßig exzentrischen Russin. Diese Anna Feodorowna Wassilska hat nämlich verfügen lassen, dass derjenige zweimal 100.000 Franc erhält, der ein Jahr in ihrem Grabmahl zubringt. Ernest beschließt, dieses Jahr zur Beendigung seines Opus Magnus zu nutzen, mit dem er unsterblichen Ruhm in der Welt der Wissenschaft zu erringen sucht. Doch natürlich lockt den armen Privatgelehrten auch das Geld, mit dem er seiner Freundin Margot ein Leben in Sorglosigkeit bescheren könnte. Und die zwei üppigen Mahlzeiten, die ihm der einzige Diener der Wassilska – ein pockennarbiger Tatar namens Iwan – auf einem Wägelchen vorbeibringt, sind auch nicht zu verachten.

Ernest fragt sich immerhin, was diese außergewöhnliche Russin, die er nicht persönlich kennen gelernt hat, mit dieser seltsamen Verfügung bezwecken wollte. Jemanden in der Nähe zu haben, falls sie lebendig begraben wurde? Ein Schutz vor Grabräubern? Oder die sadistische Befriedigung zu wissen, wie sich jemand ein Jahr lang auf einem Friedhof quält? Diese Möglichkeit scheint Ernest am wahrscheinlichsten, nach allem, was er über die Wassilska in Erfahrung bringen konnte. Eine sinnenfrohe Frau aus der weiten Ferne Russlands, die in Paris offensichtlich Vergnügen und das Absonderliche suchte und auch nicht davor zurückschrecke, dem Bäckerlehrling Geld zu bieten, um ihn beißen zu dürfen. Spätestens hier schrillen bei Horrorkennern die Alarmglocken, doch Ernest ist ein zu treuer Naturwissenschaftler, als dass er sich von solchen Geschichten beunruhigen lassen würde. Er schwört, die Zeit im Grabmahl sinnvoll zu nutzen und sich von absonderlichen Begebenheiten nicht schrecken zu lassen.

Und tatsächlich schwant dem Hörer bald, dass im Grabmahl der Wassilska nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Die Zettel, die Ernest als Denkhilfen für sein Buch ordentlich sortiert hat, werden des nächtens im ganzen Grabmahl verstreut. Außerdem machen ihn das üppige Essen und die mangelnde Bewegung so fett, dass er in einem Augenblick der Klarheit erkennt, dass er wie eine Gans gemästet wird. Doch das Seltsamste ist wohl das grüne Licht, das sich Nacht für Nacht einstellt und den Marmor des Grabmahls weich macht.

Doch anstatt sich vor solchen Erscheinungen zu fürchten, lässt sich Ernest von Iwan Gerätschaften und Prismen bringen, um das Licht zu untersuchen. Eines Morgens jedoch findet er unter seiner auf einem Notizzettel notierten Frage nach der Natur dieses seltsamen Lichts die Antwort: „Es ist der Atem der Katechana“ – in seiner eigenen Handschrift. Halb wahnsinnig von dem Gedanken herauszufinden, was hier gespielt wird, bombardiert er Iwan mit Fragen nach dem unbekannten Begriff, während Margot immer öfter sein Grabmahl heimsucht, um ihn zum Abbruch dieses Jahres zu bewegen. Doch es kommt, wie es kommen muss. Ernest stellt fest, dass es sich bei der Wassilska um einen Vampir handelt, der nun jede Nacht in wilden Küssen über ihn herfällt und das Blut aus seinen fetten Adern saugt. Er lauert ihr auf, um sie zu vernichten… Doch bleibt der Hörer ohne letzte Gewissheit zurück: Ist Ernest tatsächlich wahnsinnig? Bildet er sich die Vampirin Wassilska nur ein? Oder handet es sich tatsächlich um eine Untote und tat Ernest das einzig Richtige?

Der Österreicher Karl Hans Strobl (1877- 1946) zählt zusammen mit Hanns Heinz Ewers zu den bedeutendsten Autoren deutscher Phantastik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Neben dem „Grabmahl auf dem Père Lachaise“ verfasste er mit „Das Aderlassmännchen“ noch eine weitere Vampirgeschichte, die in ihrer Komposition jedoch komplizierter als „Das Grabmahl auf dem Pere Lachaise“ ist. Strobls Erzählung ist innerhalb der Hörbuchreihe „HR Giger’s Vampirric“ ein wahrhaftes Highlight, wozu auch der Sprecher David Nathan – unter anderem als die deutsche Stimme von Johnny Depp bekannt („Savvy?“) – viel beiträgt. Nathan gibt der tagebuchartigen Erzählung Ernests Charaktertiefe. Auf der einen Seite ist er der forschungswütige, überspannte und an leichter Überschätzung leidende Physiker. Dann wieder ist er der geldgeile Egoist, der die Absonderlichkeit des Testaments der Wassilska erfolgreich verdrängt, um am Ende des Jahre die ausgesetzte Unsumme und täglich zwei warme Mahlzeiten zu kassieren. Und gegen Ende der Erzählung scheint durch Nathans Interpretation auch deutlich Ernests zunehmender Wahnsinn durch – gerade hier kann David Nathan brillieren und dem Zuhörer mit Leichtigkeit Schauer über den Rücken laufen lassen.

Wirklich unheimlich und gruslig wird Strobls Erzählung erst gegen Ende. Bis dahin resultiert das Gefühl des Unwohlseins beim Hörer hauptsächlich aus dem ungewöhnlichen Setting und den seltsamen Begebenheiten, denen Ernest aber mit positivistischer Einstellung gegenübertritt. Diesen subtilen Grusel jedoch kann Strobl über die gesamte Erzählung hinweg aufrechterhalten, sodass „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“ keine Längen aufweist und konstant Spannung erzeugt wird. Dieser Teil der „Vampirric“-Reihe ist definitiv der Höhepunkt der vier Hörbücher. Daher heißt es: Kaufen, kaufen, kaufen!

Alle vier Hörbücher im Überblick:

[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“

[HR Giger’s Vampirric 2: 582
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“

HR Giger’s Vampirric 3:
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“

[HR Giger’s Vampirric 4: 584
Guy de Maupassant „Der Horla“

Jeffery Deaver – Der faule Henker [Lincoln Rhyme/Amelia Sachs 5]

Ein wahnsinniger Illusionskünstler steigert den Thrill seiner Vorstellungen, indem er ahnungslose ‚Assistenten‘ im Rahmen kunstvoller Zaubertricks ums Leben bringt. Immer neue Verkleidungen und Identitäten täuschen zunächst sogar den genialen Kriminalisten Lincoln Rhyme und seine Assistentin Amelia Sachs davontragen … – Der fünfte Thriller der Rhyme/Sachs-Serie präsentiert primär Routine; die absurde Story schildert einen realitätsfernen Zweikampf zwischen unkonventionellen Über-Ermittlern und ihrem dämonischen Gegner. Da der Verfasser sein Handwerk versteht und mit allen Tricks arbeitet, kann die Lektüre weiterhin fesseln. Jeffery Deaver – Der faule Henker [Lincoln Rhyme/Amelia Sachs 5] weiterlesen

Sara Douglass – Vermächtnis der Sternenbraut, Das (Unter dem Weltenbaum 5)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577
Band 2: [„Sternenströmers Lied“ 580
Band 3: [„Tanz der Sterne“ 585
Band 4: [„Der Sternenhüter“ 590

Der fünfte Band des Weltenbaum-Zyklus, „Das Vermächtnis der Sternenbraut“, endet noch einmal aprupt mitten im Geschehen.

Faraday ist zutiefst gekränkt, dass Axis sie mit Aschure betrogen hat, erkennt aber auch, wie tief die beiden miteinander verbunden sind. Sie gibt Axis frei, Aschure zu heiraten, und verlässt Karlon, um ihren Anteil an der Prophezeiung zu erfüllen: Sie macht sich auf, den Wald von Tencendor neu anzupflanzen. Dabei erhält sie unerwartete Hilfe, aber auch Gefahr folgt ihr auf dem Fuß …
Axis erhält derweil Nachricht, dass Gorgraels Truppen seine Stellung in Jervois überrannt haben und nach Süden marschieren. Sofort setzt er seine eigenen Truppen in Marsch, um dem Feind zu begegnen. Doch er kann eine verheerende Niederlage nur durch den massiven Einsatz von Magie verhindern, einen Einsatz, der einen schrecklichen Preis fordert.
Aschure hält sich in der Zwischenzeit im Sternentempel auf, einem Heiligtum der Ikarier auf der Insel des Nebels und der Erinnerung. Dort enthüllt sich ihr nicht nur das Geheimnis um ihre Herkunft, sondern auch das um ihre Bestimmung. Dann erreicht sie die Nachricht von Axis‘ Schlacht, und ihr wird klar, dass sie sofort zu ihm reisen muss. Allerdings ist Axis nicht der Einzige, der ihre Hilfe braucht. Aschure muss sich beeilen …

Was die Entwicklung der Personen angeht, so scheint diese bei Aschure inzwischen ziemlich abgeschlossen. Es ist klar, woher sie kam und wohin sie geht, das Ziel muss nur noch erreicht werden.
Anders sieht es bei Axis aus. Er weiß, dass die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, nicht ausreichen, um Gorgrael zu besiegen, und der Rückschlag in der letzten Schlacht macht seine Selbstzweifel noch schlimmer. Ihm fehlt noch ein entscheidender Schritt …
Faraday hingegen scheint im Gegensatz zu Axis und Aschure keine Probleme mit sich selbst zu haben, obwohl sie weiß, dass ihr noch viel bevorsteht. Abgesehen von ihrer Enttäuschung mit Axis scheint sie ausgeglichen.
Timozel dagegen ist inzwischen ganz in den Klauen Gorgraels und macht nicht einmal mehr den Versuch, sich dem zu entziehen. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Trotzdem bleibt ein Gefühl von Endgültigkeit aus. Vielleicht ist er ja doch noch für eine Überraschung gut?

