Tessa McCamfrey wird seit ihrer Kindheit von Tinnitus geplagt. Als sie einen besonders schweren Anfall erleidet, wird sie von den klingelnden Qualgeräuschen in die kalifornischen Berge getrieben. Hier findet sie aufgebrochene Boxen, die aus einem Banküberfall stammen. Als Tessa die Boxen untersucht, findet sie einen goldenen Ring, der mit Dornen verziert ist. Sie streift sich den Ring über und verschwindet in eine andere Welt. Sie taucht in der Stadt Bay’Zell wieder auf.
In der fernen Stadt Bay’Zell ist Tessa verloren, doch der finstere Ravis rettet sie. Ravis ist auf der Flucht, trotzdem hilft er Tessa. Irgendwie scheinen ihre Schicksale miteinander verwoben zu sein. Während Ravis sich mit Camron verbündet (nach dem Tod seines Vaters neuer König), um König Izgard zu stoppen und zu vernichten, findet Tessa Unterschlupf bei dem alten Schreibergehilfen Emith. Zudem scheint ihr Tinnitus plötzlich verschwunden zu sein.
Izgard ist Träger der Dornenkrone und grausamer Imperator. Er ließ Camrons Vater töten und macht auch keinen Halt vor Frauen und Kindern. Ravis stellte ihm einst eine Armee zusammen, doch fiel er in Ungnade. Nun steht Ravis auf Seiten Camrons, dessen gesamtes Volk abgeschlachtet wurde. Beide Männer sammeln eine Armee, um Izgard zu vernichten. Doch die Vorzeichen stehen äußerst schlecht, paktiert Izgard doch mit dem Bösen und benutzt Zauberei, um seine Hetzer noch gefährlicher zu machen, als sie bereits sind.
Während Ravis sich in einen Krieg stürzt, erlernt Tessa von Emith die Kunst des Schreibers. Schnell erkennt sie, dass alles von einem Muster bestimmt wird. Sie besitzt die Gabe, diese Muster zu erkennen und selbst zu malen. Bei ihren Studien entdeckt Tessa, dass ihr Aufenthalt in einer anderen Welt kein Zufall ist. Tessa erkennt auch, dass Muster Macht bedeuten. Somit ist sie wohl die Einzige, die sich Izgards Schreiber Ederius entgegenstellen kann, und greift in einen Kampf auf Leben und Tod ein.
Das Buch wirkt durch den labbrigen Pappumschlag ein wenig billig und die grobkörnige Vignette am Anfang jedes Kapitels ist lieblos gestaltet. Die Aufmachung und der Originalpreis von fast 8,50 Euro wirken da leicht abschreckend. Und wer die ersten Seiten gelesen hat, glaubt einen Groschenroman vor sich zu haben. Aber die Verpackung täuscht.
Tatsächlich ist „Die ewige Krone“ ein äußerst spannender und detaillierter Roman mit einer dichten Atmosphäre und greifbaren Persönlichkeiten. Jones versteht es, den Leser zu fesseln und baut einen hervorragenden Spannungsbogen auf.
Während Ravis ein eher rauer und kampferprobter Mann ist, der sich stets zu helfen weiß, kommt Tessa ganz anders daher. Bedingt durch ihre Krankheit, ist sie es gewohnt vor Problemen zu fliehen. Als sie durch den Ring in eine fremde Welt gezogen wird, ist sie noch immer unentschlossen und scheinbar ohne Perspektive. Doch mit Hilfe von Emith und seiner alten Mutter findet sie langsam zu sich selbst. Es ist schön, Tessas Wandel zu erleben und an ihrer Seite von Jones in die Kunst des Schreibers eingeführt zu werden. Für den Leser wie für Tessa sind die Farben, das Malen und das Schreiben leicht verfügbar und einfach anzuwenden. In „Die ewige Krone“ besitzt der Schreiber und seine Arbeit allerdings einen anderen Stellenwert. Und dieser wird hervorragend vermittelt. Schnell erkennt man den Zauber des Schreibers und muss die Arbeit anerkennen, die Emith leistet. Der Leser erkennt, welche Mühe es zum Beispiel bereitet, ordentliches Pergament zu erhalten.
Jones versteht es auch, mit wenigen aber gut gewählten Worten die Figuren des Romans zu beschreiben. Dabei wird sich nicht nur auf die Hauptfiguren konzentriert, sondern auch die Nebenfiguren erwachen zum Leben. Sie sind mehr als nur Stichwortgeber oder Bauernopfer, obwohl sie eigentlich nur diesen Zweck erfüllen. Man hat das Gefühl, reale Personen vor sich zu sehen. Und so wie Tessa in eine andere Welt gezogen wird, zieht es auch den Leser in ein fantastisches Reich.
Dabei spart Jones nicht mit blutigen Kampfszenen, um die Gefährlichkeit dieser mittelalterlichen Welt zu unterstreichen. Das traditionelle Rittertum mit seinen schweren Rüstungen kommt dabei allerdings schlecht weg. Langbogenschützen in Lederrüstung brillieren dagegen. Warum das so ist, erklärt Ravis Camron und Jones somit dem Leser. Und das ist wunderbar an diesem Roman. Fragen werden beantwortet und die Taten der Figuren werden erklärt.
Dabei sind Protagonisten und Antagonisten vielschichtig und keine Schwarzweißpersonen, die man über einen Kamm scheren könnte. Selbst der Bösewicht hat seine schwachen Momente und gute Freunde verlieren schon einmal die Beherrschung. Dabei verwischen die Trennlinien zwischen Gut und Böse manchmal.
„Die ewige Krone“ ist spannend und faszinierend. Ein gelungener Auftakt und Appetitanreger, der Lust auf Band 2 macht („Krone aus Blut“, Bastei Lübbe 28 316).
_Günther Lietz_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|
Weniger ein Buch als ein reines Fan-Produkt, das die schlüssiger Bearbeitung des vor allem italienischen (S)Exploitation-Films der 1960er bis 1980er Jahre vorgibt … – Formal und vor allem inhaltlich ist dies ein Offenbarungseid. Stilistisch entweder grausig oder unfreiwillig erheiternd, strotzt dieses Machwerk vor Fehlern, schürft aus denkbar flachen Quellen und ist nichts als ein Fixpunkt für Spott und Fremdschämen.Aron Boone – Kannibalen! weiterlesen →
Bret Easton Ellis’ Kultroman „American Psycho“ hält den amerikanischen Yuppies der 80er Jahre ein hässliches Spiegelbild vor und vermittelt als Nebenprodukt dem mittelständischen Leser mit drei Hypotheken die beruhigende Botschaft, dass ein Job an der Wall Street und ungezählte Kreditkarten kein Garant für ein glückliches und erfülltes Leben sind. Nun ist diese Erkenntnis heutzutage weder überraschend noch neu, doch wie Ellis seine Abrechnung mit dem amerikanischen Traum an den Leser bringt, war seinem Verlag |Simon & Schuster| bei der Erstveröffentlichung des Romans im Jahre 1991 einen Skandal wert. Er hatte dort bereits zwei Romane veröffentlicht und für „American Psycho“ einen Vorschuss erhalten. Als das Buch jedoch auf den Markt kam und der Chef von |Paramount| (zu dessen Konzern |Simon & Schuster| gehört) in einer Zeitung Auszüge aus dem Roman las, ließ er „American Psycho“ vom Markt nehmen und die bereits gedruckten Exemplare einstampfen. Dies löste natürlich eine noch größere Kontroverse über den Inhalt des Buches und eine eventuelle Zensur von Seiten des Verlags aus, bis sich der Vintage-Verlag|Ellis’ Buch annahm und den Roman neu herausbrachte.
|Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist …
… Osama Bin Laden!|
Helen Fielding ist spätestens seit der grandiosen Verfilmung von „Schokolade zum Frühstück“ mit Renee Zellweger in der Hauptrolle sicherlich jedem als die göttliche Autorin der beiden Romane um Bridget Jones ein Begriff. Insider kennen darüber hinaus auch ihr eher gewöhnungsbedürftiges Werk „Hummer zum Dinner“, das den typischen Bridget-Jones-Charme ein wenig vermissen lässt. So schlug ich gespannt ihr neues Werk auf, um mir eine Meinung zu bilden, denn ich war von vornherein etwas skeptisch, da ich mir bereits recht sicher war, dass ihre neue Heldin Olivia gar nicht so sympathisch sein kann wie die liebe Bridget mit ihren eingebildeten Gewichtsproblemen.
Olivia Joules arbeitet freiberuflich als Journalistin und wird zur Präsentation einer neuen Gesichtscreme in Miami eingeladen. Auf der Party bemerkt sie einen erstaunlich gut aussehenden Mann, der sie offensichtlich anzuflirten scheint, es handelt sich um den Filmproduzenten Pierre Ferramo, also um die Werbefigur für die neue Creme. Olivia ist entzückt angesichts dieses fantastischen Mannes, doch schnell packen sie Zweifel: Handelt es sich bei Ferramo womöglich um Osama Bin Laden? Plötzlich ist sie sich sicher, den vielleicht meistgesuchten Mann der Welt gefunden zu haben. Schnell googlet sie Ferramo und findet keinen einzigen Treffer, während sie unter ihrem eigenen Namen fast 200 Suchergebnisse angezeigt bekommt. Ihr natürliches Misstrauen ist sofort geweckt, was wird hier gespielt? Nichts kann Olivia Joules in diesem Glauben erschüttern; Bin Laden hat sich sein Gesicht operieren lassen und sogar seine Körpergröße verändert. Als Ferramo dann auch noch ein arabisches Wort fallen lässt, ist Olivia schockiert, sie hat einen al-Qaida-Mann vor sich!
Olivia beschließt, Ferramo auf den Zahn zu fühlen und ihren Aufenthalt in Miami zu verlängern. Dort liegt das berühmte Schiff „OceansApart“ vor Anker, das Olivia unbedingt besichtigen möchte, doch bevor es dazu kommen kann, explodiert das Schiff und sinkt vor Olivias geschockten Augen. Weitaus erschütternder findet sie allerdings die Tatsache, dass Ferramo sie kürzlich noch davor gewarnt hat, das Schiff zu betreten. Ist Ferramo Schuld an dem Schiffsunglück? Kurz darauf flüchtet er nach Los Angeles und Olivia reist ihm hinterher. Die Verfolgungsjagd geht schließlich weiter und führt Olivia zunächst nach Honduras, später in den Sudan, sie erlebt aufregende Dinge und entdeckt schließlich auch das Geheimnis hinter Pierre Ferramo.
So weit zum Inhalt des Buches, der schon mal sehr abgefahren klingt, nicht wahr? Die Geschichte beginnt zunächst recht vielversprechend und lustig. Der Leser wird mit Olivia vertraut gemacht und lernt sie als etwas chaotische Journalistin mit blühender Fantasie kennen. Sie reist gerne und lebt am liebsten in Hotels, wo sie pedantisch darauf achtet, ob das Toilettenpapier am Ende auch ordentlich gefaltet ist und spitz zusammenläuft. Ihre fantastische Einbildung führt sie schnell zu dem Schluss, dass der gut aussehende Ferramo nicht wirklich Franzose ist, sondern ein al-Qaida- Mitglied sein muss und zwar nicht irgendeines, nein, Osama Bin Laden persönlich. An dieser Stelle musste ich etwas schlucken, denn diese Wendung fand ich dann doch ein wenig zu weit hergeholt. Eine blühende Fantasie kann ich noch gut nachvollziehen (wer hat die nicht?), aber musste es gleich Bin Laden sein? Damit hat das Buch zwar aktuellen Bezug, aber wird dadurch noch weitaus unrealistischer als die meisten Frauenromane ohnehin sind. Sympathisch wird Olivia dennoch, man erfährt mehr über ihre tragische Vergangenheit und leidet irgendwo mit ihr mit, denn ihr Chefredakteur besteht auf einer fertigen Story bis 18 Uhr, vergisst allerdings dazu zu sagen, dass er damit englische Zeit meint. So tippt Olivia in Amerika seelenruhig ihrer Zeit hinterher und bringt kein anständiges Wort zu Papier, während ihr Redakteur in London schon graue Haare bekommt.
Das Buch ist durchaus witzig geschrieben, doch hat es nicht die persönliche Nähe wie „Bridget Jones“, was zum einen daran liegen kann, dass das Buch nicht in der Ich-Form geschrieben ist. Ein neutraler Erzähler aus der dritten Person schildert Olivias Geschichte und ihre Erlebnisse, er stellt sie auch vor, so dass man sie doch irgendwo lieb gewinnt, doch herrscht immer eine gewisse Distanz, die durch die persönlichen Tagebucheinträge in „Bridget Jones“ von der ersten Seite an aus dem Weg geräumt waren. Durch die Erzählerform ist der Schreibstil auch nicht so locker-flockig geraten, Frauenbücher gewinnen meist an Charme durch die persönlichen Gedanken der weiblichen Hauptperson, die den Leser an allen noch so verrückten und peinlichen Gedanken teilhaben lässt, das ist bei Olivia leider nicht möglich.
Die Charakterzeichnung Olivias finde ich auch nur teilweise gelungen, denn man lernt sie nicht so gut kennen, wie man es sich wünschen würde. Das Buch ist nur kurz und will ja auch noch die hanebüchene Spionagegeschichte erzählen, daher rückt die Personenbeschreibung schnell in den Hintergrund. Neben Olivia lernt man eigentlich fast keine handelnde Person näher kennen, selbst Ferramo bleibt recht blass, wobei das vielleicht auch besser ist, da man sich dann als Leser noch eine Ähnlichkeit mit Bin Laden einbilden kann, die wohl offensichtlich gar nicht vorhanden ist. Anfangs fand ich Olivia Joules noch sehr interessant und sympathisch durch ihre leicht chaotische Art, doch schnell fängt sie mit ihrer Einbildungein ein wenig an zu nerven. In jede Situation deutet sie etwas hinein, das doch recht weit hergeholt scheint. Schade, eine Hauptperson, mit der man auf jeder Seite und in jeder Zeile mitleiden kann, weil sie einer verlorenen Liebe oder Kleidergröße 36 hinterher trauert, wäre mir doch lieber gewesen als diese neue Romanfigur. Hier hat sich Helen Fielding deutlich verschlechtert, meiner Meinung nach sollte sie sich lieber ein neues Kapitel in Bridgets Leben ausdenken.
