Mondfeld, Wolfram zu / Wertheim, Barbara zu – Schule der Gladiatoren, Die

Freunde des Bestsellers [Der Meister des siebten Siegels 54 dürfen sich auf Nachschub freuen: Wolfram zu Mondfeld, Co-Autor des Meisterwerks rund um das abenteuerliche Leben des Adam Dreyling, legt diesmal jedoch einen im alten Rom spielenden Roman vor. Anstelle von Johannes K. Soyener teilte er sich dieses Mal die Arbeit mit seiner Frau, Barbara zu Wertheim.

Zu Zeiten des Kaisers Nero wird der junge Germane Eppor in die Sklaverei verkauft. Doch das Schicksal meint es gut mit ihm: Gladius Felix, ehemaliger Gladiator und Besitzer der Gladiatura „Felix Felix“, kauft ihn und bildet ihn auf seinem italienischen Landgut nahe Puteolis zum Netzkämpfer aus.

Als „Scorpio“ gewinnt er den Respekt des Pöbels in den Arenen des Imperiums und wird zum Adoptivsohn von Gladius Felix. Doch das Leben eines Gladiators ist reich an Gefahren … und nicht nur in der Arena droht das Verderben. Scorpio wird den Ausbruch des Vesuvs, den Brand von Rom unter der Herrschaft Neros sowie das blutige Dreikaiserjahr und den folgenden Aufstieg der legendären Kaiser Vespasian und Titus aus der flavischen Dynastie nicht nur miterleben, sondern sogar daran beteiligt sein.

Das abenteuerliche Leben Scorpios bildet die Rahmenhandlung, aus seiner Perspektive wird die Geschichte auch erzählt. Gründliche Recherche römischer Sitten und Gebräuche rundet das Bild ab, die Einbindung bekannter historischer Figuren erinnert ebenfalls an das erfolgreiche Muster des Vorgängers „Der Meister des siebten Siegels“, an dem sich Wolfram zu Mondfeld sichtlich orientiert.

Neu ist der Familiengedanke: Die Gladiatura „Felix Felix“ macht ihrem Namen alle Ehre: eine schrecklich nette Familie mit zahlreichen illustren Mitgliedern. Hier ist wahrlich nichts historisch oder glaubwürdig, eine Extraportion heile Gladiatorenwelt, die jedem Humanisten Tränen der Rührung in die Augen treiben würde. Wer sich an den sehr modernen und mehr als aufgeklärten Waringhams von Rebecca Gablé bereits störte, wird erleben, dass man das durchaus noch steigern kann; leider wirkt dies sowohl im Mittelalter als auch im alten Rom unglaubwürdig und aufgesetzt.

Während der Beschreibung der klassischen Gladiatorentypen wie Murmillo, Thraex oder Retiarius (Scorpio ist ein solcher Netzkämpfer mit Dreizack) viel Platz eingeräumt wird – teilweise wiederholt sich der Autor hierbei -, nimmt sich die Beschreibung der Kämpfe in der Arena bescheiden aus. Hier fehlt es dem Autor ein wenig an Fantasie, auch fällt negativ auf, wie selbst bei Kämpfen, die mit dem Tod eines Gladiatoren der Schule Felix Felix enden, der Heile-Welt-Charakter des Buches überwiegt und kein echtes Bedauern beim Leser aufkommen kann.

Für Abwechslung steht auch die bunt gemischte Gladiatorentruppe: Das rothaarige britonische „Ungeheuer“ Fulmina, die wohlgeformte und ihre Rundungen im Kampf mitunter als tödliche Ablenkung einsetzende lesbische Speerkämpferin Leoparda, das etwas rundliche und kleine, aber trickreiche „Schweinchen“ Purpureus sowie der stets sorglose und optimistische pechschwarze Nigeralbus, Sohn des Trainers Amaranthus und seiner germanischen Gattin Freia, sorgen für ein betont harmonisches Umfeld, zu dem bestenfalls der etwas knauserige Verwalter und einige gierige Geldverleiher sowie dem Wahnsinn verfallende römische Kaiser einen leider ebenso einseitigen Kontrast darstellen.

Eine der wichtigsten Nebenfiguren des Romans stellt der rätselhafte, geheimnisumwitterte Stargladiator „Tarquinius“ dar. Stets tritt er in einer schwarz-silbernen Rüstung in seinen Kämpfen „sine missio“ (bis zum Tod ohne Begnadigung) an und hat wenig übrig für das Töten, kämpft nur gegen als Schlächter verrufene Gladiatoren, begeistert mit seinem Schwertspiel, Geschick und Persönlichkeit aber dennoch das „Pöblikum“. Eine sehr begeisterte Hommage an Ridley Scotts „Gladiator“ Maximus. Als an einer Christin interessierter Mithraspriester ist Tarquinius jedoch vielschichtiger, an einem Kampf vor dem großen Cäsar – wenn auch nicht gegen ihn – kommt aber auch er nicht vorbei.

Zwiespältig ist die Schilderung einiger historischer Begebenheiten zu sehen: Erste Vorbeben in Pompeji einschließlich des späteren vernichtenden Ausbruchs des Vesuvs, der Brand in Rom sowie die Beschreibung der zur „Naumarchie“ umgebauten Arena, in der die Seeschlacht von Actium nachgestellt werden sollte, konnten mich nicht begeistern. Zu flüchtig und zwanghaft wirkten sie in die Handlung eingefügt, während einige banale und durchschaubare Handlungsstränge zu viel Raum einnahmen. Hier zollt der Autor der Erzählweise leider Tribut, Scorpios Leben hangelt sich oft gezwungen von Ereignis zu Ereignis.

Dieser Malus stellt zusammen mit der kitschigen Idylle der Gladiatorenschule Felix Felix die Hauptkritikpunkte dar. Positiv zu werten ist der gefällige und flüssige Schreibstil, auch kann man sich dem Charme der sympathischen Charaktere nur schwer entziehen. Leider erreicht Wolfram zu Mondfeld nicht ganz die beeindruckende Informationsdichte und den Abwechslungsreichtum des „Meisters“, zudem ist der Handlungsverlauf wesentlich vorhersehbarer, größere Überraschungen oder Wendungen gibt es keine.

Ein guter Roman, der jedoch nicht an die Klasse des „Meisters des siebten Siegels“ anknüpfen kann. Trotz einiger kritischer Anmerkungen aus moderner Warte, die seltsam anmuten, wenn der Autor sie dem Gladiator Scorpio in den Mund legt, vergällte mir die übermäßig ausgeprägte romantisierende Schönfärberei den Genuss und schadete dem Roman.

Amnon Kapeliuk – Yassir Arafat – Die Biografie. Vorwort von Nelson Mandela

Arafats Leben ist nicht von der Politik zu trennen, und das vorliegende Buch stellt somit eher einen akribischen Bericht über die Nahostpolitik dar, wie man sie nur selten findet. Denn behandelt werden all die internen Querelen und Eigenheiten des palästinensischen Widerstands. Eigentlich ist es eine Biografie der Fatah, der PLO, der Palästinensischen Nationalbehörde – aber auch der Beziehungen zur gesamten arabischen Welt wie auch der internationalen Beziehungen.

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Simmons, Dan – Lovedeath

Dan Simmons hat sich in der Vergangenheit in den verschiedensten Genres einen Namen machen können. So begeisterte der in Peoria/Illinois geboren Schriftsteller sein Publikum unter anderem mit Science-Fiction- und Horror-Romanen. Zwei der elementarsten Themen seiner Bücher waren dabei stets die Liebe und der Tod. Vor mehr als zehn Jahren, genauer gesagt 1993, hat Simmons daher auch einige Novellen verfasst, die sich ausschließlich mit diesen Schwerpunkten befassen, doch die Veröffentlichung dieser Texte zog schließlich einige Schwierigkeiten nach sich. Während der Autor diese fünf Kurzgeschichten in Amerika noch im selben Jahr auf den Markt bringen konnte, fand sich in Europa kein Verlag für die düsteren Erzählungen des Erfolgsautors. Erst zwölf Jahre später hat sich mit dem |Festa|-Verlag ein würdiger Vertrieb für den Sammelband namens „Lovedeath“ gefunden, der die fünf Episoden, begleitet von einem etwas weiter ausgedehnten Vorwort, nun auch dem deutschen Publikum zugänglich macht. Bis auf das preisgekrönte „Sterben in Bangkok“ sind die Geschichten hierzulande noch nie publiziert worden, und warum dies fast schon schändlich zu nennen ist, möchte ich in den nächsten Zeilen erklären. Doch erst einmal mehr zum eigentlichen Inhalt:

_Die Novellen_

|“Das Bett der Entropie um Mitternacht“|

Ein Versicherungsvertreter fährt mit seiner sechsjährigen Tochter Caroline ins winterliche Colorado. Doch ihr Weg in das Städtchen Boulder wird von düsteren Nebengedanken seitens des Protagonisten überschattet. Immer wieder schießen ihm Gedanken durch den Kopf, die mit seiner beruflichen Vergangenheit in Verbindung stehen. Er hat ein so genanntes |Orange File| angelegt, in dem sämtliche Unfälle, mit denen er sich bislang beschäftigen musste, aufgelistet sind. Doch nicht nur im Job ist der Mann mit Unfällen beschäftigt: Auch sein Sohn kam damals bei einem solchen ums Leben, und nun befürchtet er, dass auch seiner geliebten Tochter etwas passieren könnte. Denn eines ist ihm klar: Liebe und Tod standen in seinem Leben immer im direkten Zusammenhang zueinander …

|“Tod in Bangkok“|

Der amerikanische Arzt Merrill kehrt nach langer Zeit zurück auf die Rotlichtmeile von Bangkok. Während des Vietnamkrieges war er schon mal dort gewesen, um sich hier von den harten Strapazen der grausamen Schlacht zu erholen, jedoch musste seine Freundin Tres den Urlaub damals mit dem Leben bezahlen.

Etliche Jahre später kehrt die Erinnerung an den früheren Aufenthalt wieder zurück in Merrills Gedächtnis, und der Wunsch, die mehr als zwei Dekaden zurückliegende Schreckenstat zu rächen, keimt in dem Mediziner erneut auf. Also begibt er sich mitten im anrüchigsten Viertel von Bangkok auf die Suche nach einer mysteriösen Dame, die einen entscheidenden Einfluss auf die damaligen Ereignisse hatte.

|“Sex mit Zahnfrauen“|

Ein Medizinmann und ein Schriftsteller tauschen sich über die Vorfahren der Lakota-Indianer aus und kommen auf die Sage eines tollpatschigen Indianers zu sprechen, der einst vorgab, zum Medizinmann berufen zu sein, um so bei der Damenwelt zu landen. Daraufhin wird er einer Prüfung unterzogen, deren Ritual dem Mann namens Lahmer Dachs eine Offenbarung beschert, infolge derer er sich plötzlich sogar mit drei ziemlich eigenwilligen Damen auseinander setzen muss … die Frau, deretwegen er überhaupt erst in diese Lage gekommen ist, scheint indes in unerreichbarer Ferne zu sein.

|“Rückblende“|

In gar nicht ferner Zukunft hat sich die Weltordnung komplett verändert. Die USA sind als einstige führende Kraft vollkommen entmachtet und ihre Bürger leben seitdem im totalen Chaos. Während in den Städten die Kriminalitätsrate stetig steigt und fast überall eine bedrohliche Dunstwolke den nächsten Smogalarm ankündigt, sieht das Volk sein einziges verbliebenes Heil in einer Droge namens ‚Flashback‘. Mittels dieses Mittels ist es den Menschen möglich, die schönsten Erinnerungen der Vergangenheit neu aufleben zu lassen, doch kaum hat man seinen Rausch verlebt, verfällt man in tiefe Depression.

Auch Carols Familie hat mit den Auswirkungen der Modedroge zu kämpfen. Sie selbst verfällt stets in Nostalgie, wenn sie die gemeinsamen Momente mit ihrem Ex-Mann von neuem erlebt, ihr Vater ist mit den Folgen des Attentats auf Kennedy beschäftigt, und ihr jugendlicher Sohn leidet unter den Missständen der Entwicklung und führt ein Leben unter den Gangs der Stadt. Der durch die Erinnerung hervorgerufene Kick wird immer wieder von einer tiefen Melancholie begleitet, und so ist auch die Familie von Carol dem totalen Zerfall preisgegeben, aus dem es anscheinend keinen Ausweg mehr gibt.

|“Der große Liebhaber“|

Der englische Dichter James Edward Rooke erzählt in seinem Tagebuch von seinen grausamen Erlebnissen aus dem Ersten Weltkrieg und dabei in erster Linie von Geschehnissen, die sich im direkten Umfeld des Kriegsschauplatzes an der Somme abgespielt haben. Vor Ort hat er mit eigenen Augen beobachtet, wie die erste echte Kriegsmaschinerie Millionen Menschen das Leben kostete. Rookes Verwunderung darüber, dass er selber noch immer am Leben ist, ist beinahe genauso groß wie der Ekel vor den grauenvollen Begebenheiten, die der Krieg einem jeden Augenzeugen beschert, und genau diesem verleiht der Dichter in seinen Tagebucheinträgen von der Front auch lautstark Ausdruck.

_Meine Meinung_

Die ersten Seiten dieses Buches fand ich persönlich ziemlich anstrengend. Da wäre zunächst einmal das Vorwort, in dem sich der Autor ziemlich breit über verschiedene Motivationen bezüglich der fünf Novellen auslässt und darüber hinaus auch noch einige recht mysteriöse Gedankenanstöße gibt. Zwar ist dies alles ziemlich interessant, nach einer Weile aber auch wirklich langatmig und darf daher auch getrost überschlagen werden, zumal es auch nicht zwingend zum Verständnis der enthaltenen Kurzgeschichten beiträgt.

Einen echten Einstieg muss somit die erste Erzählung „Das Bett der Entropie um Mitternacht“ liefern, doch auch hier macht Simmons es seinem Publikum nicht gerade leicht. Die wirren Gedankenstränge des erzählenden Protagonisten und die ständigen Einschübe, in denen er von den Erfahrungen seines Berufes redet, wirken anfangs enorm irritierend und laden auch nicht gerade zum Weiterlesen an. Erst als der wahre Hintergrund dieser Rückblicke ersichtlich wird, gewinnt die Geschichte an Tempo und zeigt den tatsächlichen Charakter dieses vollkommen verstörten Mannes. Beeindruckend ist hierbei, wie emotionslos Simmons seine Hauptfigur gestaltet. Jegliche emotionale Regung geht zwischen den ständigen Unfallberichten verloren, und doch geht es in dieser Geschichte auch vorrangig um das Thema Liebe. Ein toller Einstieg in dieses Buch, auch wenn die Anlaufzeit ein wenig länger war.

Die zweite Geschichte ist ein echter Klassiker und wurde auch schon mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Die Geschichte um den rachedürstigen Vietnam-Veteranen, der ganze 22 Jahre gewartet hat, um sein Gewissen zu bereinigen, geht unter die Haut, ist aber gleichzeitig auch ziemlich abstoßend. Speziell die Beschreibung der Rotlichtmeile ist wirklich erschreckend, ergänzt sich aber prima mit der unreinen Gedankenwelt des zurückgekehrten Arztes. Simmons spielt mit der Brutalität der Psyche und hält so die Spannung aufrecht bis zum packenden Schluss. Meiner Meinung nach ganz klar das Highlight dieses Sammelbands.

Die dritte Erzählung will nicht so ganz zum Rest passen und ist meiner Meinung nach auch klar die schwächste im Rahmen dieses Buches. Es will irgendwie keine richtige Atmosphäre aufkommen, und verglichen mit den vorherigen Novellen sind auch die Hauptcharaktere hier nicht so fesselnd dargestellt. Lesenswert ist „Sex mit Zahnfrauen“ aber allemal, nicht zuletzt, weil der Autor hier eine kleine Prise seines überaus skurrilen Humors beigemischt hat.

„Rückblende“ ist der Vertreter des Science-Fiction-Genres in diesem Buch. Simmons zeichnet ein sehr skeptisches Zukunftsbild und beschreibt die Welt als einen düsteren Moloch mit einigen apokalyptischen Szenarien, die jedoch in diesem Fall noch im ersten Stadium sind. Es ist eine hochtechnisierte, kriminelle und total verschmutzte Welt, in der die Gedanken an die Vergangenheit der einzige Rettungsanker für das eigene Glück sind. Das hierbei geschilderte Familiendrama eignet sich vorzüglich als Beispiel für ein zukünftiges Szenario, das sich selbst die skeptischsten Schwarzmaler kaum finsterer vorstellen können. Auch hier gilt: packende Atmosphäre, tolle individuelle Charaktere und eine sehr beklemmende, stark aufgebaute Handlung.

In seiner letzten Novelle kehrt Simmons noch einmal zur Kriegsthematik zurück und berichtet direkt von der Front. Jedoch lässt der Autor die handelsüblichen Klischees außen vor und befasst sich vielmehr mit dem Seelenleben des fiktiven Erzählers. Dass es sich dabei um eine sehr poetisch veranlagte Person handelt, verstärkt die dramatische Wirkung seiner Tagebucheinträge enorm, doch noch besser und fesselnder sind die verschiedenen Einträge von Soldaten, die der Autor aus Originalbriefen übernommen hat. Simmons entwirft in dieser letzten Geschichte ein sehr authentisches Bild des Grauens, das einem Beteiligten an der Kriegsfront tagtäglich widerfährt, und untermauert die wiederum sehr düstere Stimmung dieser Novelle mit bewegenden Momentaufnahmen aus erster Hand. Im Grunde genommen kann man hier auch den Anfang all dessen sehen, was Simmons zuvor als einen sehr negativen, generationenübergreifenden Entwicklungsschritt in „Rückblende“ beleuchtet.