Die Handlung hat ihre Spielebene ungeheuer ausgeweitet. Nach der Niederlage Bornhelds und der Zerschlagung des Seneschalls schien es kurz, als seien von den drei Parteien, von denen jede allen anderen feindlich gegenüberstand, nur noch zwei übrig. Stattdessen hat das Geschehen lediglich eine neue Tür geöffnet, durch die ein anderer auf den Plan getreten ist, um das Dreieck wieder komplett zu machen. Was als Bruderzwist zwischen Axis und Bornheld begann und als Rettung der Welt vor völliger Vernichtung weiterging, ist inzwischen bei einem Kampf angelangt, in den selbst die Götter verstrickt sind.
So stellt sich im Verlauf der Ereignisse die Prophezeiung zunehmend als Gratwanderung heraus, in der der Prophet nur mit Mühe die Balance halten kann. Gorgrael scheint sich der Kontrolle des Dunklen zunehmend zu entziehen, die Awaren lehnen Aschure nach wie vor ab, und Artor, der Gott des Pfluges, versucht, Faraday am Bäumepflanzen zu hindern. Die Lage spitzt sich zu.
Abgesehen vom Spannungsbogen der eigentlichen Handlung, der sich immer straffer spannt, weiß die Autorin jedes gelöste Rätsel durch ein neues zu ersetzen. Hat man sich in den vorigen Bänden noch den Kopf zerbrochen, was es wohl mit Aschure auf sich hat und wer Axis wohl verraten wird, fragt man sich inzwischen, was für eine seltsame Verwandlung mit den Wächtern vor sich geht und welchem Zweck sie dienen mag, oder was es mit dem geheimnisvollen Regenbogenzepter auf sich haben wird. Überhaupt ist die letzte Strophe der Prophezeiung noch längst nicht klar …

Es bleibt also noch genug Stoff für den letzten Band, sodass nicht zu befürchten steht, es jetzt nur noch mit einer einzigen großen Schlacht zu tun zu haben, zumal es fraglich ist, ob die Entscheidung zwischen Gorgrael und Axis durch eine Schlacht gefällt wird. Eigentlich erscheint eine solche Lösung zu plump angesichts der vielen feinen Fäden, in denen die Autorin bisher ihre Handlung gesponnen hat. Nun, in einigen hundert Seiten werden wir es wissen …

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

My Сreative

Jess Walter – Stummes Echo

In der Provinz-Großstadt Spokane werden entlang eines Flussufers die Leichen ermordeter und rituell ausgestellter Prostituierter gefunden. Von Politikern und den Medien bedrängt und von ‚Fachleuten‘ nur bedingt gut beraten, versuchen zwei Polizisten dem Serienkiller das Handwerk zu legen … – Natürlich schwebt dieser quasi unsichtbar aber allwissend über der Szenerie und ist praktisch nicht zu fassen, bis er im Finale trotzdem aufgespürt wird – Routine-Thriller; gut recherchiert, aber inhaltlich überfrachtet mit privaten Problemen der Hauptfiguren: durchschnittlich. Jess Walter – Stummes Echo weiterlesen

Terhart, Franjo – Schatz der Tempelritter, Der

Terhart ist einer der jüngeren Tempelritter- und Katharerforscher und legt zu diesem Thema sein zweites Buch nach [„Die Wächter des Heiligen Gral“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404701828/powermetalde-21 (2001) vor. Augenfällig ist gleich, dass sein Folgeband nicht mehr zuerst als Hardcover erschienen ist. Der interessierte Leser kann darüber viel spekulieren. Beispielsweise wäre es nahe liegend, dass bei all der Fülle an Publikationen in den letzten Jahren das Interesse einfach nachlässt, weil nichts wirklich Neues mehr dazukommt. Andererseits halte ich es für wahrscheinlicher, dass der Verlag sich zu Recht für das Taschenbuch-Original entschied, weil der Inhalt eigentlich mehr wie ein Überbleibsel gestrichenen Materials aus dem ersten Band erscheint. Im Grunde wäre das Meiste Stoff für einen umfangreichen Anmerkungsanhang gewesen. Aufgrund ursprünglicher Kürzungen scheint nun einfach ein Folgeband nachgeschoben. Akribisch werden darin alle Plätze und Vermutungen, wo sich der verschwundene Templerschatz befinden könnte, aufgezeigt. Durchaus eine Leistung, aber interessiert das noch wirklich den zeitgenössischen Gralsforscher, der vor einigen Jahren durch die Veröffentlichungen der englischen Autoren Baigent und Leigh mit den Enthüllungen um den geheimnisvollen Blutslinien-Orden Jesu („Prioré de Sion“) auf sensationelle Weise einmal mehr auf die Katharergeheimnisse aufmerksam gemacht wurde?

Um das Buch nicht ganz zu schmälern: Sicherlich finden sich überall versteckt neue kleine Puzzle-Stücke, die das Gesamtbild komplettieren und die zu erfahren sich lohnt. Dafür ist aus Preisgründen eine Taschenbuchausgabe geradezu gerechtfertigt. Recht interessant sind Verknüpfungen zum alten Pilgerweg nach Santiago de Compostela in Bezug auf die Schatzsuche. Neu geschrieben – also nicht als Anmerkungen für den vorhergehenden Band zu betrachten – ist die Auseinandersetzung mit dem Kult der abgeschnittenen Köpfe. Aber diese scheint in der Hauptsache eine Zusammenfassung des 1999 erschienenen Buches „Das Haupt Gottes“ von Keith Laidler zu sein, welche nur noch um wenige eigene Vermutungen ergänzt wird.

Leider ist noch keiner der Autoren, die sich mit dem Baphomet-Kopf und den Kopf-Riten alter Völker befassen, auf die Idee gekommen, dies mit den Geschichten um die geheimnisvollen Kristallschädel aus dem indianischen Kulturkreis in Verbindung zu setzen. Meines Erachtens wäre das eine sehr lohnenswerte Sache, die ebenso Spektakuläres an den Tag bringen wird wie einst die ersten Enthüllungen über die „Prioré de Sion“. Auch die Kristallschädel stammen aus matriarchal-religiösen Überlieferungen und das Wissen darüber wird heute noch von „Großmütter“-Zusammenkünften gehütet, was zu den neueren Thesen – welche auch Terhart im vorliegenden Buch vervollständigt – passt, die besagen, dass die Templer mit ihrem Marienkult auf alte Göttinnenverehrung zurückgreifen, die über die ägyptische Isis weiter zum Stamm der Benjamiten (welche, während Moses die Gesetzestafeln erhielt, unten ums Goldene Kalb tanzten) führte, und dass auch Maria dieser Stammeslinie zugehörig war. Jedenfalls bleibt die Sache mysteriös und die Zusammenhänge werden dennoch immer besser ersichtlich, so auch zur Bundeslade, welche zur Zeit König Davids zur geheimnisvollen Königin von Saaba wechselte (worüber die Freimaurer in ihrem Hiram-Abif-Mythos – „Sohn der Witwe“, gleichzeitig auch wieder ein Kopfkult – noch heutzutage geheimes Wissen überliefern).

Auf alle Verknotungen einzugehen, die in diesem Buch wieder und wieder aufbereitet werden, wäre zu mühsam. Deswegen nur noch einige Highlights, z. B. der „Sternenweg“ nach Compostela im Zusammenhang zu Sirius und der Priesterschaft Johannes des Täufers, die in eine geistige Linie zu Seth, Typhon, dem Schlangengott, Lucifer, Johannes und Jesus gestellt wird. Oder die Überlieferungen der Sinti und Roma, die noch heute zu Sara Kali beten, einer Tochter von Jesu, die mit Maria Magdalena überlebt habe und über Ägypten nach Frankreich geflohen sei. Maria Magdalena selbst ist in diesen Darstellungen die große Hure Babylons und ihre Priester waren Sexualmagier bis hin zu Johannes, der Simon Magus, den bedeutenden gnostischen Magier mit seiner Gefährtin Helena – ein Pendant zu Jesus und Maria – als Schüler hatte. Simon Magus brachte das überlieferte Wissen nach Irland, nach keltischen Legenden zum Hochdruiden Mog Ruith und der Inhalt dieses Wissen zeigt wiederum deutliche Parallelen auf zum indianischen Medizinrad und den dortigen Schädeln. Doch wie gesagt, darüber steht leider nichts im Buch.

Deutlich bleibt nach der Lektüre jedenfalls die Sichtweise, dass es um Göttinnenwissen geht, dass Maria-Jesus immer wieder archetypisch wiederkehrende Vorbilder in den alten religiösen Legenden haben, und dass es um das Wissen um die Schöpfungsursache geht und damit um Sexualmagie im gnostisch-philosophischen Sinne, die aufgrund der Vereinigung vorhandener Polaritäten diese überhaupt erst bewirkt.

McCollum, Michael – Antares-Krieg, Der

„Der Antares-Krieg“ vereint Michael McCollums Antares-Trilogie mit ihren Romanen „Antares: Dämmerung“, „Antares: Passage“ und „Antares: Sieg“ in einem 909-seitigen Sammelband.

Zwischen den ersten beiden Bänden (1986/87) und dem abschließenden Finale der Trilogie (2002) klafft eine große zeitliche Lücke, der Roman „Antares: Victory“ ist übersetzt deshalb auch ausschließlich als Teil dieses Sammelbandes erhältlich. In Deutschland erschien der erste Band bereits unter dem Namen „Antares erlischt“. Damalige Leser dürfte McCollum mit dieser Wartezeit ziemlich vergrault haben … für Neuleser ist der Sammelband dagegen optimal: Als Einzelromane unbefriedigend und unabgeschlossen, ist die Trilogie dagegen eine runde, abgeschlossene Sache.

Aus den Namen wird bereits ersichtlich, was der Leser zu erwarten hat: Military Science-Fiction – im Zusammenhang mit dem Stern Antares. Der 1946 in Phoenix, Arizona, geborene Autor Michael McCollum ist Raumfahrtingenieur und hat an vielen amerikanischen Raumfahrzeugtypen mitgearbeitet. Das merkt man seinen Romanen auch an: Ein solides wissenschaftliches Fundament, weitgehend realistische Technologien und eine spannende Story zeichnen die Antares-Trilogie aus. Schreiberisch kann McCollum leider nicht auftrumpfen, er begeistert eher mit den zuvor genannten Stärken.

_Gestrandet im Weltraum_

Die Menschheit hat vor einigen Jahrhunderten eine Möglichkeit entdeckt, schneller als das Licht durch den Weltraum zu reisen: Manche Sonnensysteme haben sogenannte |Faltpunkte|, deren |Faltlinien| in Nullzeit direkt zu einem anderen, weit entfernten Faltpunkt führen. So werden Distanzen nicht mehr in Lichtjahren, sondern in Sprüngen gemessen. Von großer Bedeutung ist dabei der rote Riesenstern Antares: Wie die meisten Überriesen hat das System viele Faltpunkte, wobei allerdings Antares gleich sechs davon besitzt, die zusätzlich auch noch direkt in bewohnbare Sonnensysteme führen!

Im Jahr 2512 kommt es zur Katastrophe: Unerwartet kollabiert Antares und wird zur Supernova, alle Faltpunkte erlöschen oder verschieben sich: Das gesamte Faltpunktnetz des Menschenraums wird völlig verändert! Das Valeria-System wird besonders hart getroffen: Sein einziger Faltpunkt erlischt – die Bewohner Altas sind in ihrem System gefangen.

Knapp hundert Jahre später taucht ein riesiges Raumschiff im Valeria-System auf. Eine Erkundungsmission unter Captain Richard Drake kehrt mit erfreulichen und bestürzenden Neuigkeiten zurück: Es gibt offensichtlich wieder einen Faltpunkt im System, durch den die als Kriegsschiff der terranischen Hegemonie identifizierte |TNS Conqueror| gekommen ist. Doch das Schlachtschiff ist nur noch ein Wrack, es wurde offensichtlich in einem Gefecht schwerstens beschädigt, nahezu alle Datenspeicher und die gesamte Besatzung ausgelöscht.