Mein größter Kritikpunkt ist allerdings die Geschichte an sich. Ich weiß das Buch nicht recht einzuordnen, da es als Mischung aus trashigem Frauenroman und Spionage“thriller“ daherkommt, schnell schwenkt das Buch von der typischen Frauengeschichte um auf die Agentenschiene, auf der Olivia der al-Qaida hinterherspioniert. Es mag durchaus innovativ und interessant sein, einen Brückenschlag zwischen verschiedenen Genres zu wagen, doch finde ich, dass Fielding dies nicht überzeugend gelungen ist. Das Buch ist nicht witzig und weiblich genug für das Genre „Frauenroman“, aber auch nicht spannend genug für einen echten Spionageroman. Somit wirkt die Story ziemlich lächerlich und überzeugt eigentlich auf keiner Seite. Wahrscheinlich kann man sogar James Bond einen größeren Bezug zur Realität nachsagen als Olivia Joules. Mir ist nicht ganz klar, was Helen Fielding dazu bewogen hat, ihre neue Romanheldin in eine solche Spionagegeschichte hineinzuschreiben, denn ihre alten Bridgetfans mag sie damit vergrault haben.
Etwas erschrocken war ich außerdem, als ich das Buch nichts ahnend umgeblättert habe (im Zug zwischen zwei Geschäftsmännern, die ihre |Financial Times| lasen …) und mir ein billiges schwarz-weiß Bild entgegensprang. Im Buch finden sich nämlich ein paar wenige Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die wirken, wie aus einem Supergirlcomic geklaut. Die Bilder sind unterlegt von einem Satz aus dem Roman, der die Szene beschreiben soll. Leider tragen die Bilder nicht sonderlich gut dazu bei, sich die Situationen besser vorzustellen, da sie doch recht grob und künstlerisch unbegabt wirken, aber irgendwie mögen sie auch in den Rahmen dieses Buches passen …
Insgesamt war ich doch enttäuscht von dem Buch, da ich mir ein spritziges Frauenbuch gewünscht hatte, das in Art von Bridget Jones eine sympathische Frauenfigur mit üblichen Problemen vorstellt. Allerdings wird man als Leser dann mit einer Olivia Joules konfrontiert, die sich Osama Bin Laden gegenübergestellt glaubt. Die Geschichte nimmt dadurch sogleich eine unangenehme und unrealistische Wende, die dem Buch nicht gut tut. Ganz so furchtbar wie die Besprechung klingen mag, ist das Buch dann allerdings nicht. Es war schon unterhaltsam und sicherlich keine Zeitverschwendung, aber über das Mittelmaß kommt es leider nicht hinaus. So reicht es dann auch nur zu einer knappen Empfehlung.
Wer kennt sie nicht: Die Legenden um König Artus, seine Ritter der Tafelrunde, allen voran Lanzelot, Guinevere, Mordred und seinen Magier und Ratgeber Merlin. Die Zahl der Variationen der Legende ist Legion, mehrfach verfilmt wurde der Sagenstoff ebenfalls.
Jean-Louis Fetjaine (* 1956), rückt in |“Der Weg des Magiers“| die Figur Merlin in den Mittelpunkt. Dabei orientiert sich Fetjaine an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich Historie und Mythos (der Autor studierte Philosophie und mittelalterliche Geschichte – dieser französische Studiengang entspricht in etwa der deutschen Mediävistik). Die Geschichte selbst ist pseudohistorisch, mit mehr Anleihen aus dem bekannten Sagenkreis um Artus denn nur lose inspirierter Fantasy. Merlin selbst ist ein junger Barde rätselhafter Herkunft, der es durch Zaubertricks bereits zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Sein steiniger Weg zum Ruhm, zum mächtigen Magier und Berater legendärer Könige, ist Thema der als Trilogie geplanten Reihe. In Frankreich erschien bereits im Mai der zweite Band, „Brocéliande“.
Das Grundgerüst der Geschichte ist deshalb umfangreicher und detaillierter als sonst üblich: Im 6. Jahrhundert bedrohen Sachsen, Pikten und Iren Britannien. Der schottische König Ryderc von Strathclyde ruft alle Fürsten zu einem Waffenstillstand auf, um gemeinsam gegen die Eindringlinge vorgehen zu können. Doch wider Erwarten wählt man Gwendoleu von Cumberland zum obersten Heerführer, woraufhin Ryderc diesen mitsamt Gefolge in eine Falle lockt und tötet. Nur Merlin kann dank der Hilfe geheimnisvoller Wesen entkommen. Er erkennt seine wahre Herkunft und Bestimmung und macht sich auf den Weg in den sagenumwobenen Elfenwald Brocéliande – mit keiner geringeren Mission als Britannien zu vereinen.
Im Grunde kann man bei einem solch bewährten Stoff nicht viel versauen, besonders als Kenner der Materie. Dass es trotzdem geht, beweist Fetjaine. Seine Stärke liegt zweifellos in seinen überzeugenden und umfangreichen Kenntnissen des Mittelalters und der Artussage. Im Nachwort des Romans zeigt er deutlich, wo er die Historie zurechtgebogen, spekuliert oder frei erfunden hat. Ebenfalls sehr gut sind die Zeittafel der britannischen Geschichte und seine Ausführungen zu König Artus, der Unterscheidung zwischen Mythos und Wahrheit sowie den Ursprüngen einzelner Teile der Sage. So zog zum Beispiel Artus, als Kommandant einer römischen Reitertruppe, sein Schwert wohl eher aus einem Sachsen (ex saxone) denn einem Stein (ex saxo) – ein Übersetzungsfehler. Bezüge zum heiligen Schwert des Gottes Nudd und dem heiligen Stein von Fal, wichtige Gegenstände keltischer Religionen, machten aus diesem Fehler möglicherweise ein Zeichen und Wunder. Aus mehreren berühmten, historischen Figuren entstand dann im Laufe der Zeit der Artus der Sage.
Besonders im ersten Drittel des Buches geizt Fetjaine nicht mit Fußnoten, die fast einer wissenschaftlichen Arbeit würdig wären. Anstelle von Literaturverweisen findet der Leser interessante Zusatzinformationen und dringend benötigte Hinweise zum Verständnis der Handlung. Das ist als positiv zu werten, aber die Geschichte leidet unter der Informationsflut, die eigentliche Handlung dümpelt vor sich hin. Weder zu Merlin noch anderen Charakteren konnte ich eine Beziehung aufbauen, da Fetjaine sich unsinnigerweise in Nebensächlichkeiten verliert, das größte Manko des Romans. Erst gegen Ende bessert sich dies – bis dahin leidet man unter einem Stil, der jeglichen Lesespaß raubt: Muss man wirklich den Vorgang des Absteigens vom Pferd, Anbindens, Sich-umsehens, Wiederlosbindens und Weiterreitens im Detail schildern? Bis zum verhängnisvollen Hinterhalt gibt es kaum Dialoge, dafür kurze Beinahe-Monologe, unterbrochen von der langwierigen Beschreibung körperlicher Tätigkeiten, die sich in nervtötender Weise aneinanderreihen. Hier liegt die Schuld beim Stil des Autors, denn sowohl die Übersetzerin als auch das Lektorat haben sich wirklich keinen Fehler erlaubt.
Dieser Stil macht es mitunter schwer, der Handlung zu folgen. Schiere Langweile wollte mich zum Überblättern weiter Abschnitte des Buches verleiten, das erst im letzten Drittel interessante Ausblicke zeigte und Interesse erweckte.
Insgesamt ergibt sich ein widersprüchliches Bild: Detaillierte historische Kenntnisse heben den Roman aus der Masse heraus, die Handlung selbst erwacht erst gegen Ende aus ihrer Lethargie. Ebenso der Charakter Merlins. Dies ist vor allem dem Sprachstil Fetjaines zu verdanken. Wer mit seiner „Elfentrilogie“ zufrieden war, sollte einen Blick riskieren, alle anderen Leser dürfte Fetjaines Sprache zu Tode langweilen. Als Historiker ist Fetjaine top, als Schriftsteller leider ein Flop. Zumal es unzählige besser geschriebene Alternativen der Artussage gibt, wie die weltbekannten |“Nebel von Avalon“| Marion Zimmer Bradleys oder Stephen Lawheads ebenfalls von Merlin handelnde |“Pendragon“|-Saga.
Seit der Lektüre von Jon Krakauers Buch „In eisige Höhen“ übt das Thema Mount Everest und insbesondere die Katastrophe vom Mai 1996, bei der mehrere Menschen während eines Unwetters in Gipfelnähe erfroren sind, eine gewisse Faszination auf mich aus. Inzwischen sind bereits einige Bücher zu diesem Thema von weiteren Bergsteigern erschienen, die die Katastrophe ebenfalls miterlebt haben. Die bekanntesten dürften neben der Veröffentlichung von Krakauer die Berichte von Anatoli Boukreev, Beck Weathers und auch von Lene Gammelgaard sein.
Klein aber fein ist das Privatkrankenhaus „Schwestern von Jerusalem“ in New York City. Die folglich gut situierte, noch sehr junge Karen Tandy kann sich daher mit Recht vertrauensvoll an Dr. Hughes wenden, gilt er doch als Koryphäe seines Metiers. Besonders als Fachmann für Tumorerkrankungen hat er sich einen guten Namen gemacht. Trotzdem ist er erschrocken, denn im Nacken seiner Patientin wuchert eine Schwellung, die nicht im Lehrbuch findet. Der ‚Tumor‘ ist eine Art Embryo, der sich im Zeitraffertempo entwickelt und seine Wirtin schon bald auch geistig unterjocht.
An einem weniger eleganten Ort der Stadt fristet Harry Erskine, der alten Damen die Zukunft aus den Karten liest und dabei den echten Kontakt zum Reich der Geister durch Fantasie und Erfindungsreichtum ersetzt, sein bescheidenes aber zufriedenes Dasein. Dann kommt der Tag, an dem ihn die Nichte einer alten Stammkundin aufsucht: Karen Tandy, die nicht nur unter besagtem Tumor, sondern auch unter seltsamen Träumen leidet.
Harry verliebt sich ein wenig in seine Besucherin. Er bemüht eine alte Freundin, die über echte parapsychische Fähigkeiten verfügt. Bei einer Seance taucht der Geist eines Indianers auf, dessen Attacken die Anwesenden nur mit knapper Not entkommen. Kurz darauf ist Karens Tumor fast so groß wie der Körper seiner Wirtin geworden. In dieser Situation ist Dr. Hughes geneigt Harry Gehör zu schenken, der die bevorstehende Wiedergeburt eines indianischen Rachegeistes ankündigt.
Ein Fachmann muss her! Medizinmann Singing Rain (der eigentlich im Immobiliengeschäft tätig ist) erkennt den Gegner: Misquamacus ist der vielleicht mächtigste Zauberer seines Volkes, der mit dem Weißen Mann noch eine Rechnung offen hat, seit ihn holländische Siedler Mitte des 17. Jahrhunderts in den Tod getrieben haben. Nun ist Misquamacus wieder da – orientierungslos und wie immer äußerst schlecht gelaunt. Es stimmt ihn nicht versöhnlicher, dass verschwenderisch eingesetzte Röntgenstrahlen seinen neuen Körper schwer geschädigt haben. Der erzürnte Geist setzt seinen Zauber ein, um sich zu rächen …
_Eiliger Horror mit trivialem Charme_
Graham Masterton ist nicht nur ein sehr fleißiger, sondern auch ein in seiner amerikanischen Heimat (eigentlich ist er Schotte) recht populärer Autor moderner Horrorgeschichten. In Deutschland ist ihm der Durchbruch dagegen seltsamerweise nie wirklich gelungen. Nur ein Bruchteil seiner phantastischen Romane und Thriller, ganz zu schweigen von seinen historischen Werken (oder den berühmt-berüchtigten Sex-Leitfäden) haben den Weg über den Großen Teich gefunden, wo sie sich unter denen, die das Phantastische lieben, zu begehrten Sammelobjekten entwickelt haben.
„Der Manitou“ markiert Mastertons Debüt als Autor, was zu berücksichtigen ist, wenn man diesen Roman beurteilen möchte – dies und das Wissen, dass Masterton ihn 1974 binnen einer einzigen Woche niederschrieb. Das erklärt eine Menge; die anspruchslose Handlung oder die schlichte Figurenzeichnung beispielsweise. Auf der anderen Seite verspricht Masterton nie mehr als er zu halten bereit ist: Horror der handfesten Art! „Der Manitou“ ist schnell, durchaus witzig und gespickt mit drastischen Effekten. Auf kaum mehr als 170 Seiten wird die Story ohne Pausen vorangetrieben.
|Geist mit schlechtem Planungsstand|
Probleme gibt es immer dort, wo Masterton einhält, um der Handlung Tiefe zu verleihen. Er bildet sich offensichtlich viel ein auf sein Wissen um die indianische Kultur und Mythologie, kommt aber trotzdem niemals über die peinlichen Roter Mann = Guter Mann-Plattitüden hinweg, die als politisch korrekt gelten.
