Hesemann, Michael – Hitlers Religion

Der frühere „Magazin 2000“-Herausgeber lebt mittlerweile ausschließlich von seinen vielen Sachbüchern, die meist Bestseller-Status haben. In seinem aktuellsten Buch beschäftigt er sich mit den spirituellen und okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Obwohl unter Historikern nach wie vor eher Tabu, gibt es dennoch bereits eine ganze Anzahl solcher Studien. Zunächst erhält man beim Lesen auch den Eindruck, dass sich Hesemanns Werk nicht so sehr von den bisherigen Veröffentlichungen unterscheidet. Auch stellt sich anfangs die Frage, wie seriös seine Untersuchungen zu nehmen sind, da er sich im groben an „Hitlers Tischgesprächen“ von Hermann Rauschning orientiert, deren Wahrheitsgehalt bekannterweise sehr angezweifelt wird. Was er dann allerdings auf dieser Grundlage und zudem an der – wenn auch sehr dezimierten – Bibliothek Hitlers rekonstruiert, ist eine große Leistung, die anders daherkommt als die Versuche seiner Vorgänger. Tatsächlich reiht er sich damit ein in die Reihe der großen wichtigen Hitlerbiografen wie Joachim C. Fest, John Toland und Ian Kershaw und ergänzt auch die profunden Studien Werner Masers oder Guido Knopps. Hesemann kann recht überzeugend darlegen, dass Hitlers Nationalsozialismus durchaus eine ernstzunehmende Religion darstellte und nicht – wie bislang – einfach unter reinen politischen Gesichtspunkten gesehen werden darf. Diese These ist gesellschaftlich ungeheuer provokant, aber die vorliegende Studie ergibt Sinn und erscheint recht überzeugend.

Hitler war zeitlebens Katholik und deswegen werden von Historikern die immer genannten Verflechtungen zum heidnisch-völkischen Germanentum und zu den okkulten Bewegungen als nicht haltbar bezeichnet, da unter der Nazi-Herrschaft diese verboten und verfolgt wurden. Aufgrund seiner umfangreichen Recherchen bietet Hesemann allerdings ein detailliertes Bild all dieser damaligen Strömungen und zeigt auf, welche Wechselwirkungen es zwischen Hitler und anderen Nazi-Größen in der Auseinandersetzung mit Führern dieser Bewegungen tatsächlich gab. Nicht anders als ebenso bei den Kirchen wurden diese zeitweise unterstützt, zeitweise abgelehnt und bekämpft. Das Nazi-Regime war mit ständigem Taktieren verschiedenster Positionen befasst und zeichnete sich vor allem durch die Brutalität aus, mit welcher einstige Bündnispartner ausgemerzt wurden – je nach Situation und scheinbarer Notwendigkeit. In der Einschätzung der Bewegung Hitlers machten auch fast alle völkischen und okkulten Lager einen groben Fehler, indem sie in den Anfängen Hitler unterstützten und tatsächlich einen prophezeiten Messias zu erkennen glaubten. Entgegen der Darstellung der gegenwärtigen Antifaschisten und Linken wird dabei aber auch genauso klar, dass all die völkischen Bewegungen und okkulten Gruppierungen – zusammengefasst unter Lebensreformbewegung – natürlich nicht pauschal als faschistische Wurzel und Wegbereiter betrachtet werden können. Dennoch bewegten sich die Nazis in ihrer Anfangszeit in all diesen Kreisen und Hitler sah sich natürlich als Führer in der Rolle eines Wotanspriesters und benutzte auch seinen Vornamen Adolf entsprechend als „Adewolf“ (der edle Wolf), was sich auch in den Namen seiner Hauptquartiere widerspiegelte (Wolfsschanze, Wolfsschlucht, Wolfsburg). Hitler ersetzte alle christlichen Feiertage mit naturreligiösen Entsprechungen.

Der Leser dieser „esoterischen“ Hitler-Biografie erhält einen sehr umfangreichen Einblick in die Geschichte der relevanten geisteswissenschaftlichen und spirituellen Strömungen des letzten Jahrhunderts und kann aufgrund der Neutralität und Objektivität, die Hesemann wahrt (im Gegensatz zu bisherigen Historikern, welche sich allesamt parteiisch positionierten), auf spannende Weise verfolgen, wie sich vieles, das auch immer noch positiv erscheint, in diese furchtbare, monströse, menschenfeindliche Diktatur entwickeln konnte. Selbst der Antisemitismus war ursprünglich ja nicht mit diesem schrecklichen Ausgang geplant, selbst Hitler schreckte davor zurück, die Brutalität des christlichen Mittelalters und der damals schon vorhandenen Judenfeindlichkeit zu wiederholen. Obwohl er offiziell – trotz Unterschiedlichkeiten – gegenüber den Kirchen immer Christ blieb und der Vatikan ihm dies auch – ebenso zwar mit Misstrauen – im Grunde glaubte, weist Hesemann nach, dass die Nazis die Politik („erst die einen, danach die anderen“) verfolgten und dass nach erfolgreicher Judenvernichtung in gleicher Weise die Vernichtung der Christen geplant war. Das Buch endet mit dem bekannten – in der Welt immer noch beispiellosen – Schrecken der Gaskammern, der letztlich auch zum Zusammenbruch des Nazi-Regimes führte. Ohne diese Bestialität wäre der 2. Weltkrieg vielleicht ganz anders ausgegangen und Deutschland hätte seine Kriege gewinnen können. Aber mit diesem gewaltigen Völkergenozid hatte sich Nazi-Deutschland endgültig isoliert, und keine Macht der Welt stand am Ende noch auf seiner Seite.

Hesemann hat mit dieser Biografie sein bislang wichtigstes und bedeutendstes Werk vorgelegt, mit dem er auf lange Zeit ein Standardwerk geschaffen haben dürfte, dem sicherlich noch intensivere und detailliertere Forschungsarbeiten anderer Autoren folgen werden. Auch in aktueller politischer Hinsicht ergibt es durchaus Sinn, sich mit diesem Buch zu beschäftigen. Denn ähnlich wie der fanatisierte islamische Fundamentalismus einen „Heiligen Krieg“ führt, verfolgten auch die Nazis eine heilsgeschichtliche Mission. Und nicht von ungefähr ist Hitler ein Idol der Radikal-Islamisten.

Ergänzende Literatur zu den okkulten Wurzeln des Dritten Reiches:
[Das schwarze Reich 179 von E. R. Carmin.

Asher, Neal – Drache von Samarkand, Der

Im Jahr 2432 hat sich die Menschheit über die ganze Galaxis ausgebreitet. Die Regierungsgewalt liegt bei einem riesigen Netzwerk künstlicher Intelligenz, „Earth Central“ genannt. Entfernungen spielen kaum noch eine Rolle, denn mit Hilfe der so genannten „Runcible“-Stationen kann man sich in Sekundenbruchteilen von Planet zu Planet beamen. Runcible-Stationen werden ebenfalls von künstlichen Intelligenzen betrieben und gelten als absolut zuverlässig. Bis auf dem Planeten Samarkand ein Runcible in einem gewaltigen Feuerball vergeht, tausende von Menschen tötet und den terrageformten Planeten in eine lebensfeindliche Wüstenei zurückverwandelt.

Ein Fall für ECS (Earth Central Security). Diese schickt ihren besten Agenten, Ian Cormac, ins Gefecht. Der seit Jahrzehnten mit der KI vernetzte Cormac muss diesen Einsatz ohne Direktlink zu Earth Central bestreiten: Bei seinem letzten Einsatz zeigten sich Schwächen seinerseits, mit „normalen“ Menschen umzugehen. Deshalb musste er die Schwester des Separatisten Arian Pelter töten, die ihn entlarven konnte.

Während Cormac auf Samarkand auf die exotische, außerirdische Lebensform „Drache“ stößt, hetzt Pelter ihm mit dem Söldner Stanton und dem irren Androiden Mr. Crane hinterher …

_Der Autor_

Neal Asher wurde 1961 in Essex geboren. Seine Homepage gibt sich recht zurückhaltend mit persönlichen Daten. Bereits im Alter von 17 Jahren veröffentlichte er mehrere Fantasy-Geschichten, außerdem einige Drehbücher für in Deutschland unbekannte TV-Serien (u. a. „Trines“). „Der Drache von Samarkand“ (Gridlinked) erschien im Jahre 2001 und stellt sein erstes größeres Werk im Bereich der Science-Fiction dar. Im so genannten „Polis“-Universum sind auch die Romane [„Skinner – Der blaue Tod“ 291 und „Das Erbe Dschainas“ angesiedelt, deren Hauptakteure stets ECS-Agenten sind. Cormac hat erst im „Erbe“ seinen nächsten Auftritt, auf „Skinners“ Wasserwelt Spatterjay vertritt ihn Agent Keech.

_Science-Fiction, Agententhriller … oder eine Mogelpackung?_

Ian Cormac ist ein Bond-Verschnitt erster Güte: Ausgestattet mit einem Arsenal exotischer Waffen, z. B. einem Wurfstern mit KI, macht er von seiner Lizenz zum Töten ausgiebig Gebrauch.

