Mitte unseres 21. Jahrhunderts beschließen die Staaten der Erde, den Mars zu erkunden. Terra-Forming ist explizit ausgeschlossen, die Expedition soll ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienen. Diese Vorgehensweise wird in Analogie zur Erforschung der Antarktis auf der Erde „Weißer Mars“ genannt.
Schwerpunkt der Wissenschaftsarbeit ist die Elementarteilchenforschung, da auf dem Mars keine Störungen der sensiblen Messapparaturen durch elektromagnetische Felder, Erschütterungen durch Verkehr und Bauwesen etc. erwartet werden. Durch den endgültigen Zusammenbruch des kapitalistischen Wirtschaftssystems auf der Erde entsteht eine neue Situation für die Wissenschaftler auf dem Mars: Sie sind zwar noch kommunikationstechnisch mit der Erde verbunden, können jedoch von dort keinerlei Hilfe mehr erwarten. Um ihr Leben für eine nicht planbare Zeit auf dem Mars zu sichern und zu organisieren, beginnen sie mit dem Aufbau und der Neuorganisation ihres Zusammenlebens. Damit sind wir beim eigentlichen Inhalt des Romans: Aufbau einer utopischen Gesellschaft.
Der Roman ist beileibe keine Unterhaltungsliteratur, es ist vielmehr ein utopischer Roman mit SF-Elementen. Die beiden Autoren verstehen es sehr gut, die spärlichen Handlungselemente mit den eigentlichen Themen des Romans zu verweben. Die Geschichte der Mars-Wissenschaftler wird aus der Perspektive zweier Ich-Erzähler, die Expeditionsteilnehmer sind, geschildert. Der vorliegende Roman ist in Form eines Berichts verfasst, wobei die Schilderungen von Tom Jeffries, dem geistigen Vater der utopischen Gesellschaft, und von Cang Hais, seiner Adoptivtochter, abwechseln. Diese Arbeitsteilung scheint auch vom Autorenteam Aldiss/Penrose praktiziert worden zu sein. Während Aldiss dem SF-Leser ein Begriff sein dürfte, ist die Zusammenarbeit mit einem bedeutenden Physiker unserer Zeit für einen SF-Roman eine eher seltene und daher auch interessante Angelegenheit. Sir Roger Penrose ist eine Autorität auf dem Gebiet der Quantenphysik, lehrt in Großbritannien und den USA und ist u. a. auch für seine Zusammenarbeit mit dem berühmten Physiker Stephen W. Hawking bekannt. Ein zweites Gebiet dieses Wissenschaftlers und Autors ist das der Bewusstseinsforschung. Beide Wissenschaftszweige werden vortrefflich in die Handlung des Romans integriert. Die im Roman handelnden Expeditionsteilnehmer vertreten die jeweiligen Disziplinen; Namensähnlichkeiten mit Köpfen der heutigen Wissenschaften fallen auf. Einige wenige äußere Handlungselemente werden von den Expeditionsteilnehmern in vielen öffentlichen Diskussionen, die auch zur Erde übermittelt werden, behandelt. So nährt zum Beispiel die Entdeckung von Wasserreservoirs das Wiederaufkommen der Terraforming-Befürworter. Die Entdeckung einer völlig fremdartigen Lebensform auf dem Mars veranlasst die Wissenschaftler, Theorien über den Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Materie zu überdenken und strittig zu diskutieren. Ein weiteres Beispiel ist die Diskussion um die Sinnhaftigkeit der Grundlagenforschung. Hier werden immer wieder nach bestem demokratischen Vorbild Wissenschaftler ins Rennen geschickt, die in öffentlicher Rede vor den 6000 Mars-Gestrandeten erklären müssen, warum weiterhin Ressourcen in die Fertigstellung eines Elementarteilchenbeschleunigers gesteckt werden müssen, anstatt sich um den Ausbau der medizinischen Versorgung oder kulturelle Dinge zu kümmern. Eine Diskussion, die Sir Roger Penrose mit Sicherheit nicht erst für den Roman erfinden musste.
Diese und andere strittige Themen sind eng verwoben mit der gesellschaftlichen bzw. politischen Handlungsebene des Romans. Der geistige Vater der Utopisten hat das erklärte Ziel, „uns selbst und unsere Gesellschaft neu zu erschaffen.“ In den Wortbeiträgen der diskutierenden „Robinsons“, wie sich die Mars-Gestrandeten selbst manchmal nennen, werden immer wieder bedeutende Philosophen, Religionsführer und Sozialwissenschaftler zitiert. Häufig werden diese Bezüge auch in einer Fußnote näher erläutert. Eine Kernthese dieser Handlungsebene stellt Tom Jeffries in den Raum: Die Ursachen der gesellschaftlichen Misere auf der Erde teilt er in fünf Kategorien auf. Stellvertretend für die Entwicklung seiner Thesen beispielhaft einige der dort behandelten Stichworte: Verbrechen, Erziehung, Abtreibung, Sex, Fortschrittsglaube, Ernährung, Ausbeutung der Natur, Konsumdenken, Hunger. An dieser Stelle sei an den treffenden Titel der Originalausgabe „White Mars or: The Mind Set Free“ erinnert, der dem Roman eher gerecht wird als die Wahl des Verlags oder Übersetzers.
Im Anhang des Buches findet sich ein 15-seitiges Interview des Übersetzers mit dem Autor Brian W. Aldiss. Sehr interessant zu lesen, nicht zuletzt wegen der Gegenüberstellung Wissenschaft und SF (siehe hierzu auch Stephen W. Hawking in „The Physics of Star Trek“, Lawrence M. Krauss).
Die Elemente und Handlungsebenen des Romans sind in ihrer Zusammenstellung mit Sicherheit einmalig. Allein das macht das Buch lesenswert. Der Hardcore-SF-Fan wird sich vielleicht durch einige Längen der Marke „Elementarteilchenphysik“ durchkämpfen oder auch bestimmte vordergründige Ungereimtheiten übersehen müssen. (Wie versorgen sich 6000 Menschen ohne jede Lieferung von der Erde über Jahre hinweg?) Dennoch: In den Kapiteln, wo SF anstelle des utopischen Romans in den Vordergrund tritt, kann man ohne Übertreibung von Science-Fiction in der ureigensten Bedeutung des Worts sprechen.
Auf einem der vielen Schlachtfelder des ehemaligen Jugoslawiens untersuchen 1996 NATO-Ärzte ein Massengrab. Die Leichenberge werden aufgewühlt – und zwar von unten! Als Blauhelm-Major Elias Branch dem nachgeht, wird seine Gruppe ausgelöscht. Nur Branch überlebt. Seine Geschichte von gehörnten Leichenfressern mag ihm niemand glauben. Doch Branch kehrt zurück nach Bosnien und findet einen alten Minenschacht. Er öffnet sich in tiefe Höhlen und Gängen, die sich über Kilometer hinziehen – und das ist nicht das Ende: Die Basaltsockel, auf denen die Kontinente ruhen, sind durchlöchert wie ein Schweizer Käse! Weltweit werden unter der Erde unglaubliche Entdeckungen gemacht, von denen die Öffentlichkeit wenig erfährt. Die Armeen der Welt schicken Truppen in den unterirdischen Kosmos.
Branch, der Entdecker, warnt vor den unheimlichen Bewohnern, die er in der Tiefe vermutet. In der Tat ist die Unterwelt bewohnt. Die „Hadal“ üben seit Jahrtausenden ihr Schreckensregiment aus. Immer wieder kommen sie an die Oberfläche kommen, wo sie rauben und Menschensklaven verschleppen. Auch jetzt wollen sie sich ihre Herrschaft nicht streitig machen lassen.
Die Existenz der Hadal lässt sich nicht mehr geheim halten. Im Untergrund bricht ein erbitterter Krieg aus, denn der Mensch will sich nicht vertreiben lassen. Bodenschätze und Ölfelder locken große Konzerne. Im Zusammenspiel mit den örtlichen Regierungen und dem Militär pumpen sie Geld in die Erschließung der Unterwelt. C. C. Cooper. Eigentümer des „Helios“-Konzerns, träumt gar von einem eigenen Reich im Inneren der Erde. Er rüstet eine Expedition aus. Sie soll die Grenzen ‚seines‘ Landes abstecken – und die Hadal durch eine neu entwickelte Virenwaffe ausrotten. Wissenschaftlich beschäftigt sich die „Beowulf-Gruppe“ mit den Hadal. Sie geht der Frage nach, ob sich hinter den Bewohnern der Unterwelt womöglich der biblische Satan verbirgt. Dabei kommt man der tragischen Geschichte einer „zweiten Menschheit“ auf die Spur.
An der Oberfläche eskaliert der Konflikt. Kranke Hadal suchen Asyl und werden umgebracht. Andere Hadal tragen den Krieg unter die Menschen und offenbaren dabei die erschreckende Fähigkeit der „bewussten Wiedergeburt“ im Körper des Feindes. Der Countdown läuft – „Helios“ kann die biologische Zeitbombe im Inneren der Erde jederzeit zünden, während die Hadal eigene, weiterhin völlig undurchschaubare aber für ihren menschlichen Gegner lebensbedrohliche Kriegspläne verfolgen …
Fantasie schlägt Routine
Der Liebhaber phantastisch-unheimlicher Romane ist wird in der heutigen Buchwelt theoretisch gut versorgt. Deutlich mehr Titel, als der Leser verkraften kann, werden Jahr für Jahr auf den Buchmarkt geworfen. Allerdings entstehen dabei vor allem Monokulturen. Das Publikum wird mit immer denselben pseudo-erotischen Vampiren, dem schleimigen Bösen aus der Urzeit oder telepathischen Serienmördern gelangweilt; dies schon seit Jahren und gern in Serie. Die Stars des handfesten, das Grauen nicht ausschließlich in den Abgründen der menschlichen Psyche ortenden Horrors spulen routiniert ihr Standardprogramm ab und vermeiden es sorgfältig, ihr Publikum durch neue Ideen zu verschrecken.
Jeff Long unternimmt den Versuch, die ausgetretenen Pfade wenigstens ansatzweise zu verlassen. Zwar hat „Im Abgrund“ kaum die Chance, als Meilenstein der phantastischen Literatur in die Geschichte einzugehen, da der Plot weist noch tiefere Löcher aufweist als die bodenlosen Katakomben, in denen die Hadal hausen. Jeff Longs Reise zum Mittelpunkt der Erde ist ebenso ‚realistisch‘ wie die klassische Vorlage von Jules Verne, auf die der Autor immer wieder anspielt. Aber das macht nichts, denn Long erzählt seine Geschichte so rasant, dass man sich gern von ihm manipulieren lässt. Besonders die ersten 160 Seiten – Elias Branchs bizarre Erlebnisse auf einem bosnischen Gräberfeld – gehören zum Besten, was das Genre in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat.
Die Kunst, eine Geschichte richtig zu erzählen, ist eine offensichtlich seltene Gabe, die man deshalb gar nicht hoch genug wertschätzen kann. Wenn dieser Rezensent – der viele gewollt (und noch mehr unfreiwillig) unheimliche Romane gelesen hat – sich an Titel erinnern möchte, die das gerade Gesagte beherzigen, sieht die Bilanz düster aus. Die Kombination von High Tech und Grusel ist an sich nichts Neues; man denke beispielsweise an Douglas Preston und Lincoln Child, die eine ganze Schriftstellerkarriere mit dieser Formel bestreiten.
Bewährtes und Neues in gelungener Mischung
Jeff Long kann sich mit „Im Abgrund“ nicht nur sehen lassen. Dabei war er als Autor ein Neuling und sein erster (in Deutschland erschienener) Roman „The Ascent“ („Tödliches Eis“) ein konventioneller Polit- und Abenteuer-Thriller, der den furiosen Nachfolger an keiner Stelle ahnen ließ. Ohnehin sorgte der Lebenslauf des Autors zunächst für Misstrauen: Hier schrieb ein ehemaliger Extrem-Bergsteiger, der offensichtlich allmählich zu alt für seinen seltsamen Job wurde und nun versuchte, seine Erfahrungen auf anderem Gebiet zu Geld zu machen.
Aber Long verfügt über echtes erzählerisches Talent, und er hat seine Hausaufgaben gemacht. Das phantastische, oft geradezu irreale Ambiente wirkt dank sorgfältiger Recherchen durchweg überzeugend. Natürlich bleiben gewisse inhaltliche und formale Schwächen bei einem Roman dieses Seitenumfangs nicht aus. Abgesehen von der Schwierigkeit, vor die Longs Konzept einer ‚hohlen‘ und von allerlei Getümen bevölkerten Unterwelt jeden Leser stellt, der sich in der Geologie unseres Heimatplaneten nur ein bisschen auskennt, überzieht der Autor immer dort, wo er vom roten Faden seiner Geschichte abweicht.
Da trifft die Menschheit nicht nur ihr (in jeder Beziehung) dunkles Gegenstück; nein, die unheimlichen Hadal praktizieren auch noch aktive Seelenwanderung und werden womöglich vom Teufel höchstpersönlich regiert! Hier manifestiert sich wohl die für schriftstellernde Bergsteiger typische Mischung aus epiphanischer Naturmystik und höhenbedingtem Sauerstoffmangel.