Eine Expedition wird mit Drakes Schlachtkreuzer |ANS Discovery| zum Faltpunkt entsandt und stößt in das Napier-System vor. Dort erfährt man durch einen Datenspeicher Bestürzendes: Das nur wenige Lichtjahre neben Antares gelegene Sonnensystem bereitete sich auf eine totale Evakuierung der Bevölkerung in das Hellsgate-System vor, da die harte Strahlung der Nova alles Leben im System auszulöschen drohte. Die Evakuierung war im vollen Gange, als durch einen neu entstandenen, instabilen Faltpunkt im System Schiffe einer „Ryall“ genannten Rasse eindrangen. Diese bombardierten die Hauptwelt New Providence, konnten aber zurückgeschlagen werden. Weitere Angriffe erfolgten, der letzte vernichtete alles Leben auf New Providence, nur ein Bruchteil der Bevölkerung war zu diesem Zeitpunkt bereits evakuiert. Captain Drake schwant Übles – dem Zustand der |Conqueror| nach zu schließen, ist nach wie vor ein Krieg im Gange. Und seine Heimatwelt Alta könnte über den Zugang im Napier-System jederzeit davon erfasst werden …

_Die zweibeinigen Ungeheuer vom bösen Stern_

Bis auf die an Wurmlöcher erinnernden – und auch genauso „funktionierenden“ – Faltpunkte schreibt McCollum Realo-SF: So dauern Flüge im Weltraum Tage, wenn nicht Wochen, der Funk ist nicht überlichtschnell, der Tod im Weltall ist kalt und schnell, niemand hört dich schreien…

Zum Glück hat McCollum nicht vergessen, eine spannende Geschichte zu erzählen. Die anfängliche Suche der |Discovery| ist bereits sehr unterhaltsam, wird aber von der weiteren Entwicklung noch einmal getoppt: Die |Discovery| wird Kontakt zu einer seit Jahrzehnten im Abwehrkampf gegen die Ryall stehenden, monarchistischen Menschenkolonie aufnehmen, einen Weg zur Erde entdecken und das Blatt im Kampf gegen die Ryall wenden können.

So weit die ein wenig an „Kampfstern Galactica“ erinnernde Storyline. Interessant wird es im zweiten Band: Drakes Verlobte Bethany freundet sich mit |Varlan von den Duftenden Wassern|, einer kriegsgefangenen Ryall, an. Diese gewährt ihr Einblicke in die Psyche der Ryall: So sind diese durchaus rational und können sich mit Menschen problemlos verständigen, doch selbst Varlan sieht in Bethany nur „ein die Brut fressendes, zweibeiniges Ungeheuer vom bösen Stern“. Die Ryall führten auf ihrer Heimatwelt Jahrtausende lang Krieg gegen eine zweite, halbintelligente Spezies, die ihre Brut fraß und die amphibischen Ryall ans Land jagte: Die „Schnellen Esser“. Diese entstanden wohl infolge von Mutationen, die durch die Strahlungen einer Supernova ausgelöst wurden. Die Ryall sehen Novae als böse Omen an, und just zu dem Zeitpunkt der Explosion des Antares verband sich der Lebensraum der Ryall mit dem der Menschheit durch Faltpunkte – solange noch ein Mensch in Freiheit lebt, sind die Ryall überzeugt, in ihrer Existenz gefährdet zu sein!

Wie verständigt man sich mit einer an und für sich vernünftigen Alienrasse von Sozialdarwinisten, die von der Unausweichlichkeit eines totalen Krieges gemäß der Maxime „survival of the fittest“ fest überzeugt sind, zudem sie noch wohlbegründete archaische Urängste vor anderen Intelligenzwesen haben?

Ein interessanter Punkt, denn im dritten Band wendet sich das Blatt: Die Menschheit hat die Ryall nun am Haken, und es werden Stimmen zu einer Beendigung des Krieges laut. In den Augen vieler Menschen gleichbedeutend mit einem Genozid an den Ryall. Hier gewinnt das Buch eine fast schon philosophische Tiefe, man merkt deutlich, dass der dritte Band knapp 15 Jahre nach den ersten beiden erschienen ist. Als hätte der Autor so lange über die folgende Problematik nachgedacht: Wird die Menschheit die Ryall auslöschen? Kann man sich noch irgendwie verständigen? Wollen die Menschen, im Bewusstsein des nahen Sieges, überhaupt noch verhandeln? McCollum hat sich hier viel Mühe gegeben, zu welchem Resultat er kommt, möchte ich nicht verraten.

_Fazit_

Wirkt McCollums Schreibstil im ersten Buch teilweise noch etwas sprunghaft und ungelenk, steigert er sich im weiteren Verlauf doch erheblich. Anfangs hatte ich arge Befürchtungen, die interessanten Weltraumexpedition würde von der recht dürftigen Liebesgeschichte zwischen Captain Drake und Bethany Lindquist, ein paar politischen Intrigen der Altaner und den so gerne in SciFi-Soaps üblichen Konflikten zwischen den hilflosen Altanern und der vermeintlich ultra-absolutistischen Kriegerkultur von Sandar überschattet. Doch zum Glück kam alles anders als ich dachte, besonders nachdem Bethany mit der Ryall Varlan ins Gespräch kommt – viel interessanter als ihr Geturtel mit Richard Drake. Die seichten Nebenhandlungen des ersten Teils merzt McCollum bereits im zweiten Band rigoros aus, bravo.

Ein Wortakrobat wird er jedoch nie, seine Figuren bleiben auch eher blass und ordnen sich der Story unter. Diese und seine Konzepte können jedoch begeistern! Straff, spannend und abwechslungsreich. Da dieses Buch ein Sammelband ist, bekommt man die Romane auch nicht häppchenweise mit Cliffhanger und unbefriedigendem Ende geliefert, sondern am Stück. Zwar gehört dieses Buch weitgehend zum Genre Military Science Fiction, allerdings ist diese Bezeichnung irreführend: |Space Exploration| charakterisiert es besser. Ballerei aus fadenscheinigen Gründen zum Selbstzweck findet man hier nicht, ganz im Gegenteil. Weltraumkrieg ist bei McCollum mehr eine Frage der Logistik und bildet nur die Rahmenhandlung für den Kontakt zu den Ryall.

Ein schöner, dicker SF-Schmöker, der gut unterhält und ein interessantes Thema anschneidet. Zwar fehlt der kultige |sense of wonder| der Abenteuer eines Raumschiffs Enterprise, dafür ist McCollums „Antares-Krieg“ ernsthafter, realistischer und deshalb auch etwas gehaltvoller – auf seine Art vielleicht sogar unterhaltsamer.

Matthew Reilly – Showdown

Außerirdische rüsten die New York State Library mit allerlei Hightech-Schnickschnack zur Arena um, in der sie sieben Gladiatoren zum Kampf auf Leben und Tod antreten lassen. Der Sieger erobert für sein Volk die Herrschaft über die Galaxis, die dann die auch im Kosmos offenbar üblichen 1000 Jahre währen wird. Unfreiwillig für die Menschheit am Start sieht sich der Unfallchirurg Stephen Swain, der anders als seine Gegner völlig ungerüstet in die Schlacht ziehen muss … Nullkommafünfdimensionale, actionlastige und absolut anspruchsfreie, aber durchaus spannend erzählte, auf Tempo getrimmte Science Fiction-Plotte, die durch endlose Verfolgungsjagden und mainstreamzensierte Metzeleien auf Überlänge gebracht wird.
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Herbert Asbury – Gangs of New York

„Die führenden Köpfe der Aufrührer kamen auf die Idee, dass sie mit Schusswaffen die Polizei außer Gefecht setzen könnten. Dann hätten sie die Möglichkeit, die Stadt in ihre Gewalt zu bringen und zu plündern, bevor genügend Militärtruppen zur Verteidigung anrücken könnten. Zu diesem Zweck planten die Aufrührer nun einen Sturm auf das staatliche Waffenlager … und auf die Union Steam Works …, die zur Munitionsfabrik umfunktioniert worden war … Aber die Polizei bekam Wind von den Plänen … Bereits eine halbe Stunde, nachdem die Polizisten in Stellung gegangen waren, hatten sich schätzungsweise 10000 Männer und Frauen vor dem Gebäude versammelt … Gegen vier Uhr begann der Sturm auf den Haupteingang … Sergeant Burdick musste bald einsehen, dass er das Arsenal nicht würde halten können, und er traf Anstalten, seine Männer hinauszuschleusen … Kaum war der letzte Mann [entkommen], gaben die Türen des Arsenals … nach, und der Pöbel stürmte mit Triumphgeschrei das Gebäude … Während der Pöbel das Waffenlager plünderte, vereinigten sich die Polizeieinheiten, die gegen die Horden auf der 2nd und 3nd Avenue gekämpft hatten, zu einer mehr als 100 Mann starken Truppe und gingen entschlossen gegen den Mob vor … Unterdessen hatten andere Teile des Mobs … Feuer gelegt … Die Menge [im Inneren] hatte kaum eine Chance zu entkommen … Die genaue Zahl der Opfer blieb unbekannt, aber als die Krawalle abgeflaut waren und mit den Aufräumarbeiten begonnen wurde, füllten die menschlichen Knochen, die die Arbeiter in dem Schutt fanden, mehr als 50 Körbe und Fässer.“

Was sich hier wie der Ausschnitt aus einem wüsten Horrorthriller liest, ist tatsächlich geschehen – im Juli des Jahres 1863, aber nicht auf einem der Schlachtfelder des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865), sondern fern der Front in den Straßen von New York! Dort tobte eine mehrtägigen Orgie unvorstellbarer Gewalt und Zerstörung, die von der Armee und nur mit Haubitzen niedergeschlagen werden konnte, mindestens 2000 Menschen das Leben und 8000 die Gesundheit kostete und mehr als einhundert Gebäude in Schutt und Asche legte. Hier entlud sich ganz offensichtlich der Zorn einer rechtlosen Unterschicht, die einmal zu viel mit Füßen getreten worden war.

Von den Volksaufständen der französischen und der russischen Oktober-Revolution haben wir in der Schule erfahren. Aber wer hätte gedacht, dass sich Vergleichbares ausgerechnet in den Vereinigten Staaten von Amerika abgespielt hat, wo man sich als Wiege der modernen Demokratie gern selbst zu feiern pflegt? Die Krawalle von 1863 stellen ein fast völlig vergessenes Kapitel der Weltgeschichte dar. Dabei bilden sie nur den traurigen, aber eigentlich logischen Höhepunkt einer Entwicklung, die man nur als ungeheuerliches Trauerspiel bezeichnen kann: Die braven Bürger von New York hatten den Mob, der ihnen an die Kehle ging, praktisch selbst und systematisch herangezüchtet! Über ein halbes Jahrhundert brüteten die Slums der Stadt mit ihren Lebensbedingungen, die jeglicher Beschreibung spotteten, ganze Generationen verrohter und brutalisierter Wilder aus, die schließlich ganze Viertel besetzten und sich ihre eigene Welt mit bizarren Regeln schuf, zusammengehalten durch mörderische Gewalt – die Gangs von New York!

Wenn man heute das Wort „Gang“ hört, beschwört es das Bild jener Gang-ster-Banden herauf, die im Chicago Al Capones ihr Unwesen trieben. Wer macht sich schon Gedanken darüber, dass diese Verbrecher-„Kultur“ der 20er und 30er Jahre wohl kaum aus dem Nichts entstanden ist, sondern ihre eigenen historischen Wurzeln besitzen muss? Und selbst wenn: Wie könnte man – zumal hier in Deutschland – entsprechende Informationen erhalten?

Da tritt als Retter in der Not ausgerechnet Martin Scorsese, der charismatische Filmemacher abseits des langweiligen Hollywood-Mainstreams, auf den Plan. Nachdem er u. a. mit „Wise Guys – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ und „Casino“ schon mehrfach einen Blick auf das organisierten US-Verbrechen der letzten fünf Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts geworfen hat, ging er in seinem Epos „Die Gangs von New York“ weiter zurück – etwa ein volles Jahrhundert, um genau zu sein; in jene Phase, als Gangs mit malerischen Namen wie „Dead Rabbits“, „Five Points“ oder „Hell Kitchen Gophers“ ihr gar nicht romantisches Schreckensregiment ausübten.