Asher zeichnet ein komplexes Universum, mit allem, was die Science-Fiction zu bieten hat: Von der Serie „Stargate“ und Simmons‘ „Hyperion“ inspirierten Teleport-Toren und künstlichen Intelligenzen bis hin zu Golems genannten Androiden. Inklusive eines vermeintlich komplexen Helden, der, nach Jahren von der |Earth-Central|-KI getrennt, nun wohl gewaltigen persönlichen Problemen gegenübersteht, sowie einer absolutig fremdartigen, mysteriösen, ja geradezu gigantischen außerirdischen Lebensform namens „Drache“. An und für sich klingt das alles nicht schlecht, eher vielversprechend. Genauso wie der Klappentext:

|Abwechslungsreich und farbenfroh, für alle Freunde von Peter F. Hamilton.|

Ich möchte dem heftigst widersprechen: Massenweise Ideen anderer Autoren zu übernehmen, garantiert keinen guten Roman. Denn leider ist der Ozean an Ideen, den Asher angezapft hat, bei ihm zwar umfassend, aber so oberflächlich, dass er weniger Tiefgang als eine Pfütze hat.

So ist Ian Cormac von Anfang bis Ende eher unpersönlich, kein starker Heldencharakter oder Antiheld – eher ein Langweiler. Wie der Rest seiner Antagonisten auch. Die angepriesene High-Tech-Waffenspielerei beschränkt sich auf seinen KI-gesteuerten Shuriken. Dann gibt es noch den „Golem“ Mr. Crane, der ein wenig an den „Beißer“ aus diversen James-Bond-Filmen erinnert. Er ist zwar ein Stereotyp, aber er hat mehr Charakter als die lauen Opfer und Nebencharaktere, die blass in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Schleierhaft ist mir die Titelgebung des Romans: Der erwähnte Drache taucht mitten in einer kleinen Privatfehde zwischen dem Separatisten Pelter und Cormac, den dieser seit Jahren erfolgreich bekämpft, auf. Das Schlimme ist: Diese kleine Fehde macht den Hauptteil der Handlung aus!

Und leider … ist sie unglaublich langweilig. Angerissen, aber nie zuende gebracht – das zeichnet alle Handlungsstränge dieses Buches aus. Cormac war lange mit der KI vernetzt – aha, jetzt hat er wohl Probleme ohne diese. Pustekuchen – keinerlei Konflikt. Genauso fallengelassen wie ein wenig Licht ins Dunkel der Motivation des Drachen zu bringen, der wohl ein wenig Grauen ob des Unbekannten in die Handlung bringen sollte. Ansonsten rüsten sich alle Protagonisten gerne genetisch oder technologisch auf. Aber auch hier beschränkt sich Asher auf die rein physischen Resultate, ohne näher ins Detail zu gehen. Die künstlichen Intelligenzen werden auch nicht gerade berauschend in der Art körperloser Stimmen aus dem Off beschrieben, Kontakt per Funk oder Vernetzung in der Regel – wenn Simmons, Asimov und andere Autoren über KIs schreiben, wird wesentlich mehr geboten.

Ein weiterer Schwachpunkt ist die Übersetzung, die für ein und dieselbe Technik, die „Runcible“ genannten Teleporttore à la Stargate, einen Mix aus Deutsch und Englisch („Runcible“ meets „Zinklöffel“ – wie bitte?) bietet, auch die Namensgebung kann abschrecken. Anglophoner geht es nicht: Arian Pelter, Horace Blegg, Mr. Crane … es fehlt nur der so beliebte und für Engländer anscheinend wohlklingende Name Artemis für einen Mann, dann würde ich schreiend davonrennen. Desweiteren gibt es noch das krude übersetzte „‚Wie es aussieht‘ von Gordon“ …

Was das ist? Zu Beginn jedes Kapitels gibt es eine kleine Einleitung mit Infos zu Geschichte und Technik, eben „Gordon“ oder das „Quittenhandbuch“. An und für sich eine gute Idee, aber meistens ohne Bezug zur aktuellen Handlung und ohne dem vielfältigen Universum ein wenig mehr Tiefe zu verleihen. Ob es am Autor liegt oder am Übersetzer, sei dahingestellt: Sprachlich ist der Roman ein plattes Machwerk. Die Handlung ebenso. Mischen wir den irreführenden Klappentext hinsichtlich der fremdartigen Alien-KI Drache hinzu, haben wir eine literarische Katastrophe: Wer hat den Drachen erbaut, und zu welchem Zweck? Ist er nicht vielmehr ein Lebewesen denn eine KI? Dies wird nie geklärt, anscheinend auch nicht in den zwei folgenden Romanen.

Eine reine Nebenhandlung, die Interesse auf die uninteressante Haupthandlung lenken soll. Wer einen Roman zum Thema KI oder außerirdische Intelligenz erwartet, wird hier ganz klar irregeführt. Dieser Roman ist zu allem Überfluss auf jedem Gebiet, das er anschneidet und fallen lässt, leider nur mäßig bis unterdurchschnittlich.

_Der seichte SciFi-Bruder von James Bond_

Man darf Cormac weder mit James Bond vergleichen, noch anspruchsvolle Science-Fiction erwarten. Andererseits bieten selbst Heftserien wie Perry Rhodan markigere Charaktere, im vorliegenden Buch wird leider nur zwischen blass und stereotyp abgewechselt.

Obwohl es oft blutig zugeht und die Zahl der Todesopfer bemerkenswert hoch ist, die Cormacs Fehde mit Pelter fordert, für einen Actionroman wird zu wenig Finesse geboten. Oberflächliche, unausgegorene Handlungsstränge gibt es dafür zuhauf – die Vergleiche mit Hamilton sind sehr schmeichelhaft, an den |sense of wonder| eines Armageddon-Zyklus oder die Krimis der Mindstar-Reihe kommt dieser Roman bei weitem nicht heran.

Alleine Earth Central, die Regierungs-KI, hätte so viele Möglichkeiten geboten… hätte man daraus nicht zwangsweise etwas machen müssen? Eine KI zum Guten oder Bösen? Fehlanzeige. Gemäß dem scheinbaren Motto des Romans eingeführt und dann sofort wieder fallengelassen worden wie eine heiße Kartoffel.

Neal Asher hätte einen großartigen Mix aus Science-Fiction, Action und Agententhriller schaffen können. Diese Vielfalt hat einen gewissen Reiz. Leider kann der „Drache“ weder einzeln noch in Kombination der Genres das Mittelmaß überbieten.

Homepages des Autors:
http://freespace.virgin.net/n.asher/

Interview mit Markolf Hoffmann

|Vor ein paar Monaten überraschte mich der Berliner Autor Markolf Hoffmann mit seinem Debüt-Roman [„Nebelriss“. 473 Anlässlich der Veröffentlichung seines zweiten Romans „Flammenbucht“ am 28.10.2004 habe ich mich letztes Wochenende nach Berlin aufgemacht, um den jungen Mann einmal persönlich kennen zu lernen.|

_Sven Ollermann:_
Moin Markolf, schön, dass du dir ein bisschen Zeit genommen hast. Stell dich unseren Lesern doch bitte einmal vor.

_Markolf Hoffmann:_
Ich bin der Autor von „Nebelriss“ und dem Nachfolger „Flammenbucht“. Ich studiere in Berlin Geschichte und Literaturwissenschaften und habe vor einigen Jahren damit begonnen, ernsthaft an meiner Schriftstellerkarriere zu arbeiten. Damals habe ich angefangen, „Nebelriss“ zu schreiben. Auch in Zukunft möchte ich weiter als Schriftsteller arbeiten.

_Sven Ollermann:_
Du hast ja schon in deiner Schulzeit geschrieben und auch Preise bei Literaturwettbewerben gewonnen, unter anderem den ersten Preis beim Literaturwettbewerb des FDA Baden-Württemberg mit der Geschichte „Haktars Schweigen“. Wie bist du damals zum Schreiben gekommen?

_Markolf Hoffmann:_
Ich habe schon als Kind angefangen zu schreiben und meiner Mutter, die mich sehr gefördert und mir die Literatur nahe gebracht hat, erste Bildergeschichten diktiert. Das hat sich dann immer weiter entwickelt. Am Anfang habe ich für mich geschrieben; Kurzgeschichten oder Gedichte, die ich zu Weihnachten an Verwandte geschickt habe. Mit 16 oder 17 habe ich dann ernsthaft darüber nachgedacht, Autor zu werden und das Schreiben professionell zu betreiben. Später habe an einigen Literaturwettbewerben teilgenommen, wo ich dann meine ersten Erfolge mit Kurzgeschichten hatte. Damit war klar, in welche Richtung mein Weg führt.

_Sven Ollermann:_
Wie stehst du zu der literarischen Bildung in der Schule; sollte der Schwerpunkt weiterhin bei den Klassikern liegen – Kafka, Goethe, etc. – oder sollten die Lehrer dazu übergehen, auch neuere Literatur in der Schule zu lesen? Zum Beispiel auch den „Nebelriss“?

_Markolf Hoffmann:_
Es wäre natürlich schön, wenn „Nebelriss“ in den nächsten Jahren in den Oberstufenseminaren gelesen würde. Ich glaube schon, dass Klassiker sehr wichtig sind und für die deutsche Sprache, die Literatur und Kultur einen wichtigen Beitrag leisten; die Frage ist nur, ob die Beschäftigung mit einigen Werken in der Schule nicht vielleicht zu früh erfolgt. Ich bin sehr dafür, auch zeitgenössische Literatur stärker ins Auge zu fassen, gerade um junge Leute an Literatur heranzuführen. Für einige Klassiker muss man als Leser vielleicht noch etwas reifen. Ich kann heute mit Goethe sehr viel mehr anfangen als zu Schulzeiten.