Die (nicht ganz) üblichen Verdächtigen
Im Rahmen eines reinen Unterhaltungs-Thrillers ist Long die Figurenzeichnung gut gelungen. Natürlich sind Militärs beschränkt, Konzerne böse, Wissenschaftler weltfremd und Politiker immer verdächtig. Aber dennoch entgleist Long eigentlich nur ein einziger Charakter wirklich: Ali, die aufsässige Nonne – ein Zugeständnis an die politisch korrekte Feministinnen-Front oder die im Hinblick auf einem mögliche Verfilmung unbedingt notwendige ‚starke‘ Frauenrolle? Ansonsten glaubt man Long aufs Wort, wenn er den dämonischen Hadal die nur scheinbar ‚normalen‘ Menschen gegenüberstellt, die rücksichtslos in das profitable Innere der Erde vordringen und sich bald von ihren Gegnern kaum mehr unterscheiden lassen.
Vom einem grundsätzlichen Problem unheimlicher Geschichten (und Filme) musste Long ebenfalls kapitulieren: Seine Hadal sind nur solange wirklich geheimnisvoll und furchterregend, wie sich ihr Schöpfer auf Andeutungen beschränkt. Sobald sie persönlich auftreten, kommen sie rasch zum „Monster der Woche“ diverser TV-Serien herunter. Doch an diesem Punkt sind schon weitaus größere literarische Geister als Jeff Long gescheitert!
„Im Abgrund“ ist trotz dieser kleinen Einschränkungen ein rundum gelungenes Stück Unterhaltungsliteratur, das einem möglichst breiten Publikum als Lesetipp ans Herz gelegt werden kann. Deshalb ist es doppelt schade, dass „Deeper“, die 2007 veröffentlichte Fortsetzung von „Im Abgrund“, hierzulande bisher nicht erschienen ist.
Autor
Jeffrey B. Long wurde am 24. November 1951 in Bay City, US-Staat Texas, geboren. Dank eines ausgeprägten publizistischen Talents wurde er schon vor in den 1970er Jahren bekannt – als Reisender und Bergsteiger, der Tibet und den Himalaja erforschte und einige der höchsten Gipfel erklomm. 1976 verbrachte Long drei Monate in einem nepalesischen Gefängnis. Man bezichtigte ihn des Schmuggels – und weckte dadurch sein Interesse am der unterdrückten und verfolgten politischen Opposition des Landes, mit dem er sich seitdem oft und ausführlich als kritischer Journalist beschäftigt hat.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre begann Long Romane zu schreiben. „Angels of Light“ (1987) und „The Ascent“ (1992, dt. „Tödliches Eis“) spielten im vertrauten Bergsteiger-Milieu. „The Descent“ (1999, dt. „Im Abgrund“) entstand nach einem ausgedehnten Aufenthalt in Bosnien, wo Long 1996 im Auftrag der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) die ersten demokratischen Wahlen beobachtete.
1986 entstand nach Longs „True-Crime”-Biographie „Outlaw” der TV-Spielfilm „Manhunt for Claude Dallas”. Für Furore sorgte in den USA der Tatsachen-Roman „Duel of Eagles: The Mexican and U.S. Fight for the Alamo“, der viele, oft rassistisch gefärbte Fakten und Schuldzuweisungen korrigierte.
Taschenbuch: 544 Seiten Originaltitel: The Descent (New York : Crown Publishers/Random House 1999) Übersetzung: Gerald Jung http://www.randomhouse.de/blanvalet
Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: (12 Stimmen, Durchschnitt: 1,67 von 5)
Robert Langdon, Professor an der Universität von Harvard, wollte es sich gerade mit einem Glas Wein und einem guten Buch gemütlich machen, als das Telefon klingelt und ein wenig später eintreffendes Fax ankündigt, auf dem ein verstümmeltes Mordopfer zu sehen ist. Langdon wird aufmerksam, weil das Mordopfer ein Brandzeichen trägt, dessen okkulte Bedeutung ihm als Symbolologen überaus bekannt ist: ILLUMINATI.
Der Direktor der Schweizer Forschungseinrichtung CERN, Maximilian Kohler, lässt ihn zum Ort des Geschehens einfliegen. Als die Tochter des Ermordeten, Vittoria Vettra, eintrifft, weiht sie Kohler und Langdon in ein unglaubliches Geheimnis ein: Ohne irgendjemandes Wissen hatte sie zusammen mit ihrem Vater an der Erforschung der Urknall-Theorie gearbeitet und es war ihnen gelungen, sie zu beweisen und dabei neben der eigentlichen Materie auch „Antimaterie“ zu erschaffen. Diese ist höchst instabil und hochexplosiv – und eine Probe mit der Sprengkraft mehrerer Atombomben wurde aus dem Labor gestohlen.
Ein Anruf aus dem Vatikan bringt die drei auf die richtige Spur: Die Illuminati, als wissenschaftlicher Geheimbund traditionell auf Kriegsfuß mit dem Vatikan, scheinen sowohl den Wissenschaftler Vettra ermordet als auch die Antimaterie gestohlen und irgendwo im Vatikan platziert zu haben, um diesen in die Luft zu sprengen. Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können, denn zwei Wochen vorher ist der alte Papst verstorben und 165 Kardinale befinden sich an diesem Tag zur Wahl eines neuen Papstes, einem „Konklave“ genannten Ritual, im Vatikan.
Vittoria Vettra und Robert Langdon machen sich sofort auf in die Vatikanstadt und müssen dort erfahren, dass die vier |prefereti|, die vier aussichtsreichsten Kandidaten für die Papstnachfolge, entführt wurden und bis Mitternacht ermordet werden sollen. Gemeinsam versuchen sie, den alten „Pfad der Wissenschaft“ der Illuminati durch Rom zu verfolgen, denn an den vier „Altären der Wissenschaft“, die als Wegweiser zur „Kirche der Wissenschaft“ dienen sollen, sollen die vier Kardinäle ermordet werden.
Brown hat offensichtlich einige Zeit darauf verwendet, für das Buch zu recherchieren, denn sowohl Schauplätze als auch Sehenswürdigkeiten sind detailliert genau beschrieben. Bei der Verfolgungsjagd durch Rom fühlt man sich beinahe wie auf einer Städtetour und bekommt richtig Lust, sich an die entsprechenden Örtlichkeiten zu begeben.
Dank der beiden „Reiseführer“ Langdon und Vettra ist es zudem nicht einmal notwendig, selbst mit der Materie oder den Örtlichkeiten vertraut zu sein. Durch Dialoge zwischen den beiden oder gedankliche Monologe wird der Leser mit allem vertraut gemacht.
Die Darstellung der Charaktere ist sehr gelungen. Mit Robert Langdon hat Brown eine Beinahe-Entsprechung zu Indiana Jones geschaffen, einen offensichtlich durchaus „realitätstauglichen“, überaus gebildeten Wissenschaftler, der sich nicht nur auf dem Feld der Wissenschaft sondern auch körperlich durchsetzen kann. Gleichzeitig gelingt es dem Autoren, einige erst auf den zweiten Blick handlungsrelevante Charaktere so undurchsichtig wirken zu lassen, dass bis zum Schluss unklar bleibt, wer auf welche Art an der Verschwörung beteiligt ist.
Der Schluss der Nacht und damit beinahe auch des Buches schließlich toppt alles vorher Dagewesene noch einmal. Innerhalb von etwa 100 Seiten werden fast alle vorher quasi als bestätigt geltenden Eindrücke über den Haufen geworfen und das Ganze erhält kurzzeitig sogar einen interessanten Touch Spiritualität.
Ich konnte dieses Buch wirklich kaum mehr aus der Hand legen. Bereits auf den ersten 100 Seiten erzeugt Dan Brown eine Atmosphäre, die einen förmlich an das Buch fesselt. Die Idee selbst ist schon überaus reizvoll, die Geschichte perfekt konstruiert und packend erzählt und die Charaktere liebevoll detalliert gezeichnet. Mit „Illuminati“ hat Dan Brown einen neuen Maßstab im Thriller-Bereich gesetzt, der selbst Kollegen wie Tom Clancy oder John Grisham auf die Plätze verweist.
Obwohl in diesem Jahr 1936 der große Al Capone hinter Gittern sitzt, ist Chicago weiterhin eine Stadt fest im Griff des organisierten Verbrechens. Die Frank-Paco-Bande treibt ihr besonderes Unwesen. Für die Presse ein gefundenes Fressen, das dem Reporter Jack Fleming aus seiner derzeitigen Verlegenheit helfen könnte. In New York hat ihn die Wirtschaftskrise der Arbeit beraubt. Daher versucht er in Chicago einen Neuanfang. Ein echter Knüller würde ihm den Weg ebnen.
Tatsächlich kommt er Paco auf die Schliche und entdeckt sogar eine Liste hochrangiger Persönlichkeiten aus Politik und Justiz, die von den Gangstern geschmiert werden. Dann verlässt Fleming das Glück, er wird von Pacos Schergen gefasst und grausam gefoltert. Als er sich weigert, die Liste herauszugeben, bringt man ihn um.
Doch Fleming hütet ein Geheimnis: Vor Jahren hat er eine Vampirfrau kennengelernt. Das mit ihr getauschte Blut beschert ihm nun eine Wiederaufstehung. Fleming erwacht am Ufer des Michigan-Sees ohne Gedächtnis an seinen Tod, aber mit mächtigem Blutdurst. Die neue Existenz stellt ihn vor große Anfangsschwierigkeiten, die jedoch mit beachtlichen neuen Fähigkeiten und übermenschlichen Kräften einhergehen.
Fleming beschließt seinen eigenen Mord aufzuklären. Unverhofft bekommt er Schützenhilfe: Der exzentrische Privatermittler und ehemalige Schauspieler Charles Escott, der ebenfalls gegen die Paco-Bande kämpft, schließt sich ihm an. Aus dem Hintergrund hilft der schwarze Nachtclub-Besitzer „Shoe“ Coldfield.
Gemeinsam machen Vampir und Mensch nun Frank Paco das Leben zur Hölle. Dieser hat freilich mächtige Hintermänner, so dass sich auch ein untoter Gast aus dem Jenseits Gedanken um sein „Überleben“ machen muss …
(Endlich) wieder einmal etwas Neues: Mit einer Mischung aus (historischem) Krimi und Horror, dargeboten im Gewand der zeitgenössischen „Pulp“-Magazine, versucht Patricia N. Elrod erfolgreich den Start einer neuen Reihe. Eigentlich geschah dies bereits 1990, aber erst jetzt haben die „Vampire Files“ ihren Weg über den Großen Teich in dieses unser Land gefunden.
Endlich, denn hier findet der Freund des Phantastischen lesenswerte Unterhaltung. Elrods Rechnung geht auf: In der stimmungsvollen Kulisse des Jahres 1936 spielt sich eine turbulente und spannungsreiche Handlung ab.
Dabei füllt die Autorin im Grunde nur alten Wein in neue Schläuche. Der Mann ohne Gedächtnis, der von denen gejagt wird, die ihn fürchten, und nun gleichzeitig versuchen muss zu flüchten und sich zu erinnern, ist ein uraltes Klischee, das freilich noch immer seinen Zweck erfüllt.
Hier ersetzt es weitgehend den Plot, denn seien wir ehrlich: Eine verschwundene und wieder auftauchende Liste ist ein bisschen wenig Anlass für das blutige Geschehen. Eigentlich geht es – auch das wieder ganz klassisch – um Gerechtigkeit und Rache, wobei die Grenzen nach US-Ansicht wie immer fließend sind.
Auch Chicago als Gangsterstadt ist uns aus Literatur und Film längst bekannt. Sie muss für Elrods Zwecke daher nicht bis ins Detail rekonstruiert werden oder gar mit der historischen Realität übereinstimmen, wie z. B. Max Allan Collins es mit seiner Nathan-Heller-Reihe versucht hat.
„Vampirdetektiv Jack Fleming“ – der deutsche Titel ist ausgesprochen dümmlich und lässt das Werk wie einen billigen Heftroman wirken – profitiert von seinem sympathischen Helden, der – so gehört es sich – eigentlich gar keiner ist, sondern ein ganz normaler Mann, der in der Krise über sich hinauswächst und das Böse in seine Schranken weist.
Mindestens ebenso interessant wie Jacks Auseinandersetzungen mit diversen Gangstern sind seine „Lehr- und Wanderjahre“ als Vampir. Zwar ist er theoretisch mit den Bedürfnissen und Fähigkeiten dieser Spezies vertraut („Dracula“, der berühmte Film mit Bela Lugosi, wurde 1930 uraufgeführt, und Jack hat ihn gesehen), aber die Realität sieht doch anders aus.
Geschickt modifiziert Elrod den Vampir-Mythos, um ihn für ihre Geschichte tauglicher zu machen. Als „guter“ Blutsauger darf Jack Fleming natürlich keine Menschen überfallen, sondern begnügt sich mit Ochsenblut. Schwierigkeiten erwachsen ihm aus der Notwendigkeit, sich für den Tag eine lichtdichte Bleibe zu verschaffen. In einer Großstadt sollte das kein Sarg sein. Aus Gründen der Unauffälligkeit entscheidet sich Jack für einen Schrankkoffer.