Zwar angesprochen aber nie wirklich beantwortet wird außerdem die Frage, wieso der angeblich so schlaue Misquamacus eigentlich volle dreieinhalb Jahrhunderte übersprungen hat, um ausgerechnet in der Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts aufzutauchen. Wäre es nicht ein Zeichen echter Intelligenz gewesen schon nach fünf oder zehn Jahren zurückzukehren? Für einen Geist, der außerhalb der Gesetze von Raum und Zeit steht, legt Misquamacus ein bemerkenswert schlechtes Gefühl für Timing an den Tag. Da hat es schon etwas rührend Hilfloses, die magische Eroberung der Welt ausgerechnet in einem Krankenhaus zu starten … Aber natürlich sollte man über Sinn & Unsinn solcher für den raschen Konsum bestimmten Unterhaltungsliteratur lieber nicht intensiver nachdenken.
|Ein Medizinmann spukt im Kino|
„Der Manitou“ erschien zwar zunächst in Großbritannien, war aber später auch in den USA überraschend erfolgreich. Bald wurde Hollywood bei Masterton vorstellig, doch dies leider nur in der Gestalt des jungen William Girdler, dessen Filmografie bis dato nur Sch(l)ock-Klassiker wie „Asylum of Satan“ (1972) oder „Three on a Meathook“ (1973) auflistete. Aber Masterton liebt das Abwegige, und so stand Misquamacus= Zelluloid-Zauberschlacht nichts mehr im Wege. „Manitou“, der Film von 1978, ist mit Tony Curtis (!), Stella Stevens, Ann Sothern und Burgess Meredith erstaunlich gut besetzt. Ganz offensichtlich wandelt „Der Manitou“ hier auf den Spuren der „Exorzisten“ und „Omen“-Reihen, die Mitte der 1970er Jahre Geldfluten in die Kinokassen spülten.
Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass sich die genannten Darsteller 1978 gerade in einem Karrieretief befanden, welches in den meisten Fällen andauerte: War das der Fluch des Manitou? Die ohnehin schlichte Story wurde durch kein geniales Drehbuch geadelt (um es höflich auszudrücken), und Girdler ist nicht Orson Welles (und sollte es auch niemals werden; nachdem „Der Manitou“ ein bescheidener Erfolg geworden war, recherchierte Girdler 1978 auf den Philippinen für seinen ersten Big Budget-Hollywood-Film – und stürzte prompt mit dem Hubschrauber ab; ein neues Opfer des Misquamacus?).
So blieben wie so oft im phantastischen Film nur die Spezialeffekte, die dem Streifen Kontur verliehen. Sie sind ordentlich, können aber aus heutiger Sicht natürlich nicht mehr überzeugen. „Der Manitou“ erfreut sich in Amerika trotzdem noch eines gewissen Rufes, weil er den dauerpubertierenden US-Boys den erregenden Anblick blanker Busen in einem ‚richtigen‘ Spielfilm beschert.
|Misquamacus geht in Serie|
In Deutschland war des Manitous Wiedergeburt auf der Kinoleinwand immerhin Anlass genug, mit Misquamacus die 1978 ebenfalls im Zeichen der phantastischen Renaissance ins Leben gerufene „Horror-Bibliothek“ des Bastei-Lübbe-Verlages prominent einzuleiten. Heute dürfen sich die wohl nicht gerade zahlreichen Besitzer dieses Bändchens glücklich schätzen – über ein hübsches Sammlerstück und die wehmütige Erinnerung an eine Zeit, da jeder deutsche Taschenbuch-Verlag mindestens einen einschlägigen Titel pro Monat auf den Markt brachte.
Misquamacus ließ der unverhoffte Erfolg seines ersten Auftretens übrigens nie lange im Geisterreich verweilen. Schon 1979 war er wieder da; die Chronik seiner neuen Untaten trug hierzulande den sinnigen Titel „Die Rückkehr des Manitou“ und signalisierte schon dadurch, dass dieser seit dem letzten Mal wenig dazugelernt hatte.
|Deutschland bleibt Manitou-Diaspora|
Leider können wir Freunde des Unheimlichen uns in Deutschland davon nur sporadisch überzeugen; wenige Masterton-Romane fanden und finden den Weg in dieses unser Land. Dabei gilt z. B. Misquamacus dritter Streich („Burial: A Novel of the Manitou“, 1992) als bester Teil der Serie, zumal der Verfasser hier seine Leser mit einem Kniff zu fesseln weiß, den er zu einem persönlichen Markenzeichen entwickelt hat: der Verknüpfung einer fiktiven Handlung mit realen historischen Ereignissen, hier der Schlacht am Little Big Horn, an deren Verlauf Misquamacus nicht ganz unbeteiligt war.
Dass Masterton seinen ersten Anti-Helden nicht vergessen hat, bewies er 2005, als er Misquamacus nach 13-jähriger Pause überraschend zurückkehren ließ: Weiterhin ist der Manitou nicht zimperlich ist, wenn es gilt, seinen altbekannten Zielen böse Taten folgen zu lassen, und immer noch folgt auf jede Niederlage eine Wiederkehr. Auf diese Weise kann Misquamacus noch lange sein (lukratives) Unwesen treiben.
_Autor_
Graham Masterton, geboren am 16. Januar 1946 im schottischen Edinburgh, ist nicht nur ein sehr fleißiger, sondern auch ein recht populärer Autor moderner Horrorgeschichten. In Deutschland ist ihm der Durchbruch seltsamerweise nie wirklich gelungen. Nur ein Bruchteil seiner phantastischen Romane und Thriller, ganz zu schweigen von seinen historischen Werken, seinen Thrillern oder den berühmt berüchtigten Sex Leitfäden, haben den Weg über den Kanal gefunden.
Besagte Leitfäden erinnern übrigens an Mastertons frühe Jahre. Seine journalistische Ausbildung trug dem kaum 20 Jährigen die die Position des Redakteurs für das britische Männer Magazin „Maifair“ ein. Nachdem er sich hier bewährt hatte, wechselte er zu Penthouse und Penthouse Forum. Dank des reichlichen Quellenmaterials verfasste Masterton selbst einige hilfreiche Werke, von denen „How To Drive Your Man Wild In Bed“ immerhin eine Weltauflage von mehr als drei Millionen Exemplaren erreichte.
Ab 1976 schrieb Masterton Unterhaltungsromane. Riss er sein Debütwerk „The Manitou“ (dt. „Der Manitou“) noch binnen einer Woche herunter, gilt er heute als kompetenter Handwerker, dem manchmal Größeres gelingt, wenn sein Geist schneller arbeitet als die Schreibhand, was freilich nur selten vorkommt.
Mit der Geschichte des Gangsters Tony Camonte zeichnet Verfasser Trail den Aufstieg des modernen organisierten Verbrechens in den USA nach. Die recht akkurate Rekonstruktion der dem zugrundeliegenden Mechanismen gefällt, doch der in der Übersetzung gewahrte Trivialstil und unzählige zeitgenössische Moralismen verderben den Lektürespaß an diesem unvorteilhaft gealterten Klassiker der Kriminalliteratur. Armitage Trail – Scarface weiterlesen →
Eine respektable Entscheidung, Beiträge, die Autoren von 1988 bis 2001 für die Programmbücher der Bayreuther Festspiele verfassten, in einem einzigen Band zusammenzufassen. Schwerpunkt bildet dabei Richard Wagners Arbeit an den Themenkomplexen Nibelungen-Sage und Gralswelt. Die Beiträge sind nicht populär gedacht, sondern durchaus wissenschaftlich. Immerhin handelte es sich bei den Erstveröffentlichungen auch schon um keine gewöhnlichen Programmhefte, sondern um Festspielbücher. Unüblich an solchen Festspielprogrammen ist eigentlich, wenn die Texte nicht assoziativ oder von vornherein auf die Inszenierung selbst abgestimmt sind, sondern wie in diesen Fällen tatsächlich eine unabhängige Rezeption des Stoffes an sich darstellen.
Vorab dargestellt sind die alten mittelalterlichen Quellen im Original mit der Prosaübersetzung und zwar in den Teilen, auf die Wagner in seinen Musikdramen Bezug nimmt: Textstellen aus dem Nibelungenlied, der Edda, der Snorra Edda, Thidrek-Saga und der Völsungen-Saga mit den unterschiedlichen Namensformen bzw. Personen im Nibelungen, im Altnordischen und bei Wagner.
So entfernt uns Wagner auch sein mag, ist doch zu bedenken, dass ohne ihn viele hervorragende Stoffe des europäischen Mittelalters nur noch einem kleinen Kreis von Kennern bekannt wären. Vor allem für die Geschichte von Siegfried und den Nibelungen und Parzival und dem Gral hat er mit seinem Werk mehr bewirkt als Generationen von Philologen, und er steht daher im Bereich dessen, was die moderne Wissenschaft als „schöpferische Rezeption des Mittelalters“ bezeichnet, ganz vorne an. Natürlich hat er in seinen Werken viel verändert. Im „Ring“ konzentriert er sich als Thema ganz auf Brunhild und Siegfried, übernahm dabei alles aus dem Altnordischen, was zu finden war und ließ den zweiten Teil um Etzel und Kriemhilds Rache ganz weg. Im Gegensatz zu seinen anderen mittelalterlichen Musikdramen hat er den „Ring“ aber am allerwenigsten verändert. Es bleiben auch bei ihm die Gegensätze zwischen Eros und Machtpolitik, zwischen dem unruhigen zerstörerischen Prinzip des Männlichen und dem bewahrenden Prinzip des Weiblichen. Aber da das Nibelungenlied als mittelalterliches Nationalepos der Deutschen gilt, geriet er bekannterweise wegen des rein germanischen Stoffes in den Sog der nationalen, schließlich nationalsozialistischen und chauvinistischen Interpretation und Ideologie. Wagners „Ring“ wurde zum Indikator der späteren deutschen Geistes- und Ideologiegeschichte, wenn auch sehr oberflächlich und paradox interpretiert.
Musik war schon immer bedeutsam für mittelhochdeutsche Texte. Die strophischen Texte sind singbar, aber leider sind Melodien des Nibelungenliedes und der Edda-Lieder nicht überliefert. Man hat versucht, das zu rekonstruieren, und der Hildebrand-Ton scheint einer Lösung formal am nächsten zu kommen. Im späteren Mittelalter wurde die Strophenform dieses Tones auch für eine Bearbeitung des Nibelungenliedes (so genannte „Fassung k“) sowie das Lied vom Hürnen Seyfried verwendet. Der Sänger Eberhard Kummer aus Österreich singt heute das gesamte Lied in dieser Weise in 31 Stunden. Gerade durch den musikalischen Vortrag erhalten viele stilistische Eigenarten des Nibelungenliedes erst einen einsichtigen Sinn, der der Literaturwissenschaft verborgen bleibt.
Wenig bekannt ist ein anderer Ort, wo heute noch in ununterbrochener Tradition seit dem späten Mittelalter die Geschichte von Siegfried und den Burgundern gesungen wird. Auf der Färöer-Insel im Atlantik wird innerhalb dreier Stunden in den Nibelungen-Balladen (Regin Smidhur, Brinhild, Högni) die gesamte Geschichte von Jung-Siegfried bis zum blutigen Ende am Hunnenhof erzählt.
Wagner dürfte dies sicher eher nicht bekannt gewesen sein, aber eine Ähnlichkeit ist schon erstaunlich, denn auch er hatte ja den alten hermetischen Stab-Reim wiederentdeckt und angewandt, den er als Instrument der semantischen Verdeutlichung sehr schätzte. Dabei griff er auch auf alte archaische urtümliche Wortbedeutungen zurück, die seine Kritiker als Neuschöpfungen hielten und ihm Missbrauch der deutschen Sprache vorwarfen.
Sehr aufschlussreich werden innerhalb des Buches tief gehendere Vergleiche zwischen den eingangs erwähnten Quellen zu spezifischen Handlungspassagen gezogen, wie dem Tod Siegfrieds, dem Vergessenstrank, mit dem Siegfried Brunhild vergaß (in der Nibelungensage nicht enthalten), und dem Streit der Königinnen. Dieser Streit kommt im „Ring“ nicht vor, dafür hat Wagner ihn in den zweiten Akt seines „Lohengrin“ integriert. Diese Textvergleiche zeigen auf, dass die mittelalterliche Stofftradition verschiedene Begründungen für die Geschehnisse bietet, die teilweise miteinander verbunden sind, sich aber teilweise ausschließen. Darüber hinaus finden im Zusammenhang dieser Gegenüberstellungen auch die im 19. und 20. Jahrhundert entstandenen Nachdichtungen Beachtung, wie die „Nibelungen“ von Friedrich Hebbel, das nach langer Nichtbeachtung ab Anfang der 80er Jahre fürs Theater wieder interessant und wichtig wurde; oder auch Henrik Ibsens „Nordische Heerfahrt“ (1858).
Interdisziplinär wird auch etwas über den Tellerrand geblickt und in einem größeren Kontext werden – neben dem zur gleichen Zeit entstandenen mittelalterlichen Rolandslied – die vergleichbaren Götter- und Helden aus der indogermanischen Frühzeit, bei den Griechen, Römern, Indern und Kelten und die Mythen des russischen Sprachraums noch hinzugezogen. Damit verlieren sich die Autoren aber nicht in der Vergangenheit, sondern kehren mit Betrachtungen über die Darstellung der zeitgenössischen Kunst, die bis hin zu den Nibelungenbildern von Johannes Heinrich Füssli geht, entstanden zwischen 1798 – 1820, in die Gegenwart zurück. In einem ähnlich gegliederten Schlussteil widmet sich das Buch noch einer umfangreichen Betrachtung des Gralsmythos.