„Die Gangs von New York“ ist in den USA aber auch ein Klassiker des „True Crime“-Sachbuchs, das sich mehr oder weniger exakt, aber nicht wissenschaftlich streng seinem Thema nähert. Verfasst wurde es vom zu seiner Zeit sehr populären, heute aber weitgehend vergessenen Journalisten Herbert Asbury (1889-1963) bereits im Jahre 1928.

|“Dieses Buch soll keine soziologische Abhandlung sein und ist nicht als Versuch zu verstehen, Lösungen für die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kriminologischen Probleme aufzuzeigen, die die Bandenkriminalität aufwirft“|, schickt Asbury seinem Werk voraus; eine lobenswerte Einschränkung, auf die viele seiner schriftstellernden Zeitgenossen lieber verzichteten, sich mit Wonne zum Sprachrohr für Volkes Stimme machten und verlogen in düsteren Schauergeschichten über vertierte Verbrecher als direkte Sendboten der Hölle schwelgten. Asbury kann sich von diesem Klischee nicht völlig trennen: |“In der Regel … war der Gangster ein stupider Raufbold, der in Schmutz und Elend geboren und inmitten von Laster und Korruption aufgewachsen war. Er folgte seiner natürlichen Bestimmung“|, heißt es im Vorwort.

Andererseits wollte Asbury hier eindeutig dem kritischen Establishment seiner Zeit den Wind aus den Segeln nehmen. Auf mehr als vierhundert Seiten verzichtete er darauf, dem Publikum die bittere Pille zu versüßen: |“Der Urtyp des Gangsters … war im Wesentlichen das Produkt seiner Umwelt: Armut, chaotische Familienverhältnisse und gesellschaftliche Unsicherheit brachten ihn hervor, und die politische Korruption mit all ihren üblen Begleiterscheinungen gab ihm Auftrieb.“| Das ist deutlich und klingt recht modern, und Asbury versucht nicht einmal, die echten Ursachen des Bandenunwesens in New York zu verschleiern.

Seite um Seite füllt er mit Fakten und Namen und legt Zeugnis ab über die ungeheuerlichen Verbrechen von Politikern, Geschäftsleuten und Kirchenfürsten, die in enger Zusammenarbeit mit dem „Gesetz“ und seinen Vertretern eine ganze Stadt als ihre persönlichen Pfründe betrachteten, die zum Himmel schreiende Verelendung ganzer Stadtviertel ignorierten und jene, die sich nicht wehren konnten, mit einer Rücksichtslosigkeit ausbeuteten, die selbst den in punkto sozialer Gerechtigkeit seit jeher nicht zimperlichen Amerikanern übel aufstieß: |“Im Schlagstock eines Polizisten steckt mehr Recht als in einem Beschluss des Obersten Gerichts.“| (Alexander S. Williams, Kommandant des 29. Polizeireviers von New York)

Sicher, die Zeiten waren anders, und auch in Europa gab es so etwas wie verbindliche Regeln zum Schutze derjenigen, mit denen es das Schicksal nicht so gut meinte, noch nicht, geschweige denn ein soziales Netz, das diesen Namen verdiente. Aber sogar die Zeitgenossen wussten spätestens 1857, dass die übliche Korruption und Unterdrückung in New York jegliches Maß verloren hatten, als der Staat die gesamte Verwaltung vom Bürgermeister abwärts sowie die gesamte Polizeibehörde ihrer Posten enthob – und diese den Gehorsam verweigerten! Der Bürgermeister verbarrikadierte sich im Rathaus, und über Wochen lieferten sich die „alten“ mit den „neuen“ Polizisten vor den Augen der gleichermaßen fassungslosen Bürger und Verbrecher in den Straßen wilde Schlachten um die Vorherrschaft, bis schließlich wieder einmal die Armee einmarschieren musste.

Es fragt sich also, wer die eigentlichen „Gangs von New York“ waren … Asburys Buch platzt geradezu vor Schilderungen absurder Geschehnisse, die den Leser mit offenem Mund zurücklassen. Der Autor beschränkt sich in seiner Skandalchronik mit einer für 1928 erstaunlich anmutenden Konsequenz auf die nüchterne Darstellung. Sofern man das in Unkenntnis der primären Quellen sagen kann, hat Asbury aufwendig und sauber recherchiert. Er nennt geradezu pedantisch Orts- und Personennamen und wartet mit präzisen Zeitangaben auf – kein Wunder, konnte er doch nicht nur auf eine Fülle seither vom sprichwörtlichen Zahn der Zeit vertilgter Akten, Berichte oder Briefe zurückgreifen, sondern selbst noch viele Zeitgenossen befragen.

An dieser Stelle ließe sich noch endlos schwelgen in den (Un-)Taten von Männern mit Namen wie Eat ‘Em Up Jack McManus, Louie the Lump oder Gyp the Blood, in Anekdoten wie der von der wahnwitzigen Entführung des Finanzmagnaten A. T. Stewart 1878 (zwei Jahre nach seinem Tod …) oder in Reminiszenzen an halb verschüttete oder längst vergessene große (noch John Carpenter stützte sich 1987 in „Big Trouble in Little China“ auf die berüchtigten „Tong-Kriege“, die zwischen 1900 und 1912 New Yorks Chinatown verheerten) und kleine Geschichten (Wer hätte gedacht, dass die ersten Polizisten New Yorks keine Uniform trugen, sondern nur einen Stern aus Kupfer – „Copper“ im Englischen; bis zum „Cop“ ist es dann nicht mehr weit …). Aber es soll genug sein und ist gewiss mehr als genug gewesen, neugierig zu machen auf dieses veraltete, aber in jeder Beziehung unterhaltsame Werk, dessen einzige inhaltliche Kritik sich gegen Asburys absurde Behauptung richten muss, die Tage des korrupten New Yorker Stadtregiments und des organisierten Verbrechens seien spätestens seit dem I. Weltkrieg Vergangenheit. Auch Asbury hat 1928 gewusst, was sich längst abzeichnete: Beide waren virulenter denn je und begannen gerade erst zur Höchstform aufzulaufen.

Taschenbuch: 448 Seiten
www.heyne.de

Sara Douglass – Sternenhüter, Der (Unter dem Weltenbaum 4)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577
Band 2: [„Sternenströmers Lied“ 580
Band 3: [„Tanz der Sterne“ 585

„Der Sternenhüter“ heißt der vierte Band des |Weltenbaum|-Zyklus, und wie erwartet, ist in diesem Teil wieder einiges los:

Axis und Bornheld haben sich dazu durchgerungen, ihre Rivalitäten bis nach dem Winter zu vertagen, um Gorgraels Angriffen standhalten zu können. Axis kann die Angreifer sogar zurückschlagen und kommt wohl oder übel Bornheld zu Hilfe, der die Hauptlast des Ansturms zu tragen hat. Bornheld ist ihm dafür keinesfalls dankbar, und kaum ist der Winter vorrüber, bricht der Waffenstillstand auseinander.
Noch bevor Bornheld Axis angreifen kann, hat der sich bereits auf den Weg in die Provinz Skarabost gemacht, wo ein Vasalle Bornhelds die Bevölkerung tyrannisiert, um sie am Überlaufen zu Axis zu hindern. Während Axis durch das östliche Achar zieht, macht Bornheld sich auf den Weg in die Hauptstadt, weiß er doch, dass Axis letztlich ebenfalls dorthin kommen wird.
Vor den Toren der Stadt kommt es zur Schlacht, doch die endgültige Entscheidung fällt nicht auf dem Schlachtfeld …

Der vierte Band wird zu einem großen Teil von Kämpfen und Schlachten bestimmt. Dabei nimmt der Kampf gegen Gorgraels Kreaturen den weitaus größeren Raum ein, wenngleich seine neueste Waffe seltener vorkam, als ich es am Ende von „Tanz der Sterne“ erwartet hätte. Die Schlacht vor Karlon ist dagegen erstaunlich kurz. All diese Schlachten sind ziemlich unblutig beschrieben, gehen eher auf strategische Dinge und auf die Verschiebung von Machtverhältnissen ein als auf bloßes Gemetzel.
Den Höhepunkt der Kämpfe stellt natürlich der letzte Kampf zwischen Axis und Bornheld dar, der in dieser Hinsicht wesentlich drastischer ist. Im Hinblick auf zwei Folgebände kann zu diesem Zeitpunkt der Kampf wiederum nur zu Gunsten Axis‘ ausfallen, allerdings geht es dabei um wesentlich mehr als nur um die Entscheidung zwischen den Rivalen.
Die andere Hälfte des Buches dreht sich großteils um das Dilemma zwischen Axis, Aschure und Faraday. Weder Axis noch Aschure sehen sich in der Lage, den gordischen Knoten zu lösen, den Axis da geknüpft hat, und letztlich ist es Faraday, die die Entscheidung trifft, nicht ohne ein Samenkorn der Rache mit hineinzupacken.

Mit dem Entscheidungskampf zwischen Bornheld und Axis und auch mit den Ereignissen, die zu Faradays Entscheidung führen, wurden einige Rätsel gelöst, an denen der Leser bisher eifrig geknackt hat. Noch immer steht aber nicht fest, wer der Verräter in Axis‘ Reihen ist, und was der Dunkle Mann eigentlich mit seinem Tun bezweckt. Und Faradays Abschied gibt wieder erneutes Rätselraten auf.
Die Prophezeiung, deren Wortlaut in jedem Band enthalten ist, dröselt sich immer mehr auf, pro Band – in der deutschen Ausgabe pro zwei Bände – eine Strophe, so scheint es, doch ganz so einfach ist es nicht, bleiben doch immer noch mehrere Möglichkeiten der Deutung offen, so zum Beispiel, wer die dunklere Macht sein mag, die sich als Bringer des Heils erweisen soll.
Die ungewöhnlichen Ereignisse außerhalb des Schlachtengeschehens zeigen den Einfallsreichtum der Autorin. Und immer wieder gelingt es ihr elegant, überraschend Fäden miteinander zu verbinden, die gar nichts miteinander zu tun zu haben schienen, erweist sich am Rande Erwähntes, das unwichtig schien, als bedeutsam. Das gilt besonders für die feinen Handlungsfäden, die neben den großen Strängen herlaufen: die Wächter, die Charoniten, Timozel.

