Archiv der Kategorie: Sachbuch

Dell, Christopher – Monster. Dämonen, Drachen & Vampire – Ein Bestiarium

_Inhalt:_

Nach einer Einleitung, die generell und ‚artenübergreifend‘ Herkunft und Geschichte/n der Monster beleuchtet sowie ihre Omnipräsenz in sämtlichen menschlichen Kulturen hervorhebt, versucht der britische Kunsthistoriker Christopher Dell, in zehn Kapiteln Ordnung in das ungeheuerliche Gewimmel zu bringen. Hier werden die Informationen der Einleitung aufgegriffen, vertieft und mit zahlreichen Bildern verdeutlicht.

(1) „Götter und Ungeheuer“: Die Kapitel-Überschrift deutet eine enge und zunächst erstaunliche Verwandtschaft an. Allerdings sind „Götter“ den Menschen durchaus nicht immer freundlich gesonnen. Sie verkörpern auch eine einst nur ansatzweise verstandene und deshalb gefürchtete Natur, treten als „Geschöpfe des Chaos“, sogar als „monströse Gottheiten“ auf, unter denen die „Titanen“ der antiken griechischen Mythologie, mesopotamische oder altägyptische Götter sowie „aztekische Schrecknisse“ genauer unter die Lupe genommen werden.

(2) Das Kapitel „Teufel und Dämonen“ beschäftigt sich mit den Monstern des Alten und Neuen Testaments. Hier sind sie erstaunlich selten und wurden erst in ’nachbiblischer‘ Zeit als Symbole des Bösen instrumentalisiert. So entstand „Satan und die Hierarchie der Dämonen“. Sie wurde zur Basis einer wahren Menagerie bösartiger Höllenwesen, die den Christenmenschen nicht nur im Leben piesacken, sondern auch „das Jüngste Gericht“ umrahmen, hinter dessen Schranken sie auf jene Pechvögel lauern, die ins Höllenfeuer geworfen werden.

(3) Im Mittelalter begann die Naturfurcht sich mit einer jungen Wissenschaft zu mischen. Seltsames ‚Wissen‘, geboren aus Hörensagen und Fehlinterpretation, schürte den Glauben an „Zauberische Monster“: „Wesen der Alchimie, Zaubersprüche und Beschwörungen, Golems, Einhörner“.

(4) In den Himmeln vor allem über abgelegenen Landstrichen trieben „Drachen und fliegende Monster“ ihr Unwesen. Erstaunlicherweise gibt es diese in Kulturkreisen, die nachweislich nie direkt miteinander in Kontakt kamen. Die „Drachen des Westens“ rauben freilich Gold und fressen Jungfrauen, während die „Drachen des Ostens“ eher als freundliche Glücksbringer gelten. Weitere berühmte Luft-Monster waren „Lindwürmer und der Vogel Rok“.

(5) Selbstverständlich tummelten sich in den gewaltigen und gefährlichen Ozeanen „Wassermonster“. In den großen Kreis der „Meer- und Seeungeheuer“ gehört der biblische „Leviathan“. In schottischen Flüssen und Seen lauern die „Kelpies“ auf unvorsichtige Wanderer, in Japan sind es die kuriosen „Kappa“. Klein aber gemein und seit der Antike ‚bekannt‘ sind „Sirenen und Meerjungfrauen“.

(6) Auf dem festen Land kann es ebenfalls ungeheuerlich zugehen, zumal sich hier zu allem Überfluss „Transformationen und Hybridwesen“ tummeln. Gemeint sind „Gestaltwechsler, Werwölfe, Wesen bei Ovid, der Minotaurus, hundsköpfige Menschen“, also Kreaturen, die sich ganz oder teilweise als Menschen ‚tarnen‘ können und deshalb besonders gefährlich sind. Der römische Dichter Ovid widmete solchen Geschöpfen seine „Metamorphosen“ – ein ganzer Zyklus von Geschichten, die er aus etwa 250 antiken Sagen destillierte.

(7) Auch das Jenseits galt als Heimat von Monstern. „Geister und Ghule“ gingen auf Friedhöfen um, „Gespenster“ und „Untote“ besaßen einen unheilvoll erweiterten Aktionsradius; auch „böse Geister“ konnten den Menschen in seinem Heim überfallen. Sicher war man nicht einmal bzw. gerade nicht im Schlaf, denn „Träume und Alpträume“ waren geradezu eine Wiege hässlicher Nachtmahre, Monster auch Ausgeburten unruhig verbrachter Nächte.

(8) Als die Wissenschaft im 18. und 19. Jahrhundert dem Glauben an Ungeheuer die Grundlage zu nehmen begann, fanden „Monster in Volkserzählungen“ ein Reservat. „Untiere aus der Wildnis“ wie „Riesenwölfe, die Tarasque, der Krampus“ wurden – oft schon mit mehr als einem Funken Humor – ins ‚Leben‘ gerufen.

(9) Zumindest einige Ungeheuerlichkeiten musste der Mensch nicht hinnehmen. „Wie man Monster bekämpft“ erinnert an „Helden und Untiertöter“, die oft die Grundlage für ebenso spannende wie erbaulich-lehrreiche Geschichten über „Heilige und Ungeheuer“ bildeten.

(10) Geblieben ist in der Gegenwart die Freude am Monster als Relikt einer Welt, die „Jenseits der Landkarten“ noch unentdeckte Winkel und Abenteuer bieten kann. Die frühe Wissenschaft bot Raum für eine „‚Natur‘-Geschichte“, die „monströse Rassen“ und andere Kreaturen neben die uns bekannte Flora und Fauna stellte. Heute halten die „Kryptiden“ auf die Sache nach dem Yeti oder dem Ungeheuer von Loch Ness die Tradition lebendig. Doch „die letzte Grenze“ bildet das Weltall, das womöglich allerlei außerirdische Monster beherbergt.

|Der Mensch braucht seine Monster|

Sie repräsentieren das Chaos-Element in einer Welt, die nur zum Teil verstanden und deshalb gefürchtet wird: „Monster“ geben dem Schrecken immerhin Gestalt – eine fürchterliche Gestalt, die bereits erklärt, dass seltsame oder schlimme Dinge geschehen. Dieser Versuch einer in der Psychologie wurzelnden Erklärung scheint weltweit die Kulturen zu einen, denn Monster gibt es zu allen Zeiten und auf sämtlichen Kontinenten. Autor Christopher Dell zeigt uns steinzeitliche Höhlenzeichnungen sowie Skulpturen oder Reliefs aus zwar späteren, aber ebenfalls versunkenen Hochkulturen; es ist davon auszugehen, dass jene Zeitgenossen, die in den Lücken zwischen den belegten „hot spots“ existierten, ebenfalls von Monster geplagt wurden.

Das Thema ist vielschichtig und auf weniger als 200 sowie meist bebilderten Seiten nicht einmal annähernd auszuschöpfen. Christopher Dell versteht sein Buch als Einführung in eine Welt, die uns auch im 21. Jahrhundert begleitet. Monster werden nicht mehr gefürchtet, sondern dienen der Unterhaltung. In allen Medien der Gegenwart sind sie präsent. Dabei wirken sie so modern, dass man meinen könnte, sie seien für ihren aktuellen Ruhm geschaffen worden. Dell stellt klar, dass dem keineswegs so ist. Auch die Monster von heute sind Relikte uralter Traditionen. Nicht alle haben sie die Jahrtausende überstanden, aber sie sind zäh: Manches Ungeheuer, das beispielsweise über die Leinwände dieser Welt tobt, ist schon einmal dagewesen und war nur abgetaucht.

|Das Problem des Überblicks|

Angesichts des Füllhorns grotesker Geschöpfe, das Dell über uns ausschüttet, wird verständlich, welchen Quellen die Monster der Moderne entspringen. Schon die Ausblendung der griechischen Antike würde eine Unzahl klassischer Blockbuster-Bestien verschwinden lassen. Dells Verdienst ist es, diesen ‚europäischen‘ Monstern die mindestens ebenso vielfältige Menagerie der asiatischen Gruselgestalten gegenüberzustellen. Nur singulär bleiben Verweise auf Südamerika, während Australien und Afrika ausgespart sind.

Die Sprunghaftigkeit ist glücklicherweise nicht so gravierend wie befürchtet. Dell hat sein Thema trotz des knappen Raumes gut im Griff. Man muss sich freilich damit abfinden, dass erschöpfende Kenntnisvermittlung nicht das Ziel dieses Buches ist. Dann ist es möglich, die knappen, aber informativen Texte zu würdigen. Dell springt nicht von einem Monster zum nächsten. Er schafft zeitliche und räumliche Zusammenhänge, die eine gewisse Globalität der Monster erklären.

|Bunte Welt der Bestien|

Im Vordergrund stehen ohnehin die Bilder. Gemeint sind Abbildungen historischer Gemälde, Stiche, Figuren, Masken, Karten etc. aus vielen Jahrhunderten. Zwar mag der Mensch Monster einst gefürchtet haben, er hielt sie jedoch schrecklich gern im Bild oder als Figur fest. Auch hier spielen psychologische Aspekte eine Rolle; die Beschäftigung mit dem Objekt der Furcht hilft, diese zu überwinden. Eine andere Begründung ist handfester: Künstler stellen gern Monster dar, denn das Böse ist meist interessanter als das Gute. Daran hat sich definitiv nichts geändert, wie unter anderem jeder Horrorfilm-Freund bestätigen wird, der die Minuten zählt, bis Held und Heldin endlich das Schwätzen & Turteln einstellen und das Ungeheuer auftaucht.

Die schier unendliche Vielfalt bizarrer, verdrehter, der ‚ordentlichen‘ Realität spottender Gestalten unterstreicht diese Faszination. Der menschlichen Fantasie war und ist in der Erfindung von Monstern offensichtlich keine Grenze gesetzt. Dass sie sich nicht nur in die Kryptozoologie oder in den UFO-Wahn, sondern auch in jene Sicherheit geflüchtet haben, die Film, Fernsehen oder die digitale Spielwelt ihnen bieten, erwähnt Dell nur am Rande. Multimedial werden die Monster uns zuverlässig über weitere Jahrhunderte begleiten!

|Ein Fest für die Augen|

„Monster“ liegt als Buch deutlich schwerer in der Leserhand als andere, oft deutlich seitenstärkere Bücher dieser Größe. Dies liegt an einem besonders hochwertigen Papier. Es ist dick, verhindert jedes Durchscheinen und gibt Farben brillant und Bilddetails deutlich wieder. Noch unter der Lupe löst sich das Motiv nicht in Farbpunkte auf. Stattdessen werden neue Einzelheiten sichtbar.

Berühmte, anonyme und obskure Künstler haben sich an Monsterdarstellungen versucht. Mal stehen Ungeheuer im Mittelpunkt einer Darstellung, dann wieder bilden sie eher dekorative Elemente. Dell sind stets die Monster wichtig. Er beschränkt sich bei den Abbildungen deshalb oft auf entsprechende Ausschnitts-Vergrößerungen. Diese sind freilich nicht immer glücklich gewählt; Dell ignoriert dann einen Zusammenhang, den erst das Gesamtmotiv widerspiegelt.

Diverse Abbildungen wirken übermäßig bunt. Sie scheinen nachträglich für dieses Buch koloriert worden zu sein. Auch dies stört die ursprüngliche Aussage. Wirklich übel sind jene Abbildungen, die aus verschiedenen Vorlagen ‚komponiert‘ wurden. Ihnen wohnt keinerlei Informationswert mehr inne; sie sind nur noch Dekoration. Erfreulicherweise dominiert die Originaltreue.

Insgesamt hätte dem Werk ein strengeres Layout gutgetan. Die Bilder quellen förmlich über die Ränder hinaus, und oft sehen wir links ein Motiv, das sich mit der Abbildung auf der rechten Seite ‚beißt‘. Zudem wirkt die Bildauswahl willkürlich. Dell springt wie entfesselt durch Raum und Zeit und lässt einen roten Faden vermissen. Manchmal ist weniger mehr, weil es sauberer gegliedert ist.

Ungeachtet solcher Kritik ist „Monster“ eine Fundgrube für den Phantastik-Freund, der sich einen Spaß daraus machen kann, ’seine‘ Lieblingsmonster in ihren historischen Gestalten wiederzuerkennen. Zudem ist nach der Lektüre eines definitiv klar: Für seine Liebe zu Monstern muss sich niemand schämen – sie wird uns Menschen offensichtlich in die Wiege gelegt!

|Gebunden: 192 Seiten
Originaltitel: Monsters – A Bestiarium of the Bizarre (London : Thames & Hudson Ltd. 2010)
Übersetzung: Brigitte Hilzensauer
ISBN-13: 978-3-8503-3437-2|
[Verlagshomepage]http://www.cbv.at

Dexter, Gary – Why not Catch-21? The Stories Behind the Titles

_Plagiat oder nicht? Die Geschichte hinterm Titel_

Die meisten Buchtitel beschreiben, um was es im jeweiligen Buch geht, so dreht sich Dostojewskis „Schuld und Sühne“ um ebendies und „Brideshead Revisited“ zeigt eben diese Rückkehr. Aber es gibt eine Minderheit von Büchern, die recht sonderbar betitelt sind, geradeso als wären sie unabhängige literarische Artefakte. Die Geschichten hinter ihnen unterscheiden sich deutlich von den anderen. So hat Platons „Republik“ rein gar nichts mit der Republik zu tun; „Der Postbote klingelt immer zweimal“ dreht sich um die Mühen eines Drehbuchautors; und „Winnie Puuh“ schildert einen Schwan auf einem Teich.

Gary Dexter präsentiert 50 häppchengroße Texte über die Literaturgeschichte von 380 v. Chr. bis 1992, die Aufklärung bieten. (aus der Verlagsinfo)

_Der Autor_

Der britische Journalist Gary Dexter hat zahlreiche Beiträge für die Zeitungen „Guardian“, „Sunday Telegraph“ und „Spectator“ geliefert und schrieb Kolumnen für die „Times“ und die „Erotic Review“. Er ist zudem der Redakteur des Nachschlagewerks „Chambers Concise Biographical Dictionary“. Das heißt, er kennt auch die Lebensgeschichten der Autoren, deren Werke er würdigt.

_Inhalt_

Was heute als Platons „Republik“ oder „Politeia“ (380 v.Chr.) bezeichnet wird, hat mit Republikanern herzlich wenig am Hut. Der Schüler von Sokrates wollte nämlich den Mördern seines Mentors, der bekanntlich den Schierlingsbecher trinken musste, eins auswischen. So entwarf er eine ideale Staatsform, in der die Philosophen das Sagen haben. Allerdings erscheint es uns ein wenig fragwürdig, wie die Philosophen zu ihren Kindern kommen: durch öffentliche Massenorgien. Das zumindest verhindert Erbstreitigkeiten, sollte man meinen.

Eines der folgenreichsten Bücher ist zweifellos „Utopia“ von Thomas Morus. Das 1516 unter Humanisten in Latein produzierte und zirkulierende Buch zeigt schon im Titel sein Janusgesicht: „ou topos bzw. eu topos“ bedeutet sowohl „kein Ort“ als auch „schöner Ort“. Die Gesellschaftsform, die Morus entwarf, erscheint auf den ersten Blick als genau das, was wir uns sogar noch heute wünschen: gerechte Güterverteilung, selbstlose Manager, Scheidung in gegenseitigem Einverständnis, sogar die Inspektion des jeweiligen Ehegatten VOR der Hochzeit.