Mit trockenem Humor werden diese und viele andere Besonderheiten und Misslichkeiten eines modernen Vampirlebens geschildert. Notgedrungen müssen die übrigen Figuren demgegenüber abfallen. Charles Escott vertritt die „menschliche“ Komponente, die Fleming freundlicher wirken lässt. Bobbie Smythe existiert hauptsächlich deshalb, weil ein Nosferatu nur ein halber Vampir ist, wenn er seinen Liebeszauber nicht einsetzen kann.
Elrods Gangster sind tumb und hässlich; man wundert sich, wie sie eine ganze Stadt unter ihre Knute zwingen konnten. Übertrieben politisch korrekt ist der schwarze Engel Coldfield, der offenbar nur deshalb einen Nachtclub leitet, um mit dem Erlös guten Freunden und armen Straßenkindern zu helfen.
Patricia N. Elrod (die um ihr Geburtsdatum ein großes Geheimnis macht) vervollständigt neben Anne Rice und Chelsea Quinn Yabro das Trio der erfolgreichsten Repräsentantinnen des „historischen“ Vampirromans. Die in Texas lebende Autorin legt nicht nur regelmäßig weitere „Vampire Files“ um Jack Fleming (s. u.) vor, sondern setzt auch die Reihe um den „Gentleman-Vampir“ Jonathan Barrett aus dem späten 18. Jahrhundert fort.
Weitere Informationen vermittelt die „offizielle“ Website http://www.vampwriter.com , die zwar ein wenig lobhudlerisch ausfällt, aber immerhin stets auf dem aktuellen Stand ist.
Die Jack Fleming-Reihe („The Vampire Files“) von J. P. Elrod:
01. Bloodlist (1990, dt. „Vampirdetektiv Jack Fleming“)
02. Lifeblood (1990, dt. „Blutjagd“) – Festa Verlag Nr. 1406/Nosferatu Bd. 2
03. Bloodcircle (1990)
04. Art In The Blood (1991)
05. Fire In The Blood (1991)
06. Blood On The Water (1992)
07. A Chill In The Blood (1998)
08. The Dark Sleep (1999)
09. Lady Crymsyn (2000)
10. Cold Streets (2003)
11. Song in the Dark (2004)
Einige einleitende Informationen über den Autor und sein Werk findet ihr in der Rezension zu „Volles Leichenhaus“.
Dieser posthum erschienene Roman von Jean-Patrick Manchette ist wie seine anderen Werke von einem rasanten Tempo geprägt. Schon nach drei Seiten geht das Gemetzel los. Eine missglückte Entführung, bei der sich die Verbrecher gegenseitig abknallen, bildet den Beginn der Story. Das Anfangstempo wird eine Weile beibehalten, es werden in Zeitsprüngen und Ortswechseln viele Figuren in die Geschichte eingebracht. Der Roman umfasst die Zeitspanne von kurz nach dem 2. Weltkrieg bis zur Mitte der 50er Jahre und verknüpft die Handlung mit Zeitgeschichte, wie etwa den Aufstand in Ungarn oder die Algerienkrise. Der Stil ist einem Spionageroman nachempfunden, denn die Handlung ist international, die Figuren spielen ein doppeltes Spiel und viele Statisten tauchen auf. Manchette spielt mit diesem Genre, wenn er etwa den Tagesablauf der Protagonistin Ivory Pearl in ihrem einsamen Unterschlupf auf Kuba mit genauen Uhrzeitangaben verbindet, was fern jeglicher Zivilisation absolut irrelevant scheint.
Wo wertvolles Geschmeide zum Verkauf steht, sind Gangster niemals fern: Die Phillmore-Perlen erregen die Gier eines mysteriösen Einsiedler-Millionärs, der sich in einem einsamen Haus tief in der Wüste verborgen hält. Der chinesische Detektiv Charlie Chan verschafft sich verkleidet dort Einlass, wo nur ein Papagei ihm von Verrat und Mord erzählen könnte … – Krimi-Klassiker der aus heutiger Sicht eher zweifelhaften Art, da weder der Plot noch dessen Entwicklung überzeugen können. Earl Derr Biggers – Der chinesische Papagei weiterlesen →
Im Original heißt das Buch „Dragonstar“, und das trifft es – erstens wird in dem Buch kein Drache getötet (im Gegenteil!), und zweitens spielt der |Drachenstern|, ein Komet, der alle tausend Jahre erscheint, eine wichtige Rolle. Er verstärkt nämlich die Kräfte der Dämonen, die sich seit drei Bänden im Königreich von Bel mit Ihresgleichen, aber auch mit Menschen und Gnomen um die Macht schlagen. Wenn man also partout zwecks Reklame titelmäßig etwas metzeln musste, hätte das Werk „Dämonentöter“ heißen sollen – gegen die geht es nämlich. Dass der Text auf dem Backcover auch nicht in allen Punkten stimmt, wird keinen wundern; und wen kümmert’s, wenn das Buch nur gut ist.
Aber ist es gut? – Hm. Schon meine Kollegen Martin und Wilko bemerkten in ihren Rezensionen, dass sich Hamblys Fantasy-Bücher streckenweise etwas langatmig lesen, was hier auch zutrifft. Das eigentliche Problem jedoch: „Drachentöter“ bildet den Abschluss eines vierbändigen Zyklus, und man sollte mindestens die zwei vorangegangenen Teile intus haben, um in diesen hier gut einsteigen zu können. Bastei gibt zu Anfang zwar eine Zusammenfassung von „Der schwarze Drache“, „Die dunkle Brut“ und „Der Sternendrache“, aber es haut einem da so die Namen von Menschen, Dämonen, Drachen und Dingen um die Ohren, dass man öfter mal „Wie jetzt??“ fragt.
Es geht, wie schon gesagt, um eine Invasion dieser Irgendwowelt durch Dämonen, die in Teil Zwei begann und immer noch andauert. Menschen werden zuhauf von ihnen „übernommen“, aber ihre bevorzugte Beute sind Drachen und Magier; etliche Figuren des vorliegenden Buches hatten bereits das Vergnügen, für die Höllensprösslinge den Wirt zu machen. Im Zuge solcher und anderer Katastrophen wurden die Magierin Jenny Waynest, ihr Mann John Aversin (Drachentöter, Dämonenüberlister, Than der Winterlande) und ihr Sohn Ian (auch ein Magier) voneinander getrennt; Jenny und Ian haben immer noch an den Folgen der dämonischen Symbiose zu tragen. Abgesehen davon wurde Jenny im Reich der Gnome durch einen Giftpfeil verwundet und John soll wegen Paktierens mit Dämonen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Genügend Ansätze für eine spannende Handlung also, aber die ständigen Rückblicke der Figuren machen das Buch zähflüssig, zumal der unkundige Leser immer wieder ins Vorwort blättert, um zu erfahren, wer zum Geier nun schon wieder dieser Dämon ist und welcher gegen welchen kämpft. Die Höllengeschöpfe stehen untereinander im Verbündeten- und Lehnsverhältnis, wollen sich aber gleichzeitig permanent übers Ohr hauen – das macht die Sache nicht einfacher. Irritierend wirkt anfangs auch die Bezeichnung von Johns Verbündeten-Feindin Aohila als „Dämonenkönigin“; man denkt glatt, sie herrscht über alle anderen ihrer Spezies, was aber falsch ist – sie beherrscht nur ihre eigene Hölle (es gibt deren unzählige) und ist durch die wahren Bösen auch gefährdet.
Ungefähr ab Seite 160 entwickelt sich eine leidlich durchschaubare und spannende Handlung, denn man hat sich jetzt eingelesen und kennt die meisten Zusammenhänge, außerdem schildert Hambly den Kampf der Menschen gegen die Dämonen flüssig und zielstrebig. Endlich sind die Fronten klar; später werden sie wieder unklarer. Gelegentlich fragt man sich, wieso das übermächtige Böse so (relativ) einfach besiegt werden kann; und die finale Kampfszene musste ich zweimal lesen, um Johns genialen Plan zu begreifen – aber auch dann überzeugte er mich nicht so ganz.
Interessant ist das Konzept der Parallelwelten, das Hambly entwickelt. Eine davon erinnert sehr an die dystopische Erde eines nicht allzu fernen Jahrhunderts, leider lernt man sie nur in Rückblenden kennen. Wer darüber mehr wissen möchte, muss „Der Sternendrache“ lesen. Ungeklärt bleibt das Rätsel der Drachenschatten (Morkeleb, der schwarze Drache, der Helfer der Menschen, ist zu einem geworden; angeblich hat er dazu auf den Großteil seiner Magie verzichtet, aber dafür kennt er noch recht viele Zauber). Jedenfalls bieten diese offene Frage und das magische Potenzial, das in Ian schlummert, genügend Ansätze für eine Fortsetzung; ob sie allerdings sein muss, wage ich in Frage zu stellen – so brillant ist dieses Buch hier nun auch wieder nicht.
Die Aliens sind tatsächlich unter uns! Zehn Arme und zwei Herzen haben sie, aber weder Bug noch Heck; Ammoniak fließt durch ihre Adern, und sie ändern ihre Farbe mit einer Meisterschaft, die jeden Predator vor Neid erblassen ließe. Man muss allerdings wissen, wo man nach ihnen Ausschau zu halten hat. Kontraproduktiv ist es, den Blick ausschließlich zum Himmel zu erheben, denn nicht „Watch the Skies!“ lautet hier die Devise, sondern „The Kraken Wakes“, wie es der britische Science- Fiction-Autor John Wyndham schon 1953 besser wusste.
Tief unter der Oberfläche der Weltmeere verbirgt es sich, das (wahrscheinlich) einzige echte Seeungeheuer, ein Wesen, wie es fremdartiger und seltsamer kaum sein könnte, das letzte und wohl größte Tier, das sich dem Menschen bisher entziehen konnte und dadurch sein Fahndungsinteresse umso heftiger anstachelt: Architeuthis dux, der Riesenkalmar der Tiefsee, wahrlich der Herrscher seines vielarmigen Stammes. Dort, wohin wir gern unliebsame Zeitgenossen zu wünschen pflegen, weil hier die Sonne nie scheint, lebt und jagt er (oder vielleicht treibt er auch wie ein alter Socken schlapp im Wasser), rauft mit gefräßigen Pottwalen (oder lässt sich ohne Gegenwehr fressen), vertilgt schnelle Fische und lahme Artgenossen (oder umgekehrt), ist schlau wie ein Fuchs (oder dumm wie eine Auster), so groß wie ein Eisenbahnwaggon (oder doch nur wie ein Wohnwagen) und bevölkert die Meere dieser Welt so zahlreich wie landwärts die Karnickel (oder ist so selten wie ein Sechser im Lotto). Richard Ellis – Riesenkraken der Tiefsee weiterlesen →
Im vierten Band des Dalemark-Zyklus „Die Krone von Dalemark“ geht es um die dritte Hauptperson, ein Mädchen namens Maewen. Aber auch die anderen Charaktere, die uns bisher begegnet sind, tauchen hier wieder auf, sodaß alle Vorgeschichten jetzt am selben Punkt zusammengeführt sind.
Mitt ist im Norden angekommen. Aber entgegen seiner Hoffnungen hat er den Ärger mit den Grafen nicht hinter sich. Er soll für die Gräfin von Aberath und den Graf von Hannart ein junges Mädchen beseitigen. Sie heißt Noreth und glaubt, daß der Eine ihr Vater und sie selbst dazu bestimmt ist, Königin von ganz Dalemark zu werden. Mitt ist von diesem Auftrag gar nicht begeistert, doch der Graf und die Gräfin haben Hildy und Ynen in der Hand. Also macht Mitt sich schweren Herzens auf den Weg. Kaum hat er Noreth kennengelernt, da weiß er erst recht, daß er sie weder umbringen will noch kann…
Maewen ist bei ihrem Vater zu Besuch in Karnsburg. Ihr Vater arbeitet im Tannoreth-Palast, einem riesigen Museum. Maewen darf sich dort alles ansehen. Eines Tages trifft sie einen der Museumsangestellten, der gerade ein kostbares Stück aus einer Vitrine nimmt. Weil gleichzeitig sein Funkgerät piepst, bittet er Maewen, es zu ihrem Vater zu bringen. Kaum hat Maewen die Figur berührt, als Nebel sie einhüllt. Maewen findet sich in einer völlig fremden Welt wieder und unter völlig fremden Menschen. Es dauert lange, bis sie merkt, daß sie in der Vergangenheit gelandet ist, und nicht nur das. Unter ihren Begleitern befinden sich ein junger Barde, der eine ganz außergewöhnliche Quidder trägt, ein Mann namens Wend, der genau wie der Museumsangestellte aussieht, und ein junger Bursche, der sie offenbar kennt, und sie weiß nicht woher. Außerdem ist sie auch noch die Anführerin, dabei weiß sie gar nicht, worum es geht. Und zu allem Übel hört sie auch noch eine körperlose Stimme. Maewen fühlt sich gar nicht wohl in ihrer Haut, weiß aber, daß sie nicht umkehren kann, bevor sie – was auch immer – durchgestanden hat…
Diesmal herrschen wieder zwei Erzählstränge vor, der eine aus Sicht von Mitt, der andere aus Sicht von Maewen. Charakterliche Entwicklung tritt bei diesem letzten Band jedoch eher in den Hintergrund. Mitt und Moril sind da schon durch, und Maewen wächst ziemlich schnell in ihre Rolle hinein. So verschiebt sich die Gewichtung ein wenig mehr Richtung Handlung, die zum einen von Politik, zum anderen vom Kampf gegen Kankredin beherrscht wird.