[Richard Wagner]http://de.wikipedia.org/wiki/Richard__Wagner
[Nibelungenlied]http://de.wikipedia.org/wiki/Nibelungenlied
[Der Ring des Nibelungen]http://de.wikipedia.org/wiki/Der__Ring__des__Nibelungen
[Richard-Wagner-Festspiele]http://de.wikipedia.org/wiki/Richard-Wagner-Festspiele
Marcel Feige als Verfasser von „Das neue Lexikon der Fantasy“ hat nach der 1. Auflage (2000) im Juli 2003 eine überarbeitete Ausgabe zum Abschluss gebracht. Das Buch wurde diesmal in einer Taschenbuchausgabe publiziert; mit 562 Seiten ist es umfangreicher als sein Vorgänger (384 Seiten), etwa 100 s/w-Abbildungen (zuvor: 48 Abbildungen) vervollständigen den Inhalt. Der Verlag definiert als Zielgruppe Harry-Potter-Fans, Tolkien-Anhänger, Märchen-Freunde, Fantasy-Leser, Rollenspieler, Kinogänger, überhaupt alle, die sich für phantastische Welten interessieren. Also genau das Publikum, das beim |X-Zine| nach Informationen sucht …
Marcel Feige, alleinverantwortlicher Verfasser des Nachschlagewerkes, verrät uns gleich auf seiner Seite 1, „dass das Lexikon Informationslücken besitzt … Natürlich spielte bei der Zusammenstellung des Lexikons auch die persönliche Vorliebe des Autors eine gewisse (wenngleich zurückhaltende) Rolle.“ Nun gut, das lässt einiges erahnen, leider dämpft eine solche Bemerkung gleich die Erwartungshaltung empfindlich. Erstaunlich ist auch, dass ich an keiner Stelle den Vorschlag entdecken konnte, bei Fehlern oder Lücken den Verfasser auf diese hinweisen zu wollen. Ein gesundes Selbstbewusstsein macht ein solches Ansinnen sicher überflüssig, wer alles weiß, hat kein Bedürfnis nach Hinweisen oder Vorschlägen. Das wiederum ist für mich eine regelrechte Aufforderung, dieses Lexikon umso genauer durchzuarbeiten.
Zwei Mitarbeiter (Kuno Liesegang und Ralf Krause) werden neben Marcel Feige aufgeführt, mir ebenso wie der Verfasser selbst aus dem Dunstkreis der Fantasy-Facharbeiter in Deutschland gänzlich unbekannt (Kuno Liesegang fällt mir im Zusammenhang mit dem Horror-angehauchten Magazin „Nocturno“ ein, so wie er überhaupt mehr diesem Genre verhaftet zu sein scheint; ein Einfluss, der sich in der Auswahl der Beiträge im vorliegenden Lexikon durchaus bemerkbar gemacht haben kann).
Nach zwei Vorworten fasst Marcel Feige die „Geschichte der Fantasy“ auf sechs Seiten zusammen; er beginnt ganz früh bei Homer vor 2.800 Jahren und schmeißt zur Gegenwart den Deckel aufs Thema. 5000 Jahre Literaturgeschichte auf 6 Seiten – das kann nur ein sehr gewagter Überblick sein. Und ist demnach bestenfalls für völlig von der Fantasy Unbeleckte mit informativem Gehalt angereichert. Der von mir unkommentierte Vergleich: „Die Entwicklungsgeschichte der Science Fiction“, Seite 26 bis 150 (!), in Alpers/Fuchs/Hahn/Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur, München 1987.
Doch das, was mich grundsätzlich interessiert, entblättert sich auf den Beiträgen danach, anfangend bei A wie „Abenteuer“ und endend bei Z wie „Zyklopen“. Marcel Feige stellt in seinem Lexikon Personen, Bücher, Filme, Spiele, Legenden, Märchen, Magazine und Firmen vor, alphabetisch geordnet, wie es sich gehört.
Unter dem Buchstaben „D“ beispielsweise entdecken wir: Dalí, Salvador; Damona King; Dämonen-Zyklus; Dämonen-Zyklus; Dark Fantasy; Dark Force; de Camp, L(yon) Sprague; De Lint, Charles; Dean, Roger; Demontower; Demonworld; Dent, Lester; Deryni-Zyklus; Deutsche Tolkien Gesellschaft e. V.; Deutscher Phantastik Preis; Dhana; Dickens, Charles; Dickson, Gordon R(upert); Der Dieb der Zeit; Der Dieb von Bagdad; Der Dieb von Bagdad; Der Dieb von Bagdad; Die Diebin von Bagdad. Die Erläuterungen zu den einzelnen Begriffen sind unterschiedlich lang geraten; zu einigen Beiträgen hätte ich mir mehr Details gewünscht, zu anderen weniger. Zu aufgeführten Roman-Serien werden die dazugehörigen Einzelbände (wo möglich, die deutschen Übersetzungen) gelistet. Querverweise führen weiter und vervollständigen die lexikalischen Einträge.
Die Auswahl ist, wie oben angesagt, von den persönlichen Vorlieben des Autors geprägt. Ich würde diese „Vorlieben“ vielleicht auch gleichsetzen mit „Erfahrungen“, denn das, was dann Eingang gefunden hat ins Buch, liest sich bisweilen wie ein Sammelsurium an Begrifflichkeiten, deren Plausibilität manchmal sehr zu wünschen übrig lässt.
„Shadowrun“ wird auf 2 ½ Seiten abgehandelt, „Dungeon & Dragons“ dagegen nur auf einer mageren Seite (wobei nur in einem einzigen Satz auf die deutschen Ausgaben hingewiesen wird.) Dabei ist lt. |FanPro| „Shadowrun … eine Science-Fiction-Hintergrundwelt, in der Geschichten und Abenteuer angesiedelt sind, vergleichbar mit den Hintergrundwelten von Science-Fiction-Filmen, -Fernsehserien und -Romanen.“
Erstaunlich sind auch Bemerkungen wie im |Dungeons & Dragons|-Beitrag: „… ist eines der ersten Rollenspielsysteme, das der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.“ Oder zu Gary Gygax: „1974 gründete er die Firma TSR und veröffentlichte eines der ersten Rollenspiele, ‚Dungeons & Dragons‘.“ Vor D&D gab es nichts Vergleichbares.
Unter einem eigenständigen Eintrag wird der „Vielflächner“ beschworen, der mehrseitige Würfel. Dieser Begriff ist mir zwar aus der Geometrie bekannt, aber im Rollenspiel noch nicht untergekommen.
Dazu schleichen sich Recherchefehler ins Innere des Lexikons. George R. R. Martins Roman-Serie „Das Lied von Eis und Feuer“ wird umfirmiert in „Das Lied von Feuer und Eis“. Klingt nicht schlecht, ist aber falsch.
Das Magazin „Magira“ wurde der Herausgeberschaft des gesondert aufgeführten EDFC e. V. (Erster Deutscher Fantasy Club) zugeordnet, was sich alleine durch einen sorgfältigen Blick in das Magira-Impressum als schlichtweg falsch erweist: „Herausgegeben von Hubert Straßl und dem Fantasy Club e. V.“
Überhaupt vermisse ich eine Erwähnung des „Fantasy Club“, noch immer der bedeutsamste Fantasy-Verein im deutschsprachigen Raum ist. (Immerhin veröffentlichte dort Dr. Helmut W. Pesch, im Lexikon zu Recht mit einem eigenen Eintrag geehrt, aber im Vorwort gleichsam herabgekanzelt als „hoffnungsvoller Nachwuchs“; dabei hat dieser bereits professionell gearbeitet, als Marcel Feige das Wort „Fantasy“ nicht einmal vorwärts buchstabieren konnte.)
Hinzu kommen widersprüchliche Beiträge wie der zu „Sword & Sorcery“: „Geprägt wird der Begriff zum ersten Mal durch Fritz Leiber, der die Abenteuer seiner beiden Helden im Schwerter-Zyklus einordnen möchte …“ (Seite 424). „Mit der Anthologie ‚Sword & Sorcery‘ prägt de Camp 1963 ein Subgenre der Fantasy und gibt ihm einen Namen: Sword & Sorcery.“ (Seite 91). Ja, wer denn nun, de Camp oder Leiber? („Der Begriff stammt von Fritz Leiber und taucht zum ersten Mal in einem Magazin namens |Ancalagon| bzw. 1961 in der Julinummer des Magazins |Amra| auf.“ Hetmann, Frederik: Die Freuden der Fantasy, Ullstein 1984)
Magazine werden von Marcel Feige angeführt, die „WunderWelten“ gehört mit Fug und Recht dazu, doch was kommt dann: die „Fantasywelt“ („eher fanmäßiges Infomagazin“). Wo lese ich etwas von der ungleich bedeutsameren „ZauberZeit“, wo ist die Rede von der „Spielwelt“ (der ersten ernsthaften Rollenspielzeitschrift in Deutschland)? Ein solch weitergereichtes Informationsdefizit ist nicht einfach mit der Hand wegzuwischen, denn dieses Lexikon bietet laut Klappentext „einen umfassenden Überblick“, von Lücken und Nachlässigkeiten kein Wort. Was also wird jemand, der sich dieses Lexikon zur Grundlage seiner Arbeit nimmt (weil nichts anderes als Konkurrenzprodukt zur Verfügung steht), womöglich in seinen Artikel aufnehmen: „Deutschlands bekannteste Fantasy-Magazine Fantasywelt und WunderWelten …“
Weshalb werden die Spielbücher mit keiner Silbe erwähnt, die immerhin ein wichtiger Schritt hin zu den textbasierten PC-Rollenspielen waren (von denen Nachfolger wie die „Ultima“-Serie nicht erwähnt werden, aber ein simpler Konsolen-Epigone wie „Zelda“ verewigt wird. Hineingehört hätten stattdessen „Baldur’s Gate“, „Neverwinter Nights“ oder „Diablo“) und in Deutschland eine breite Leserschaft amüsierten?
Ich freue mich über den Versuch, der deutschsprachigen Gemeinde ein Fantasy-Lexikon zu präsentieren. Die Mehrzahl der Beiträge in diesem Lexikon ist ordentlich geraten. Doch die Ausreißer sind nicht von der Hand zu weisen, im Gegenteil: Sie sind in mancher Hinsicht sehr ärgerlich. Damit verhindert Marcel Feige, dass dieses Lexikon als Grundlagenbuch oder Referenz empfohlen werden kann. Es fehlt zu viel, und einiges ist nicht richtig.
Wozu eignet sich dieses „Neue Lexikon der Fantasy“? Zum Schmökern, zum Nachschlagen, als eine mögliche Informationsquelle für Neugierige, die eine erste Übersicht über Fantasy gewinnen möchten.
_Karl-Georg Müller_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Albert Campion ist das schwarze Schaf seiner hochadligen Familie, die ihn deshalb verstoßen hat. Nun verdingt er sich als privater Ermittler, der auch dort seiner kriminalistischen Arbeit nachgehen kann, wo die Polizei versagt. Campion hat dank seines bodenständigen ‚Partners‘, des ehemaligen Einbrechers Lugg, einen guten Draht zur Unterwelt. So hat er von der „Firma“ erfahren. Diese Verbrecherbande arbeitet für hoch angesehene, schwer reiche, absolut skrupellose Kunstsammler, die ihrer Sammlung Stücke einverleiben wollen, die sich in Privatbesitz befinden oder in Museen hängen: Sie werden schlicht gestohlen.
Nun erging ein neuer ‚Auftrag‘ an die „Firma“: Der berühmte Kelch von Gyrth soll geraubt werden. Seit Jahrhunderten befindet er sich im Besitz der gleichnamigen Familie, die ihn in „The Tower“, dem Stammsitz nahe der Gemeinde Sanctuary in der Grafschaft Suffolk, aufbewahrt. Ein uralter Geheimvertrag verpflichtet die Gyrthes, den Kelch für die Krone zu hüten. Verschwindet er, verlieren sie Rang und Besitz.
Kein Wunder, dass Campions Warnung für Aufregung sorgt. Doch wer ist Freund, wer Feind? Campion findet einen Verbündeten in Valentine Gyrth, Sohn und Erbe des derzeitigen Baronets. Dieser hat sich zwar mit dem Vater zerstritten, kehrt jetzt aber zurück, als nicht nur die Familienehre in Gefahr gerät: Lady Diana, Valentines törichte Tante, die sich selbst zur „Kelchjungfrau“ ernannt hatte, wurde ermordet auf einer Waldlichtung gefunden. Die „Firma“ ist schon aktiv, und sie will den Kelch offenbar um jeden Preis: schlecht für Campion & Co., die weiterhin absolut keine Ahnung haben, wer ihre Gegner sind!
|Kleine, mörderisch gemütliche Welt|
Glückliches Großbritannien: Hier ist zumindest im klassischen Kriminalroman die Welt noch in Ordnung. Ein Verbrechen kann das nur kurzfristig stören. In so einer Welt möchten wir globalisierungsgestressten, outgesourcten Gegenwartsmenschen insgeheim auch gern leben. Deshalb lesen wir so gern Romane wie diesen. Alle von den Fans so heiß geliebten Elemente eines zünftigen „Whodunit“-Thrillers werden von der Verfasserin kundig beschworen. Da haben das kleine, idyllische, von der Zeit offenbar vergessene Dorf auf dem Land, über dem ein feudaler, von einem verwunschenen Wald umgebender Landsitz thront, der über einen Turm mit Geheimkammer verfügt.
Der Plot ist dieser Umgebung angemessen. Vor Urzeiten hat ein frühmittelalterlicher Eroberer in „The Tower“ einen Schatz verborgen, von dessen Existenz die englische Monarchie abhängt. Ein kompliziertes, höchst archaisches Ritual ist damit für jene verbunden, die ihn hüten. Die Vergangenheit ist und bleibt präsent, als sich nun gierige Diebesfinger nach dem wertvollen Kelch ausstrecken.
