Jeffrey Thomas ist ein impulsiver Schreiber, einer, der seine Geschichten aus der Feder fließen lässt, ohne sich mit großmächtiger Szenenarchitektur aufzuhalten; Kunst ist etwas Spontanes, sagt er, und ein Verbrechen wäre es, dem frischen Moment der Schöpfung durch Planung das Blut abzuschnüren. Dementsprechend ist die Kurzgeschichte sein Revier, inspiriert durch die Werke von Barker und Lovecraft schreibt er sich durch sein 1980 erschaffenes Universum, das mit jeder neuen Geschichte wächst: Punktown. Es ist eine Stadt auf einem fremden Planeten, sie ist keinen Regeln unterworfen, es gibt keine Karte, auf der man ihrem Verlauf folgen könnte, keine Chronologie, die ihre Geschichte nachzeichnete, in Punktown kann alles geschehen, es ist der Ort, an dem Thomas seine Ängste auslebt, sein persönliches Oz, sein morbides Wunderland, Punktown ist die amorphe Allesstadt.
Anthony O’Neill – Der Hüter der Finsternis

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Kerr, Philip – Coup, Der
Auf dem Rücken des vorliegenden Buches wirbt der |Rowohlt|-Verlag damit, dass sein Autor Philip Kerr „die intelligentesten Thriller seit Jahren“ schreibt. Sicherlich handelt es sich hierbei um einen verkaufsträchtigen Ausspruch, der allerdings die Messlatte für den „Coup“ sehr hoch hängt, sodass Kerr wohl zwangsläufig daran scheitern muss. In der Tat hat Kerr mit „Newtons Schatten“ einen außergewöhnlich spannenden und interessanten Krimi mit dichter Atmosphäre veröffentlicht, wodurch er sich deutlich von seiner Konkurrenz abgehoben hat, doch schafft er dies auch mit seinem aktuellen Thriller, der in der heutigen Zeit spielt, stellenweise den Zeigefinger erhebt und sich teils auch sehr kritisch mit der aktuellen Finanzwelt auseinander setzt, in der die reichsten Männer der Forbes-Liste mächtiger sind, als sie vielleicht sein sollten? Schauen wir uns dies genauer an …
Zunächst lernen wir die Köchin Eve Merlini kennen, die ihren Ehemann Brad in ihrem gemeinsamen Restaurant inflagranti mit einer Kellnerin erwischt. Eve sieht rot und droht ihrem untreuen Mann und seiner Liebsten mit lebenden Krebsen, bis die Polizei erscheint und dem Ehestreit ein Ende setzen will, doch Eve kann nicht nur hervorragend kochen, sondern besitzt darüber hinaus den schwarzen Gürtel und überwindet die auftauchenden Polizisten mit ihren Karatekünsten im Handumdrehen. Dieser kleine Vorfall kostet sie nicht nur ihre Ehe, sie landet außerdem für einige Monate im Gefängnis. Doch genau dieser Umstand wird ihr Leben in Zukunft verändern. Denn in den Schlagzeilen entdeckt der Multimillionär Bob Clarenco Eve und möchte sie für seine ganz eigenen Zwecke einsetzen.
Clarenco lädt Eve zu einem Abendessen in ein sündhaft teures Restaurant ein und erklärt ihr, dass ihn dies verglichen mit seinem Vermögen nicht mehr kosteten würde als Eve eine Pizza vom Bringdienst. Doch Bob Clarenco hat Eve noch mehr anzubieten: Nachdem die Aktien seines Unternehmens drastisch gefallen sind und er außerdem bei einer kostspieligen Scheidung viel Geld verloren hat, steht Clarenco nur noch mit einem Bruchteil seines Vermögens da und hat sich bereits einen Plan zurechtgelegt, mit welchem er sein Konto wieder aufstocken möchte. Hierfür benötigt er allerdings eine toughe und fähige Köchin, die sein zusammengestelltes Team zu perfekten Catering-Angestellten ausbilden kann. Eve lässt sich nicht lange bitten, denn das Schmerzensgeld für die beiden Polizisten musste sie mit ihrem Anteil am Restaurant bezahlen, sodass sie das von Clarenco angebotene Geld dringend zum Leben braucht.
In harter Arbeit lernt Eve die anderen Mitarbeiter als Köche und Kellner an, um mit ihnen bei Multimilliardär Cal Wallenberg eingesetzt zu werden, der einmal pro Jahr zwanzig andere Multimilliardäre auf sein Anwesen einlädt, um mit ihnen ein Luxuswochenende zu verbringen.
Nachdem zwanzig der reichsten Männer der Welt bei Wallenberg eingetroffen sind, verleben die Milliardäre zunächst einige angenehme Stunden und schmieden ehrgeizige Zukunftspläne, bevor die Caterer zunächst das Security Team ausschalten und anschließend die Milliardäre narkotisieren. Im Internet veröffentlichen sie ihre Forderungen für die Freilassung der Geiseln und schalten eine Webcam, auf der eine gefesselte Geisel zu sehen ist. Die Caterer drohen mit der Erschießung der Milliardäre, wenn ihre Forderungen bis zum nächsten Tage nicht erfüllt werden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt …
Philip Kerr erzählt in „Der Coup“ die Geschichte einer Geiselnahme, die zu Beginn recht geradlinig wirkt und kaum genug Stoff für einen Roman herzugeben scheint, doch im Verlauf der Erzählung müssen wir unser Bild revidieren. Die präsentierte Geiselnahme ist alles andere als alltäglich, zumal die Caterer eigentlich nicht vorhaben, irgendwelche Milliardäre zu ermorden, auch ihre zunächst vorgebrachten Forderungen inklusive des Schuldenerlasses für die Dritte Welt sind reine Tarnung, hinter allem steckt viel mehr, was Bob Clarenco selbst seinem Team erst spät offenbart. So kann Philip Kerr mit seiner Geschichte durchaus überraschen und unterhalten, zumal er uns ganz nebenbei einige sehr interessante und lehrreiche Dinge über die Börse und den Handel mit Optionsscheinen erklärt.
Auch die Erzählweise ist kurzweilig und versteht es, die Leser mitzureißen. Kerr hält seine Kapitel kurz und passt auch seinen Schreibstil der rasanten Geschichte an. Hier bekommen wir (leider) keine ausgefeilte Sprache zu lesen wie noch in „Newtons Schatten“, Kerr reitet vielmehr auf der aktuellen Erfolgswelle mit und orientiert sich dabei an Autoren wie Brown oder Crichton, die ebenfalls auf die vergängliche aber packende Literatur setzen. In diese Kerbe schlägt auch Philip Kerr, was ich persönlich etwas schade finde, da er bereits bewiesen hat, dass sein Repertoire durchaus mehr hergibt.
Leider überzeugen die Charaktere nicht vollends, die Figuren erscheinen vielmehr klischeehaft und wenig authentisch. Allen voran ist hier Eve Merlini zu nennen, die wir gleich zu Beginn als schlagkräftige Meisterköchin und betrogene Ehefrau kennen lernen, die in ihrer Vergangenheit als Kommandantin einer Gruppe von Panzerspähwagen mit den amerikanischen Soldaten in Kuwait einmarschiert ist. Auch bei der Schilderung der Biografien unserer Milliardäre scheint es mit Kerrs Phantasie etwas durchgegangen zu sein, hier reiht sich eine sensationelle Geschichte an die andere.
Äußerst reizvoll dagegen ist die Sympathieverteilung in „Der Coup“: Stets begleiten wir Eve, Bob Clarenco und ihr Team bei ihren Taten und sind Zeuge ihres Vorhabens, sodass wir mit ihnen mehr mitfühlen als mit den schwerreichen Geiseln, die zu ihrem Vermögen nicht nur durch legale Geschäfte gelangt und stattdessen rücksichtslos und egoistisch allein auf ihren Vorteil aus sind. So kommt es, dass wir den Geiselnehmern Erfolg wünschen, obwohl dies unserem Gefühl für Recht und Gerechtigkeit durchaus widerspricht. Philip Kerr übt hier Kritik an den Machenschaften der Finanzwelt und macht deutlich, wie mächtig ein Multimilliardär durch seinen großen Reichtum eigentlich ist. Hier werden dem Leser die Augen geöffnet, sodass wir manches nun vielleicht unter einem anderen Blickwinkel betrachten.
Die große Schwäche von Kerrs aktuellem Thriller liegt jedoch in seinem großen Finale, in dem sich die Ereignisse förmlich überschlagen und dem Leser unnötig viele Wendungen zugemutet werden, die die Erzählung schließlich vollkommen unrealistisch machen. Mit seinen Zaubertricks, die Kerr auf der Zielgerade aus dem Hut zaubert, überfrachtet er seinen Roman, ohne die Spannung dabei weiter zu steigern. Viele Situationen sowie die gezeichneten Charaktere wirken wie für eine Hollywoodproduktion geschrieben, die Figuren werden nicht mit Leben gefüllt und die inhaltlichen Wendungen am Ende erscheinen etwas lieblos; hier hätte Kerr lieber konsequent seine Linie durchziehen sollen.
Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass „Der Coup“ eine durchaus unterhaltsame Lektüre bietet, die schnell und flüssig durchgelesen ist und mit einigen angenehmen Überraschungen dienen kann. Doch hat Philip Kerr bereits bewiesen, dass er tatsächlich intelligentere Thriller zu schreiben in der Lage ist, sodass er mit seinem aktuellen Buch nicht ganz überzeugen kann. In Ansätzen ist die erzählte Geschichte gelungen und auch recht innovativ, doch sollte ein Autor die Geduld seiner Leser nicht überstrapazieren, wie Kerr dies mit seinem überfrachteten Finale getan hat. So reicht es leider nur zu einem mittleren Gesamteindruck, obwohl man aus der Idee sicherlich mehr hätte machen können.
Laurie R. King – Die Insel der flüsternden Stimmen

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Rutherfurd, Edward – Prinzen von Irland, Die (Die große Dublin-Saga, Band 1)
Wer einmal für ein paar Tage die idyllische Natur der irischen Landschaft erlebt hat (und dabei ausnahmsweise auch mal Glück mit dem Wetter hatte), der wird in diesem Land höchstwahrscheinlich sein Herz gelassen haben. Die immergrünen Wiesen, die einfache Lebensart des irischen Volkes und natürlich die Spezialitäten der irischen Braukunst, all das wird man für ewig in Erinnerung behalten, mit dem Wunsch, eines Tages wieder hierhin zurückkehren zu wollen.
Nein, das sind nicht die einleitenden Worte zu einem Reiseführer über die ‚grüne Insel‘, sondern kurz zusammengefasst die Eindrücke, die dieses wunderschöne Land bei mir hinterlassen hat. Doch Irland hat auch eine umfassende Historie, die nicht weniger spannend ist als die Geschichte Englands, oftmals aber hinten anstehen muss, wenn es darum geht, die Entwicklung des Lebens auf den benachbarten Inseln zu schildern.
Edward Rutherford hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Geschichte dieses Landes einmal komplett neu aufzurollen und vor einiger Zeit damit begonnen, die Entstehung der Republik seit dem 5. Jahrhundert zu dokumentieren. Wichtig war ihm hierbei, dass er keine reine Dokumentation verfasst, sondern stattdessen einen fiktiven Roman, in dem man die wichtigsten Eckpunkte der irischen Geschichte wiederfinden kann, der aber gleichzeitig aufgrund seiner durchgängigen Spannung nicht die Funktion eines Berichtes erfüllen soll. Das Ergebnis seiner Arbeit trägt den Titel „Die Prinzen von Irland“ und ist der Anfang einer zweiteiligen Saga, in der Rutherford ganze sechzehn Jahrhunderte irischer Geschichte näher beleuchtet, angefangen beim keltischen Krieger Conall, der 430 n. Chr. die Macht der Druiden herausforderte, bis hin zur Jetztzeit.