_Sven Ollermann:_
Wie war das bei euch, habt ihr auch zeitgenössische Literatur gelesen oder wie üblich nur die Klassiker?

_Markolf Hoffmann:_
Bei uns wurden eigentlich fast nur Klassiker gelesen. Die einzige Ausnahme, an die ich mich erinnere, war „Schlafes Bruder“, was in meinen Augen allerdings kein sonderlich interessantes Buch ist. Die Lehrer haben einfach zu wenig Ahnung von zeitgenössischer Literatur. Es gibt verschiedene Genres, die man beachten könnte, man sollte da in meinen Augen noch viel tun.

_Sven Ollermann:_
Stichwort Lehrerausbildung. Die Literaturwissenschaften gehören ja neben Germanistik auch zu den Studienfächern eines Deutschlehrers; wie sieht das an der Uni aus, geht es da überwiegend um die ältere Literatur oder werden auch Seminare zur neueren Literatur angeboten?

_Markolf Hoffmann:_
Es gibt Seminare zur neueren Literatur, die werden aber eher stiefmütterlich behandelt. Nur wenige Professoren setzen sich damit auseinander, auch von den Studenten kommt eindeutig zu wenig, obwohl Interesse durchaus vorhanden ist. Es setzt sich also fort: An der Universität wird zu wenig zeitgenössische Literatur behandelt, dementsprechend lernen die angehenden Lehrer zu wenig darüber, und das landet dann letztendlich bei den Schülern.

_Sven Ollermann:_
Du experimentierst sehr gerne mit der deutschen Sprache, das sieht man auch an deinem Roman „Nebelriss“, der literarisch durchaus anspruchsvoll ist. Gibt es irgendeinen Schriftsteller, der dich inspiriert hat, oder wie kommt es dazu, dass du die deutsche Sprache so wichtig nimmst?

_Markolf Hoffmann:_
Ich kann nicht sagen, dass mich ein einzelner Autor besonders beeinflusst hat. Ich selbst lege sehr viel Wert auf Sprache und Stil, wenn ich Literatur lese. Das versuche ich dann auch in meinen Romanen umzusetzen, wobei ich in Zukunft gerne noch mehr experimentieren würde. An sich bin ich ein großer Freund experimenteller Literatur – ob die Werke von Burroughs oder James Joyce oder die Romane des ostdeutschen Autors Reinhard Jirgl. Das sind alles Leute, die mir Mut geben, mich weiter an der Sprache zu versuchen und zu experimentieren. Ich denke, da bin ich auch erst am Anfang. Ich kann in dieser Hinsicht noch sehr viel lernen und an die Leser weitergeben.

_Sven Ollermann:_
Dann können wir ja auf deine nächsten Werke gespannt sein. Welches Buch liest du gerade?

_Markolf Hoffmann:_
Zur Zeit lese ich Umberto Ecos „Baudolino“. Ich habe noch nicht viel von Eco gelesen, aber dieser Roman beeindruckt mich sehr und ist wirklich spannend.

_Sven Ollermann:_
Du liest also durchaus auch historische Romane?

_Markolf Hoffmann:_
Ich muss sagen, ich lese bunt gemischt, nicht nur Fantasy, sondern vor allem zeitgenössische Bücher oder Klassiker. Neulich habe ich z. B. voller Begeisterung Flaubert verschlungen. Eigentlich gibt es immer irgendwas, das mich gerade packt, und dann lese ich ziemlich viel von dem betreffenden Autor. Jetzt habe ich sozusagen meine Eco-Phase.

_Sven Ollermann:_
Kommen wir zu deinem neuen Roman. Kannst du ein bisschen was über „Flammenbucht“ erzählen?

_Markolf Hoffmann:_
„Flammenbucht“ ist die Fortsetzung von „Nebelriss“, ich versuche die Geschichte weiterzuspinnen und ihr auch ganz neue Richtungen zu geben. Hm, lass mich mal kurz nachdenken; gar nicht so einfach, wie fasst man einen so komplexen Roman schnell zusammen?

_Sven Ollermann:_
Okay, Baniter wird ja Arphat wieder verlassen und zurück nach Sithar reisen; wie stehen die Chancen für das Bündnis? Seine Rückkehr wird das Gespann sicherlich überraschen, was hat er zu erwarten?

_Markolf Hoffmann:_
Die Ereignisse überschlagen sich. Als Baniter zurückkommt, erwartet ihn ein Haufen neuer Probleme. Er stellt zum Beispiel fest, dass der Kaiser verschwunden ist und sich die Situation im silbernen Kreis weiter zugespitzt hat. Mit Baniters Rückkehr wird in Thax nicht wirklich gerechnet. Gleichzeitig gerät die Lage im Kaiserreich Sithar außer Kontrolle. Der neue Hohepriester Nhordukael sorgt für Überraschungen, als er die Hauptstadt einnimmt und dem Erdboden gleichmacht. Letzten Endes muss sich Baniter zu einem Waffenstillstand mit seinen einstigen Konkurrenten durchringen, und dieses fragile Bündnis wird für einige Spannung sorgen.
Ein weiterer Handlungsstrang, der in eine ganz andere Richtung geht, behandelt die Reise des düsteren Zauberers Rumos in das Silbermeer. Hier werde ich zwei neue, etwas hellere Charaktere einführen, nämlich einen troublinischen Großmerkanten und seinen Leibdiener, die Rumos auf seinem Weg begleiten. Die Geschichte verlagert sich hierbei ins Silbermeer, und somit rücken ganz neue Gegenden des Welt Gharax in den Mittelpunkt.

_Sven Ollermann:_
Eine Sache interessiert mich brennend: Warum musste in deinem Roman ein Plätzchen für Magie eingeräumt werden? Fantasy und Magie sind zwei Elemente, die man gemeinhin gerne zusammenfasst. Schaut man sich aber zum Beispiel die „Gezeitenwelt“ an, so findet man diese fantastische Form von Magie einfach nicht. Hast du dich privat mal mit dem Thema beschäftigt oder ist die Magie eher ein Standard-Klischee?

_Markolf Hoffmann:_
Ich habe am Anfang lange darüber nachgedacht, welche Rolle Magie in dieser Trilogie spielen soll. Ich selbst habe mich während des Studiums aus Interesse mit antiker, vor allem spätantiker und ägyptischer Magie beschäftigt. Mich interessiert dabei vor allem die Schnittstelle zwischen Religion und Magie, dass z. B. die Auseinandersetzung mit Magie in der Antike letzten Endes ein Umgang mit den Göttern war und eine stärkere religiöse Konnotation hatte, als dies heute wahrgenommen wird. Mit diesem Thema wollte ich mich auseinandersetzen. Religion spielt deshalb eine große Rolle im „Nebelriss“ und zwar eine durchaus kritische. Mich interessierte die Frage: Wie erlangen Menschen mit Hilfe von Religion und Magie Macht über andere Menschen? Und wie gehen diese damit um?

_Sven Ollermann:_
Wo wir gerade ins Magische abdriften: Bist du mehr Träumer oder doch eher Realist?

_Markolf Hoffmann:_
Ich denke, ich bin vielleicht eher Realist, wobei ich sehr gerne träume. Um diesen Widerspruch ein wenig aufzuschlüsseln, kann man sagen, dass ich versuche, den Träumen auf den Grund zu gehen und mit ihnen zu arbeiten. Also bin ich vielleicht beides.

_Sven Ollermann:_
Die Welt Gharax mit ihrem durchaus komplexen politischen, religiösen und magischen Gefüge und mit der ‚parallelen Dimension‘ der Goldéi – wie bist du darauf gekommen? Haben dich da politische oder gesellschaftliche Zusammenhänge in unserer Welt inspiriert oder Bücher anderer Autoren?

_Markolf Hoffmann:_
Die politischen Auseinandersetzungen in der Welt Gharax haben mich sehr interessiert, und ich habe sie bewusst forciert, weshalb die Politik eine große Rolle spielt. ‚Das Zeitalter der Wandlung‘ beschäftigt sich ja mit dem Niedergang, dem Verfall einer Welt und ihrer Strukturen. Diese Umwälzung fordert die Menschen heraus. Wie gehen sie politisch damit um? Da gibt es Menschen, die diese Veränderungen bekämpfen, es gibt andere, die sie willenlos mitgehen und mitgestalten, und wieder andere versuchen sich ihnen anzupassen. Diese drei Wege zeige ich beispielhaft an den drei Hauptcharakteren Nhordukael, Laghanos und Baniter. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Wie beeinflusst Macht die Menschen, wie deformiert sie die Menschen oder stärkt sie? Und ich habe natürlich auch einige politische Anspielungen in „Nebelriss“ versteckt, zum Beispiel im Rochenland-Konflikt die Auseinandersetzung mit dem Separatismus, der ja ein gewaltiges Problem unserer Zeit ist. Ich finde es reizvoll, Entwicklungen unserer Zeit in der Phantastik zu spiegeln. Dieses Genre eignet sich perfekt dazu.