Die Grafen wollen ihre Selbstständigkeit natürlich nur ungern aufgeben. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum der Graf von Hannart und die Gräfin von Aberath Mitt auf Noreth angesetzt haben. Und sie sind ja auch nicht die einzigen Grafen.
Die politischen Zwistigkeiten setzen sich bis in die Gruppe um Maewen fort, die aus Nord- und Südländern besteht. Streit scheint vorprogrammiert. Selbst Wend, der von politischen Angelegenheiten großteils unberührt zu bleiben scheint, hat ganz offensichtlich eine Aversion gegen Mitt. Das macht Maewen zusätzliche Schwierigkeiten.
Die körperlose Stimme, die Maewen zunächst an ihrem Verstand zweifeln läßt, ist eindeutig die eines Unvergänglichen. Obwohl sie Maewen Ratschläge erteilt, fühlt diese sich von ihr eher verunsichert. Sie versucht, so wenig wie möglich allein zu sein, denn die Stimme spricht nur, wenn sie allein ist. Zumindest scheint es so…
Zusätzlich zur bereits bekannten Magie der Quidder und der Unvergänglichen kommen hier noch einige magische Artefakte, die die Abstammung vom Adon, dem letzten König Dalemarks, anzeigen. Diese sind über ganz Norddalemark verstreut, sodaß die Gruppe ständig von einem Ende zum anderen unterwegs ist. Diesmal hätte ich mir zum ersten Mal eine Karte gewünscht, denn hier häufen sich die Ortsnamen und Richtungen doch ziemlich. Leider gibt es keine.
Das Erzähltempo nimmt zum Ende hin etwas zu, erreicht aber nicht den Schwung und die Spannung, die der dritte Band bietet. Auch hier zeigt sich wieder, daß Action zugunsten von Köpfchen eher im Hintergrund steht. Der eigentliche Kampf gegen Kankredin nimmt überraschend wenig Raum ein.
Das letzte Kapitel des Buches ist sehr kurz, man könnte es fast als Epilog bezeichnen, und läßt das Ende letztlich offen. Für eine weitere Fortsetzung? Der vierte Band kam 1993 heraus. Schon ne ganze Weile her. Andererseits lagen zwischen den ersten drei Bänden, die im Abstand von je zwei Jahren entstanden, und dem vierten Band auch vierzehn Jahre Pause.
Insgesamt betrachtet fand ich den Zyklus durchaus gelungen, auch wenn der vierte Band nicht ganz hielt, was ich mir nach dem dritten erhofft hatte. Von kleinen Logikfehlern abgesehen hat Diana Wynne Jones eine interessante Welt erschaffen mit Charakteren, die echt und glaubwürdig wirken, und einem Rahmen, der durch den von der Vergangenheit bis in die Zukunft reichenden Bogen fast epische Ausmaße annimmt. Für Jugendliche mit einem Faible für Fantasy auf jeden Fall zu empfehlen, aber auch für Erwachsene, die es nicht immer hochgradig kompliziert und vielschichtig brauchen.
Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.
Seit jeher wird bitter unter den Freunden (und Freundinnen) des klassischen Detektivkrimis die Tatsache beklagt, dass es vergleichsweise wenige Sherlock-Holmes-Geschichten gibt. Sir Arthur Conan Doyle hat in immerhin vier Jahrzehnten gerade vier Romane und 56 Storys zu Papier gebracht. Das reicht dem fanatischen Fan bei weitem nicht, der darüber freilich vergisst, dass Doyle ein kluger Mann und hochprofessioneller Schriftsteller war, der sich der engen literarischen Grenzen, die ihm sein prominentes Geschöpf steckte, sehr wohl bewusst war.
Eigentlich sollte schon 1893 Schluss sein; Holmes war ausgeschrieben, seine Fälle begannen sich zu wiederholen, und Doyle stürzte ihn die Reichenbach-Wasserfälle hinab. Aber die Protestschreie der Leserschaft und viel Geld führten zu Wiederauferstehung und Fortleben. Eines ist dabei nicht zu leugnen: Der „zweite“ Sherlock Holmes ist bei aller detektivischen Eleganz in der Tat nur noch Kopie und bei seinem letzten „echten“ Auftritt 1927 ein Anachronismus.
Dessen ungeachtet entstanden noch zu Doyles Lebzeiten die ersten „neuen“ Holmes- Geschichten. Viele waren Parodien, andere kaum vertuschte Plagiate. So richtig los ging es jedoch erst nach 1930, als definitiv kein „echter Stoff“ mehr zu erwarten war. Seither ist die Zahl der Romane und Kurzgeschichten um Sherlock Holmes und Dr. Watson ins buchstäblich Unzählbare gewachsen; die Liste der von Ashley im Anhang genannten Titel ist nicht annähernd vollständig.
26 weitere Geschichten um Sherlock Holmes & Dr. Watson kommen nun hinzu. Deren Inhalte und Schauplätze sind einerseits so unterschiedlich, dass selbst eine knappe Wiedergabe den Rahmen dieser Rezension sprengen würde. Andererseits ist das auch gar nicht nötig: Es reicht der Hinweis darauf, dass die Storys einem roten Faden folgen, der dem (fiktiven) Lebenslauf des Meisterdetektivs entspricht. Von seinen Jugendjahren bis ins Alter beobachten wir ihn (und selbstverständlich den treuen Chronisten Dr. Watson) bei der Arbeit. Die unterscheidet sich in diesen „neuen“ Fällen oft nur in Details von den bekannten Abenteuern, die Holmes-Vater Arthur Conan Doyle vor vielen Jahren schuf. Manchmal werden freilich auch neue Pfade beschritten. Wir können es an dieser Stelle dabei belassen, auf bestimmte Geschichten hinzuweisen, die ein wenig aus dem Rahmen fallen.
Fakt ist, dass wir mehr als 56 Holmes-Geschichten gar nicht brauchen. Sie geben mehr als deutlich das Muster vor, dem die meisten Nachahmer folgen. Das ist nicht schwer; Doyle wusste wie gesagt selbst sehr gut um den Bausteincharakter seiner Storys. Der traulichen Zweisamkeit von Holmes und Watson, die sich mit dem alten Spiel „Staubige Manschette/Tintenfleck am Ohr: Woher kommt dieser Passant?“ (Watson rät wie üblich falsch, Holmes verblüfft ihn mit deduktiven Zaubertricks) die Zeit vertreiben, folgt der Auftritt eines männlichen oder weiblichen Klienten mit einem scheinbar unlösbaren Anliegen. Held und Wasserträger reisen an den Ort des Geschehens, dort gibt es viele falsche Spuren und Lügen, die von Holmes souverän zugunsten der verblüffenden Lösung beiseite gewischt werden. Kein Wunder, dass sich dieses Schema so einfach nachahmen (oder verulken) lässt!
Wer den Tonfall trifft und mit einem klug variierten Plot auftritt, kann immer noch gut unterhalten: Holmes-Geschichten sind heute vor allem eine Rückkehr in die „gute, alte Zeit“, in der die Welt einfacher war oder die zeitgenössischen Probleme wenigstens des heutigen Lesers Feierabend nicht verderben. Hier bieten die Pastiches (wie man solche Nachschöpfungen auch nennt) in „Sherlock Holmes und der Fluch der Addletons“ einen repräsentativen Querschnitt. Das gilt im Guten wie im Schlechten, wobei „schlecht“ hier nicht zwangsläufig „ohne Unterhaltungswert“ bedeuten muss. Man liest die meisten Storys, wie man sich behagliche Pantoffeln überstreift. In dieser Form reichen sie uns u. a. Edward D. Hoch, David Stuart Davis oder Eric Brown: Holmes-Nostalgie in ihrer reinen, wenn auch wenig innovativen Form. (Dazu ein Tipp: „Sherlock Holmes und der Fluch der Addletons“ sollte keinesfalls „am Stück“ gelesen werden – die „Strickart“ der Storys wird sonst allzu deutlich und schmälert das Vergnügen.)
Wie schief es gehen kann, wenn man sein Handwerk nicht versteht, demonstrieren H. R. F. Keating oder Barrie Roberts. Sie gehen durchaus von einer zutreffenden Prämisse aus: Wieso darf ich als Verfasser nicht mit Holmes und seinem Kosmos spielen, ihn in ungewohnte Umgebungen schicken, sich zur Abwechslung einmal gewaltig irren lassen und sehen was geschieht? Daraus sind einige großartige neue Holmes-Geschichten entstanden (s. u.). Aber das Risiko ist groß; der Verehrer kennt „seinen“ Holmes und verzeiht Misstöne nicht. Beispielsweise will Derek Wilson in „Die lästige Angelegenheit mit dem Rembrandt“ Atmosphäre erzwingen; es reicht ihm nicht, den jungen, wenig bekannten Holmes zu präsentieren, er muss auch noch Professor Moriarty und Oberst Moran ins Spiel bringen, was völlig überflüssig ist und die Fadenscheinigkeit des Plots noch betont.
Ein wenig plump, wenn auch verständlich, wirkt Amy Meyers‘ Versuch, in „Der getreue Diener“ – ansonsten eine durchaus lesbare Geschichte – das eigene Werk zu adeln, indem sie Holmes ihren Detektiv-Koch M. Auguste Didier ausgiebig loben lässt. Aber wie Ashley in seinen Nachworten deutlich macht, konnte selten ein Autor der Versuchung widerstehen, Holmes auf die reale oder fiktive Prominenz seiner Epoche treffen zu lassen.
Abseits des üblichen Pfades wandelt Stephen Baxter. Er schreibt eigentlich Science-Fiction, hat sich aber 1995 mit „Time Ships“ (dt. „Zeitschiffe“) an einer umfangreichen „Fortsetzung“ von H. G. Wells‘ „Zeitmaschine“ versucht und bei den Recherchen reichlich Informationen über die viktorianische Ära und ihre Bewohner gesammelt. Die setzt er nun verspielt und geschickt in der amüsant abstrusen Sherlock-Holmes-SF-Story „Der Masse-Regulator“ ein, die nicht nur H. G. Wells persönlich an die Seite des Detektivs und Dr. Watsons treten lässt, sondern auch nicht mit Reminiszenzen an dessen Werk spart; so „wissen“ wir jetzt, woher Wells die Ideen für seine Meisterwerke „The First Men in the Moon“ (1901; dt. „Die ersten Menschen auf dem Mond“) oder „The Food of the Gods“ (1904, dt. „Die Riesen kommen“) hatte …
Sherlock Holmes und die Moderne – ein Widerspruch in sich, aber ein reizvoller, mit dem sich „spielen“ lässt – konfrontiert außerdem F. Gwynplaine MacIntyre in „Das Rätsel des Warwickshire-Wirbels“. Die Möglichkeit einer Reise durch Zeit und Raum wird gekoppelt an die noch junge Erfindung des Films; hier sind es die bewegten Bilder, die dem Detektiv endlich die Lösung eines uralten Kriminalrätsels ermöglichen. (Schade nur, dass sich der aufwändig konstruierte Plot im Finale ziemlich in Belanglosigkeit und Übertreibung auflöst.)
Die Holmes-Faszination beschränkte sich nie auf Europa oder Nordamerika. In der ganzen Welt kennt und liebt man den Meister. Daher wundert es nicht, dass man ihn gern „adoptierte“ und ihn Abenteuer an fernen Orten wie Südamerika oder dem Himalaya erleben ließ. Zakaria Erzinçlioglu wählt in „Der bulgarische Diplomat“ einen anderen Weg: Hier bleibt Holmes im guten, alten London – das Ausland kommt zu ihm und verwickelt ihn in einen (aufregenden) Politthriller, der die historische Realität der explosiven Ära vor dem I. Weltkrieg sehr anschaulich dramatisiert.