_Story_
Im 5. Jahrhundert ist Dubh Linn (»dunkler Teich«) kaum mehr als eine Furt im Marschland mit einer Wassermühle und ein paar Bauernhöfen. Hier herrscht Fergus, der Viehhändler und Clanhäuptling. Er achtet die keltische Tradition, bis er miterleben muss, dass deren Hüter, die Druiden, seiner Tochter Deirdre und seinem Schwiegersohn ein übermenschliches Opfer abverlangen. Erst am Ende seines langen Lebens wird Fergus Zeuge, wie die Macht der Druiden gebrochen wird: Der ebenso charismatische wie gerissene Patrick, ein früherer Sklave, bekehrt immer mehr Menschen zum Christentum, auch Deirdres Sohn.
Nach der Invasion der Wikinger wird Dublin 841 eine bedeutende Hafenstadt. Fergus‘ Nachfahren müssen zwischen den Besatzern und den alteingesessenen Familien lavieren, um ihren Besitz in stürmischen Zeiten zu wahren. Nur zögernd schließen sie sich dem großen irischen Fürsten Brian Boru an, der die Wikinger 1014 in der dramatischen Schlacht von Clontarf endgültig besiegt. Aber Dublins Unabhängigkeit ist schon bald aufs Neue gefährdet: Die englischen Tudorkönige haben die Bedeutung der Stadt an der Liffey-Mündung erkannt und versuchen sie zu erobern.
_Meine Meinung_
Rutherford bewegt sich auf gefährlichem Terrain, indem er die Geschichte von Irland, oder besser gesagt von Dublin und Umgebung anhand eines Romans erzählt; schließlich muss der Autor fast ein komplettes Jahrtausend abdecken, und damit geht auch einher, dass mehrere Generationen die Hauptrollen in der Geschichte einnehmen. Hierbei besteht dann die Gefahr, dass das Buch doch eher zu einem unterhaltsamen Bericht avanciert und die Spannung, welche die irische Geschichte ja durch ihre vielen Fehden und Konflikte liefert, am Ende völlig untergeht.
Doch Rutherford hat die Aufgabe geschickt gelöst. Ausgehend von der Verteidigung der keltischen Kultur gegen die Druiden durch Fergus erzählt der Autor die breite Historie am Beispiel einer Familie, deren Werdegang eng mit der Geschichte Dublins verknüpft ist. Das Schicksal der heutigen Hauptstadt ist auch ihr Schicksal, und dadurch findet Rutherford auch immer wieder Ansatzpunkte, um die Nachfahren von Fergus, dessen Tochter Deirde usw. sowohl in die Rahmenhandlung als auch in die momentane politische Situation einzubeziehen.
Der Autor orientiert sich beim Aufbau der Geschichte aber auch sehr eng an den umfassenden Konfliktpunkten der irischen Vergangenheit und lässt eigentlich keine Details aus. Der Kampf gegen die Wikinger und gegen die Besatzng der Engländer wird ebenso eingeflochten wie der Konflikt mit dem Vatikan, und dies trotz des fiktiven Erzählstrangs, der wegen dieser vorgegebenen Linie keinesfalls an Spannung verliert. Einzig und alleine die Überleitungen zwischen den verschiedenen Epochen ruckeln manchmal, und so manche Verbindung zwischen den direkten und indirekten Erben von Dubh Linns Clanführer Fergus erscheint doch recht seltsam und kommt dann auch meistens eher zufällig zustande. Diese Aufgabe war aber mitunter auch die schwerste, denn es scheint beinahe unmöglich, die Entwicklung des Landes an einem einzigen Familienstamm festzumachen, und deswegen waren solche Zufälle wohl auch von Nöten.
Das Buch endet schließlich im 16. Jahrhundert an dem Punkt, als die Aufstände gegen die feindlichen Engländer voll im Gange sind, und auch wenn das Buch bis hierhin schon ganze 650 Seiten zählt, kann man dennoch nicht genug von Rutherfords Darstellungen bekommen. Er hat es wirklich wunderbar arrangiert, die faszinierende Geschichte der kleinen Inselrepublik erneut zum Leben zu erwecken. Im Gegensatz zu manch anderer historischen Aufarbeitung wirkt der Inhalt von „Die Prinzen von Irland“ trotz des enormen Zeitraums, der hier beleuchtet wird, unheimlich erfrischend, zumal die dramatischen Wesenszüge der eingeführten Charaktere im Zusammenhang mit der Entstehung der heutigen Republik einen repräsentativen Wert für die Schilderung der jeweiligen Epoche haben.
Nach der eigentlichen Erzählung legt der Autor in einem Nachwort dar, inwieweit Familiennamen, Orte und historische Ereignisse mit den tatsächlich Begebenheiten in Einklang zu bringen sind bzw. welche Darstellungen im Laufe der Geschichte frei erfunden sind. Auch wenn der Roman schon vorher abgeschlossen wird, sollte man diese wenigen Seiten auf jeden Fall noch durchlesen, denn erst danach darf man sich selber als „Experten“ im Hinblick auf die Geschichte der Insel bezeichnen.
Edward Rutherford hat mit „Die Prinzen von Irland“ ein mitreißendes Epos verfasst, dem es weder an Fakten noch an Dramaturgie mangelt. Selbst diejenigen, die glauben, alles über die Geschichte des Landes zu wissen, werden hier mit Sicherheit noch Wissenswertes entdecken, das ihnen bis dato nicht bekannt war. In erster Linie handelt es sich bei diesem Buch um einen spannenden Episoden-Roman, an dem man sicherlich auch Gefallen finden wird, wenn die Liebe zu Irland noch nicht so weit fortgeschritten ist.
Wer allerdings ohnehin schon der ‚grünen Insel‘ verfallen ist und sich auch nicht vor der Lektüre eines recht langen Romans scheut, wird keine Ausrede finden können, um sich diesem Buch zu verweigern. Für diese Zielgruppe ist „Die Prinzen von Irland“ Pflichtlektüre, und die Übrigen sollten sich kurz ins Gedächtnis rufen, dass bislang alle Bücher von Rutherford internationale Bestseller sind bzw. waren, und das aus gutem Grund. Fesselnder und lebendiger als in diesem wunderschön aufgemachten ersten Teil der Saga kann man Geschichte jedenfalls kaum darstellen.
Aaron Elkins – Yahi. Wald der Toten [Gideon Oliver 2]

StirnhirnhinterZimmer
All jenen geneigten Lesern, die sich nun verwundert fragen, was dieses StirnhirnhinterZimmer sein mag, möchte ich anfangs ein paar einleitende Zeilen aus der gleichnamigen Präsentation in den Weiten des Netzes an die Hand geben:
|“Das StirnhirnhinterZimmer ist eine regelmäßige Lesereihe, die sich der phantastischen Literatur in ihren verschiedenen Ausprägungen widmet. Im Zentrum der Veranstaltung stehen Fantasy, Science Fiction, Märchen, Unheimliches und Groteske gleichberechtigt nebeneinander, um an jedem zweiten Donnerstag des Monats unter einem bestimmten Thema zum Vortrag gebracht zu werden.(…)“
„Ein Raum jenseits der tristen Korridore des Alltags. Ein Raum voller Fabelwesen, furchtsamer Weltraumpioniere, machttrunkener Dämonenfürsten (…) Ein Raum der Phantastik in all ihren Spielarten, präsentiert und imaginiert von drei jungen Berliner Autoren.“|
http://www.stirnhirnhinterzimmer.de
Bei meinem letzten Berlinbesuch kam ich nun endlich in den Genuss einer Visite im StirnhirnhinterZimmer, in dem sich die drei Berliner Autoren _Markolf Hoffmann_, _Christian von Aster_ und _Boris Koch_ das erste Stelldichein des Jahres 2006 gaben. In überschwänglicher Vorfreude kamen wir viel zu früh an der Z-Bar (Bergstraße 2, Berlin-Mitte) an. Nach kurzer Wartezeit, die wir uns mit einem kleinen Gaumenschmeichler vertrieben, öffneten dann auch gegen 20:30 die Tore des StirnhirnhinterZimmers, welches an diesem Abend bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Getreu dem Abendmotto „Hinab ins Dunkle“ kamen die drei Protagonisten und Gastgeber polternd und fluchend aus den dunklen Kellergewölben der Z-Bar, in denen sie nach eigenen Angaben die letzten Tage des Schaffens verbrachten. Markolf Hoffmannn eröffnete den Abend mit seiner Geschichte „Ego Shooter“, in der er sich in die trostlose und verwinkelte Welt eines solchen Computerspiels versetzte und dem Auditorium einige interessante Gedanken des bedauernswerten Protagonisten offenbarte, der bar jeder Erinnerung an sein früheres Leben erwacht und sich in einer todbringenden Umgebung wiederfindet. Schon bald wurde klar, dass er dieses Labyrinth am liebsten wieder verließe, in das ihn der menschliche Spieler, einer Marionette gleich, eingesperrt hatte. Christian von Aster konterte mit dem „Schattenbastard“ und Boris Koch eröffnete den Gästen tiefe Einblicke in den „Keller“, der einem trauernden Witwer zur Zuflucht und seinem Sohn zu einem Ort unbeschreiblichen Grauens wurde. Von Aster ließ den ersten Teil dieses schaurigen Abends mit seinen „Schrankaffen“ ausklingen, einer Kriminalgeschichte, in der sich ein englischer Kleinkrimineller mit den Machenschaften eines irren Wissenschaftlers konfrontiert sieht, die ihn in ein moralisches Dilemma stürzen.
In der nun folgenden kurzen Pause ergab sich die Möglichkeit, mit den Autoren ein kleines Schwätzchen zu halten, sich mit neuen Getränken zu versorgen oder einfach nur das soeben Gehörte sacken zu lassen.
Den zweiten Teil des Abends eröffnete Koch mit zwei neuen |urban legends|, „Jäger mit Promille“ und „Die Waffen einer Frau“. In „Jäger mit Promille“ berichtete er von den grotesken Versuchen eines alkoholisierten Waidmanns, sich eines unliebsamen Nagers zu entledigen. Die Stimmung im Saal war ausgesprochen heiter und ausgelassen, so dass auch die folgenden Geschichten, die sich eher der Groteske zuwandten, als dass sie wirklich schauriger Natur waren, beim Auditorium auf freudige Zustimmung trafen. Als nächstes geleitete Boris Koch uns in das literarische B-Movie „Giftangriff aus dem All“, in dem bösartige Aliens die Menschheit mittels vergammelter Imbissspeisen zu vernichten drohen. Markolf Hoffmann gab seinen „Brandbrief“ zum Besten und eröffnete den Zuhörern Einblicke in die obskuren Folgen eines Partyflirts. Christian von Aster erläuterte den Anwesenden die Vorteile einer Zwangssiamesierung mit seinem „Informationsblatt der Überlingen-Stiftung“ und schloss den Abend mit einer gelungenen Darbietung von „Sexuelle Identität: Krise, Konsequenz und Kompromiss“ in deren Verlauf er der Zuhörerschaft anhand einiger archetypischer Beispiele die sexuelle Psyche des Menschen erklärte. Zu guter Letzt wurde noch das Thema des nächsten StirnhirnhinterZimmers bestimmt, wobei sich Boris Koch eigenmächtig der Meinung des Auditoriums bediente. Am 09.02.2006 heißt es dann „Schweinekalt“.
Und so entließen die drei Gastgeber ihre Gäste dann aus den Fängen des StirnhirnhinterZimmers und wünschten uns noch einen angenehmen Abend. Natürlich standen sie auch noch für Gespräche, Anregungen und Feedback zur Verfügung und erfreuten sich ebenso des gelungenen Abends wie ihr Publikum.