_Sven Ollermann:_
Die Welt ist vielschichtig und sehr bildhaft. Ich habe häufig das Gefühl gehabt, dass wirklich ein Film vor meinem inneren Auge abläuft. Meinst du, dass deine Arbeit als Regisseur und Drehbuchautor dir dabei geholfen hat, diese Verbildlichung der Welt zu Wege zu bringen?

_Markolf Hoffmann:_
Ja, definitiv, vor allem in sprachlicher Hinsicht. An vielen Stellen und vor allem bei Beschreibungen stelle ich mir die Szene als Bild oder als Filmszene vor und setze sie dann sprachlich um. Auch bei schnelleren Szenen, zum Beispiel Actionszenen, überlege ich mir die ‚Schnitte‘ schon vorher und fertige ein Mini-Drehbuch im Kopf an, nach dem ich schreibe. Es hilft sehr, die Ideen während des Schreibens zu verbildlichen. Meine Erfahrungen als Drehbuchautor und Regisseur von Kurzfilmen sind, denke ich, ein guter Schlüssel zur Literatur.

_Sven Ollermann:_
Die Charaktere haben durchaus phantastische Namen, Nhordukael, Laghanos, Baniter – wie hast du sie entwickelt? Hast du eine eigene Etymologie für die Welt Gharax entworfen, auf andere Sprachen zurückgegriffen oder sind sie einfach deiner Phantasie entsprungen?

_Markolf Hoffmann:_
Es sind Eigenkreationen. Etymologie wäre etwas zu hoch gegriffen. Ich habe allerdings versucht, die meisten Namen historisch einzubetten, damit sie sich aus der Geschichte des Landes herleiten lassen. Ich fand es jedoch nicht so wichtig, mir eine komplette Etymologie zu überlegen. Die Namen sollten vor allem phantastisch genug klingen, um sie von unserer Welt abzugrenzen.

_Sven Ollermann:_
Stichwort Geschichte der Welt Gharax. Deine Homepage bietet ja eine Menge an Hintergrundinformationen, worüber deine Leser, welche sich damit beschäftigen wollen, sicherlich sehr dankbar sind. Die Homepage bietet aber noch mehr: je eine mehrteilige Vorgeschichte zu deinen beiden Romanen „Nebelriss“ und „Flammenbucht“. Ist das jetzt eher eine Marketing-Strategie oder ein Geschenk an potenzielle Leser und Fans vom „Nebelriss“?

_Markolf Hoffmann:_
Es ist beides. Ich möchte natürlich Leser werben, möchte sie anlocken und ihnen die Chance geben, sich auf das Buch vorzubereiten. Auf der anderen Seite ist es auch ein Geschenk für interessierte Leser, damit sich diese mit der Geschichte von Gharax auseinandersetzen und in die Welt einarbeiten können. Und da ich selbst sehr viel Spaß daran habe, mich mit dieser Welt zu beschäftigen, habe ich auch zum zweiten Teil eine Vorgeschichte entworfen. Diese orientiert sich an Leserwünschen, denn viele Fans von „Nebelriss“ fanden vor allem die Episoden im Königreich Arphat sehr interessant. Deswegen habe ich bewusst die Vorgeschichte zu „Flammenbucht“ in Arphat angesiedelt, um die Hintergründe dieses Reiches näher zu beleuchten. Diese Hintergründe sind für den Roman „Flammenbucht“ nicht wirklich bedeutsam, sie sind vielmehr als Vertiefung gedacht. Es ist außerdem eine schöne Vorbereitung auf „Flammenbucht“. Der Prolog wird nämlich ebenfalls in Arphat spielen, weil dieses Land den Feldzug gegen die Goldéi beginnt.

_Sven Ollermann:_
Hast du die Geschichten parallel zu den Romanen geschrieben oder nachträglich?

_Markolf Hoffmann:_
Nachträglich. Ich habe sie zeitgleich zur Erstellung der Homepage geschrieben. Es ist ein sehr angenehme Abwechslung, weil ich eine solche Vorgeschichte natürlich anders schreibe als einen Roman. Ich arbeite nicht mit parallelen Strängen, und sie ist besteht aus kürzeren Abschnitten.

_Sven Ollermann:_
Dann sei noch erwähnt, dass zweimal pro Woche ein neuer Teil der Vorgeschichte auf der Homepage veröffentlicht wird. Sind es wieder zehn Kapitel?

_Markolf Hoffmann:_
Es werden sieben Kapitel sein.

_Sven Ollermann:_
Reden wir mal über das Cover, da hat sich ja jetzt einiges verändert, wegen des Verlagswechsels. Das alte Cover wirkte düster und bedrohlicher, ich fand, es passte sehr gut zum Roman. Das neue Cover von |Piper| wirkt friedlicher, fast ein wenig klischeehaft. Wie stehst du dazu?

_Markolf Hoffmann:_
Ich kann dazu nur sagen, dass man als Autor leider kein Mitspracherecht hat. Ich habe zwar Vorschläge gemacht, aber der Verlag hat sich für andere Cover entschieden. Ich persönlich hätte mir sowohl bei |Heyne| wie auch bei |Piper| etwas Abstrakteres gewünscht. Ich finde zwar, dass die neuen Cover sehr schön anzusehen sind, aber sie sind ein wenig bieder und spiegeln die Atmosphäre nicht unbedingt wieder. Auf der anderen Seite sind sie recht atmosphärisch, was mir ganz gut gefällt. Dennoch hat mir das Cover von |Heyne| besser gefallen. Ich würde mir wünschen, dass der Verlag noch mehr auf die Autoren hört, weil diese schließlich am besten wissen, welche Gestaltung die Atmosphäre eines Buches wiedergibt.

_Sven Ollermann:_
Eine Sache, die mir bei den Rezensionen auffiel und mir selber auch sehr schwer gefallen ist – die Festung, die auf den Büchern abgebildet ist, liegt die im Rochenland oder sind es die Augen von Talanur?

_Markolf Hoffmann:_
Ich bin genauso am Rätselraten wie du. Ich würde zu gerne wissen, welche Festung im Buch das Bild darstellen soll. Nun ja, ich denke, man muss ein solches Cover assoziativ verstehen.

_Sven Ollermann:_
Du warst mit „Nebelriss“ auf Lesereise. Ist das mit „Flammenbucht“ auch wieder geplant?

_Markolf Hoffmann:_
Ich werde Lesungen machen. Nicht mehr so stark wie bei „Nebelriss“, weil die Resonanz nicht so groß war, wie ich mir das gewünscht habe, aber es wird Lesungen in Berlin, München und Hamburg geben. Ich würde mich auch freuen, wenn sich noch weitere Termine ergeben. Ich bin einfach mal gespannt, ob Leute oder Institutionen an mich herantreten, damit ich meinen Roman vorstellen kann, weil ich mir auch bei der Ausarbeitung des Lesekonzepts sehr viel Mühe gegeben habe. Ich begleite meine Lesungen ja mit Musik. Ein Freund von mir, der Tonkünstler Michael Carmone, hat ein paar Tonspuren für die Lesungen geschrieben. Ich selbst gebe zudem einige atmosphärische Klavierkompositionen zum Besten. Dieses Konzept geht eigentlich über eine Lesung hinaus. Ich sehe es mehr als Konzert mit literarischen Elementen.

_Sven Ollermann:_
Ein Konzert mit literarischen Elementen – da fällt mir ein, dass heute ja Hörbücher groß im Kommen sind. Könntest du dir vorstellen, dass du „Das Zeitalter der Wandlung“ für eine Hörbuchserie freigibst?

_Markolf Hoffmann:_
Das könnte ich mir sogar sehr gut vorstellen. Falls ein Hörbuchverlag Interesse hätte, soll er sich ruhig bei mir melden. Ich hätte auch große Lust, daran mitzuarbeiten oder vielleicht Regie zu führen. Das ist auch der Grund, weswegen ich mir die Rechte zurückbehalten habe, und falls das Interesse der Leser an einem Hörbuch da ist, werde ich es umsetzen.

_Sven Ollermann:_
Du hast ja – oder besser, du wurdest von Heyne zu Piper gewechselt, weil Heyne die Fantasy-Reihe abtreten musste. Du hast mal in einem Interview gesagt, das Lektorat bei Heyne hätte dir sehr viele Freiheiten gelassen, auch im Bezug auf die sprachlichen Experimente. Wie lief das mit dem Lektorat bei Piper?

_Markolf Hoffmann:_
Ich habe das große Glück, dass die Lektorin, die mich bei Heyne betreut hat, freischaffend arbeitet und ich deswegen mit ihr weiterarbeiten konnte. Daher wird sich auch an den Sprachexperimenten nichts ändern. Es wird im selben Stil weitergehen.

_Sven Ollermann:_
Piper veröffentlicht nicht so viele Bücher wie Heyne – eben auch im Fantasy-Bereich, bislang zumindest. Wie sieht das mit der Vermarktung deines Buches aus? Bist du zufrieden damit? Weißt du überhaupt schon, wie die PR läuft?