Dies sind freilich schon die eigentlichen „Ausreißer“ der vorliegenden Sammlung. Sie hat deswegen von der Kritik im Ausland manche Schelte bezogen. Das bezog auch Herausgeber Mike Ashley selbst mit ein, dessen Holmes-Chronologie vom harten Kern der höchst aktiven und streitbaren Fangemeinde einer scharfen Prüfung unterzogen und für zu leicht befunden wurde. Nun, man kann sich sein Vergnügen auch versauen, indem man es zur Religion erhebt… Ob Holmes & Watson den Hund der Baskervilles nun 1889 oder 1899 gejagt haben (es gibt darüber erbitterte Diskussionen, für die jedes Jahr mit quasi wissenschaftlicher Präzision untersucht wird), ist im Grunde völlig gleichgültig. Arthur Conan Doyle hat es gewusst und sich nie ausdrücklich um die Kontinuität seiner Holmes-Vita gekümmert. Für ihn stand im Vordergrund, seine Leser zu unterhalten – eine sehr redliche Einstellung. Das Balgen um Daten und chronologische Stimmigkeit überließ Doyle schon zu Lebzeiten denen, die ihren eigenen, sehr speziellen Spaß daraus ziehen können. So wollen wir es daher ebenfalls halten und uns einfach 26 neuer-alter Anlässe erfreuen, das Spiel wieder beginnen zu lassen!
David Williams steckt in der Krise. Die Gattin hat ihn Danny, den siebenjährigen Sohn, verlassen. Der Schock hat den einst erfolgreichen Innenausstatter aus der englischen Küstenstadt Brighton erst gelähmt und dann in den Ruin getrieben. Nun wird das Geld knapp. Da kommt dieses Angebot gerade recht: Bryan Tarrant besitzt auf der Kanalinsel Wight Fortyfoot House, ein stattliches Anwesen, das lange leer steht und daher instandgesetzt werden soll.
Dass Tarrant bestimmte Fakten vorenthalten hat, erfährt David erst, nachdem er und Danny im kleinen Ort Bonchurch auf der Isle of Wight eingetroffen sind. Hier weiß jeder Bescheid über Fortyfood House, das angeblich keineswegs leer steht, seit hier vor einem Jahrhundert der Zaubermeister Mr. Billings und seine böse Buhle, die Hexe Kezia Mason, ihr Schreckensregiment ausgeübt haben. Graham Masterton – Die Opferung weiterlesen →
„Der Fluß der Seelen“, der dritte Band des Dalemark-Zyklus, fällt ein wenig aus der Reihe. Er erzählt von einer Zeit, die noch vor den Legenden liegt, die Moril und die Barden in ihren Balladen singen.
Tanaqui und ihre Geschwister haben es nicht leicht. Sie wachsen ohne Mutter auf, die Leute im Dorf mögen sie nicht besonders, und dann kommen auch noch Soldaten und holen die Männer des Dorfes in den Krieg gegen die Heiden, die vom Meer heraufdrängen, um dort zu siedeln. Auch Tanaquis Vater und ihr ältester Bruder Gull folgen dem Heer in den Krieg. Der Vater fällt, und als Gull aus dem Krieg zurückkommt, ist er seltsam verändert. Der Onkel, der ihn zurückbringt, meint, das läge daran, daß die Zauberer ihn mit einem Zauber belegt hätten.
Die Dörfler sind inzwischen der Meinung, daß auch Tanaquis Familie zu den heidnischen Zauberern gehöre, weil sie genauso aussehen. Tanaqui und ihre Geschwister fliehen den Strom hinunter. Die Fahrt ist mühselig, führt in feindliches Gebiet, und Gull geht es immer schlechter. Als sie das Meer erreichen ist auch Robin krank. Dort angekommen stellen sie allerdings fest, daß nicht die Heiden ihr eigentlicher Feind sind…
Außergewöhnlich ist an diesem Teil der Geschichte nicht nur, daß er in der fernen Vergangenheit spielt, was sich erst allmählich herauskristallisiert, sondern auch, daß er als einziger der vier in der Ich-Form geschrieben ist. Die Erzählerin ist Tanaqui, das zweitjüngste der Geschwister. Auch Tanaqui selbst fällt ein wenig aus der Rolle, sie ist die einzige, die nicht nach einem Vogel benannt ist.
Obwohl Tanaqui erzählt, liegt das Hauptaugenmerk nicht so eindeutig auf ihr, wie es bei den vorigen Bänden mit Moril und Mitt der Fall war. Die Gewichtung ist eher gleichmäßig auf Tanaqui, ihren zweiten Bruder Hern und den jüngsten Bruder Entchen verteilt. Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, daß an jedem dieser drei etwas Besonderes ist. Das gilt im Grunde auch für Gull und die älteste Schwester Robin, doch durch ihre Krankheiten sind sie nur eingeschränkt oder gar nicht handlungsfähig und deshalb für die Entwicklung der Geschichte weniger ausschlaggebend.
Auch in diesem Buch nimmt die Entwicklung der Charaktere viel Raum ein, wenn auch auf eine etwas andere Art. Hier ist es weniger das Erwachsenwerden, sondern das Hineinwachsen in bestimmte Aufgaben. So stellt sich schon bald heraus, daß Hern derjenige mit der größten Durchsetzungskraft ist, und der kleine Bruder Entchen zeigt spätestens am Seelennetz deutlich seine Anlagen zur Magie. Bei Tanaqui ist die Entwicklung logischerweise am deutlichsten, da sie die Erzählerin ist.
Dreh- und Angelpunkt dieses Bandes sind jedoch die Unvergänglichen. Die Abbilder dreier von ihnen begleiten die Kinder auf ihrer Reise, in deren Verlauf allmählich deutlich wird, wer und was die Unvergänglichen eigentlich sind. Daraus erklären sich im selben Zug auch die besonderen Fähigkeiten der Kinder. Zwangsläufig ist dieser Band derjenige, der am stärksten von Magie geprägt ist. Am deutlichsten zeigt sich diese in Entchens Flötenspiel und Tanaquis Weberei. Tanaqui webt nicht einfach nur irgendeinen Mantel. Indem sie ihre Erlebnisse, Gedanken und Überlegungen hineinwebt, webt sie einen Zaubermantel, ein magisches Artefakt, das durch seine Wirkung beinahe ein Eigenleben besitzt.
Die Beziehung zu den vorigen beiden Bänden war aufgrund des zeitlichen Abstands nicht einfach so in den Text der Erzählung einflechtbar, weshalb die Autorin ihn durch ein Nachwort hergestellt hat. Auch wird an dieser Stelle das Glossar interessant. Nicht alle Informationen, die dort erklärt sind, hat die Autorin im Kontext untergebracht. Verständnisschwierigkeiten ergeben sich deshalb aber nicht.
Der dritte Band war bisher eindeutig der komplexeste. Man kann zwar nicht sagen, daß in Bezug auf die Magie wirklich ins Detail gegangen wurde, doch es begegnen dem Leser gelegentlich Mehrdeutigkeiten – für die ist das Glossar gut – und Überlappungen von sichtbarer und unsichtbarer Welt, die seine Vorgänger nicht hatten. So ist der große Strom viel mehr als einfach nur ein Fluß, genau wie Tanaquis Mantel nicht einfach nur ein Mantel ist.
Er war auch der spannendste bisher. Das Ende ist zwar nicht in dem Sinn offen, denn es gibt ja das Nachwort, doch Tanaquis eigene Erzählung endet vor der letzten, endgültigen Entscheidung. Was nur logisch ist, denn an dieser Stelle ist sie fertig mit Weben.
Abgeschlossen kann man also auch diesen Band nicht wirklich nennen, denn auch ihm würde, wenn man ihn einzeln läse, etwas fehlen, auch wenn die eigentliche Geschichte zuende ist. Das geht schon aus dem Nachwort hervor, das ganz eindeutig einen Bezug herstellt zu den vorangehenden Bänden, und für jemanden, der diese nicht gelesen hat, eine Menge Fragen aufwerfen würde.
Und auch nach drei Bänden aufzuhören, ist nicht drin, denn es fehlt noch der entscheidende letzte Teil, der alle anderen zusammenfügt. Das wäre, wie nach einem Aufstieg von 2000 Metern 500 Meter unter dem Gipfel umzudrehen. Wer bis hierher gelesen hat, kommt um den vierten Band einfach nicht mehr drumrum.
Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.
Als der alte König stirbt, verfügt er in einer Prophezeiung, dass das dritte Kind eines seiner Kinder einst herrschen solle auf dem Thron des Landes. Seine drei Kinder sollen sich das Land teilen in drei Gebiete und jedes Kind soll König sein, bis denn dereinst das dritte Kind, ein Sohn, geboren würde. Seine Kinder schworen und glücklich starb der Vater. Die Kinder zogen in ihre Lande und bald war die väterliche Burg verlassen und das Land um sie herum vergessen. Drei neue, starke Königreiche entstanden in dem Gebiet des einstigen Reiches und es verging eine lange Zeit, bis das dritte Kind sich im Bauch regte. Doch die Tochter des alten Königs fürchtete um das Leben des jungen Kindes und flehte die Nebelhexe um Hilfe an. So wurde eine Tochter geboren, doch die Mutter zahlte einen harten Preis für die Hexerei. Der Vater des Kindes war entsetzt. Hatte er doch einen Sohn erwartet, wie es prophezeit war. Verbittert wendet er sich von seinem Kind ab, das stumm in der Wiege liegt. Niemand will für das Töchterchen sorgen und schließlich ist es die alte Spinnenhexe, die im Ostturm haust und das Kind bei sich aufnimmt. Doch während es heranwächst, nimmt der Kampf um die zerteilten Königreiche zu. Jeder will die Macht für sich haben und über das gesamte Gebiet herrschen.
Die Geschichte von Henny Fortuin vereint alle Ingredienzien, die zu einem Märchen dazugehören. Es gibt einen Zwerg, Hexen, Elfen, Könige, Zauberer, Königinnen, einen Kriegsherrn, einen Barden und nebenher noch ein wenig Fußvolk. Dazu noch eine Prophezeiung in den Hexenkessel geworfen und fertig ist das Ganze. Doch ganz so einfach hat es die Autorin sich selbst und uns Lesern nicht gemacht. Ihre Arbeit beginnt schon allein mit dem Stilmittel der unterschiedlichen Erzähler. Aus der Sicht einzelner Protagonisten wird die Geschichte berichtet. Dabei ändern sich der Stil, die Kommentare und auch die Sichtweise entsprechend der erzählenden Figur. Da spricht der Zwerg, der Stimmen im Wind hört. Die Spinnenhexe enthüllt ein paar ihrer Pläne, wenn sie an den Fäden zieht. Die Nebelhexe redet nur unwillig und der Barde übt sich in Selbstdarstellung. Wenn auch die Erzählweise der einen oder anderen Figur nicht leichtgängig ist, so ergibt sich daraus zugleich ein besonderer Reiz. So schweift der Zwerg gerne ab und es dürfte einem Kind nicht leichtfallen, dem Faden zu folgen (das Buch ist ab einem Alter von 12 Jahren vorgeschlagen).
Die Geschichte selbst ist vielschichtig und in mehrer Hinsicht zauberhaft. Henny Fortuin hält sich nicht lange mit Details auf und oft erhalten wir kaum eine Beschreibung der Personen oder Orte der Handlungen. Ganz im Stil der klassischen Märchen überlässt sie es der Phantasie ihrer Leser, die leeren Stellen zu füllen. Und das klappt gut. Denn an wesentlichen Stellen, wo die Phantasie abzuschweifen droht, fängt sie diese wieder durch eine kurze Erläuterung ein und widmet sich zügig erneut der Handlung. Folglich passiert recht viel in dem kleinen Buch, was jugendlichen Lesern sehr entgegen kommen dürfte. Langeweile sollte kaum aufkommen.
Das Buch ist näher an den klassischen Märchen als an der typischen, durch Tolkiens Revival geprägten Fantasy. Hier sind Elfen noch kleine Fieslinge und Zwerge einfach nur magische Geschöpfe. Wer noch ein offenes Auge für die Welt der märchenhafte Wunder hat, der sollte das Buch in die Hand nehmen.
_Jens Peter Kleinau_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Euch kotzen sie an, diese ewig gleichen Langweiler-Reviews in normalen Metalmagazinen? Ihr wollt nicht wissen, dass ein schwuchteliges Gothic-Metal-Album „teilweise ganz okay“ ist – obwohl eigentlich so überflüssig wie ein Sandkorn in der Wüste? Und ihr hasst Interviews, in denen Bands dauernd „unsere aktuelle Scheibe ist die beste“ sagen…? Dann ist das „Cothurnus“-Magazin für euch das richtige Heft: Hier werden Schwedenbands vergöttert, sämtliche Napalm-Records-Bands verrissen und Faschos verachtet – diese Zeitung ist Metal in Reinkultur! Mit einer gesunden Mischung aus Arroganz, Humor und dem fast schon elitären Wissen um gute Musik machen die beiden Herausgeber Sindri (alias Volk-Man von den APOKALYPTISCHEN REITERN) und Jarne (Booker beim Party.San Open-Air) ihrer metallischen Lebensfreude zum siebten Mal Luft, verarschen GORGOROTH, verulken sich mit den EXCREMENTORY GRINDFUCKERS und rufen auf zum „Döner-Weitwurf gegen Rechts“. Außerdem ist noch ein neuer Schreib-Extremist zum Cothurnus-Team hinzugestoßen: Der ABV Schnakenburg holzt herzerfrischend ehrlich in jedes lächerliche Poserbeinchen.