Andere Details sind indes irritierend: Die Nachttöpfe sind verachtungsvoll aus Edelmetall, sogar Frauen dürfen Priester werden – und der Gewährsmann, der dies alles erzählt, heißt ausgerechnet „Raphael, der Verbreiter von Unsinn“. Kann das Buch also wirklich ernst gemeint gewesen sein? Das muss sich wohl auch die Zensur gedacht haben, und so ließ sie Morus als Spaßvogel davonkommen. Vorerst …

„Gargantua und Pantagruel“ (1532) von Jean Rabelais ist eines der derbsten, lustigsten und lustvollsten Bücher, die je geschrieben wurden. Es handelt sich um gebildeten Unsinn, der immerhin das Adjektiv „gargantuesk“ hervorgebracht hat, das selbst Quentin Tarantino in „Kill Bill Vol. 2“ mit großem Effekt zu nutzen wusste (Darryl Hannah zitiert es vor Michael Madsen, der gerade am Biss einer Schwarzen Mamba krepiert.)

Doch was bedeuten all diese grotesken Namen? Wie der Autor zu zeigen weiß, bedeuten alle vorkommenden namen entweder „Durst“ oder „Gurgel“ oder „Saufen“, was den Leser schon mal auf die richtige Fährte führt: Wein wird hier symbolisch mit Literatur und Weisheit gleichgesetzt, aber Wein ist sogar noch wichtiger, um das grundlegende Problem des menschlichen Miteinanders zu lösen. Wie sagt doch das finale Orakel auf Pantagruels Frage, ob er heiraten solle: „Trink!“

_Mein Eindruck_

Und so weiter und so fort. Das Prinzip, nach dem die 50 Texte aufgebaut sind, ähnelt sich durchweg, wird aber zum Glück je nach Fall variiert. Wir erfahren natürlich, worum sich der jeweilige Buchtitel dreht, denn deshalb lesen wir ja Dexters Buch überhaupt. Außerdem bekommen wir erklärt, was sich der jeweilige Autor wohl dabei dachte, als er ihm diesen Titel gab, und welche Gründe ihn dazu brachten.

Zuletzt versucht Dexter eine Interpretation des Ganzen, nach dem Motto: Was wollte uns der Buchautor eigentlich damit WIRKLICH sagen? Denn wie schon bei Thomas Morus deutlich wird, kann der Titel auch dazu erfunden worden sein, um seinen Autor vor Verfolgung zu schützen. Die Gedanken sind zwar frei, aber die gedruckten Wörter sind es leider nicht immer und überall.

|Mein Leseerlebnis|

Ich habe mich dabei ertappt, immer weiter zu lesen. Ich hätte nicht gedacht, dass die britische Erstausgabe von „Moby-Dick“ (1851) eigentlich „The Whale“ hieß und vom Verleger um etwa ein Drittel gekürzt war, nämlich um alle schlüpfrigen Stellen. Und dass Hemingways erster Roman „Fiesta“ (1937) in den USA „The Sun Also Rises“ heißt, auf eine Bibelstelle verweist und eine sexuelle Bedeutung hat: Es geht um die Impotenz des Stierkämpfers Romero, der im Spanischen Bürgerkrieg (wie Hemingway selbst) eine Verletzung an seinen Genitalien erleidet und keinen mehr hochkriegt – was sich fatal auf seine Ehe und seine Männlichkeit auswirkt.

|Plagiat oder nicht?|

Hat T.S. Eliot abgeschrieben, als er seinen Klassiker „The Waste Land“ (1922) verfasste? Plagiate sind nicht erst seit Guttenberg ein Standardstreitpunkt im Verlagswesen und für jeden kritiker von großer Bedeutung. Ein paar Jahre vor Eliot veröffentlichte ein Südstaatendichter ein Gedicht namens „Waste Land“. In der Tat finden sich 18 parallele Motive. Dennoch handelt es sich nicht um ein Plagiat, und zwar dank der brutalen Einschnitte, die Eliots Redakteur Ezra Pound am Originalmanuskript vornahm, das noch den seltsamen Dickens-Titel „He do the police in different voices“ trug. Erst durch Pounds Bearbeitung kam der originäre Eliot-Sound zum Vorschein. Also kein Plagiat.

|Auswahl|

Richtig schräg ist manchmal auch die Auswahl. Dexter hat beispielsweise auch „The SCUM Manifesto“ (1967) berücksichtigt: Dessen Autorin Valerie Solanas schoss dreimal auf ihren Förderer Andy Warhol und hätte ihn um ein Haar getötet, sie verletzte dessen zwei Mitarbeiter / Freunde, bevor sie überwältigt werden konnte. SCUM steht für „Society for Cutting Up Men“, eine angeblich feministische Emanzipationsgesellschaft. Doch wie sich zeigt, ist die Autorin auch gegen jede Art von unterwürfigem Weibchen, die sie gleich auch mit massakrieren möchte. Das Manifest läuft auf eine paranoide Hasstirade einer einzelnen gegen den Rest der Welt hinaus.

|Missbrauch|

Solanas ist nur eines der vielen Beispiele, wie Autorinnen, aber auch Autoren von den Verlegern missbraucht worden sind. Solanas‘ Buch erschien ohne ihre Zustimmung zuerst in Frankreich. Das erste Buch eines Amerikaners, das überhaupt je veröffentlicht wurde, erschien ohne Wissen und Zustimmung der Autorin Anne Bradstreet 1650 zuerst in England. Sie selbst konnte erst später eine eigene Ausgabe veranstalten. Das Beispiel der gekürzten Erstausgabe von „Moby-Dick“ erwähnte ich bereits.

|Erstausgaben|

Überhaupt Erstausgaben: Es finden sich hier unglaubliche Geschichten dazu. So verkauften die Bronte-Schwestern Emily, Charlotte und Anne von ihrem ersten Gedichtband gerade mal zwei (!) von 1000 Exemplaren. Diese Erstausgabe ist heute eines der wertvollsten Bücher des 19. Jahrhunderts in englischer Sprache. Das erinnert an jene Buchfanatiker, die A. S. Byatt in ihrem Roman „Possession“ (sehr witzig verfilmt mit Jeremy Northam und Gwyneth Paltrow) porträtiert: Solche Leute gehen über Leichen.

|Theaterstücke und Kinderbücher|

Auch Theaterstücke hat Dexter ausgewählt, so etwa „The Homecoming“ von Harold Pinter, „Oleanna“ von David Mamet, „Waiting for Godot“ von Samuel Beckett und „Who’s afraid of Virginia Woolf?“ von Edward Albee.

Auch Kinderbücher werden nicht vergessen. So finden wir Milnes „Winnie the Pooh“ und „The Lion, the Witch, and the Wardrobe“ von C. S. Lewis gewürdigt.

|Schlüpfrigkeiten|

Als Kenner der erotischen Literatur kennt sich Dexter total auf diesem Feld aus. Er weiß um die Fallstricke, die etwa ein Erotikklassiker wie „Fanny Hill“ im 18. Jahrhundert zu umgehen hatte (was aber seinen Autor nicht vor dem Kerker bewahrte) und mit welchen Tricks der Autor Fielding im 18. Jahrhundert anwandte, um seine schlüpfrige Parodie „Shamela“ unters Volk zu bringen, das gerade voll auf den Bestseller „Pamela“ von Samuel Richardson (1740) abfuhr. Wunderbar sind die Fehden zwischen Autoren, Verlegern und Kritikern herausgearbeitet, ohne je langweilig zu werden.

_Unterm Strich_

Ich habe das Buch in nur wenigen Tagen gelesen. Der Autor hat zwar nur ein einziges deutschsprachiges Buch (das von Sigmund Freud) ausgewählt, aber als Anglist sind mir die meisten der Titel geläufig. Dennoch konnte ich selbst noch etliche Entdeckungen machen, so etwa das erste amerikanische Buch (von Anne Bradstreet) und den Sonnett-Band von Sir Philip Sidney. Dass Shakespeare auftauchen würde, war eh klar.

Überraschend viele erotische Klassiker sind hier zu finden, und auch etliche Theaterklassiker konnte ich entdecken (viele davon verfilmt, etwa „Wer hat Angst vor Virginai Woolf?“). Die Methode des Autors hilft nicht nur, einen rätselhaften Titel zu entschlüsseln (etwa „Oleanna“, das im Text des Stücks gar nicht vorkommt), sondern auch zu klären, ob sich etwa um ein Plagiat handelt.

Gerade Nabokovs „Lolita“ ist so ein Fall. Bekanntlich lebte der Russe ein Dutzend Jahre in Berlin und hatte die Gelegenheit, die 1916 veröffentlichte gleichnamige Erzählung eines gewissen Nazis namens Heinz von Eschwege alias Heinz von Lichfeld zu lesen. Diese weist verblüffende Ähnlichkeit zu Nabokovs Version auf: der Witwer, der einer blutjungen Schönheit in einem Gasthaus/Pension verfällt, was böse Folgen hat, als ihre Schwangerschaft deutlich wird.

Auch der Fall Freud ist nicht fern von einem Ruch des Plagiats. Denn der Wiener Psychoanalytiker übernahm den Begriff des Es von seinem wesentlich wilderen Kollegen George Groddek. Beide schrieben ein Buch darüber, standen in Korrespondenz, tauschten sich aus. Dies sind nur zwei Beispiele für Plagiatsverdachte.

Die Rätsel, die die Titel bilden, sind jedoch wesentlich reizvoller. Eine spannende, erhellende und mitunter amüsante Lektüre, alles in allem. Wer Literaturkritik im MTV-Stil, also häppchenweise, sucht, wird hier bestens bedient.

|Schwächen|

Bei allem Detailreichtum hat es doch der Autor (oder sein Verlag) versäumt, den Zugriff auf die einzelnen Werke etwas bequemer zu gestalten: Nirgendwo ist der Name des Autors eines Werkes vermerkt, weder im Inhaltsverzeichnis noch in der Kapitelüberschrift. (Nur Index und Bibliographie erleichtern die Suche.) In einer fleißigen Viertelstunde habe ich dies nachgeholt. Aber blöd, dass dies überhaupt nötig war. Und schön sieht’s auch nicht aus.

|Taschenbuch: 238 Seiten
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0711229259|
http://www.franceslincoln.com

Ballard, Robert Duane / Dunmore, Spencer – Geheimnis der Lusitania, Das

Die meisten Menschen bringen den Begriff „U-Boot Krieg“ mit Deutschland speziell des Zweiten Weltkriegs in Verbindung. Doch das Bild vom barbarischen Hunnen wurde bereits schon viel früher kultiviert, nämlich schon im WK 1 zur Zeit des Kaisers Wilhelm. Maßgeblich ist ein Vorfall, der zur Versenkung des zivilen Passagierschiffs „Lusitania“ im Mai 1915 vor Irlands Küste führte – wenige Meilen bevor der Dampfer der Cunard-Line in den sicheren Hafen von Queenstown (dem heutigen Cobh) einlaufen konnte fiel der Stolz der Reederei einem deutschen U-Boot-Torpedo zum Opfer. 1195 Menschen starben im frühjährlich kalten Atlantikwasser, was die englische Propaganda-Maschine weidlich ausschlachtete und somit erstmals das Bild des pickelhaubigen, zähnefletschenden, hässlichen Deutschen schuf.

_Historisches_

Unterseeboote kamen mit Beginn des Ersten Weltkriegs in Mode. Dabei galten beim Einsatz damals jedoch international strenge Seekriegs-Konventionen. Zum einen war es U-Booten per se verboten nicht-militärische Schiffe anzugreifen, es sei denn der Kommandant hatte den dringenden Verdacht, dass die Ladung aus Kriegsmaterial bestand – aber selbst dann nicht ohne sich vorher zu erkennen gegeben zu haben und der Besatzung fairerweise die Chance einzuräumen, das Schiff mit Rettungsbooten zu verlassen. Sollte sich bei einer Überprüfung der Ladung herausstellen, dass Konterbande transportiert wurde – in diesem Falle gilt ein Passagierschiff oder Frachter laut Seekriegsrecht dann nicht mehr als ziviles Fahrzeug, sondern als legitimes, militärisches Ziel – durfte das Schiff versenkt werden. Diese Regelung wurde auch im Zweiten Weltkrieg noch angewandt und trieb so einige Stilblüten auf beiden Seiten des Periskops.

Ein nicht getauchtes U-Boot ist ein leichtes Opfer, schließlich ist seine größte Stärke das heimliche und unentdeckte Operieren und seine Bewaffnung auch für diesen Zweck hin ausgelegt. Da Kaiser-Deutschland jedoch (wie das Dritte Reich später ja auch) von der Annahme ausging, dass es zur Niederringung Englands deren Handelsrouten unterbrechen zu müssen und die Briten somit faktisch auszuhungern, war dieses Vorgehen zuerst ein Prisenkommando auf ein ziviles Schiff schicken zu müssen natürlich mit der Gefahr verbunden relativ schutzlos an die Oberfläche zu kommen. So ein U-Boot ist schließlich selbst gegen Waffen mit kleineren Kalibern empfindlich. Die Alliierten statteten – dessen voll bewusst – immer mehr zivile Schiffe als „Hilfskreuzer“ mit versteckten Waffen aus, um ein aufgetauchtes U-Boot, das zur Aufbringung längsseits gehen musste um die Papiere des jeweiligen Dampfers zu überprüfen, sodann unter Feuer nehmen zu können.

Zu oft derart ausgetrickst gingen immer mehr U-Boot Kommandanten dazu über getaucht zu bleiben und im Zweifelsfall gleich einen Torpedo abfeuern. Ähnlich muss es Kapitänleutnant Schwieger auf U-20 gegangen sein, als er am 15. Mai 1915 vor der irischen Küste zum ersten Mal Sichtkontakt zu einem großen Dampfer mit 4 schwarz gestrichenen Schornsteinen (Die Lusitania hatte in Friedenszeiten orange-rote Schlote) erhielt. Er war sich sicher, dass ein Schiff dieser Größe eine Menge versteckter Waffen an Bord haben könne – sowohl an Deck als auch als Ladung sprich Nachschub für die englische Kriegsmaschinerie. Als die Lusitania plötzlich den Kurs genau in seine Richtung ändert, vermutet er (fälschlicherweise) entdeckt worden zu sein, erwartet jede Sekunde unter Feuer genommen zu werden und schickt den verhängnisvollen Torpedo auf die Reise zum vermeintlichen „Hilfskreuzer“.

_Zum Inhalt_

Titanic-Entdecker Ballard will in diesem Band klären, warum die Lusitania so rasch sank, ob sie tatsächlich Kriegsmaterial an Bord hatte und warum es mehrere Explosionen gab, obwohl – wie auch von deutscher Seite stets beteuert – nur ein einziger Torpedo abgefeuert wurde und nicht – worauf die Briten bestanden – zwei oder sogar drei. Um dies herauszufinden begibt sich Ballard samt Tauchboot nach Irland versucht dem Schiff seine Geheimnisse mit moderner Technik zu entreißen.