So unterschiedlich die einzelnen Episoden auch sind, so viele Gemeinsamkeiten haben sie dann schlussendlich wieder. Der größte gemeinsame Nenner ist dabei ganz klar die unterkühlte, manchmal auch erschreckende Grundstimmung, die sich durch die fünf Geschichten zieht. Simmons zeigt sich als Meister der finsteren Lyrik und betrachtet in kurzen Aufnahmen Ausschnitte aus dem Leben von Personen, die irgendwo am Rande der Gesellschaft stehen, weil sie in sich Probleme tragen, denen sie nicht gewachsen sind bzw. deren Ursprung sie nicht beeinflussen konnten. Jede dieser kurzen Novellen ist ein kleines Meisterwerk für sich (auch wenn „Sex mit Zahnfrauen“ qualitativ ein wenig abfällt) und in ihrer Form definitiv einzigartig. Wichtig ist diesbezüglich, dass der Autor hierzu keine besonderen Effekte verwendet. Ganz besonnen wirft er den Leser in das Leben der Betroffenen und holt ihn quasi am Tiefpunkt wieder heraus, eben dort, wo die Spannung ihren Höhepunkt erreicht, und hier sorgt er besonders bei „Tod in Bangkok“ und „Der große Liebhaber“ für eine kurzzeitige Gänsehaut ob des enorm kaltherzigen Anstrichs dieser Erzählungen.

Mit „Lovedeath“ ist Dan Simmons vor mehr als zehn Jahren ein enorm starkes, in seiner Ausprägung zudem überaus vielseitiges Werk gelungen, das man – ist man einmal infiziert – so schnell nicht mehr aus der Hand legen kann. In Schriftsteller-Kreisen ist der Verfasser dieser fünf Kurzromane bereits eine echte Ikone, und nachdem ich dieses Buch gelesen habe, wird auch klar, warum das so ist. „Lovedeath“ ist eine perfekt inszenierte Attacke auf die Psyche des Lesers und hinterlässt dort einen bleibenden Eindruck. Ich kann die hierin enthaltenen Geschichten und somit den Sammelband nur wärmstens weiterempfehlen und möchte genau dies zum Abschluss dieser Rezension auch tun!

http://www.festa-verlag.de

Collins, Pamela / Dembski-Bowden, Aaron / McFarland, Jonathan – Antagonisten (WoD)

_Allgemein_

Antagonisten sind im Rollenspiel, aber auch in Filmen und Romanen, das Salz in der Suppe, denn was wäre ein James Bond ohne einen Doktor No? Ein Superman ohne Lex Luthor? Oder Homer Simpson ohne Nad Flanders? Richtig, stinklangweilig!

Der Quellenband „Antagonisten“ ist für alle Publikationen unter dem Banner „Die Welt der Dunkelheit“ geeignet, sprich „Vampire: Requiem“, „Werwolf: Paria“ und „Magus: Erwachen“, und stellt eine Art Monsterhandbuch dar. Hierbei beschäftigt es sich mit allem, was den Spielercharakteren so gefährlich werden kann, mal abgesehen von anderen Vampiren, Magiern oder Werwölfen.

_Inhalt_

Im ersten Kapitel: ‚Die lebenden Toten‘ werden Zombies, Seelenlose und Wiedergänger behandelt. Das klingt zwar alles gleich, doch bestehen einige Unterschiede bezüglich Erschaffung, Fähigkeiten und Aussehen, auf die ich hier jetzt nicht näher eingehen möchte.

In ‚Durst nach Rache‘ spielen solche Menschen die Hauptrolle, die sich der übernatürlichen Wesenheiten (also der Spieler) bewusst sind und gegen diese kämpfen. Stärken, Schwächen, Taktiken, Motivationen und Gepflogenheiten dieser Monsterjäger werden genauestens durchleuchtet.

Ebenfalls um hauptsächlich menschliche Gegner dreht es sich auch bei den Kulten und Sekten, die in Kapitel drei: ‚Die Gerechten und die Gottlosen‘ vorgestellt werden. Nicht nur die verschiedenen Arten von Sekten (Ufosekten, Todeskulte etc.) werden an dieser Stelle beschrieben, sondern auch auf die etwaigen Sorten von Gehrinwäschen, Anwerbetaktiken und Sektenstrukturen wird detailliert eingegangen.

Last but not least kommen die echten Monster noch zur Geltung. Schon einmal von einer Aswang, der Bestie von Bethlehem, einem Giftmoder oder den Grotnicks gehört? Diese vier Monsterrassen und noch sechs weitere werden hier vorgestellt, und diese sollten jede Spielergruppe ordentlich ins Schwitzen bringen.

_Mein Eindruck:_

Wer von einem Monsterhandbuch seitenlange Tabellen erwartet, sollte von den |Feder & Schwert|-„Antagonisten“ die Finger lassen. Natürlich werden auch Werte angegeben, doch liegt die Betonung ganz klar auf dem „auch“, denn diese sind bestenfalls als Richtlinien zur Gestaltung der Gegner zu sehen. In diesem Quellenband wird Wert auf allgemeine Beschreibungen der möglichen Feinde, zum Beispiel anhand von Geschichten, gelegt. Motive, Vorgehensweisen und Hintergründe sind hier schwerer gewichtet als schnöde Würfelzahlen.

Außerdem wurde dem Spielleiter mehr Freiraum bei der Gestaltung seiner Antagonisten gewährt, denn selbst wenn ein Spieler diesen Quellenband gelesen haben sollte, kann er sich nie wirklich sicher sein, womit er es zu tun hat. So gibt es verschiedene Sorten von Zombies sowie mehrere Entstehungsmöglichkeiten derselben. Etwa kann jemand durch virale Verseuchung zum Zombie werden (wie in „Resident Evil“), durch ein Vodoo- oder anderweitiges Ritual, oder durch eine Laune der Natur. Dies erhält einerseits die Spannung aufrecht und ermöglicht andererseits dem Spielleiter, sich durch einschlägige Filme und Bücher Anregungen en masse zu holen.

„Antagonisten“ ist so konzipiert, dass es hauptsächlich Ideen für Chroniken und Abenteuer bieten soll, und das ist voll gelungen. Allein schon die jeweiligen Beispielcharaktere bieten dem aufmerksamen Leser eine Vielzahl solcher Anregungen. Obwohl die Werte nur rudimentär preisgegeben werden, sollte Spieler lieber die Finger von diesem Quellenband lassen, da sie sich sonst selber einiger Überraschungen berauben.

Die Aufmachung ist wie für |Feder & Schwert| üblich nur als vorbildlich zu bezeichnen: Hardcover-Einband, tolle Grafiken und Bilder und ein einwandfreies Layout werden geboten. Einfach klasse ist auch der Anfangsprolog ‚Detroit Mystere‘, aus dem man eigentlich ein ganzes Buch machen sollte. So gesehen, hat sich der Kauf schon fast wegen dieses Prologes gelohnt, aber auch die anderen kurzen Geschichtchen, die dieser Band enthält, sind wirklich unterhaltsam.

_Fazit_

Dieser Quellenband ist eine wahre Fundgrube für Spielleiter, die ihrer Chronik etwas mehr Pep verleihen und mal etwas anderes als die ständigen Probleme mit anderen Vampiren oder Revierstreitigkeiten darstellen wollen. Spieler sollten es sich aber wirklich zweimal überlegen, „Antagonisten“ zu lesen, denn es kann einiges an Spaß rauben, zu viel zu wissen. Alles in allem ist dies aber ganz klar ein interessanter und lesenswerter Quellenband, der für alle „Welt der Dunkelheit“-Erweiterungen äußerst nützlich ist.

http://www.feder-und-schwert.com/

_Weiterführende Rezensionen bei |Buchwurm.info|:_

[„Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ 1607

[„Vampire: Requiem“ 1701
[„Riten des Drachen“ 1728
[„Lancea Sancta“ 2087

[„Werwolf: Paria“ 1970

Henke, Sandra / Dirks, Kerstin – Begierde des Blutes. Erotischer Vampir-Roman

Tamara Malt ist eine typische Karrierefrau. Sie arbeitet in London als Werbetexterin und geht völlig in ihrem Job auf. Für Privates – und schon gar für Männer – bleibt da keine Zeit. Sie kuschelt sich lieber abends mit ihrem Kater Grey ins Bett, eine Ikone für alle Singlefrauen. Überhaupt findet sie sich für romantische Abenteuer zu schüchtern und kalt und belässt es dabei, vom berühmten Mr. Right zu träumen, anstatt ihn zu suchen.

Doch das Schicksal meint es gut mit ihr. Eines Tages findet sie die Memoiren einer gewissen Sophie Langsdale in ihrer Post. Im 18. Jahrhundert lebte diese in Westminster und verliebte sich unsterblich in den Vampir Jeremy. Dies bringt natürlich einige Komplikationen mit sich. Zunächst einmal ist ihr Vater alles andere als begeistert, dass sie sich mit einem Blutsauger eingelassen hat und dann bewohnen auch noch zwei finstere Gestalten das elterliche Gasthaus, die sich später (wenig überraschend) als Vampirjäger herausstellen sollen. Doch Sophie ist fest entschlossen, sich ihren Jeremy nicht nehmen zu lassen. Aber kann sie auch gegen Intrigen und Erpressung ankämpfen?

Tamara ist fasziniert, ihre Neugierde geweckt. Vampire sollen wirklich existieren? So richtig kann sie das nicht glauben, und doch sieht das Manuskript authentisch aus. Als Sophie den Wohnsitz ihres untoten Liebhabers erwähnt, macht sich Tamara auf den Weg, herauszufinden, ob dieses Haus noch existiert.

Sie soll fündig werden, auf jede erdenkliche Art und Weise. Als sie nämlich in das verlassene Haus einbricht, wird sie von dem jetzigen Besitzer, Dorian, gestellt. Es kommt, wie es kommen muss. Zwischen beiden knistert es gewaltig, und wenn sich daraus zunächst auch keine Liebesgeschichte entwickelt, so doch zumindest eine Reihe wilder Sexabenteuer. Als Tamara Dorians Namen dann in Sophies Memoiren entdeckt, steckt sie schon viel zu tief in der Tinte, als dass sie noch auf Rettung hoffen könnte …

„Begierde des Blutes“ ist untertitelt als „Erotischer Vampir-Roman“. Da das genüssliche Beißen in schlanke Frauenhälse schon immer einen erotischen Unterton hatte, liegt es nahe, beides explizit zu verbinden. Andere Autoren haben dieses Potenzial ebenfalls erkannt, doch das Autorenduo Sandra Henke und Kerstin Dirks ist wohl in der Darstellung bisher am deutlichsten. Denn hier geht es durchaus zur Sache, der Roman ist gespickt mit wohl dosierten Sexszenen, eingebettet in die beiden Handlungsstränge um Sophie und Tamara.

Zunächst zu den gelungenen Passagen: Der vampirische Hintergrund ist durchaus interessant, wenn auch nicht besonders originell. Die verschiedenen Vampirlogen böten viel Erzählstoff. Leider wird dieser historische Hintergrund im Keim erstickt und zugunsten von Liebesschwüren und Sexkapaden schnell aufgegeben. Da es sich bei „Begierde des Blutes“ um den ersten Teil einer Trilogie handelt, bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Autorinnen überraschende Enthüllungen für die Fortsetzungen aufgespart haben.

Zugebenen, wichtiger als die eigentliche Handlung sind wohl die Sexszenen. Die Autorinnen haben sich hier für leicht verruchte Settings entschieden, um Tamaras verschüttete Abenteuerlust zu wecken. Da hängt die Arme auch schonmal mit nacktem Oberkörper aus dem Fenster, während Dorian weiter unten zur Sache kommt. Auch leichte Fesselspielchen und ein Hauch Voyeurismus kommen vor. Die Sprache ist da leider nicht so wagemutig. Anstatt die Dinge beim Namen zu nennen, entscheiden sich Henke & Dirks für so blumige Umschreibungen wie „Honigtopf“ oder „Liebesfrucht“. Bei solchen Fantasiewörtern stellt sich statt dem erotischen Kribbeln bei der geneigten Leserin eher ein herzhaftes Lachen ein.

Auch Handlung und Charaktere können nicht völlig überzeugen. Henke & Dirks, die beide bisher Heftromane geschrieben haben, bleiben hier in Stereotypen stecken und können ihren Charakteren kaum Tiefe oder gar Charme verleihen. Während Sophie und Jeremy noch einigermaßen glaubhaft beim Leser ankommen, bleiben Tamara und Dorian besonders schablonenhaft. Gerade die überraschende Wendung am Schluss und Dorians Erklärung seiner Motive wirkt konstruiert und kaum überzeugend. Die Schwächen in der Handlung sind ebenfalls auffällig, wenn ein verrückt gewordener mörderischer Vampir nur als Kunstgriff eingeführt wird, um die Beziehung zwischen Sophie und Jeremy voranzutreiben. Eine gute Idee, deren Potenzial leider total verspielt wird, da selbiger Vampir auf wenigen Seiten abgehandelt wird.

„Begierde des Blutes“ ist für 16,90 € beim |Plaisir d’Amour|-Verlag erschienen – ein stolzer Preis für ein 202 Seiten starkes Taschenbuch. Der Roman ist nur etwas für eingefleischte Fans, und auch die sollten sich vielleicht eher an die viel günstigere eBook-Version halten, die auf der Homepage des Verlags zu erwerben ist.

[Plaisir d’Amour-Verlagshomepage]http://www.plaisirdamourbooks.com/

Kirstein, Rosemary – Geheimnis des Saumländers, Das (Die Expedition der Steuerfrau 2)

Band 1: [Das magische Juwel 2183

Rowan und Bel haben auf ihrem Weg zu den Staubhöhen die Grenze des Saumlandes erreicht. Das Saumland ist eine äußerst gefährliche Gegend, für eine kleine Gruppe von zweien erst recht. Deshalb wollen die beiden Frauen einen Stamm finden, der bereit ist, sie mitzunehmen. Ein schwieriges Unterfangen, Fremde sind bei den Saumländern wenig erwünscht. Als sie jedoch einem fremden Krieger das Leben retten, wird ihnen endlich Gastrecht gewährt.

Beide Frauen freunden sich rasch mit den Menschen an. Besonders gut versteht Rowan sich mit Fletcher, einem Binnenländer, der als Krieger in den Stamm aufgenommen wurde. Noch weiß sie nicht, dass er Geheimnisse hat, und die meisten sind ziemlich dunkel …

Der Schwerpunkt des zweiten Bandes liegt massiv auf dem Saumland und seinen Bewohnern. Das Bild entsteht vor dem Auge des Lesers auf eine Weise, als würde jemand einen roten Teppich ausrollen. Zuerst die Landschaft mit ihren Pflanzen und Tieren, dann die Saumländer und ihre Kultur. Es ist ein äußerst karges, rauhes Land, durch das Rowan da wandert. Eigentlich können Menschen dort gar nicht leben, denn es wächst nichts, das für Menschen genießbar wäre. Die meisten Pflanzen sind giftig, Wild gibt es keines. Deshalb sind die Stämme Nomaden und leben von ihren Ziegen. Die wiederum ernähren sich mühsam vom Rotgras, was auch nicht wirklich gesund für die Tiere ist. Das Leben im Saumland ist ein ewiger Krieg gegen das Land selbst sowie gegen andere Stämme, vor allem um Weideland. Und auch gegen Kobolde und andere Ungeheuer, die hier vermehrt auftauchen und den Fantasy-Charakterzug des Buches etwas stärker hervorheben.

Dass auf einer solchen Basis keine Hochkultur entstehen kann, ist logisch. Trotzdem sind die sogenannten Barbaren durchaus nicht unzivilisiert. Sie haben ein ein starkes soziales Netz, Arbeitsteilung, Dichtung und Kunst. Und natürlich, wie wir von Bel wissen, ein ausgeprägtes Ehrgefühl. Eine stimmige und auch stimmungsvolle Darstellung eines harten Volkes.

Da Rowan diesmal entgegen ihrer Gewohnheit in einer großen Gruppe reist, tauchen wesentlich mehr Personen auf als bisher. Die Ausarbeitung ist äußerst unterschiedlich von bloßer Erwähnung über ein oder zwei kurze Gespräche bis hin zu immer wieder auftauchend und schließlich wichtig. Die tragenden Charaktere sind auch weiterhin Rowan und Bel.

Neben diesen beiden ist Fletcher entscheidend. Ganz gleich, was geschieht, Fletcher scheint stets damit zu tun zu haben. Entweder ist er persönlich dabei, oder er taucht in irgendeinem Zusammenhang in den Gesprächen mit den Stammesmitgliedern auf. Und mit der Zeit schält sich ein seltsames Bild heraus: An sich ist Fletcher ein gutmütiger Kerl. Er scherzt gerne und begleitet seine Worte mit lebhafter Gestik und Mimik. Bei seinem ersten Auftauchen musste ich an einen Schauspieler denken. Die meisten Angehörigen des Stammes halten ihn, gelinde gesagt, für ziemlich schräg, denn Fletcher hat ein paar seltsame Angewohnheiten. Dazu gehört zum Beispiel, dass er zum Beten das Lager verlässt, um unbeobachtet zu sein. Einige allerdings halten ihn auch für einen Versager, und was die Fechtkunst angeht, trifft das auch durchaus zu. Das Seltsamste allerdings ist, dass er in die unmöglichsten Situationen gerät und über die erstaunlichsten Dinge stolpert, ohne dass ihm je etwas passiert. Der Ausdruck „knapp davonkommen“ ist beinahe schon ein Synonym für ihn.