Wer Spaß an experimentierfreudiger, junger Literatur hat und einen Besuch in Berlin einrichten kann, dem sei das StirnhirnhinterZimmer wärmstens ans Herz gelegt. Der frische Vortragsstil der drei Autoren wie auch ihr Ideenreichtum lassen einen Abend in ihrer Obhut zu einem ganz besonderen Ereignis werden. Und auch, wenn die Bestuhlung eigentlich nur ca. 30 Leute vorsieht, so lassen sich sicherlich noch einige Stühle organisieren, wenn der eine oder andere Gast mehr an die Tore des StirnhirnhinterZimmers klopft. Wenn ich euer Interesse geweckt habe und ihr mehr über das StirnhirnhinterZimmer und seine Gastgeber erfahren wollt, dann schaut doch einfach mal auf der [Website]http://www.stirnhirnhinterzimmer.de vorbei.
|© Foto: Nadja Ritter|
Stewart, Paul / Riddel, Chris / Niederfahrenhorst, Volker – Twig – Fluch über Sanktaphrax (Die Klippenland-Chroniken IV)
Buch I: [Twig im Dunkelwald 1936
Buch II: [Twig bei den Himmelspiraten 1999
Buch III: [Twig im Auge des Sturms 2101
Im vierten Teil der „Klippenland-Chroniken“ wird die Geschichte des Himmelspiraten Twig nicht chronologisch fortgesetzt. Stattdessen dient diese Episode dazu, die Vorgeschichte der bisherigen Erzählung und damit die Story von Twigs Vater, dem legendären Quintinius Verginix, aufzurollen. Der eigentliche Titelheld spielt daher hier auch nur eine untergeordnete Rolle, was vielen Fans der Serie zunächst Bedenken aufgab, die aber getrost ausgeräumt werden können, denn auch „Fluch über Sanktaphrax“ ist ein echter Twig, nur eben mit anderen Hauptfiguren.
_Story_
Linius Pallitax ist der allerhöchste Akademiker von Sanktaphrax und daher auch entsprechend geachtet. Als er eines Tages einen Gehilfen sucht, nutzt der junge Quint die Gunst der Stunde und bekommt tatsächlich die Anstellung als Lehrling. Zusammen mit Maris, der Tochter seines neuen Vorgesetzten, besucht er die Schule und erledigt die alltäglichen Aufgaben, die der Akademiker ihm aufträgt.
Währenddessen macht der höchste Akademiker von Sanktaphrax im Labyrinth eines wachsenden Felsens eine unglaubliche Entdeckung, von der er seiner Tochter und derem Geliebten jedoch erst nichts erzählt. Doch sein auffälliges Verhalten entgeht den beiden nicht. Quint begleitet den Wissenschaftler schließlich Nacht für Nacht, bis Linius eines Tages fast in diesem geheimnisvollen Felsen ums Leben kommt.
Quint wird erst dann richtig bewusst, dass sich hinter diesem Labyrinth ein Geheimnis verbirgt, von dem Linius von Anfang an wusste. Aber nun handelt er auf eigene Faust und erforscht gemeinsam mit Maris den rätselhaften Ort. Doch beide ahnen noch nicht, in welche Gefahr sie sich dabei begeben.
_Meine Meinung_
Anfangs habe ich mich gefragt, warum man die Auflösung von Quintinius‘ Vergangenheit erst im vierten Teil abhandelt und die einzelnen Episoden nicht der Reihe nach veröffentlicht hat, was für die eigentliche Geschichte natürlich unerheblich ist. Doch nun habe ich verstanden, dass dieses Vorgehen durchaus sinnvoll ist, denn ansonsten hätte man der Handlung in den ersten beiden Teilen der Reihe schon vorab die Spannung genommen, schließlich war es ja zu Beginn ein Geheimnis, dass der berühmte Himmelspirat Twigs Vater ist. Insofern ist „Twig – Fluch über Sanktaphrax“ dann auch eine komplett unabhängige Story, bei der die Vertautheit mit den einzelnen Charakteren natürlich enorm hilfreich ist. So weiß man zum Beispiel im Voraus, dass Quintinius ein ausgesprochener Sturkopf ist und kennt auch den weiteren Werdegang von Twig, der hier aber wirklich nur eine Rolle am Rande einnimmt. Entscheidend ist dieses Wissen aber natürlich nicht.
Überraschenderweise ist die eigentliche Erzählung – mal wieder vorgetragen vom genialen Volker Niederfahrenhorst – jedoch (zumindest meiner Ansicht nach) die spannendste der gesamten Reihe. Es gilt, mehrere Geheimnisse zu lüften, gleichzeitig aber auch wieder komplett neue Figuren anzunehmen und zu entdecken, was nach der Etablierung der bisherigen Charaktere wieder ganz erfrischend wirkt. Mit Maris und Linius integriert Autor Paul Stewart hier zwei sehr sympathische neue Figuren in die Geschichte, von denen man später (bzw. früher …) nie wieder etwas gehört hat (oder trügt mich mein Gedächtnis?). Doch auch die Trollin Welma Dornhold und der feindliche Raubgließer sind neu, ebenso wie die vielen Schauplätze des Geschehens. Die wachsenden Felsen zum Beispiel wurden bislang nur kurz erwähnt, und auch von der großen Bibliothek in Sanktaphrax war bislang nie die Rede. Und so wird man noch viel mehr Begebenheiten und Eigenschaften aufzählen können, die man bis dato nicht kannte, wenn man die Erzählung zum ersten Mal anhört, was ich persönlich sehr positiv finde, weil dem Autor so durchgehend ein gewisser Überraschungseffekt gelingt und die Story sich nicht selber durch Wiederholungen in eine Sackgasse navigiert.
Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass die vierte Folge von Twig-Fans recht zwiespältig aufgenommen wird, und das fast ausschließlich, weil die eigentliche Hauptfigur zur Nebensache degradiert wurde. Doch „Twig – Fluch über Sanktaphrax“ ist weitaus besser als der heraufbeschworene Ruf und verdient daher auch auf jeden Fall eine Chance. Mir hat die Geschichte mal wieder sehr gut gefallen und bezüglich der Spannung ist sie sogar der Höhepunkt der bisherige „Klippenland-Chroniken“. Der wesentliche Unterschied besteht eben nur einzig und allein darin, dass Twig in seiner Heldenrolle durch seinen Vater Quint ersetzt wird. Das war’s auch schon.
Nancy Kilpatrick – Todessehnsucht

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Clemens, James – Buch der Entscheidung, Das (Alasea / Banned and the Banished 5)
[Das Buch des Feuers 969
[Das Buch des Sturms 996
[Das Buch der Rache 1007
[Das Buch der Prophezeiung 1775
Die Expeditionen, die im vierten Band ausgezogen waren, um die Wehrtore des Greifen, des Basilisken und des Mantikor zu zerstören, haben ihre Aufträge erfüllt. Allerdings nicht, ohne einen hohen Preis zu bezahlen! Die El’ven haben ihre Königin und ihre Heimat in den Wolken verloren. Das Volk ist versprengt, und Merik kann nur einen Teil der Windschiffe wieder um sich versammeln. Der Kampf gegen den Greifen hat Mikelas und Krals Leben gefordert. Ferndals und Mogwieds Körper wurden zu einem gemeinsamen zusammengeschmolzen, den sie sich nun teilen müssen. Am schlimmsten jedoch hat es Elenas Bruder Joach getroffen. Er wurde nicht nur von Greschym seiner Jugend beraubt, er hat auch Kesla verloren, in die er sich verliebt hatte.
Nun bereiten sich die Verbündeten auf den Endkampf mit dem „schwarzen Herzen“ vor. Im nächsten Frühjahr wollen sie angreifen. Da platzt ein kleiner, blasser Mann im Narrenkostüm in eine Beratung und erklärt, dass sie nur noch einen Monat Zeit haben!
Dazu kommt eine Hiobsbotschaft von Merik: Ein Windschiff ist abgestürzt, und Kast und Saag’wan haben im Rumpf Eier aus Schwarzstein entdeckt! Daraufhin setzt geschäftiges Treiben ein. Die Strategen planen den Angriff auf Schwarzhall, Saag’wan und die Gelehrten A’loatals versuchen, das Geheimnis des Eis zu lösen. Sie beschließen, es zu öffnen. Ein folgenschwerer Fehler …
Währenddessen sind Elena, Er’ril, Joach, Merrik und Ni’lahn im Hof versammelt und beobachten, wie Ni’lahns Sohn Rodricko für seinen Baum das Erweckunslied singt. Gleichzeitig ist Greschym am Mondsee, einem magischen Ort, damit beschäftigt, seinen Knochenstab mit Elementarmagie aufzuladen.
Zwischen beiden Ereignissen entsteht eine Energiebrücke, die sämtliche Anwesenden außer Rodricko aus dem Garten zum Mondsee katapultiert, mit verheerender Wirkung für den See und seine Umgebung. Die Si’lura, die in diesem Teil der Wälder leben, sind darüber äußerst aufgebracht und nehmen die Gefährten gefangen …
Tol’chuk ist derweil mit Ferndal, Mogwied, Mama Freda und El’ven Kapitän Jerrick auf dem Weg in seine Heimat, um den geheilten Herzstein zurückzubringen. Bei ihrer Ankunft müssen sie feststellen, dass einer der Oger-Stämme unter einem unheilvollen Einfluss zu stehen scheint …
Und zu allem Übel ist die Zwergenarmee, die eigentlich auf dem Landweg nach Schwarzhall marschieren sollte, aus irgendeinem Grund nicht mehr aufzufinden. Als Tyrus sie endlich entdeckt, trifft ihn fast der Schlag!
Im letzten Band seines „Hexenzyklus“ kommt Clemens noch einmal richtig auf Touren. Schon den gesamten Zyklus über standen seine Protagonisten unter Druck. Den hat der Autor im letzten Band nochmal um eine Stufe erhöht, indem er der Gruppe kaum noch Zeit lässt und sie so zu überstürztem Handeln zwingt. Abgesehen davon müssen die Verbündeten sich jeden Fußbreit hart erkämpfen. Immer wieder zwingen unvorhergesehene Ereignisse dazu, in eine andere Richtung auszuweichen. Kaum ist eine Schwierigkeit überwunden, kommt schon die nächste daher!
Das zähe Ringen um jeden Zentimeter Boden wird in diesem Band für den Leser besonders hautnah. Clemens erlaubt seinen Charakteren so viele Gefühlsäußerungen wie nie zuvor. Besonders Elena bricht unter ihrer Angst und der Last der Verantwortung fast zusammen. Zudem hat er im Laufe der Ereignisse eine Menge Pärchen zueinander finden lassen: allen voran natürlich Elena und Er’ril sowie Cassa Dar und Jaston, Saag’wan und Kast, Merrik und Ni’lahn, Mama Freda und Jerrick …
Jetzt, wo es ums Ganze geht, konfrontiert der Autor seine Leser gnadenlos mit der Sorge dieser Personen um den/die jeweiligen Geliebten, mit Angst, Verlust und Schmerz. Auch die ständigen Hinweise auf Verwüstung und Zerstörung, die Ausführungen, die mit Schwarzhall und dem Krater in Wintershorst zusammenhängen, Svesa’kofas Mitteilung an Elena, das alles dient dazu, die Stimmung immer düsterer und unheilschwangerer zu gestalten. Außerdem droht noch immer Verrat aus den eigenen Reihen!
Trotz der vielen Stolpersteine und Umwege bleibt der vage Eindruck eines Hindernisrennens, der dem Vorgängerband anhaftete, aus. Das mag daran liegen, dass der Aufbau bei diesem letzten Bandes wesentlich komplexer geraten ist als beim vierten. Die verschiedenen Handlungsstänge laufen nicht einfach parallel zueinander, sondern es teilen sich Fasern ab, um sich mit anderen Strängen zu verbinden, oder es treffen sich Stränge, um fortan gemeinsam zu verlaufen, wobei die Bündelung zum Ende hin natürlich stetig zunimmt. Zudem ist Clemens wieder zu seiner Gewohnheit zurückgekehrt, Handlungsstränge immer gerade an den heikelsten Stellen zu unterbrechen.
Zusätzlich zu dem Aufwand, den die Zusammenführung aller Fäden bedeutet, hat Clemens auch noch einige neue Ideen in seine Erzählung einfließen lassen, darunter der Nexus und der Stein-Magus. Das Auftauchen des Letzteren wirkte ein wenig aufgesetzt, so als käme er überhaupt nur deshalb vor, weil er für die weitere Entwicklung unabdingbar ist. Eine oder zwei Erwähnungen am Rand zu einem früheren Zeitpunkt hätten die Begegnung etwas natürlicher wirken lassen.
Was mich überrascht hat, war, dass das „schwarze Herz“ die Information, die es von Mogwied erhalten hat, offenbar nicht einmal versucht hat zu nutzen. Hier ist ein Fadenende einfach verschütt gegangen.
Die Kurve, die die Diskrepanz zwischen Geschichte und Rahmen überbrückt, hat Clemens recht elegant genommen. Nur verstehe ich nicht: Warum ist die Geheimhaltung von Elenas Geschichte noch wichtig, wenn der Hexenstern am verlöschen ist und damit die Gleichheit der Menschen ohnehin aufgehoben wird?
Ein paar kleine Wermutstropfen, die im Hinblick auf die Gesamtheit des Zyklus aber nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass |Banned and the Bannished| zum Spannendsten gehörte, was ich in den letzten zwölf Monaten gelesen habe. Manches war für meinen Geschmack dann doch etwas zu abstoßend oder blutig, abgesehen davon jedoch ist es eine gute und fantasievolle Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Für jeden, der weniger zart besaitet ist als ich und viel für Action übrig hat, nur zu empfehlen!
James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Canada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Kalifornien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause kam im Juli 2005 der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ heraus. Die deutsche Übersetzung erschien im September unter dem Titel [„Schattenritter“. 1794 Derzeit schreibt der Autor am zweiten Band dieses Zyklus, dessen Veröffentlichung unter dem Titel „Hinterland“ für dieses Jahr geplant ist.
Gerald Axelrod / Liane Angelico – Die Nacht des Blutmondes

Die Bilder
Gerald Axelrod / Liane Angelico – Die Nacht des Blutmondes weiterlesen
Swofford, Anthony – Jarhead
In seinem dreihundert Seiten zählenden Buch „Jarhead“ befasst sich Anthony Swofford mit seiner eigenen Lebensgeschichte. Swofford war als Scharfschütze im ersten (oder zweiten, je nach Zählung) Irakkrieg eingesetzt. Allerdings weist der Autor direkt zu Beginn darauf hin, dass er seine Erlebnisse solcherart schildert, wie sie ihm im Gedächtnis geblieben sind, und dabei gegebenenfalls von offiziellen Berichten über den Krieg abweichen kann. Und auch wenn er einzelne Namen und biografische Hintergründe seiner Kameraden und anderer Mitmenschen verändert hat, so bleibt es seine Geschichte.
Diese Geschichte beginnt mit dem nicht mehr im Dienst befindlichen Ex-Marine Anthony Swofford, der seinen alten Armeerucksack aus dem Irakkrieg im Keller seines Hauses durchstöbert, auf der Suche nach Erinnerung und Antworten. Von diesem Punkt ausgehend, breitet der Autor seine Lebensgeschichte vor dem Leser aus. Dabei ist die Erzählweise nicht linear aufgebaut; bisweilen springt die Darstellung zwischen verschiedenen Orten, Zeiten und Handlungssträngen hin und her, ohne dadurch jedoch wirklich unübersichtlich zu werden. Es ist vielmehr so, dass diese Art des Berichtens die Geschichte belebt und dem Leser den Eindruck vermittelt, einen wirklichen Einblick in das Seelenleben des Ich-Erzählers zu gewinnen. Swofford berichtet von seiner Grundausbildung, von seiner Familie, von Frauengeschichten, von zotigen Ereignissen und vor allem von seinem Einsatz im Irakkrieg. Es ist sein Leben, das er offenbart. Und sein Leben ist, wie sich zeigen soll, auf eine dunkle und beklemmende Weise von den Erfahrungen des Krieges geprägt.
Der Erzähler ist ein faszinierend komplexer Charakter, der stets auf der Suche ist; wenngleich er auch manchmal selbst nicht zu wissen scheint, was er sucht. Er pendelt zwischen Extremen, zwischen Selbstmord und dem Verlangen, Andere zu töten, zwischen der Berauschtheit des Augenblicks und dem stetigen Horror des Krieges, zwischen Langeweile und schrecklichem Erwachen. Aber gerade das ist es, was die innere Zerrissenheit und die schrittweise emotionale Verkümmerung des Gefühlslebens dieses Soldaten so plastisch macht. Er ist kein Held und will es auch nicht sein. Er will überleben. Er hört auf, die Lügen zu glauben, die ihm und seinen Kameraden immer wieder aufgetischt werden. |“Und an diesem Punkt wissen wir alle, dass das Ergebnis dieses Krieges für uns – die Männer, die kämpfen und sterben – weniger wichtig ist als für die alten weißen Knacker und die anderen Leute, die Milliarden von Dollar auf den Ölfeldern gewinnen oder verlieren können, auf den großen, mächtigen, sprudelnden Ölfeldern des Königreichs Saudi-Arabien.“|
Der Leser begleitet Swofford auf eine Reise durch die Abgründe seiner Psyche. Auch wenn der Erzähler durch Landschaften voller Leichen marschiert und immer wieder, den Tod vor Augen, Furcht in den Knochen verspürt, so hört er doch nicht auf hinzuschauen. Er beobachtet, er hinterfragt, er verzweifelt. Das ist es, woran der Leser teilhaben darf. |“Ich weine, und ich höre meine Freunde schreien, die Männer, die ich gern habe, und ich weiß, dass wir dieses verrückte Geschrei bald mit nach Hause nehmen werden, aber dass niemand uns zuhören wird, weil alle das Geschrei des Sieges hören wollen.“|
„Jarhead“ ist ein fesselndes Buch. Es ist extrem, in vielerlei Hinsicht. Es ruft entweder eindeutig positive oder wütende Resonanzen hervor. Swofford verheimlicht nicht seine Haltung zum Krieg und zu der Chimäre, die er aus den Menschen macht. Sein Hauptcharakter ist tragisch, intelligent und doch zugleich dumm, wie der Autor selbst zugibt. Er verheimlicht auch nicht seine Ablehnung gegenüber der Bush-Administration und deren streitbaren Beweggründen. Viele Reaktionen, die man in Bezug auf das Buch oder auch auf den inzwischen erschienenen Film vernimmt, basieren vor allem auf der entsprechenden politischen Einstellung des Betrachters. Damit tut man dem Buch jedoch Unrecht, wie ich finde. Gewiss kann man es auch vor diesem Hintergrund lesen und sich durch die Lektüre in seiner Weltsicht entweder gestört oder bestärkt fühlen, aber davon abgesehen, hat das Buch vor allem große Qualitäten im Bereich der Erzählkunst und der Erzeugung einer lebendigen Atmosphäre. Hierzu bedient sich Swofford mitunter sehr radikaler Ausdrucksweisen, wie z. B. |“Dann schloss ich die Augen und pinkelte mir in die Hose, während Drill Instructor Burke mir die Worte Schwuchtel, Junkie, Schwanzlutscher, Hurenstecher, Flachwichser, Vollidiot, Mokkastecher, Eunuch und Jungfrauenarsch ins Ohr brüllte.“| Dies erscheint allerdings nur allzu verständlich, in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier um das Leben eines „Jarheads“, einer zum Töten abgerichteten Kampfmaschine, handelt. Den rauen Ton zu mildern oder zu verschleiern, hätte die Authentizität vermindert.
Alles in allem handelt es sich bei „Jarhead“ um einen Roman, den ich nur wärmstens empfehlen kann, vorausgesetzt natürlich, dass man mit der erwähnten Fäkalsprache, den teilweise sehr plastischen Beschreibungen von Körperfunktionen und der bedrückenden Stimmung zurecht kommt. Denn es ist gewiss kein Happyend zu erwarten, wie der Schlussappell an den Leser verdeutlichen dürfte: |“Was habe ich zu gewinnen gehofft? Es kommen noch mehr Bomben. Grabt eure Löcher mit den Händen, die Gott euch gegeben hat.“|
Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Achterbahn ins Jenseits (Folge 3)
_Prolog_
Der kleinkriminelle Bauunternehmer Vince MacAllister plant, den kompletten Friedhof einzuebnen. Obwohl die Bürger des kleinen Provinznestes Upfield sich dem Vorhaben widersetzen, bekommt MacAllister die Genehmigung und gewinnt den Prozess – Schmiergelder haben es ermöglicht. Während der Realisierung seines Plans taucht plötzlich der Totengräber des Friedhofs auf und fordert den Bauherrn dazu auf, die Arbeiten auf dem Gelände sofort zu stoppen. MacAllister nimmt die Warnung des Grabschauflers jedoch nicht ernst und hält Mr. Hampton für einen Vertreter der lästigen Bürgerinitiative. Als Hampton sich nicht vom Grund des Friedhofs entfernen will, versucht MacAllister, ihm seine Faust ins Gesicht zu rammen, schlägt dabei aber ins Leere. Hampton hingegen, der behauptet, schon hundert Jahre auf diesem Friedhof zu arbeiten, macht seine Drohung war und lässt eine Planierraupe im Boden versinken. Der Bauherr selber wird von einer Geisterhand ergriffen und ebenfalls in die Tiefe gezogen. Sowohl das Fahrzeug als auch MacAllister werden bei den darauffolgen Grabungen nicht mehr gefunden, und nach einigen jahren erinnern sich die Bürger von Upfield auch nicht mehr an diesen grausamen Tag.
_Story_
Jahre später macht ein Jahrmarkt Halt in Upfield. Auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs wird die Mega-Achterbahn „Canynon Ride“ aufgebaut und gilt damit auch als die größte Attraktion, die das Örtchen bislang gesehen hat. Der Jahrmarkt füllt sich, als plötzlich ein alter Bekannter wieder auftaucht: der Totengräber Hampton. Wiederum spricht er eine Warnung aus und verlangt vom Betreiber der Achterbahn, sein Fahrgeschäft sofort wieder abzubauen und sich aus Upfield zu verziehen. Dieser jedoch nimmt die seltsame Erscheinung des Totengräbers nicht ernst und lässt die Achterbahn unbehelligt weiterfahren. Als dann eine kriminelle Jugendbande ihr Unwesen auf dem Jahrmarkt treibt, eskaliert die Situation. Schüsse fallen, Menschen werden verletzt und mittendrin befindet sich der mysteriöse Grabschaufler, der den Besitzer der Achterbahn zu seinem tödlichen Spielball macht. John Sinclair hat lange genug untätig herumgestanden; er fordert Hampton zum Duell heraus und holt sich eigens hierfür Unterstützung von geistlicher Seite …
_Meine Meinung_
Ich überlege mir gerade einen Standardsatz, mit dem ich meine Begeisterung für die jeweiligen Episoden der „John Sinclair“-Hörspiele auf den Punkit bringen kann, das würde mir die Arbeit ungemein erleichtern. Doch Spaß beiseite und auf in ein neues Abenteuer des populären Geisterjägers. „Achterbahn ins Jenseits“ ist einer der actionreichsten Vertreter aus der gesamten Reihe und bietet haufenweise Duelle, die jedoch auf verschiedene Art und Weise ausgefochten werden. Höhere Mächte kommen hier ebenso zum Zuge wie die Martial-Arts von Sinclair-Kumpel Suko, und auch eine traditionelle Schusswaffe findet Gebrauch während eines hektischen Handgemenges. Und dann ist da natürlich noch das große Finale, bei dem sich Hampton und Sinclair direkt gegenüberstehen und den Kampf Gut gegen Böse ein weiteres Mal bis zum Ende ausfechten müssen.
Abgesehen hiervon, gefällt bei „Achterbahn ins Jenseits“ vor allem der ziemlich lange Vorspann mit der Vorgeschichte des verfluchten Friedhofs. Fast zehn Minuten lang wird hier die Geschichte des skrupellosen Baumeisters MacAllister samt seiner schicksalhaften Begegnung erzählt, ohne dass dafür der eigentliche Handlungsstrang zu kurz kommen muss. Bereits hier wird von zahlreichen Effekten Gebrauch gemacht, die im Verbund mit den professionellen Sprechern (fast allesamt Hollywood-Synchronstimmen) für die passende Untermalung des spannenden Hörspiels sorgen.
Nach dem Intro geht es dann sehr rasant voran. Sinclair ist sofort auf der Höhe des Geschehens, erfasst die Situation, greift ein und sieht sich einem weiteren, gefährlichen Dämon gegenüber, dessen Kraft er anfangs noch nicht erfassen kann, dann aber merkt, welche Bedrohung von ihm ausgeht.
Und als er dies schließlich realisiert, ist es schon fast zu spät, um die Ankunft einer noch viel mächtigeren Kreatur zu verhindern.
Bei „Achterbahn des Jenseits“ wird John Sinclair im Kampf gegen die Ausgeburten der Hölle erneut auf die Probe gestellt, und das natürlich auch wieder auf höchstem erzählerischem Nivau. Packende Dialoge, Soundtrack-artige Effekte und eine wie immer spannungsgeladene und in diesem Fall actionreiche Handlung lassen das Team von Oliver Döring wieder zur Hochform auflaufen. Was bleibt einem da anderes übrig, als auch die dritte Folge der „Edition 2000“-Serie wärmstens zu empfehlen, was ich dann hiermit auch tun möchte.
_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_
[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)
Lynch, Greg / Harac, Ian / Ford, Richard – WARS: The Roleplaying Game – Grundregelwerk (D20)
|In den letzten Jahren des 24. Jahrhunderts wird unser Sonnensystem von einem Ereignis von kosmischen Größenordnungen erschüttert. Ein gewaltiger Riss im Raum öffnet sich zwischen dem Asteroidengürtel und Jupiter und ein Planet taucht daraus auf. Mit ihm dringen die zwei Alienrassen der Shi und Quay in den irdischen Raum ein. Ein Kampf um unser Sonnensystem entbrennt, ein Kampf, der an vielen Fronten geführt wird, denn auch die Menschheit selbst ist weit davon entfernt, geeint zu sein …|
_von Bernd Perplies
mit freundlicher Unterstützung unseres Partnermagazins http://www.ringbote.de _
Im Jahre 1995 brachte |Decipher| das „Star Wars“-Sammelkartenspiel heraus, das einen schicken Spielmechanismus hatte, cool designte Karten aufwies und auf einer starken Lizenz aufbaute. 2001 verlor Decipher diese Lizanz an die |Hasbro|-Tochter |Wizards of the Coast|, die seitdem ein eigenes „Star Wars“-TCG herausbringt. Um das Spielkonzept, das Zocker rund um den Globus begeistert hatte, weiterhin nutzen zu können, entwickelte Decipher daraufhin ein eigenes Universum, „WARS“, das im Sommer 2004 unter großem Multimedia-Aufwand gestartet wurde. Doch dem neuen Pferd im Stall war kein langes Leben vergönnt. Bereits im Mai 2005 wurde das Sammelkartenspiel „WARS“ nach nur zwei Spielsets erst einmal auf Eis gelegt. Stattdessen sprang |Mongoose Publishing| in die Bresche und seit kurzem existiert „WARS“ nun auch als Rollenspiel.
_Das Setting_
Am Ende des 24. Jahrhunderts hat die Menschheit unser Sonnensystem besiedelt. Der Mond, die Venus, der Mars, Ganymed, Titan und der Asteroidengürtel – sie alle sind Orte mehr oder minder erfolgreicher Kolonisationsversuche. Gewaltige Mega-Corporations sind die Antriebsfeder all dieser Bemühungen und bilden gleichzeitig das Rückgrat einer weitgehend vereinten Menschheit – weitgehend, denn auf Gongen, dem ehemaligen Mars, streben die Erben asiatischer Kolonisten ihre Unabhängigkeit an und im Außenrand widersetzen sich Freidenker, Glücksritter und Kriminelle jeder Verwaltung durch die Central Governance Corporation (CGC). Die Spannungen zwischen den technokratischen Earthern, den spirituellen Gongen und den individualistischen Mavericks drohen das Sonnensystem in einen offenen Krieg zu stürzen.
Das Jahr 2391 ändert alles. Ein gewaltiger Riss im Raum, der Mumon Rift, öffnet sich zwischen dem Asteroidengürtel jenseits des Mars und dem Jupiter und ein Planet, Seyal, taucht daraus auf. Mit ihm dringen zwei extrasolare Rassen in unser Sonnensystem ein: die aristokratischen Shi und die brutalen Quay, die seit Jahrhunderten ihren eigenen erbitterten Klassenkampf führen und diesen nun auf der Bühne der irdischen Einflussphäre auszutragen gedenken. Doch auch der Rift selbst verändert das Dasein der Menschheit. Seine Strahlung berührt Menschen und Aliens gleichermaßen und erweckt in einigen außergewöhnliche Kräfte, Kizen-Kräfte, wie sie fürderhin genannt werden. Diese Auserwählten, zu denen auch die Spieler gehören, werden einen deutlichen Vorteil haben in den unruhigen Zeiten, die auf die Menschheit zukommen.
„WARS“ besitzt ein äußerst spannendes Setting, das trotz seiner räumlichen Einschränkung auf unser Sonnensystem – ein interessantes Konzept, das mir bisher so noch nicht unter gekommen wäre – unglaublich viele Möglichkeiten eröffnet. Die militanten Erdenbewohner erinnern ein wenig an „Starship Troopers“, die asiatischen Gongen bringen fernöstliche Exotik und Tradition ins Spiel (ganz zu schweigen von abgefahrenen Kampfrobotern), die Mavericks scheinen mit ihren exzessiven Cyberimplantaten und zusammengestückelten Waffen und Schiffen die Shadowrunner des 24. Jahrhunderts zu sein. Derweil bieten die uralten, geheimnisvollen Shi reichlich Anlass, der hohen Kunst der Diplomatie, Intrige und des Krieges zu frönen, und die urtümlich gewalttätigen Quay beschwören Horror und Chaos herauf (grober Vergleich: Dunkelelfen versus Orks, nur dass die Shi schlangenartigen Wasserwesen ähneln und die Quay Höllenechsen). Und dank ein bisschen Jedi-, pardon Kizen-Magie, ist auch Raum für Esoterik gegeben.
Am besten gefällt mir persönlich das räumliche Setting. Viel zu selten spielt unser Sonnensystem eine Rolle in Sci-Fi-Rollenspielen. Meist heißt es nur „Erde gibt es auch“ und dann widmet man sich dem fernen Weltraum. Dadurch, dass sich „WARS“ auf tatsächlich denkbare Schauplätze für seine Abenteuer konzentriert – Kolonien auf dem Mond, dem Mars oder den Jupitermonden sind bis in 300 Jahren durchaus denkbar –, erhält es eine nette Verankerung in der Realität, so fantastisch seine sonstigen Elemente auch sein mögen. Für den Game Master ist das Sonnensystem auch insofern ein netter Spielplatz, als dass er viel Datenmaterial schlicht aus irdischen Astronomiebüchern ziehen kann.
_Die Regeln_
„WARS“ weist ein klassisches D20-Regelsystem auf, samt all den lieb gewonnenen Mechanismen wie Defense Value, Damage Reduction (durch Armour), Classes und Prestige Classes, Feats usw. Dank OGL handelt es sich bei dem Buch jedoch nicht um ein reines Campaign Setting, sondern um ein vollwertiges Spiel. Tatsächlich besteht das Grundregelwerk sogar im wahrsten Sinne des Wortes fast ausschließlich aus Regeln. Bis ins kleinste Detail und sehr einsteigerfreundlich durch zahlreiche Beispiele ergänzt, werden die Charaktererschaffung, der Kampf, die Heilung, Fahrzeug- und Raumkonflikte, die klassischen Hazards und der Charakteraufstieg beschrieben.
Dabei fällt auf, dass, obwohl D20, „WARS“ relativ arm an Classes und vor allem Prestige Classes ist. Am Anfang stehen den Spielern gerade mal sieben grobe Professionsrichtungen zur Verfügung: Diplomat, Engineer, Leader, Medic, Pilot, Scoundrel und Soldier. Gerade die „Diplomaten“-Class wird dabei ziemlich gestreckt, umfasst sie doch alle Berufe, die irgendwie mit dem ‚Überzeugen‘ von Personen zu tun hat, also auch Händler und Entertainer. Als Prestige Class gibt es sogar nur eine, den „Kizen Master“, also jemanden, der sich und sein Leben ganz dem mystischen Phänomen des Kizen gewidmet hat (im Prinzip also ein Magier oder Jedi-Meister).
Sehr interessant gestaltet sich der Raumkampf, der vor allem unter Großkampfschiffen durch eine Reihe von Manöverbefehlen geführt wird, die unterschiedliche Vor- und Nachteile auf den endgültigen Angriffswurf und Verteidigungswert bieten. Je nach Güteklasse von Captain und Crew stehen mehr oder weniger Befehle zur Verfügung, im Schnitt sind es jedoch drei: ein Offensivbefehl, ein Defensivbefehl und ein taktisches Manöver. Dabei wird das taktische Manöver zuerst ausgeführt, das heißt, die Kontrahenten bringen sich in Position. Dann wird der Defensivbefehl ausgeführt, danach der Offensivbefehl. Mannschaften mit höheren Fertigkeitswerten erhalten möglicherweise zusätzliche Aktionen, die sie als Reaktionen auf gegnerische Manöver oder als zweites taktisches Manöver zum Kampfrundeende verwenden können. Alle Manöver besitzen atmosphäresteigernde Titel, etwa „All Hands … Fire At Will!“ oder „Pull Back“ oder „I Only Need One More Shot“.
_Das Buch_
Man merkt dem Layout des vollfarbigen Hardcover-Grundregelwerks von „WARS“ an, dass |Decipher| seine Finger mit im Spiel hatte. Während ansonsten bei Produkten von |Mongoose Publishing| nicht selten qualitativ unbefriedigende Illustrationen oder Fotos den Wert des hervorragenden Textinhalts schmälern, ist dieses Buch zwar quantitativ nicht überbordend, aber qualitativ sehr cool bebildert. Man merkt den durchgehend rechteckigen Bildmotiven zwar vom Format her an, dass sie einst Sammelkartenillustrationen waren, aber das nehme ich gerne in Kauf, wenn dafür so stimmungsvolle optische Aufheller geboten werden. Einziger Wermutstropfen: In den Fahrzeug- und Raumschiffabschnitten befinden sich keine Bilder zu den beispielhaft angegebenen Vehikeln, auch wenn diese dank des Sammelkartenspiels sicher vorhanden gewesen wären.
Der Aufbau der Buches entspricht dem klassischen Grundregelwerk. Die 304 Seiten sind in elf Kapitel, die Charakterbögen, einen sehr ausführlichen Index und die Open Game Licence eingeteilt. Die beiden ersten Kapitel „Welcome to WARS“ und „Basic Rules“ sind rein einführenden Charakters und geben einen guten Überblick über das Setting und die Mechanismen des Spiels. Die drei folgenden Kapitel „Charakter Creation“, „Skills“ und „Feats & Standings“ widmen sich auf insgesamt ca. 90 Seiten der Erschaffung eines „WARS“-Charakters, wobei auch schon mal die einzelnen Fraktionen des Universums vorgestellt werden und im Rahmen der Skills einige Details etwa zu Computern, Medizin und derlei zu finden sind.
Das nächste Großkapitel „Kizen“ stellt auf ungefähr 80 Seiten die übernatürlichen Kräfte vor, welche die Menschen (oder zumindest eine gewisse Gruppe) nach dem Aufreißen des Mumon Rift in sich entdeckt. Vor allem die „Zauberspruchlisten“ sind dabei ausgesprochen umfangreich – man ahnt, dass sie für einige Spielzeit reichen sollen und es keinen Extra-Quellenband zu den „Kizen“ in absehbarer Zeit geben wird.
Nach dem Kapitel „Combat“, das den typischen D20-Regelkomplex enthält, werden in „The Tools of WARS“ all die Dinge beschrieben, die man für Creds kaufen kann. Hier blitzt für einen Moment die von |Mongoose Publishing| bekannte Liebe zum Detail auf, wenn (Ro)Bots, Waffen, Panzerung, sehr viele kybernetische Implantate, allgemeine Ausrüstung, Dienstleistungen, Fahrzeuge und Raumschiffe auf fast 40 Seiten feilgeboten werden.
Im Anschluss an den bereits oben erwähnten „Vehicle Combat“ werden die „Factions of WARS“ näher beleuchtet. Hier ist Kritik angebracht, denn ungefähr 20 Seiten sind einfach zu wenig, um einem Universum hinreichend Leben einzuhauchen. Das Kapitel bleibt ein (ordentlicher) Überblick, doch viele weiße Stellen müssen vom Spielleiter in Eigenregie gefüllt werden. Es gibt nicht einmal eine Karte unseres Sonnensystems mit allen Kolonien. Man fragt sich, ob |Decipher| hier den Riegel vor zu viel Details geschoben haben – womit sie ihrem Ziel, „WARS“ zu mehr Popularität zu verhelfen, eigentlich entgegengewirkt hätten –, oder ob Mongoose einfach nicht mehr Zeit und Manpower in die Entwicklung des Lizenzprodukts stecken wollte.
Den Abschluss bildet das obligatorische Kapitel zum „Game Mastering“, das erfreulicherweise ein paar sehr konkrete Fallen des Spielleitens aufführt und Tipps gibt, wie man selbige umgehen kann.
_Fazit_: Nach den Maßgaben einer bekannten Kinozeitschrift wäre es vermutlich ein Daumen schräg nach oben. „WARS“ kann für mich definitiv punkten mit seinem interessanten Setting, das Buch gefällt zudem durch sein wirklich komplett zu nennendes D20-Regelwerk und die schicken Illustrationen. Was mir ein bisschen fehlt, ist die Ausgestaltung des Spieluniversums. Weder unser Sonnensystem und seine Kolonien noch die einzelnen Fraktionen werden im Detail vorgestellt, die gebotenen Informationen bieten eher einen allgemeinen Überblick. So muss, wer in „WARS“ einsteigen will, noch einiges an Heimarbeit leisten, damit aus dem Bild, was uns geboten wird, ein bespielbarer Raum wird. Das Potenzial allerdings zu einem sehr coolen Sci-Fi-Spiel hat „WARS“ auf jeden Fall.
Wer mehr über „WARS“ wissen will, dem sei ein Besuch der alten [TCG-Website]http://warstcg.fanhq.com/ von |Decipher| empfohlen. Hier gibt es nicht nur zahlreiche Kurzgeschichten (etwa von Michael A. Stackpole!), sondern auch Wallpapers, Musik und Videoclips, die in die Atmosphäre des Spieluniversums einführen.
Jack Ketchum – Evil
1958 ist die Welt der US-amerikanischen Mittelschicht noch in Ordnung. Man fürchtet nur die Roten drüben in Russland und lässt die Haustür offen, denn den Nachbarn vertraut man, und ein guter Bürger und Kirchgänger hat nichts zu verbergen. Kinder sind rechtlose Wesen und haben nicht nur den Eltern, sondern allen Erwachsenen zu gehorchen. Wenn sie sich einfügen, haben sie in dem kleinen Städtchen, in dem diese Geschichte spielt, ein angenehmes Leben, denn es gibt viele Freunde und natürliche Abenteuerspielplätze an der frischen Luft.
In diesem Sommer erfährt zwölfjährige David, dass ins Nachbarhaus zwei neue Bewohnerinnen eingezogen sind. Die Schwestern Meghan und Susan Loughlin haben ihre Eltern verloren. Sie ziehen zu Ruth Chandler, ihrer Tante, die selbst drei Kinder versorgen muss: eine schwere Aufgabe, nachdem sie ihr Mann verlassen hat. Die Kinder der Straße schätzen sie jedoch, denn sie hat immer ein offenes Ohr für ihre Sorgen. Jack Ketchum – Evil weiterlesen
Walton, Jo – Clan der Klauen, Der
Bon Agornin liegt im Sterben. Aus diesem Grund hat sich die gesamte Familie in seinem Haus versammelt. Die beiden unverheirateten Töchter Selendra und Haner, die dem alten Bon den Haushalt führten, sein Sohn Avan, der in der Hauptstadt einen Posten im Planungsministerium innehat, sein Sohn Penn, der Pfarrer, und seine verheiratete Tochter Berend mit Mann und Kindern.
Obwohl Penn seinem Vater versichert, dass das Erbe nach seinem Willen aufgeteilt werden wird, kann er nicht verhindern, dass sein arroganter Schwager Daverak sich einen Großteil davon unter den Nagel reißt. Der jüngere Bruder Avan ist darüber so wütend, dass er – trotz der Warnungen seiner Freundin Sebeth – deswegen vor Gericht zieht. Eine prekäre Situation für seine Schwester Haner, die seit dem Tod ihres Vaters bei ihrem Schwager leben muss, aber auch für Selendra, die sich in Sher, den Freund und Gönner ihres Bruders Penn, verliebt hat. Shers Mutter wäre über eine solche Verbindung ohnehin schon entsetzt, noch entsetzter aber wäre sie, wäre Selendra in einen Skandal verwickelt! Am stärksten allerdings ist Penn betroffen. Denn er hat am Sterbebett seines Vaters etwas getan, was die Kirche so sehr missbilligt, dass es ihn, sollte es bekannt werden, mit Sicherheit seine Pfarrstelle kosten wird.
Allerdings fühlt Daverak sich allein durch die Einreichung der Klage schon so sehr in seiner Ehre gekränkt, dass er gar nicht daran denkt, einen Rückzieher zu machen. Er will diesen Prozess, und er will ihn gewinnen! Mit allen, wirklich allen Mitteln!
Als es jedoch so weit ist, verselbständigt sich das Geschehen, und letztlich wird der Streit durch ein Duell entschieden. Ein ziemliches Ereignis … wenn es sich bei den Duellanten um Drachen handelt!
Laut Verlagstext wird dieser Roman „von Lesern und Kritikern als originellstes Fantasy-Werk der letzten Jahre“ gefeiert. Ich persönlich wage das zu bezweifeln, zumindest, was die Leserschaft angeht. Auf mich jedenfalls trifft es nicht zu.
Jo Walton selbst bezeichnet das Produkt ihres Schaffens als viktorianischen Roman. Keine Ahnung, woher die Bezeichnung stammt, als feststehenden literarischen Begriff habe ich sie jedenfalls nicht gefunden. Aber sie ist durchaus zutreffend; besonders, was die Personen angeht. Hier treffen wir auf eine Mischung aus „Stolz und Vorurteil“ und „Verstand und Gefühl“.
Der Ortspfarrer Frelt hat ein Pendant in „Stolz und Vorurteil“, mit dem einzigen Unterschied, dass der dortige Pfarrer Mr. Collins bei seinen Heiratsanträgen nicht zudringlich wird. Shers Mutter ist ein Abbild von Darcys Tante Lady Catherine de Bourgh aus demselben Buch. Haner und Selendra haben dagegen große Ähnlichkeit mit Elinor und Marianne aus „Verstand und Gefühl“. Die Entsprechungen machen nicht bei den Personen Halt, sondern erstrecken sich auch auf die Handlung. Der Versuch, Sher mit Gelener zu verkuppeln, ist nahezu identisch mit Lady Catherines Versuch, ihren Neffen Darcy mit ihrer Tochter zu verheiraten, ihre Reaktion auf Selendra quasi austauschbar mit Lady Catherines Reaktion auf Elizabeth.
Der Handlungsstrang um das „gefallene“ Mädchen Sebeth könnte dagegen genauso gut aus „Oliver Twist“ stammen, nur dass Sebeth im Gegensatz zu Oliver ihren Vater kennt. Auch die Sozialkritik und das fast ein wenig an den Haaren herbeigezogene Happyend könnte von Dickens stammen. Ich frage mich, was genau daran so originell sein soll.
Allein Avan und sein Rechtsstreit gegen Daverak weisen eine gewisse Eigenständigkeit auf. Der Gerechtigkeit halber muss zugestanden werden, dass dieser Teil der Geschichte gut ausgearbeitet ist und sich inhaltlich und sprachlich ohne Kanten in den Rest der Geschehnisse einfügt. Auch die Charakterzeichnung der damit verbundenen Charaktere ist einigermaßen ordentlich geraten, wenn auch ein wenig flacher als bei denjenigen, zu denen es literarische Vorlagen gibt. Sie machen aber leider nur einen Bruchteil des Buches aus. Für das vollmundige Prädikat des Verlagstextes reicht das bei weitem nicht!
Originell war höchstens der Versuch, einen Roman nach viktorianischem Vorbild in eine Fantasy-Welt zu verlegen. Die Übertragung der historischen Realität in die Fantasy hat zu einigen recht netten Ideen geführt: So spielt die Autorin mit Farben. Jungfräuliche Drachen sind golden. Wenn ihnen ein Drache, den sie lieben, einen Heiratsantrag macht, erröten sie im wahrsten Sinne des Wortes! Sie sind rosa bis zu ihrem ersten Gelege, dann werden sie rot. Ein Drache, dem es gesundheitlich schlecht geht, ist grün.
Auch die zusammengebundenen Flügel von untergebenen Drachen, vor allem Dienern und Pächtern, sowie Huren und einfachen Arbeitern, finde ich eine gelungene Umsetzung. Allerdings war das ein schwacher Trost dafür, dass ich ständig das Gefühl hatte, fast alles, was ich las, bereits zu kennen.
Hier stellt sich deshalb die Frage, ob es überhaupt nötig ist, heutzutage Romane nach viktorianischem Vorbild zu schreiben. Es gibt schließlich genug Romane aus jener Zeit und von Leuten, die näher dran waren an dem, worüber sie schrieben, als ein moderner Autor. Vielleicht hat die Autorin sich das auch gedacht und ihren Roman deshalb in eine Fantasy-Welt verlegt und ihre Charaktere zu Drachen gemacht.
Nicht, dass das Buch wirklich schlecht wäre. Insgesamt ist der Roman durchaus in sich stimmig und sprachlich gut gestaltet. Das genügt aber nicht, um seine Mängel auszugleichen! Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen Leser, der es amüsant findet, die Parallelen zwischen diesem Roman und den historischen Vorlagen herauszufinden. Ich für mein Teil allerdings konnte dem nicht viel abgewinnen. Dass ich einen so großen Teil der Handlung bereits kannte, machte die Lektüre vorhersehbar und damit stellenweise ziemlich langatmig.
Und ich bin mir nicht sicher, ob es mir besser gefallen hätte, hätte ich Jane Austen nicht gelesen. Aus der Perspektive des Fantasy-Lesers muss ich gestehen, dass ich von einer Geschichte über Drachen doch etwas anderes erwarten würde. Möglicherweise ist es das, was hier mit „Originalität“ gemeint war. Meiner Meinung nach wäre die Bezeichnung „gefährlicher Spagat“ weitaus treffender! Wenn ich einen Roman über die viktorianische Gesellschaft lesen möchte, lese ich eben gleich Dickens oder Austen, oder auch die Schwestern Bronte. Wenn ich Fantasy lesen will, will ich echte Fantasy lesen, keinen verkleideten Realismus. Dem mystischen Wesen „Drache“ ging durch die Vermenschlichung sein ganzer Zauber verloren, den die paar netten Ideen nicht ersetzen konnten. Aus der Vermischung zweier so unterschiedlicher Genres ist „nichts Halbes und nichts Ganzes“ entstanden, wie der Volksmund sagt; wobei daraus unter Umständen ja sogar etwas geworden wäre, hätte Jo Walton sich mehr von ihren etablierten Vorbildern gelöst und eigene Figuren und eine eigene Handlung kreiert. Dann hätte ich mich womöglich sogar der „Originalität“ zuliebe mit dem Paradoxon zivilisierter Drachen abgefunden.
Jo Walton ist gebürtige Waliserin und lebt heute in Montréal. Aus ihrer Feder stammen unter anderem „The King’s Peace“, „The King’s Name“ und „The Prize in the Game“. „Der Clan der Klauen“ ist der einzige ihrer Romane, der bisher auf Deutsch erschienen ist. Wahrscheinlich fiel die Wahl auf dieses Buch, weil sie dafür den |World Fantasy Award| erhalten hat. Aber Literatur-Preise sind eben auch nicht alles …
Markner, Reinhard / Neugebauer-Wölk, Monika / Schüttler, Hermann (Hg.) – Korrespondenz des Illuminatenordens, Die: Band 1 (1776 – 1781)
Es geschehen tatsächlich mitunter Wunder: Vom geheimnisumwitterten Illuminatenorden, der bereits unter Adam Weishaupt durch die kurbayrische Regierung 1784/85 verboten wurde, kommen jetzt Schriften auf den Markt, die es noch nie in öffentlich publizierter Form gab. In dieser Korrespondenz aus der Frühzeit der Illuminaten, die sie untereinander führten – wenngleich durchaus mühsam durchzuarbeiten – erfährt der Leser minutiös, wie der Orden aufgebaut wurde.
Durch Papst Clemens XIV. war der Jesuitenorden 1773 aufgelöst worden, der über hunderte von Jahren die ganze Gesellschaft und ihr Bildungswesen bestimmt hatte. Dabei war Adam Weishaupt selber Jesuitenzögling gewesen , kannte deren System sehr gut und wurde in Ingolstadt Professor für Kirchenrecht. Mit ausgewählten Studenten gründete er am 1. Mai 1776 einen kleinen, geheimen Kreis – die Keimzelle des Illuminatenordens. Seine Gegner in den Anschauungsfragen dabei waren einerseits die Jesuiten, andererseits die esoterischen Glaubensgebäude der Gold- und Rosenkreuzer.
Weishaupt bezog sich auf die altiranische Religion der Parsen und führte den zoroastrischen Kalender wieder ein, die Organisationsstrukturen seines Ordens – der zuerst „Bienenorden“ hieß und erst später umbenannt wurde – waren jesuitisch geprägt. Aber alle Pläne wurden nicht wirklich strikt von ihm durchgehalten, denn im Grunde war der Orden sehr von Eklektizismus geprägt. Weishaupt ging 1777 zu den Freimaurern und erhielt dort innerhalb zweier Jahre den Meistergrad. Erst mit diesen Verbindungen gelang den Illuminaten ihr großer Durchbruch, der sich anhand der Briefe aber als recht holprig organisiert erweist.
Im Grunde agierte Weishaupt ganz allein und trat gegenüber Interessenten, mit denen er die vorliegenden Briefkontakte führte, als hoher Eingeweihter auf, was aber nichts als Blendwerk war, wie er auch seinem „Meisterschüler“ Freiherr Adolph von Knigge, irgendwann im Laufe dieser frühen Jahre gestand. Knigge erwies sich nämlich als der eigentliche eingeweihte Zeitgenosse innerhalb der Freimauerei und war es auch, der das System der Illuminaten nach und nach entwarf. Weishaupt verfügte ja über keinerlei Grade und Schulungspapiere – jedenfalls nicht über esoterisch taugliche. Knigge hatte großes Interesse daran, dieses „Spiel“ mitzutragen und eine Auswahl an geeigneten Freimaurern zu treffen, denen sie von nun an eine Führungselite „geheimer Oberer“ vorgaukelten.
Mit Knigges Ausarbeitungen und umfangreichem Wissen konnte ab 1780 die Freimaurerei vollkommen unterwandert werden. Er war bereits vor seiner Mitgliedschaft bei den Illuminaten bis in den „Inneren Orden“ der „Strikten Observanz“ vorgedrungen. Zur damaliger Zeit war die Freimaurerei in eine tiefe Krise geraten und die Vertreter der „Strikten Observanz“ – das erfolgreichste System seiner Art, gegründet von Carl Gotthelf Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau – waren nach dem Tode von Hund 1776 (wie es oft der Fall ist, wenn ein Ordensgründer verstirbt) in Streitigkeiten verfallen. Diese Streitfragen sollten auf einem Konvent geklärt werden, der 1782 stattfand – aber schon Jahre vorher in Planung war.
Diese Zeit wurde von den Illuminaten erfolgreich genutzt, um einen Großteil der Freimaurerlogen zu unterwandern. Knigge baute die drei Freimauer-Grade ins Illumatensystem ein, und dadurch erschienen alle höheren von ihm entworfenen illuminatischen Grade den Freimaurern als begehrte Hochgrade. Anhand des vorliegenden Briefwechsels wird deutlich, dass nicht der Gründer Weishaupt bedeutend war, sondern dass der gesamte Aufbau einer komplexen hierarchischen Struktur und die rasche Ausdehnung des Illuminatenordens vollkommen das alleinige Werk Knigges waren. Nur durch ihn kam es zu einer bemerkenswerten Aufstiegsgeschichte, die erstmals mit diesem Band so genau wie möglich dokumentiert vorliegt.
Die eigentliche Sensation der Veröffentlichung ist aber, dass es diese Dokumente überhaupt gibt. Denn bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts fehlte von ihnen jede Spur. Der letzte bekannte sichere Hinweis auf den Verbleib des Illuminatenarchivs stammte von 1785, als die Verfolgung des Ordens bereits in Gang war. 1868 tauchte ein Teil in der Universitätsbibliothek München auf, wobei es sich aber nicht um das eigentliche „Archiv“ handeln konnte. Offiziell galt dieser Nachlass dann als Kriegsverlust, zerstört durch die Bombardierungen 1943 und 1944. 1980 galt alles noch immer als vermisst. Das ganze Material war nach der Auflösung des Illuminatenordens in die Hände der „Staatssicherheit“ geraten und wurde erst hundert Jahre später für erste Forschungen herangezogen. Aber die Handschriften Weishaupts waren kaum leserlich und schwierig zu entziffern.
1934 nahm sich der nationalsozialistische Sicherheitsdienst das Material noch einmal vor. Nach den Bombenangriffen behauptete das Auswärtige Amt stets, alles sei vernichtet. Einer der führenden NS-Freimaurerforscher, Franz Alfred Six, konnte ihnen – nach heutigem Wissensstand gedeutet – als Professor an der Friedrich-Wilhelm-Universität dies wohl auch glaubhaft gemacht haben. Er leitete übrigens auch schon die NS-Hexenforschungen. Die Spur ließ sich lange nicht mehr verfolgen. Auch eine Anfrage an die staatliche Archivverwaltung der DDR, ob sich vermisste Illuminatenpapiere unter den von der Sowjetunion restituierten Akten befänden, wurde 1975 abschlägig beschieden.
Erst Richard von Dülmen wurde wieder fündig. Der Nachlass Weishaupts befand sich in Archiven der Großen Loge der Freimaurer, welche auch von der Forschung vor 1935 nicht ausgewertet worden war. Nach der Beschlagnahme durch die Gestapo vergingen sechs Jahrzehnte, bis man sie wieder „offiziell“ entdeckte. Weitere Bände, die die Jahre bis 1788 umfassen sollen, sind in Planung, und man kann nur hoffen, dass sie auch möglichst schnell erscheinen werden, denn für das Verständnis der Konzeption der illuminatischen Lehre einerseits sowie der erfolgreichen Unterwanderung der deutschen Freimaurerei andererseits sind sie unerlässlich wertvoll.
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Ian Rankin – Puppenspiel

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Stucke, Angelika – Gute Motive
Ironie und schwarzer Humor, das sind die beiden Stärken, die Angelika Stucke in ihrem Belletristik-Debüt „Gute Motive“ konsequent ausspielt und somit auch als Mittel für ihre teils erschreckenden, teils sehr seltsamen Kurzgeschichten benutzt. Zuvor nur als Autorin von Kurzgeschichten in spanischen Publikationen tätig, liefert Stucke hier ihr erstes deutschsprachiges Buch ab. 13 Kurzgeschichten sind in diesem kleinen Sammelband enthalten, und dreizehnmal wird aus der Ich-Perspektive heraus erzählt, wieso, warum und weshalb die jeweilige betroffene Person sich dazu entschieden hat, ein Gewaltverbrechen zu begehen. Oder anders gesagt, welch gutes Motiv die durchgehend weiblichen Protagonisten hatten, um ihren Plan auch durchzusetzen.
Es ist schon recht eigenartig, wie Stucke hier an ihre Erzählungen herangeht. Es sind teilweise ganz normale Alltagssituationen, aus denen heraus das weibliche Geschlecht dazu angestachelt wird, sein Gegenüber auszulöschen. So darf es einerseits skurril sein, wie beispielsweise in „Der Spanner“: Eine Frau fühlt sich von einem noch unbekannten Menschen belästigt, der sie ständig beobachtet. Als sie herausfindet, dass es sich hier um einen Jugendlichen handelt, beruhigt sie das zunächst ein wenig, doch im nächsten Moment entschließt sie sich, ihn zu vergiften.
Andererseits findet man auch perfekte Krimi-Themen: Bei „Männersache“ will sich eine Frau in mittleren Jahren ihres Ehegatten entledigen. Dafür verzichtet sie sogar auf ihren Liebhaber und tötet diesen. Doch warum sollte sie das tun? Schließlich hat nur ihr Mann ein Motiv für den Mord an dem südländischen Romantiker. Also unterstellt sie ihm den Mord, liefert ihm das erforderliche Motiv und ist von ihm befreit.
Und so bringt Stucke die verschiedensten Alltagsthemen auf den Tisch und spinnt individuell eine bizarre, mordlüsterne Geschichte um sie herum. Bei „Die Mordabsicht“ reicht schon der Verlust des Arbeitsplatzes für ein Motiv, in „Das Alter“ macht einer Frau die Pflegebedürftigkeit ihres Gatten Waldemar zu schaffen. Also denkt sie sich verschiedene Strategien aus, um ihn zu beseitigen und begründet ihre Tat damit, dass seine Hilfsbedürftigkeit ihn ohnehin dahinraffen würde.
Nicht der Gärtner ist der Mörder, sondern die Frau, und in „Gute Motive“ haben es die dunklen Gedanken des angeblich schwächeren Geschlechts wirklich in sich. Manchmal ist es schon fast abartig, mit welcher Selbstverständlichkeit die Damen hier ihre Attentate planen, aber auch mit welchen Gründen sie diese rechtfertigen. Stucke taucht jedes Mal wieder für kurze Zeit in die Gedankenwelt eines Menschen ein, der im Grunde genommen ganz normal ist, quasi wie du und ich, sich gleichzeitig aber auch für die fiesesten Missetaten und die erbärmlichsten ‚Selbsthilfetherapien‘ empfänglich zeigt. Obwohl in den dreizehn Geschichten dieses Buches einige Leitmotive in leicht abgewandelter Form öfter auftauchen, so sind die jeweiligen Schilderungen doch immer wieder erschreckend – meist aber auch genial umgesetzt.
Andererseits hat man am Ende des Buches dann auch wirklich genug von den kranken Plänen dieser Damen. Das Ende steht ja jedes Mal schon fest, und nur der Weg dahin bzw. die Art und Weise, wie die Beteiligten ihre Geschichte erzählen, ändert sich von Mal zu Mal, so dass irgendwann der Punkt kommt, an dem das Thema ausgereizt ist. Glücklicherweise ist man an diesem aber erst angelangt, wenn man das Buch ausgelesen hat. Jedoch muss man schon sehen, dass der Inhalt sich aufgrund des durchgängigen roten Fadens selbst arg limitiert, weshalb man sich vorher schon bewusst machen sollte, worauf man sich hier tatsächlich einlässt. Ist dies geschehen, bringt einem dieser Sammelroman von Angelika Stucke beste, beklemmende Unterhaltung, deren Niveau sich trotz des vergleichsweise schlichten Schreibstils stets an der Obergrenze aufhält.
Kurzweilig, interessant und gleichzeitig beängstigend – das ist „Gute Motive“. Und ich hoffe, dass der grundsätzlich positive Unterton dieser Rezension für die Leserschaft ebenfalls ein gutes Motiv ist, sich einmal näher mit der Autorin und diesem Buch auseinander zu setzen.
Müller, Karl-Georg & Patrick / Roth, Manfred / Franke, Jürgen E. – Cuanscadan – Tor nach Erainn (Midgard)
„Cuanscadan“ ist ein Quellenbuch zum Fantasy-Rollenspiel MIDGARD. Es beschreibt das Fürstentum und die Stadt Cuanscadan, die als Tor nach Erainn bezeichnet wird. Erainn, ein an der irischen Mythologie orientiertes Land, wird ebenfalls näher unter die Lupe genommen. Der Band schließt mit vier groben, aber ohne großen Aufwand vorzubereitenden Abenteuerskizzen und dem komplett ausgearbeiteten Abenteuer „Das Auge des Wüstengottes“.
Die Autoren Karl-Georg Müller und Manfred Roth haben sich im mit ca. 75 Seiten umfangreichsten Teil des Quellenbandes ganz dem Fürstentum Cuanscadan und dem gleichnamigen Fürstensitz gewidmet. Der Name Cuanscadan bedeutet „Hafen der Heringe“, und so ist es nicht erstaunlich, dass die Hafenstadt vor allem von Fischfang und Handel lebt.
Nach einem kurzen Überblick über die landschaftliche Lage des Fürstentums widmet man sich der bewegten Geschichte der Gegend. Die Ureinwohner, die Ffomor, vermischten sich immer wieder mit Einwanderern, seien es Valianer, Twyneddin oder sogar Exilhuatlani. Letztere haben einige kleine Siedlungen im Fürstentum gegründet. Seit ungefähr zwanzig Jahren lenkt Fürst Amhairgin die Geschicke der Stadt. Eine Veränderung, die nicht jeder gutheißt, wie man später anhand der Beschreibung mehrerer Geheimgesellschaften erkennen kann.
Kaum ein Mond vergeht in Cuanscadan ohne ein Fest oder einen Feiertag. So feiert man die Ankunft des ersten Lachses genauso gern und ausgiebig wie das erste Bier der letzten Ernte, das natürlich ausgiebig getestet wird. Der Erainner versteht eindeutig etwas vom Feiern.
Der kurze allgemeine Überblick über die Stadt Cuanscadan, der die wichtigsten Orte und Stadtviertel beschreibt, wurde leider ein wenig unübersichtlich gestaltet. Es fehlt hier eine Legende, mit deren Hilfe man auch aktiv nach einem Ort suchen könnte, ohne sich erneut den gesamten Text zu Gemüte zu führen. Der Gebäudeindex ist auf S. 85 versteckt, hilft jedoch nur bedingt, da die Einwohner nicht explizit irgendwelchen Gebäuden zugeordnet werden können.
Anschließend wendet man sich dem Kernstück des Quellenbuches zu: der Beschreibung ausgewählter Bewohner und Örtlichkeiten der Stadt. Diese Darstellung folgt dem aus „Corrinis – Stadt der Abenteuer“ bekannten Schema, d.h. es werden nur die wichtigsten Spieldaten der Bewohner angegeben, meist nur Abenteurerklasse und besondere Eigenschaften.
Bei den Beschreibungen der Stadtbewohner und Örtlichkeiten zeigt sich das Talent der Autoren, mit wenig Text viel auszusagen. Die Einwohner werden so plastisch dargestellt, dass man mehrfach meint, den Fischgeruch eines Händlers oder das Duftwasser der Parfümerie wahrnehmen zu können. Über das Verhalten gegenüber Abenteurern braucht man sich in den seltensten Fällen Gedanken zu machen, denn selbstverständlich wird das normale Gebaren der Bewohner beschrieben.
Hinter der Fassade vieler Einwohner lauern Geheimnisse, die ein Spielleiter problemlos in Abenteuer einfließen oder gar als Anregung für solche nutzen kann. Wirken einige Cuanscadaner auf den ersten Blick normal, offenbart sich in einem Nebensatz ein kleiner Abgrund. Als harmloseres Beispiel sei hier ein Fährmann genannt, dessen Frau ihn nur selten zu Gesicht bekommt, es sei denn, das Hochwasser macht ihn beschäftigungslos, „was meist im Herbst geschieht, weshalb seine Kinder in den Sommermonaten geboren wurden. Bis auf eines …“.
Dieser augenzwinkernde Humor zieht sich durch die gesamte Stadtbeschreibung. Deshalb macht schon das Lesen jede Menge Spaß. Wie muss das erst sein, wenn man diese Bewohner am Spieltisch zum Leben erweckt? Ich kenne so einige Stadtbeschreibungen, doch so lebendig wie Cuanscadan wurde bisher keine andere Stadt geschildert. Diese Darstellung passt wie die Faust aufs Auge zum lebenslustigen Volk der Erainner.
Die wichtigsten Gebäude der Stadt, u. a. der Garten Nathirs, die Wachen und die Verwaltung werden ausführlich beschrieben. Dabei wurden zahlreiche hübsche Karten in den Text integriert. Ein eigenes Kapitel befasst sich mit diversen Geheimgesellschaften Cuanscadans, die sich auch gegenseitig Konkurrenz machen. Auch hier sind jede Menge Abenteuerideen angerissen.
Dún Cloighteach, die Burg des Fürsten Amhairgin, wird in Form einer Reisebeschreibung näher unter die Lupe genommen. Man erfährt nicht nur, wer dort lebt und wie die Gebäude aussehen, sondern erhält auch einen tiefen Einblick in die politische Lage der Region, die alles andere als stabil ist. Dem Ränkespiel am Hof ist Tür und Tor geöffnet, was zu einem großen Teil auch an der Abstammung des Fürsten und seinen persönlichen Vorlieben liegt. Ein gefundenes Fressen für jeden Spielleiter.
Das Kapitel „Meine Ankunft in der Bardenschule“ vermittelt viel vom Flair dieser Ausbildungsstätte. Zum Schluss des ersten Teils des Quellenbandes wird der Silberne Turm des Erzmagiers Ultan ay’siochan ausführlich beschrieben. Dort könnte ein hervorragender Zauberer unter den Abenteurern eines Tages vom Erzmagier selbst unterrichtet werden.
Jürgen E. Franke gibt auf den nun folgenden 40 Seiten einen allgemeinen, aber doch detaillierten Überblick über das Land Erainn. Den wichtigsten Landschaften, Pflanzen, Tieren und Fabelwesen wird jeweils ein kleiner Absatz gewidmet. Einigen ungewöhnlichen Kreaturen, dem Weißfalken, einem Naturgeist namens Rutacorcach und dem Leprachán gönnt man eine ausführliche Darstellung. Letztere beherrschen zwei neue Zaubersprüche.
Der Bevölkerung Erainns, die sich aus diversen Bevölkerungsgruppen zusammensetzt, wurde ein umfangreiches Kapitel gewidmet, das sich mit ihrer Abstammung, Kleidung und Geschichte befasst. Ein wichtiges Kapitel sind die Aussprachehilfen für die unserer Zunge doch recht fremdartigen Namen.
Die Siedlungsformen und die wichtigsten Städte und Ortschaften des Landes werden zwar knapp, aber mit Informationen voll gepackt vorgestellt. Eine Übersichtskarte Erainns hilft bei der Planung von Reisen innerhalb des Landes. Die Gesellschaft der Erainner ist eher am Landbesitz als an der Abstammung orientiert, doch zeigt sich auch hier die Vielschichtigkeit des Landes. Den Kriegern der Schlange ist der Ehrbegriff sehr wichtig, was sich auch in der Kriegsführung bei Streitigkeiten untereinander auswirkt. So wurde manche Schlacht Erainns ohne einen einzigen Todesfall ausgefochten, weil die Anführer in einem Zweikampf über Sieg oder Niederlage entschieden.
Dass Erainner fast so viel Wert auf Gesetze zu legen scheinen wie Valianer, war mir neu. Erklärt wird dies mit der fast schon religiösen Bedeutung, die sie dem Recht beimessen. Dementsprechend ausführlich wird auf Recht und Gesetz eingegangen. Familien und Sippen, Wirtschaft und Unterhaltung sind Kapitel, die Erainn zusätzliches Leben einhauchen.
Der naturverbundene Glaube der Erainner und seine Beschäftigung mit der Grünen Magie, der Magie der Natur (Dweomer), werden ausführlich dargestellt. Leider wurde die Beschreibung des Glaubenszentrums Teámhair als Reisebericht dargestellt. Die erzählende Heilerin verzichtet bei fast all ihren Sätzen auf Verben, was das Lesen ihrer Beschreibungen sehr anstrengend macht. An dieser Stelle hätte ich mir eine blumigere Schreibweise wie die eines überschwänglichen Barden gewünscht. So wirkt das vermutlich faszinierende Teámhair leider sehr trocken.
Dass die Erainner ein sehr lebenslustiges Volk sind, wird durch die Beschreibung einiger Zaubertänze wieder einmal bestätigt. Die Tänze erschienen ursprünglich bereits im |Gildenbrief| 46, wurden allerdings an die vierte Auflage der Regeln angepasst. Außerdem ist es jetzt auch möglich, die Tanzschritte unabhängig von der Zauberwirkung des Tanzes zu lernen, was besonders bei den Gruppentänzen von Vorteil ist.
Für Abenteurer aus Erainn bietet das Quellenbuch die Rasse der Elfenmenschen an, eine recht häufig vorkommende Personengruppe, die sowohl von Elfen bzw. Coraniaid und Menschen abstammen. Die neue Charakterklasse der Fionnacórach (Rechtfinderin), eine magiebegabte Ermittlerin, verfügt über Zauber, die sich an Heilerinnen anlehnen, ergänzt um etliche Informationszauber. Es handelt sich dabei um eine durch die Wichtigkeit der Gesetze und der Heilerinnen gut in die Kultur integrierte neue Klasse.
Der dritte große Abschnitt des Quellenbuches bietet vier Abenteuerskizzen von Karl-Georg und Patrick Müller und ein Abenteuer von Ulf Zander & Andreas Mätzing. In „Noch eine Diebesbande“ dürfen die Abenteurer Dieben hinterherjagen und auch bei „Sport ist Mord“ ist der Titel Programm. Beides sind kurze Szenarien, die geschickt in die Stadt Cuanscadan einführen. Letzteres ist zwar kurz gehalten, aber einmal mehr verbirgt sich mehr hinter den Fassaden als nur einfacher Mord. Die Abenteuerskizzen „Freiheit für Ceallach an’ailgin“ und „Der Kult der Blauen Auster“ beschäftigen sich mit den ansässigen Geheimgesellschaften. Alle vier Abenteuerskizzen kann man sofort in Szene setzen, ohne viel Arbeit investieren zu müssen. Gleiches gilt für das bereits in |Spielwelt| 37 veröffentlichte, komplett überarbeitete Abenteuer „Das Auge des Wüstengottes“. Anders als die Abenteuerskizzen handelt es sich hierbei nicht um ein Stadtabenteuer, sondern eher um ein kleines Dungeon, das nicht zu unterschätzende Gefahren für die Abenteurer bereithält.
Ein kleines erainnisches Wörterbuch rundet dieses Quellenbuch ab. In einer Kartentasche am Ende des Bandes wurden ein großformatiger, schwarzweißer Stadtplan Cuanscadans und eine Farbkarte des Fürstentums untergebracht.
„Cuanscadan“, das Tor zu Erainn, der Hafen der Heringe ist ein absolut hervorragendes Quellenbuch. Die Lebendigkeit der Bewohner, ihre Abgründe, ihre Besonderheiten und nicht zuletzt die mitgelieferten Abenteuer laden zu sofortigem Spiel ein. Die Beschreibung des Landes Erainn gibt einen zwar kurz gefassten, aber dennoch gelungenen Überblick dieses bisher leider vernachlässigten Landstrichs. Hoffentlich löst Cuanscadan in Zukunft Corrinis als populärste Stadt Midgards ab.
© _Hornack Lingess_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|