Die Höhepunkte der messerscharfen „Cothurnus“-Anaylse der Metalszene anno 2004 sind die 101 Regeln „um als Metaller Anerkennung und Ruhm zu ernten“, die Auswertung zur Jahres-Poll-Frage „Welcher Band würdest du gerne mal ins Catering pissen?“ (souveräner Gewinner sind logischerweise die Nulpen von CREMATORY…) und die Nicht-Anerkennung der Auflösung von IMMORTAL. Eindeutiges Hitpotenzial tragen auch die zehn Verisse zum akustischen Verbrechen von SIEGFRIED „Eisenwinter“ (eine Napalm-Records-Band…) sowie das Interview mit Querus Hex, dem Oberförster aller Oberförster dieser Welt: Er erzählt von der bisher kaum berücksichtigten Wirkung, die bestimmte Baumarten auf den Erfolg von Black-Metal-Bands haben. Das ist großes Kino, genau wie das Rezept für „Nazi Goreng“. Im Reviewteil wird die eingeschlagene Linie konsequent weitergefahren: Auf der Punkteskala sind 0, 1, 2, 8, 9 oder 10 Punkte zu holen – in einer Welt der permantenten Alben-Schwemme ist auch eine nur durchschnittliche Scheibe Dreck.
That’s life! Angst vor großen Namen haben die Cothurnisten nicht, eine eingefahrene Band wie TIAMAT erhält 0 Punkte und Mr. Edlund den Hinweis, sich die Haare wachsen zu lassen. Die neue Scheibe von MY DYING BRIDE bekommt dagegen 10 Zähler und eine sehr persönlich gehaltene Rezension – wirklich lesenswert. Natürlich bleibt das akuelle „Cothurnus“-Heft auch in anderer Hinsicht lehrreich in Erinnerung: Hier werden in einem sechseitigen Gespräch die Hintergründe vom Zusammenbruchs des „Ars Metalli“-Labels geschildert (früher mit Bands wie DIE APOKALYPTISCHEN REITER oder MENHIR) – die Antworten kommen vom Ex-Chef (jetzt Chefin…) Dobberstein höchstpersönlich. Zu allem Überfluss erfährt der geneigte, sitzende oder auch stehende Leser am Ende auch noch, dass Karel Gott das uneheliche Kind eines gewissen Adolf H. ist. 66 Seiten sind insgesamt zu durchforsten, jedes Blatt davon lohnt sich, auch wenn das eigentlich ideenreiche Layout manchmal einen Tick augen- und lesefreundlicher sein könnte. Fazit: So muss ein Fanzine sein, respektlos, politisch inkorrekt, bösartig, intelligent, satirisch, augenzwinkernd und voller Herzblut für echten Metal. Gratulation und Danke!
Die 777er-Auflage des „Cothurnus“ ist jedes Mal recht schnell vergriffen. Wer sich beeilt, kann aber auf der Homepage des [Cothurnus]http://www.cothurnus.de noch ein Exemplar bestellen. Das Heft kostet fünf Euro und kommt sogar zusammen mit einem Poster „Döner-Weitwurf gegen Rechts“ in euer Haus…
Anno 1865 gerät in den USA eine junge Kriegerwitwe in eine mysteriöse Welt aus schwarzer Magie und Voodoo, die eine an Zauber reiche aber gar nicht zauberhafte ‚parallele‘ Geschichte widerspiegelt … – Die überaus präzise recherchierte US-Vergangenheit des 19. Jahrhunderts ist mehr als Kulisse für eine komplexe Handlung jenseits ausgetretener Phantastik-Pfade. Leider übertreibt es der Autor und verliert sich in esoterischem Schwurbel, bis dem zunehmend enttäuschten Leser der Kopf schwirrt. S. P. Somtow – Dunkle Engel weiterlesen →
Ein gewöhnlicher Fantasy- oder mittelalterlicher Roman, das ist Mary Gentle’s Saga um die Söldnerführerin Ash gewiss nicht. Ihr Roman „Ash – A Secret History“ ist das Ergebnis ihrer umfangreichen Studien (u. a. Master in Kriegsgeschichte und Geschichte des 17. Jahrhunderts) sowie ihres eigenen, recht unkonventionellen Werdegangs.
Genauso unkonventionell ist auch „Ash“ geworden: Für die deutsche Fassung musste das Werk auf vier dicke Bände aufgeteilt werden, aber nicht nur vom Umfang her ist ihr Romanzyklus wahrlich umfassend. Historie und modernste wissenschaftliche Theorien sowie Horror, Fantasy und Science-Fiction geben sich hier ein einzigartiges Stelldichein, das ich jedem an anspruchsvoller Unterhaltung interessierten Leser nur empfehlen kann.
Um was geht es eigentlich? Kurz gesagt, um ein Mittelalter, das anders ist als historisch überliefert, dessen Ereignisse ihre Schatten bis in unsere Gegenwart werfen und sie verändern. So gibt es mechanische Golems sowie eine Invasion Europas durch die in Karthago hausenden Westgoten. Diese verwüsten Europa, das von Dunkelheit überzogen wird, mit einem Ziel: Das Herzogtum Burgund muss fallen! Warum gerade Burgund? Das wichtigste der fantastischen Geheimnisse, neben vielen anderen. An Wundern mangelt es nicht: So erfährt Ash, dass sie eine Sklavin aus dem Hause des Emirs Leofric ist, nach Plan gezüchtet, um die Stimme eines gigantischen Taktikcomputers, des so genannten Steingolems, zu hören. Doch sie hörte sie nicht, wurde als kleines Kind getötet – so glaubte man –, nur um später als Söldnerführerin die Stimme des Golems, die sie für die eines Heiligen hält, doch noch zu vernehmen. Das machte sie zu einer der erfolgreichsten Condottiere Europas. Doch ihre Halbschwester, die sogenannte „Faris“ der Karthager, ihre Generalin, hört ebenfalls die Stimme der Maschine… und befehligt mit großem Erfolg die Heere Karthagos bei ihrem Vernichtungsfeldzug nach Burgund.
Ihr erstes Treffen ist für die beiden ein Schock, aber er ist nichts gegen eine andere, noch schrecklichere Erkenntnis: Die |Ferae Naturae Machinae|, „wilde Maschinen“, Pyramiden im Wüstensand rund um Karthago, sprechen durch den Steingolem und manipulieren durch ihn die Karthager für ihre Zwecke. Sie wollen Burgund vernichten und, wie später deutlich wird, es steht nur Burgund als letztes Hindernis zwischen dem Sieg der Maschinen und der Vernichtung der gesamten Menschheit.
Fast waren die Maschinen am Ziel, als Herzog Karl von Burgund starb, aber ein Nachfolger wurde gekürt – solange dieser lebt, wird die Menschheit leben… Im belagerten Dijon rafft Ash sich zum Kampf gegen den eigentlichen Feind, die „wilden Maschinen“, auf.
Der Historiker Dr. Ratcliff erlebt beim Lesen von Ash’s Autobiographie mit, wie sich die Realität wandelt. Anfangs verändern sich nur Seiten in Büchern oder Funde von Golems im Wüstensand, bald aber wird er Personen aus dem Mittelalter in ihrer modernen Version gegenüberstehen…
Verworren, faszinierend, schwer verständlich – wer in die Welt von Ash eintauchen möchte, hat keine andere Wahl als beim Anfangsband „Der Blaue Löwe“ zu beginnen. In der Rezension zum ersten Roman finden sich zudem weitere Informationen über die Autorin selbst.
DIE LEGENDE VON ASH
Band 1: [„Der Blaue Löwe“ 303 (ISBN 3404283384)
Band 2: [„Der Aufstieg Karthagos“ 333 (ISBN 3404283406)
Band 3: [„Der steinerne Golem“ 377 (ISBN 3404283430)
Band 4: „DER UNTERGANG BURGUNDS“ (ISBN 3404283457)
Das englische Original:
„Ash – A Secret History“ (ISBN 1857987446)
„Der Untergang Burgunds“ ist ein überraschend gut gelungener und würdiger Abschlussband des Zyklus. Wie oft wird man bei solch komplexen Zyklen nicht von einem relativ platten Finale enttäuscht?
Nach dem langatmigen und nahezu ereignislosen dritten Band geht es endlich wieder richtig zur Sache: Der König-Kalif Karthagos erscheint persönlich auf dem Schlachtfeld, die letzte militärische Hoffnung der Burgunder wird erbarmungslos zerschlagen, als man die Nachricht von Tod und Schändung der Gemahlin und Tochter Herzog Karls sowie dem Untergang des Entsatzheeres aus Flandern erhält. Doch die durch die Stimmen der wilden Maschinen in ihrem Weltbild schwer erschütterte Faris der Karthager läuft, bei dem neuen Kalifen in Ungnade gefallen, zu den Burgundern über.
An diesem Punkt hat Ash einige zündende Ideen, wie man die Maschinen, auch ohne den Würgegriff der Belagerung brechen zu müssen, bezwingen könnte…
Es tut sich etwas, Ash geht in die Offensive, bemerkenswert ist vor allem ihre Konfrontation mit den Maschinen: Sie erfährt ihre Motive, die durchaus nachvollziehbar sind und mich zum Schaudern brachten – und Ash vor eine schwierige Enscheidung stellen. Was Ash auch immer tut, es wird die Weltgeschichte verändern oder die Menschheit auslöschen. Wie sich Ash entscheidet, möchte ich nicht vorwegnehmen – nur so viel: Die Menschheit wird natürlich nicht untergehen.
Ihre Entscheidung hat fast schon philosophische Dimensionen, die Auswirkungen auf die Gegenwart werden mit modernen Theorien (Wellentheorie, parallele Realitäten u. a.) erklärt, wie auch die „Wunder“ des Propheten Gundobad, deren Bedeutung von zentraler Bedeutung für die Handlung sind. Man stelle sich vor, man könnte durch Zucht und Selektion eine Menschenrasse züchten, die Kraft ihres Willens das Antlitz der Erde verändern könnte. Die Folgen wären schrecklich, die wilden Maschinen erscheinen fast als Wohltäter, wollen sie doch sich und der Menschheit diese ständigen katastrophalen Veränderungen der Realität ersparen. Auch die Bedeutung Burgunds im Zusammenhang mit den Wunderwirkern wird geklärt: warum die Linie der Herzöge Burgunds die Fähigkeit besitzt, solche „Wunder“ zu verhindern.
Dieser Roman macht nachdenklich, neben der interessanten Handlung kommen die Charaktere nicht zu kurz. Die von den Ereignissen, die ihren Horizont (Sie lebt im Mittelalter und kennt nur das Schlachtfeld!) bei weitem übersteigen, überrollte Ash kann einem leid tun, ebenso wie die um ihr blankes Leben kämpfenden Bürger Burgunds und ihre Söldner. Blutige Gemetzel und mittelalterliche Grausamkeiten sind auch in diesem Roman reichlich vorhanden und verstärken die düstere und hoffnungslose Atmosphäre. Neben Ash wissen vor allem ihre engsten Vertrauten sowie die Faris der Karthager zu überzeugen, die, etwas jünger als Ash, ohne die Weisungen des Steingolems vollkommen hilflos und verstört vor der Hinrichtung durch Kalif Gelimer fliehen muss, zusammen mit ihrer gemeinsamen Mutter und ihrer Halbschwester Violante. Sie wird wie auch der anscheinend halb wahnsinnig gewordene Emir Leofric sehr überzeugend dargestellt.
Leider trifft das nicht auf alle Figuren zu. So ist Ash’s unglücklicher und zu den Karthagern übergelaufener Gatte Fernando mittlerweile Mönch geworden, hat er doch stets Leid und Krieg verabscheut. Seine Beziehung zu Ash konnte mich jedoch nie ganz überzeugen, sie wirkt auch ein wenig lieblos in die Rahmenhandlung gepresst.
Mary Gentle hat es sich teilweise auch sehr leicht gemacht, einige Probleme haben einfach keine stimmige Lösung. So fällt Ash jetzt auf einmal ein Weg ein, wie man den Maschinen Einhalt gebieten könnte, den sie schon fast zwei Bücher zuvor hätte gehen können. Genauso ihr Überleben als Ausschuss der genetischen Experimente Leofrics – Kehle durchgeschnitten, in den Hafen geworfen, trotzdem überlebt, von Seefahrern aufgesammelt und nach Europa gebracht… als Waisenkind aufgewachsen und Söldnerführerin geworden. Hier hätte sich die Autorin ruhig etwas mehr Mühe geben können. Dazu kommen noch kleinere Details wie plötzlich erfroren vom Himmel fallende Vögel in Burgund, ganz Europa wird von düsterem Zwielicht überzogen, wie bereits Karthago. Dort wird es auch immer kälter, aber warum fallen sogar im nach wie vor exklusiv sonnendurchfluteten Burgund tote Vögel vom Himmel?
Zum Glück halten sich diese kleineren Fehler (bzw. nicht aufgelösten Fragen) in dem 2326 Seiten starken Zyklus in Grenzen. Allerdings hätte man vor allem den dritten Band gehörig straffen können, dem durchaus gelungenen Abschluss geht so ein wenig eine Schlaftablette voran. Dafür ist das Finale ein echter Paukenschlag.