Ich könnte nicht sagen, dass Fletcher mir unsympatisch gewesen wäre. Er war einfach ein komischer Vogel. Ich weiß nicht mehr, an welcher Stelle mir der Gedanke kam, er könnte ein Verbündeter der Magi sein und wann ich den Gedanken wieder verwarf. Tatsache ist, dass ich unterschwellig ständig damit beschäftigt war herauszufinden, was mit ihm nicht stimmte.

Durch die starke Gewichtung dieser beiden Punkte – die Darstellung des Saumlandes und das Rätsel um Fletcher – geriet die eigentliche Angelegenheit, nämlich die Frage nach dem abgestürzten Leitstern, ziemlich ins Abseits. Sie taucht nur auf, wenn Bel anderen Saumländern gegenüber massiv darauf hinweist, dass das Saumland durch die Magi beziehungsweise Slado bedroht ist, also etwa zweimal. Erst gegen Ende, als sich das Rätsel um Fletcher löst, rückt das eigentliche Rätsel des Zyklus wieder mehr in den Vordergrund. Der Lösung kommt man allerdings kaum näher. Die Andeutung, dass die Magie in Kirsteins Welt ziemlich viel mit Technik zu tun hat, wird jetzt eindeutig; was Slado aber genau bezweckt mit dem, was er tut, ist durchaus nicht so eindeutig, oder zumindest ergibt es keinen Sinn. Was an Antworten hierzu in diesem Band zu holen war, ist bereits recht früh klar und auch recht kärglich, sodass am Ende erneut ein gewisses Gefühl der Enttäuschung zurückbleibt.

Alles in allem entspricht das Niveau dieses Bandes ungefähr dem seines Vorgängers. Das Land und die Kultur der Saumländer sind durchdacht und gelungen, die Fortschritte innerhalb von Rowans Vorhaben dagegen eher mager. Das führte irgendwann zu einem leichten Hänger, an dem ich mich fragte, wann die Autorin wohl mit dem Aufbau ihrer Saumlandkultur fertig wäre und die Handlung sich endlich wieder weiterbewegen würde. Viele Geschehnisse hingen nicht mit dem Grund für Rowans Reise zusammen, sondern mit Fletcher, was gewissermaßen zu einer Handlung innerhalb der Handlung geführt hat. Nun war Fletcher für das Endergebnis des Buches nicht unwichtig, ein wenig Straffung allerdings hätte nicht geschadet.

Ich hoffe also, dass Kirstein im dritten Band ein wenig mehr am eigentlichen Thema bleibt und wenigstens ein paar Informationen über die Magie im Allgemeinen und über die Leitsterne im Besonderen herausrückt, damit der Leser zur Abwechslung mal das Gefühl hat voranzukommen. Allzu große Geheimniskrämerei wirkt frustrierend und nimmt die Lust am Weiterlesen, sofern man nicht gerade an krankhafter Neugier leidet.

Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Außer „Das magische Juwel“ ist auf Deutsch bisher nur „Das Geheimnis des Saumländers“ erschienen. Das Erscheinen des dritten Bandes „Der verschwiegene Steuermann“ ist für Mai dieses Jahres geplant, für den vierten Band gibt es noch keine Angaben.

Band 3: [„Der verschwiegene Steuermann“ 2492

Henrike Wöbking – Auf Eis

Frauen und Eishockey – das passt so gut zusammen wie saure Gurken mit Sahne, möchte man zumindest meinen. Doch Henrike Wöbkings aktuelles Buch beweist das Gegenteil. Wöbking legt mit „Auf Eis“ ihren inzwischen zweiten Roman vor und schafft es, ein Frauenbuch zu schreiben, ohne auf die typischen Klischees zurückzugreifen. Zwar stehen auch hier wieder Männer im Mittelpunkt, doch spielen diese nicht deshalb eine Rolle, weil sie verdammt gut aussehen, sondern weil sie gute Eishockeyspieler sind.

Henrike Wöbking – Auf Eis weiterlesen

Shocker, Dan – Blutsiegel, Das (Macabros, Band 21)

Das Buch enthält zwei Geschichten aus der Heftromanserie „Macabros“ aus dem Jahre 1977.

_Das Geheimnis der grauen Riesen_

Dr. Henry Herold stößt im Zuge von Privatforschungen auf ein Dimensionstor, welches ihn zu der Welt der grauen Riesen bringt. Diese Wesen leben in Höhlen, die ihnen als Transporter durch sämtliche Dimensionen dienen. Schon vor Urzeiten hatten sie Kontakt mit den Menschen, diesen aber abgebrochen, da die grauen Riesen mit den Menschen schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Henry Herold informiert seinen Bruder Kenneth von seiner Entdeckung und macht sich mit ihm gemeinsam auf den Weg zu den grauen Riesen. Als sie den Rückweg antreten wollen, gelingt aber nur Kenneth die Reise, Henry bleibt auf der Welt der grauen Riesen verschollen.

Dorthin verschlägt es auch Björn Hellmark, der eigentlich mit dem Lichtwesen D’Dyll auf dem Weg zur Erde ist. Auf ihrer Reise vernimmt D’Dyll plötzlich Signale eines weiblichen Wesens seiner Art und lässt Björn auf der Welt der grauen Riesen zurück. Dort macht der Deutsche eine grauenhafte Entdeckung: Seit Urzeiten bewachen die grauen Riesen einen Gegenstand, den die Schwarzen Priester unter allen Umständen in ihre Finger bekommen wollen: Das Blutsiegel des Molochos, welches Pest und Tod über die Menschen bringen kann …

_Blutsiegel des Molochos_

Björn Hellmark ist auf der Welt der grauen Riesen in Molochos Blutsiegel gestürzt. Sein Geist fährt in den Körper von Chester Morgan, einem Inspektor für außerirdische und ungewöhnliche Angelegenheiten aus dem Jahre 2318. Der hat gerade einen Strahlenunfall hinter sich und wird aus dem Krankenhaus als geheilt entlassen. Kurz darauf wird Morgan zu einem ungewöhnlichen Mordfall gerufen. Der Millionär Fred Cassner wurde ermordet. Mit einem Schwert, welches aus dem Jahr 1495 stammt und erst wenige Wochen alt zu sein scheint. Mit seinem Partner Frankie Lane geht Chester Morgan dem Fall auf den Grund, immer verfolgt von seltsamen Erinnerungen und Visionen eines Mannes namens Björn Hellmark …

|Macabros| zeichnet sich durch einen stark zyklenhaften Aufbau aus, was es dem Leser nicht einfach macht, mit einem Buch zu beginnen, welches mitten in der Gesamthandlung anzusiedeln ist. Doch durch Erklärungen und Einführungen gelingt es dem Autor schnell, dem Leser zu vermitteln, was nun für die vorliegende Story von Belang ist und was nicht. In diesem Band erwartet uns wieder eine gekonnte Mischung aus Fantasy-, Science-Fiction- und Horror-Elementen. Letztere kommen aber nur in der ersten Geschichte und dort zum größten Teil in der Nebenhandlung um Kenneth und Liz Herold zum Tragen, die zu Spielbällen des Schwarzen Priesters werden. Die titelgebenden grauen Riesen sind interessante Geschöpfe, deren Leben zu analysieren sich schon lohnt, und das Blutsiegel des Molochos ist im Prinzip eine Art Büchse der Pandora, welche noch spannende Verwicklungen verspricht. So ganz klar wurde allerdings nicht, weshalb D’Dyll gerade in dem Moment die Signale seiner Partnerin vernahm, als er sich in der Nähe der Welt der grauen Riesen befand. War das nun ein Zufall oder eine Falle? Vielleicht wird dieser Umstand in späteren Romanen noch einmal aufgegriffen.

Weshalb nun ausgerechnet die zweite Story den Titel „Blutsiegel des Molochos“ trägt, ist etwas unverständlich, spielt besagtes Blutsiegel doch in der vorliegenden Story so gut wie keine Rolle mehr, außer, dass Björn hineinfällt und in Chester Morgan wiedererwacht. Darüber hinaus scheint der ganze Roman aus dem Zusammenhang gerissen zu sein, denn eigentlich dreht sich alles um den Mordfall Fred Cassner, und Björn Hellmark wird eigentlich nur am Rande erwähnt und kurz zum Schluss wieder verstärkt zur Sprache gebracht.

Was bleibt, ist ein unterhaltsamer Science-Fiction-Roman, der für seinen geringen Umfang eine ungewöhnlich komplexe Handlung aufweist, die aber zuweilen sehr verwirrend aufgebaut ist und durch schnelle Szenenwechsel, bedeckt gehaltene Aussagen der Charaktere und zu viele Fakten einfach überladen wirkt. Weniger wäre an dieser Stelle einfach mehr gewesen und ein wenig mehr Action hätte der Story sicherlich ganz gut getan. So bleibt ein durchschnittlicher Roman übrig, bei dem man trotzdem gespannt die Fortsetzung der Geschehnisse um Björn Hellmark herbeisehnt.

Die Illustrationen von Pat Hachfeld sind wieder von sehr guter Qualität und insbesondere das Titelbild fällt sofort ins Auge, denn es gibt das Blutsiegel genau so wieder, wie es im Roman beschrieben wird, was dem Leser die Vorstellung dieses Artefaktes enorm erleichtert, und auch wenn der Hintergrund dafür in einem eintönigen Schwarz gehalten wurde, gibt es auf dem Siegel selbst so viel zu entdecken, dass man das gar nicht mehr bemerkt. Hervorzuheben ist bei diesem Buch noch das Glossar, welches bei einer Serie wie „Macabros“ ungleich sinnvoller ist als vergleichsweise bei „Larry Brent“, der ersten Serie des Autors.

Leider wurde auf allgemeine Informationen über die Serie verzichtet; so haben es Neuleser, die noch nie mit Macabros Kontakt hatten, ungleich schwerer, sich zu orientieren und zurecht zu finden als jene, welche die Serie noch aus Zeiten der Heftromane kennen oder durch die Hörspiele des Tonstudios |Europa| bereits Berührung mit Macabros hatten.

Im Ganzen betrachtet, ein abwechslungsreiches und vielschichtiges Buch mit einem faszinierenden Kosmos voller bizarrer Welten und Geschöpfe, welches leider in der zweiten Hälfte erhebliche Mängel in Punkto Serienkontinuität und Storyaufbau aufweist.

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_Florian Hilleberg_

Neuwald, Frédéric – Götterschwert

Thrillerspannung gepaart mit mysteriösen Dingen ist eine gut verkäufliche Rezeptur. Spätestens seit Dan Brown verkaufen sich solche Romane wie geschnitten Brot, weil eine hungrige Dan-Brown-Leserschaft auf der verzweifelten Suche nach passendem Nachschub ist. Und so verwundert es nicht, dass die Verlage immer wieder auf dieses Pferd setzen. Dass dabei nicht immer Gutes herauskommt, beweist der Franzose Frédéric Neuwald mit seinem Debütroman „Götterschwert“.

„Götterschwert“ erzählt die Geschichte eines sagenumwobenen Schwertes. Als der junge, aufstrebende Archäologe Morgan Lafet im Nachlass eines bekannten Wissenschaftlers ein sonderbares Schwert findet, ahnt er noch nicht, welche Kette von Ereignissen er damit lostritt. Wie sich herausstellt, starb der Wissenschaftler keines natürlichen Todes. Jemand hat ein wenig nachgeholfen. Vermutlich die gleichen Personen, die jetzt hinter dem sonderbaren Schwert her sind, das Morgan unter den Bodendielen des Hauses des Wissenschaftlers zusammen mit einem in verschlüsselter Sprache verfassten Tagebuch gefunden hat.

Morgan macht sich daran, das Schwert zu untersuchen, und wie sich herausstellt, scheint es sich um das Schwert von Alexander dem Großen zu handeln. Doch sonderbarerweise besteht das Schwert aus Titan, und dieses war zur damaligen Zeit natürlich noch vollkommen unbekannt. Morgan macht sich zusammen mit seinem jungen Assistenten Hans daran, das Tagebuch zu entschlüsseln. Er beschafft sich dank eines Sponsors Mittel für eine kostspielige Expedition, die das Geheimnis des Schwerts lüften soll. Doch Morgan ist nicht der Einzige, der hinter der Wahrheit herjagt. Es beginnt eine nervenaufreibende und lebensgefährliche Verfolgungsjagd kreuz und quer durch Europa …

Liest man den Handlungsabriss, so klingt das alles eigentlich noch recht vielversprechend. „Götterschwert“ scheint genau die Zutaten vorweisen zu können, die es für einen spannenden und mitreißenden Roman braucht: ein mysteriöses Geheimnis, ein Wissenschaftler auf der Suche nach der Wahrheit, zwielichtige Gestalten, die skrupellos ihre eigenen Ziele verfolgen, und eine temporeiche Verfolgungsjagd mit stetig wechselnden Handlungsorten. So weit, so gut.

Das, was Frédéric Neuwald allerdings aus diesen Zutaten macht, ist nicht gerade das, was man ein schmackhaftes literarisches Menü nennen kann – eher schwer im Magen liegendes „Junk Food“. Der Klappentext verspricht |“Spannung pur“| und stellt Frédéric Neuwald in eine Reihe mit Andreas Eschbach, der mit [„Das Jesus-Video“ 267 seinerzeit eine spannende und mitreißende archäologische Schnitzeljagd zu Papier gebracht hat. Herrn Neuwald allerdings in die Schuhe von Herrn Eschbach zu stecken, halte ich für absolut falsch, denn die sind ihm mehr als nur eine Nummer zu groß und er muss zwangsläufig schon nach wenigen Schritten ins Stolpern geraten.

Schwachstellen offenbart „Götterschwert“ in vielerlei Hinsicht. Allem voran ist es die Romankonstruktion, die auf etwas wackeligen Füßen steht. Nicht jede Handlungswendung erscheint sonderlich logisch, und so gibt es im Romanaufbau mehrfach Stellen, an denen man als Leser die Stirn runzelt und mit einem Kopfschütteln nicht ganz nachvollziehbar erscheinende Entwicklungen der Handlung in Kauf nehmen muss.

Oft ist es das Verhalten der Protagonisten, das einem nicht logisch erscheint. Wieso zum Beispiel Morgan seinen absolut unfähigen Praktikanten Hans in die Geschichte des Schwerts überhaupt einweiht, obwohl er ihn am liebsten auf der Stelle loswerden will, ist nicht ganz klar. Auch, wieso die Bösewichte sich die Mühe machen, einen ganzen Häuserblock in die Luft zu sprengen, nur um einen einzigen, ohnehin an den Rollstuhl gefesselten und hinreichend eingeschüchterten Widersacher zu beseitigen, mag nicht so recht einleuchten.

Unzulänglichkeiten dieser Art hat der Leser mehrfach hinzunehmen. Damit ließe sich ja leben, wenn zumindest die Lektüre an sich so spannend und rasant daher kommen würde, dass man während des Lesens kaum Gelegenheit hätte, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Doch dem ist leider nicht so. Neuwald unternimmt immer wieder den Versuch, seinem Plot zu mehr Spannung zu verhelfen, aber leider vergeblich.

Die Entdeckung des Grabs von Alexander dem Großen kommt einem Spaziergang gleich und der eigentliche Handlungsverlauf ist mehr ein hitziges „Länder-Hopping“ als eine wirklich spannende Schnitzeljagd. Auf gerade einmal 360 Seiten verschlägt es unsere Helden in sage und schreibe sechs verschiedene Mittelmeerländer. Kaum sind sie an dem einen Ort angekommen, geht es auch schon weiter zum nächsten und meist geht es nur darum, in einem Besuch oder einem Gespräch die Fährte wieder aufzunehmen. So verläuft die Handlung zwar immerhin rasant, aber eben auch eher holprig als spannend.

Neuwald arbeitet von Haus aus beim Film, und das merkt man dem Roman sehr deutlich an. Hat er das Gefühl, der Roman tritt auf der Stelle, greift er zu Actioneinlagen, die vermutlich dem Zweck dienen sollen, die Spannung zu erhöhen. Das tun sie aber leider nicht unbedingt. Sie ziehen zwar kurzzeitig das Tempo an, da sie aber für den Handlungsverlauf eher überdimensioniert wirken, passen sie nicht so ganz zum Plot. So wie sich die geheimnisvollen Bösewichte den Weg teilweise freibomben und -brandschatzen, passt das nicht so ganz zu ihrer übrigen Vorgehensweise. Die Action wirkt also eher so, als wäre sie Mittel zum Zweck und sollte dem Roman die Spannung geben, die er ansonsten vermissen lässt.

Auch in der Figurenzeichnung bekleckert Neuwald sich nicht gerade mit Ruhm. Die meisten Figuren der Handlung wirken, als wären sie einem Katalog für Klischeeprotagonisten entnommen. Morgan ist der junge, aufstrebende Archäologe, gut aussehend, muskulös, mutig und von hohen moralischen Werten. Hans, sein Praktikant, tritt als der trottelige Assistent auf. Außer, dass er mittels seiner Computerkenntnisse das verschlüsselte Tagebuch entziffert, ist er eigentlich überflüssig für die Handlung. Und auch Amina, die hübsche ägyptische Archäologin, wirkt oft mehr wie schmückendes Beiwerk, für die kleine Affäre zwischendurch mit Morgan.

Mit Blick auf die Handlung bleiben recht viele Fragen im Raum stehen, denn die Antworten, die Neuwald liefert, sind teilweise ausgesprochen unbefriedigend. Das Rätsel des Schwerts wird kaum richtig gelöst. Den wirklich interessanten Fragen wird nicht mit dem Eifer nachgegangen, den man sich wünschen würde. Insgesamt bleibt die Auflösung mysteriös und das ist dann eigentlich auch der einzige Aspekt, auf den sich die Bezeichnung „Mysterythriller“ auf dem Buchdeckel beziehen ließe. Neuwald ist mit seinem „Mystery-Faktor“ am Ende aus dem Schneider, braucht nichts mehr großartig zu erklären und kann sich in allen ungelösten Fragen darauf berufen. Für den Leser aber ist das eher unbefriedigend.

Wie man sich im Hause |Knaur| dazu hinreißen lassen konnte, diese im Großen und Ganzen eher weniger zufriedenstellende Lektüre auch noch mit dem Etikett „Thriller des Monats“ zu versehen, bleibt übrigens mindestens genauso rätselhaft …

Bleibt als Fazit festzuhalten, dass „Götterschwert“ ein Roman ist, den man nicht zwangsläufig weiterempfehlen muss. Es gibt am Markt genügend Thriller, die bei weitem besser sind. „Götterschwert“ krankt dagegen an vielen Schwächen: wenig Spannung, keine sonderlich mitreißende Handlung, Figuren, die den Leser weitestgehend kalt lassen, und ein Plot, der in vielen Punkten einfach zu sehr mit der Brechstange bzw. dem Titanschwert zurechtgebogen erscheint.

Kalla, Daniel – Pandemie

Spätestens seit dem 11. September 2001 ist der Kampf gegen den Terror in den Medien ständig präsent, und auch die Angst vor bioterroristischen Angriffen ist nach wie vor vorhanden, auch wenn die Anthrax-Anschläge inzwischen lange Zeit zurückliegen. Doch so richtig sicher kann sich wohl niemand fühlen, haben Seuchen in der Vergangenheit und auch Grippe-Epidemien doch gezeigt, wie schnell und weit sich ein solches Virus verbreiten kann. Mit dieser Angst spielt auch Daniel Kalla in seinem aktuellen Roman „Pandemie“. Kalla arbeitet als Notarzt in Vancouver und erlebte 2003 den SARS-Ausbruch hautnah mit. Dies inspirierte ihn zu seinem packenden Thriller, in welchem Kalla seine ganz eigene Schreckensvision einer möglichen Pandemie zeichnet …

In der kleinen Provinz Gansu in China wird einem Patienten kurz vor seinem Tode Blut gestohlen – Blut, das ein tödliches Virus enthält und den Patienten innerhalb von wenigen Tagen umgebracht hat. Zur gleichen Zeit gibt Dr. Noah Haldane seine beliebten Vorlesungen an der Washingtoner Universität und prophezeit seinen Studenten eine Pandemie, die längst überfällig ist. Und Haldane muss es wissen, schließlich wird er von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Virusexperte an allen Krisenorten eingesetzt. So half Haldane auch in China mit, die Verbreitung des SARS-Virus zu stoppen. Auch die Direktorin der Bioterrorismus-Abwehr innerhalb der Abteilung für Zivilschutz, Dr. Gwen Savard, ahnt die drohende Katastrophe und fürchtet insgeheim bereits die gezielte terroristische Verbreitung eines tödlichen Virus.

Und dies ist genau der Plan des fanatischen Hazzir Al Kabaal, der als streng gläubiger Moslem der westlichen Welt einen Denkzettel verpassen möchte. In Afrika hat er sich sein eigenes Virenlabor aufgebaut, um von dort seine Aktion zu planen. Gezielt infiziert er seine Selbstmordattentäterinnen mit dem todesbringenden Virus und schickt sie auf die Reise in die westliche Welt. Khalilas Weg führt sie nach London, wo sie sich schwer krank in ein nobles Hotel schleppt und dort mit dem Fahrstuhl auf und ab fährt, um die Hotelgäste anzustecken. Aber auch in Hongkong und Kanada wird das Virus verbreitet. Kabaal verlangt den Rückzug amerikanischer Truppen aus allen islamistischen Ländern und droht mit der Aussendung einer Todesarmee, die das Virus über die Welt verstreuen wird.

Als Noah Haldane die Nachricht von der so genannten Gansu-Grippe erreicht, reist er sofort nach China, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Dort ist die Gefahr bald gebannt, doch dann taucht das Virus plötzlich in zwei großen Metropolen auf und bedroht die Welt. Durch die Mobilität der Menschen könnte eine Pandemie bevorstehen, die sich über die ganze Welt ausbreitet …

Für seinen Thriller hat Daniel Kalla sich ein Thema herausgegriffen, das nicht neu ist. Auch Hollywood hat es schon für sich entdeckt und in dem mehr oder weniger spannenden Film „Outbreak“ verwurstet. Doch Kalla begeht nicht den gleichen Fehler wie die Filmemacher aus Kalifornien, denn er hält sich zurück. Wo Hollywood den Zuschauer mit schreckenerregenden Phantasien überfrachtet, zeichnet Kalla seine eigene Vision einer möglichen Pandemie, die nicht minder furchtbar anmutet, die aber von einem wissenschaftlichen Hintergrund ausgeht und daher erstaunlich realitätsnah wirkt. Dies ist genau der Punkt, der das vorliegende Buch so brisant und packend macht, denn wir glauben Kalla, was er schreibt. Nach der Lektüre des Buches fragt man sich schon fast, warum wir bislang von derlei Angriffen verschont geblieben sind, wo Bioterrorismus doch eigentlich so nahe liegt.

In „Pandemie“ begegnen wir einem Virus, das jeden vierten Menschen innerhalb weniger Tage tötet, sich aber glücklicherweise nicht so schnell verbreitet wie die Grippe, da die Gansu-Grippe nicht annähernd so ansteckend ist. Das führt dazu, dass sich das Virus nicht gleich unkontrolliert über die ganze Welt verbreitet und jeden einzelnen Menschen bedroht, sondern eine relativ überschaubare Anzahl von Menschen trifft. Hier bekommen die Wissenschaftler und Terrorexperten die Chance, gezielt gegen die Verbreitung des Virus vorzugehen und Notfallpläne zu entwickeln. Dies mindert in keiner Weise den Schrecken, den Kalla mit seinem Buch verbreitet, denn jedem wird klar sein, welchen Schaden eine Selbstmordarmee hätte, die sich selbstlos opfert und dabei andere Menschen infiziert.

Nicht ganz so realistisch sind die Charaktere gelungen, die auch in diesem „Seuchen-Thriller“ dazu da sind, die Welt zu retten. Die Figuren wirken stereotyp und blass, wir erfahren zwar einiges über ihr äußeres Erscheinungsbild, aber die Charaktere haben kaum Ecken und Kanten. Besonders Noah Haldane wirkt wie eine leere Figurenhülse, der Kalla einen beeindruckenden wissenschaftlichen Werdegang sowie eine gescheiterte Ehe verpasst hat, um hier wirklich alle Klischees zu bedienen. Haldane und Savard stehen im Zentrum des Geschehens und ziehen dennoch wenig Sympathien an, da sie uns übermenschlich erscheinen und nicht wie authentische Personen.

Dennoch gibt es insgesamt nur ganz wenige Kritikpunkte, die anzuführen sind, wie beispielsweise eine Quarantäne im 5-Sterne-Hotel, die absolut unpassend ist und die entstandene Dramatik etwas abmindert. Ansonsten inszeniert Kalla seine Geschichte jedoch überaus geschickt. Zunächst stellt er seinem Thriller einen Prolog voran, der uns neugierig auf die folgende Geschichte macht und schon erahnen lässt, welche Schrecken den Menschen bevorstehen. Die Verbreitung des Virus geschieht langsam, aber packend, manchmal raubt Kalla uns mit seinem ausführlichen Schreibstil den letzten Nerv, wenn er in allen Einzelheiten eine Situation beschreibt und damit die Spannung auf die Spitze treibt, weil der Leser mit kribbelnden Fingern weiterliest, um endlich voranzukommen in der Handlung. An anderer Stelle dagegen hat Kallas Schreibweise ein unglaubliches Tempo, sodass sich auf wenigen Seiten die Handlung fast überschlägt. Kalla schafft hier genau die richtige Mischung aus eingestreuten Cliffhangern, steten Wechseln zwischen den exotischen Schauplätzen und einer bedrohlichen Ausbreitung des schrecklichen Virus.

„Pandemie“ ist ein klug inszenierter Thriller, der sich sehr positiv abhebt von sonstigen effektheischenden Büchern, die nur auf den plumpen Horror setzen, dabei aber einen erkennbaren Spannungsbogen deutlich vermissen lassen. Daniel Kalla hat ein Buch vorgelegt, das überzeugt und mitreißt. Am Ende bleibt man nachdenklich zurück, klappt das Buch zu und macht sich seine Gedanken zu der politischen Situation auf dieser Welt, in der religiöser Fanatismus und Hunger nach Macht bereits zu unglaublich viel Krieg und Schrecken geführt haben. Nach der Lektüre von „Pandemie“ schläft man erstmal nicht mehr ganz so beruhigt ein und verfolgt die Nachrichten aufmerksamer als zuvor. Somit bleibt festzuhalten, dass Kalla seine Ziele wohl erreicht hat: Sein Buch lässt sich flink durchlesen, dabei unterhält es ausgesprochen gut, allerdings nicht auf oberflächliche Art und Weise, sondern es hinterlässt einige Spuren und regt zum Nachdenken an. Was will man mehr?

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Shocker, Dan – Dämonenaugen (Larry Brent 02)

Band 1: [„Das Grauen“ 2164

_Im Kabinett des Grauens_

Larry Brent und Iwan Kunaritschew befinden sich auf dem Rückflug nach New York, als plötzlich die Maschine von einem Unbekannten entführt und die Piloten zur Rückkehr gezwungen werden. Nachdem die Maschine nahe London auf einer Straße notgelandet ist, versucht der Kidnapper mit dem Co-Piloten als Geisel zu entkommen. Larry Brent greift ein, kann aber nicht verhindern, dass der Co-Pilot schwer verwundet wird. Auch Iwan wird bei der Verfolgung angeschossen. Larry erfährt von dem schwer verletzten Co-Piloten Colin Perkins, dass er von Derry Cromfield niedergeschossen wurde, einem Verbrecher, der von Colins Großvater Sir Harold vor zwanzig Jahren hingerichtet wurde.

Während Colin Perkins und Iwan Kunaritschew gemeinsam in ein nahe gelegenes Krankenhaus eingeliefert werden, beschließt Larry an dem mysteriösen Fall dranzubleiben. Larry besucht am nächsten Tag Sir Harold auf dessen Wohnsitz in der Nähe der Millionenstadt und erfährt von ihm, dass seine Enkelin Jane ihn bald besuchen kommen will. Larry entschließt sich, zusammen mit dem ehemaligen Henker auf dem Bahnhof die Ankunft der jungen Frau zu erwarten. Tatsächlich lässt sich der Mörder die Gelegenheit nicht entgehen, Jane zu ermorden. Aber ein engagierter Detektiv und der PSA-Agent können die Bluttat im letzten Moment vereiteln. Larry gelingt zudem ein Treffer aus der Laserwaffe, woraufhin sich ihm ein grauenhaftes Geheimnis offenbart: Der Mörder ist eine lebendige Wachsfigur, nahezu unbesiegbar …

_Der Dämon mit den Totenaugen_

David Gallun alias X-Ray-1 und Chef der PSA hat einen Hinweis bekommen, dass sich Ron Silker wieder in der Stadt befindet. Silker war vor drei Jahren für den Unfall Galluns verantwortlich, der den ehemaligen FBI-Beamten das Augenlicht kostete. Silker will sich der geheimnisvollen Verbrecherorganisation von „M“ anschließen. M beabsichtigt, sämtliche Agenten des FBI und der CIA auszulöschen. 17 Agenten gehen bereits auf das Konto der unheimlichen Mörder, die sich alle mit totenkopfähnlichen, fluoreszierenden Masken tarnen. Da die Bande mit neuesten Errungenschaften der Technik ausgestattet und hervorragend organisiert ist, setzt David Gallun alle verfügbaren PSA-Agenten auf den Fall an. Doch nur einer schafft es scheinbar, sich an die Fersen von „M“ und seinen „Totenköpfen“ zu heften: PSA-Agent Larry Brent alias X-Ray-3. Aber die Bande dreht den Spieß um und Larry wird zum Gejagten …

Die erste Geschichte schließt nahtlos an das zweite Abenteuer Larry Brents an und präsentiert in rasanter Satzfolge einen geradezu klassischen Gruselkrimi. Die Idee der lebenden Wachsfiguren war ja schon immer ein beliebtes Thema des Genres, und der Hauch des Ungewissen, ob nicht doch Leben in diesen realistisch modellierten Gesellen steckt, fasziniert immer noch Millionen von Menschen. Dass die Thematik noch lange nicht zum alten Eisen gehört, beweist der Film „House of Wax“, welcher im vergangen Jahr das Horror-Genre bereicherte. Im Bereich des Horror-Heftromans war Dan Shocker wohl der Erste, der diese Spielart in einem Roman verarbeitet hat, und das in seinem unnachahmlich atmosphärischen Erzählstil.

Die Lösung ist hierbei nicht gar so einfach, wie man vermuten mag, und als Leser ist man vom Anfang bis zum Ende hin gefangen von dieser unheimlichen Szenerie. Dabei verwendet der Autor wieder einmal klassische Begebenheiten und Schauplätze, die seit jeher für ein angenehmes Gruselambiente sorgen: ein nebelverhangenes London mitten im November, ein düsterer Friedhof, ein englisches Herrenhaus und ein altes Wachsfigurenkabinett. In einer kleinen Nebenhandlung geht der Autor auch auf allzu eifrige Journalisten ein, die für eine gute Story einfach alles tun und sogar den Tod eines Menschen in Kauf nehmen würden, um die Auflage in die Höhe schnellen zu lassen. Hier kommt Nostalgie pur auf und trotz seines Alters ist dieser Roman immer noch empfehlenswert und hat nichts von seinem Charme eingebüßt.

In der zweiten Story greift der PSA-Chef David Gallun zum ersten Mal persönlich ins Geschehen ein, und mit dem Auftreten des Verbrechers Ron Silker legt der Autor bereits den Grundstein für den gefährlichsten Feind, den die PSA je erhalten wird: Dr. Satanas. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg und selbst Dan Shocker wird zu dem Zeitpunkt, als er diesen Roman schrieb, noch nicht in eine so ferne Zukunft geschaut haben.

So gruselig der Titel auch klingen mag, so wenig folgt die Story den gängigen Horror-Klischees, denn der „Dämon“ ist keineswegs ein hässliches Monstrum aus den tiefsten Gefilden der Hölle. Die Bezeichnung gilt vielmehr der Maskierung der Banditen und orientiert sich einmal mehr in die Richtung der Bösewichter, wie sie auch Edgar Wallace ins Leben rief. Die Totenaugen spielen allerdings eine wirklich frappierende Rolle, denn dem Anführer des Syndikats „M“ ist es tatsächlich möglich, durch einen suggestiven Blick das Herz seines Opfers stehen bleiben zu lassen. Zudem bekommt es Larry hier mit LSD, Gaspistolen und hochexplosiven Nitroglycerin-Folien zu tun. Hier zeigt sich wieder, wie vielseitig der Autor seine Themen ausgewählt hat, denn vom Genre her kann man diese Geschichte eher im Bereich Spionage, Krimi oder Thriller einordnen als in die Kategorien Grusel oder Horror – obwohl eine sehr beklemmende Szene darstellt, wie ein Verbrecher, der die Organisation verlassen will, lebendig begraben wird.

Als ein wenig fahrlässig ist die Aktion von David Gallun zu bewerten. Als Chef eines so hoch entwickelten Geheimdienstes wie der PSA selbst einzugreifen, noch dazu mit einer nicht unerheblichen Behinderung, nämlich Blindheit, ist mehr als brisant. Immerhin kennt niemand der Agenten den Boss persönlich, und wenn dieser dennoch Tag und Nacht für seine Agenten erreichbar sein will, kann er nicht so ohne weiteres auf eigene Faust ermitteln und sich in Gefahr begeben. Wie gut, dass keiner der im Einsatz befindlichen Agenten Kontakt zur Zentrale aufgenommen hat, während David Gallun bewusstlos und mehrere Stunden außer Gefecht gesetzt war.

Was die Handlung betrifft, geht es im wahrsten Sinne des Wortes Schlag auf Schlag, so dass man kaum dazu kommt, die Geschehnisse zu verdauen. Die Aushebung des Verbrechernestes durch zwei Agenten nimmt der Gefährlichkeit des Syndikats ein wenig von seiner Glaubwürdigkeit. Mehr gibt es an diesem ansonsten hochspannenden Roman wirklich nicht zu bemängeln, und es ist immer noch eine sehr empfehlenswerte Geschichte.

Die Innenillustrationen sind eine hervorragende Bereicherung der Geschichten und vervollständigen die Aufmachung. Das vielfarbige Cover zeigt das Oberhaupt der „Totenköpfe“ vor der Grabplatte des besten PSA-Agenten. Ein schaurig schönes Cover, welches wieder perfekt zur Story passt und bereits auf dem Originalroman der eigenständigen Heftromanserie zu bewundern war. Weder das Titelbild noch die Geschichten haben im Laufe der Zeit an Spannung eingebüßt und bieten immer noch hervorragende Unterhaltung für lange Winterabende.

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_Florian Hilleberg_

Bischoff, David – Aliens versus Predator 2: Planet der Jäger

|Die Yautja jagen wieder. Doch diesmal müssen die galaktischen Großwildjäger – man nennt sie auch Predatoren – überrascht feststellen, dass die Aliens nicht mehr ganz so einfach zu besiegen sind wie früher. Auf dem „Planet der Jäger“ verhilft ein geldgieriger Geschäftsmann den Hartfleischern zu einem unfairen Wettbewerbsvorteil …|

_von Bernd Perplies
mit freundlicher Unterstützung unseres Partnermagazins http://www.ringbote.de/ _

Machiko Noguchi, die ehemalige Konzernaufseherin des Kolonieplaneten Ryushi, auf dem es nach dem Crash eines Predator-Ritualjagd-Schiffes zu einem Ausbruch von Aliens kam, der die friedliche Farmerkommune in einen Hexenkessel verwandelt hatte, hockt auf dem öden Bergbauplaneten Alistar Drei und langweilt sich zu Tode. Noch vor Monaten war sie eine gefürchtete Kriegerin gewesen, die mit den wildesten Killern der Galaxis, den Yautja, Jagd auf Aliens machte, doch nach ihrer Rückkehr in die menschliche Zivilisation – ein Schritt, der irgendwann unvermeidlich wurde – scheint der Konzern sie einfach nur abgeschoben zu haben.

Da kommt ihr das Angebot von Livermore Evanston wie gerufen. Der gewiefte Geschäftsmann hat fernab der Einflussphäre des Konzerns sein eigenes Paradies verwirklicht: eine perfekte Welt für jagdbegeisterte Touristen mit genmanipulierten Kreaturen für Abenteuerausflüge am Tage und allem Hotelkomfort für die After-Hunt-Party am Abend. Doch seit kurzem treiben sich Fremde auf seiner Welt herum – Predatoren – und Noguchi als Spezialistin auf diesem Gebiet soll sich ihrer annehmen. Gemeinsam mit ihrem treuen Androiden Attila fliegt die „Kleine Klinge“ zum Planet der Jäger.

Dort wird ihr eine rauhe Söldnertruppe unterstellt, darunter der großspurige Daniels und der geheimnisvolle Ned Sanchez, und es wird ein Plan ausgearbeitet, der Bedrohung zu begegnen. Je länger Machiko jedoch auf Livermores Freizeitwelt weilt, desto mehr hat sie das Gefühl, das noch etwas anderes überhaupt nicht stimmt. Warum zum Beispiel existieren diese gesperrten Bereiche der Genlabore, wenn doch Geschöpfe wie ein Tyrannosaurus im offenen Teil der Anlage gezüchtet werden? Was weiß ihr Auftraggeber wirklich über Aliens und Predatoren? Und warum besitzt er eine ganze verborgene Bibliothek über Militärfeldzüge? Als schließlich die ganze Wahrheit ans Licht kommt, muss Noguchi entscheiden, auf wessen Seite sie sich zum Wohl der ganzen Menschheit stellen will.

David Bischoff ist genau der Mann, den man in einer „AvP“-Romanreihe als Autor erwarten würde. Genau wie die Perrys ist er ein Genre-Schreiber durch und durch, hat für „Star Trek“ geschrieben, für „Farscape“, für „Sea Quest“ und auch ein „Alien“-Einzelwerk verfasst. Hier schließt er auf 279 Seiten recht nahtlos an [„Beute“ 2131 von Steve und S. D. Perry an, überspringt dabei nur die Zeit, die Noguchi zwischen Ryushi und Alistar Drei bei den Yautja verbracht hat – sicher zum Unwillen manch eingefleischter Predator-Fans. Die Geschichte ist an sich nicht schlecht und baut weniger auf bekannte Standardsituationen auf als der vorangegangene Roman, auch wenn einen natürlich die ruppigen Söldner, der hilfreiche Androide und der windige Konzernmann alle ein bisschen an „Aliens“ von James Cameron erinnern – ist aber ein völlig anderes Setting.

Gerade Attila der Androide bringt ein bisschen Farbe in den Charakterreigen und entwickelt sich zum heimlichen Star der Story, auch wenn seine Vorgehensweise gegen Ende ein bisschen „kopflastig“ ist. 😉 Noguchi ist derweil zur harten Kriegerin gereift (Ripley-Style, nur exotischer), die vor kaum noch etwas Angst hat und den Weichbrötchen um sie herum erstmal zeigt, wie es in der Welt der Yautja so zugeht. Ein bisschen irritierend mag manchem der Wandel von der eher spröden, von Schuld geplagten Konzerndame hin zur gefühlsbetonten, wilden Kriegerin erscheinen, doch ich denke, angesichts des ebenso gewandelten Weltbildes und Selbstverständnisses von Noguchi ist dies durchaus erklärbar. Ganz nett sind die Rückblicke in ihre Zeit mit den Predatoren, die weitere Details über die Gesellschaft und Denkweise der Yautja verraten. Stilistische Experimente, wie die Ich-Perspektive eines Jägers, gibt es diesmal allerdings nicht.

Ein bisschen ärgerlich ist allgemein die Kräfteverteilung der Aliens und Predatoren: die insektoiden Bestien werden fast durch die Bank als zwar gefährliches, aber letztlich doch völlig unterlegenes Wild beschrieben. Selbst in Paul W. S. Andersons Kinofilm kommen die Aliens besser weg. Diese bei aller Betonung der Exotik und der tumben Brutalität doch deutliche Bewunderung der Autoren für die Predatoren stößt mir als altem Alien-Fan ein bisschen auf. Aber gut: Die Gretchenfrage, ob die Aliens oder die Predatoren die cooleren Monster sind, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.

_Fazit:_ Mit „AvP 2: Planet der Jäger“ ist David Bischoff eine ordentliche und durchaus lesbare Fortsetzung von „Beute“ gelungen. Am Anfang zieht sich die Story zwar noch ein wenig, doch im Laufe der Handlung kommt durchaus Schwung auf. Alien-Fans werden ein bisschen enttäuscht sein von der vergleichsweise kleinen Rolle der Xenomorphen in der Geschichte, Predator-Fans hätten sich vielleicht ein paar mehr Details in Bezug auf Vokabular und Ausrüstung der Jäger gewünscht und das Ende ist irgendwie etwas befremdlich. Für Freunde des Franchises ist der Roman trotzdem zu empfehlen. (Es gibt wenig genug davon …)

Meyer, Kai – Schattenesser, Der

Kai Meyer ist in den letzten Jahren als ein sehr eigenwilliger Autor bekannt geworden, der in seinen historischen Romanen immer wieder Phantastisches und Übersinnliches einfügt und so auch mehrere Genres miteinander verbindet. Diesen Ansatz verfolgte der Autor bereits in „Der Schattenesser“, jedoch hat er seinerzeit leider versäumt, das Ganze auch in eine spannende Rahmenhandlung zu integrieren. Meyer bleibt nämlich in „Der Schattenesser“ ziemlich blass und verschiebt die Schwerpunkte zugunsten einer sehr blutigen Erzählung, in welcher der eigentliche Plot viel zu kurz kommt. Auch wenn es sich lediglich um die Neuauflage eines bereits 1996 veröffentlichten Romans handelt, rückt diese Veröffentlichung den Autor aus heutiger Sicht in kein gutes Licht.

_Story_

Die Judenstadt Prag befindet sich mitten im Dreißigjährigen Krieg. Das Heer der Katholischen Liga hat die Stadt besetzt und es herrscht Ausnahmezustand. Plünderer machen die Straßen unsicher, skrupellose Söldner machen sich über das unschuldige Volk her und vor den Stadtmauern wartet der schwarze Tod, die Pest, nur darauf, das Elend innerhalb der Stadmauern mit einem Schlag endgültig zu beseitigen.

Mitten in dieser bedrohlichen Situation befindet sich die junge Sarai, selbst Jüdin, die sich als Junge verkleidet von einer Ecke der Stadt in die andere begibt, um Aufträge für den Alchimisten Cassius zu erledigen. Der alte Magier hat gleichzeitig eine Art Vaterrolle für das Mädchen übernommen, seit ihr richtiger Vater in Selbstmitleid versunken ist und dem Tod seiner Frau hinterhertrauert.

Bei der Ausübung eines weiteren Auftrags im Dienste Cassius‘ begibt sich Sarai in große Gefahr. Zwei Söldner verfolgen sie durch die Hinterhöfe, und erst im letzten Moment kann sie ihnen entkommen. Bei dieser Jagd trifft sie auf eine Gruppe Frauen, die Sarai wegen ihrer seltsamen Verkleidung als Hühnerdamen identifiziert. Fasziniert von dem großen Ei, das sie behüten, nutzt Sarai die Gelegenheit, diesen Schatz zu stehlen und zu Cassius zu bringen. Und damit beginnt eine Geschichte, deren Folgen Sarai lebenslanges Leid zufügen, das sie nie mehr wird besiegen können. Das Mädchen findet seinen Vater auf und sieht sich gezwungen, ihn selbst umzubringen, um seine Schmerzen zu lindern. Dabei fällt ihr auf, dass er keinen Schatten mehr bei sich trägt.

Cassius deutet daraufhin verschiedene Vermutungen an, die dem Verschwinden dieses Schattens zugrunde liegen könnten, doch obwohl er eigentlich mehr weiß, als er behauptet, will er Sarai nicht in das düstere Geheimnis einweihen. Daher macht sich das Mädchen selber auf den Weg, mehr über diese außergewöhnliche Begebenheit zu erfahren und stößt schließlich auf den |mal’ak| Jahve, einen Engel, den der Herr entsandt hat, und der nun auch zur größten Bedrohung für Sarai wird. Der göttliche Schattenesser verfolgt die Jüdin durch ganz Prag und wird zu ihrem Schicksal, dessen einziger Ausweg der Tod zu sein scheint.

Währenddessen hat sich vor den Toren der Stadt eine neue Macht ihren Weg gebahnt: Der friedliche Michal und seine Familie werden auf der Reise nach Prag von ein paar Söldnern überfallen. Während er schwer verletzt überlebt, kommen seine Frau und das gerade erst geborene Kind bei dem Attentat ums Leben. Michal schwört Rache und stößt bei seinem Feldzug auf eine alte Hexe, die dem ehemaligen Familienmenschen die Vorzüge des Kannibalismus näherbringt …

_Meine Meinung_

Es ist schon eine recht seltsame Geschichte, die Kai Meyer hier erschaffen hat. Dabei beginnt zunächst noch alles sehr strukturiert und auch nicht wirklich außergewöhnlich. Die Verfolgungsjagd zu Beginn des Buches lässt auf eine Menge Spannung hoffen, und die Begegnung mit den Hühnerdamen sowie das Auffinden ihres schattenlosen Vaters steigern die Vorfreude auf einen tollen historischen Roman mit vielen phantastischen Inhalten.

Doch leider verliert sich Meyer in diesem Fall recht schnell in einer allzu wirren Story, bei der die einzelnen Szenenwechsel nicht immer besonders günstig gewählt sind. Der Autor wechselt von Kapitel zu Kapitel den Schauplatz und erzählt parallelel die Geschichten von Sarai und Michal, die erst am Ende des Buches zusammengefügt werden, als die beiden aufeinander treffen. Bis dahin sind die Zusammenhänge zwischen den beiden Hauptfiguren des Buches aber völlig unklar, weil Meyer nicht eine einzige Andeutung diesbezüglich macht. Man weiß zwar, dass beide auf irgendeine Weise mit den Hühnerfrauen in Verbindung stehen, doch das war’s dann schon. Natürlich muss dies kein schlechtes Vorzeichen sein, doch die Art und Weise, wie der Autor schließlich die beiden Stränge zu einer Einheit verschmelzen lassen will, wirkt dann doch sehr uninspiriert und wirft am Ende auch noch mehr Fragen auf als zuvor ohnehin schon im Raume standen. In dieser Beziehung ist „Der Schattenesser“ schon einmal eine echte Enttäuschung.

Davon einmal abgesehen, gelingt es Kai Meyer auch nicht annähernd, die vielfältigen Elemente und die teils auch schon bekannten Fantasy-Figuren – unter anderem den Golem – sinnvoll in die Handlung einzubeziehen, so dass es irgendwann vor Spannung zu kribbeln begänne. Das Bisschen an Spannung, das den Leser auf den ersten Seiten schlichtweg überfällt, verschwindet plötzlich im Nichts, und die Erzählung entwickelt sich infolgedessen auch immer mehr zu einer Aufzählung von Fakten und Selbstverständlichkeiten. Überdies schafft Meyer es auch nicht, die einzelnen abstrakten Figuren ihrer Bedeutung entsprechend vorzustellen. Der |mal’ak| Jahve ist hier das beste Beispiel. Seine Herkunft wird zwar noch grob umrissen, doch die Schilderungen bezüglich seiner Bestimmung bzw. seines eigentlichen Charakters sind dann doch sehr unbefriedigend. Gleiches gilt für die Hühnerdamen; man erfährt zwar über das Buch verteilt, wer eigentlich dahinter steckt und was sie (im wahrsten Sinne des Wortes) ausgebrütet haben, doch auch hier gibt sich der Autor damit zufrieden, dem Leser Kapitel für Kapitel die Tatsachen vor den Latz zu knallen, ohne dass dieser sich irgendetwas erarbeiten müsste.

Bisweilen bekommt man den Eindruck, als wäre „Der Schattenesser“ lediglich ein Ventil für einige recht abstrakte, zwischenzeitlich auch abstoßende Phantasien, die in diesem Buche besonders mit der Wandlung des einst so friedlichen Michal in den Vordergrund treten. Die Pest als weiteres Mittel, das ganze Massen dahinrafft, kommt da noch hinzu, verliert aber im Vergleich zu den anderen Gewaltdarstellungen ein wenig an erschreckendem Ausdruck.

Meyer hatte es in der Hand, einen wirklich fesselnden Roman zu schreiben. Alle Mittel standen ihm zur Verfügung: ein gottgesandter Schattenesser, eine vom Krieg gezeichnete Stadt, ein Heer von skrupellosen Eigenbrödlern, der Golem des Rabbi Löw, zwei Hauptfiguren mit sehr starkem Charakter und letztendlich auch noch übersinnliche Schauplätze wie das Schatzhaus der Seelen. Und dennoch hat er in diesem Fall ziemlich daneben gegriffen. In den 400 Seiten dieses Buches passiert so viel, und im Grunde genommen passiert doch gar nichts. Nach einem rasanten Beginn wird die Erzählung radikal ausgebremst und liefert trotz der arg bedrohlichen Atmosphäre keinen weiteren Einstieg mehr, der die Spannung wieder aufnehmen könnte. Die hoch gesteckten Erwartungen wurden mit „Der Schattenesser“ ziemlich enttäuscht, und über das Prädikat „Mittelmaß“ kommt Kai Meyer mit diesem neu aufgelegten Frühwerk daher auch nicht hinaus.

Frank Schenk und die Chaos-Crew – Chaos Magazine Nr. 13

Sie waren die krasseste und verrottetste Grindcore-Band des Planeten: CARCASS, die sich um 1997 herum relativ unvermittelt auflösten. Was die Mitglieder heute machen und welche Hintergründe der Split damals hatte – solche Infos stehen im aktuellen „Chaos Magazine“ Numero 13. Die Macher des Blatts haben nämlich Ken Owen interviewt, den ehemaligen Drummer der britischen Grindcore-Legende. Owen hat 1999 eine schwere Gehirnblutung überlebt und erzählt, wie er sich nach einem langen Koma inzwischen wieder erholt. So ist 2004 mit seiner Unterstützung das CARCASS-Best-of-Album „Choice Cuts“ erschienen. Die Fragen an Owen sind klug gestellt, die Antworten ausführlich – und so erfahren die Fans viel aus seinem Leben nach dem Krankenhaus und über die sicken Geschichten, die CARCASS in ihrer Karriere so erlebten. Das Interview ist auf einer Doppelseite platziert, wegen der kleinen Schriftgröße aber doch ausführlich. Allerdings, und da wird es haarig: Da das Magazin als eigentlich schmucker Schwarz-Weiß-Druck erscheint und deshalb der Untergrund wie etwa bei CARCASS manchmal grau ist, wird darauf die weiße oder schwarze Schrift schnell relativ unleserlich.

Das Layout ist denn auch das generelle Problem dieses ansonsten erstklassigen Fanzines. So geschieht es VOMITORY etwa, dass ihr Doppelseiter quer steht, also quasi das Mag um 90 Grad gedreht werden muss, um die wegen der wiederum miesen Farbgebung sowieso schwer erkennbaren Interviewzeilen lesen zu können. Dafür haben die Zine-Designer erkennbar viel Arbeit in die Auswahl der zum Teil großartigen Fotos gesteckt, zudem ist jede Band mit ihrem großen individuellen Erkennungsschriftzug würdig vertreten. 78 prall gefüllte Seiten warten also auf den Leser – der allerdings schon eine Affinität zu extremen Klängen haben sollte. Besonders für die skandinavische Ecke interessieren sich die Macher des Chaos Magazines – die Bandauswahl mit zum Beispiel DISMEMBER, GRAVE, UNLEASHED, DARK TRANQUILLITY, AMON AMARTH, MAZE OF TORMENT, INCAPACITY oder ONE MAN ARMY AND THE UNDEAD QUARTET (ex-THE CROWN) spricht eine deutliche Sprache. Da bilden die Interviews mit OBITUARY und eben CARCASS fast eine Ausnahme.

Die Texte sind allesamt in interessantem Ton geschrieben, das verwendete Englisch für Leute mit normalen Schulsprachkenntnissen recht einfach verständlich. Cool sind auch die großen Reviewteile, bei denen viele Undergroundveröffentlichungen durchgenommen werden. Die Bewertungen scheinen dabei einen guten Mittelweg zwischen Fan-Euphorie und echter Kritikfähigkeit getroffen zu haben – die schleichende Tendenz mancher Metal-Postillen, auch noch den letzten Dreck hochzuloben, ist beim Chaos Magazine zum Glück noch nicht angekommen. Doch ein Umstand trübt das harmonische Bild: Da bekommt Metal Blade die besonders teure Rückseitenanzeige. Komischerweise sind gleichzeitig die meisten der mit einem Kasten als Sondertipp hervorgehobenen CD-Rezensionen ebenfalls Bands mit Metal-Blade-Vertrag – siehe UNEART, NEAERA, BORN FROM PAIN, CATARACT, FRAGMENTS OF UNBECOMING, PRIMORDIAL, FLESHCRAWL, GOD DETHRONED, CANNIBAL CORPSE und AMON AMARTH. Sieht etwas komisch aus, als wenn Interessen vermischt werden – aber das fällt ja bei vielen Metal-Blättern manchmal auf …

Dennoch, das Chaos Magazine ist lesenswert. Denn im Prinzip geht es hier um profunde Infos für Undergroundfreaks, die auch einmal andere Autoren lesen wollen als ewig nur dieselben Gesichter und Zeilen im RockHard, MetalHammer oder Legacy. Zudem sind dem gut gedruckten Heft noch zwei CDs beigelegt – Ausschnitte der aktuellen Scheiben von ARCH ENEMY und NEVERMORE sowie ein Sampler von MDD Records. Nett. So sind die fünf Euro inklusive Porto und Versand sicher nicht falsch investiert – denn wo Chaos draufsteht, ist ganz viel kreative und in Schrift gepresste Extreme-Metal-Energie drin – trotz kleiner Schwächen.

Das Heft erhaltet ihr unter CHAOS MAGAZINE, c/o Frank Schenk, Wormser Str. 40, 72760 Reutlingen, E-Mail: frank.schenk@schwaben.de .

Borsch, Frank – Lebenskrieger, Die (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 1)

Nach drei erfolgreichen sechsbändigen Taschenbuchzyklen aus dem sogenannten „Perryversum“ bringt der Heyne-Verlag momentan einen dreibändigen Zyklus heraus, der inhaltlich ähnlich umfangreich sein soll wie seine Vorgänger. Als Autoren konnte die Perry-Rhodan-Redaktion den PR-Autor und –Redakteur Frank Borsch, den Autor und Übersetzer Andreas Brandhorst sowie den Autor Marc Hillefeld gewinnen; für Letzteren ist es der erste Ausflug in den Rhodan-Kosmos.

Die Geschichte beschäftigt sich mit dem „Sporenschiff“ PAN-THAU-RA, das erstmals in den 1000er-Bänden der Serie auftauchte. Es handelt sich um ein gigantisches Raumschiff, das von höheren Mächten benutzt wurde, um Lebenssporen im Universum zu „sähen“. Die damals beruhigten außerirdischen Loower sind ebenfalls wieder mit von der Partie.

Wem die „größte Science-Fiction-Serie der Welt“ (gemeint ist die Perry-Rhodan-Serie) kein Begriff ist, der findet im Anhang des vorliegenden Romans einen kurzen einführenden Abriss, allerdings sind die Romane auch gut eigenständig lesbar.

Die Handlungszeit ist dicht an der aktuellen angesiedelt, spielt quasi zwischen dem „Sternenozean“- und dem aktuellen „Terranova“-Zyklus. Borsch spult seine Erzählung dreigeteilt ab: Da ist die Loowerin An-Keyt, einfache Soldatin und Zweidenkerin, mit vielen Millionen Artgenossen und Robotern als „Krieger für das Leben“ dabei, das Sporenschiff zu erobern. Dann der terranische Botschafter auf der Hochschwerkraftwelt Oxtorne, durch den man mehr über die Mentalität der Oxtorner allgemein erfährt (so scheinen Gestalten wie Omar Hawk Ausnahmen zu sein) und dessen Missgeschick ihn auf die Fährte der „Trümmerflotte“ bringt. Seine Geschichte geht in die Erzählung um Perry Rhodan über, als die Trümmerflotte den Schiffen der Oxtornischen Heimatflotte nahe kommt und Rhodan als Terranischer Resident versucht, ihre Identität und Absichten herauszufinden und Übergriffe auf Milchstraßenvölker zu verhindern – was angesichts der anscheinend überlegenen Waffensysteme der Fremden eine große Gefahr darstellt.

Die dritte Ebene ist das Vernehmungsprotokoll eines Eisweltbewohners durch einen terranischen Agenten. Im Verlauf dieser Vernehmung erzählt der Junge Yun von der Welt Snowflake über die Geschehnisse, die sich unmittelbar vor der Vernichtung des Planeten durch die Trümmerflotte ereigneten und möglicherweise eine Beziehung zu den Fremden herstellen.

Es ist klar, dass noch einiges an Erzählung nötig ist, um die Geschichte befriedigend zu entwickeln. Borsch spinnt aus den verschiedenen Ebenen nach und nach ein spannendes, zusammenhängendes Netz, in dem die Geschichte über die hervorragenden Charaktere vermittelt wird. Vor allem die Vernehmung Yuns scheint anfangs völlig zusammenhangslos, wie um eine Lücke zu füllen, und uninteressant abgewickelt zu werden, gewinnt aber mit der Zeit an Charme und Inhalt und weckt das größte Interesse. Schließlich avanciert sie sogar zum faszinierendsten Teil des Romans, was sowohl der Person Yun als auch dem rätselhaften Volk der Tring (so der Kunstname der Ureinwohner Snowflakes) zugeschrieben werden kann. Bleibt zu hoffen, dass einige der Rätsel um die Tring noch gelöst werden und das Volk nicht nur nach seiner Einführung durch Borsch im Nirwana des Perryversums verschwindet, wie so viele interessante Völker vor ihm.

Ob Yun selbst weiterhin eine Rolle zugeteilt bekommt, bleibt fraglich, da er zwar in Verbindung mit den Oxtornern steht, allerdings ist es sein Begleiter und Partner Shon Leehan, der mit dem Verschwinden Perry Rhodans zu tun zu haben scheint.

Den Oxtornern verleiht Borsch ein neues Gesicht, das erstmal verdaut werden muss. Nach seiner Version halten sie sich für derart überlegen, dass sie auf ihren Raumschiffen sogar auf Schutzmechanismen wie Medoroboter und Prallfelder (und natürlich Raumanzüge) verzichten. Mit diesem wichtigen Element der Geschichte schafft Borsch Platz für seine Protagonisten – es sei dahingestellt, ob es dem Charakter der Oxtorner entspricht: Sicherlich zwar nicht den bisher Bekannten (zumeist Einzelgänger, Agenten der USO etc.), aber Borsch stellt diese Persönlichkeiten auch als Ausnahme dar. Bleibt abzuwarten, ob sich die oxtornischen Protagonisten dieser Geschichte nicht auch als Ausnahmen erweisen.

Warum führen die Loower in der PAN-THAU-RA ihren „Kampf für das Leben“ mit größter Brutalität, nach dem Motto „erst schießen, nicht fragen“? Borsch zeigt aus der Sicht der einfachen Soldatin An-Keyt, wie sich allmählich Zweifel an ihrem Tun einnisten, erst recht, als man bemerkt, dass sich der Gegner wenig bis gar nicht zu verteidigen in der Lage ist. Hervorragend erzählt Borsch ihre Tragik und ihre Beweggründe und bringt dem Leser neue Fragen, um deren Lösung es in dem Zyklus gehen wird. Trotzdem bleibt die Ebene mit Yun die weitaus faszinierendste, die hoffentlich nicht auf diesen ersten Roman beschränkt bleibt.

Fazit

Was die Rhodan-Serie zum großen Teil ausmacht, nämlich faszinierende Charaktere in kosmischen Geschichten, findet in Borschs Roman eine sehr gute Umsetzung. Der etwas schwache Anfang ist nicht ausschlaggebend für den Lesegenuss. Ein sehr schöner Auftakt für den Zyklus, der im zweiten Band von Andreas Brandhorst mit Sicherheit noch an Qualität gewinnen wird.

Weitere Informationen zu Perry Rhodan gibt es unter http://www.perry-rhodan.net/ oder http://www.perrypedia.de.

Band 2: »Die Trümmersphäre«
Band 3: »Die Quantenfestung«

Riebe, Brigitte – Hüterin der Quelle, Die

Die Autorin Brigitte Riebe, vollständig Dr. Brigitte Leierseder-Riebe, wurde 1953 in München geboren, wo sie auch heute noch als freie Schriftstellerin lebt. Sie ist promovierte Historikerin, war zunächst als Museumspädagogin tätig und hat später lange Jahre als Verlagslektorin gearbeitet, bevor sie selbst begann, Romane zu schreiben. Unter ihrem Pseudonym Lara Stern veröffentliche sie u.a. die Sina-Teufel-Romane, mit denen sie auch bekannt wurde.

„Die Hüterin der Quelle“ erschien im März 2005 und entführt den Leser ins Bamberg des Jahres 1626, in das Jahr, in dem die zweite große Hexenprozesswelle begann. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Familie des Krippenschnitzers Veit Sternen, der nach dem Tod seiner ersten Frau zusammen mit Sohn Simon und Tochter Selina aus Italien zurückgekehrt ist und Marie, die Tochter des Braumeisters und Ratsherrn Pankraz Haller, geehelicht hat. Doch so sehr sich Marie eine traute Zweisamkeit mit ihrem Mann und glückliche Stunden mit der ganzen Familie gewünscht hat, so bleibt ihr doch die Untreue Veits und die Ablehnung der tauben Selina nicht erspart – genauso wenig wie das Unverständnis ihres Vaters für diese Ehe. Einzig mit Simon gelingt ihr ein recht harmonisches Zusammenleben.

Veit hingegen widmet sich lieber anderen Frauen und seiner Arbeit, denn der Fürstbischof Fuchs von Dornheim persönlich hat ihm und seinem Sohn den Auftrag gegeben, für seine Kirche die schönste und prächtigste Krippe zu schnitzen. Doch ist dieser Herr sehr launisch, und so flüchtet sich der smarte Veit in die Arme der geheimnisvollen Otterfrau Ava, die mit einem Otter, Reka getauft, abseits der Stadt wohnt und sich mit Fischverkäufen übers Wasser hält. Was er dabei vergisst, ist seine abgeschobene Geliebte Agnes Pacher, die Frau des Holzhändlers, die alles andere als geneigt ist, ihren leidenschaftlichen Geliebten gehen zu lassen.

In der Stadt Bamberg beginnt es zu brodeln, und nicht nur familiäre Streitigkeiten oder persönlicher Groll sind die Auslöser. Der Weihbischof Friedrich Förner ist geübt darin, Zweifel zu säen. Zweifel an der Christlichkeit der Bürger, Zweifel an der Sicherheit der rechtschaffenen Einwohner. Hexen, Druten, Teufelspack sind seine auserkorenen Lieblingsthemen und die Menschen hören ihm zu; immer mehr strömen in seine Kirche und Unruhe und Angst beginnen sich auszubreiten. Die Otterfrau und die alte Hümlin stehen auf der Liste. Ava, weil sie geheimes Wissen über Kräuter und Tränke besitzt, die Hümlin, weil ihre Mutter schon als Hexe verbrannt wurde.

Doch dem Weihbischof gegenüber steht fest der Kanzler Kilian Haag und etwas wackliger der Fürstbischof selbst, der allerdings befürchtet, das Wohl des Volkes zu verlieren, wenn er Förner nicht gibt, was dieser verlangt. Doch sieht er die Rettung in dem Jesuitenmönch Adam Thies, der bereits seit Jahren recht erfolgreich gegen den Hexenwahn ankämpft. Aber leider weiß nur sein alter Lehrer Grün, wo der Mönch verweilt, und dieser hat geschworen, es nicht zu verraten. Und auch Marie denkt oft an den Jungen des Nachbarn Thies, der einst ihre große und erste Liebe war.

Während Simon sich auf den Weg in das ferne Italien begibt, um Stoffe für die Krippenfiguren zu besorgen, findet Selina zu einer Bande Straßenkinder, die ebenfalls engere Verbindung zu der Otterfrau hegt. Als sie beobachtet, dass ihr Vater und Ava ein Verhältnis haben, glaubt sie, in dem kleinen Straßenkind Lenchen ihre Halbschwester zu sehen. Wut und Hass bestürmen sie.

Und Förner wettert immer heftiger gegen das Drutenvolk, bis die Wogen überschäumen und Bamberg in den Hexenwahn fällt. Förner will Flammen sehen, die reinigen Kräfte des Feuers sollen die Stadt wieder befreien.

Brigitte Riebe ist mit „Die Hüterin der Quelle“ einmal mehr ein großartiger Roman über die Zeit im Mittelalter gelungen. Nicht die Folter oder die Hinrichtungen selber stellt sie in den Mittelpunkt, stattdessen verfolgt sie die Entwicklung von dem ersten Säen des Aberglaubens bis zum Eskalieren des Horrors. Anhand der Familie Sternen zeichnet sie das wahrscheinlich ganz normale Leben in einer Stadt der damaligen Zeit, lässt den Leser die Hoffnungen und Ängste, Glücksmomente und Albträume erleben, bis das Normale nicht mehr zu halten ist und das Kartenhäuschen mit lautem Getöse einkracht.

Das Band zwischen den Charakteren ist fest und gekonnt gespannt. Jeder hat seine Aufgabe in diesem Schauspiel der Grausamkeit und Tragödie zu leisten, und jeder erfüllt sie mit einer Glaubhaftigkeit, welche die Figuren dem Leser ans Herz wachsen lassen. Marie, die sich verzweifelt ein Kind wünscht, deren Bauch aber flach und hart bleibt. Veit, der seine Frau zwar liebt, aber trotzdem immer wissen möchte, wie die andere denn riecht und wie sich ihre Haut anfühlt. Simon, der es satt hat, im Schatten des Vaters zu stehen und mit Adam endlich seine Freiheit erreicht. Selina, das taube Mädchen, das sich so sehr in einen der Straßenjungen verliebt hat, dass es so gut wie alles für ihn tun würde. Das Mädchen, das ihrem Vater den Betrug mit der Otterfrau und mit Lenchen nicht verzeihen kann, denn noch eine Tochter braucht der Vater doch nicht. Ava, die ihre Freiheit nicht aufgeben möchte, sich aber selbst in ihrem Leben einsperrt. Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen für Veit und ihren Gefühlen für den zweiten Geliebten Mathis, dem Wilderer. Die Otterfrau genannt, von den Frauen der Stadt gefürchtet, aber immer befragt, wenn es schmerzt oder um die Verhinderung oder das Einsetzen einer Schwangerschaft geht. Und nicht zuletzt Förner, den seine eigenen Dämonen hetzen, die ihn jagen und ihn so wild machen, dass nur Hexen als Ursache des Übels in Frage kommen.

Nachvollziehbar und fast schon verständnisvoll erzählt die Autorin vom Beginn des Desasters, und der Leser empfindet Trauer und Melancholie, als wäre sowieso nichts zu ändern gewesen. Es bedarf keiner ausschweifenden Folterbeschreibungen oder letzten Schwüre auf dem Scheiterhaufen, um das Grauen jener Epoche zu erwecken. Riebe hat gezeigt, dass die Entfaltung des Wahnsinns ein spannendes und ergiebiges Thema für einen Roman erster Güte darstellt. Fazit: Allemal lesenwert!

Homepage der Autorin: http://www.brigitteriebe.de

Kirstein, Rosemary – magische Juwel, Das (Die Expedition der Steuerfrau 1)

Rowan ist eine Steuerfrau. Der Orden der Steuerfrauen hat sich dem Wissen verschrieben, und so ist Rowan seit Beendigung ihrer Ausbildung auf Reisen. Die Entdeckung eines eigenartigen blauen Juwels hat ihre Neugierde geweckt, nun versucht sie, der Herkunft der Steine auf die Spur zu kommen, indem sie andere befragt, die ebenfalls welche gefunden haben. Denn das ist das Besondere an den Steuerfrauen: Jeder steht ihnen Rede und Antwort. Im Austausch beantworten die Steuerfrauen jede Frage, die ihnen gestellt wird, so gut sie können. Und sie sagen immer die Wahrheit.

Diesmal allerdings hat Rowan mit ihren Fragen offenbar in ein Wespennest gestochen! Nicht nur, dass sie mitten in der Nacht von einen Mann mit einem Schwert angegriffen wird, in der Hafenstadt Donner wird ihre Herberge kurz vor Sonnenaufgang von einer Horde Drachenschlüpflinge überfallen und restlos niedergebrannt! In Rowan keimt der Verdacht, dass jemand ihre Nachforschungen unterbinden will. Umso entschlossener ist sie, das Rätsel zu lösen. Dafür verlässt sie sogar den Orden der Steuerfrauen. Denn um sich vor ihren Verfolgern zu verbergen, ist sie gezwungen zu lügen …

Rowan ist eine sehr selbständige und unabhängige Person. Am liebsten reist sie allein. Zu ihrer Ausbildung gehörte auch der Schwertkampf, sodass sie durchaus in der Lage ist, sich gegen die wenigen Personen, die einer Steuerfrau das Gegenteil der üblichen Achtung entgegenbringen, ihrer Haut zu erwehren. Die junge Saumländerin allerdings, die sie im Gasthof nach ihrem Juwelengürtel befragte, hat es ihr irgendwie angetan. Also erlaubt sie ihr, sie zu begleiten. Bald sind die beiden gute Feundinnen. Denn im Grunde ist Rowan eine weichherzige, freundliche Frau. Ihre herausragendsten Eigenschaften jedoch sind ihr rascher Verstand und ihre Wissbegierde.

Bel, die junge Barbarin, die Rowan neuerdings begleitet, ist in erster Linie Kriegerin. Rowans Einstellung zu vielen Dingen kann sie des Öfteren nicht ganz folgen, und gelegentlich nimmt sie sich die Freiheit, ihr den Kopf ein wenig zurechtzurücken. Abgesehen davon ist sie äußerst anpassungsfähig, gleichzeitig klug und fast so neugierig wie Rowan selbst.

Die beiden ergänzen sich wirklich gut. Willam wirkt da ein wenig wie ein Anhängsel. Die beiden Frauen haben den Vierzehnjährigen auf ihrem Weg nach Osten aufgegabelt. Er ist auf der Suche nach einem Magus, der bereit ist, ihn als Lehrling anzunehmen. Bauern- oder Handwerksburschen nehmen die Magi allerdings normalerweise nicht als Lehrlinge an, ganz im Gegensatz zu den Steuerfrauen, die ihr Wissen mit jedem teilen, der sich dafür interessiert. Immerhin hat Willam es bereits geschafft, sich ein wenig Magie selbst beizubringen, dumm ist er also nicht. Er sagt aber auch nicht immer die Wahrheit, wie Rowan und Bel ziemlich schnell bemerken. Im Gegenzug merkt auch Willam, dass mit seinen neuen Reisebegleiterinnen etwas nicht stimmt. Vor allem Rowan kann er nicht ausstehen. Es dauert eine ganze Weile, bis die drei sich zusammenraufen.

Abgesehen von diesen drei Hauptpersonen sind die Magi interessant. Die Magi sind ein recht eigenbrödlerischer Haufen, sie grenzen sich von allen ab, auch untereinander. Ihr Wissen geben sie nur an ihre Lehrlinge weiter. Nach welchen Kriterien genau diese ausgewählt werden, worin das Wissen der Magi genau besteht und was sie damit tun, weiß niemand. Auch nicht die Steuerfrauen! Denn die Magi weigern sich, den Steuerfrauen zu antworten, was zu einer recht gespannten Situation geführt hat. Die Steuerfrauen ihrerseits beantworten nur die Fragen von Leuten, die auch die Fragen der Steuerfrauen beantworten. Das schert die Magi wiederum wenig.

Beim Volk sind sie ebenfalls nicht sehr beliebt. Sie sind in zwei Gruppen gespalten, Rote und Blaue, und überziehen das Land regelmäßig mit Krieg. Damit nicht genug, wechseln einige von ihnen offenbar ständig die Fronten. Einer von ihnen scheint besonders unangenehm zu sein, Abremio, der seine Domäne in Willams Heimat hat. Corvus dagegen scheint zumindest vernünftigen Argumenten zugänglich zu sein. Denn befehlen lassen die Magi sich nicht. Eigentlich …

Kirsteins Helden sind wohltuend durchschnittlich. Keiner von ihnen ist umwerfend schön, außerordentlich begabt oder auf sonst eine Weise hervorragend. Es gibt auch keine Prophezeiung, welche die Handlung oder Charaktere in irgendeine Richtung zwingt. Zur Abwechslung ist es mal ganz angenehm, von Leuten zu lesen, die nicht vom Schicksal in ihre Rolle gepresst wurden, sondern ihre Entscheidungen aus freiem Willen treffen. Bisher geht es auch noch nicht darum, die Welt zu retten; wobei sich die Angelegenheit durchaus noch in diese Richtung entwickeln könnte.

Vorerst will Rowan lediglich etwas herausfinden. Das verleiht dem Ganzen einen Hauch von Detektivgeschichte. Die Fantasyelemente beschränken sich auf die Magie und den kurzen Auftritt der Drachen. Eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Genre fällt daher schwer, was mich persönlich aber nicht störte.

Die Handlung an sich verläuft eher ruhig. Dass jemand Rowan an ihrem Tun hindern will, auch durch Gewaltanwendung, sorgt zwar für ein wenig Action, insgesamt trägt sich das Geschehen aber mehr durch Neugierde als durch Spannung. Der Hauptansatz liegt dabei in dem blauen Juwel, an dem wohl irgendetwas Besonderes sein muss, wenn jemand sich solche Mühe gibt, Rowan auszuschalten. Abgesehen davon will der Leser natürlich auch noch wissen, was mit Janus geschehen ist, wer Slado ist und was die Magi eigentlich die ganze Zeit so treiben … Im Laufe der Geschichte werden allerdings wesentlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Das mag manch einer als ziemlich unbefriedigend empfinden, zumal das Buch mit seinen gerade mal vierhundert Seiten recht kurz ausgefallen ist. Andererseits ist es nicht in sich abgeschlossen, sondern nur der erste Band eines Zyklus, und in dem Gespräch zwischen Rowan und dem Magus Corvus werden einige Dinge erwähnt, die ziemlich deutlich auf die zunehmende Ausweitung des Geschehens hinweisen.

Im Grunde ist dieser Band nicht mehr als die Einleitung. Entgegen meiner Befürchtung lag das diesmal aber nicht am Verlag. Am Ende des Buches sieht der Leser sich durchaus interessanten Aussichten gegenüber. Kirsteins Ideen haben noch eine Menge Potenzial für weiteren Ausbau, ihre Charaktere sind sympatisch. Die Mischung aus Fantasy und „Schnüffelei“ war so ausgewogen, dass ich das Ganze als angenehme Abwechslung empfand. Als mitreißend oder fesselnd kann man die Geschichte nicht bezeichnen, gerade im Vergleich beispielsweise zu Clemens‘ Hexenzyklus, den ich unmittelbar davor zu Ende gelesen hatte. Interessant fand ich sie trotzdem; bisher mag der Zyklus nicht zu den absoluten Rennern gehören, aber man kann ihn durchaus mit Gewinn lesen.

Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Außer „Das magische Juwel“ ist auf Deutsch bisher nur „Das Geheimnis des Saumländers“ erschienen. Das Erscheinen des dritten Bandes „Der verschwiegene Steuermann“ ist für Mai dieses Jahres geplant, für den vierten Band gibt es noch keine Angaben.

Band 2: [„Das Geheimnis des Saumländers“ 2200

Ruiz Zafón, Carlos – Schatten des Windes, Der

Joschka Fischer ist nicht unbedingt derjenige, den man fragen würde, welches Buch man lesen sollte. Der ehemalige Außenminister mag für vieles bekannt sein, aber sicherlich nicht unbedingt wegen seiner Literaturtipps. Dennoch ist es schon ein wenig ermutigend und ansteckend, wenn man im Klappentext zu „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón seine Empfehlung liest: |“Sie werden alles liegen lassen und die Nacht durch lesen!“| Das entpuppte sich zumindest in meinem Fall als Empfehlung prophetischen Charakters, denn gerade im letzten Drittel des Buches war ich doch sehr geneigt, der Müdigkeit mittels erhöhter Espressoration den Garaus zu machen, um das Buch so schnell wie möglich zu Ende zu bringen. Da hat es sich doch mal gelohnt, Herrn Fischer zu glauben …

„Der Schatten des Windes“ ist auf den ersten Blick ein recht unspektakuläres Buch. Die Handlung klingt nach gehobener Belletristik für die intellektuelle Oberschicht und weniger nach einem Roman zum Verschlingen. Die Geschichte spielt zur Zeit Francos in Barcelona. Der junge Daniel Sempere besucht zusammen mit seinem Vater, dem Buchhändler, den geheimnisvollen „Friedhof der Vergessenen Bücher“. Noch ahnt Daniel nicht, wie sehr dieser Besuch sein weiteres Leben verändern wird. Von all den Büchern, die dort in den Regalen ihr trostloses, staubiges Dasein fristen, darf Daniel sich eins aussuchen. Er entscheidet sich für „Der Schatten des Windes“ von einem Autor namens Julián Carax.

Daniel ist fasziniert von dem Roman und liest ihn wieder und wieder. Weil er gerne mehr von Julián Carax lesen würde, macht Daniel sich mit Hilfe seines Vater auf die Suche nach Carax‘ literarischen Spuren. Doch keiner weiß so recht, wo Carax lebt und ob er nicht schon längst tot ist. Daniel gerät in den Bann dieser sonderbaren Figur und trägt hier und da immer neue Bruchstücke einer faszinierenden Biographie zusammen.

Daniels Suche nach der mysteriösen Gestalt Julián Carax entwickelt sich immer mehr zu einem Spiel, dessen Regeln der Junge nicht zu durchschauen vermag. Merkwürdige Personen tauchen auf, legen falsche Fährten, versuchen zu vertuschen und stoßen gar Drohungen aus. Daniels Leben entwickelt sich dabei zunehmend analog zu „Der Schatten des Windes“, und ehe er sich versieht, steckt er schon mittendrin in der Handlung seines Lieblingsromans – im Kern einer Geschichte, die einem Strudel gleich ihre Protagonisten einem düsteren, furchtbaren Schicksal entgegentreibt …

Es stimmt schon, die Handlung mutet etwas sonderbar an, wenn man zum ersten Mal mit dem Klappentext konfrontiert wird. Ein Roman über einen Roman. Dass es dabei spannend zugeht und das Buch den Leser zum Ende hin so sehr in Beschlag nimmt, dass er sich kaum von den Seiten zu lösen vermag, möchte man auf den ersten Blick kaum glauben. Aber genau so ist es. Ruiz Zafón versteht es, den Leser auf eine Reise mitzunehmen, ihn aus seinem Alltag zu entführen und mitten in einen Plot zu ziehen, von dem der Leser absolut nicht ahnt, in welche Richtung er sich entwickeln mag.

Mit „Der Schatten des Windes“ ergeht es dem Leser genau so, wie es Daniel bei der Lektüre von Carax‘ Roman ergeht: |“Je weiter ich in der Lektüre kam, desto mehr erinnerte mich die Erzählweise an eine dieser russischen Puppen, die immer weitere und kleinere Abbilder ihrer selbst in sich bergen. […] Unter dem gelben Licht der Tischlampe tauchte ich in eine Welt von Bildern und Gefühlen, wie ich sie nie zuvor kennen gelernt hatte. […] Seite um Seite ließ ich mich vom Zauber der Geschichte und ihrer Welt einhüllen …“| (S. 12/13)

Auch Ruiz Zafóns Erzählweise erinnert an eine russische Puppe. Schicht um Schicht offenbart er dem Leser weitere Facetten seiner Geschichte, die sich mit jedem Kapitel weiter verschachtelt und den Leser gefangen nimmt. Seine Geschichte spielt sich dabei auf zwei Ebenen ab. Zum einen wird Daniels Suche nach Julián Carax beschrieben, zum anderen erhält der Leser immer wieder neue Einblicke, wie Carax‘ Leben seinerzeit verlaufen ist. Beide Erzählebenen laufen nebeneinander her und werden mit der Zeit immer mehr zu einem Ganzen verknüpft.

Ruiz Zafóns Verknüpfung der beiden Erzählebenen gelingt dabei ausgesprochen gut. Er schafft es, zwischen beiden Ebenen eine tiefe Bindung herzustellen, klärt die Zusammenhänge schlüssig auf und lässt es dabei nicht an dramatischen Überschneidungen mangeln.

„Der Schatten des Windes“ ist ein Roman, der sich diverser Zutaten bedient und gerade auch durch seine ausgewogene Mischung zu glänzen weiß. Ein bisschen Hommage an die Literatur, eine ordentliche Prise Liebesgeschichte, ein wenig politische Brisanz, die der zeitliche Kontext der Herrschaft Francos in sich birgt, ein guter Schuss Kriminalgeschichte, abgeschmeckt mit einem Hauch klassischem Schauerroman. Das mag nach einem heillosen Mischmasch klingen, ist in der Ausführung aber dann doch angenehm ausbalanciert. Gerade auch aufgrund dieser vielfältigen Zutaten dürfte Ruiz Zafón eine recht breite Leserschaft ansprechen. Irgendwo findet hier jeder genau die Komponente, die er besonders schätzt.

Zu einem besonderen Genuss wird „Der Schatten des Windes“ auch aufgrund Ruiz Zafóns sprachlichen Geschicks. Der Mann versteht es, mit Worten umzugehen, bedient sich einer sehr lebhaften und bilderreichen Sprache und sorgt so dafür, dass sich der Leser in den Roman und die Figuren richtiggehend hineinfühlen kann. „Der Schatten des Windes“ ist wahres Kopfkino und ein Hochgenuss für jeden, der die Gabe besitzt, in einem Roman sprichwörtlich zu versinken.

Ruiz Zafón versteht sich nicht nur auf plastische Bilder, sondern auch auf eine ausgefeilte Figurenzeichnung. Seine Figuren sind vielgestaltig und wirken, obwohl sie tendenziell eher plakativ schwarzweiß gezeichnet sind, nicht eindimensional. Man bekommt einen sehr plastischen Eindruck der Handelnden, wobei mir besonders eine Figur ans Herz gewachsen ist: der vom mittellosen Bettler zum „bibliophilen Berater“ von Sempere Senior aufgestiegene Fermín. Eine Figur mit großem Herzen, überragender Intelligenz und einem losen Mundwerk, das ihm so manchen Ärger einhandelt, aber den Leser immer wieder zum Schmunzeln bringt. Ruiz Zafón schafft Figuren, die man schnell in sein Herz schließt und an die man gerne zurückdenkt.

Ruiz Zafón fein geschliffene Ausdrucksweise thront über all dem und rundet die Raffiniertheit des Romans gelungen ab. Ein wenig poetisch wirkt sein Satzbau manchmal, geradezu melodisch und melancholisch. Das Barcelona, das Ruiz Zafón vor dem Auge des Leser skizziert, hat feine Nuancen, wird aber von vielen düsteren Tönen bestimmt. Die Zeit Francos hinterlässt einen bedrückenden Eindruck, dem der Autor mit dem Charme und Witz einer Figur wie Fermín einen schönen Gegenpol entgegenstellt.

So ziemlich alle Emotionen spiegeln sich in den Zeilen wider, und wenn Ruiz Zafón dann zum großen Finale ansetzt, darf auch schon mal die eine oder andere Träne weggeblinzelt werden. „Der Schatten des Windes“ ist ein Roman, der auf wunderbare Art und Weise nicht nur Gefühle beschreibt, sondern auch weckt. Dem einen mag das ein wenig kitschig erscheinen, den anderen reißt es dafür richtig mit. Wer sich noch vorbehaltlos auf eine Geschichte einlassen kann, wer einer Geschichte voller Phantasie, Melancholie, Witz und Dramatik offen gegenübersteht, der wird seine Freude an diesem Buch haben und für den könnte die Lektüre ein wahrer Hochgenuss sein.

Und, um zum Ende hin noch einmal Daniel Sempere höchstselbst zu Wort kommen zu lassen: |“Einmal hörte ich einen Stammkunden in der Buchhandlung meines Vaters sagen, wenige Dinge prägen einen Leser so sehr wie das erste Buch, das sich wirklich einen Weg zu seinem Herzen bahne. Diese ersten Seiten, das Echo dieser Worte, die wir zurückgelassen glauben, begleiten uns ein Leben lang und meißeln in unserer Erinnerung einen Palast, zu dem wir früher oder später zurückkehren werden, egal, wie viele Bücher wir lesen, wie viele Welten wir entdecken, wie viel wir lernen oder vergessen.“| In meinem Fall ist dieser Platz zwar schon belegt, aber „Der Schatten des Windes“ kommt immerhin schon recht nah daran …

Hennen, Bernhard – Elfenwinter

Bernhard Hennen hat sich mit der Fortsetzung zu seinem Erfolgsroman „Die Elfen“ nicht viel Zeit gelassen. Gerade einmal ein Jahr und zwei Monate hat es gedauert, bis er die Geschichte aus dem Elfenland nun mit einem weiteren Abenteuer weiterführt, und dieses Mal hat der Autor, der seit Beginn der Neunzigerjahre aktiv ist und auch schon vereinzelte Erzählungen und Abenteuer zu „Das schwarze Auge“ sowie Romane in „Magus Magellans Gezeitenwelt“ verfasste, die gesamte Arbeit im Alleingang erledigt. Ohne die Schützenhilfe seines vorherigen Schriftsteller-Partners James Sullivan hat Hennen mit „Elfenwinter“ eine recht düstere Fortsetzung kreiert, die jedoch nur an gewissen Eckpunkten etwas mit dem Vorgängerband gemeinsam hat. Die drei Hauptcharaktere aus „Die Elfen“ sind in diesem Buch nur noch Randgestalten, von denen der Mensch Mandred noch die wichtigste Rolle übernimmt; schließlich ist sein Sohn nun eine der Heldenfiguren. Ansonsten kann die Erzählung aber komplett für sich alleine stehen, weil die Handlungsebenen teilweise völlig verschieden sind und auch die Konflikte von einem ganz anderen Ausmaß sind bzw. in ganz anderer Form ausgetragen werden. „Elfenwinter“ erzählt nämlich in erster Linie von einem ziemlich brutalen Krieg gegen die Armee der Trolle und ist nur noch zweitrangig ein Abenteuer. Doch Fans des ersten Bandes brauchen sich deswegen noch lange keine Sorgen zu machen, denn „Elfenwinter“ ist sogar noch spannender als die erste Geschichte dieser Reihe und trotz der erneut umfangreichen Darstellungen auch ein ganzes Stück gradliniger als „Die Elfen“.

_Story_

Als Herrscherin der unsterblichen Lande ist die Elfenkönigin Emerelle nicht überall sonderlich beliebt. Die Anführerin des Volkes der Elfen ist in Vergangenheit vor allem deswegen in Ungnade gefallen, weil sie die mächtigen Vertreter ihrer Zunft übervorteilt hat, um so auch ihren eigenen Rang nicht zu gefährden. Damit einher sind schließlich aber auch einige Anschläge gegangen, denen die Königin jedes Mal nur knapp entrinnen konnte.

Aus diesem Grund versucht Ollowain, der Befehlshaber der königlichen Leibwache, seine Vorgesetzte auch von ihrem Vorhaben abzuhalten, persönlich das Fest der Lichter zu besuchen. Ollowain ist sich sicher, dass einer der Elfenfürsten die Mordanschläge geplant hatte und nun eine weitere Chance sieht, sich der Königin endgültig zu entledigen. Doch ihre Starrsinnigkeit siegt, und Emerelle besucht als Ehrengast des große Volksfest, jedoch nicht ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen seitens ihres Beschützerstabs. Ollowain hat nämlich in der jungen Bogenschützin Silwyna eine weitere Verbündete gefunden, die für den Schutz Emerelles sorgen soll. Trotzdem aber fällt die Königin einem weiteren Attentat zum Opfer und erliegt ihren Wunden.

Für die Trolle, die seit geraumer Zeit auf den Sturz der Königin und eine erneute Gelegenheit zum Angriff warten, scheint nun der Zeitpunkt der Rache gekommen zu sein, um an den Elfen, die ihnen ihr Land geraubt haben, Vergeltung zu üben. Und auch die rebellischen Elfenfürsten fühlen sich stärker als je zuvor und bejubeln die Machtergreifung. Doch ihr Jubel ist nur von kurzer Dauer, denn nach genauerer Untersuchung stellen sich die Toten als Doppelgänger der anvisierten Opfer heraus, und noch in der gleichen Nacht begibt man sich auf die Jagd auf die verschwundene Elfenkönigin und ihren Stab.

Diese hingegen sind ins Land der Menschen geflüchtet und erhoffen sich Zuflucht bei Mandreds Sohn Alfadas, der seine gesamte Jugend im Reich der Elfen verbracht hat. Alfadas ist zwar nicht begeistert von der Ankunft seiner ‚Gäste‘, nimmt diese jedoch trotzdem bei sich auf. Besonders das Erscheinen seiner ehemaligen Geliebten Silwyna ist ihm ein Dorn im Auge, zumal Alfadas mittlerweile eine Familie gegründet und die Liebschaften der Vergangenheit vollkommen verdrängt hat. Silwynas Rückkehr bringt ihn aber erneut in einen Herzenskonflikt, der im Laufe der Zeit immer schwerwiegender wird.

Auf Geheiß seines Königs Horsa wird Alfadas schließlich komplett von seiner Vergangenheit eingeholt: Er soll gemeinsam mit den Elfen in deren Welt zurückkehren, um dort die aufständigen Trolle zu bekämpfen und den Frieden zu sichern. Doch mit der Abreise seines Herres bringt er auch die Welt der Menschen in Gefahr, denn diese sieht sich plötzlich mittendrin in einem Machtkampf, der selbst vor unschuldigen Leben keinen Halt macht und den Krieg über die Grenzen hinaus bis in das einst friedliche Land Alfadas‘ bringt.

_Meine Meinung_

Bevor ich mit diesem Buch begonnen hatte, dachte ich eigentlich, dass hier die Geschichte von Mandred und seinen beiden Freunden aus dem Land der Elfen fortgesetzt wird, und irgendwie habe ich auf das Auftreten der bereits bekannten Helden auch im Laufe des ersten Viertels der Handlung noch irgendwie gehofft. Andererseits ist die Erzählung in diesem Fall auch um einiges härter und definitiv grausamer als der Plot von „Die Elfen“, und somit waren auch gänzlich andere Charaktere vonnöten. Nuramon und Farodin, die Elfen aus dem ersten Buch, waren dann doch etwas zu melancholisch, als dass sie die geeigneten Personen für den Kampf gegen die Trolle gewesen wären, und daher eignen sich neue Charaktere wie Ollowain und Alfadas sicherlich besser. Und dennoch hat man irgendwie den Eindruck, als wäre die Geschichte um die beiden ‚alten‘ Elfen noch nicht zu Ende erzählt, aber dies kann ja eventuell im geplanten dritten Band „Elfenlicht“ noch geschehen.

Losgelöst von diesen Gedanken war es aber dieses Mal trotzdem nicht ganz so leicht, einen sofortigen Zugang zur Handlung zu bekommen. Das mag einerseits sicherlich an der eigenen Erwartungshaltung gelegen haben, andererseits aber auch daran, dass Hennen bei „Elfenwinter“ auch unumgänglich mehr Zeit benötigte, um die passende Rahmenhandlung auzubauen und die Situation in ihrer Gesamtheit vorzustelllen. Wenn man nun also nach einhundert Seiten immer noch glaubt, man ist nicht richtig ‚drin‘, dann ist das keinesfalls ungewöhnlich, sondern einfach nur ein Nebeneffekt von Hennens detailreichen Schilderungen, die auch dieses Mal trotz ihrer zwischenzeitlichen Langwierigkeit ganz klar zu den Stärken des Krefelder Autors zu zählen sind. In diesem Fall erweitert Hennen den Facettenreichtum jedoch noch um weitere Nuancen. Es sind nicht nur die Charakterzeichnungen und Landschaftsmalereien, die hier sehr umfangreich zelebriert werden, sondern vor allem auch die Schilderungen der Kriegsszenarien mit all ihrer Grausamkeit – angefangen bei der grundlegenden Schlachtthematik bis hin zu den abscheulichen Riten der Trolle. Hier sind dann auch einige Parallelen zu seinen Frühwerken im Bereich des Rollenspiel-Epos [„Das Schwarze Auge“ 2110 zu erkennen, bei denen die Kampfszenen ja ebenfalls eine wesentliche Rolle übernahmen.

Auf der anderen Seite hat „Elfenwinter“ ein wenig von der Eigenwilligkeit seines Vorgängers eingebüßt. Bemühte sich Hennen zusammen mit seinem Co-Autor James Sullivan in „Die Elfen“ noch darum, dem Genre durch vollkommen neue Elemente eine Frischzellenkur zu verpassen, ist das neue Buch im Grunde genommen ein recht gewöhnlicher Fantasy-Roman, der sich allerdings durch eine fabelhafte Handlung von der breiten Konkurrenz abhebt. Was halt nur fehlt, sind weitere neue Elemente, wie sie im Vorgänger zum Beispiel durch die Zeitsprünge gegeben waren. Stattdessen setzt der Autor so manches Mal auf Klischees wie etwa bei der seltsamen Beziehung zwischen Alfadas und der mysteriösen Silwyna, die aber wegen ihrer stets gelungenen Umsetzung trotz allem prima zur Erzählung passen. Lediglich die Einbeziehung einer Schamanin darf als neuer, frischer Aspekt gewertet werden, den Hennen ebenfalls sehr gut umsetzt.

Zum Schluss habe ich dann aber doch noch einen Kritikpunkt anzubringen, der sich vornehmlich auf den Titel des Buches bezieht. Natürlich war bereits der Name des ersten Buches aufgrund von Erfolgsepen wie „Die Orks“ und „Die Zwerge“ kalkuliert, passte aber auch zur Handlung, weil es eben ausschließlich um das Volk der Elfen ging. Dieses Mal stehen die Elfen aber nicht mehr einzig und alleine im Mittelpunkt; vielmehr geht es hier um den Kampf zwischen Gut und Böse, bei dem die Elfen zwar auch keine unwichtige Rolle spielen, andererseits aber auch keine höhere Position einnehmen als die Trolle oder die Menschen. Würde man also den Namen eines dieser Völker auf dem Cover finden, wäre das ebenfalls gerecht. Aber gut, es sei dem Verlag gegönnt, dass er auf dem bewährten Erfolgsrezept aufbaut, auch wenn die Handlung kein direkter Nachfolger zur Story von „Die Elfen“ ist.

Es bleibt nun abzuwarten, ob Hennen wie geplant seine Elfenromane zur Trilogie ausweitet. Angesichts des erneut superben neuen Buches wäre dies jedenfalls äußerst wünschenswert, denn es gibt nur wenige Romane von dieser Länge, bei denen man das Buch niemals aus der Hand legen möchte. Es ist jedenfalls nicht gewöhnlich, dass man plötzlich aufsieht, 400 Seiten am Stück gelesen und die Zeit dabei völlig außer Acht gelassen hat. Solche Begebenheiten zeichnen echte Klassiker dieses Genres erst aus, und diesbezüglich erfüllt der zweite Elfenroman wirklich alle Kriterien. Zudem ist es nicht dringend erforderlich, den ersten Roman bereits zu kennen – es ist höchstens hilfreich -, gerade weil sich die grundlegende Thematik in eine andere Richtung bewegt.

Bessere Voraussetzungen könnte ich mir persönlich dann auch gar nicht mehr vorstellen, um einen solchen Roman zu empfehlen. Bernhard Hennen weiß erneut zu begeistern und hat das Genre mit einem weiteren Meisterwerk beglückt. Kaum ein Autor vermag es, eine spannende Handlung so umfassend darzustellen, ohne die Geschichte dabei zu bremsen, wie es der Schöpfer von „Elfenwinter“ schafft. Und aus diesem Grunde sollten sich Fans jeglicher Fantasy-Sub-Genres auch mit diesem Buch beschäftigen, denn hier trifft man alle Facetten in gebündelter Form an.

http://www.bernhard-hennen.de/

Deaver, Jeffery – Tod eines Pornostars

Am Time Square in New York detoniert in einem heruntergekommenen Pornokino eine Bombe. Das „Schwert Jesu“, eine Gruppe religiöser Fanatiker, bekennt sich zu dem Anschlag. Zufällig am Ort des Geschehens ist die junge Nancy Drew, genannt Rune. Als schlecht bezahlte und nicht ernst genommene Produktionsassistentin und Mädchen für alles verfolgt sie mühsam ihren Traum von einer eigenen Karriere als Regisseurin von Dokumentarfilmen. Das Attentat gibt ihr eine Idee ein: Rune will einen Blick auf die moderne Sexindustrie werfen.

Die Pornoqueen Shelly Lowe ist durchaus angetan von diesem Projekt. Seit jeher sieht sie sich als ernsthafte Schauspielerin, die sogar Theaterstücke schreibt. Da Shelly in der Tat einen Kopf auf den Schultern trägt, weiß sie viel zu erzählen über die düsteren Abgründe einer Menschen verachtenden Szene – zu viel offensichtlich, denn eine zweite Bombe bringt sie kurz darauf zum Schweigen.

Rune hätte es beinahe ebenfalls erwischt. Sie macht die Bekanntschaft des Bombenexperten Alex Healey, der schnell auch privat Gefallen an ihr findet. Allerdings wird die aufblühende Beziehung auf harte Belastungsproben gestellt. Rune betätigt sich für ihren Film als Privatermittlerin, benimmt sich dabei wie eine Elefantin im Porzellanladen und bringt sich überdies in Lebensgefahr: Hinter den Anschlägen stecken keine wirrköpfigen Tugendbolde, sondern kühl kalkulierende, verbrecherische Geschäftsleute, denen es ausschließlich um Geld geht. Eine neugierige Schnüfflerin schätzen sie überhaupt nicht. Während weitere Bomben explodieren, setzt sich ein Killer auf Runes Spur. Sie kann ihm entwischen, aber ihre Glückssträhne wird nicht ewig halten …

Ein früher, in Deutschland bisher nicht veröffentlichter Thriller von Jeffery Deaver: Das weckt Erwartungen, ist doch dieser Schriftsteller hierzulande mit seinen Romanen um den querschnittsgelähmten Meisterdetektiv Lincoln Rhyme und seine Assistentin Amanda Sachs ein großer Wurf gelungen. Auch „Tod eines Pornostars“ gehört zu einer Serie, besser gesagt zu einer Trilogie um die junge Punkfrau Rune. Besonders erfolgreich scheint sie nicht gewesen zu sein, sonst hätte sie Autor Deaver nicht abgebrochen. Erst sein derzeitiger Ruhm lässt auch Rune wieder auftauchen.

Was wir hier lesen, würde ohne das Gütesiegel „Deaver“ in der Tat nur mäßiges Aufsehen erregen. Das liegt zum einen daran, dass „Tod eines Pornostars“ in einer versunkenen Epoche spielt. Erstaunlich, in welche geistige Entfernung 1990 bereits gerutscht ist. Rune zieht mit einer bleischweren Videokamera durch die Straßen, vor allem ist das Handy als Massenartikel noch unbekannt. Dies bedingt einige auf Telefonmangel basierende Spannungsszenen, die so heute einfach nicht mehr funktionieren.

Zum „period piece“ – zum „historischen“ Kriminalroman – reicht es freilich nicht. Philip Marlowe ohne Handy und Notebook – das irritiert uns kaum. Doch Runes New York ist noch nicht „exotisch“ genug gealtert. Dazu kommt der mäßig spannende Plot. Ein Bombenleger sät Angst und Schrecken, während ihm ein wortkarger Polizist und eine flippige Amateurdetektivin auf die Spur kommen. Die Konstellation ist bekannt, viel weiß Deaver nicht daraus zu machen. Schlimmer noch: Wiederum bekommt er seinen Hang zu Doppel- und Dreifach-Final-Überraschungen nicht in den Griff. Der übliche irre Bomber wird gefasst, aber er ist gar nicht der einzige Schuldige. Aus Hut Nr. 2 springen nun tatsächlich die ad acta gelegten irren Fundamentalisten. Und als das abgehakt ist, taucht aus der Versenkung noch eine ganz besondere Bekannte auf. Nein, in dieser Häufung wirkt das einfach nur aufdringlich.

Dann ist da der Hintergrund des cineastischen Rotlicht-Milieus. Deaver versucht den Spagat zwischen politisch korrekter moralischer Entrüstung und vorsichtiger Toleranz: Porno verdammt er nicht grundsätzlich, aber trotzdem gibt es nur Täter oder Opfer. Die Materie ist zweifellos komplex und objektiv schwierig zu thematisieren, doch Deaver verharrt etwas zu deutlich auf der Ebene des ebenso faszinierten wie angewiderten Beobachters.

Für einen männlichen Schriftsteller bedeutet es zweifellos eine Herausforderung, eine weibliche Hauptfigur zu schaffen. Andererseits geht er damit ein Risiko ein, zumal ein guter Teil der Schaffenskraft in den Versuch fließt, eine möglichst überzeugende Heldin zu kreieren. Deaver hat sich Mühe gegeben, doch Rune will trotzdem nur bedingt Gestalt annehmen. Sie wurde außerdem von der Zeit überrollt und noch nicht wieder freigegeben: Ein „Punk“ von 1990 wirkt anderthalb Jahrzehnte später lächerlich. Weitere zehn Jahre später mag sich das im Zuge eines Revivals ändern.

Sprengstoffexperte Healey wirkt wie Lincoln Rhyme, als der noch laufen konnte. Als Cowboy in der Wildnis von New York stilisiert ihn Deaver – auch so ein Klischee, das nicht mehr richtig funktioniert. Wesentlich mehr Glück hat der Verfasser mit den Nebenfiguren. Sobald die Handlung im maroden Studio von Runes chaotischen Chefs spielt, kommt sogar echter Humor auf. Der ist auch bitter nötig, denn im bösen Sexfilm-Studio finden wir nur rücksichtslose Ausbeuter hinter und Koks schniefende, vom Schicksal gebeutelte Sklaven vor der Kamera.

Ganz und gar nicht gelungen sind fatalerweise die zahlreichen Schurken dieses Krimispiels. Deaver setzt sie aus dem Baukasten für verrückte Serienmörder und religiöse Spinner zusammen. Immerhin wirken sie weder genial noch charismatisch, was mit der Realität übereinstimmt, was der Verfasser in diesem Fall sehr wahrscheinlich unfreiwillig geschafft hat.

Fazit: Eine mäßig spannende Ausgrabung, die sogar für den Deaver-Fan höchstens ein Kann aber ganz sicher kein Muss darstellt.