_Markolf Hoffmann:_
Das ist natürlich alles erst in der Schwebe. Ich hoffe mal, dass sich Piper besser als Heyne darum kümmert. Ich werde natürlich auch mein Scherflein dazu beitragen, zum Beispiel die Internetwerbung mache ich komplett alleine. Die Homepage habe ich selbst entworfen. Ich würde mir wünschen, dass der Verlag noch etwas mehr tut, zum Beispiel Zeitungsartikel schaltet. Wir werden sehen. Ich hoffe einfach mal, dass sich auch das Erscheinen von „Flammenbucht“ herumspricht.

_Sven Ollermann:_
Wie läuft es mit dem Endspurt deines Studiums? Du hast mir erzählt, dass du scheinfrei bist. Gedenkst du deine Magisterarbeit noch in diesem Jahr fertigzustellen?

_Markolf Hoffmann:_
Ja, die hat sich jetzt natürlich durch die Abgabe des zweiten Buches verschoben. Das nächste Projekt wird für mich der Abschluss meines Studiums sein, also zunächst eine Magisterarbeit zu verfassen.

_Sven Ollermann:_
Haben deine Dozenten mitbekommen, dass du ein Buch veröffentlicht hast? Wenn ja, wie sind sie darauf eingegangen?

_Markolf Hoffmann:_
Ich hab das nicht herumposaunt. Eigentlich möchte ich Studium und Schriftstellerei bewusst voneinander trennen.

_Sven Ollermann:_
Studium, Kurzfilme, Autor zweier Bücher – wie hast du das bewältigt? Hast du einen straffen Tagesplan oder eher eine freie Zeiteinteilung?

_Markolf Hoffmann:_
Ich bin eher Etappenarbeiter. Vor einem Jahr habe ich mich etwa mit meinem letzten Filmprojekt beschäftigt, eine Horror-Groteske, die auch noch nicht ganz abgeschlossen ist (der Film muss noch geschnitten werden). Dann war natürlich der Roman dran, an dem ich sehr viel gearbeitet habe. Dann gab es wieder Monate, in denen ich mich ausschließlich in mein Studium vertieft habe. Ich versuche, alle Energie auf ein Projekt, das zur Zeit wichtig ist, zu bündeln. Ich liebe die Abwechslung. Ich beschäftige mich auch sehr gerne mit Geisteswissenschaften, also mit der Rezeption von Texten und Theorien. Dann ist natürlich Musik ein großes Interessengebiet von mir, sowohl als Konsument als auch als Komponist.

_Sven Ollermann:_
Wie sieht es mit anderen Hobbys aus, neben deinen kreativen Tätigkeiten? Computer zocken, Kino, Kultur – bleibt dir dafür Zeit?

_Markolf Hoffmann:_
Ich nehme mir einfach die Zeit. Ich habe einen großen Freundeskreis, mit dem ich gerne etwas unternehme. So gehe ich gerne ins Kino und ins Theater. Dass mich das Theater geprägt hat, kann man vielleicht auch an der Dialoglastigkeit meiner Romane erkennen. Computer spiele ich gelegentlich ganz gerne. Früher habe ich auch mal eine Rollenspielphase gehabt, die leider aus Zeitgründen abgeschlossen ist. Außerdem gehe ich gerne schwimmen, und das Nachtleben Berlins bietet ebenfalls diverse Möglichkeiten.

_Sven Ollermann:_
Du hast mal gesagt, dass du nicht so gerne Fantasy liest. Begründet hast du es mit den vielen Klischees und der flachen, oft geglätteten Sprache, sowohl bei Übersetzungen als auch bei deutschen Romanen. Wirst du weiterhin in der Phantastik bleiben oder wechselst du vielleicht das Genre?

_Markolf Hoffmann:_
Ich würde gerne auch in anderen Genres arbeiten, obwohl mich Fantasy sehr interessiert. Ich habe auch schon ein weiteres Manuskript, einen zeitgenössischen Roman, den ich gerade bei einem Verlag unterzubringen versuche. Doch auch im Bereich Fantasy möchte ich weiterarbeiten. In diesem Genre kann man noch sehr viel Neues ausprobieren. Interessanterweise hat die zeitgenössische Literatur sehr viele phantastische Elemente aufgenommen, es gibt sehr viele zeitgenössische Romane mit Horror-Elementen, mit Fantasy- oder Science-Fiction-Elementen, während die Fantasy sehr wenige zeitgenössische Themen aufnimmt. Es würde mich deshalb reizen, in die Fantasy einige Elemente der E-Literatur ‚hineinzuzerren‘ und somit die Mauer von der anderen Seite her aufzubrechen. Von Seiten der E-Literatur ist das schon geschehen, von Seiten der Fantasy eben noch nicht, und ich denke, da stehe ich noch ganz am Anfang. Ich kenne auch einige andere Autoren, die sich an dieser Grenze versuchen.

_Sven Ollermann:_
Könntest du dir vorstellen, „Das Zeitalter der Wandlung“ noch mal aufzugreifen, oder wird es mit der Trilogie abgeschlossen sein? Es geht ja um den Untergang und den Strukturwandel einer Welt, das könnte man natürlich weiterspinnen und später über den Aufbau einer neuen Welt schreiben. Bist du daran interessiert?

_Markolf Hoffmann:_
Eigentlich ist es mein festes Ziel, nach der Trilogie diese Welt beiseite zu legen. Es kann natürlich sein, dass mich in zehn Jahren Gharax noch einmal zu sich ruft, aber eigentlich denke ich, dass die Geschichte abgeschlossen ist – auch mit ihren offenen Enden. Ich erzähle ja nur einen Abschnitt dieser Welt; der Rest sollte besser unerzählt bleiben und offen sein für Interpretationen, für Träume und Visionen. Ich denke, es wäre schade, Gharax totzuschreiben. Auf mich warten andere Themen, andere Welten.

_Sven Ollermann:_
Beispiel Lovecraft. Er hat eine Welt erschaffen und schon zu Lebzeiten, aber überwiegend nach seinem Tod, haben sich viele Autoren darangesetzt und den Mythos weitergeschrieben. Wie stehst du dazu, wenn sich irgendwann ein junger aufstrebender Autor daransetzt und sagt: Ich habe da ein paar tolle Ideen; ich schreibe einen Roman, der in der Welt Gharax spielt. Wäre das okay für dich?

_Markolf Hoffmann:_
Es ist nicht uninteressant, wenn sich Autoren an vorhandenen Konzepten orientieren und etwas Neues aus ihnen herauszuholen … allerdings nur dann, wenn sie es schaffen, sich von ihrem Vorbild zu lösen. Wenn es reines Epigonentum ist, bin ich eher dagegen. Es würde auf das Konzept ankommen, aber wenn wirklich jemand daran Interesse hat und das Ganze von einem neuen Blickwinkel her angeht, könnte das durchaus reizvoll sein.

_Sven Ollermann:_
Berlin – du studierst hier, geboren bist du in Braunschweig, dann hast du einige Jahre im Süden Deutschlands gelebt. War das damals schon ein Traum, nach Berlin zu gehen, oder war es hier nur einfacher, einen Studienplatz zu bekommen? Und wie verhält es sich heute, würdest du wieder woanders hinwollen?

_Markolf Hoffmann:_
Für mich war das schon ein Traum. Alleine schon, weil ich vom Gefühl her ein Großstadtmensch bin. Ich habe mich im Alter von sechzehn in die Stadt London verliebt. Dann war der erste Schritt, nach Berlin zu ziehen, denn ich wollte in Deutschland studieren. Berlin ist sehr faszinierend, ich würde auch jederzeit wieder hierherziehen, wenn ich noch mal anfangen würde. Was kulturelle Möglichkeiten betrifft, ist Berlin schon die Stadt, die am meisten in Deutschland zu bieten hat.

_Sven Ollermann:_
Du warst auf der Frankfurter Buchmesse. Mit deinem neuen Werk?

_Markolf Hoffmann:_
Es hatte es leider noch nicht aus der Druckerei geschafft, deswegen hatte ich es noch nicht in den Händen.

_Sven Ollermann:_
Gab es die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen – zu anderen Autoren, anderen Verlagen?

_Markolf Hoffmann:_
Ich hab vor allem die Leute des neuen Verlags kennen gelernt, die Piper-Besatzung. Das war sehr interessant. Ich hatte auch Gespräche mit anderen Autoren, aber vor allem ging es darum, den Kontakt zum Verlag zu vertiefen.

_Sven Ollermann:_
Wie feierst du Halloween? Als Rollenspieler, als jemand, der sich mit Magie beschäftigt hat, als Fantasy-Autor – bist du ein Mensch, der auf die großen Partys geht oder eher privat feiert?

_Markolf Hoffmann:_
Ich muss gestehen, dass ich keinen persönlichen Bezug zu Halloween habe, aber wenn sich eine Party anbietet, werde ich die sicherlich mitnehmen, denke ich mal.

_Sven Ollermann:_
Möchtest du unseren Lesern noch etwas sagen?

_Markolf Hoffmann:_
Vielleicht, dass mich der Austausch mit den Lesern sehr interessiert – Meinungen, Kritik und Anregungen sind immer willkommen. Ich würde mich freuen, wenn sich der eine oder andere meine Homepage anschaut. Wer Fragen hat, kann mir auch gerne eine E-Mail schreiben. Ich finde, es macht ein Buch lebendiger, wenn man sich als Autor mit den Lesern austauschen kann. Und dies ist ja heute dank Internet sehr einfach geworden. Ich hoffe, dass sowohl die Leser als auch ich diese Chance nutzen.