_Fazit:_
Dr. Ratcliff wird einer faszinierenden Gegenwartsversion von Ash gegenüberstehen, der Zyklus würdig und nachdenklich stimmend beendet. Angesichts des schieren Umfangs kann man Mary Gentle einige der genannten Schwächen verzeihen, bietet sie doch so viel, um sie mehr als wett zu machen. Eine echte Innovation im Bereich der Phantastik, die Genres sprengt. Ihre historischen Kenntnisse werden mit bemerkenswertem Wissen physikalischer Theorien ergänzt und zu einem spannenden Roman verwoben, in dem auch die menschliche Seite nicht zu kurz kommt, im Gegenteil, „Der Aufstieg Karthagos“ und „Der Untergang Burgunds“ sind emotional unheimlich intensive Romane, die mit einer gehörigen Prise Lovecraft’schen Grauens sehr schmackhaft gewürzt sind. Der wilde Genremix dürfte viele verschrecken, ich hoffe jedoch Interesse geweckt zu haben. Einen recht hohen Anspruch stellt Mary Gentle an ihre Leserschaft: Lässt sie elegant historische Fakten durch Fußnoten von Dr. Ratcliff erklären, fehlt leider jegliche Erläuterung zu den zahlreichen Theorien, auf denen sie ihre Realitätsveränderungen aufbaut. Selbst als erfahrener Sci-Fi-Leser und durchaus physikalisch nicht Unkundiger wird man von den abverlangten Kenntnissen oft überfordert und zum Nachlesen gezwungen!
Wer sich die Mühe macht, wird belohnt – richtig anspruchsvoll wird erst der letzte Band. „Ash“ ist sicher einer der bemerkenswertesten Romane/Romanzyklen der letzten Jahre und somit eine absolute Kaufempfehlung für Freunde ungewöhnlicher Phantastik.
Tipp: Wer des Englischen mächtig ist, kann viel Geld sparen und das englische Original kaufen. Wer lieber auf Deutsch liest, muss sich aber auch nicht grämen, das Lektorat und die Übersetzung von Rainer Schumacher sind hervorragend, kein Vergleich zu vielen oft schlampig übersetzen und nachlässig lektorierten Romanen im Fantasybereich. Dazu kommt noch die ansprechende Präsentation im edlen Hardcover-Stil von |Lübbe|’s „Bibliothek der Phantastischen Literatur“.
Wer erfahren will, wie stark Ash die Geschichte verändert hat, sollte nicht zögern und sich diese Serie besorgen, dann erfährt er, warum Cato’s berühmte Aussage von Dr. Ratcliff in das Motto „Non delenda est Carthago“ („Karthago darf nicht zerstört werden“) geändert wird.
Howard Phillips Lovecraft ist bekannt für seinen – zumindest für heutige Verhältnisse – eigentümlichen Schreibstil. Seine Erzählung „Schatten über Innsmouth“ (Buchtitel) ist in Form eines Reiseberichtes gehalten – genauer gesagt, erzählt ein junger Mann rückblickend von zwei Tagen seiner Reise.
Er feiert seine Volljährigkeit mit dieser Reise durch Neuengland – um das Land kennen zu lernen und außerdem historische und genealogische Studien zu betreiben. In Newburyport angekommen, bemüht sich der Erzähler um eine Passage nach Arkham. Als er den horrenden Fahrpreis für den Dampfzug beanstandet, berichtet ihm der Fahrkartenverkäufer von einem Autobus, der zweimal täglich von Newburyport über Innsmouth nach Arkham fährt. Die Einheimischen meiden jedoch diese kleine Hafenstadt an der Mündung des Manuxet, da sie sich vor den Bewohnern ekeln, ja sogar ängstigen. Es habe den Anschein, so erfährt der junge Mann, dass die Einwohner von Innsmouth, je älter sie werden, zunehmend einer heimtückischen Krankheit zum Opfer fallen. Daher ranken sich um das geheimnisumwogene Innsmouth und seine Bewohner ungeheuerliche Legenden. Von der Neugier gepackt, schickt sich der Reisende an, noch am selben Abend den Autobus zu nehmen, wird jedoch in seinem Enthusiasmus von seinem Gesprächspartner gebremst, der ihm rät, erst am nächsten Morgen zu fahren, um den Tag in Innsmouth zu verbringen, jedoch noch am Abend des selben Tages seine Weiterreise nach Arkham anzutreten. Als Begründung führt er die Erzählungen eines Gewerbeinspektors an, der vor zwei Jahren im Gilman House, dem einzigen Hotel in Innsmouth, abgestiegen war. Dieser Mann berichtete von seltsamen, unnatürlichen Stimmen, die aus den leer stehenden Zimmern des Hotels drangen und sich in einer fremden Sprache die ganze Nacht unterhielten. Er habe es nicht gewagt, sich zu entkleiden und zu Bett zu gehen, jedoch am nächsten Morgen die Beine in die Hand genommen und mit dem Autobus die Stadt verlassen. Im weiteren Gespräch erfährt der junge Mann auch, dass selbst der Bahnangestellte, der doch gar nicht aus dieser Gegend stammt, die Menschen aus Innsmouth nicht besonders leiden kann. Sie seien eben ein sehr sonderbares Völkchen. Der Erzähler nutzt die ihm verbleibende Zeit des Tages für Recherchen in den örtlichen Archiven und Museen, wobei seine Neugier nur weiter angestachelt wird.
Am nächsten Morgen findet er sich an der Haltestelle des Autobusses ein und beginnt seine abenteuerliche Reise nach Innsmouth. Seine Mitreisenden wirken tatsächlich ein wenig sonderbar und ihr Äußeres stößt ihn wahrlich ab. Am Ziel angekommen, erkundet er den kleinen Platz, an dem der Autobus hält und vergewissert sich ob der abendlichen Abfahrtszeit. Der junge Mann entdeckt einen kleinen Laden, in dem er sich mit Proviant für den Tag versorgt. Der Verkäufer erkennt ihn als Zugereisten und so kommen sie ins Gespräch. Er sei auch nicht von hier und wäre lieber an jedem anderen Ort auf der Welt, doch die Geschäftsleitung habe ihn nach Innsmouth versetzt und da er seine Stellung nicht aufgeben wolle, habe er sich damit abgefunden. Doch immer, wenn es ihm möglich sei, verlasse er diesen Ort, denn hier sei es nicht geheuer. Er berichtet von dem alten Zadok Allen, der ihm bestimmt mehr über Innsmouth und seine Einwohner erzählen könne. Es werde jedoch nicht gerne gesehen, wenn der alte Zadok sich mit Fremden unterhalte, doch mit einer Flasche seines Lieblingsstoffes könne man seine Zunge lösen. Das meiste, was er zu erzählen habe, seien jedoch Schauergeschichten, die man nicht glauben könne. Der Verkäufer zeichnet noch eine grobe Skizze der Stadt und der junge Reisende macht sich auf den Weg, die Stadt zu erkunden…
Die unheimlichen Geschichten von H. P. Lovecraft (* 20. August 1890, + 15. März 1937), dem Großmeister der Angst, zählen heutzutage zum Weltliteraturerbe. Dabei war er zu Lebzeiten nicht gerade von sich und seinen Werken überzeugt. Eine seiner längsten autobiographischen Schriften trägt den Titel “Einige Anmerkungen zu einer Null”. Er wagte damals nicht einmal zu hoffen, dass seine Werke jemals mit denen von Poe, Dunsany oder Blackwood auf einer Ebene stünden. Er selbst schrieb hierzu: |“Für mein Werk kann ich nichts weiter vorbringen als seine Redlichkeit. Ich weigere mich, den mechanischen Konventionen der Unterhaltungsliteratur Tribut zu zollen oder meine Erzählungen mit Klischeefiguren und abgedroschenen Situationen vollzustopfen. Ich lege Wert darauf, echte Gemütsäußerungen und Eindrücke so gut zu schildern, wie ich es vermag. Die Ergebnisse mögen armselig sein, doch ringe ich lieber weiter hartnäckig um echten literarischen Ausdruck, als die künstlichen Maßstäbe wohlfeiler Schnulzen zu akzeptieren.”|
In frühester Kindheit lauschte er den Märchen und Sagen und bereits im Alter von vier Jahren waren die Gebrüder Grimm seine bevorzugte Lektüre. Kurz darauf zog ihn „Tausendundeine Nacht“ in ihren Bann. Doch nicht nur Bücher und Sagen übten ihre Faszination auf ihn aus, auch die alten Straßen seiner Heimatstadt Providence, in denen die mit gefächerten Oberlichtern ausgestatteten Türen im Kolonialstil, winzige Fenster und anmutige Dachfirste aus der Zeit König Georgs den Glanz des achtzehnten Jahrhunderts lebendig erhalten hatten, übten einen Zauber auf ihn aus, den er sich kaum erklären konnte. Sein Faible für das achtzehnte Jahrhundert spiegelt sich in vielen seiner Erzählungen wider, so auch in “Schatten über Innsmouth”. In langen Passagen beschreibt er die Straßenzüge voll verlassener Häuser mit ihren vernagelten Türen und Fenstern, von denen eine gespenstische Atmosphäre ausgeht.
Aus gesundheitlichen Gründen war es ihm nicht vergönnt, regelmäßig die Schule zu besuchen, so dass er sich seine Bildung in Form eines chaotischen Selbstudiums bereits in jungen Jahren allein aneignen musste. Sein Augenmerk fiel auf die Wissenschaften und so trachtete er anfänglich mehr nach der Wahrheit denn nach Mythen und unheilmlichen Geschichten. Alsbald begann Lovecraft sich für Edgar A. Poe zu interessieren, doch seine frühe literarische Zeit war geprägt von Gedichten und Essays. Für ihn waren die wenigen phantastischen Gehversuche, die er unternahm, eher eine unbedeutende Nebensache. Zwar schrieb er seine erste unheimliche Geschichte ‚Der edle Lauscher‘ schon im Alter von sieben Jahren, doch er bezeichnete sie im Nachhinein als jämmerlich und infantil. Den |Cthulhu|-Mythos mit seinem eigenen Pantheon schuf er erst über 20 Jahre später, nach seiner Entdeckung Lord Dunsanys (mit vollem Namen Edward John Moreton Drax Plunkett), welche seiner Schriftstellerei gewaltigen Auftrieb verlieh. H. P. Lovecraft kann man guten Gewissens, ebenso wie Poe und Dunsany, als einen der Pioniere der phantastischen Literatur bezeichnen. Wenn auch sein Stil nicht gerade hohe literarische Maßstäbe anlegt, so vermitteln seine Erzählungen doch einen hintergründigen Schrecken und eine unheimliche Atmosphäre. Die Städte Arkham und Kingsport, die in einigen seiner Geschichten vorkommen, sind ein mehr oder weniger verändertes Salem und Marblehead (Massachusetts), die er neben einigen anderen Städten auf seinen Reisen durch die Vereinigten Staaten besuchte.
“Schatten über Innsmouth” gehört zweifelsohne in den |Cthulhu|-Mythos, den Lovecraft in überwiegend fragmentarischer Form ins Leben rief. Es ist die einzige längere Geschichte, die noch zu seinen Lebzeiten in Buchform bei einem kleinen Verlag publiziert wurde. Das Grauen in dieser recht aparten Erzählung geht zwar nicht von |Cthulhu| und dem Geschlecht der |Großen Alten|, ebenso wenig von dessen Dienerkreaturen aus, doch auch die |Tiefen Wesen|, grauenerregende Froschkreaturen, die in den Meeren leben, kamen einstmals von den Sternen und bevölkerten neben den |Großen Alten| die Erde, als diese noch kein eigenes Leben beherbergte. H. P. Lovecraft versteht es, mittels seiner detaillierten Schilderung der Stadt und des von ihr ausgehenden Unbehagens, den Leser in eine Atmosphäre des Grauens einzuführen und obwohl das schreckliche Ende bereits zu Beginn der Geschichte offenbar wird, steigert sich die Spannung und bietet einen kleinen Einblick in die abscheulichen Abgründe des |Cthulhu|-Mythos.
In dieser Geschichte finden sich Lovecrafts gewohnte Stilmittel wieder. Ein einzelner Mann sieht sich mit einer widernatürlichen Übermacht des Grauens konfrontiert und bietet sein ganzes Wesen auf, um ihr zu entgehen. Jahre danach entschließt er sich, von Alpträumen geplagt und in der Überzeugung, keinen weiteren Schaden mehr anzurichten, seine Erlebnisse der Welt zu enthüllen. Wie so oft ist die Erzählung also nur wenig von wörtlicher Rede durchzogen – sieht man einmal von ein paar Gesprächen zu Beginn und der längeren Unterhaltung mit Zadock Allen ab. Alles, was der Leser erfährt, beruht auf den Erlebnissen des Erzählers, den Geschichten, die ihm auf seiner Reise zutragen werden und dem schrecklichen Schicksal, mit dem er sich heute konfrontiert sieht.