Im bisherigen Gesamtverlauf ist man jetzt an einem vorläufigen Höhepunkt angelangt. Der Bürgerkrieg ist beendet, die folgende Handlung wird auf den endgültigen Gipfel zustreben, den Kampf gegen Gorgrael. Bisher fehlt Axis‘ Heer jedoch noch die Unterstützung der Awaren, die sich ihm nicht anschließen, sondern auf die Baumfreundin, Faraday, warten wollten. Und Aschure erwartet eine Reise zu ihren Wurzeln. Die beiden folgenden Bände stehen also im Zeichen des Endspurts, und bereits am Ende von „Der Sternenhüter“ hält sich erwartungsvolle Anspannung. Obwohl der vorläufige Höhepunkt hinter einem liegt, kommt man nicht mehr richtig zur Ruhe, wie es nach der Belagerung Gorkens noch der Fall war. Das Geschehen hat den Leser voll im Griff. Und das Szepter des Regenbogens aus der Prophezeiung verheißt zusätzlich auch noch ein paar ausschmückende Ideen. Etwas anderes als Weiterlesen kommt an dieser Stelle schon längst nicht mehr in Frage.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

My Сreative

China Miéville – Die Narbe

Bas-Lag: Faszinierende Welt skurriler Geschöpfe, gigantischer Ausmaße, perverser Experimente, melancholischer Charaktere, wissenschaftlicher Magie … Eine Mixtur mittelalterlicher und frühindustrieller Mechaniken und moderner bis futuristischer Techniken. Da kämpft ein Pirat mit Steinschlosspistolen und Messern, unterstützt von dampfbetriebenen Konstrukten künstlicher Intelligenz, gegen stahlgepanzerte Dampfschiffe ungeheurer Größe; da verstümmeln und modellieren Techniker mit thaumaturgischen Kadabras lebendes Fleisch und Intelligenzen zu neuen Funktionen. Und in dieser widersprüchlichen Welt voller Wunder und Sagen leben Menschen und andere Wesen auf der Suche nach einem mächtigen Mythos …

China Miéville wurde 1972 in England geboren. Nach Abschlüssen in Sozialanthropologie und Wirtschaft unterrichtete Miéville in Ägypten. Während sein für mehrere Awards nominierter erster Roman „King Rat“ noch leer ausging, wurde „Perdido Street Station“ mehrfach ausgezeichnet (unter anderem mit dem Arthur C. Clarke Award und dem Kurd-Laßwitz-Preis). Nach „Perdido Street Station“ ist „The Scar“ (deutsch: „Die Narbe“ & „Leviathan„) sein zweiter Roman aus der phantastischen Welt Bas-Lag.

Bellis Schneewein ist eine meisterhafte Linguistin aus New Crobuzon, der mächtigsten Stadt Bas-Lags. Auf der Flucht vor Schwierigkeiten mit den Behörden, die aus den Geschehnissen rund um „Die Falter“ resultieren, heuert sie auf dem erstbesten Schiff an, das die Gestade New Crobuzons verlässt: Die Terpsichoria.

Da trifft es sie doppelt hart, als das Schiff von einem übergeordneten Befehl zurückbeordert wird. Und trotzdem kann sie sich nicht über die Piratenattacke freuen. Das Schiff wird trotz seiner augenscheinlichen Überlegenheit gekapert und entführt, Zielort ist Armada, die schwimmende Stadt. Ein faszinierendes, uraltes Konstrukt aus Schiffswracks und seetauglichen Schiffen, fest verbunden und über Stege und Straßen begehbar, Wohnort von hunderttausenden von Menschen, Remade, Kaktusleuten, Khepri und anderen Bewohnern der Welt. Hier herrschen andere Gesetze, es gibt keine Sklaven, sogar die Remade (thaumaturgisch veränderte Wesen, in ihrer Heimat bestraft und versklavt) sind anerkannte Bürger.

Einerseits froh, der Heimkehr und damit weiteren Verfolgung entkommen zu sein, hat Bellis andererseits Heimweh und plant die Flucht, zumal den |gepressten| Bewohnern Armadas eindeutig klar gemacht wird, dass sie hier ihr Leben beschließen würden und aus Sicherheitsgründen niemals heimkehren könnten.

Und in den Tiefen des Ozeans wartet ein Wesen, unvorstellbar gigantisch und erschreckender Mythos aller Kulturen. Durch ihre Übersetzertätigkeit erfährt Bellis von einer Planung, die diesen Avanc zu fangen vorsieht, ein unmögliches Unterfangen, möchte man meinen: Unter Armadas Schiffen harren riesige Ketten, ein Glied über hundert Meter lang, ihrer Bestimmung als Zaumzeug für die Kreatur. Aber die größte Bedrohung geht von einer anderen Seite aus. Tödliche Gefahr schwebt über New Crobuzon, und Bellis sucht verzweifelt nach einem Weg zur Warnung, entgegen der strikten und interesselosen Vorschriften Armadas …

Schon der zweite Satz im Abschnitt Inhalt mag abschreckend wirken, scheint er doch die Kenntnis des ersten Bas-Lag-Romans von Miéville vorauszusetzen. Dieser Eindruck täuscht. Es sind keinerlei Kenntnisse über Miévilles bisheriges Werk nötig; jene Erwähnung über die Ereignisse in „Perdido Street Station“ sind für den Roman wenig von Belang und liefern befriedigend die Erklärung für Bellis‘ Flucht. Für Leser der PSS stellen sie ein Gimmick dar, denn man erinnert sich an Einzelheiten, die hier unerwähnt bleiben. Andere, wichtige Details, wie beispielsweise das Remaking, werden bildreich und schnell verständlich eingeführt, ohne jedoch jene zu langweilen, denen sie bekannt sind.

Der Autor bewältigt also die Gratwanderung zwischen Erklärungsbedarf für Neuleser und Geduld der anderen bravourös. Seine anschaulichen Beschreibungen lassen trotz ihrer Detailgenauigkeit unendlichen Platz für eigene Spekulationen und Vorstellungen, so dass die Protagonisten ihr Leben eingehaucht bekommen, ohne dem Leser vollendete Darstellungen vorzuschreiben. Und kann man sich überhaupt alles und jedes vorstellen? Soll man das können? Leben nicht gerade unvorstellbare Dinge wie Kettenglieder in Schiffsgröße von ihrer Unvorstellbarkeit? Die Fremdheit der Welt durch die Verschmelzung primitiven Mittelalters mit phantastischer Wissenschaft, der Thaumaturgie und dampfkesselbetriebener KI?

Auch wenn im ersten Abschnitt die Handlung einfach und langsam erscheint, packt die Spannung den Leser beim Genick, so dass Herz- und Atemfrequenz steigen und der Adrenalinausstoß zu zittriger Erwartung führt. Dass man das Buch nicht mehr weglegen kann/will. Dass vielleicht die Hände feucht werden und man verschmilzt mit den Gedanken und Gefühlen der Charaktere. Die Atmosphäre, gefährlich, spannend, mysteriös und – hm, unbeschreiblich; diese Atmosphäre ist vollkommen.

Und wieder neue, unbekannte, fremdartige Geschöpfe. Wie die Anopheles, deren Name treffend der irdischen Malariamücke entlehnt ist. Ihr Schreckensregime: Das Malariale Matriarchat. Oder die Kustkürass, menschliche Wesen mit stark gerinnendem Blut, die sich durch Schnittwunden stahlharte Schorfpanzer modellieren und durch Schnittwaffen kaum zu töten sind … Diese Welt lebt, sie hat eine wundervolle Gegenwart, eine atmende Vergangenheit und eine ungewisse Zukunft, und man erfährt bruchstückhaft und wie selbstverständlich Einzelheiten, die das Bild vertiefen und strukturieren. Und noch so vieles liegt verschüttet in den weiten Meeren, ist in Vergessenheit geraten und harrt eines Zufalls, um in irgendeiner Form Einfluss auf die Gegenwart zu nehmen.

Da „Die Narbe“ das erste Bruchstück eines für die deutsche Bibliothek gesplitterten Romans ist, gibt es nur ein Teilende – noch nicht durchschaubare Einzelheiten wie die unheimlich mächtigen Wesen aus den Tiefen des Meeres schlagen eine Spannungsbrücke zum nächsten Fragment: „Leviathan“.

Ohne ein endgültiges Fazit ziehen zu können, hat mir der Roman doch sehr gut gefallen. Nur frage ich mich, woher er seine Bezeichnung hat? Auf dem Umschlag steht: Es ist die Suche […] nach einer massiven Wunde in der Welt, einer Quelle unvorstellbarer Macht und Gefahr: der Narbe …
Erwartungsgemäß müsste also diese Narbe ein deutlicher Bestandteil des Romans sein, dem ist aber nicht so. Sie wird nicht einmal als Narbe erwähnt, und insgesamt nur verschlüsselt angedeutet. Hier hätte ich mir einen anderen Namen gewünscht.

„Die Narbe“ ist empfehlenswert für jeden Phantastik-Begeisterten und Freund spannender Geschichten. Und dank seiner Unabhängigkeit von „Perdido Street Station“ tatsächlich für jedermann/jederfrau ohne Vorkenntnisse genießbar!

Stein, Leonhard / Long, Amelia Reynolds – HR Giger\’s Vampirric 2 – Der Vampyr / Der Untote

„HR Giger’s Vampirric“ – eine Sammlung von vier Hörbüchern mit Vampirkurzgeschichten, die jeweils einzeln erhältlich sind -, wartet mit einigen Überraschungen auf. So finden sich auf der zweiten CD zwei Erzählungen von Autoren, die heute fast vollkommen in Vergessenheit geraten sind. Den Anfang macht Leonhard Steins „Der Vampyr“ (1918), gefolgt von der etwas kürzeren Geschichte „Der Untote“ (amerik. „The Undead“, 1931) der Amerikanerin Amelia Reynolds Long, die für sich in Anspruch nehmen kann, eine der ersten weiblichen Science-Fiction-Autoren gewesen zu sein.

In Steins Erzählung trifft der Hörer auf den nur leidlich sympathischen Büroangestellten Hermann Samassa. Samassa führt ein kleinbürgerliches Leben, ist geizig und so gefühlsarm, dass er selbst für seine Verlobte keine echte Begeisterung aufbringen kann und mit ihren Liebesbezeugungen hoffnungslos überfordert ist. Samassa nun trifft seinen Untergang in Form der neuen Schreibkraft in seinem Büro – ein abstoßendes Weibsbild mit strähnigen Haaren und einem Buckel. Ihr rotes Haar und ihre funkelnden grünen Augen markieren sie sofort als eine diabolische Frau und tatsächlich hat sie es offensichtlich auf den kleinlichen Büroangestellten abgesehen. Das Zettelchen, das sie ihm zukommen lässt, zerknüllt dieser entsetzt. Doch stellt er bald fast, dass die Neue im gleichen Haus wohnt wie er und ihn fortan jede Nacht heimsucht, um ihm ihren einen langen beinernen Zahn in die Brust zu stoßen. Der Arme wird zusehends schwächer und versucht, den Blutverlust mit herzhaftem Essen und starken Rotweinen auszugleichen. Gleichzeitig wird die Vampirin immer schöner – die strähnigen Haare wandeln sich in eine Mähne und der Buckel verschwindet ganz. Samassa erweist sich als Hasenfuß. Anstatt es mit der Vampirin aufzunehmen, bringt er sich selbst aus der Schusslinie, indem er ihr seine Verlobte Clara als Futter zuschanzt. Doch damit stürzt er nur alle Beteiligten ins Unglück.

Über Leonhard Stein ist heute nichts mehr bekannt, doch seine Geschichte mutet typisch für die Zeit an, in der sie entstanden ist. Stein verlegt die Handlung in ein modernes Ambiente – ein Büro – und konfrontiert den Leser mit einer Menagerie entfremdeter Charaktere. Die Vampirin lebt offensichtlich nur für den nächtlichen Bluttrunk. Und Samassa selbst ist so entmenschlicht, dass er seine Verlobte in den Tod schickt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Allerdings verwendet Stein trotz dieses modernen Settings auch altbekannte Elemente: Rote Haare und grüne Augen weisen die Vampirin als Hexe und Femme Fatale aus. Je mehr Blut sie zu sich nimmt, desto mehr erblüht auch ihre Schönheit, während ihr Opfer immer mehr dahinsiecht. Auch das Motiv, dass sie im Moment des Todes so etwas wie inneren Frieden zu finden scheint, wird in vielen Erzählungen verwendet. Besonders interessant ist jedoch ihr einzelner Vampirzahn (überhaupt der einzige Zahn in ihrem Mund), der mit seinen eindeutig phallischen Konnotationen mehr als beunruhigend anmutet. Steins Erzählung bietet ein gutes Beispiel dafür, wie man sich den Vampir zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorstellen muss: Keine verwunschenen Schlösser, sondern profane Bürogebäude. Keine alten Münzen, die wie bei [„Dracula“ 210 einfach so in der Ecke rumliegen, sondern die proletarische Vampirin, die für ihre Miete arbeiten muss. Und ein unfreiwilliger Vampirjäger, der kleinbürgerlich und überängstlich ist.