_Sven Ollermann:_
Ich danke dir, Markolf, und freue mich riesig auf „Flammenbucht“ und den dritten Teil.

Also, liebe Leser, wer sich mit „Das Zeitalter der Wandlung“ näher beschäftigen oder sich mit dem Autor auseinandersetzen möchte: Auf http://www.nebelriss.de besteht die Möglichkeit dazu.

Agatha Christie – Das Haus an der Düne

Als direkt unter seinen Augen ein Mordanschlag verübt wird, fühlt sich Meisterdetektiv Hercule Poirot herausgefordert. Mit seinem treuen Gefährten Hastings lädt er sich selbst in das Haus an der Düne ein, welches von einer fidelen Gesellschaft bewohnt wird. Darunter befindet sich ein kaltblütiger Mörder, der sein Glück erneut versuchen wird … – Der Wettlauf mit dem genretypisch gut getarnten Übeltäter ist klassisch spannend, wird aber von den penetranten Possen des eingebildeten Poirot künstlich dramatisiert: ein ‚nur‘ mittelmäßiger Krimi der englischen „Queen of Crime“.
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Dick, Philip K. – Ubik

_Was ist UBIK?_

In nicht allzu ferner Zukunft werden immer mehr parapsychisch Begabte in der Menschheit auftauchen. Das Sonnensystem ist besiedelt, man arbeitet an den ersten Fernflügen. Nicht wenige Menschen fühlen sich durch die |Psis| bedroht, beobachtet, in ihrer Privatsphäre geschändet. Telepathen überwachen Geschäftspartner oder Gegner, Präkogs können aus vielen Zukunftsvariationen die wahrscheinlichste ermitteln und damit zum Beispiel bei der Verbrechensbekämpfung helfen.

|UBIK hilft bei allen Problemen|
In dieser Situation verlangen immer mehr Menschen nach Psi-Bekämpfung, und der Unternehmer Glen Runciter macht sich diese Furcht zunutze: Er gründet die Schutzgesellschaft „Runciter Associates“, die bald zur angesehensten und größten Anti-Psi-Organisation avanciert. Seine Mitarbeiter sind Anti-Psis, Inerte, die keine Begabung wie die Psis haben, sondern eine entgegengesetzte Fähigkeit, die sie speziell gegen eine Art von Talent einsetzen können – und dieses je nach Stärke des mentalen Feldes neutralisieren. Die Inerten entwickelten ihre Fähigkeiten aus der bedrohlichen Situation heraus, ihren psibegabten Eltern unterlegen zu sein. Runciter engagierte unter anderem auch eigene Psis, die mit ihren Sinnen Inerte aufspühren, um sie der Firma zu vermitteln. Ein Techniker, Joe Chip, ist Runciters wichtigster Angestellter: Er testet mit elektronischem Equipment die Felder der Inerten oder – vor Beginn eines Anti-Psi-Einsatzes – das zu neutralisierende Gegnerfeld.

|UBIK könnte ein Deospray sein, das im Alltag jeglichen Körpergeruch entfernt|
Chip und Runciter verfügen über einen geheimen Code, mit dem sie sich auf Testergebnissen gegenseitig kundtun, ob jemand einzustellen, gefährlich, ungeeignet oder was auch immer ist. Damit verhindern sie, dass Gegner die Firma infiltrieren, selbst wenn sie Testergebnisse zu fälschen versuchen. Als schließlich offenbar wird, dass die meisten der beobachteten Gegner-Psis spurlos untertauchen, wird man bei Runciter Associates misstrauisch. Chip vermittelt eine neue Mitarbeiterin, deren Talent man nicht genau spezifizieren kann. Sie kann die Wirklichkeit über die Vergangenheit manipulieren und scheint dieses Talent gnadenlos zu ihrem Vorteil auszunutzen, doch Chips geheime Notiz |Gefährlich!| ist ihr entgangen.

|UBIK könnte ein geräuschloser Elektro-Ubik sein, der für jeden erschwinglich in einwandfreiem Zustand zu haben ist|
Der größte Einsatz der Inerten in der Firmengeschichte steht bevor: Elf Inerten wurden angefordert, und Runciter und Chip begleiten die Truppe zum Mond. Ihnen kommt einiges spanisch vor, doch als sich der vorgebliche Kunde in die Luft erhebt, ist es fast schon zu spät: Die Körperbombe explodiert, Runciter wird erschlagen. In einer panischen Flucht versucht sein Nachfolger Chip, den noch nicht ganz toten Toten zu retten und einem Moratorium zu überstellen, wo die noch nicht ganz gehirntoten Toten gefriergelagert werden und in ihrem Halbleben leben; dort können sie auch noch für die letzten Jahre, bis zum völligen Gehirntod, mit ihren Angehörigen kommunizieren.

|UBIK könnten knusprige Ubik-Flocken sein, die den Start in den Tag zu einem wundervollen Ereignis machen|
Die Einlagerung Runciters entpuppt sich als ausgesprochen problematisch, dazu kommen weitere Ungereimtheiten, als die Realität zu zerfließen beginnt: Zigaretten sind alt und vertrocknet, es erscheinen Münzen mit Runciters Konterfei – überhaupt scheint alles zu altern und zu verfallen. Dann kommt es zu mysteriösen Todesfällen unter den elf Inerten. Nacheinander werden sie eingefallen und vertrocknet aufgefunden. Schreckliche Angst, aber auch der Wille zur Wahrheit greifen nach Chip.

_Was ist UBIK?_

Die Kapitel beginnen stets mit einem Werbespot zu Ubik, wobei es wirklich jede Ware als Ubik zu geben scheint. Was die Spots verbindet: Der Hinweis, dass Ubik bei vorschriftsgemäßer Verwendung völlig ungefährlich sei …
Über Chips Erlebnisse und seine seltsamen Charakterzüge (so kann er beispielsweise nicht mit Geld umgehen) wird die zukünftige Welt gezeichnet. Gebrauchsgegenstände wie Kühlschrank oder Toaster, Duschen oder Haustüren müssen, selbst wenn sie im persönlichen Besitz stehen, mit Crediteinheiten bezahlt werden. Ironischerweise kann Chip mehrfach seine Wohnung nicht verlassen, weil er völlig pleite ist. Und als die Realität immer stärker zerfällt, ist er irgendwann angenehm berührt, als Radio, Tür und sogar Auto ohne Bezahlung funktionieren.

Das außergewöhnliche Talent der neuen Mitarbeiterin wird eindrucksvoll vorgestellt, als sie, die siebenzehnjährige Pat, sich vor Chips Augen entkleidet und ihm auf seine Frage erklärt, dass er ihre Testergebnisse zu schlecht dargestellt hat in einer Realität, in der sie sich nicht auszog. Zum Beweis zeigt sie ihm das entsprechende Testergebnis – mit seinem geheimen Symbol für |ungeeignet|.

Ungewöhnlicherweise ist es Chip nach derlei Manipulationen möglich, sich an die erste Variante zu erinnern, was sonst niemand zu können scheint. Dabei verblassen seine Erinnerungen allerdings sehr schnell. Bei dieser ersten Demonstration ihres Talents wird ihm unheimlich, und er markiert ihr hervorragendes Testergebnis mit dem Symbol für |Gefährlich!!| – Pat gegenüber deutet er es als Empfehlung.

Dick zeichnet eine interessante, glaubwürdige Welt und benutzt dabei seine Charaktere und ihre Gedanken als Leinwand. Runciter erscheint den Umstehenden stets als energisch und überlegen, fühlt sich selbst aber schwach und spürt die Schmerzen des voranschreitenden Alters. Dass nach seinem Tod ständig verschlüsselte Nachrichten von ihm an Chip erscheinen, ob im Fernsehen als UBIK-Werbespot oder in einer beliebigen Zigarettenschachtel in einem beliebigen Supermarkt in einer beliebigen Stadt eines beliebigen US-Staates, macht die Geschichte spannend und verwirrend. Wer ist denn nun gestorben, wer steckt in der Kaltpackung, wer lebt ein Halbleben?

Schon bald nach Runciters Tod werden Informationen eingestreut, die sowohl Chip als auch dem Leser vermitteln wollen, Runciter sei am Leben und Chip stattdessen getötet, doch Dick verstrickt den Informationsweg geschickt mit widersprüchlichen Erlebnissen, so dass der Leser mit Chip gemeinsam zweifelt.

_Was UBIK ist_

Genau, das ist die Frage. Was ist dieses ominöse Ubik, das von Anfang an als Werbespot angepriesen wird, in der Handlung aber erst recht spät nach Runciters Tod erscheint, wieder als Werbespot, aber direkt an Chip gerichtet? Runciter selbst erscheint im Spot und ermahnt Chip, nicht zu lange zu zögern, sondern es zu nutzen! Es sei eine Sprayflasche, deren Inhalt die Realität für Chip zu stabilisieren vermöchte. Aber leider altert dieses Ubik gemeinsam mit dem Rest der Realität, so dass Chip einmal ein handgemachtes Fläschchen Ubik-Medizin und einmal eine Ubik-Fettcreme findet, die für ihn nutzlos sind.