Hüten können diesen natürlich nur Adlige reinsten Geblüts, die dann ruhig reichlich verschroben sein dürfen. Es ist unter diesen Umständen überhaupt kein Stilbruch, dass sich ein leibhaftiges Gespenst ins Geschehen einmischt. Auch eine Hexe, ein Dorftrottel, ein zerstreuter Professor, romantisch-verwegene Zigeuner, pittoreske Schurken und andere absolut unrealistische, aber allerliebst agierende Gestalten haben ihre großen Auftritte.
Eine riskante Geschichte, stets haarscharf am Rande der Lächerlichkeit balancierend: Das Talent der Autorin führt dazu, dass wir uns stattdessen durchweg gut amüsieren. Allingham leugnet nie die Märchenhaftigkeit ihres Kelch-Krimis – sie ignoriert diese einfach bzw. präsentiert noch die haarsträubendsten Ereignisse mit dem berühmt-berüchtigten britischen Ernst, hinter dem sich knochentrockener Humor verbergen kann. Solche Meisterschaft und Dreistigkeit zugleich im Spinnen absurder Garne kennt man sonst nur von John Dickson Carr (1906-1977), der gruselige Burgen und Ruinen liebte und doch immer wieder streng rational denkende Detektive ihre Geheimnisse lüften ließ. In dieser Beziehung geht Allingham noch einen Schritt weiter: Die Präsenz des Übernatürlichen fügt sie geschickt ins Geschehen ein. Das hätte Carrs Dr. Fell niemals gestattet!
|Den Anstand wenigstens vorgeben|
Verfolgungsjagden, Massenprügeleien, nächtliche Hexenhatz, Entführungen, Todesfallen: Auch sonst lässt Allingham ihre Leser nie zur Ruhe kommen. Albert Campion kommt kaum zum Kombinieren. Für einen angeblich vergeistigten, weichlich wirkenden Ermittler ist er ziemlich rege, reist inkognito mit Zigeunern im Land umher, verfügt über bemerkenswerte Verbindungen zur Prominenz seines Heimatlandes in Politik und Gesellschaft. Kein Wunder, ist er doch selbst so etwas wie ein Königskind, das sich zwar von seiner Familie losgesagt hat, aber dennoch seine Adelspflichten erfüllt. Um seine ehrwürdige Verwandtschaft nicht vor der Öffentlichkeit zu düpieren, hat er sich ein bürgerliches Leben und einen neuen Namen zugelegt. Die ihm in die Wiege gelegten Kontakte kombiniert er mit seinen kriminalistischen Talenten. Das ist für den echten Blaublütler praktisch: Selbst das Königshaus bemüht Albert Campion, wenn es heikle Verbrechen zu klären und Skandale zu verhindern gilt, denn er ist offiziell zwar persona non grata, aber trotzdem „einer der Jungs“ & ein Gentleman, mit dem man sich abgeben kann.
Campion ist wie so viele Detektive der klassischen Ära ein Abkömmling von Sherlock Holmes. Allingham bemüht sich zwar ihn menschlicher wirken zu lassen, aber da ist einerseits doch eine Grenzlinie, hinter der sich der wahre Albert Campion verborgen hält. Andererseits finden wir halt doch viele Holmes-Elemente wieder, wenn wir nach ihnen Ausschau halten.
|Freunde & Frauen|
Einen Watson besitzt Campion auch. Den hat Allingham allerdings völlig neu gestaltet. Lugg zeichnet ganz sicher nicht die Taten seines Herrn für die Nachwelt auf. Er schreibt (oder denkt) nicht, er handelt. Als waschechter Angehöriger der Unterschicht und geläuterter Krimineller verfügt er über Mutterwitz, Schlauheit und Mut. Allingham hat ihn bemerkenswert freigeistig und ohne Spur des typischen Herr-Diener-Verhältnisses gestaltet, wie es z. B. Dorothy Sayers’ Lord Peter Wimsey und Bunter verbindet. Campion und Lugg haben viel miteinander erlebt; sie sind Freunde geworden, soweit dies das starre britische Kastensystem möglich macht.
Frauen sind im klassischen Thriller üblicherweise schmückendes Beiwerk. Auch Allingham hütete sich ihre zeitgenössischen Leser zu vergrämen. Emanzipation im eigentlichen Sinn wird man daher nicht finden. Allerdings deutet der Originaltitel unseres Abenteuers bereits an: Die Verfasserin ist sich durchaus der Tatsache bewusst, dass ihre Geschlechtsgenossinnen nicht nur deshalb auf dieser Welt wandeln, um von guten Männern vor bösen Kerls gerettet zu werden ,..
_Autorin_
Margery Louise Allingham wurde 1904 geboren. Die Schriftstellerei wurde ihr quasi in die Wiege gelegt; in ihrer Familie ersetzte sie die Hausmusik. So war es kaum verwunderlich, dass Margery beschloss, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Sie veröffentlichte 1923 als Romanerstling „Blackkerchief Dick“, eine Romanze. In diesem Genre verfasste sie auch eine Reihe von Kurzgeschichten für Magazine
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entdeckte Allingham den Kriminalroman. 1928 erschien „The White Cottage Mystery“ (dt. „Ein böser Nachbar“). Die Leserschaft reagiert positiv. Allingham blieb dem Genre treu. Sie erfasste rasch, dass sie ihr Publikum noch fester an sich binden konnte, wenn sie ihm eine Identifikationsfigur in Gestalt eines Serienhelden lieferte. 1929 erschien Albert Campion auf der Bildfläche. Allingham schuf ihn (übrigens in enger, lebenslanger Zusammenarbeit mit ihrem Ehegatten Philip Youngman Carter) als freundlichen, intelligenten, jungen Mann mit adligem Hintergrund. Sie stattete ihn mit einer Biografie aus, wies ihm als Geburtsdatum den 15. Mai 1900 zu und ließ ihn altern. Mit den Jahren wurde Albert Campion klüger (und ein wenig zynisch). Auch seine Fälle wurden moderner; zwar blieben sie „Whodunits“, aber sie orientierten sich sacht an der Zeitgeschichte und taten nicht so, als sei das viktorianische England nie verstrichen.
Allinghams Thriller wurden von der Kritik und den Lesern gleichermaßen wegen der sauber gedrechselten, verwickelten Plots, der einprägsamen Figurenzeichnung und des Stils geschätzt. Zusammen mit Agatha Christie oder Dorothy L. Sayers gehörte sie zur Prominenz der britischen Kriminalschriftstellerinnen. (In Deutschland genoss sie seltsamerweise nie den Ruhm, der ihr zukommt; erst relativ spät nahm sich in den 1980er Jahren der Diogenes-Verlag des Allinghamschen Œvres an, aber dann immerhin gut übersetzt und ungekürzt.)
In den 1960er Jahren erkrankte Margery Allingham an Krebs. Sie erlag ihrer Krankheit am 30. Juni 1966. Dies war allerdings nicht das Ende von Albert Campion. Youngman Carter setzte die Reihe fort, er starb allerdings selbst bereits dreieinhalb Jahre später. Trotzdem blieb Albert Campion präsent; Allinghams Bücher werden ständig neu aufgelegt. Ende der 1980er Jahre gelang Campion der Sprung ins Fernsehen. In acht spielfilmlangen Episoden verkörperte ihn Peter Davison mit großem Erfolg.
_Die Albert-Campion Serie:_
(1929) Mord in Black Dudley/Der italienische Dolch |(The Black Dudley Murder)|
(1930) Gefährliches Landleben |(Mystery Mile)|
(1931) Polizei am Grab |(Police at the Funeral)|
(1931) Der Hüter des Kelchs |(Look to the Lady)|
(1933) Süße Gefahr |(Sweet Danger)|
(1934) Ein Gespenst stirbt/Wenn Geister sterben |(Death of a Ghost)|
(1936) Für Jugendliche nicht geeignet/Blumen für den Richter |(Flowers for the Judge)|
(1937) Der Fall Pig |(The Case of the Late Pig)|
(1937) Tänzer in Trauer |(Dancers in the Morning)|
(1938) Mode und Morde |(The Fashion in Shrouds)|
(1941) Judaslohn |(Traitor’s Purse)|
(1945) Zur Hochzeit eine Leiche |(Coroner’s Pidgin)|
(1948) Überstunden für den Totengräber |(More Work for the Undertaker)|
(1952) Die Spur des Tigers |(The Tiger in the Smoke)|
(1955) Die lockende Dame/Trau keiner Lady |(The Beckoning Lady)|
(1958) Schlag mich mit Blindheit |(Hide My Eyes)|
(1963) Der Geist der Gouvernante |(The China Governess)|
(1965) Gedankenschnüffler |(The Mind Readers)|
(1968) |Cargo of Eagles| (vollendet von Philip Youngman Carter; keine dt. Ausgabe)
(1968) Der zweite Anruf |(Mr. Campion’s Farthing)|*
(1971) Trick 17 |(Mr. Campion’s Falcon)|*
* von Philip Youngman Carter
_Die Campion-Kurzgeschichten-Sammlungen_
(1937) |Mr. Campion, Criminologist| (keine dt. Ausgabe)
(1939) Die Handschuhe des Franzosen |(Mr. Campion and Others)|
(1947) |The Casebook of Mr. Campion| (keine dt. Ausgabe)
(1969) Mädchen, Nerz und Detektive/Der Dank des Einbrechers |(The Allingham Case Book)|
(1973) Der vollkommene Butler |(The Allingham Minibus – More Short Stories)|
(1989) |The Return of Mr. Campion| (keine dt. Ausgabe)
|Taschenbuch: 282 Seiten
Originaltitel: Look to the Lady (London : Jarrolds 1931)
Übersetzung: Alexandra u. Gerhard Baumrucker
ISBN-13: 978-3-442-03079-8|
[Autorenhomepage]http://www.margeryallingham.org.uk
[Verlagshomepage]http://www.randomhouse.de/goldmann
Anderthalb Jahrzehnte stellte David Quammen stellvertretend für wache Zeitgenossen Fragen zum Verhältnis des Menschen zur Natur, um sie im Magazin „Outside“ zu beantworten. 25 dieser Kolumnentexte liegen hier vor. Quammen hinterfragt scheinbar feststehende oder „unwichtige“ Fakten, zeigt erstaunliche Querverweise auf und stellt die herauspräparierten Erkenntnisse zu einem neuen Gesamtbild zusammen. Dabei schweift der Autor unbekümmert aus & ab und schwelgt in Anekdoten. Nicht immer geht die Rechnung auf, aber insgesamt liest und lernt man mit großem Vergnügen. David Quammen – Die zwei Hörner des Rhinozeros weiterlesen →
Seit 2002 erscheint das Magazin „Alien Contact“ nicht mehr in gedruckter Form, sondern „nur“ noch im Internet. Gebündelt gibt es die dort veröffentlichten Beiträge im „Alien Contact Jahrbuch“, von dem jetzt die zweite Ausgabe vorliegt. Das Jahrbuch 2003 wartet gleich mit einer Neuerung auf – parallel erscheint nun auch das „Shayol Jahrbuch für Science Fiction“. Hardy Kettlitz begründet dies im Vorwort mit dem gestiegenen Gesamtumfang der Online-Ausgaben. So will man künftig Erzählungen, Essays und Interviews im „Alien Contact Jahrbuch“ publizieren, die direkt auf das Jahr bezogenen Beiträge – wie Rezensionen oder Rückblicke sowie eine ausführliche Bibliographie – dagegen im „Shayol Jahrbuch“. Keine Konkurrenz im eigenen Hause, wie der Herausgeber betont, sondern eine Ergänzung. Bleibt die Frage, ob der Leser beim Preis von 18,90 beziehungsweise sogar 19,90 dann auch mitspielt. Und sich ergänzend auch noch [„Heynes Science Fiction Jahr“ 459 zulegt, das den jährlich wiederkehrenden Einstellungsgerüchten zum Trotz ja immer noch erscheint …
Das größte Augenmerk der gesammelten Ausgaben 51 bis 57 verdienen die Kurzgeschichten. Herausragend: George R. R. Martins „Die zweite Speisung“. Lange bevor sich Martin an sein (zu Recht) gefeiertes Fantasy-Epos „Das Lied von Eis und Feuer“ setzte, brillierte er in den siebziger Jahren bereits als Autor überdurchschnittlicher Kurzgeschichten, ehe er sich seinen ersten Romanen zuwandte, fürs Fernsehen („Twilight Zone“) arbeitete, die Shared-World-Serie „Wild Cards“ herausgab und schließlich bei der epischen Fantasy landete. „Die zweite Speisung“ ist eine der Storys um den exzentrischen Öko-Ingenieur Haviland Tuf, deren gesammelter deutscher Ausgabe (nach dem Vorbild „Tuf Voyaging“ von 1988) sich eines Tages hoffentlich einmal ein Verlag erbarmt. Eine deutsche Erstveröffentlichung, zu der man |Alien Contact| gratulieren darf. Wie auch zu Elizabeth Hands „Engels, in Unkenntnis“, einer atmosphärisch dichten, spannend erzählten und bitterbösen Geschichte über den Börsencrash am „Schwarzen Montag“, dem 19. Oktober 1987. Nett zu lesen, aber vergleichsweise harmlos ist dagegen Terry Bissons „Ich habe das Licht gesehen“. Pat Cadigans Geschichte „Rock on“ (bereits auf deutsch veröffentlicht: in der |Heyne|-Anthologie „Spiegelschatten“, herausgegeben von Bruce Sterling) macht genau das, was der Titel verspricht: Sie rockt. Nicht nur Cyberpunk-Freunde werden daran ihren Spaß haben.