In „Der Untote“ geht es um das Brüderpaar Henry und James. James, der im Sterben liegt, teilt seinem Bruder mit, dass er noch einen Zwillingsbruder George habe, dem er das Anwesen vererben würde. Sollte George sechs Monate nach James’ Tod noch nicht eingetroffen sein, so würde das Erbe an Henry fallen. Sagte es … und starb. Henry ist verwirrt, hat er doch noch nie etwas von diesem George gehört. Dieser trifft aber tatsächlich etwas später ein, gibt bekannt, dass er im Turm zu leben wünsche und ward nicht mehr gesehen. Stattdessen werden in der Umgegend zunehmend Personen vermisst und später tot aufgefunden. Und dann findet Henry auch noch ein Buch, das davon berichtet, wie man Tote wieder zum Leben erwecken kann. Ist dieser geheimnisvolle George vielleicht hier, um James wiederzuerwecken?

„Der Untote“ erinnert in einigen Motiven stark an Byrons „Fragment“: Wie bei Byron wird dem Protagonisten ein Schwur abgerungen, der die Identität und damit das Überleben des Vampirs sichern soll. In beiden Geschichten wird der (zukünftige) Vampir von einer siechenden Krankheit befallen, die ihn scheinbar das Leben kostet. Byrons Fragment endet an dieser Stelle, doch für Amelia Reynolds Long ist dies nur die Ausgangsposition. Und tatsächlich wird die Umgebung nach Georges Ankunft von mysteriösen Toden heimgesucht. Doch braucht Henry eine Weile, bis er die Identität dieses lange verschollenen Bruders entschlüsseln kann. Und gerade darin liegt das Problem der Erzählung. Ein heutiger Leser durchschaut sofort die Lösung des Rätsels, lange bevor Henry auch nur in die Nähe der Antwort kommt. Die Geschichte kommt einfach nicht schnell genug voran, um mit der Kombinationsgabe des Lesers (oder Hörers) mitzuhalten und so sticht sich der Grusel selbst aus, indem er einfach zu leicht zu durchschauen ist.

Die beiden Geschichten auf dieser CD könnten kaum unoriginellere Titel haben. Es muss unzählige Erzählungen und Kurzgeschichten geben, die „Der Vampyr“ oder „Der Untote“ heißen. Und tatsächlich bleiben Stein und Long kaum im Gedächtnis des Hörers zurück. Einige Passagen wirken durchaus gelungen, besonders in Steins Geschichte. Doch vor allem Longs Erzählung wirkt auf den modernen Leser antiquiert und uninspiriert. Helmut Krauss, der unter anderem Marlon Brando und Samuel L. Jackson seine Stimme leiht, macht das Beste aus den Texten und klingt gewohnt maskulin.

Alle vier Hörbücher im Überblick:

[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“

HR Giger’s Vampirric 2:
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“

[HR Giger’s Vampirric 3: 583
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“

[HR Giger’s Vampirric 4: 584
Guy de Maupassant „Der Horla“

Nicholas Christopher – Franklin Flyer

Der junge US-Amerikaner Franklin Flyer, ein Abenteuer und Erfinder, wird in den 1930er Jahren in eine Nazi-Verschwörung verwickelt. Später steigt er zu einem der reichsten Männer des Landes auf, während er gleichzeitig als Geheimagent im Dienst der Regierung die Welt bereist und dabei haarsträubende Abenteuer erlebt … – Ein ‚literarischer‘ Abenteuerroman. Was das sein soll, muss der Leser selbst entscheiden. Objektiv beurteilt ist „Franklin Flyer“ ein fabelhaft geschriebenes, sehr unterhaltsames, mit einprägsamen Figuren besetztes Stück ‚Edel-Pulp‘. Überflüssig wirken diverse übernatürliche Elemente, weil sie gar zu deutlich als intellektuelle Spielerei ohne echten Handlungsbezug erkennbar sind. Nicholas Christopher – Franklin Flyer weiterlesen

John Carter – Raumfahrt, Sex und Rituale. Die okkulte Welt des Jack Parsons

Ein wunderlicher Titel, der aber nichts mit merkwürdiger Science-Fiction zu tun hat, sondern sehr treffend beschreibt, was das Werk des in Deutschland nicht sehr bekannten Okkultisten beinhaltet. Lediglich im Magazin „Mescalito“ wurden in den achtziger Jahren Texte von Parsons veröffentlicht, mittlerweile wird man dank des Internets allerdings eher fündig.

Jack Parsons (bürgerlich John Whiteside Parsons, 1914 – 1952) war führendes Mitglied des OTO (Ordo Templi Orientis) und Lieblingskind Aleister Crowleys. Er schrieb das „Buch Babalon“, welches als viertes Kapitel des „Liber Al“ gilt und damit zum Vorläufer der Maat-Magick von Soror Nema wurde. L. Ron Hubbard, der Gründer von Scientology, arbeitete sehr eng mit ihm zusammen und brannte dann aber 1947 mit Parsons Frau und einem Batzen Geld durch, eine Aktion, die einen „magischen Krieg“ nach sich zog. Das Grundgerüst der Scientology stammt insgesamt vom OTO, wurde allerdings so verändert, dass kein direkter Zugang in die hierarchische Spitze mehr möglich ist. Parsons war ein typischer Anti-Christ, der stark gegen die repressive Sexualmoral des Christentums rebellierte, damit in der Boheme starken Anklang fand und in der Öffentlichkeit ebenso wie Crowley mehrfach für Skandale sorgte.

John Carter – Raumfahrt, Sex und Rituale. Die okkulte Welt des Jack Parsons weiterlesen

Parry, Dan – D-Day: 6.6.44. Entscheidung in der Normandie

Im Jahre 1940 jagten die nazideutschen Truppen, die in einem beispiellosen „Blitzkrieg“ Westeuropa unter ihr Joch gezwungen hatten, die englischen Truppen schmachvoll über den Kanal zurück auf ihre Insel. An der Westfront herrscht seitdem ein Patt: Die Briten verfügen nicht über die Ressourcen, den Krieg zurück auf den Kontinent zu tragen. Hitlers Soldaten schaffen es andererseits nicht, England zu erobern. Außerdem sind sie an der Ostfront mehr als beschäftigt; seit Stalingrad sind die Sowjets auf ihrem unerbittlichen Vorstoß gen Deutschland.

1944 kehren die Briten – inzwischen Verbündete der US-Amerikaner und Kanadier – ins direkte Kriegsgeschehen zurück. Sie sind festen Willens, die Nazis zur bedingungslosen Kapitulation zu zwingen. Mit amerikanischer Unterstützung haben sie in den vergangenen Jahren eine beispiellose Kampfmaschine aufgebaut. Diese ist endlich bereit zur Errichtung einer „zweiten Front“ im Westen Europas.

Die Deutschen wissen um die Gefahr einer Invasion. Doch wo werden die Alliierten angreifen? Sie kommen von Westen, werden an der englischen Südküste starten und den Kanal überqueren, das ist klar. Aber steuern sie direkt auf die französische Küste zu? Oder suchen sie sich eine andere Stelle, wo die deutsche Verteidigung nicht mit ihnen rechnet?

In der Tat spielen die Alliierten ein gewagtes Spiel. Die Invasion soll in der Normandie erfolgen. Dort gibt es Küstenstriche, die eine Landung von mehr als 150.000 (!) Soldaten zu Wasser und aus der Luft ermöglichen. Allerdings gehört die Normandie zum Kommandogebiet der deutschen Armeegruppe B, dem der gefürchtete Feldherr Erwin Rommel vorsteht.

Sein Gegenüber ist der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte: General Dwight D. Eisenhower, weniger ein genialer Schlachtenlenker als ein besonnener Organisator, dem es zugetraut werden kann, ein so gewaltiges Unternehmen wie den „D-Day“ zu realisieren. Die Herausforderung ist enorm; noch niemals ist eine Invasion dieser Größenordnung geplant worden.

Die größten Gefahrenquellen sind Ort und Datum ihres Stattfindens, da dies den Deutschen die Gelegenheit für Gegenmaßnahmen gäbe. Also muss die Invasion geheim gehalten werden. Unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen werden in England alliierte Soldaten für den großen Tag ausgebildet. Agenten spielen den Deutschen gefälschte Nachrichten zu. Überall im Land werden Flugzeug- und Panzerattrappen aufgebaut. In Frankreich bereitet sich der Widerstand – die |Résistance| – darauf vor, durch Sabotage ihren Teil zur Invasion beizutragen.

Unendlich viele Pannen und Katastrophen später ist es am 6. Juni 1944 soweit: Die Invasionsflotte setzt über den Kanal und geht an fünf Stränden an Land. Der „längste Tag“ hat begonnen – sein Ausgang entscheidet über den Ausgang des II. Weltkriegs!

Nun, wir wissen, wie es ausgegangen ist. Liest man freilich Bücher wie dieses, kann man sich schon ein wenig darüber wundern. Mit bemerkenswerter Offenheit schildert der Autor die Geschichte eines Unternehmens, das sich durchaus als Kette menschlichen Versagens und unglücklicher Zufälle deuten lässt. Andererseits wird genauso deutlich, dass es anders wohl gar nicht kommen konnte. Ein Unternehmen wie die Invasion der Normandie war gewaltig, nie zuvor da gewesen, dazu abhängig von deprimierend vielen Faktoren.

Das wurde von der Geschichtsschreibung lange verschwiegen bzw. nicht gerade betont. Wer beispielsweise das Filmepos „The Longest Day“ (1961, dt. „Der längste Tag“) verfolgt, erlebt eine Invasion, die zwar organisatorisch komplex und leichenreich, aber grundsätzlich generalstabsmäßig abläuft.

So war es nicht, und es war höchste Zeit, diese Tatsache in die Darstellung einzubeziehen. Dies gilt um so mehr, als die Zeitzeugen, die es am besten wissen, allmählich knapp werden, um es salopp auszudrücken: Der 60. Jahrestag des „D-Days“ war wohl der letzte „runde“ Jubiläum, an dem Veteranen in nennenswerter Zahl teilgenommen haben – ihre Lebenszeit beginnt abzulaufen. Mit ihnen sterben die unmittelbaren Erinnerungsträger, die ein historisches Ereignis den Nachgeborenen noch nahe bringen können. Quellen und Fotos in allen Ehren: Ein Mensch, der dabei war, wird auch den Laien in seinen Bann ziehen können.

Besagter Jahrestag war auch der Anlass für die BBC, eine TV-Dokumentation zur Invasion zu drehen. Wie das meist üblich ist für diesen Sender, scheute man weder Kosten noch Mühen, arbeitete mit Historikern, Kriegsveteranen aller beteiligten Armeen und fähigen Filmemachern zusammen. Das Ergebnis ist Geschichte auf angelsächsische Art: umfassend und ausgewogen, aber gleichzeitig unterhaltsam und leicht verständlich. Dieselbe Qualität besitzt der Textbildband von Dan Parry, der an der Fernsehproduktion mitgearbeitet hat und auf dieses Material zugreifen konnte.