Chip trifft schließlich, knapp dem Tod entronnen, auf Runciters Frau Ella, die ihm mit wissenschaftlicher Genauigkeit erläutert, um was es sich bei Ubik handelt. Chip versteht nur „[…] Negativionisator […]“ und verzweifelt, denn negative Ionen gibt es nicht, weiß er. Ionen sind immer negativ, hält er ihr entgegen. |Was| also ist Ubik nun?

Das zu verstehen, muss jeder für sich selbst versuchen. Es ist ein sehr interessantes Phänomen, dass Dick eine Handlung ausbreitet, die, unterbrochen von Ubik-Werbespots, völlig ubiklos auszukommen scheint, und doch läuft alles auf eine Dose Ubik hinaus. Ich kenne nicht allzu viele Romane von Dick, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass „Ubik“ nicht zu Unrecht als bester Roman Dicks gepriesen wird. In der Komplexität und Genauigkeit seiner Welt, und dabei in erstaunlicher Kürze, läuft mindestens eine hervorragende Charakterstudie ab. Sie lässt sich auf einige Aspekte des Romans beziehen, unter anderem natürlich und wohl vorrangig auf die Zukunftsvision, andererseits auf Chips nur zu menschlichen Schwächen.

Der Roman endet mit der Erkenntnis, dass noch lange nicht alles so ist, wie es zu sein scheint. Ein absolut fesselndes Lesevergnügen, mal wieder mit dem Nicht-aus-der-Hand-legbar-Effekt.

_Philip K. Dick_

… wurde 1928 in Chicago geboren. Er arbeitete in einem Plattenladen in Berkley und schrieb schon sehr früh eine große Anzahl eigener Storys. 1952 wurde er hauptberuflicher Schriftsteller und gilt allgemein als einer der bedeutendsten seiner Zunft in Amerika. Etliche seiner über dreißig Romane zählen heute zu den Klassikern der amerikanischen Literatur, über hundert Erzählungen und Kurzgeschichten erschienen in Anthologien und Magazinen.
Dick starb am 2.3.1982 in Kalifornien an den Folgen eines Schlaganfalls.
Weitere bekannte und wichtige Werke:
„Blade Runner“, „Minority Report“, „Das Orakel vom Berge“, „Zeit aus den Fugen“ u. v. a. Zahlreiche seiner Kurzgeschichten, Novellen und Romane wurden verfilmt.

Offizielle Website: http://www.philipkdick.com.

Dan Simmons – Endymion – Pforten der Zeit

„Sie lesen diese Seiten aus dem falschen Grund …“, so beginnt der Ich-Erzähler die neue Geschichte aus dem Hyperion-Universum. Ich muss zugeben, dass ich tatsächlich erwartet hab, eine direkte Fortsetzung der Hyperion-Saga zu lesen – genau wie der Erzähler mir und jedem Leser vorhält. Es gehe nicht um die Charaktere, die der Erzähler nicht einmal persönlich kennt, sondern nur aus den bekannten Cantos von Martin Silenus, dem Leser der Hyperion-Bände eine vertraute Figur. Trotzdem stellt sich heraus, dass jene Ereignisse ihre Arme bis in diese Jahrhunderte entfernte Zukunft ausstrecken und Wege markieren, denen zu folgen dem Erzähler angeraten ist.

Inhalt

Raul Endymion ist (mal wieder) zum Tode verurteilt. Warum? Und wie kann man mehrfach zum Tode verurteilt werden? Diese Fragen werfen sich schon bei den ersten Sätzen auf und fangen den Leser sofort. Dan Simmons gelingt dieses Spiel mit dem Interesse mit überragender Meisterschaft, wie uns schon die Begegnung mit dem Hegemoniekonsul auf den ersten Seiten von „Hyperion“ deutlich zeigt.

Endymion ist der Ich-Erzähler der Geschichte und geleitet uns durch das ganze Buch. Er sitzt in einer Raumkapsel und wartet auf den Tod durch Blausäure, ausgelöst von einem System, durch das dem unbeteiligten Zuschauer diese Todesstrafe wie ein Experiment nach „Schrödingers Katze“ erscheint. Endymion wartet und schreibt seine Erinnerungen auf.

Bei seiner ersten Todesstrafe auf Hyperion (verurteilt wegen Mordes an einem reichen Sonntagsjäger) wird Endymion auf geheimnisvolle Weise gerettet und trifft in der gleichnamigen Stadt Endymion auf den uralten, durch Poulsen-Behandlungen überlebenden Martin Silenus, Verfasser der Cantos und ehemaliger Shrike-Pilger. Hier erhält er die Aufgabe, das Mädchen Aenea, die Tochter von Brawne Lamia (einer weiteren Pilgerin) vor den Schergen des Pax zu retten, sobald sie die Sphinx verlassen würde. Vor einigen Jahrhunderten verließ Aenea auf gleiche Weise Hyperion, und aus ungenannten Quellen wissen sowohl der Pax als auch Silenus das genaue Datum ihrer Ankunft aus der Zeit.

In den Jahren seit dem Fall der Hegemonie ist die katholische Kirche erstarkt und hat mit Hilfe der Kruziform genannten Auferstehungs-Symbionten die Herrschaft über das ehemalige Weltennetz ergriffen. Der Pax ist die militärische Polizei- und Kontrollinstanz der Kirche.

Aenea, als Tochter eines Cybrids, wird als große Gefahr für die Kirche und den Pax eingeschätzt und soll überwältigt werden. Irgendwie gelingt es Raul Endymion mit Hilfe der alten Hawking-Matte (ein fliegender Teppich), das Mädchen vor dem Zugriff zu erretten – dabei leistet das unheimliche Shrike uneingeladen blutige Unterstützung. Mit dem alten Raumschiff des Konsuls entkommen die beiden von Hyperion und fliehen zu einer Welt, auf der in Zeiten der Hegemonie ein Teil des Tethys floss – ein gigantischer, über Farcaster weltenverbindender Fluss.

Die Farcaster-Portale sind unzerstörbar durch Menschenhand, doch seit dem Fall unbrauchbar. Nur in Begleitung Aeneas gelingt die Passage – womit sich die Frage stellt, ob der kurz vor dem Fall vernichtet geglaubte Techno-Core (eine KI-Zivilisation und Erbauer der Farcaster) tatsächlich nicht mehr existiert.

Durch die Farcaster des alten Verlaufs des Tethys entkommen Aenea und Endymion den Schergen des Pax mehrmals, immer auf der Suche nach Möglichkeiten, ihr Ziel – die Vernichtung des Pax und der Kruziformen als Joch der Menschheit – zu erreichen. Als plötzlich eine neue Instanz eingreift und Silenus‘ Extraauftrag – „… und finde heraus, was der Core im Schilde führt!“ – eine neue Bedeutung erhält …

Kritik

Bei mir wirkt er: Simmons‘ Erzählstil. Am Anfang rätselhaft, langsam einem Höhepunkt zustrebend und dabei an den richtigen Stellen Informationen einstreuend, mit einer spektakulären Klimax und einem etwas beruhigenden Spannungsabfall auf den letzten zwei Seiten. Es ist einfach unglaublich. Sogar jetzt, wo ich dies schreibe, überschüttet mich mein Körper mit Adrenalin, die Herzfrequenz ist aufgeregt hoch.

Mit dem „Fall von Hyperion“ hätte die Saga ein befriedigendes Ende finden können. Oder doch nicht? In „Endymion“ sprüht Simmons wieder nur so von Ideen, allesamt perfekt zum Kontext der vorher erzählten Geschichte um die Pilger und das Weltengebilde von „Hyperion“ passend. Da ist das Shrike, das seinen Meister findet; die Farcaster, die plötzlich doch funktionieren; Widersprüche, die aufgeklärt werden – und nicht zuletzt Gedankengänge zu der unbekannten Macht, die den „Fall“ perfekt gemacht hat mit der Sperrung des Fatline-Raums. Die Tiger, Löwen und Bären der Metasphäre spielen ebenso eine Rolle wie die Entdeckungen des Keats-Cybrids. Aenea, als Jene Die Lehrt vom Pax gefürchtet, scheint Fähigkeiten zu besitzen, die sie selbst bisher nur erahnen kann. Ob uns diese Fähigkeiten im zweiten Teil die großen Antworten bescheren, die wir – nun auch im Nachhinein bezüglich mancher Hyperion-Aussage – so dringend suchen und erwarten?

Es ist ein fesselndes Gedankenkonstrukt, das Dan Simmons mit diesem gigantischen, großartigen Meisterwerk „Hyperion“ und „Endymion“ entworfen hat. Man merkt jetzt wirklich, dass „Hyperion“ zwar für sich allein stehen kann, aber einige offene Enden tatsächlich noch zu verknüpfen sind, was wahrscheinlich in der Wucht des Hyperion-Endes einfach untergeht. Endymion führt uns zu Wahrheiten, die wir nicht in den abwegigsten Träumen hätten erahnen können.

Fazit

Atemberaubend im Zusammenhang mit der Hyperion-Saga; für sich allein stehend komplex und verwirrend. Neue Ideen knüpfen nahtlos an alte Aspekte an, unverstandene oder offene Fäden aus Hyperion finden ihre überraschende Weiterführung. „Endymion – Pforten der Zeit“ ist absolut empfehlenswert und führt uns wieder einmal Dan Simmons‘ große Meisterschaft vor Augen.