Ballard fischt in diesem Buch in für ihn ungewöhnlich seichten Gewässern, auch suchen braucht er das Schiff nicht, die Sinkposition nahe der Küste ist seit jeher bekannt und schon früher wurde das berühmte Wrack von Tauchern besucht, da es in lediglich 85 Metern Tiefe liegt, ist es relativ einfach zu erreichen. Ballard betreibt – wie so oft – einen immensen Forschungsaufwand, um herauszufinden, warum alles so abgelaufen ist, wie es nun mal durch mehrere Augenzeugen verbrieft ist: Die Lusitania war innerhalb von nicht mal 25 Minuten verschwunden und einhellig wird von mehreren (mindestens zwei) Explosionen, jedoch nur von einer Torpedo-Blasenbahn berichtet. Hatte die Lusitania also doch Munition an Bord, die nach dem Treffer hochging?

Wie konnte ein solch havariesicher konzipiertes Schiff mit so stattlichen Ausmaßen in nur so kurzer Zeit sinken, nach nur einem Torpedo? Theoretisch hätte die Konstruktion sogar drei bis zu fünf derartige Treffer wegstecken können müssen. Zum Vergleich: Die nur geringfügig größere und ähnlich gebaute Titanic hatte sich drei Jahre zuvor trotz ungleich massiverem Wassereinbruch immerhin noch 2,75 Stunden über Wasser halten können. Dazu gibt’s eine ausführliche Beschreibung des Hergangs aus der Sicht der Zeugenaussagen, garniert mit allerhand historischem Bildmaterial und den schlichtweg genialen Gemälden aus der Hand von Ken Marshall. Obligatorisch für die Meisten von Ballards Büchern ist die Gegenüberstellung des Schiffes damals und heute, so findet sich auch hier wieder eine großformatige, ausklappbare Panorama-Ansicht des Wracks und eine Schnittzeichnung basierend auf den Original-Plänen der Werft.

Es wird beobachtet, berechnet und logische Schlussfolgerungen gezogen, wie es zu diesem Vorfall kommen konnte – nebenher wird die Geschichte der „Lusitania“ beleuchtet und eine gute Unterscheidung zwischen Wahrheit und Mythos gezogen. Ein nicht unerheblicher Teil des Buches geht für die historischen Facts drauf, doch auch die Wrack-Untersuchung kommt nicht zu kurz, zwar ist sie nicht so üppig geschildert, wie beispielsweise die der „Titanic“ oder der „Bismarck“, jedoch handelt es sich um ein weitgehend bekanntes und zuvor erforschtes Wrack, daher ist das Wie und Warum sicher interessanter, als zahllose schnöde Bilder von einem ziemlich mitgenommenen Schrotthaufen.

Unterstützt wird Ballard auch dieses Mal von der US Navy bzw. deren Equipment, zudem wird als Co-Autor Spencer Dunmore genannt. Ken Marshall ist so was wie Ballards Leib-Und-Magen-Illustrator, er ist seit dem Titanic-Band in jedem seiner Bücher für die Illustration der Wracks zuständig und darf auch hier wieder (neben dem obligatorischen Titelbild) gewohnt perfekt – künstlerisch tätig werden, wenn auch das arg gebeutelte & zerschmetterte Wrack optisch nicht soviel hermacht, wie beispielsweise die beinahe intakte Bismarck. Dennoch kann ich mir keinen Besseren vorstellen, die Geschichte der Lusitania einst und heute visuell darzustellen, da sitzt jeder Pinselstrich.

_Fazit_

Ballard rekonstruiert in diesem Band unter Zuhilfenahme von verschiedenen Schiffsbauern und anhand der Daten, die er bei den Tauchgängen gesammelt hat, was damals vermutlich wirklich geschah. Basierend auf seinen eigenen Beobachtungen und den überlieferten Schilderungen klärt Ballard zusammen mit Co-Autor Dunmore, welche Verkettungen zur „Lusitania“- Katastrophe führten. Jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit, restlos klären wird sich der mysteriöse Nebel, der diesen Vorfall zum Teil umwabert wohl nie so ganz. Sicher sind weder der Zustand des Wracks an sich noch die Umstände ihres Untergangs so spektakulär, wie das der Titanic, jedoch ein gut aufgearbeitetes Stück (auch deutscher) Geschichte, das lesenswert ist. Für Lesefaule gibt es dieses Buch – wie fast alle seine Werke – auch auf DVD/Video von National Geographic.

|232 Seiten, Hardcover – zahlreiche S/W und teils großformatige Farbbilder
Originaltitel: „Exploring the Lusitania“
Übersetzung: Klaus-Peter Schmidt
Schiffs-Illustrationen: Ken Marshall
ISBN 13: 978-3550068881|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc/

_Weitere Titel von |Dr. Robert D. Ballard| bei |Buchwurm.info|:_
[Das Geheimnis der Titanic]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1094
[Die Entdeckung der Bismarck]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1176
[Versenkt im Pazifik]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=799
[Rückkehr nach Midway]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=817
[Lost Liners]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=514

Brian Greene – Die verborgene Wirklichkeit – Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos

Worum gehts?

Universum – dieser Begriff bezeichnet nicht nur den Weltraum, sondern umfasst die Gesamtheit aller Dinge in unserer Welt. Doch was wäre, wenn das Universum doch nicht die gesamte Welt darstellen würde? Wenn es zwei, drei, ja unendlich viele Universen gäbe? Dass die Idee des Multiversums, also mehrerer möglicher Universen, nicht nur Stoff für Science-Fiction-Romane ist, sondern ein wichtiges Forschungsfeld der Physik, das unseren Blick auf die Welt und unser Verständnis der Wirklichkeit verändert, zeigt Brian Greene in seinem neuesten Bestseller.
(Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

„Der mit Abstand beste Erklärer komplexer Konzepte in unserer Welt“ (Washington Post) ist zurück und schickt sich an, allen Interessierten etwas über Paralleluniversen zu erzählen. Ja, Mehrzahl, denn in den elf Kapiteln des Buches widmet sich der Autor gleich einer ganzen Reihe von Denkansätzen und Multiversen, auch wenn bislang durch kein Experiment die Existenz auch nur eines einzigen weiteren Universums erwiesen werden konnte … es deutet halt alles nur darauf hin. So erfahren wir Näheres zum Patchwork-Multiversum, dem Inflations-Multiversum, dem Quanten-Multiversum und noch einigen weiteren parallelen Wirklichkeiten, die alle ein eigenes Kapitel bekommen.

Vom Leser dieses Buches werden keine Fachkenntnisse in den Bereichen Mathematik oder Physik verlangt, so der Autor, auch wenn er in diesem Buch keine Grundlagenkapitel zu den einzelnen Bereichen mehr anbietet, wie er das in seinen vergangen Büchern gern getan hat. Vielmehr hat er sich bemüht, alles so anschaulich wie möglich zu beschreiben und mit „Metaphern, Analogien und eingestreuten historischen Episoden“ zu erklären. Dennoch bietet er hier sowohl für den Laien als auch für Fortgeschrittene etwas an und, je nachdem zu welchem Lager man gehört, bekommt man vom Autor eine Kurzzusammenfassung gegen Ende des Kapitels und kann den komplizierteren Teil überspringen, der sich zwar an die Fortgeschrittenen, aber ausdrücklich auch an Laien mit Durchhaltevermögen wendet. Oder man überspringt den Block, der zu trivial erscheint, weil man sich auskennt. In den 40 Seiten Anmerkungen, die das Buch abschließen, können dann Interessierte mit physikalischem und mathematischem Vorwissen Erklärungen finden, mit denen der Neueinsteiger wenig bis gar nichts anzufangen weiß.

Einzig die Bereitschaft, das eigene „bequeme“ Denken aufzugeben und offen für Neues und teilweise sehr Abgefahrenes zu sein, ist die Voraussetzung für beide Parteien, um ein paar Physikstunden der besonderen Art erleben zu können.

Nicht nur der interessierte Laie freut sich beim Lesen immer über Bilder, die das vermittelte Wissen anschaulicher darstellen sollen, und so hat auch Brian Greene alle paar Seiten ein paar Schwarz-Weiß-Abbildungen zu bieten. Hier sehen wird dann unter anderem Quantentunneln in der String-Landschaft, ein Schaubild der Kaluza-Klein-Theorie zu zusätzlichen Raumdimensionen, Wahrscheinlichkeitswellen, Branen und … ein Bild von Albert Einstein, auf dem er aus der Entfernung betrachtet aussieht wie Marilyn Monroe. Faszinierend, nicht nur Letzteres! Einstein selbst, seinen Relativitätstheorien und der Stringtheorie (nebst aktuellem Forschungsstand) begegnet der Leser zwangsläufig auch in diesem Buch, das lässt sich halt nie vermeiden, weils dazugehört.

Und immer wieder gibts Beispiele, die jeder verstehen kann. Die möglichen Positionen einer im Schlafzimmer nervenden Fliege, die Anzahl unterschiedlich miteinander kombinierbaren Kleidungs-Outfits, gemischte Spielkartendecks oder Rückblicke in die Vergangenheit zu Newton und anderen Wissenschaftlern, die sich interessante Fragen gestellt haben.

Und wieder landen wir am Ende bei grundlegenden Fragen, wie: Warum sind manche Dinge, wie sie sind? Gibt es vielleicht gar keine andere Möglichkeit? Gern würden einige Wissenschaftler Einsteins Behauptung darüber widerlegen können, dass das Universum gar nicht anders sein kann, als es ist … das können sie aber (noch) nicht.

Vielleicht schreibt Brian Greene ja darüber in seinem nächsten Buch …

Der Autor

Brian Greene hat in Harvard und Oxford studiert und ist seit 1996 Professor für Physik und Mathematik an der Columbia University in New York. Er zählt zu den führenden Forschern auf dem Gebiet der Superstrings, ist ein beliebter TV-Gast und weltweit begehrter Redner. Seine Bücher, darunter „Das elegante Universum“ (2000) und „Der Stoff, aus dem der Kosmos ist“ (2004), sind internationale Bestseller. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Wer sich über den aktuellen Stand der verschiedenen Ideen bezüglich Paralleluniversen informieren und das Neueste zur Stringtheorie erfahren möchte, der ist hier richtig. Wer schon Fachwissen mitbringt, ist hier ebenfalls richtig, aber auch, wer die Ideen einfach nur faszinierend findet, die sich hinter den Multiversen verstecken. Für neuen Theorien gegenüber aufgeschlossene Laien und Fortgeschrittene hat Brian Greene einiges zu bieten, wobei er mit Darstellungen veranschaulicht und auch dem studierten Physiker detailliertere und nicht-triviale Erklärungen anbietet.

Beweisen oder experimentell belegen konnte noch niemand die Existenz von Parallelwelten, auch wenn einiges darauf hindeutet, dass es welche gibt. Trotz dieses Vorwissens ist der Ausflug in diese (noch) verborgene Wirklichkeit extrem unterhaltsam und überfordert auch den ambitionierten Laien nicht … wenn er ein wenig Durchhaltevermögen mitbringt und nicht gleich versucht, alle Informationen auf einmal zu verarbeiten. Es könnte passieren, dass nicht nur einem seiner parallelen Ichs dabei der Kopf explodiert.

Auch für mich gehört Brian Greene zu den besten Erklärern, wenns um komplexe Themen geht … aber in einem anderen Universum findet jemand, der genauso aussieht wie ich, das Buch total doof und unverständlich.

Gebunden: 448 Seiten
Originaltitel: The Hidden Reality: Parallel Universes and the Deep Laws of the Cosmos
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel
ISBN 978-3-8275-0001-4
www.randomhouse.de/siedler

Katzenberger, Daniela – Sei schlau, stell dich dumm

_Inhalt_

Der Spiegel spricht von der blondesten Medienkarriere des Jahres, für die Bunte ist sie Deutschlands neues Phänomen. Wer ist diese Frau, die rundum für Aufsehen sorgt? Wasserstoffblondierte Kunsthaarmähne, cappuccinofarbene Studiobräune und Doppel-D-Silikon-Busen. An der Katze scheint wenig echt zu sein, trotzdem kommt sie bestechend authentisch und ehrlich rüber. Ihre Sprüche sind legendär und wenn sie redet, trägt sie das Herz auf der Zunge. Offenherzig und unbeschwert wandelt die Katze durchs Leben, kaum zu glauben, dass in ihrem Leben schon viel Mist passiert ist. Davon erzählt sie hier zum ersten Mal. Und davon, wie sie es trotzdem geschafft hat, die zu werden, die sie ist.

_Meine Meinung_

„Ich bin gerne eine Tussi. Das ist doch kein Schimpfwort!“

Die Katzenberger veröffentlicht ein Buch – muss das denn sein? Das ist eine Frage, die ich mir bis jetzt selbst nicht beantworten kann. Fakt ist: Ich bin kein Fan dieser Frau, ob ich es je werde, steht in den Sternen. Allerdings respektiere ich sie für ihre Karriere, die sie quasi aus dem Nichts geschaffen hat.

Die insgesamt 232 Seiten waren für mich zum Teil recht unterhaltsam, manchmal aber auch eine Qual. Einige Sachen aus ihrem Leben sind schon ganz witzig erzählt, aber manchmal sind da auch Sachen bei gewesen, die ich einfach nicht wissen wollte. Es ist ja ganz nett, dass Frau Katzenberger sehr viel aus ihrem Leben erzählt, aber wie oft und mit welcher Zahnpasta sie sich die Zähne putzt oder wann und wo sie zum ersten Mal ihre Periode bekommen hat, interessiert mich dann doch nicht.

Auch die Information, bei welchem Song ihr Bruder seine Unschuld verloren hat, war dermaßen unnötig, schließlich wollte ich etwas über Daniela Katzenberger erfahren und nicht über ihren Bruder.

Sehr interessant sind dagegen ihre Beautytipps und ihre Erfahrungen mit der Brustvergrößerung. Sehr offen spricht sie von ihren Naturbrüsten und wie ihr Körpergefühl sich verändert hat.

So schwach dieses Buch anfängt, so stärker wird es auch mit der Zeit. Besonders amüsant fand ich Geschichten mit ihrer Mutter. Ihre Mutter Iris Klein kannte ich bereits aus dem Big Brother Haus und fand sie da auf ihre ganz eigene Art und Weise unterhaltsam. Von daher habe ich mir da einiges erhofft und wurde nicht enttäuscht.

Am Ende des Buches gibt es noch ein paar kleine Extras, über die sich besonders Fans von Daniela Katzenberger freuen werden. Hier kann man Interviews mit ihren engsten TV-Begleitern, wie z. B. ihrem Produzenten Bernd Schumacher, Kameramännern, Manager und Tontechnikern nachlesen, die zwar ganz interessant waren, aber auch schnell wieder vergessen sind.

Außerdem gibt es ein tolles Nachwort ihrer Mutter Iris, das ich dafür umso interessanter fand. Obwohl die Zwei schon einiges miteinander durchstehen mussten, sind sie dennoch ein Herz und eine Seele.