192 Seiten nur ist sein Werk stark, wobei der Anteil der Abbildungen beträchtlich ist. Der Spezialist wird diverse Details womöglich vermissen, doch der historische Laie darf sicher sein, die komplexe Geschichte der Invasion in der Normandie nach der Lektüre verstanden zu haben, ohne auf niedrigem Niveau mit Teilwissen abgespeist zu werden.

Wobei Parry den „D-Day“ schon mit seinen Vorbereitungen beginnen lässt. Die Vorgeschichte ist mindestens ebenso interessant wie das eigentliche Geschehen. Niemals zuvor war ein solches Unternehmen geplant und realisiert worden. Wieso eine Invasion dieses Umfang überhaupt nötig wurde, verdeutlicht Parry durch eine knappe, aber ausreichende Status-Quo-Schilderung der Kriegssituation in Europa.

Was in Deutschland, Frankreich und England 1944 vor sich ging, betrachtet Parry bevorzugt durch die Augen der Beteiligten. Soldaten, Seeleute, Widerstandskämpfer, Zivilisten – sie alle haben etwas zu erzählen. Wir lernen sie kennen, zumal Parry sie uns mit Bild und Kurzvita vorstellt. Der Krieg bekommt ein „Gesicht“ – und wir lernen, dass er in der Tat von Menschen geführt wurde – auf allen Seiten: Die bemerkenswert wertfreie Sicht auf die deutschen Aggressoren kündet von dem Bemühen einer objektiven Geschichtsschreibung; die traurigen Fakten sprechen ohnehin für sich.

Trotz des nur begrenzten Raumes ist stets Raum für Episoden und sogar Anekdoten. Viel bisher Geheimes oder in den Archiven Verschüttetes kam ans Tageslicht. Wer hat zuvor von dem dramatischen Zwischenfall einer völlig schief gelaufenen Landungsübung gehört, die schon vor dem „D-Day“ mehr als 700 Soldaten das Leben kostete? Oder wer kennt den Meisterspion „Garbo“, der scheinbar für die Deutschen arbeitete, diese tatsächlich jedoch als Doppelagent mit getürkten Depeschen an der Nase herumführte und zu den unbesungenen Helden des II. Weltkriegs gehört?

Im Mittelteil schildert Parry das eigentliche Kampfgeschehen an den Stränden der Normandie – eine schwierige Aufgabe, da es dort lange Zeit drunter und drüber ging. Auch hier kann der Verfasser einzigartige Bilddokumente präsentieren. Der weltberühmte Kriegsberichterstatter Robert Capa und andere unerschrockene Reporter zogen mit den Soldaten in den Krieg; was sie erlebten und im Bild festhielten, wird sich jede/r vorstellen können, der die erste halbe Stunde von Stephen Spielbergs Kriegsepos „Der Soldat James Ryan“ gesehen hat.

Auch nach dem „D-Day“ ging der Krieg weiter. Parry skizziert diese Fortsetzung auf der Basis der Invasion. Es wird deutlich, dass dies – nach Stalingrad – wirklich jene Schlacht war, die das Finale einläutete. Für viele Teilnehmer ist sie niemals zu Ende gegangen. In einem ungewöhnlichen Kapitel erzählt Parry die Lebensgeschichten jener Männer und Frauen, die den 6. Juni 1944 überlebten. Sie sind nicht selten vor ihrer Zeit gestorben oder blieben an Leib und Seele gezeichnet. Andererseits haben sich genau diese Männer, die einst aufeinander schossen, im Alter oft zusammengefunden und angefreundet; Parry lässt sie selbst erklären, wie so etwas möglich ist.

„D-Day: 6.6.44“ ist als Sachbuch ein gelungener Einstieg in ein zentrales Kapitel der jüngeren Zeitgeschichte. Gestaltung und Inhalt sind ausgelegt, auch den historischen Laien zu locken. Diese Taktik ist völlig legitim, zumal sie hier den Fakten jederzeit Gerechtigkeit widerfahren lässt. Nur selten schießt Parry über das Ziel hinaus. So wirken die Bilder aus der TV-Rekonstruktion des „D-Days“ jederzeit deplatziert zwischen den authentischen Fotos, von denen man sich mehr gewünscht hätte. Auch die Info-Boxen, die in Layout und Schriftbild zeitgenössischen Telegrammen, Tagesbefehlen und anderen Dokumenten nachempfunden wurden, sind Geschmackssache. Das sind freilich nur marginale Einwände gegen ein ansonsten empfehlenswertes Sachbuch.

Sara Douglass – Tanz der Sterne (Unter dem Weltenbaum 3)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577
Band 2: [„Sternenströmers Lied“ 580

Beim dritten Band des Weltenbaum-Zyklus, „Tanz der Sterne“, lässt die Autorin Sara Douglass es wieder etwas langsamer angehen.

Aschure ist nach dem Kampf am Erdbaum den Ikariern zum Krallenturm, ihrem Wohnsitz im Gebirge, gefolgt, da die Awaren ihr kämpferisches Wesen ablehnten. Sie lässt sich überreden, sich zur Bogenschützin ausbilden zu lassen und gewinnt bei einer Wette einen magischen Bogen, der einst einem Zaubererkönig der Ikarier gehörte, und mit dem seit dessen Tod niemand mehr zu schießen vermochte.
Im Krallenturm trifft sie auch auf Axis, der nach dem Ausfall aus der Feste Gorken seine Truppen verlassen hat, um sich von seinem Vater und seiner Großmutter in die Magie des Sternentanzes einführen zu lassen. Die beiden beobachten seine leichten und raschen Fortschritte allerdings mit sehr gemischten Gefühlen und bald keimt ein schlimmer Verdacht auf.
Axis und Aschure freunden sich an, doch bei der Feier des Frühlingsfestes am Erdbaum kommt es zu verhängnisvollen Verwicklungen. Während Axis zu den Charoniten unter die Erde steigt, um ihr Wissen zu erwerben, versucht Aschure, so weit wie möglich von Axis wegzukommen.

Faraday ist unterdessen ihrem Gemahl in die Hauptstadt Karlon gefolgt. Der König ist binnen kurzem unter äußerst mysteriösen Umständen verstorben und Faraday gezwungen, bei der Krönung Bornhelds zuzusehen. Doch sie ist zu allem entschlossen, um ihre Kräfte zu Gunsten Axis‘ einzusetzen …

Der dritte Band dient wie der erste auch vornehmlich dem Aufbau einer Handlung, deren Höhepunkt sich erst im nächsten Band findet. Eine ungewöhnliche Einteilung, die einfach daher rührt, dass ein im Original dreibändiger Zyklus auf sechs Bände aufgeteilt wurde. Eine ziemlich lästige Angelegenheit für den Leser, der nicht nur mehr Bücher kaufen muss, sondern vor allem auch bei jedem zweiten Band mitten aus dem Geschehen gerissen wird! Dabei zeigt der |Symphony of Ages|-Zyklus („Rhapsody“; E. Haydon) mit seinen 800-1000 Seiten pro Band nur allzu deutlich, dass es auch anders geht!

Die Entwicklung der Personen betrifft in diesem Band vor allem Aschure. Die ungewöhnliche Frau wird mit jeder Andeutung nur immer geheimnisvoller und entwickelt sich immer mehr zu einer Person, die eine wichtige Rolle in der Prophezeiung zu spielen scheint, aber allen umso mehr zum Rätsel wird. Nebenbei entwickelt sie sich zu einer fähigen Kriegerin und gewinnt mehr Selbstvertrauen, nur mit ihrer Beziehung zu Axis kommt sie nicht richtig klar.
Axis wird zwar zu einem äußerst mächtigen Zauberer, seinem Verhalten gegenüber Aschure aber fehlt jegliche Vernunft, zumal es nicht durch Darstellung seiner Gedanken und Gefühlen nachvollziehbar wird, sodass man gelegentlich den Wunsch verspürt, ihn einmal kräftig zu ohrfeigen!
Faraday tritt in diesem Band stark in den Hintergrund, stattdessen wird mehr von Gorgrael erzählt und dem dunklen Mann an seiner Seite, der mindestens so rätselhaft ist wie Aschure, und jede Andeutung zu seiner Person macht ihn ebenso nur noch rätselhafter.
Und auch Jack hat sich irgendwie verändert …
Es ging im dritten Band also nicht nur um ein Rätsel.

Die Handlung hat, wie gesagt, wenig Bewegung, lediglich die Wiedererweckung der Burg Sigholt und das Frühlingsfest bilden leichte Höhepunkte, allerdings nicht so ausgeprägt wie die, die im ersten Band den Spannungsbogen stützten. Der dritte Teil bezieht seine Spannung weitestgehend aus den vielen ungelösten Fragen, die trotz einiger Enthüllungen einfach nicht weniger werden wollen. Der Berg an Fragen und Geheimnissen scheint eher größer zu werden als kleiner und lässt nicht zu, dass man das Buch zur Seite legt.
Gegen Ende des dritten Teils steht wieder der Winter vor der Tür, dazu kommen erneute Rivalitäten zwischen Bornheld und Axis und seine Verstrickung zwischen Faraday und Aschure, was darauf schließen lässt, dass im nächsten Band Kämpfe und Dramatik wieder stärker in den Vordergrund rücken werden. Die Erwähnung der Prophezeiung in Gestalt einer lebenden Person legt die Vermutung über Eröffnung eines neuen Handlungsstrangs nahe.

Sara Douglass versteht sich darauf, ihre Leser jederzeit zu fesseln, ganz gleich, ob es hoch hergeht oder eher leise. Jeder neue Handlungsstrang eröffnet eine Unzahl weiterer Facetten. Einiges kommt bekannt vor, so sind die Awaren und ihre Heiligtümer und Riten eindeutig an die Kelten angelehnt, und auch der Name „Charoniten“ kommt nicht von ungefähr. So mag der Eindruck entstehen, dass die Ideenvielfalt in der Ausgestaltung der Welt nicht besonders ausgeprägt ist, die Gewichtung innerhalb der Erzählung selbst liegt aber ohnehin eher auf den Personen und den Geheimnissen drumherum, zwischen denen sich die Handlung zuspitzt, und da bleibt nichts zu wünschen übrig.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

My Сreative

Ohff, Heinz – König Artus. Eine Sage und ihre Geschichte

Heinz Ohff, Jahrgang 1922, war von 1961 bis 1987 Feuilletonchef beim Berliner „Tagesspiegel“. Im Büchergewerbe ist er bisher vor allem als Biograph hervorgetreten (über Fontane, über Schinkel, Preußens Könige u.a.). Hier nun schrieb er „die Biographie eines Mannes, der wahrscheinlich nie gelebt hat“, wie er gleich zu Beginn gewollt paradox formuliert. Weiter unten heißt es, historisch greifbar sei Artus kaum, und obwohl über seine Zeit mittlerweile vieles bekannt sei, wüssten wir immer noch nicht, ob es ihn jemals gegeben hat.

Warum dann diese Biographie? Aus drei Gründen: Artus ist eine gesamteuropäische Erscheinung; die Literatur über ihn füllt ganze Bibliotheken; und Artus stellt ein „Wunschbild des Abendlandes“ dar. Daher ist die „Traumfigur aus Historie, Sage und Wunschvorstellung […] realer und greifbarer geblieben als die meisten historisch gesicherten Gestalten“. Und somit verdient sie ein Buch, das ihren Spuren, der Wandlung ihres Bildes und dem gesammelten Erzählgut aus eineinhalb Jahrtausenden nachgeht.