Auch einige der deutschen Storys stehen hinter den vier Übersetzungen keinesfalls zurück: An erster Stelle ist „Das Internetz in den Händen der Arbeiterklasse“ von Angela und Karlheinz Steinmüller zu nennen (ebenso für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert wie die gleichfalls hier vertretenen Geschichten „Don’t Make Me Come Down There“ von Christian Fischer und „Pakettage“ von Barbara Slawig). Die Steinmüllers lassen – höchst amüsant für den Leser und mindestens ebenso beängstigend für den Protagonisten – eine virtuelle Alternativwelt-DDR auferstehen. Leider verschwindet diese fast genauso schnell wieder in den unergründlichen Tiefen des Netzes, wie sie aufgetaucht ist; vielleicht, vielleicht wird aus dieser Idee ja mal eines Tages eine längere Erzählung oder gar ein Roman, vollständig ausgereizt scheint sie hier jedenfalls noch nicht. Christian Fischers Zukunftsvision ist eine ganz andere: Düster und bedrohlich kommt seine Story daher und schildert eine Welt, in welcher der immer stärker auftrumpfende internationale Terrorismus kaum noch Spuren dessen zurückgelassen hat, was uns vertraut ist. Und schnell ist es gegangen: Osama bin Laden lebt noch, Fidel Castro ist erst knapp über hundert Jahre alt – eventuell ein Schwachpunkt, aber wer weiß schon, was morgen geschieht …
Barbara Slawigs Geschichte disqualifiziert sich selbst, da sie im Universum (und offensichtlich auch Kontext) ihres Romans „Die lebenden Steine von Jargus“ (oder „Flugverbot“, so der Titel der Neuauflage bei |Argument|) spielt. Beim damit nicht vertrauten Leser bleibt das Gefühl zurück, etwas Entscheidendes verpasst zu haben. Richtig lustig ist Uwe Hermanns „Unser Biomat“, ebenfalls komisch und gleichzeitig bizarr; stilistisch allerdings doch mit Schwächen behaftet kommt Tubes „Starblut – Eine Zukunftsvision“ daher. Die Horrorfans werden mit Constantin Werners gelungener Geschichte „Der Sukkubus“ bedient. Wolfgang Polifkas „www.totalviewnet@Weihnachten“ ist genau das, was der Untertitel aussagt: eine Weihnachtsgeschichte, nett erzählt, mit einer ordentlichen Pointe, wenngleich zwischendurch das Tempo ein bisschen auf der Strecke bleibt. Dann gibt es noch eine ganze Reihe von Geschichten, die sich in einen Topf werfen lassen: Vermutlich braucht ein Magazin diese kurzen „Appetizer“, heiter bis lustig, mit einer schwer zu verleugnenden Tendenz zur Albernheit, über die man sich nicht groß den Kopf zu zerbrechen braucht, die aber vielleicht dazu anregen, an anderer Stelle (online) weiterzulesen. Im Buch stellen diese Storys – von Thomas Wagner, Jakob Schmidt, Sabine Wedemeyer-Schwiersch, Erik Simon und Alexander Weis – aber eher die Schwachpunkte dar, gerade auch im Vergleich zu den oben genannten. Dabei sind sie, um Missverständnissen vorzubeugen, keinesfalls schlecht geschrieben.
Nicht alles ist so gelungen wie die Storys. Eine Ansammlung verschenkter Möglichkeiten sind beispielsweise die Interviews, die den Leser allesamt nicht zufrieden stellen können. Dabei wurden eigentlich interessante Leute befragt: Marcus Hammerschmitt, Barbara Slawig, Gerd Frey oder die Künstlerin Martina Pilcerova haben alle durchaus etwas zu sagen – oder hätten es. Denn es werden ihnen leider die falschen Fragen gestellt. Den Interviewern fehlt es – vergleichbar einer Dauerwerbesendung im Fernsehen – an jeglicher kritischen Distanz. Sie fragen brav, nach Leben, Werk, Gott und der Welt, bleiben dabei aber zu sehr an der Oberfläche und scheuen sich auffallend, auch endlich einmal nachzuhaken. Fragen, die den Interviewten zum Widerspruch reizen könnten oder – noch schlimmer – die ihm gar missfallen könnten, scheinen verboten zu sein. Besonders auffallend ist das bei Michael Lohrs Interview mit Robert Rankin: Fannische Ehrfurcht und glühende Begeisterung sprechen aus jeder Zeile, der Fragesteller scheint nicht eine Sekunde auf die Idee zu kommen, dass er das Interview nicht nur zu seinem und des Autors Gefallen führt. Rankins Antworten sind genauso „lustig“ wie seine Romane – der Informationsgehalt tendiert gen Null. Die positive Ausnahme ist das Gespräch mit Mary Doria Russell, das auf der |ElsterCon| 2002 in Leipzig geführt wurde. Hier kommen plötzlich interessante Fragen – sinnigerweise aus dem Publikum –, die der Autorin dann auch interessante Antworten entlocken. Alles andere ist leider harmloser Small Talk.
Höchst lobenswert ist dagegen wieder Michael Roths Autorenporträt von Theodore Sturgeon. Der Verfasser hat sich tatsächlich intensiv mit Sturgeon (der Person, nicht nur dem Werk) befasst und schafft es auch, sein breites Wissen unterhaltsam und gleichzeitig informativ zu vermitteln. Hervorragend – bitte mehr davon. Das Gegenbeispiel folgt im zweiten Autorenporträt: Stefan T. Pinternagel will den Amerikaner Barry Hughart vorstellen, verliert über diesen selbst aber kaum mehr als zwei Absätze und widmet sich stattdessen ausführlichst den von Hughart verfassten und bei |Piper| erschienen Meister-Li-Romanen. Durchaus legitim – aber bitte nicht unter dem Label „Porträt“. Da erwartet der Leser keine verkappten Rezensionen. Wie überhaupt auch noch zwei weitere Rezensionen Einzug ins Buch gefunden haben, was ja laut Vorwort eigentlich nicht der Fall sein sollte. Da Rezensent Thomas Harbach aber dazu neigt, ausführlichste Informationen über die jeweiligen Autoren (hier: Hope Mirrlees und Ana Maria Matute) in seine Besprechungen zu packen, ist der Schaden nicht allzu groß. Auch John Clutes „Gefährlich Ehrlich“-Kolumne geht in Richtung Rezension. Seine Ausführungen über Margaret Atwoods „Oryx und Crake“ hinterlassen zwei Fragen: Muss ein Roman schlecht sein, weil er in einer vergleichsweise „altmodischen“ SF-Zukunft angesiedelt ist, die nichts von dem „bigger, better, faster, more“ hat, dem manche Autoren meinen, mit aller Gewalt (und bis hin zur schieren Unverständlichkeit) frönen zu müssen? Und kann die geschätzte Autorin von „The Handmaid’s Tale“ (ein Roman, der sich übrigens auch vieler alter und ältester SF-Motive bedient, deshalb aus dieser – Clutes – Sicht wohl eher nicht als innovativ einzustufen ist, aber dennoch ein brillantes Stück Literatur darstellt) wirklich ein so schlechtes Buch schreiben? Ohne „Oryx und Crake“ gelesen zu haben: Wohl kaum, in beiden Fällen. Womit Clute erreicht hat, was er sicher nicht erreichen wollte. Margaret Atwood verkauft demnächst ein weiteres Exemplar ihres neuesten Romans, damit diese voreilige Behauptung auch überprüft werden kann.
Genug davon, schließlich findet sich noch weitaus mehr im „Alien Contact Jahrbuch“, etwa unter den Essays, die sicher auch vereinzelt die Geschmäcker spalten werden. Der Themenmix, das muss aber uneingeschränkt betont werden, stimmt: Die Columbia-Katastrophe (und damit die bemannte Raumfahrt), das Dauerthema Klonen oder – etwas schwer verdaulich, weil höchst wissenschaftlich – „die Evolution des Universums“ werden behandelt. Boris Koch macht sich Gedanken über Lovecrafts |Cthulhu|-Mythos, Adam Roberts über die |Matrix|-Filme. Spannend sind die Rückblenden auf Artikel aus den allerersten |Alien Contact|-Ausgaben, die allesamt um die sich damals ihrem Ende zuneigende DDR kreisen und von ihren Verfassern – Ralf Lorenz, Karlheinz Steinmüller, Michael Szameit und Bernhard Kempen – aus heutiger Sicht kommentiert werden. Deutsch-deutsche Science-Fiction-Geschichte, die nachdenklich macht, manchen vielleicht sogar wehmütig, an einigen wenigen Stellen aber auch zum Schmunzeln anregt – auch das sollte unbedingt in dieser Form beibehalten werden.
Das Fazit ist allen erwähnten kritischen Punkten zum Trotz eine Kaufempfehlung. Allein die Storys sind es bereits wert – beim Rest wird wohl jeder SF-Interessierte feststellen, dass der überwiegende Teil der Beiträge sein Interesse findet. Einschränkend sei angemerkt, dass der Titel zwar ein Jahrbuch „für Science Fiction und Fantasy“ verheißt, doch zu letzterem Genre (wie auch zum Horror) die Grenzen nur eher selten überschritten werden.
Manches möchte man einfach nicht mehr hören: Den bei Fantasyromanen oft überstrapazierten Vergleich mit dem |Herren der Ringe| zum Beispiel. Doch bei dem Fantasyzyklus _“Düsterer Ruhm“_ von Michael Stackpole kann man Parallelen und ebenso auffällige Unterschiede einfach nicht ignorieren:
|Was wäre, wenn … Bilbo Beutlin und sein Vater von Sauron in Nazgul verwandelt und der prophezeite Retter Frodo auf dem Schicksalsberg in die Lava gestürzt wäre?|
„Der große Kreuzzug“, sechster Roman der siebenbändigen Saga, spielt mit dieser Mischung aus ähnlich dem Herren der Ringe prophetisch festgelegtem Handlungsverlauf und unerwarteten Brüchen und Überraschungen.
In den ersten Bänden wurde ein tragischer Held, Tarrant Valkener, aufgebaut, der ansehen musste, wie der erste Held der Prophezeiung, sein Freund Leif Norderstett, mitsamt seinem Vater und Tarrants Geliebter in Sullanciri (entspricht den Nazgul) umgewandelt und in die Dienste der bösartigen Hexe Kytrin und ihrer monströsen Nordlandhorden im eisigen Land Aurolan gepresst wurde. In der Folge wurde der Sohn seines ehemaligen Freundes Leif, Will Norderstett, an der Seite des zum erbitterten Widersacher Kytrins gewordenen Valkener zum neuen Helden aufgebaut – um ebenso tragisch zu enden wie seine Vorgänger.
Warum sich Will geopfert hat, über die Ränke der zerstrittenen Reiche der Menschen, den erfolgreichen Feldzug des an Marcus Antonius erinnernden Generals Markus Adrogans, die Rolle von Ælfen und Zwergen – bei Stackpole urSreiði genannt – kann ich nur sehr grob schildern: Die epische Breite des Zyklus ist beeindruckend und überwältigend. Deshalb ist der Einstieg in die Serie ab Band 1 nahezu zwingend notwendig. Von abenteuerlichen Einzelschicksalen, wie dem Tarrant Valkeners, bis hin zu der Belagerung der gewaltigen Festung Draconis, dem Einsatz von Magie, Schießpulver und ersten Kanonen bis hin zu fast schon obligatorischen, problembeladenen Liebesgeschichten reicht das Spektrum dieses Zyklus.
_“Der große Kreuzzug“_ setzt die Reihe nach dem überraschenden Ableben Will Norderstetts fort, die Handlung konzentriert sich auf Kytrins Plan, die letzten Fragmente der Drachenkrone zu erbeuten, die ihr und der hinter ihr stehenden, von den Drachen in die Tiefen der Erde verbannten, älteren Macht der Oromisen die Herrschaft über alle Drachen der Welt – und damit zwangsläufig über diese selbst – geben würde.
Keine Lichtgestalt ist mehr vorhanden, die alle zerstrittenen Reiche der Menschen vereinen könnte, erfolgreiche Generäle wie der siegreiche Adrogans werden mit Misstrauen beäugt. König Swindger von Oriosa fällt vollends unter den Einfluss Kytrins, unbemerkt vom Rest der Welt. Der Magier Kjarrigan Lies perfektioniert derweil auf der Dracheninsel seine Kenntnisse der Magie, während Kytrin Erfolge erzielt und ihrem Ziel, der Findung des letzten Drachenkrone-Fragments, immer näher kommt. Der inzwischen nur noch als „Kräh“ bekannte Valkener und sein ælfischer Freund „Entschlossen“ können dennoch eine bunte Armee aus Veteranen, Nichtsnutzen und Straßenschlägern zusammenstellen, die zur Befreiung einer elfischen Heimstatt, der Insel Vorquellyn, aufbricht. Entschlossen sieht trotz der gescheiterten Prophezeiung noch Hoffnung, er glaubt an eine ältere, ælfische Auslegung.
In Kytrins Festung im eisigen Aurolan hegt derweil ihre als künftige Herrscherin der Welt geplante Tochter Isaura Zweifel an der Herzensgüte ihrer Mutter: Die Oromisen flößen ihr Furcht ein, Will Norderstetts Tod betrübt sie, und Zweifel schleichen sich in ihr bisher positives Weltbild eines aurolanischen Reiches ein, vor allem entsetzt sie die Unbarmherzigkeit und Grausamkeit ihrer Mutter, die sie nicht mehr als erzwungene, bittere Notwendigkeit ansehen und bewundern kann.
Man sieht, wie komplex die Beziehungsgeflechte in dieser Fantasywelt sind, zahlreiche wichtige Personen habe ich gar nicht erst erwähnt, um Verwirrung zu vermeiden. Hierin liegt auch eine Stärke – oder Schwäche – der Serie: Es gibt keine zentrale Hauptfigur auf Seite der „Guten“. Dafür eine große Auswahl starker Charaktere, im vorliegenden sechsten Band fehlt jedoch einfach ein wenig der Faden, wie sich die Geschichte weiterentwickeln soll. Es passiert auch nicht wirklich viel, dafür werden die notwendigen Grundlagen für das Finale im abschließenden Band gelegt.