Sehr gut haben mir auch die Fotos gefallen, die hierzu veröffentlicht wurden. Von Babyfotos bis hin zu professionellen Bildern ist alles dabei. Augenrollen gab es allerdings bei „Die zehn Gebote der Katze“. Zwar sollte man so was immer nur mit einem Augenzwinkern hinnehmen, aber manches war mir dann doch zu stumpf.

|Beispiel:|
2. Gebot: Was Du nicht im Kopf hast, musst du im Körbchen haben.
5. Gebot: Du darfst billig aussehen, aber nie käuflich sein.

Stellenweise wird da schon sehr mit den typischen Klischees einer Blondine gespielt und oftmals habe ich mich gefragt, wie echt Daniela Katzenberger in diesem Buch wirklich ist. Letztendlich weiß das nur sie allein.

_Fazit_

Insgesamt ist „Sei schlau, stell dich dumm“ ein Buch, welches man nicht unbedingt lesen muss. Eine Kaufempfehlung würde ich nur für Fans aussprechen oder jungen Mädchen, die einen ähnlichen Weg wie Frau Katzenberger einschlagen möchten.

|Taschenbuch: 232 Seiten
ISBN 978-3404606696|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de
[www.danielakatzenberger.de]http://www.danielakatzenbeger.de

Herzog, Ulrike-Amanda – Archäologie der Emotionen

_Sachbücher stehen ja_ in dem Ruf, eher trockene Lektüre zu sein. Der eine oder andere Autor mag vielleicht über die Gabe einer lockeren Schreibe verfügen und so sein Werk auch ein wenig unterhaltsam gestalten können. In der Regel erwartet der Leser von einem Sachbuch aber weniger Unterhaltung als Information.

Als Kriterium für die Rezension eines solchen Buches stehen an oberster Stelle deshalb die Fragen: Wie fundiert ist es? Und, wie verständlich hat der Autor sein Fachwissen dargelegt? Klingt eigentlich nicht allzu schwierig, vorausgesetzt, man hat selbst zumindest ein wenig Ahnung von der Materie. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und eine dieser Ausnahmen ist „Archäologie der Emotionen“ von Ulrike-Amanda Herzog.

Das fängt schon damit an, dass dieses Buch sich der Zuordnung zu einer bestimmten Kategorie entzieht. Denn die Autorin ist sozusagen einer ganzheitlichen Herangehensweise gefolgt, anstatt sich auf eine einzelne Thematik zu beschränken. Wer dieses Buch liest, wird philosophischen Aspekten ebenso begegnen wie medizinischen, psychologischen und esoterischen.

Vor allem aber wird er der Autorin selbst begegnen, denn sie ist keine Fachfrau, sondern Laie. Ihre Ausführungen fußen ganz und gar auf ihrer persönlichen Erfahrung und ihren eigenen Gedanken, und dementsprechend viele persönliche Angaben über ihren Werdegang und ihre derzeitige Lebenssituation sind in dem Buch enthalten.

Wer nun davon ausgeht, dass der Text eines Laien zu einem solchen Thema kaum der Rede wert sein könne, wird bereits auf der ersten Seite eines anderen belehrt. Schon das Quellenverzeichnis zeigt, dass sich hier jemand ernsthaft und intensiv mit existenziellen Fragen auseinandergesetzt hat. Spürbar wird aber auch von Anfang an, dass es sich bei diesem Buch um mehr handelt als die pure Neuordnung von bereits bekannten Fakten. Statt dessen wurde die Thematik mit kritischen Augen betrachtet und aus den Fakten Schlüsse gezogen. Dass all dies ohne Anleitung von außen vonstattenging, bedeutet lediglich, dass die gezogenen Schlüsse die ganz eigenen der Autorin sind.

Voraussetzung dafür, dieses Buch mit Gewinn lesen zu können, ist allerdings, dass man sich auf die Gedankengänge der Autorin einlässt und bereit ist, ihr zu folgen, sich von ihr Schritt für Schritt durch das Buch führen zu lassen. Das ist nicht immer einfach. Dass mitten in einem persönlichen Kapitel plötzlich medizinische oder psychologische Absätze auftauchen, ist nicht unbedingt das Problem, obwohl mancher diese Wechsel vielleicht als sprunghaft empfinden mag. Tatsache ist, dass Ulrike Herzog in ihrem Buch nicht linear vorgeht. Sie bewegt sich vielmehr in einer Spirale, streift immer wieder Details, die sie anderswo in einem anderen Zusammenhang bereits dargelegt hat. Das ist durchaus gewöhnungsbedürftig.

Wer sich davon nicht abhalten lässt, darf die Emanzipation einer Frau miterleben, der es gelungen ist, trotz schlechter Startbedingungen und entgegen vieler Widerstände ihr Leben umzukrempeln, nach dem Motto: „Habe Mut, deine eigene Persönlichkeit zu akzeptieren“. Gelungen ist ihr das vor allem durch ihre Beharrlichkeit und ihr selbständiges Denken, das nicht bereit war, alles unbesehen hinzunehmen oder sich sogenannten Kapazitäten unterzuordnen.

Was man von dem Buch allerdings nicht erwarten darf, ist ein Patentrezept, wie man die eigenen speziellen Probleme löst. Dieses Buch gehört nicht in die Kategorie der überflüssigen und nutzlosen Ratgeber. Man könnte es als Ermunterungs- und Mutmach-Buch bezeichnen. Das Beispiel der Autorin ermutigt dazu, sich das eigene Leben, die persönliche Situation genau anzuschauen und herauszufinden, wo das Übel seine Wurzeln hat. Und es zeigt auf, dass es möglich ist, mit den eigenen Schwierigkeiten fertig zu werden, wenn man das wirklich will. Selbst wenn es nicht leicht ist und eine Menge Kraft kostet. Gleichzeitig ist es ein Weckruf, der mit unübersehbarem Finger auf Auswüchse in der Medizin und Gesellschaft zeigt, die für uns bereits so selbstverständlich sind, dass sie uns gar nicht mehr auffallen.

Vorurteile, Selbstbetrug, schierer Widersinn, alles wird in diesem Buch rausgekramt, ins Licht geholt und unter die Lupe genommen, mit einer beeindruckenden Mischung aus Sachlichkeit und persönlichem Engagement. Das ist sicher keine leichte Lektüre. Es ist eigenwillig, direkt, ungekünstelt und von geradezu schonungsloser Offenheit. Es regt dazu an, die eigenen grauen Zellen anzuwerfen, und sich über die Welt im Allgemeinen und die eigene Rolle darin im Besonderen mal wieder Gedanken zu machen. Die persönliche Philosophie der Autorin ist genau das, eine persönliche Philosophie. Die mag einige ihrer Leser zu Widerspruch reizen. Aber das tut der Welt im allgemeinen und dem Leser im Besonderen nur gut. Ich jedenfalls ziehe vor Ulrike-Amanda Herzog den Hut.

_Ulrike-Amanda Herzog_ ist Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Hildesheim. Von Beruf Altenpflegerin arbeitet sie nebenbei bereits an ihrem nächsten Buch.

|Broschiert 336 Seiten
ISBN-13: 978-3-837-02889-8|

Seidel, Wolfgang – Wie kam der Sturm ins Wasserglas? Zitate, die zu Redewendungen wurden

Wolfgang Seidel hat sich wieder einmal auf Spurensuche unserer Redegewohnheiten gemacht. In seinem neuesten Buch „Wie kam der Sturm ins Wasserglas?“ untersuchte er Sprichworte, Redewendungen und sprichwörtliche Figuren, die ihren Ursprung in der – im weitesten Sinne des Wortes – literarischen Welt haben. So beackert der Autor Literatur und Musik, Film und Bühne. Dabei wechselt er unbekümmert zwischen den Bereichen E und U, so dass auch in die Alltagssprache eingegangene Zitate aus Comics und Werbung vorgestellt werden.

Da Seidel auch bei diesem Titel wieder kein Fachbuch, sondern ein Sach- und Stöberbuch für ein breites Publikum verfasst hat, hat er sich auch hier die Freiheit genommen, beliebig Beispiele aus den gewählten Bereichen auszusuchen und zwischen Bedeutung, Rezeption und weitergehenden Informationen zur Quelle zu springen.

Eine gute Idee war es, die meistzitierten Schriftsteller und Dichter in einem eigenen Kapitel zu behandeln, so dass dem Leser die Bedeutung herausragender Köpfe bewusst wird. Einzelne Werke, vor allem Schillers „Wilhelm Tell“ und Goethes „Faust“, werden als Fundgruben in Erinnerung gerufen, die allein in ihrer Nachwirkung ganze Bibliotheken in den Schatten stellen. Die Kapitel über jüngere Unterhaltungsmusik stellen so manche wenig bekannten Komponisten und Texter vor, die doch mit Schlagern, Gassenhauern, Filmmusik und Werbemelodien im Alltag präsent sind.

Nachdem in „Es geht um die Wurst“, dem vorherigen Buch Seidels aus der Serie, Fachbegriffe verschiedener Wissenschaften und Berufe den Schwerpunkt bildeten, erforderte der jetzige Fokus auf „Literatur mit viel Raum für Alltags- und Unterhaltungskultur“ sicher weniger Rechercheaufwand für den Autor und macht das Buch auch für Leser ohne viel Vorwissen leichter zugänglich. Allerdings hat diese „Lockerheit“ einige auffällige Lücken hinterlassen: Zu John Tolkiens Mittelerde hätte man sicher den Einfluss von Midgard aus der germanischen Mythologie erwähnen sollen. Auch den Satz „Geht nicht gibt’s nicht“ hat sich schon so mancher Bundeswehr-Rekrut von seinen Ausbildern anhören dürfen, lange bevor er durch die Werbung popularisiert worden ist.

Leider haben sich auch ein paar Fehler eingeschlichen: So hätte es dem Autor oder einem Lektor doch auffallen sollen, dass der römische Schriftsteller Plinius d. Ä., der als Mann mittleren Alters beim berühmten Vulkanausbruch des Vesuv (Pompeji) zu Tode kam, kaum über 100 Jahre alt geworden sein kann. Und wer sich ein wenig in der Populärmusik der letzten Jahrzehnte auskennt, wird verwundert lesen, dass das Lied ‚Irgendwie, irgendwo, irgendwann‘, in den 80ern von der Band „Nena“ geschrieben und gespielt, hier einem erst 1976 geborenen Komponisten zugeschrieben wird, das dann später von „Nena“ gecovert worden sei!

Wenn man nicht so strenge Ansprüche anlegt und das Buch einfach als lockere Lektüre zur Alltagssprache hinnimmt, so kann man „Wie kam der Sturm ins Wasserglas?“ einige interessante und lustige Anekdoten zu feststehenden Ausdrücken unserer Sprache entnehmen und auch zu bekannten Zitaten noch ein paar Hintergrundinformationen finden.

|Taschenbuch: 304 Seiten
ISBN-13: 978-3-423-34666-5|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

_Wolfgang Seidel bei |Buchwurm.info|:_
[„Es geht um die Wurst“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6075

Annette Klosa – DUDEN – Richtiges und gutes Deutsch (Band 9)

Beschreibung:

Mehrere Hunderttausend Anfragen an die Duden-Sprachberatung bilden die Grundlage für diesen Sprachratgeber. Behandelt werden die typischen Zweifelsfälle der deutschen Sprache. Sortiert von A bis Z gibt der Titel Antworten auf orthografische, grammatische und stilistische Fragen. Erstmals enthält der Band Dudenempfehlungen bei grammatischen Varianten. Außerdem ergänzen Formulierungshilfen und Erläuterungen zum aktuellen Sprachgebrauch dieses Standardwerk. Verständliche Erklärungen, Übersichtsartikel zu Themen wie Groß- und Kleinschreibung und Kommasetzung sowie zahlreiche Beispiele runden den Titel ab. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Was der „Knigge“ für gutes Benehmen ist, das ist „Richtiges und gutes Deutsch“ für das Schreiben und den guten Umgangston. In einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen auf die Rechtschreibprüfung ihrer Textverarbeitung verlassen, weil sie spätestens seit der „Neuen Rechtschreibung“ keine Ahnung mehr haben, wie denn nun was geschrieben wird, verspricht der Sprachratgeber aus der DUDEN-Reihe Hilfe. Aber auch und gerade Vielschreiber finden hier professionelle Hilfe.

In diesem handlichen und ziegelgewichtigen Buch bietet die DUDEN-Redaktion Tipps für Zweifelsfälle an. Alphabetisch sortiert, damit man sich schneller zurechtfindet und mit Empfehlungen, falls es mehrere richtige Möglichkeiten gibt. Erstmals auch mit gelb gekennzeichneten DUDEN-Empfehlungen für Grammatik- und Stilfragen, das gab es bislang nur für die Rechtschreibvariante der DUDEN-Reihe. Und das Ganze auch noch verständlich formuliert, sagt die DUDEN-Redaktion.

Am Anfang wird dem interessierten Vielschreiber auf wenigen Seiten übersichtlich erklärt, wie er optimal mit dem Buch umgehen sollte und dann folgt direkt die alphabetisch sortierte Rundum-Glücklich-Hilfe. Die Entscheidung, das Buch auf diese Weise zu ordnen, vereinfacht die Suche ungemein.

Und Suchen kann man in diesem Ratgeber nach Herzenslust. Fündig wird man dabei auch. Alles, was mir spontan in den Sinn kam, habe ich auf Anhieb gefunden. Vieles davon war sogar als ausführliche „Überblicksartikel“ vorhanden. In denen steht nicht nur, wie man was richtig schreibt, sondern auch warum.

Zu den „Überblicksartikeln“ gehören unter anderem die Klassiker: Apostroph, Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung, Genitiv-s und Kommaregeln. Aber auch jede Menge andere Tipps bietet „Richtiges und gutes Deutsch“. Artikel zu Bewerbungen, Brief-Deutsch, wie man das Partizip I und II bildet, indirekt redet und vieles mehr.

Den dicksten Teil aber machen die vielen Zweifelsfälle der deutschen Sprache aus, die von der Menge her mit einem Wörterbuch für Rechtschreibung locker mithalten können. Spontan aufgeschlagen fand ich grad: „hierzulande / hier zu Lande“. Tja, was ist nun richtig? Beides, das ist ja das Problem. Die DUDEN-Redaktion empfiehlt übrigens die erste Variante und markiert diese gelb. Noch ein Beispiel? Gern: „Lassen Sie mich mich erst anziehen / Lassen Sie mich erst anziehen“ … ginge beides, ist aber „stilistisch unschön“ und sollte eh umformuliert werden.

Je nachdem wie leicht man zu verunsichern ist, hilft „Richtiges und gutes Deutsch“, das eigene Wissen zu verfestigen oder es hilft dabei, die eigenen Zweifel noch stärker zu schüren, weil hier wirklich so viele Tipps und Hilfen zu finden sind, dass man ständig in das Buch schaut, ob man jetzt die richtige Variante erwischt hat.

Wer also richtig und gut Deutsch schreiben und sprechen möchte, dem bietet dieser Teil der DUDEN-Reihe die perfekte Unterstützung in wirklich allen Fragen, die man sich beim Erstellen von Texten jemals gestellt hat und vielleicht irgendwann mal stellen wird oder von denen man nie gedacht hat, dass man sie sich einmal stellen würde. Alles frisch für die aktuelle Auflage noch einmal neu überarbeitet, weil die deutsche Sprache nicht starr ist, sondern sich verändert. So habe ich übrigens zu meinem Leidwesen erfahren, dass man „noch mal“ auch zusammenschreiben darf, auch wenns nicht empfohlen wird. Empfohlen wird aber bei „wenns“ das Apostroph wegzulassen und es nicht „wenn’s“ zu schreiben. Vorsicht also beim Verbessern von anderen, es könnte ein Eigentor werden.

Und wenn man grad mal nichts schreibt und Hilfe dabei braucht, kann man stundenlang wild hin- und herblättern und einfach nur Wissen und Vorschläge aufsaugen. Und mit ein bisschen Glück, behält man sich das eine oder andere sogar.

Die Zugabe

Zur Buchversion gibt die DUDEN-Redaktion auch eine CD für Windows mit dazu. Hier finden wir die beliebte Rechtschreibprüfung, auch bekannt als DUDEN KORREKTOR, in der Version 7.0 für Microsoft Office, die 30 Tage kostenlos zu benutzen ist. Aktuell ist übrigens die Version 8.0.

Mein Fazit:

Ein Ratgeber für jeden, der richtiges und gutes Deutsch schreiben muss oder möchte. Viele Hilfestellungen und verständliche Erklärungen runden das große Verzeichnis der alphabetisch sortierten „Zweifelsfälle der deutschen Sprache“ ab. Ein Standardwerk, das neben jedes Wörterbuch gehört, denn richtiges und gutes Deutsch wird eben nicht überbewertet.

Gebunden: 1064 Seiten
7., vollständig überarbeite und erweiterte Auflage (22.08.2011)
ISBN: 978-3411040957
www.duden.de

Auch erhältlich als Plugin für Microsoft Office, Works und OpenOffice/LibreOffiice auf CD-Rom für Windows, Mac und Linux und Medienpaket mit Buch + CD-Rom.

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (8 Stimmen, Durchschnitt: 1,75 von 5)

Richard Ellis – Seeungeheuer. Mythen, Fabeln und Fakten

In den Tiefen der Meere existieren unglaubliche Kreaturen. Autor Ellis trennt Sagenhaftes und Reales, erzählt von einer Vergangenheit, die sich ihre Ungeheuer schuf, und stellt exemplarisch merkwürdige Wesen vor, die alles andere als ungeheuerlich sind. Ellis schreibt fabelhaft, man folgt ihm gebannt – und viele Bilder gibt es auch: ein Sachbuch der Sonderklasse!
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Dingemann, Rüdiger – TATORT: Das Lexikon

Die dienstälteste und mit Sicherheit auch beliebteste deutsche Krimiserie feierte unlängst ihr 40-jähriges Jubiläum: Der TATORT. Grund genug diesem Phänomen der hiesigen Medienlandschaft ein Denkmal in Form eines eigenen Lexikons zu schaffen, muss sich Autor Rüdiger Dingemann gedacht haben. Seit November 2010 ist es dann auch so weit gewesen. Auf fast 480 Seiten sind „Alle Fakten, alle Fälle, alle Kommissare“ verewigt, damit wirbt jedenfalls die Tagline des Buches aus dem Hause |Knaur| um die Gunst der Leser. Diese dürften sich vermutlich fast ausschließlich aus den Reihen der nachweislich treuen TV-Gemeinde rekrutieren. Bei durchschnittlich 6 – 8 Millionen Zuschauern jede Woche (allein am Sonntagabend in der ARD, die Wiederholungen im Lokalfernsehen nicht mitgerechnet) ein beachtlicher, potenzieller Käuferkreis.

_Inhalt und Eindrücke_

Anders als ein klassisches Lexikon, funktioniert dieses Nachschlagewerk nicht nach Stichworten, sondern hauptsächlich nach den chronologisch korrekt in ihrer Abfolge sortierten Folgen. Diese Gliederung ist logisch und nachvollziehbar. Zunächst erklärt eine mehrere Seiten umfassende Einleitung den TATORT und beleuchtet sein Erfolgsrezept von seinen Anfängen – bei denen noch niemand seinen Erfolg absehen konnte und wollte – bis hin zu den modernen Vertretern der Serie. Allen gemein ist, dass die nie zu abgehobenen, stets realitätsnahen Fälle immer ein Spiegel ihrer Zeit waren und sind. Auch diesen wichtigen Umstand der Generationen übergreifenden Unterhaltung, weiß Rüdiger Dingemann zu würdigen und hervorzukehren. Somit ist der interessierte Leser schon einmal gut darauf eingestellt, mit Hilfe des Buches, 40 Jahre TATORT und somit auch deutsche Geschichte zu erkunden.

Allerdings muss da noch ein wenig mehr kommen als nur ein simpler Episoden-Guide, wenn man sich als Untertitel „Alle Fakten. Alle Fälle. Alle Kommissare“ auf die Fahnen geschrieben hat. Wobei man „Alle Fälle“ schon gleich einmal relativieren muss, denn diese reichen bis zum Oktober 2010 – geschickterweise hat man genau beim Jubiläum den Cut gemacht. Die allerneuesten Folgen sind somit nicht mit drin. Die teilweise neuen Gesichter und Konzepte, welche erst 2011 so richtig beim Publikum ankommen sollen, finden aber durchaus schon Erwähnung. Beispielsweise solche mit dem türkischstämmigen Undercover-Solisten Cenk Batu aus Hamburg, Murot, der Ermittler mit dem Hirntumor oder das neue Frankfurter Team, welches dort unlängst das langjährige Duo Dellwo und Sänger ablöste. Selbstverständlich dürfen sich ganz besonders die Freunde der „alten Garde“ auf ein Wiedersehen mit inzwischen legendären Figuren freuen.

Haferkamp, Stoever/Brockmöller und Schimanski/Thanner sind nur einige aus dieser illustren Gesellschaft, die wohl auch heute noch fast jedes Kind kennt. Und wer diesbezüglich eine Gedächtnisstütze braucht, bekommt sie in zwei Abschnitten mit den entsprechenden Fotos zu den Hauptakteuren. Um die wichtigsten Mitwirkenden schnell zu finden, gibt es noch eine tabellarische Kommissar-Übersicht mit dem Wer, Was, Wann und Wo (mit-)gespielt hat. Interessant, dass einige der Kommissare auch mal in Nebenrollen anderer TATORTe auftauchen und dabei sogar gelegentlich der anderen Seite des Gesetzes standen: Jörg Schüttauf (Fritz Dellwo), Ulrich Tukur (Murot), Martin Wudke (Andreas Keppler) oder auch Axel Milberg (Klaus Borowski) haben durchaus schon mehr als einmal zwielichtige Rollen innegehabt. Um einige der bekannteren aus der jüngeren Vergangenheit mal exemplarisch zu nennen. Im Episodenführer erfährt man nebenher so einige weitere Anekdoten und Facts über manche Folge und Darsteller.

_Fazit_

40 Jahre TATORT auf rund 480 Seiten zu würdigen ist sicherlich nicht leicht. Das Lexikon schafft den Spagat zwischen Fakten und Unterhaltung aber recht passabel und ist alles andere als trocken. Im Gegenteil, man bekommt Lust sich die eine oder andere Folge doch noch einmal zu Gemüte zu führen und auf einige Dinge speziell zu achten. Eins der Probleme des Buches ist – neben einigen deftigen Lektoratsfehlern – ein eher grundsätzliches: Da die Serie andauert, hakt es mit der Aktualität irgendwann – aufgrund seiner geschickten Machart mit dem sauberen Schnitt, laufen die Informationen darin allerdings nicht Gefahr drastisch überholt zu werden. Und wer weiß? Vielleicht kommt ja zum nächsten anstehenden Jubiläum dann Band 2 als Ergänzung. Bis dahin bleibt es das einzige Nachschlagewerk für TATORT-Enthusiasten.

|Taschenbuch, 476 Seiten
ISBN 978-3-426-78419-8|
[www.droemer-knaur.dehome]http://www.droemer-knaur.de/home

_Rüdiger Dingemann bei |Buchwurm.info|:_
[„Deutschland in den 50er Jahren. Das waren noch Zeiten!“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2742

May, Brian / Moore, Patrick / Lintott, Chris – Bang! – Die ganze Geschichte des Universums

Die Entstehung des Universums leicht gemacht? Kein Problem: „Bang!“ soll es möglich machen, zumindest wenn es nach Patrick Moore, Chris Lintott und Brian May geht. Nanu, Brian May? Der Mann, der hinter einer der wichtigsten Rockbands aller Zeiten steht und den Sound von Queen über mehr als drei Dekaden zu einer wahrhaftig einzigartigen Erscheinung in der Musiklandschaft erkoren hat? Ja, richtig! May, seines Zeichens nicht bloß Gitarrist und Studiomensch, sondern nach seiner Laufbahn auch wieder als Wissenschaftler aktiv ließ sich von seinen beiden Gefährten dazu inspirieren, einen fundierten, aber auch für jedermann leicht nachvollziehbaren Bericht über die Historie des Weltalls zu erstellen, indem der promovierte Astrophysiker sein Wissen mit jenem von Lintott und Moore vereinen konnte. Herausgekommen ist eines der besten, sehr gründlich recherchierten Werke zu jenem Themenbereich und dazu ein Buch, welches den Urknall ebenso formelfrei definiert und erklärt als wäre es das kleine Einmaleins. Ein Kinderbuch also? Mitnichten …

May und seine Kollegen von der BBC („The Sky At Night“) starten ihre Dokumentation sinngemäß mit dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren und geben bereits hier einen sehr ausführlichen, aber auch ausgewogen dargestellten Einblick in die Ereignisse, die zur Entstehung des Lebens und des natürlichen Wachstums führten. Das Trio bemüht sich dabei von Anfang an, mit wissenschaftlich vereinfachter Sprache die Grundlagen nahezubringen, physikalische Einheiten in diesem Zusammenhang zu erklären, entscheidende Entwicklungen darzulegen und überdies mit vielen Skizzen, Bildern und illustrierten Erläuterungen das Basiswissen aufzustellen, auf dem die insgesamt sieben Kapitel von „Bang!“ schließlich aufbauen können. In der Folge begibt man sich auf eine sehr informative Zeitreise, die den Beginn des Lebens, geografische Eigenheiten, astronomische Phänomene, spezifische Eigenheiten der Milchstraße und ihrer möglichen Nachbargalaxien und schließlich auch die konzentrierte Erweckung unserer Erde in den Mittelpunkt rückt und dies alles in einer bemerkenswert aufgearbeiteten Chronologie wiedergibt. Die drei Autoren visualisieren dabei nicht nur Essenzielles, sondern gehen vor allem in der frühen Entstehungsgeschichte etwas mehr in die Tiefe und verfolgend diesbezüglich den kontinuierlichen Ansatz der permanenten Versinnbildlichung. Schwierig verständliche Besonderheiten werden in Relation zu zeitgemäßen Ereignissen gestellt, und vor allem die physikalisch zunächst nur sehr speziell erklärbaren Tatsachen erfahren durch ihren Bezug zur weltlichen Realität eine Anschaulichkeit, die man in vielen ähnlich gelagerten Büchern schmerzlich vermisst.

Natürlich darf man auf der anderen Seite nicht erwarten, dass „Bang!“ die Quintessenz zu dieser so umfangreichen Thematik ist. Hierzu fehlt es den drei Initiatoren nicht nur an Zeit und Raum in ihrer Darstellung, sondern folgerichtig auch an Tiefgang bei vielen Einzelheiten. Dies bedeutet keinesfalls, dass May, Moore und Lintott lediglich an der Oberfläche kratzen, doch da die Motivation hinter „Bang!“ vorrangig darin besteht, eine Summe aus Basiswissen und zusammengefassten wissenschaftlichen Thesen zu erstellen und diese universell nachvollziehbar zu machen, muss man sich natürlich auf das Wesentliche konzentrieren. Allerdings ist genau jener Ansatz das lobenswerte Element dieser Veröffentlichung, da es den womöglich bedeutsamsten Teil der Weltgeschichte bündelt, ihn zugänglich macht und ihn nicht als abschreckendes, ausschließlich für die Forschung relevantes Konstrukt zurücklässt. Dafür steckt nicht nur zu viel Detailliebe und Herzblut in der umfangreichen Präsentation (man beachte schließlich mal die reiche Bebilderung dieses Bandes), sondern auch eine Masse an Inhalt und fundierter Recherche, die für eine solche ‚Familienausgabe‘ absolut einzigartig ist – und wahrscheinlich auch erst einmal bleibt. „Bang!“ schließt ein (schwarzes) Loch im themenspezifischen Sachbuch-Segment mit hochtrabenden Ambitionen und einer absolut souveränen Verbundarbeit, die als Wissensgrundlage eigentlich einen angestammten Platz in jedem Haushalt finden sollte.

Dass „Die ganze Geschichte des Universums“ im KOSMOS-Verlag erscheint, bringt zuletzt noch ein kleines Schmunzeln – besser hätte es letztendlich ja gar nicht passen können. Doch dies nur als Anekdote zum Schluss …

Weitere Infos gibt es im Übrigen bei [www.bangubiverse.com]http://www.banguniverse.com .

|Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
ISBN-13: 978-3440111253|
[www.kosmos.de]http://www.kosmos.de

Lewis C. Epstein – Denksport Physik: Fragen und Antworten

In der Fachwelt ist dieses Buch ein Klassiker. 1979 zum ersten Mal auf Englisch erschienen, hat „Denksport Physik“ auch bei uns schon einige Auflagen erlebt. Der mittlerweile emeritierte Physikprofessor Lewis Carroll Epstein stellt seine Wissenschaft leichtverständlich und kurzweilig in Form von Rätseln zum Selberlösen vor. Entsprechend dem Untertitel „Fragen und Antworten“ wird nicht doziert, sondern der Autor stellt dem Leser eine Frage und gibt ihm mehrere Antwortmöglichkeiten vor, so dass dieser durch eigenes Mitdenken zu einem Ergebnis kommen soll. Um das Schummeln zu erschweren, sind die Lösungen kopfstehend oder erst auf der nächsten Seite abgedruckt. Erst in diesen Lösungen wird etwas Theorie nachgeschickt, wenn beim Leser das Interesse geweckt und deren Nutzen zur Problemlösung erkannt ist. Aber auch Hinweise zur Lösungsstrategien, zu häufig anwendbaren Grundsätzen und zur Denkweise in der Physik finden sich.

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Shanty, Frank [Hg.] – Mafia. Die Geschichte der organisierten Kriminalität

_Sie kamen nie aus dem Nichts_

Dem |“sizilianischen Gelehrten“| Umberto Santino gelang die nach Auskunft der Verfasser |“allgemein anerkannte Definition“| des Begriffes „Mafia“, die er als |“eine Gruppe von kriminellen Vereinigungen …“| beschrieb, |“deren Zweck darin besteht, mittels Gewalt und illegaler Aktivitäten Vermögen anzuhäufen und Machtstellungen einzunehmen. Sie agiert über ein umfassendes Netzwerk, folgt einem kulturellen Code und genießt in gewissem Maße sozialen Konsens.“| (S. 17)

Damit ist jene Verwirrung aufgelöst, die der Buchtitel ausgelöst haben könnte: „Mafia“ bezeichnet eben nicht nur ein italienisches bzw. sizilianisches Phänomen. Mafiöse Vereinigungen existieren und existierten überall auf der Welt. Im Kapitel „Ursprünge“ (S. 12-31) zeichnen die Autoren die Entstehungsgeschichten der wichtigsten Organisationen (sizilianische Mafia, amerikanische Mafia, japanische Yakuza, chinesische Triaden, russische Mafia) nach. Diese reichen nicht selten viele Jahrhunderte in die Vergangenheit zurück, was einleuchtend mit dem spezifischen, quasi alterslosen Organisationsaspekt derartiger Mafias erklärt wird: Hier schließen sich keine ’normalen‘ Verbrecher außerhalb des Systems zusammen. Stattdessen suchen Mafias ausdrücklich die Nähe von Politik und Wirtschaft, dienen sich deren hochrangigen Vertretern an, schaffen Verbindungen, die sich nicht aufkündigen lassen, und verwischen die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität. Die Zeche zahlen stets diejenigen, die einerseits Steuern und andererseits Schutzgelder entrichten müssen.

_Aufstieg der Schattenmächte_

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert förderten historische Entwicklungen die endgültige Etablierung der Mafia („Aufbruch ins 20. Jahrhundert“, S. 32-107). Wo das organisierte Verbrechen womöglich in seinen Keimen noch hätte erstickt werden können, blühte es auf, weil sich korrupte und skrupellose aber legale Gruppen seiner bedienten bzw. zu bedienen glaubten, um Bauern, streikende Arbeiter oder politische Gegner gewaltsam in Schach zu halten.

Die in Millionenzahl nach Nordamerika auswandernden Italiener, Chinesen oder Russen nahmen ‚ihre‘ Mafias mit in die neue Heimat. Dort fassten sie umgehend Fuß und breiteten sich unaufhaltsam aus. In den USA wurde die Prohibition zum Geschenk an die Mafia. Sie verdiente mit dem Verkauf illegalen Alkohols ungeheure Summen, die der Finanzierung weiterer ‚Geschäftszweige‘ wie Glücksspiel oder Drogenhandel dienten. Konkurrenzkämpfe wurden mit Waffengewalt entschieden.

Der Kampf gegen die Mafia verlief nur dort erfolgreich, wo sich der Staat der Methoden des Gegners bediente. In den 1920er Jahren ging der italienische Diktator Mussolini rücksichtslos gegen die sizilianische Mafia vor; ein fragwürdiges und nutzloses Unterfangen, denn im Zweiten Weltkrieg rekrutierten die alliierten Invasoren im Kampf gegen die nazideutschen Besatzer moralfrei ortskundige Mafiosi, die dafür mit Straffreiheit honoriert wurden.

_Das organisierte Verbrechen wird global_

„Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert“ (S. 108-199) durchliefen die Mafias der Welt verschiedene Metamorphosen, ohne sich im Wesenskern zu ändern. Sie übernahmen gewisse Methoden der ‚legalen‘ Konkurrenz und nutzten vor allem die Möglichkeiten der Globalisierung. So profitierte die Russenmafia vom Zusammenbruch der Sowjetunion. Ihre Vertreter stießen ins entstehende Vakuum vor, zogen die Inhaber höchster politischer Ämter auf ihre Seite (oder schalteten sie aus) und entwickelten sich zur „kriminellen Supermacht“.

Ähnlich dicht verzahnten sich das chinesische und das japanische Establishment in Zeiten politischer und wirtschaftlicher Krisen mit den Triaden und der Yakuza. Die 1960er und 70er Jahre ließen den Drogenhandel auf ein nie gekanntes Niveau steigen. Zu den traditionellen Anbau- und Erntegebieten in Asien („Goldenes Dreieck“) kamen die Drogenimperien mittel- und südamerikanischer Kartelle, die zum Teil der Staatsmacht ganz offen Paroli bieten konnten.

_Tradition und Neuerfindung_

„Das neue Jahrtausend“ (S. 200-287) zeigt die globalen Mafias in geschickter Anpassung an die Möglichkeiten, die ihnen das Informationszeitalter bietet. Computerkriminalität bietet einerseits die Chance des ‚digitalen‘ Geldraubs, während die Beute andererseits ‚gewaschen‘ und reinvestiert werden kann, ohne dass Verbrecher gewaltsam Hand anlegen müssten. Da die technischen Möglichkeiten auch der Gegenseite zur Verfügung stehen, musste das organisierte Verbringen allerdings Schlappen hinnehmen. Vor allem die modernen Hightech-Methoden der Überwachung sorgten für spektakuläre Polizei-Erfolge.

Dennoch bleiben entsprechende Ermittlungen ein ewiger Wettlauf, denn die gut finanzierten Mafias rüsten nach. Die internationale Vernetzung gestattet die Zusammenarbeit räumlich und kulturell weit voneinander entfernter Organisationen. Seltsame Bettgesellen schließen sich heute zusammen, um mit Menschen zu handeln, moderne Piraterie zu betreiben oder mit Terroristen zu kooperieren. Interne Querelen werden weiterhin mit Gewalt geklärt, dennoch funktionieren die globalen Bündnisse des Verbrechens, das sich immer wieder neu definiert.

|Eine deprimierende Bestandsaufnahme|

352 Seiten im Format 24 x 30 cm ergeben ein Buch, das dem Leser nicht nur als Bettlektüre schwer im Magen liegt bzw. auf den Bauch drückt, weil es stolze 2,2 kg wiegt. Was ein Kollektiv aus neun Autoren hier an Informationen zusammengetragen hat, zeigt unterm Strich unsere Welt im Würgegriff eines organisierten Verbrechens, das keine einzige Möglichkeit der illegalen Vermögensschaffung unberücksichtigt lässt und dabei eine Findigkeit an den Tag legt, die einer besseren Sache würdig wäre!

Doch die Quellen sind trotz ihrer Vielzahl eindeutig. Obwohl die Mafias sich über den gesamten Globus verteilen, besitzen sie gemeinsame Ursprünge – nicht geografisch oder kulturell, sondern in Entstehung und Entwicklung. Die Pessimisten unter den Lesern wird es kaum überraschend, dass sich das organisierte Verbrechen im Windschatten von Macht- und Geldgier stets prächtig entfalten konnte. Grundsätzlich haben die Reichen & Mächtigen dieser Erde ihre dunklen Spiegelbilder selbst erschaffen.

Sie schufen ihnen ein inzwischen globales Biotop, in dem die Mafias so tief und dicht verwurzelt sind, dass sie nicht mehr auszurotten sind, zumal einst wie jetzt immer genug Institutionen und Individuen bereit sind, sich mit der „ehrenhaften Gesellschaft“ in ihrer Umgebung einzulassen.

|Dickes Buch mit dünnem Faden|

„Mafia“ verspricht seinen Lesern „Die Geschichte der organisierten Kriminalität“. Mit solchen pompösen Titeln sollte man generell vorsichtig sein. In diesem Fall ist das Projekt bereits im Ansatz gescheitert: Obwohl über 300 Seiten stark und mit über 500 Fotos illustriert, bietet dieses Buch in seiner ganzen Opulenz nur ein Überblick, der kaum die Oberfläche des gewählten Themas ankratzt.

Damit könnte man aufgrund des komplexen Themas leben, würde die Darstellung der behaupteten historischen und geografischen Gliederung folgen und dadurch nachvollziehbar bleiben. Stattdessen werden die Beiträge der Verfasser denkbar schlecht miteinander abgestimmt, während die Autoren zu allem Überfluss örtlich wie zeitlich wild umherspringen.

Je weiter wir uns der Gegenwart nähern, desto unruhiger geht es zu. Immer wieder werden abgehakt gewähnte Themen erneut aufgegriffen, verlieren die Verfasser sich in Details und Anekdoten, wo sie dem Gesamtbild mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Prominente Gangster wie Al Capone oder „Lucky“ Luciano wollen anscheinend nicht sterben und tauchen immer wieder in Kapiteln auf, in denen sie nichts mehr verloren haben, wenn man den Kapitelüberschriften Glauben schenken möchte.

|Durcheinander als Programm?|

Fragen wirft auch die Auswahl der Abbildungen auf. Seit es die Fotografie gibt, werden Verbrechen und Verbrecher ausgiebig in Bildern festgehalten, an denen es folglich keinen Mangel gibt. Dennoch stehen in diesem Buch neben seltenen zeitgenössischen Fotos immer wieder völlig beliebige Bilder, die beispielsweise eine alltägliche und im Themenzusammenhang nichtssagende Straßenszene aus New Yorks Chinatown zeigen.

Nachdem die Darstellung auf der Seite 287 recht überstürzt zu ihrem Ende kommt, folgt das Kapitel „Ein Jahrhundert Mafia und organisierte Kriminalität“. Es zeigt in grober chronologischer Ordnung aber inhaltlich willkürlich Fotografien von Kriminellen und Kriminologen, die wir im Hauptteil längst kennengelernt haben. Wieso werden die Bilder also nicht dort gezeigt? Hier wirken sie wie eine Beigabe: Eigentlich haben wir keine Verwendung mehr für sie, aber es wäre schade, diese Fotos nicht zu zeigen. Doch einer bebilderten Geschichte des organisierten Verbrechens eine Chronologie desselben in Bildern anschließen, ist nicht wirklich sinnvoll.

Insgesamt enttäuscht „Mafia“ deshalb trotz des unzweifelhaft hohen Informationsgehalts. Der Aufwand der Darstellung spiegelt sich in der Vermittlung der Fakten nicht wider und ist deshalb vergeblich. Das ehrgeizige Werk bleibt ein gruseliges Bilderbuch. Angesichts des Preises wird sich der Leser damit vermutlich nicht zufriedengeben.

|Gebunden: 352 Seiten
Originaltitel: Mafia. The Necessary Reference to Organized Crime (Elanora Heights/New South Wales : Millennium House 2009)
Übersetzung: Ursula Fethke
ISBN-13: 978-3-8331-5637-3|
[www.ullmann-publishing.com]http://www.ullmann-publishing.com

Page, Nick – letzen Tage Jesu, Die

_Das Osterfest nähert sich_ und mit diesen christlichen Festtagen verbinden wir den Tod und die Auferstehung eines Mannes, der Frieden und Liebe gepredigt hat, der verraten, verkauft und getötet wurde. Dieser Mann ist unsterblich geworden, sein Name, sein Opfer, seine Worte sind der Grundstein einer Religion geworden, in deren Namen viel Recht aber auch Unrecht geschieht.

Die historische Person, sowie der Mensch, der Jesu von Nazareth nun war, ist historisch durch Quellen belegt. Sein Wirken und Handeln imponierte idealisierte Menschen zu großartigen Taten, seine Wunder werden im neuen Testament und in den vier Evangelien gerühmt. Doch immer wieder stellen sich Bibelforscher, Historiker und ein jeder die Frage, wie waren wohl die letzten Tage, die letzten Stunden und Momente dieses Mannes, der von der örtlichen Aristokratie vor Gericht gezerrt wurde, von der römischen Besatzungsmacht gefoltert und gekreuzigt wurde?

Der britische Autor Nick Page beschreibt in seinem im Pattloch-Verlag erschienenen Buch die letzten Wochen Jesu – das heißt – vom Einzug in Jerusalem bis zur Interpretation einer Auferstehung nach seinem grausamen Tod am Kreuz auf Golgatha.

„Die letzten Tage Jesu – Protokoll einer Hinrichtung“ von Nick Page ist kein religionswissenschaftliches Buch, genauso wenig findet man hier wirre, spirituelle Ansätze. Der Autor geht auch nicht auf fiktive Thesen ein, sondern stützt sich auf archäologische Quellen, tatsächliche Personen und Regionen, aber auch die Augenzeugenberichte, die als Grundlage der Evangelien zu sehen sind, finden hier eine äußerst interessante und logische Grundlage. Es ist ein Buch, das den gegenwärtigen Wissenstand um das Leben und Sterben dieses einzigartigen Mannes faktisch plausibel und mit einer großen Wahrscheinlichkeit wiedergibt.

Nick Page erzählt von einem reellen Jesus, keinen Mythos oder eine Metapher, auch nicht von einem Symbol oder einer Legende.

Nein, Nick Page gibt nicht nur Jesus ein Gesicht, sondern einer ganzen Kultur, einer ganzen Region, die alles andere als friedlich und einträchtig gelebt hat. Nick Page betrachtet den Menschen, egal ob es sich um Pontius Pilatus handelt oder um den Hohepriester Kaiphas, jede Person und jedes Interesse der jeweiligen Volksgruppen, die dort mehr oder weniger nebeneinander zusammengelebt haben, wird analysiert und interpretiert. Für die einen war Jesus eine Persona non grata, ein Politikum, dem man sich schnell entledigen musste, denn auch schon vor zweitausend Jahren gab es wirtschaftliche Gründe, auch in der Religion, die vor mit Kalkül geplanten Mord nicht zurückschreckten. Hinter Jesus steckt eine interessante Geschichte, die er hier sehr, sehr spannend erzählt.

Wir wissen alle, wie tragisch und schmerzhaft das Leben Jesus endete. Doch lesen Sie dieses Buch und verfolgen Sie die letzten Momente eines Mannes, der mit der Predigt des Königreichs Gottes eine sagenhaften Bruchlandung im Römischen Imperium hinlegte, aber genau wusste was er tat, bis zum letzten Atemzug am Kreuz.

_Fazit_

„Die letzten Tage Jesu“ von Nick Page sind zeitlich genau getaktet und der Leser wird wie in einer fremden Stadt die letzten Tage von Jesus und seine letzten Spuren verfolgen können. Er wird teilhaben an politischen Machtkämpfen, er wird begreifen, dass Pontius Pilatus gar nicht anders handeln konnte, wenn er nicht einen Aufstand und damit das vernichtende Urteil eines Imperators in Rom riskieren wollte.

Es ist ein sehr professionelles Buch, das nicht nur für gläubige Menschen eventuell eine neue Perspektive präsentiert, sondern auch jedermann davon überzeugt, dass Geschichte sehr spannend ist, wenn man riskiert über den Tellerrand zu schauen, um ein umfassendenes Bild zu bekommen.

Hier wird Religion und Geschichte mit Politik und Gewalt kombiniert. Nick Page schildert die letzten Tage dieses eindrucksvollen Mannes ohne Heroismus und hält sich dabei an Fakten, die man schwerlich leugnen kann.

_Autor_

Nicke Page ist Bestseller-Autor, Kreativ-Berater und Informations-Designer. Er lebt mit seinen drei Töchtern und seiner Frau Claire in Eynsham, einem kleinen Dorf in der britischen Grafschaft Oxfordshire. Mittlerweile hat er mehr als sechzig Bücher veröffentlicht, unter anderem den „HarperCollins Atlas of Bible History“. In Deutschland wurde Nick Page vor allem mit „Bibelblatt – Der Weltbestseller in Schlagzeilen“ bekannt. Die Church of England Newspaper schrieb anlässlich seines Buches „Die letzten Tage Jesu“: „Nick Page ist ein sehr erfahrener, technisch brillanter und akribischer Autor.“

|Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Originaltitel: The Longest Week
ISBN-13: 978-3629022820|
[Verlagshomepage]http://www.droemer-knaur.de/verlage?contentID=80289&verlag=Pattloch+Sachbuch

Michael Willers – Denksport Mathematik. Rätsel, Aufgaben und Eselsbrücken

Terme, Gleichungen, Potenzen, Wurzeln, Logarithmen – das sind Begriffe, bei denen die einen glänzende Augen kriegen und die anderen am liebsten weglaufen möchten. Der kanadische Mathematiklehrer Michael Willers hat mit „Denksport Mathematik. Rätsel, Aufgaben und Eselsbrücken“ ein Buch geschrieben, das die erste Gruppe vergrößern soll.

Im lockeren Plauderton, wie er häufig in nordamerikanischen Sachbüchern zu finden ist, stellt er viele Gebiete der Schulmathematik vor und geht an einigen Stellen sogar darüber hinaus. Bei der Lektüre wird schnell klar, dass der Titel des Buches irreführend ist. Ein typisches „Denksport“-Buch liegt hier nicht vor, „Rätsel und Aufgaben“ zum Selbertüfteln gibt es auch nicht, sondern sie sind Fallbeispiele, mit denen man in die einzelnen Themen eingeführt wird. Der Autor erklärt mathematische Begriffe, erläutert Regeln und führt Rechenwege vor. Anhand der Fallbeispiele verdeutlicht er die Nützlichkeit der Mathematik im Alltag, etwa bei der Finanzrechnung, der Wahrscheinlichkeit, der Verschlüsselung oder verschiedenen geometrischen Problemen. Daneben macht Willers auch einige Exkurse in die Wissenschaftsgeschichte und reißt dabei die aufgeworfenen Probleme, die Denkweisen und die Erkenntnisse der griechischen, arabischen, indischen und abendländischen Mathematik an. Man kann dabei erfahren, dass die Null, die wir heute selbstverständlich als Zahl betrachten, den alten Griechen unbekannt war und erst im 7. Jahrhundert von dem Inder Brahmagupta in die Mathematik eingeführt worden ist.

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Thiele, Johannes – Alles über den kleinen Prinzen

_Verführerisches Sekundärwerk_

Es wird nur wenige Menschen in der westlichen Welt geben, die noch nie von Antoine de Saint-Exupérys Bestseller [„Der kleine Prinz“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6256 gehört haben. Zahlreiche Zitate aus der Geschichte über einen jungen Prinzen, der seinen Weg auf die Erde findet und dort auf einen in der Wüste abgestürzten Piloten trifft, haben sich als Aphorismen in das Menschheitsgedächtnis eingegraben; als bekanntestes Beispiel dürfte wohl der Ausspruch gelten, dass man nur mit dem Herzen gut sehe, weil das Wesentliche für die Augen unsichtbar sei. Nach der Bibel ist „Der kleine Prinz“ das meist übersetzte Buch und hat bereits seinen Weg in die unterschiedlichsten Adaptionen von Comics über Hörbücher bis zu Bühnen- oder Filmversionen genommen.

Der Autor und Publizist Johannes Thiele blickt mit seinem Buch „Alles über den Kleinen Prinzen und wie er seinen Weg zu den Herzen der Menschen fand“ über die eigentliche Geschichte hinaus und widmet zahlreiche Kapitel gerade dieser Wirkung des Buches und den von ihm inspirierten künstlerischen oder auch sozialen Leistungen. Er macht damit die immense Wirkung des Stoffes auf seine Leser deutlich und weckt Verständnis dafür, dass die Bedeutung des vorgeblichen Märchens weit über ein solches hinausgeht.

Natürlich geht er auf die Biografie des Autors ein und bespricht dabei insbesondere die Motive, die sich im „Kleinen Prinzen“ wiederfinden. Er beschäftigt sich mit den Originalillustrationen und setzt diese in Bezug zu den Illustrationen der zahlreichen Übersetzungen und Adaptionen. Doch hauptsächlich ist Thiele ein Fan, der fleißig recherchiert hat und mit allerhand Zahlen aufwartet, welche die Rechtmäßigkeit des Ruhms des „Kleinen Prinzen“ belegen, so dass man als Leser schließlich seinen Hut vor den Erfolgen des Stoffes zieht. Thiele hat sein Sekundärwerk mit Herzblut geschrieben, das dazu führt, dass sich seine Bewunderung auf den Leser überträgt.

Natürlich kann es nicht gelingen, „Alles über den Kleinen Prinzen“ zu schreiben. Schnell wird deutlich, dass jedes Kapitel und vor allem die Interpretationen im Grunde nur Untersuchungsansätze bieten können, die wiederum für sich Stoff für ein eigenes Buch oder weitere Untersuchungen böten. Leider klingen die Kapitel über den |Karl Rauch|-Verlag recht eigenwerbend, und auch die Abbildungen von Ausgaben aus diesem Verlag, wo man sich Abbildungen von Erstausgaben vorstellen könnte, muten eher wie Eigenwerbung an. Doch bietet das Buch neben dem guten Einstieg in den Stoff und seiner Bedeutung zahlreiche Fotos, bekannte Illustrationen und Zitate aus dem „Kleinen Prinzen“ sowie eine sehr schöne typographische Aufmachung mit unterschiedlichen Schriftarten und -farben und eingefärbte Seiten, die über diesen Kritikpunkt hinwegsehen lassen. Als i-Tüpfelchen wären nur noch ein Lesebändchen und ein Leinenumschlag möglich gewesen. Dennoch können Bücherfreunde und Liebhaber der Geschichte Saint-Exupérys durch die bestehende, sehr ansprechende Aufmachung, die schon beim Schutzumschlag beginnt, leicht dazu verführt werden, dieses Buch für eines ihrer Bücherregale zu erwerben, um immer wieder darin zu blättern und zu schmökern. Dieser Verführung nachzugeben, sei ihnen hiermit wärmstens ans Herz gelegt.

|239 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3792001509|
http://www.karl-rauch-verlag.de

Hermann Laage / Norbert Roedel – Operation Noyade: Der letzte Flug von Antoine de Saint-Exupéry in den Vercors

Das Leben schreibt die besten Geschichten

Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry ist den heutigen Lesern vor allem durch seine Erzählung [„Der kleine Prinz“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6256 bekannt. Die meisten wissen auch, dass diese und andere Erzählungen des Autors von seinen Erfahrungen und Erlebnissen als Berufspilot inspiriert wurden, und so mancher hat sich sicherlich gefragt, welche wunderbaren Werke Saint-Exupéry der Welt noch geschenkt hätte, wenn er nicht – so wollen es die Geschichtsbücher – während eines Aufklärungsflugs im Zweiten Weltkrieg abgestürzt wäre.

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Joe Navarro / Marvin Karlins – Menschen lesen

Worum gehts?

Ein solches Buch über Körpersprache hat es noch nie gegeben: geschrieben von einem FBI-Agenten, dessen Aufgabe es 25 Jahre lang war, Spione, Mörder und Verbrecher anhand ihrer Körpersprache zu entlarven. Denn nur 20 Prozent unserer Kommunikation laufen über das gesprochene Wort. Wir kommunizieren also zu 80 Prozent nonverbal und unbewusst. Der international anerkannte Experte Joe Navarro erklärt exakt, wie man sein Gegenüber durchschaut, wie man Gefühle und Verhaltensweisen präzise entschlüsselt, Fallstricken ausweicht und souverän Körperhaltung und Mimik entlarvt, die in die Irre führen sollen. Von Kopf bis Fuß werden Gesten, Haltung und Mimik unter die Lupe genommen und nach dem neuesten Stand der Forschung analysiert. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Als Fan der TV-Krimiserie „Lie to Me“, in der Dr. Cal Lightman Lügner am Gesichtsausdruck und der Körperhaltung erkennt, war ich sehr gespannt darauf, wie nah das Ganze an der Wirklichkeit ist. Und vorab kann ich sagen, es ist tatsächlich fundiert, was im Fernsehen erzählt wird.

Joe Navarro, der mit Hilfe von Marvin Karlins, einem Professor für Management, dieses Buch geschrieben hat, erweckt von der ersten Seite an das Gefühl, dass er weiß, wovon er spricht. Nie oberlehrerhaft oder mit erhobenem Zeigefinger, noch darauf pochend, dass er die einzige unumstößliche Wahrheit kennt, führt er durch seinen Ratgeber. Trotzdem er immer wieder Beispiele aus seiner langjährigen Berufserfahrung bei der Überführung von Verbrechern und Lügner oder als Berater bei Geschäftsabschlüssen anbringt, sagt er dennoch, dass er nicht unfehlbar ist. Auch er hat sich schon von geschickten Lügnern hinters Licht führen lassen und das gibt er auch offen zu. Das macht ihn und sein Buch umso sympathischer.

Nicht nur mit Hilfe von beschreibenden Fallbeispielen erläutert Navarro, woran jeder Mensch am Gegenüber erkennen kann, ob dieser gerade nervös ist, sich wohlfühlt oder am liebsten ganz schnell verschwinden möchte. Navarro ist auch auf den meisten der 90 Bilder zu sehen, die es in seinem Ratgeber zu sehen gibt. Hier zeigt er dem Leser die Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen, von denen er im Text spricht. Und das sind eine Menge.

Auch wenn sich 270 Seiten auf den ersten Blick ein wenig dünn anhören, so sind sie doch gefüllt mit jeder Menge nützlicher Tipps und Hinweisen. Ohne seitenschindendes Geschwafel erzählt Navarro in neun Kapiteln, welche unbewussten Reaktionen unser limbisches System in bestimmten Situationen auslöst und wie man diese erkennen kann. Was verraten die Stellung unserer Füße, unsere Handhaltung, die Mimik und die Haltung unserer Arme über das Wohl- oder Unwohlbefinden unseres Gegenübers?

Navarro hat für alles Beispiele aus seiner langjährigen Praxis parat, die in jedem Kapitel in grauen Textblöcken zu finden sind. So eröffnen sich dem Leser zwei Wege, sich mit der Thematik des „Menschenlesens“ zu befassen. Er kann die grauen Textblöcke lesen und sich dazu die Bilder ansehen und in relativ kurzer Zeit einen Überblick darüber bekommen, was der Autor vermitteln will. Er kann aber auch in Ruhe weiter in die Tiefe gehen und die einzelnen Kapitel komplett lesen, die noch mehr Details verraten und mehr Hilfe geben.

Und für wen ist dieses Buch nun?

Nicht nur Fans von US-Krimiserien finden hier die Grundlagen, nach denen im Fernsehen ermittelt wird, auch für die Praxis im echten Leben wird hier einiges geboten. So erhalten hier sowohl Personalentscheider als auch Bewerber nützliche Tipps, wie man sich in einem Vorstellungsgespräch am besten verhält oder im Auswahlverfahren erkennt, was der Bewerber zu verbergen hat.

Aber auch im täglichen Miteinander in der Partnerschaft, unter Freunden oder Kollegen weiß man mit ein wenig Sensibilisierung und dem richtigen Blick für die kleinen aber deutlichen nonverbalen Zeichen der anderen, wie sich der Gegenüber fühlt und wie man ein Gespräch in die gewünschten Bahnen lenkt.

Der Autor

JOE NAVARRO, Jahrgang 1953, kam mit acht Jahren aus Kuba in die USA. Da er kein Wort Englisch sprach, entdeckte er sehr früh den Nutzen der nonverbalen Kommunikation. Später entlarvte er als FBI-Agent in der Abteilung für pionageabwehr 25 Jahre lang Spione, indem er ihre Körpersprache beobachtete und ihre wahren Gedanken und Gefühle bloßlegte. Heute unterrichtet er das Entschlüsseln nonverbaler Kommunikation an Universitäten und verfasst Bücher. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Ein wirklich fundierter, praxisorientierter Ratgeber, der interessant geschrieben und immer dicht am Leben ist. Nicht abgehoben oder bevormundend, sondern beratend erklärt der Autor dem Leser, was dieser selbst an anderen erkennen kann und wie er es interpretieren sollte.

Taschenbuch: 270 Seiten
Originaltitel: What Every Body is Saying (2008)
Aus dem Amerikanischen von Erwin Magnus
ISBN-13: 978-3-86882-213-7
www.mvg-verlag.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Kührer, Florian – Vampire – Monster. Mythos. Medienstar

Vampire boomen – immer noch. Im gut sortierten Bahnhofsbuchhandel findet sich unter Umständen sogar ein ganzer Tisch, der unter dem schieren Gewicht der Veröffentlichungen (Marke: triviale Massenware) zusammen zu brechen droht. Doch natürlich ist der Vampir mehr als der momentane Trend und das unbedingte Bedürfnis der Verlage, so viel Blutsauger auf den Markt zu werfen wie dieser nur irgendwie verkraften kann. „Das Thema Vampir, sein Wesen, sein Motiv, ist alles andere als trivial,“ sagt Florian Kührer, Autor des vor kurzem erschienenen Sachbuchs „Vampire. Monster, Mythos, Medienstar“. Recht hat er.

Nun gibt es auch an wissenschaftlicher Literatur keinen Mangel, auch wenn eines der Standardwerke zum Thema, „Von denen Vampiren und Menschensaugern“ von Sturm und Völker, schon seit Jahren vergriffen ist. Wer sich über den historischen, den literarischen, den filmischen Vampir informieren will oder wer an den Gender- bzw. Rassenaspekten interessiert ist, dem stehen eine Fülle an Veröffentlichungen zu Verfügung. Wer jedoch alles in einem gut lesbaren und vor allem aktuellen Buch lesen möchte, dem sei Kührers Rundumschlag ans Herz gelegt.

Leser, die Vorwissen mitbringen, werden schnell den roten Faden erkennen, an dem Florian Kührer sich durch Geschichte und Kunst vorarbeitet. Der Aufbau seines Buchs ist demnach ausgesprochen logisch – man bekommt bei der Lektüre fast den Eindruck, die Geschichte des Vampirs konnte nur so und nicht anders verlaufen, weil Kührer so anschaulich zeigt, wie bestimmte Entwicklungen aufeinander aufbauen. Natürlich startet auch er beim Volksglauben in Ost- und Mitteleuropa und rekapituliert die berühmten Vampirfälle des 18. Jahrhunderts, die – gut dokumentiert von eifrigen Beamten und Ärzten – in die Geschichte eingingen und zu ihrer Zeit den Siegeszug des Vampirs im Westen markierten. In Form von Zeitungs- und Magazinartikeln, die die Vampirseuche beschrieben, wurde die Idee des Vampirs schon damals zum Medienstar. Interessant sind hierbei die Trennlinien, die Kührer zieht. Als Romanist bringt er einen differenzierten Blick mit für die Wechselwirkungen zwischen Ost und West, Fremdartigkeit und Vorurteil. Denn was die damaligen (westlichen) Medien aus dem Wiedergänger der osteuropäischen Nachbarn gemacht haben, hat seiner Meinung nach wenig mit den tatsächlichen Gegebenheiten zu tun. Zum einen saugt der osteuropäische Vampir kein Blut (stattdessen beraubt er – in der Regel seine Familie – der Lebensenergie, bis diese ihm ins Grab folgt) und zum anderen ist auch der Begriff „Vampir“ einer, der dem Wesen vom Westen übergestülpt wurde. In Rumänien zumindest, dem Land, das wir gemeinhin als Ursprungsland der Vampire ausmachen, gibt es das Wort gar nicht. Es wurde später sozusagen reimportiert, als das Land feststellte, dass alle Welt annahm, dort auf den Spuren Draculas wandeln zu können.

Die Geschichte geht bei Kührer fast fließend in die Literatur über. In einer Passage, die selbst schon literarisch anmutet, beschreibt er sehr bildlich, wie der Vampir den Sprung zum Medienstar schaffte: “Bevor die Wissenschaft den erst wenige Jahre zuvor als Bündel von Phänomenen entdeckten Vampir endgültig aus ihrem Repertoire der gelehrten Abhandlungen verweisen konnte, zog dieser sich in die Ecken der Bibliotheken zurück, um die Zeit bis zu seiner Neukreation als Text-Monster in den Enzyklopädien und Dictionnaires zu überdauern. Die Literaten des 19. Jahrhunderts sollten ihn wenige Jahrzehnte später finden, die Konstruktion des vermeintlich historischen Vampirs vernichten und aus den vor allem in sprachlichen Metaphern erhaltenen Versatzstücken ein völlig neues Wesen schaffen, das geeignet war, einen Siegeszug als Medienstar anzutreten.” So schön und bildlich wurde der Übergang vom untoten schmutzverkrusteten Wiedergänger aus Südosteuropa zum attraktiv-gefährlichen Vampir wohl noch nie beschrieben. (Außer vielleicht in Anne Rices Roman [„Interview mit einem Vampir“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=68 , doch sie braucht dafür viel mehr Worte.)

Was Kührer hier klar zu machen versucht, ist entscheidend: Dass nämlich der Vampir, wie wir ihn heute kennen, kaum etwas mit dem historischen Volksglauben gemein hat. Trotzdem fußt er in gewisser Weise auf diesem. Ohne diese erste Welle von Artikeln und wissenschaftlichen Abhandlungen zur Existenz von Vampiren hätten die Künstler Westeuropas vielleicht einem ganz anderen Mythos auf den Zahn gefühlt. Und dass der Vampir damals en vogue war, beweist die Liste illustrer Autoren, die sich literarisch mit ihm auseinandersetzten: von Geothe über Tolstoi bis E.T.A Hoffmann ist alles dabei. Allerdings beginnt die literarische Zeitrechnung mit dem ansonsten unbekannten John William Polidori und seiner 1819 veröffentlichten Erzählung [„Der Vampyr“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=5426 . Hier schlägt für den Vampir die Stunde Null, denn hier findet seine Reinkarnation von der puren belebten Leiche zum fühlenden – wenn auch grausamen – Byronic Hero statt. Auch heute noch kann man diesen Vampirtypus in zahlreichen Publikationen finden, man denke nur an den hedonistischen Lestat aus der „Chronik der Vampire“.

Florian Kührer arbeitet alle üblichen Verdächtigen ab. So geht er sowohl auf Le Fanu als auch auf Byron ein und natürlich ist Bram Stoker ein besonderer Platz reserviert. An Aktualität gewinnen Kührers Ausführungen dadurch, dass er auch auf neuere Strömungen eingeht, so zum Beispiel auf die heute allgegenwärtige „Twilight“-Serie. Der Vampir kann heute für alles herhalten: „Er ist Teenie-Schwarm und Werbeträger, Antisemit und Massenmörder – ‚allen ist er alles geworden‘. Läuft der Vampir Gefahr, sich durch seine ausufernde Präsenz selbst zu trivialisieren?“ Kührer beantwortet seine Frage an späterer Stelle mit etwas Wehmut selbst: „Besonders Puristen werden sich angesichts der jüngsten Vampirgeschichten wünschen, dass endlich auch ein Gegentrend zur erzählerischen Trivialisierung und vor allem zur völligen Entgrenzung des Stoffes einsetzt.“ Damit trifft er den Nagel auf den Kopf, denn der Vampir muss heute in der Unterhaltungsindustrie für so ziemlich alles herhalten. Der Staubsauger namens „Vampyr“ ist da noch die harmlose Variante – Florian Kührer hat auch zu diesem Themenkomplex einiges zu berichten.

Natürlich wird auch die Filmkarriere des Vampirs beleuchtet. Dazu kommen Genderaspekte (z.B. zu [„Carmilla“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=993 als der ersten weiblichen Vampirin) und die Beleuchtung der Metapher des Blutes. Alles in allem bietet Kührer einen gut gelungenen – und vor allem fundierten – Rundumschlag, der auch neuere Erkenntnisse der Forschung aufgreift und zum Beispiel ältere Publikationen kritisch untersucht. Besonders genannt seien hier Montague Summers Kuriositätenkabinett “The Vampire in Lore and Legend” und die Veröffentlichungen der beiden Wissenschaftler McNally und Fiorescu, die den historischen Vlad Tepes mit dem literarischen Dracula untrennbar verbanden.

Zu Hochform läuft Florian Kührer auf, wenn er das Spannungsfeld zwischen Ost- und Westeuropa anhand des Vampirs unter die Lupe nimmt. Wie der ursprüngliche Volksglauben in die westlichen Gazetten und von dort zwischen Buchdeckel kam, um schließlich erst im 20. Jahrhundert wieder in Rumänien tatsächlich als „Vampir“ anzukommen – das ist eine faszinierende Geschichte, die einer noch umfassenderen Untersuchung harrt. Vielleicht Stoff für ein nächstes Buch?

|Gebundene Ausgabe: 295 Seiten
ISBN-13: 978-3766613967|

Andersen, Mads – Superflieger der Welt

Bücher über Flugzeuge gibt es bekanntlich viele – das Angebot ist nahezu unüberschaubar. Da sind solche, die jedes Modell bis ins kleineste Schräubchen hinein vermessen und katalogisieren, dann wiederum Bücher, die sich eher allgemein mit der Luftfahrt beschäftigen. Manche befassen sich nur mit Militärmaschinen (oft sogar nur einer einzigen Epoche), die anderen kümmern sich ausschließlich um die zivile Fliegerei. Dort eine Lücke zu finden, um sich zu positionieren, fällt nicht leicht. Mads Andersens „Superflieger der Welt – Die sensationellsten Flugzeuge aller Zeiten“ aus dem |Bassermann|-Verlag versucht dies mit einer auf besondere Modelle reduzierten Flugzeugpalette von den Anfängen bis heute.

_Inhalt_

Insgesamt 100 mehr oder weniger kuriose und/oder berühmte Flugzeuge hat der Autor aus der Geschichte der Luftfahrt ausgegraben und ihnen dadurch den „sensationell“-Stempel aufgedrückt. Begonnen von den Anfängen der Fliegerei arbeitet sich Andersen langsam bis zu Zukunftsvisionen vor, allerdings sind die Flugzeuge nicht wirklich chronologisch sortiert. Die Gliederung richtet sich eher nach Themenbereich respektive Einsatzzweck der jeweiligen Flugzeuggattung. Unterschieden wird zudem in Militär- und Zivilluftfahrt, wobei der militärische Anteil erwartungsgemäß groß ausfällt. Grundsätzlich sind jedem Flieger zwei Seiten zugedacht: ein textlicher Infoteil (meist mit Illustration oder Bildern) und ein ganzseitiges Bild inklusive der wichtigsten Eckdaten. Selten wird diese Regel allerdings auch gebrochen und zwei Maschinen müssen sich dann eine Doppelseite teilen.

_Eindrücke_

Das Militär ist seit jeher Triebmotor für technische Entwicklungen – für die Luftfahrt ab dem Zweiten Weltkrieg gilt dies in besonders hohem Maße -, daher ist der Anteil an „Warbirds“ entsprechend hoch. Es fällt aber auf, dass nicht alle nennenswerten Flugzeugtypen vorhanden sind. Der Grund hierfür bleibt all zu oft schleierhaft. So ist zwar die Junkers JU 87 „Stuka“ (erwartungsgemäß) vertreten, allerdings ist dies wahrlich kein Superflieger, sondern eine im Kampf ziemlich lausig abschneidende Maschine. Rekorde hat sie auch nie gebrochen. Es sei denn, man zählt die hohen Verluste dieses Typs als solchen. Ihr hoher allgemeiner Bekanntheitsgrad dürfte hier anscheinend der Grund für die Aufnahme gewesen sein.

Wären solche Negativbeispiele sonst erwünscht gewesen, so hätte sicherlich auch das wohl mieseste Kampfflugzeug des Zweiten Weltkriegs unbedingt hinein gemusst: Die japanische Mitsubishi A6M-Reisen (besser bekannt als „Zero“ oder „Zecke“). Oder aus moderneren Zeiten der so genannte „Starfighter“, der aufgrund seiner Unzuverlässigkeit den wenig schmeichelhaften Namen „fliegender Sarg“ bekam. Die Japaner hätten, was das angeht, übrigens gleich mehrere Eisen im Feuer gehabt. Anders die Russen mit der Iljuschin IL-2 und anderen Entwicklungen oder die Franzosen, die mit der Dewoitine D-502 eine wenig beachtete Maschine am Start hatten, die es seinerzeit mit der (eigentlich zu Unrecht hoch gelobten) Messerschmitt BF 109 durchaus aufnehmen konnte. Die ist hier selbstverständlich gelistet.

Beispiele für weitere erfolgreiche Konstruktionen, die es aber auch nicht ins Buch schafften, wären – auf amerikanischer Seite – etwa Lockheed P38-J „Lightning“, bei der Luftwaffe wegen ihres charakteristischen Doppelrumpfes damals ehrfürchtig als „Gabelschwanzteufel“ bezeichnet. Der North American P51-D „Mustang“ gebührte als einer der ersten Höhenjäger eigentlich ein Platz in einer solchen Publikation, genauso wie ihrer direkten Gegenspielerin, der Focke Wulf FW 190 in allen ihren Varianten von A4 bis D9. Dieses Flugzeug gilt als eins der besten je gebauten Kampfflugzeuge des Zweiten Weltkriegs. Oder die berühmte Fokker DR-1 des berühmten „Roten Barons“ Manfred von Richthofen: nicht dabei. Die Liste ließe sich sicherlich noch beliebig fortführen – ist aber rein subjektiv.

Nun ist eine Auswahl sicherlich schwierig: welches Flugzeug darf hinein und welches muss außen vor bleiben? Das Kriterium „sensationell“ oder „Superflieger“ ist da denkbar schwammig. Irgendetwas Besonderes können ja fast alle; welcher Flieger durch das Raster fällt ist also eine Definitionsfrage, die allein dem Autor bzw. der Projektleitung oblag. Dem Flugzeugbegeisterten, speziell dem kundigen, fehlen bestimmt so einige Typen – das bemerkt man bereits beim ersten schnellen Überblick der Inhaltsangabe. Natürlich ist dieses Empfinden stark persönlich gefärbt. Man hat eine gewisse Erwartungshaltung, welche Flugzeuge man auf jeden Fall zu finden hofft. Dementsprechend groß ist die Enttäuschung, wenn genau diese nicht enthalten sind und sich einem der Grund dafür entzieht.

Interessant auch, dass einige Hubschrauber und Zukunftsvisionen mit aufgenommen, Luftschiffe jedoch komplett ausgeklammert wurden. Das erscheint angesichts so manch schrägem Flugapparat im Buch, der das Forschungsstadium nie verließ, unverständlich. Dabei sind gerade diese eine ganz besonders interessante Art von Flugzeug, welches sich von der anfälligen Zeppelinbauart (Stichwort: LZ 119 „Hindenburg“) bis zum heutigen „Blimp“ entwickelte und immer noch in Gebrauch ist. Dafür hätte man das eine oder andere (Flächen-)Fluggerät ruhig weglassen können, wenn der Platz schon nicht reichte, möglichst viele (und wichtige) Meilensteine auf (zu) knappen 210 Seiten zu verewigen. Die Selbstbeschränkung auf 100 Modelle rächt sich einmal mehr. Einige recht seltene Bonbons finden sich aber dann doch.

Die Präsentation ist durchwachsen, auf der Haben-Seite stehen ordentliche, oft großformatige Fotos auf qualitativ anständigem Papier – meist sind es zwei pro Maschine, welchen in aller Regel eine Doppelseite gewidmet ist. Der zugehörige Text informiert grob über den jeweiligen Flieger, ohne all zu sehr ins Detail zu gehen. Das verdeutlicht, dass es sich hierbei eigentlich eher um einen Bildband denn um ein technisches Nachschlagewerk handelt. Gelegentlich sind die recht dürren Informationen auch noch widersprüchlich oder nicht ganz zutreffend bzw. einfach nicht genau genug recherchiert. Beispiel (S.86/87): BF 109G Vmax im Text: 728 km/h, im Infokasten auf der Seite daneben (gleicher Typ „Gustav“) gingen schlappe 100 km/h flöten: 621 km/h.

Auf Seite 36 wird behauptet, nur die Lufthansa hätte noch eine flugfähige JU 52 (Anm.: Beheimatet auf dem Rhein-Ruhr-Flughafen Düsseldorf, bei schönem Wetter sogar erfreulich oft am Himmel NRWs zu sehen – und zu hören). Das stimmt so nicht. In der Schweiz kurvt auch noch eine funktionstüchtige „Tante Ju“ herum. Hinzu gesellen sich diverse Rechtschreibfehler, wovon der auf Seite 26 schon etwas peinlich und dann auch noch im 24pt-Fettdruck in der Headline prangt: „Junker“. Da hat jemand das „s“ vermutlich aus der Sonne kommend abgeschossen – ohne dabei das tief und fest schlafende Lektorat aufzuwecken. Auch beim „Ostblock“ auf Seite 44 würde ein vorangestelltes „ehemaliger“ sicher eine stilistisch bessere Figur machen, respektive die Realität exakter widerspiegeln. Das sind übrigens keine Einzelfälle.

_Fazit_

Auf 210 Seiten erschöpfende Auskünfte über etwa die Hälfte soviel Flugzeuge zu erwarten, wäre realitätsfern. Die Fotos können eigentlich durch die Bank überzeugen, die Aufmachung ist für ein knapp 8 Euro teures Werk beachtlich schön und wertig. Leider kann der textliche Inhalt da bezüglich Informationsausbeute, Stil und schludrigem Lektorat nicht recht mithalten. Zudem fehlen einige anerkannt wichtige Maschinen – sowie Luftschiffe – völlig. Das Buch ist somit ein Bildband für anspruchslosere Flugzeugbegeisterte oder solche, die ohnehin jeden Schnipsel bezüglich Luftfahrt sammeln. Für diesen Preis macht man allerdings nichts verkehrt.

|ISBN-13: 978-3-8094-2347-8
210 Seiten, zahlreiche Abbildungen
A4-Querformat – gebunden|
http://www.bassermann-verlag.de/