Ein Buch, an dem einfach alles stimmt. Zum einen ist es hoch informativ, zum anderen ausgezeichnet lesbar, keine Lektüre nur für Fachleute (obwohl auch die, ausgenommen Puristen, ihren Spaß daran haben werden). Ohff schreibt klar, quicklebendig, humorvoll, und er webt eigene Erlebnisse und Eindrücke in seinen bunten Faktenteppich ein. Auf gut 330 Seiten zeigt er in 28 Kapiteln, was an Artus’ Lebensgeschichte mit einiger Wahrscheinlichkeit als gesicherte Tatsache betrachtet werden kann (leider recht wenig) und was die Dichtung daraus gemacht hat (erfreulicherweise recht viel). Ganz „nebenbei“ lässt er auch noch die Landschaft Cornwalls und ihre Bewohner vor den Augen des Lesers entstehen, erzählt Geistergeschichten und würdigt die bedeutendsten unter den Artus-Dichtern. Auch deutet er gekonnt und mit feiner Ironie die wechselvollen Ausgestaltungen der Sage und die Wandlungen ihrer Gestalten. Niemand wird „fannish“ beweihräuchert – mit liebevoller Sympathie und einigem Augenzwinkern spricht er über Artus und Gawain, Lancelot und Ginevra, Tristan und Isolde so, als seien sie reale Zeitgenossen, uns allen vertraute Bekannte. Auch die Orte – Tintagel, Loe Pool, Stonehenge, Glastonbury – werden bereist, und Abbildungen führen ihre bizarre Schönheit vor Augen. Am Ende des Buches erwarten den Leser ein Register der wichtigsten Personen des Artuskreises, eine Zeittafel der Artus-Geschichte(n) und eine Bibliographie, die zum Nach- und Weiterlesen anregt. Das Ganze erhält man für 8,90 Euro … Nein, ich finde an diesem Buch nichts auszusetzen. Dass die Zeittafel 1982 endet, mit dem Hinweis auf Marion Zimmer Bradleys „Nebel von Avalon“ und Gillian Bradshaws Artus-Trilogie, mag vielleicht nach den fehlenden 22 Jahren fragen lassen (immerhin erschien die Originalausgabe 1993, auch da waren es schon 11 Jahre; man hätte jetzt aktualisieren können). Aber Ohff vermerkt im letzten Satz seines Textes selbst, ein Ende der Neu- und Nachdichtungen um Artus sei nicht abzusehen, und außerdem: Seit „Die Nebel von Avalon“ gab es meines Wissens keinen wirklich großen oder innovativen Artus-Roman mehr. Also doch: Ich finde nichts zu kritisieren an diesem kleinen Juwel für Artus-Interessierte aller Art, vom Deutsch- oder Englischlehrer bis zum Fantasyfan.

_Peter Schünemann_ © 2004
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Lyon Sprague de Camp – H. P. Lovecraft. Eine Biographie

De Camp Lovecraft Cover 2012 kleinLovecraft als Figur der Projektion

Er ist heute so etwas wie ein Popstar der Phantastik, der ob seiner Vorliebe für Adjektive von der Kritik viel geschmähte, für seine stimmungsvolle Verschmelzung von Horror und Science Fiction gerühmte Howard Phillips Lovecraft (1890-1937), der den qualligen ET-Götzen Cthulhu und seine nicht minder bösen Kumpane auf die Menschheit losließ.

Vor allem weist Lovecraft auf, was ihn von einem simplen Schreiberling & Schreibtischtäter zur Kultfigur erhebt: ein bizarres, unglückliches Privatleben, das denen, die es nicht führen, sondern nur darüber lesen müssen, unterhaltsam dünken kann und viel Raum für angenehme Schauder lässt. Lovecraft gilt als „Einsiedler von Providence“, der geradezu kamikazehaft am schnöden Alltag scheiterte und sich ganz in eine Fantasiewelt zurückzog, die ihm die Möglichkeit bot, sich eine Existenz als vornehm verarmter Gentleman im Stil des 18. Jahrhunderts vorzugaukeln. Lyon Sprague de Camp – H. P. Lovecraft. Eine Biographie weiterlesen

Klewe, Sabine – Schattenriss

Die 38-jährige Sabine Klewe, selbstständige Literaturübersetzerin und Dozentin in Düsseldorf, gibt mit „Schattenriss“ ihr Romandebüt. Der Inhalt ihres 227 Seiten umfassenden Erstlingswerkes ist schnell erzählt. Die Landschaftsfotografin Katrin Sandmann fotografiert für einen Artikel über Sterbehilfe des Niederkassler Kuriers Gräber auf dem Düsseldorfer Südfriedhof. Am nächsten Morgen wird auf einem dieser Gräber eine Leiche gefunden. Alles sieht danach aus, als hätte die 15-jährige Schülerin Tamara Arnold Selbstmord begangen, doch Katrin entdeckt auf den Fernsehbildern, dass etwas auf dem Grab fehlt. Auf den von ihr aufgenommenen Bildern wird der Grabstein von der Figur eines kleinen steinernen Engels geziert. Sie zeigt ihre Fotos der Polizei und tatsächlich ist der steinerne Engel verschwunden. Zuerst glauben die Ermittler Komissar Klaus Halverstett und Rita Schmitt nicht an einen Zusammenhang, doch dann ergeben sich neue Hinweise.

Tamara war nicht allein auf dem Friedhof, laut Obduktionsbericht hatte sie kurz vor ihrem Tod noch Geschlechtsverkehr. Dabei ist beunruhigend, dass Tamaras Körper mit Schnittwunden und Striemen übersäht ist. Einige dieser Wunden sind fast schon vernarbt. Wurde Tamara über längere Zeit missbraucht?
Als Katrin nach einer weiteren Befragung vor dem Polizei-Präsidium Tamaras Eltern kennen lernt, fühlt sie sich verpflichtet, zur Aufklärung des Falles beizutragen, und fängt an auf eigene Faust zu ermitteln. Mehr zufällig als aufgrund detektivischer Fähigkeiten, gelingt es ihr auch den Fall zu lösen, dabei gerät sie in tödliche Gefahr.

Die Geschichte um den Mord an Tamara Arnold hätte sehr großes Potenzial geboten, einen „psychologisch-intelligenten“ (Klappentext) Krimi zu schreiben, Sabine Klewe schafft es jedoch nicht, aus einem zweitklassigem Krimi – den man innerhalb weniger Stunden gelesen und in genauso kurzer Zeit auch wieder vergessen hat – einen wirklich erstklassigen Psycho-Thriller zu machen. Möglichkeiten dazu hätte sie genug gehabt, denn „Schattenriss“ bietet einen äußerst interessanten Plot, der sich im Verlauf der Geschichte auch spannend entfaltet. Leider hat der Roman aber ein paar Ecken und Kanten, die dem Lesevergnügen eher abträglich sind.

Die Geschichte des Opfers Tamara Arnold, mit ihrem Hang zur Selbstverstümmelung und Masochismus, und die Motivation zu ihrem Mord bleibt zum größten Teil im Dunkeln. Was hat dieses Mädchen dazu getrieben, sich selbst zu verletzen? Warum erpresste die ehemals sehr gute Schülerin ihren Chef in der Videothek und versteckt dann das Geld in ihrem Zimmer? Sabine Klewe benutzt den Mord an Tamara nur als etwas, das aufgeklärt werden muss, unter der Prämisse: Wenn der Mörder gefunden wurde, wird schon wieder alles gut. Der Mörder in „Schattenriss“ ist aber kein Serienkiller, der sich ein x-beliebiges Opfer ausgesucht hat, Tamara wurde gerade wegen ihrer drastischen Veränderung vom netten Mädchen in eine selbstzerstörerische, erpresserische Masochistin umgebracht. Was hat Tamara Arnold so verändert, dass der Mörder sich gezwungen sah, sie umzubringen? Die Beantwortung dieser Fragen hätte dem Leser sicherlich einen emotionaleren Blick auf den Mord verschaffen können.

Profitiert hätte der Roman auch von einer sorgfältigeren Ausarbeitung der übrigen Figuren. Manche der aufgeführten Charaktere hätte man komplett streichen können, so nutzlos und uninteressant sind sie für den Verlauf der Geschichte (Rita Schmitt). Einige spielen nur Hinweisgeber für die Hauptfigur, bleiben für die Geschichte jedoch völlig bedeutungslos und austauschbar. Ein „Schuss Romantik“ sollte sich wohl aus der Beziehung von Katrin Sandmann mit Manfred Kabritzky ergeben, man erfährt jedoch so gut wie nichts über den Reporter. Eine Zeitlang gibt er Hinweise, dann ist er Katrins Hauptverdächtiger (aufgrund eines unglaubwürdigen Indizes), dann darf er die Heldin aus einer lebensbedrohlichen Situation retten, trotzdem ist während des ganzen Romans von Gefühlen zwischen den beiden nichts zu spüren.

So richtig schlecht ist dann aber die Aufklärung des Falles durch Katrin Sandmann. Das Indiz, das sie letztendlich zum Mörder führt, ist vollkommen lächerlich. Ohne einen richtigen Hinweis, nur einem Gefühl nach, besucht sie am Ende den Mörder, der, obwohl sie noch keine Frage gestellt hatte, sofort gesteht. Dann legt er Katrin Handschellen an, die dabei völlig passiv bleibt und holt erst danach einen Messer, mit dem er sie bedroht. Anschließend muss sie natürlich vom strahlenden Helden gerettet werden, den sie vorher zu Unrecht beschuldigt hat (s. o.).

Fazit: „Schattenriss“ ist ein durchaus spannender Krimi, bei dem der Mörder nicht schon auf den ersten Seiten klar ist. Dabei bleibt er allerdings meilenweit unter seinem Potenzial, die Figuren bleiben leblos und die Aufklärung des Falles ist nicht wirklich nachvollziehbar.

Zu erwähnen wäre noch ein merkwürdiger Druckfehler, der sich durch das gesamte Buch zieht, anstelle der Buchstabenkombination vera wurde rita gedruckt also z. B. „ritabreden“ für „verabreden“. Das stört den Lesefluss an manchen Stellen dann doch erheblich.

Thomas Ligotti / Horacio Quiroga – HR Giger’s Vampirric 1 – Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts

HR Gigers Zusammenstellung von Vampirkurzgeschichten, die 2003 unter dem Titel „HR Giger’s Vampirric“ in Buchform bei Festa erschienen ist, ist nun auch in vier einzeln erhältlichen Hörbüchern bei LPL records auf den Markt gekommen. Eine Auswahl von insgesamt sechs Erzählungen (also eine Art „Best-of“ der Anthologie) soll beim Hörer für gepflegten Grusel sorgen – der Slogan des Verlags lautet schließlich nicht umsonst „Gänsehaut für die Ohren“. Zwei dieser Kurzgeschichten finden sich auf dieser ersten CD: „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ (amerik. „The Lost Art of Twilight“, 1989) von Thomas Ligotti und „Das Federkissen“ (dem Band „Cuentos de Amour, de Locura y de Muerte“ von 1917 entnommen) von Horacio Quiroga. Eingeleitet werden beide Geschichten jeweils von einem kurzen Vorwort des „Meisters“ Giger selbst.

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