Wie die Serie enden wird, kann man nicht vorhersagen. Zu oft und überraschend hat Stackpole bereits ausgetretene, klassische Pfade verlassen. Wie man Kytrin nun besiegen wird, oder überhaupt, ist völlig offen. Das erhält die Spannung aufrecht. Es spricht für die Serie, dass selbst dieser vergleichsweise handlungsarme Roman mich bis zur letzten Seite fesseln konnte.
Michael Stackpole stellt erneut seine Qualitäten unter Beweis – faszinierende und stimmige Fantasiewelten hat er bereits in der |BattleTech|-Serie mit seinen Romanen um die Clans geschaffen, während es seinen eigenständigen Romanen stets ein wenig an Innovation mangelte. Das ist grundsätzlich hier nicht anders, seine Stärke besteht darin, sich in andere Welten hineinzuversetzen und sie zum Leben zu erwecken, zu verbessern, anstatt völlig neue zu schaffen. Die Orientierung am „Herren der Ringe“ gibt seiner Saga einen grandiosen, epischen Rahmen. Den er mit eigenen Ideen und seinen Stärken wie grandiosen Schlachtbeschreibungen und der Fähigkeit, seinen Helden Tiefe und glaubhafte Motivationen zu geben, zusätzlich mit Leben erfüllt.
Einige ironische Seitenhiebe auf den Herren der Ringe konnte sich Stackpole wohl nicht verkneifen: Seine Sprache ist einfach und eingängig, was der Handlung nur zugute kommt. Dennoch würde jeder Tolkien-Fan wohl die sprachliche Überlegenheit Tolkiens zu Recht betonen. Stackpole lässt einen seiner Helden, den zum Bösen konvertierten Leif Norderstett, in furchtbaren Knüttelversen reimen und sprechen. Zusätzlich versetzt er die Namen der Elfen und Zwerge mit Sonderzeichen, macht sie zu Ælfen und urSreiði. Man kann nur spekulieren, was ihn dazu bewogen hat. Meiner Ansicht nach schafft Stackpole so einen altertümlichen Touch, ohne in die veraltete und oft gestelzte Sprache eines Tolkien zu verfallen, die er mit Leifs Reimereien gezielt parodiert.
Handlungsvielfalt, epische Breite, Komplexität, Überraschungen, hier und da ein wenig Innovation und Verfremdung … Was will man mehr? „Düsterer Ruhm“ ist eine moderne Variante des „Herren der Ringe“, die ich jedem Fan epischer und actionreicher Fantasy nur ans Herz legen kann. Allerdings sollte man unbedingt mit dem ersten Band beginnen!
_Der „Düsterer Ruhm“-Zyklus im Überblick:_
Zu den Waffen!
König der Düsterdünen
Festung Draconis
Blutgericht
Drachenzorn
_Der große Kreuzzug_
Die Macht der Drachenkrone
Anmerkung: Die ersten fünf Bände erschienen bei |Heyne|, ab Band sechs zeichnet der |Piper|-Verlag für die Serie verantwortlich. „Zu den Waffen!“, |Düsterer Ruhm 1|, wurde allerdings bereits wieder bei |Piper| neu aufgelegt (ISBN 349229121X, November 2004). Die einheitliche Einbandgestaltung wurde beibehalten.
Zu den Inhalten dieser Veröffentlichung habe ich einen ausführlichen Essay verfasst, den ihr [hier]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=36 nachlesen könnt.
Hinter den bekannten politischen Geschehnissen stehen meist auch unbekanntere Dinge, die in den üblichen Nachrichten weniger verbreitet werden. Dies trifft in besonders brisanter Weise auf die Dynastie der Bush-Familie zu, die seit einem Jahrhundert zu den einflussreichsten und mächtigsten Amerikas gehört. Eric Laurent hat sehr gut recherchiert und zeigt Schattenseiten auf, die über das ethische Vorstellungsvermögen hinausgehen. Mindestens seit Großvater Prescott Bush geht es um skrupelloses Vorgehen, bei dem nur der wirtschaftliche Profit zählt und diese kriminellen Handlungen ziehen sich durch die Generationen der Bush-Familie unverändert hindurch.
Prescott Bush begann bereits in den 20er Jahren, Geschäfte in Deutschland zu machen, z. B. auch über |General Motors|, investierte in Rüstungsfirmen und unterhielt Produktionsanlagen für das deutsche Militär selbst in den Zeiten, als die Alliierten längst Deutschland unter einen Bombenteppich setzten. Nach dem Krieg stellte er sogar Schadensersatzforderungen, weil das amerikanische Militär seine Produktionsanlagen zerstört hatte und bekam diese tatsächlich gerichtlich zugesprochen und ausgezahlt. Während des Krieges und danach waren die Bushs eng verflochten mit den Nazi-Wirtschaftsgrößen Flick und Thyssen. Nicht anders bei den späteren Bushs. Da wurde von George Bush sen. jahrelang der Irak finanziert und aufgerüstet – mit chemischen und biologischen Waffen versorgt, an den Giftanschlägen auf Iraner und Kurden mitverdient (beim Massaker an den Kurden waren amerikanische Hubschrauber mit im Einsatz), dann wird der Irak verleitet, Kuwait einzunehmen und anschließend, in diese Falle gelaufen, im zweiten (oder ersten, je nach Zählung) Golfkrieg bombardiert und ausgeschlachtet.
Ebenso Bush jun., der die erst durch die USA aufgebaute Taliban bekämpfte. Immer fließt dabei Geld in Strömen und dieses wird für beide Seiten investiert, um es letztendlich im Wirtschaftsfluss der Kriegszustände zu vermehren. Natürlich sind da noch andere Hintermänner immer im Spiel, die sich aber – wie die jetzige Regierungsmannschaft zeigt – schon seit mindestens 30 Jahren quer durch verschiedene amtierende Regierungen mehr als gut kennen und, aufeinander eingespielt, schon immer im Hintergrund einflussreich einwirkten.
Alle Verschwörungstheorien sind durch die Riege der aktuellen US-Regierung sichtbar manifestiert und spielen sich nicht mehr im Verborgenen ab. Vor allem die Öl-Industrie ist neben der Rüstungsindustrie diejenige, die ihre Interessen durchsetzt und dabei eigentlich weder Freund noch Feind kennt. Im Buch ist auch nachzulesen, was man schon Gerüchteweise vernahm: die Familien Bush und Bin Laden sind seit Generationen aufs engste wirtschaftlich und familiär verbunden und finanzieren sich gegenseitig. Selbst nach den Attentaten aufs |World Trade Center| hat sich daran nichts geändert. Die Hausbank von Bin Laden und Al Qaida unterstützt und finanziert die Bushs seit über zwanzig Jahren. Auch in den Wahlkampf für den jetzigen Präsidenten Bush jun., der letztendlich durch Wahlbetrug an die Macht gelangte, wurde von Al Qaida kräftig investiert. Der angebliche Erzfeind Osama Bin Laden, ein (ehemaliger?) Agent des CIA, wurde noch im Sommer 2001 in Afghanistan von amerikanischen Medizinern wegen einer Krankheit behandelt, nicht von islamischen Ärzten. Interessanterweise werden die Familie Bush, die Familie Bin Laden und das englische Königshaus von einem gemeinsamen Anwalt vertreten.
Schon nach den Anschlägen vom 11. September, als Afghanistan u. a. wegen geplanter Öl-Pipelines erobert wurde, war absehbar, dass es als nächstes erneut an den Irak gehen würde. Der wesentliche Grund waren auch hier die strategische Lage und das Ölvorkommen, und nicht, wie behauptet wurde, die chemischen, biologischen oder atomaren Waffen, ebenso wenig wie die angeblichen Verbindungen zur Al Qaida. Aber das hat die Weltöffentlichkeit ohnehin nie geglaubt und hat sich auch im Nachhinein als nicht haltbar erwiesen. Ebenso steht schon seit 2001 fest, dass dann der Iran in Angriff genommen werden wird, der nach dem Sturz des Iraks praktisch von Verbündeten der USA umzingelt ist: Afghanistan im Osten, Pakistan im Süden und Osten, Turkmenistan im Norden und Nordosten, Türkei im Nordwesten und Irak im Westen. Zusammen mit Israel und der Türkei wird man auch alles tun, um Syrien zu schwächen.
Den Irak betreffend wurde perfide geplant. Die USA hat seit langem eine irakische Exilopposition reaktiviert, die im eigenen Land weder eine Basis noch die geringste Glaubwürdigkeit besitzt. Zusammengefasst zum Irakischen Nationalkongress (INC) mit Sitz in London, gehören diesem die merkwürdigsten Gestalten völlig unterschiedlicher politischen Tendenzen an, von der CIA und dem Pentagon unterstützt und beraten. Bush jun. kann dabei selbst an der Spitze nur ein „kleines Licht“ sein, denn er ist außenpolitisch ein Greenhorn ohne Durchblick. Als Beispiel dazu sei seine Frage an den brasilianischen Präsidenten erwähnt, ob es „in seinem Land viele Schwarze“ gäbe.
Merkwürdig ist schon, wie da die „Achse des Bösen“ gebildet wurde und dass erst mal diejenigen darunter fallen, die wirklich nichts miteinander zu tun haben. Es ist rätselhaft, warum dies nicht eher Somalia, der Sudan, der Jemen oder Saudi-Arabien sind, die viel direkter mit den Al-Qaida-Netzwerken zu tun haben. Das militärische Budget der USA gegenüber der „Achse des Bösen“ liegt bei insgesamt 396 Milliarden Dollar gegenüber weniger als 12 Milliarden Dollar pro Jahr, die diese „Achse“ zusammen für ihre Streitkräfte ausgibt. Der Welt ist das, was wirklich geschieht, im Grunde alles klar. Aber man geht nicht wirklich dagegen an, denn die Angst ist zu groß. Amerika ist unberechenbar, mächtig und gefährlich. Sie drohen mit Präventivschlägen und schließen den atomaren Erstschlag nicht aus. Interessant ist, wie sehr zumindest unter der amerikanischen Bevölkerung dennoch die häusliche Propaganda geschluckt wird: Nach einer Umfrage vom „Time Magazine“ glaubten 75 Prozent der Amerikaner, dass Saddam Hussein die Al Qaida unterstützt, und 71 Prozent, dass der irakische Führer persönlich in die Attentate vom 11. September verwickelt gewesen sei.
Die ganze prekäre Lage in Nahost ist im Grunde fatal und künstlich entstanden, schon seit dem I. Weltkrieg und den ganzen Kolonisationen, die später zu diesen Nationalstaaten führten, welche willkürlich das Osmanische Reich ersetzten. Im Grunde ist ja auch beispielsweise der Irak ebenso künstlich wie dieses merkwürdige Kuwait. 1916 teilten Frankreich und Großbritannien das Osmanische Reich unter sich auf und dabei wurde auch der Irak aus den drei alten türkischen Provinzen Bagdad, Bassora und Mossul gebildet. Ob die Pläne mit der Niederlage Sadam Husseins allerdings so aufgehen wie gedacht, ist angesichts der schiitischen Massendemonstrationen und beständigen Anschläge fraglich. Es scheint vielmehr so, dass der Sturz Husseins und die dadurch ausgelöste Schockwelle in der arabischen Öffentlichkeit langfristig einen weiteren Zulauf für Osama Bin Laden und die Al Qaida bringen wird. Der größenwahnsinnigen US-Regierung ist das alles unwichtig. Sie sehen sich weiterhin als absolute Weltmacht mit missionarischer legitimation, und die gesamte restliche Welt steht für sie nur noch in der Rolle einfacher Statisten, die es lediglich sorgsam zu umgarnen und anzuleiten gilt.
Mehr Informationen bei |wikipedia|:
[Prescott Bush]http://de.wikipedia.org/wiki/Prescott__Bush
[George H. W. Bush]http://de.wikipedia.org/wiki/George__H.__W.__Bush
[George W. Bush]http://de.wikipedia.org/wiki/George__W.__Bush
[Skull & Bones]http://de.wikipedia.org/wiki/Skull__and__Bones
[Irak-Konflikt]http://de.wikipedia.org/wiki/Irak-Konflikt
[Irak]http://de.wikipedia.org/wiki/Irak
[Dritter Golfkrieg]http://de.wikipedia.org/wiki/Dritter__Golfkrieg
[Telepolis: Irakkonflikt]http://www.heise.de/tp/r4/inhalt/irak.html
_Buchdaten:_
Eric Laurent
[Die Kriege der Familie Bush]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3100448502/powermetalde-21
Die wahren Hintergründe des Irak-Konflikts
Paperback, 255 Seiten
|S. Fischer|, März 2003
Der ehemalige Raumfahrer Robinette Broadhead erzählt in Rückblenden, wie er zu seinem sagenhaften Reichtum gekommen ist. Die Gespräche finden mit seinem Psychiater „Sigfrid Seelenklempner“, einer künstliche Intelligenz, statt. Broadhead leidet an einem großen Schuldkomplex, den Sigfrid in langen, analytischen Gesprächen freilegen möchte. Dabei erfährt der Leser die außergewöhnliche Lebensgeschichte des Rob Broadhead. In ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen, erhält er in jungen Jahren durch einen Lottogewinn die Chance, nach |Gateway| zu fliegen. Gateway ist ein ausgehöhlter Asteroid, in dem sich außerirdische Artefakte einer alten Rasse, der |Hitschi|, befinden. Dabei handelt es sich um kleinere Raumschiffe mit einer dem Menschen unbekannten Technologie, welche Flüge mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglichen. Das größte Problem ist jedoch, dass nicht nur die Technologie, sondern auch die Handhabung und Steuerung für den Menschen unverständlich ist. So weiß man weder das Ziel der Schiffe noch die genaue Flugdauer. Die meisten dieser waghalsigen Prospektoren, welche sich in ein solches Raumschiff setzen, haben nichts mehr zu verlieren und hoffen auf ungeahnten Reichtum. Die Raumfahrer, welche nicht sterben, verloren gehen oder wahnsinnig werden, können nämlich Millionäre werden. Doch dafür müssen sie unbekannte Artefakte von Planeten mitbringen, so dass sie neben einer pauschalen Prämie, welche die Gateway-Gesellschaft zahlt, noch Bonus-Zahlungen aufgrund von weiteren technischen Entwicklungen auf Basis der gefundenen Gegenstände erhalten. Rob Broadhead hat dieses Glück und wird steinreich – doch er zahlt dafür einen hohen Preis, der letzte Flug endet in einer persönlichen Tragödie.