In den letzten beiden Jahren erschienen gleich zwei Hörbücher der Reihe |H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens| aus der Schmiede von |LPL records|. Während „Der Cthulhu-Mythos“ (2002) mit dem |Deutschen Phantastik-Preis 2003| als „Bestes Hörbuch/Hörspiel des Jahres“ ausgezeichnet wurde, steht ihm sein jüngerer Bruder „Der Schatten über Innsmouth“ (2003) in nichts nach. In Zeiten, da immer weniger Menschen Zeit zum Lesen finden, vermag dieses neue Medium vielleicht auch den |Cthulhu|-Mythos aufs Neue zu entfachen.
Die deutsche Fassung stammt aus der Feder von Andreas Diesel und wurde von Frank Festa (|Festa|-Verlag) für die Hörbuchfassung überarbeitet. |LPL records| hat mit diesem Hörbuch eine von Lovecrafts besten Horrorgeschichten in ein eindrucksvolles Gewand gekleidet. Nicht nur, dass Lars Peter Lueg, der Produzent und Verlagsleiter von |LPL|, dem geneigten Zuhörer eine ungekürzte Fassung dieser Erzählung bietet, außerdem ergänzt eine Bonus-CD mit Texten von S. T. Joshi und David E. Schultz, welche düstere Hintergrundinformationen über die Entstehung von Lovecrafts bekanntester Geschichte liefert und interessante Details über dessen alptraumhafte und geniale Gedanken enthüllt, die 215 Minuten lange Geschichte. Als letzte Zugabe befindet sich auf dieser CD auch eine 26-minütige Hörprobe aus „Der Cthulhu-Mythos“.
Ebenso trägt die Wahl der Sprecher maßgeblich zu der herausragenden Umsetzung bei. Lutz Riedel leiht dem Erzähler seine Stimme, während Joachim Kerzel – der bereits den Erzählungen in „Der Cthulhu-Mythos“ eine schauderhafte Atmosphäre verlieh – auf unnachahmlich eindrucksvolle Weise die Rolle des alten Zadok Allen übernimmt. Der Zuhörer vermag die Angst des Alten förmlich zu spüren. Im Zusammenspiel dieser beiden altgedienten Synchronsprecher entsteht eine Atmosphäre, die das Grauen und das spätere blanke Entsetzen, welches den Erzähler immer mehr in die Fänge des Wahnsinns zu treiben droht, sehr überzeugend zu vermitteln vermag. Beide wandeln auf einem schmalen Grat zwischen Realität und Wahnsinn.
Lutz Riedel nimmt den geneigten Hörer mit auf eine Reise in die düsteren Abgründe der Phantasie, die Stadt Innsmouth erscheint buchstäblich vor den Augen der Hörerschaft und die Flucht durch die alten Straßen der Stadt lässt einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er versteht es, die Spannung dieser Geschichte zu keinem Punkt abreißen zu lassen, und so wird aus der Synthese von Lovecraft und Riedel ein Meisterwerk wahnhaften Grauens.
Andy Matern sorgt zudem für eine passende musikalische Untermalung, welche die schaurige Atmosphäre an den richtigen Stellen noch unterstreicht. Dunkle Chöre und düstere, sphärische Klänge begleiten die Erzähler auf ihrem Weg und lassen den Schrecken beinahe real werden.
Wie auch schon bei „Der Cthulhu-Mythos“ übernimmt David Nathan auf der Bonus-CD die Rolle des H. P. Lovecraft, während Nana Spier sich der Texte annimmt, die dieses Bonusmaterial gänzlich abrunden. Selbst für Lovecraft-Liebhaber – jene unter euch, die sich mit dem Meister des Makaberen schon längere Zeit beschäftigen – wird die eine oder andere Information auf dieser CD möglicherweise einen neuen Aspekt seines Lebens und Schaffens eröffnen. Ich möchte mich hier bei den Verantwortlichen für dieses Lovecraft-Liebhaber-Paket bedanken, mehr kann man einfach nicht erwarten.
Der Berliner Schauspieler Lutz Riedel erblickte 1947 das Licht der Welt. Neben seiner Tätigkeit als Buch- und Dialogregisseur, sowie Dialogautor synchronisierte er u. a. Timothy Dalton („James Bond – Lizenz zum Töten“) und Richard Gere („Internal Affairs“). Er war auch die Stimme von Jan Tenner in der gleichnamigen Hörspielserie.
Joachim Kerzel wurde 1941 in Oberschlesien geboren und besuchte ab 1963 die Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Neben der Schauspielerei begann er mit der Synchronarbeit, als Sprecher wie auch als Regisseur. Er ist die deutsche Stimme von Jack Nicholson und lieh sie u. a. Dustin Hoffmann und Robert DeNiro. Joachim Kerzel hat sich durch zahlreiche Bestseller-Lesungen einen Namen gemacht. Der versierte Sprecher sorgt neben seinen Rollen in den Lovecraft-Hörbüchern als Erzähler der neuen John-Sinclair-Hörspiele für Spannung und lässt den Hörer gruseln, erzittern und mitfiebern.
David Nathan (*1971) ist Regisseur und Synchronsprecher. Seine Stimme leiht er seit 1991 der Werbung, der Synchronisation und Dokumentation sowie Computer- und Hörspielen. Er ist u. a. die Synchronstimme von Johnny Depp. Neben Deutsch und Englisch spricht David Nathan auch fließend Berlinerisch.
Nana Spier (*1971) ist u. a. die deutsche Stimme von Drew Barrymore und Sarah Michelle Gellar. Die gebürtige Berlinerin ist zudem seit 1992 immer wieder im deutschen Fernsehen zu sehen, zuletzt als Schwester Elke in der Serie „Dr. Sommerfeld – Neues vom Bülowbogen“ (ARD).
Zu guter Letzt sei mir noch ein Ausblick auf die Fortsetzung dieser Reihe gestattet.
Im September 2004 erscheint „Howard Phillips Lovecrafts Bibliothek des Schreckens 3 – Das Ding auf der Schwelle“. Auf dieser Doppel-CD befindet sich neben der Titelgeschichte auch H. P. Lovecrafts Erzählung „Ratten im Gemäuer“. Als Sprecher wurde wieder Lutz Riedel verpflichtet. Ich denke, wir dürfen gespannt sein.
Mehr Informationen bei |wikipedia|: http://de.wikipedia.org/wiki/Lovecraft
Bitte beachtet auch unsere [Rezension 506 der Buchausgabe.
Der zweite Band des Dalemark-Zyklus erzählt hauptsächlich die Geschichte von Mitt, einem Jungen aus der südlichen Grafschaft Holand, ebenfalls eine der Hauptpersonen des Zyklus.
Mitt ist auf einem Bauernhof nahe bei Holand geboren und verbringt dort eine behütete und frohe Kindheit. Bis sich eines Tages ein Steuereintreiber auf den Schlips getreten fühlt. Plötzlich steigt die Pacht so hoch, daß die Familie bankrott geht. Der Vater geht in die Stadt, um dort Arbeit zu suchen, und als die Mutter den Hof schließlich nicht mehr halten kann, folgt sie ihm.
Eines Tages kommt der Vater nicht mehr nach Hause. Aufständische haben einen Vorratsspeicher des Herzogs angezündet, wurden aber verraten. Mitt muß sich und seine Mutter, die zwar Geld verdient, aber nicht damit umgehen kann, über die Runden bringen. Gleichzeitig will er sich an den Rebellen rächen, die seinen Vater verraten haben. Doch alles kommt ganz anders. Unversehens findet Mitt sich auf einer halsbrecherischen Flucht wieder…
Parallel dazu handelt die Erzählung von Hildrida Navistochter, einer Enkelin des Grafen, und ihrem Bruder. Hildy, wie sie genannt wird, ist ein Wildfang und Sturkopf. Weil ihr Vater die Verlobung nicht lösen will, die ihr Großvater für sie eingegangen ist, reißt sie aus, zusammen mit ihrem Bruder Ynen, und geht einfach Segeln. Und zwar mit Ynens Yacht, der „Straße des Windes“, genau dem Boot, auf dem Mitt sich vor seinen Verfolgern versteckt…
Der zweite Band ist um einiges länger als der erste. Das Schriftbild ist auf „normale“ Druckgröße geschrumpft, außerdem hat er gute fünfzig Seiten mehr.
Hier kommt der Jugendbuchcharakter schon nicht mehr so deutlich raus wie beim ersten Band. Die Sätze sind immer noch relativ kurz und einfach gehalten, doch der Handlungsstrang verläuft über weite Strecken geteilt, und die Handlung hat deutlich mehr Bewegung als im ersten Band, ohne dabei actionlastig zu werden. So bleibt auch hier wieder genug Raum für die Entwicklung der Charaktere.
Das Hauptaugenmerk liegt wie gesagt auf Mitt, dem Straßenjungen vom Hafen. Wie Moril im ersten Band wird auch Mitt in eine Auseinandersetzung mit sich selbst hineingezwungen. Daß er nicht so reagiert, wie er es von sich selbst erwartet, verwirrt ihn. Außerdem sind da diese beiden adligen Gören auf dem Boot, mit denen er sich erst noch zusammenraufen muß, was im Hinblick auf Hildys zickigen Charakter gar nicht so einfach ist. Und als es endlich so aussieht, als hätten sie es geschafft, kommt der Störenfried Al dazwischen. Mitt kann von Glück sagen, daß er beim Alten Ammet einen Stein im Brett hat.
Die Figuren des Alten Ammet und Libby Bier stehen in diesem Band für den magischen Teil der Handlung. Mit ihnen sind die Bräuche des Seefest verbunden, die strikt eingehalten werden, auch wenn kein Mensch mehr weiß, was es eigentlich damit auf sich hat. Beide Figuren gelten als Glücksbringer, wie ein vierblättriges Kleeblatt oder ein Hufeisen. Daß viel, viel mehr dahinter steckt, erfährt Mitt erst, als sie die heiligen Inseln erreichen, denn dort leben die Angehörigen des letzten Volkes, das weiß, wer die beiden wirklich sind, und was sie vermögen. So kommt es, daß Mitt vom Inselvolk, vom Alten Ammet und Libby Bier ein Geschenk erhält, das der Quidder Morils und ihrer Magie in nichts nachsteht.
Auch dieser Band gilt als in sich abgeschlossen, und auch diesmal kann ich dem nur unter Vorbehalt zustimmen. Denn obwohl Mitts Flucht am Ende des Buches ebenfalls zu Ende ist, spürt man deutlich, daß etwas fehlt. Hat Mitt die Gabe der Inseln wirklich nur erhalten, um den Norden Dalemarks zu erreichen? Das erschiene mir überdimensioniert. Auch zeigt die Tatsache, daß im zweiten Band Geschehnisse aus dem ersten aus anderer Sicht erwähnt werden, deutlich den übergreifenden Zusammenhang, was eine Menge loser Handlungsfäden bedeuten würde. Die Bücher einzeln für sich zu lesen, heißt sie aus dem Zusammenhang herauszureißen und ihnen damit einen Großteils ihres Flairs zu nehmen.
Dieses Flair besitzen sie auf jeden Fall. Erwachsene mögen sie gelegentlich etwas vorhersehbar finden, aber das kann man auch von anderen Büchern behaupten, und wer Jugendliteratur liest, muß damit rechnen, daß sie vielleicht nicht ganz so scharf geschliffen ist.
Trotzdem kann man auch für den zweiten Band getrost eine Empfehlung aussprechen. Die Autorin hat sich hier durchaus gesteigert. Beide Bände haben einen soliden Grundstein für eine Weiterentwicklung gelegt, die Charaktere sind glaubwürdig, ihr Denken und Handeln nachvollziehbar. Die Handlung bietet genug Bewegung, um nicht langweilig zu werden, und läßt auch am Ende genug Rätsel offen, um die weiteren Bände damit zu füllen. Hier aufzuhören, wäre schade.
Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Awar, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.
Ein Einsiedler sieht sein Haus von dämonischen Schweinewesen belagert. Er bekämpft die Kreaturen und gerät dabei auf eine Reise durch Zeit und Raum … – Eigentümlicher Roman und ein Klassiker der angelsächsischen Phantastik; während die Handlungsführung fahrig ist, mischt sich stimmungsvoller Grusel mit reizvoll Rätselhaftem, wobei Metaphysik und Naturwissenschaft eine zumindest literarisch funktionierende Synthese eingehen. William Hope Hodgson – Das Haus an der Grenze weiterlesen →
Angesichts den täglichen Nachrichten ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nicht ignorierbar. Auch in linken Zeitungen wird sich besonders stark mit der Thematik auseinandergesetzt, allerdings wurde dabei irgendwann auffällig, dass die berichtenden Journalisten im Grunde Deutsche sind, die noch nicht einmal selbst im betroffenen Land waren. Deswegen hatte die Zeitung „Jungle World“ Autoren aus linken israelischen und palästinensischen Gruppen gebeten, Beiträge aus ihrer Sicht zu verfassen. Erschienen sind diese nicht, denn überraschenderweise passten die Essays nicht zu den einseitigen Vorstellungen, die hierzulande propagiert werden. Dazu einige im Buch betrachtete Ansichten und Beispiele: