Jan-Erik Fjell – Schattenwald (Anton Brekke 08)

Ringparabel mit tödlichem Twist

Nach einer durchfeierten Nacht verschwindet nahe Oslo die junge Cecilie Olin. Zwei Tage später wird ihre Leiche in einem Waldstück entdeckt, sie wurde entsetzlich misshandelt und erdrosselt, ihr Ehering fehlt. Sofort fällt der Verdacht auf Cecilies Mann, doch dann wird eine weitere Frau vermisst. Der junge Ermittler Magnus Torp sucht Hilfe bei seinem Kollegen und Mentor Anton Brekke, der der Polizei nach einem traumatischen Fall den Rücken gekehrt hat. Zunächst will Anton nichts mit der Sache zu tun haben, zu sehr quälen ihn die Dämonen der Vergangenheit. Doch das Verbrechen lässt ihm keine Ruhe. Anton begibt sich auf die Spur des Mörders und damit erneut in bedrohliche Dunkelheit … (Verlagsinfo)

Der Autor

Jan-Erik Fjell wurde 1982 geboren und wuchs bei Fredrikstad im Osten des Oslofjords auf. Er studierte Informatik, heute ist er als Radiomoderator tätig und widmet sich dem Schreiben von Kriminalromanen. Er zählt zu den erfolgreichsten Krimiautoren Norwegens und wurde mit dem renommierten Preis des norwegischen Buchhandels und dem Frederik-Preis ausgezeichnet. Seine Thriller um den Kommissar Anton Brekke stürmen in Norwegen regelmäßig die Buchcharts und sind auch hierzulande Bestseller.

Die Anton-Brekke-Reihe

1) Nebelstille
2) Kälteeinbruch (2013)
3) Racheglut
4) Blutwinter
5) Düsterstunde
6) Nachtjagd
7) Dunkelhaus
8) Schattenwald
9) Finsterherz

Handlung

Nach einer durchfeierten Nacht verschwindet in Fredrikstad nahe Oslo die Krankenschwester Cecilie Olin. Ihr Mann Fredrik, denn sie kurz zuvor anrief, meldet sie als vermisst. Zwei Tage später wird ihre Leiche in einem Waldstück entdeckt, sie sieht aus, als wäre sie überfahren worden, aber sie wurde auch erdrosselt, ihr Ehering fehlt. Sofort fällt der Verdacht auf Cecilies Mann, schließlich auch auf seinen Vorgänger in Cecilies Leben, einen Mann, der kurz zuvor aus der Haftanstalt entlassen worden war.

Dann wird eine weitere Frau vermisst: Lisette Ness ist die Frau des Zeitungsredakteurs Elias Ness. Auch sie hatte einen Liebhaber, doch Tony Isdahl, der Fischhändler, sagt Kommissarin Kristin Mayer, er habe sich vor wenigen Wochen von ihr getrennt. Es könnte sich als fatal erweisen, dass sich ausgerechnet Kristin Mayer in einen potentiell Verdächtigen verliebt.

Anton Brekke

Der junge Ermittler Magnus Torp fühlt sich etwas überfordert und sucht Hilfe bei seinem Kollegen und früheren Mentor Anton Brekke, der der Polizei nach einem traumatischen Fall (in „Dunkelhaus“) den Rücken gekehrt hat. Nun betreut der inzwischen spielsüchtig gewordene Anton selbstmordgefährdete Insassen der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses von Fredrikstad. Die 17-jährige Nora, die sich wenige Tage zuvor die Pulsadern aufgeschnitten hat, findet den bärtigen Alten lustig. Als er wieder aufbricht, umarmt sie ihn. Er muss sie in die Obhut eines älteren Pflegers übergeben, eines gewissen Didrick Ryde.

Volda, 1999, Tag 38-77

Der Namenlose ist in Rebekka Vehler verliebt, doch es gibt einen Haken: ihre Familie. Das sind offenbar Superchristen, und Rebekka ist ihr Augapfel. Der biblische Hinweis auf Jakob und seine vier Frauen hilft wenig, um Rebekka rumzukriegen, obwohl nach zwölf Dates die Chance besteht, dass sie bereits schwanger ist. Sie bestreitet das jedoch. Dass sie gesteht, er sei bereits ihr dritter Liebhaber, ist auch nicht gerade erbaulich.

In ihm baut sich eine gewisse Spannung auf, und so geht er noch einen Schritt weiter: Er kauft ihren ein Brillantring, um seine Liebe zu bekräftigen. Sie sagt zwar, der Ring sei wunderschön, doch sie muss sich nicht für ihren Verehrer entscheiden. Als sie zu ihrer Familie nach Mandal reisen will, glaubt er ihr nicht, sondern beginnt, sie zu überwachen. Tatsächlich kommt er ihr auf die Spur, als sie sich mit einem Mitstudenten trifft, ausgerechnet in dessen Wohnung. Als sie wieder herauskommt, ist er bereit, sie zur Rede zu stellen. Doch bei Worten bleibt es nicht…

Fredrikstad, heute

Es sind die Überwachungsvideos, die Torp schließlich auf die Spur von Björn Farsund führen, Cecilies vorherigem Liebhaber, der aus dem Gefängnis freikam. Er war verurteilt worden, weil er, ein Rettungsarzt, ihr, der Krankenschwester, Gewalt angetan hatte. In seiner ersten Aussage hat Farsund Torp noch einige Lügen aufgetischt wie sich nun herausstellt. Bei seiner zweiten Aussage „ergänzt“ er diese Aussage: Ja, er war in der Nacht ihres Todes an ihrem Wohnort. Die Frage lautet nun: warum und wozu?

Antons Jagd

Anton hat einige harte Nächte in diversen Casinos hinter sich. Als er wieder bei Torp aufkreuzt, sieht er aus wie der Tod auf Beinen, doch er hat eine Tasche voller Bargeld bei sich. Die muss er unauffällig über die Grenze zwischen Schweden und Norwegen schmuggeln, und der schnelle Sportwagen Torps ist dafür genau das richtige Fahrzeug, findet Anton.

Als er aber erfährt, dass sein Schützling Nora erhängt aufgefunden worden sei, durchfährt ihn erst tiefer Schmerz, dann heiße Wut. Er glaubt keine Sekunde, dass sie Selbstmord begangen habe, sondern knöpft sich diesen undurchsichtigen, lügnerischen Didrik Ryde vor. Er bittet Torp, die Vergangenheit dieses Typen zu durchleuchten. Und tatsächlich: Eine Spur toter Mädchen lässt einen schweren Verdacht auf Ryde fallen.

Torp fragt zu Recht, warum Ryde nie beschuldigt oder angeklagt worden sei. Ganz einfach, antwortet Anton: Ryde macht es wie Anton selbst, indem er nämlich selbst kündigte, bevor ein Verdacht auf ihn fallen konnte. Auch im Fall Nora hat Ryde rechtzeitig gekündigt. Doch Anton kennt eine Methode, wie er Nora späte Gerechtigkeit verschaffen lassen kann…

Mein Eindruck

Geschickt präsentiert der Autor dem Leser mehrere tatverdächtige Männer, die Cecilie, Lisette und Rebekka auf dem Gewissen haben könnten. Da ist zunächst Cecilies Ehemann Fredrik Olin, der sehr niedergeschlagen wirkt. Aber wer hat ihm denn einen Brillantring in den Briefkasten gelegt? Dann ist noch Lisettes Ehemann Elias Ness, der ebenfalls einen Brillantring in seinem Briefkasten liegen hat (der aber wie bei Fredrik von Torp gefunden wird). Und auch Rebekkas namenloser Verehrer hat ihr kurz vor ihrem Tod einen Brillantring geschenkt. Dieses Dingsymbol der Treue und Verbundenheit haben drei Männer gemeinsam. Es trennen sie jedoch rund zwanzig Jahre voneinander. Wirklich, fragt sich Magnus Torp.

Unmerklich beginnt der Autor eine Art Hütchenspiel mit diesen drei Ringen, und der Leser muss ihm darin folgen. In zahlreichen Rückblenden spielt Rebekkas Mörder seine tödliche Überwachungstaktik weiter: mit Rebekkas Cousine Trine. Er ist ein unvergleichlicher Schauspieler, wie sich zeigt, als er sich in eine Selbsthilfegruppe von Trauernden einschleicht, die in Örsta zusammenkommt. Er braucht nur zu erzählen, er trauere um eine verstorbene Freundin, und schon sind ihm die Sympathien von Trine und den anderen Frauen sicher. Sich mit Trine anzufreunden, ist anschließend ein Kinderspiel denn sie fühlt sich sehr einsam. Sie vertraut ein Geheimnis an, das sich für sie als fatal erweist: die Sache mit dem Elefantenmann.

Drei Ermittlungsansätze kommen schließlich zusammen: Torp kümmert sich um Ness, Olin und Rebekkas Mörder, Kristin Mayer um Isdahl. Anton ist ein frei herumschwirrendes Radikal, ein Joker, der sich zum Schluss als nützlich oder schädlich erweisen kann. Wie auch immer: Torp und Anton kommen zum selben Schluss. In einem Showdown auf Leben und Tod müssen sie einander beistehen, so wie das schon in „Nachtjagd“ der Fall war.

Die Übersetzung

Ich konnte keine Fehler finden. Volle Punktzahl!

Unterm Strich

Ich habe nur wenige Tage für diesen Krimi gebraucht. Wieder hat sich meine positive Erfahrung, die ich mit dem Autor in „Nachtjagd“ gemacht habe, bestätigt. Dem Autor gelingt es immer wieder, eine spannende Wendung herbeizuzaubern, so dass der Leser nicht auf das gefasst ist, was auf ihn zukommt.

Es ist auch nicht einfach, die drei Hauptverdächtigen auf eine Tat festzunageln. Wer hat Rebekka, Cecilie in die vermisste Lisette auf dem Gewissen? Dem Leser bleibt nichts anderes übrig, als selbst zum Detektiv zu werden und bei den Verdächtigen nach Indizien zu suchen. Ein Hinweis besteht in der unmäßigen Wut, die zum brutalen Mord an Cecilie geführt haben muss. Es ist die gleiche Wut, der offenbar 20 Jahre zuvor auch Rebekka Vehler zum Opfer gefallen ist. Doch was ist das Motiv dahinter? Die drei Ringe könnten einen Hinweis liefern…

Ein Wunsch

Ich hätte mich bei den zahlreichen Tatorten leichter zurechtgefunden, wenn das Buch eine kleine Landkarte enthalten hätte. Während Oslo und Göteborg (wo Antons Casino liegt) als bekannt vorausgesetzt werden können, gilt dies nicht für Volda, wo eine Universität liegt, Östa und Mandal. Sie liegen in Südwest-Norwegen, wohin keine Autobahn führt und die Berge den Zugang zu den Tälern erschweren.

Diese Abgeschiedenheit erklärt wohl auch das tief verwurzelte, strenge Christentum protestantischer Konfession, dem Rebekka und ihre Cousine Trine unterliegen. Ihrer beider Mörder ist weltoffener, nimmt man zunächst an, doch dann wird klar, dass er sehr viel wert auf Treue und Bindung legt, wenn es um seine Frauenbekanntschaften geht: eine etwas archaische, alttestamentarische Haltung.

Es ist also vielleicht ratsam, sich zu fragen, woher seine Wut auf Frauen rührt. In dieser Hinsicht hätte der Autor noch mehr Hinweise liefern können. Nach dem turbulenten Finale empfiehlt sich die nochmalige Lektüre, um das Puzzle besser zusammensetzen zu können.

Hinweis zur Reihenfolge

Etliche Male verweisen Torp und Brekke auf die Ereignisse in „Dunkelhaus“. Daher empfiehlt sich die Lektüre von Brekkes und Torps Fällen in der vom Autor vorgesehenen Reihenfolge. Was in „Dunkelhaus“ passiert, wird angedeutet: Das sind Spoiler! Mehr darf nicht verraten werden.

Taschenbuch: 432 Seiten.
O-Titel: Ringmannen. 2021
Aus dem Norwegischen von Andreas Brunstermann
ISBN-13: 9783442206674

Goldmann-Verlag

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