_Beyond the blue Event Horizon_
Die Abenteuer des Robinette Broadhead gehen weiter. Als reicher und einflussreicher Mann leitet er viele Projekte, welche das Geheimnis der Hitschi-Rasse ergründen sollen. Wer waren sie? Woher kamen sie und wo sind sie nun? Die Erde ist gebeutelt von Überbevölkerung, Armut und vor allem Hunger. Da wird eine Nahrungsfabrik der Hitschi entdeckt, welche aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff („CHON“) Nahrungsmittel produzieren kann. In der Fabrik existiert künstliches und natürliches Leben – doch sind es die Hitschi? Broadhead selbst wird aktiv, um den Dingen auf den Grund zu gehen.
_Hechee Rendezvous_
Einige Jahre nach den ersten Ereignissen – Rob Broadhead ist mittlerweile in die Jahre gekommen – sind viele Rätsel der Hitschi entschlüsselt. So ist es möglich, die Raumschiffe nach Belieben zu steuern und zu manövrieren. Doch neue Gefahren zeichnen sich ab. Terroristen halten die Welt in Atem und trachten Broadhead nach dem Leben. Zusammen mit seiner Frau und seinem Berater, dem Computerprogramm „Albert Einstein“, fliegt er an die verschiedensten Orte der Welt, um die Terrorismus-Gefahr zu bekämpfen und gleichzeitig den Hitschi nachzuforschen. Aus Angst vor einer unglaublichen Gefahr verließen sie vor langer Zeit die Galaxis. Diese schlafende Gefahr droht nun zu erwachen.
_Frederick Pohl_ wurde 1919 in New York als Enkel deutscher Einwanderer geboren. Nach dem Besuch der |Technical High School| in Brooklyn sympathisierte er in den dreißiger Jahren mit sozialistischen Bewegungen. Bereits im Alter von 20 Jahren übernahm er die Redaktion der SF-Magazine „Astonishing Stories“ und „Super Science Stories“ und fing zeitgleich mit dem Schreiben an. Nach seinem Kriegsdienst in Italien im Zweiten Weltkrieg begann er eine Karriere als Texter in einer Werbeagentur in New York. In den fünfziger und sechziger Jahren machte Pohl durch zahlreiche satirische Kurzgeschichten und Novellen, bei denen er seine Erfahrungen in der Werbeindustrie geschickt einbrachte, auf sich aufmerksam. Erst Ende der siebziger Jahre beginnt seine Karriere als anerkannter Autor von SF-Romanen. Neben den beiden Werken „Man Plus“ und „Jem“ ist es vor allem die vorliegende, mit verschiedenen Preisen ausgezeichnete Trilogie, welche ihm großen Ruhm auch außerhalb der USA bescherte.
_Die |Gateway|-Trilogie_ weist sehr viele sozialkritische Züge auf und kann als moderne Space-Opera bezeichnet werden. Vor allem im ersten Teil gewinnt der Roman durch eingestreute Werbetexte, Kleinanzeigen, Berichte und Aufsätze eine sehr ansprechende Authenzität. Dies und die geschickte Erzähltechnik zeugen von einem ausgefeilten Stil, wie man ihn in der Science-Fiction selten findet. Die aufgebaute Atmosphäre ist atemberaubend – der Leser sieht sich förmlich mit im Zimmer von Sigfrid Seelenklempner sitzen und lauscht gebannt seinen Ausführungen – während er sich auf der nächsten Seite in der schmierigsten Kneipe auf Gateway wiederfindet. Gateway mit seiner Struktur, seinen unverwechselbaren Gestalten und dieser angespannten Stimmung bleiben prägend im Gedächtnis. Ungeahntes Glück von erfolgreichen Prospektoren trifft auf unaussprechliches Leid der Hinterbliebenden, welche einen lieben Menschen in den Weiten des Alls verloren haben.
Pohl bringt dem Leser die Raumfahrt in den Hitschi-Schiffen nicht als romantisch verklärtes Abenteuer dar, sondern als abartigen Trip in die Abgründe der menschlichen Psyche. Die nackte Angst in der Einsamkeit eines Raumschiffs treibt die Prospektoren an die Grenze des Wahnsinns – während der Leser den Atem anhält und weiterlesen muss. Besonders gut im ersten Teil sind die vielschichtigen Therapie-Gespräche mit Sigfrid Seelenklempner, die einzigartige Stimmung und vor allem die Charaktere. Sie sind außergewöhnlich gut entwickelt und sehr lebensecht. Der Leser hat nach einiger Zeit das Gefühl, Rob Broadhead persönlich zu kennen. Dabei gibt es kein Gut-Böse-Schema, was sehr erfreulich ist. So passiert es schon mal, dass der Sympathieträger Rob seiner Freundin in einem Anfall von Eifersucht die Zähne ausschlägt. Beim Lesen wirkt eine solche Situation sehr befremdlich, aber vor allem sehr realistisch und lebensnah. Zusätzlich wird eine gewisse erotische und sexuelle Spannung aufgebaut, was ich in dieser Form bislang in keinem Science-Fiction-Roman erlebt habe. Dies ist jedoch sehr geschickt bewerkstelligt und durchaus ansprechend.
Der erste Teil der Trilogie hat mich dermaßen in seinen Bann gezogen – ein äußerst empfehlenswerter Lesespaß und sicherlich nicht umsonst ein legendäres Werk der Science-Fiction. Die Erwartungen an die nachfolgenden Bände sind daher naturgemäß sehr hoch – und wurden bei mir bitter enttäuscht. Nach dem psychologisch durchdachten ersten Teil mündet die Handlung dann in eine zweitklassige Abenteuergeschichte. Die Enträtselung der Hitschi nimmt viel von dem im ersten Teil aufgebauten Zauber. Es werden zwar zahlreiche interessante Ideen dargestellt – so die Bewohner der Nahrungsfabrik, aber die Handlung kommt dadurch kaum voran. Auch die Darstellung der physikalischen und politischen Zusammenhänge ist sehr simpel konzipiert und mutet teilweise unfreiwillig komisch an. Während im ersten Band viele Dinge, Zusammenhänge und Begebenheiten nur schemenhaft erwähnt wurden, werden später viele Verknüpfungen zu detailliert erklärt – dadurch geht viel Charme und Anziehung verloren.
Die größte Diskrepanz zwischen erstem Teil und Nachfolgebänden ist jedoch in den Charakteren begründet. Diese werden im zweiten und dritten Teil sehr unglaubwürdig entwickelt und dargestellt. Broadheads Frau S. Ya ist ein Paradebeispiel – sie sieht blendend aus, wird zur bestangezogenen Frau der Welt gewählt, ist eine geniale Informatikerin und bekommt mal schnell den Nobelpreis, um danach eine Fast-Food-Kette erfolgreich aufzubauen. Nach der detaillierten und glaubwürdigen Darstellung der Charaktere im ersten Teil ist dies ein sprichwörtlicher Schlag ins Gesicht. Dadurch geht sehr viel Freude an dem Roman verloren und es bleibt ein fader Nachgeschmack. Meine Empfehlung ist daher, den ersten Band unbedingt zu lesen – er verdient das Wort Meisterwerk – und die beiden anderen auszulassen.
Wenn man ein Meisterdieb ist, stiehlt man. Wenn man noch dazu eine Glücksgöttin auf seiner Seite hat, stiehlt man um so mehr. Ja, man lässt sich sogar dazu verleiten, aus dem Grenzland im Norden in die „Zivilisation“ zu ziehen, um zu schauen, ob die Reichen dort sich ebenso gut bestehlen lassen wie die eigenen Leute. Bloß – wenn einen dann die Glücksfee verlässt, ist es Essig.
So ergeht es Althalus: eben noch König der Diebe, jetzt ein vom Pech verfolgter Mann. Was Wunder, dass er einen obskuren Auftrag annimmt: ein Buch aus dem Haus am Ende der Welt zu stehlen. Ghend, der Auftraggeber, ist selbst ein obskures Wesen – aber er verspricht Gold. Althalus macht sich also auf den Weg und findet das Haus. Aber es gehört dem Gott Deiwos, und die liebenswürdige Katze darin ist die Göttin Dweia, Deiwos’ Schwester … Alles läuft ganz anders als geplant: Aus einem Diebeszug werden zweitausendfünfhundert Jahre Lernens, und danach zieht Althalus aus, um die Auserwählten zu finden, die Dweia im Krieg gegen die Horden des dämonischen Gottes Daeva unterstützen und die Welt retten sollen …
David und Leigh Eddings schreiben die ersten hundert, hundertfünfzig Seiten so flüssig und mit so viel Humor, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Nach zehn Seiten ist man entweder ihrem leichten, ironischen Ton verfallen, oder man hat keinen Sinn für Spaß. Natürlich ist auch Spannung im Spiel, denn Althalus’ Queste erweist sich nicht immer als einfach oder gefahrlos. Zuerst muss er einen magischen Dolch finden (in Wirklichkeit das Buch Dweias in anderer Gestalt), der ihn zu den Auserwählten führen wird und außerdem dazu bestimmt ist, beim Öffnen der Türen in Deiwos’ Haus zu helfen. Diese Türen allerdings führen nicht in Küche oder Speisesaal, sondern durch Raum und Zeit. Und der Träger des Dolches, der junge Eliar, ein „Barbar“ aus dem Gebirgsland Arum ist derjenige, der die Türen öffnen kann. Die Arumer verdingen sich seit eh und je in den Kriegen der Tiefländer, sind die besten Krieger der Welt und verfügen mit Khalor über den besten Heerführer, wenngleich sich dieser etwas irreführend „Sergeantgeneral“ nennt. Da Althalus darauf verzichtet, diese (anständigen) Söldner für so etwas Abstraktes wie Religion Krieg führen zu lassen, sondern sie mit ordentlich viel Gold bezahlt, folgen ihm bald alle Stämme. Auch die anderen Auserwählten findet er. Der Krieg könnte mithin leicht zu gewinnen sein, aber Ghend (bzw. Daeva) hat natürlich seine eigenen Leute und auch seine eigenen Türen.
Leider nutzen die Autoren diesen Aspekt des Werkes zu wenig. Im Manipulieren von Raum und Zeit sind die Vertreter des Guten ihren Gegnern immer so weit voraus, dass diese nicht einmal in die Nähe der Möglichkeit geraten, die Sache für sich zu entscheiden. Das Geschehen steht zu keiner Zeit „auf der Kippe“; insgesamt kommt es nur zu zwei wirklich bedrohlichen Situationen. Ansonsten wartet man immer darauf, dass einer der ausgeklügelten Pläne doch einmal fehlschlägt – weil die „Bösen“ ja auch nicht schlafen und nicht ganz dumm sind. Doch bis zuletzt läuft alles glatt. Dafür entschädigen sollen viele Dialoge, in denen auch oftmals Humor aufblitzt, doch mit der Zeit – es sind immerhin fast 850 Seiten – wiederholen sich die Grundmuster der Handlung und die Verhaltensweisen der Figuren, was dem Ganzen ein wenig den Spaß nimmt. Die Autoren suchen nach einer Synthese von Heroic Fantasy und Fun Fantasy, erreichen sie aber nicht völlig, und Quantität macht fehlende Qualität nicht immer wett. Das Buch hätte einige bedeutende Kürzungen vertragen, ohne an Substanz zu verlieren. Dennoch lohnt sich das Lesen; das Spiel mit Raum und Zeit hat seinen eigenen Reiz, die wichtigsten Charaktere – Althalus, Dweia, Eliar, Khalor, der geniale Junge Gher – sind amüsant und gut getroffen; und den Eddings’ gelingen genügend Skurrilitäten, die immer wieder einmal für Schmunzeln sorgen. Ergo: Tipp, trotz leichter Abstriche.
Unheimliches geht vor in den USA: Die Bürger diverser Kleinstädte gehen Blut spuckend zu Boden, brave Hunde werden wild und beißen guten Menschen die Kehlen durch, das Meer verwandelt sich in Fliegenleim, Obst fällt von den Bäumen … Die Plagen muten biblisch an, und sie nehmen kein Ende, so sehr sich die Regierung auch bemüht, dies zu vertuschen, um eine General-Panik unter ihren offensichtlich chronisch unmündigen und wenig belastbaren Landeskindern zu verhindern.
Dafür ist Colonel Bosman, der über Fort Detrick – das medizinische Forschungsinstitut für Infektionskrankheiten der US-Army – herrscht, sicherlich der richtige Mann. Er liebt seinen Job und sorgt dafür, dass keine Terroristen oder schlappschwänzige Zivilisten Giftviren über die Schwelle der Vereinigten Staaten tragen. Scharf im Auge behält Boswell deshalb die jüngst angeheuerten Biologen Peter Basler und Greg Thomas. Sie sollen ein Gegenmittel gegen die beschriebenen Plagen finden, wollen sich aber unpatriotisch den Mund zum Wohle des Landes nicht verbieten lassen. Denis Marquet – Der Zorn weiterlesen →
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