Mickey Spillane – Tod mit Zinsen

Spillane Tod mit Zinsen Cover kleinDas geschieht:

Privatdetektiv Mike Hammer wird alt. Er weiß es, nachdem ihn zwei Bauchschüsse trafen und deutlich mehr Zeit als früher verstreicht, bis er halbwegs auf den Beinen und den nichtswürdigen Strolchen hinterher ist, die ihn so rüde aus dem Weg schaffen wollten. Seinen Beinahe-Mörder, den Mafia-Kronprinzen Azi Ponti, hat Hammer zwar mit seiner alten .45er den Schädel vom Hals geschossen. Azis Bruder, der verrückte Ugo, ist noch sehr lebendig und hat Blutrache geschworen.

Eigentlich wollte Hammer sich in Florida auskurieren. Doch in New York erwischt es seinen alten Armee-Kumpel Marcus Dooley, der als Buchhalter für den Mafia-Paten Lorenzo Ponti – Azis und Ugos Vater – gearbeitet hat. Voller Reue über seinen Absturz ins Verbrechen hatte Dooley dessen größten Coup sabotiert: Lorenzo ließ die Gewinne der Mafia einsammeln. Die stolze Summe von 89 Milliarden Dollar war dabei zusammengekommen, die Lorenzo für schlechte Zeiten bunkern wollte. Mickey Spillane – Tod mit Zinsen weiterlesen

Preston, Douglas / Child, Lincoln – Ritual – Höhle des Schreckens

Medicine Creek, Cry County, ist ein sterbendes Städtchen im US-Staat Kansas. Hier lebt man mehr schlecht als recht von der Landwirtschaft. Riesige Maisfelder prägen das Bild; sie werden von großen Konzernen betrieben, während immer mehr örtliche Farmer aufgeben müssen.

Deshalb ist auch das eher fragwürdige Angebot einer Universität, ein Versuchsfeld mit genmanipuliertem Mais anzulegen, sehr willkommen, denn Geld und Arbeitsplätze winken. Dass es gute Gründe geben könnte, wieso die im Sold der Pharmaindustrie stehenden Forscher sich in einem möglichst entlegenen Winkel ansiedeln möchten, reden sich die verzweifelten Bürger schön.

Noch ist die Entscheidung für Medicine Creek nicht gefallen. Zwischenfälle sind daher höchst unwillkommen. Sheriff Dent Hazen, der energische, aber etwas denkfaule Sheriff, soll sie gefälligst verhindern oder vertuschen. Doch das gelingt nicht mit dem grausigen Mord, der auch überregional für Aufruhr sorgt: In einem Maisfeld findet man aufgebahrt zwischen toten Krähen die grässlich verstümmelte Leiche einer Frau.

Die mysteriösen, geradezu übernatürlich anmutenden Umstände der Untat locken den mit Spuk und Serienmord vertrauten FBI-Agenten Pendergast nach Medicine Creek. Der eigenwillige Mann schafft sich mit seiner Ankündigung weiterer Morde keine Freunde. Leider behält er Recht. Die nächsten Leichen sehen sogar noch schlimmer aus.

Spuren weisen zurück in die Vergangenheit. 1865 haben wütende Cheyenne-Indianer die berüchtigten Marodeure der „Fünfundvierziger“-Bande bei Medicine Creek überfallen und abgeschlachtet. Kehren sie oder ihre Opfer aus dem Jenseits zurück? Oder landen nachts Außerirdische in den Maisfeldern, um mit den Erdmenschen zu „experimentieren“?

Sheriff Hazen verdächtigt eher Neider, die den Genforschern Medicine Creek verleiden wollen. Er stellt Pendergast kalt und verfolgt lieber Mörder von dieser Welt. Unabhängig voneinander richten der Sheriff und der FBI-Agent ihre Augen auf Kraus‘ Kavernen, ein gewaltiges Höhlensystem, das sich unter der Erde wer weiß wohin erstreckt. Sie behalten beide Recht, was aber unkommentiert bleibt, als unter Tage ein Kampf auf Leben & Tod entbrennt …

Wobei die eigentliche Erklärung dem Rätsel von Medicine Creek wieder einmal nicht gewachsen ist. Sie soll angeblich überraschen, worauf man als Leser freilich lieber nicht wetten sollte, da „Ritual“ zwar jederzeit spannend, aber niemals verblüffend ist.

Die schier endlosen Maisfelder des Mittleren US-Westens haben seit jeher etwas Magisches und Unheimliches an sich. Der nüchterne Betrachter sieht nur öde Pflanzungen, aber der Romantiker fühlt sich verloren und beengt zwischen den übermannshohen, raschelnden, stickig riechenden Stauden, in deren Schutz sich unerfreuliche Besucher unbemerkt anschleichen können. Stephen King siedelte die Menschen opfernden „Kinder des Zorns“ im Mais an, M. Night Shyamalan ließ in „Signs“ die Außerirdischen dort landen, zuletzt sprang Jason Vorhees mit seiner Machete aus dem Mais, um eine Horde haltloser Teenager niederzumetzeln („Freddy vs. Jason“).

Von oben betrachtet, wirken diese Maiswälder wie ein Meer, unter dessen Oberfläche sich allerlei verbergen kann. Preston/Child bedienen sich zusätzlich, aber wenig innovativ der Historie, die in Kansas vergleichsweise unspektakulär ablief. Man blickt allerdings auf die Indianerkriege zurück – keine ruhmreiche Episode, aber eine, die in vielen Köpfen präsent ist und die sich in einen Gruselplot einbauen lässt.

Zur Abwechslung sind es nicht die Indianer, die hingeschlachtet wurden und als rächende Geister zurückkehren. Politisch korrekt hat es einst weiße Strolche erwischt, die ihr wüstes Ende wohl verdient hatten. Ob sie es sind, die Medicine Creek heimsuchen, soll hier nicht verraten werden.

Ohnehin gehen die Verfasser auf Nummer Sicher. Die Rache aus der Vergangenheit wird mit möglichen Drohungen aus dem All konterkariert. Berühmt (und berüchtigt) sind die Kornkreise geworden, mit denen die Besucher vom Planeten Schizophrenia VI ihren Kumpanen signalisieren, dass hier auf der Erde reiche Beute lockt, die man erschrecken, in ihre Fliegenden Untertassen entführen und schwängern kann. (Bordfunk scheint in fremden Welten unbekannt zu sein.) Deshalb könnten es auch gar nicht spukige, doch deshalb nicht weniger unheimliche Gestalten sein, die des Nachts durch die Feldfurchen stolpern. (Wieso sie dabei wie eine Kuh brüllen, fällt aber nicht nur dem überschlauen Pendergast ziemlich früh ein, sondern auch dem Leser, wie man den Verfassern leider vorwerfen muss.)

Medicine Creek ist eine überschaubare Kulisse: ein Flecken mit 150 Einwohnern, umgeben von Maisdschungeln. Weiterhin gibt’s eine alte Begräbnisstätte und eine Höhle, so dass es nicht schwer fällt zu raten, wo sich denn das Grauen verbirgt. Nur die Anwohner sind, wie es sich gehört, mit Blind- und Blödheit geschlagen. Um dem Finale die gebührende Bildgewalt zu verleihen, bricht selbstverständlich das schlimmste Unwetter des Jahrhunderts los. Die Auflistung weiterer Grusel-Bausteine sei den Lesern hier erspart, aber sie seien versichert: Preston/Child graben sie alle aus!

Spannend ist das Garn dennoch, das unser Verfasserduo hier spinnt. Preston und Child sind Profis darin, die immer identischen Module ihrer Spannungsgeschichten neu zu arrangieren. Wirklich spannend im Sinne von überraschend ist das nie, aber es liest sich angenehm und selten langweilig. Um zu diesem günstigen Urteil zu kommen, muss man freilich die Erkenntnis verdrängen, dass „Ritual“ über weite Strecken nichts als ein 1:1-Remake von „Relic“ ist, dem ersten und weiterhin besten Werk von Preston/Child.

Rein gar nichts mit der Medicine-Creek-Handlung haben diverse Kapitel zu tun, die in New York und in den Gewölben des Kuriositätenkabinetts spielen, das Schauplatz des Preston/Child-Thrillers „The Cabinet of Curiosities“ (2002; dt. [„Formula – Tunnel des Grauens“ 192 ) war. Damals waren noch einige Fragen offen geblieben, was vor allem die merkwürdigen familiären Hintergründe und Verwicklungen des Agenten Pendergast in das mörderische Geschehen betraf. Offenbar wollen die Autoren eine Pendergast-Saga entwickeln. Gut und schön, aber die sollte dann integraler Bestandteil der Story und dieser nicht aufgepfropft sein!

Agent Pendergast soll nach dem Willen seiner geistigen Väter eine ebenso faszinierende wie fremdartige Person (bzw. Persönlichkeit) sein. Dunkel und von Geheimnissen umwittert ist seine Vergangenheit, exzentrisch sein Verhalten. Als Ermittler ist er genial, übersieht keine Spuren, durchschaut Verdächtige auf Anhieb, bricht unentwegt Lanzen für unverstandene Außenseiter der Gesellschaft. Anders ausgedrückt: Pendergast ist eine hundertprozentige Kunstfigur und ein übler und reichlich arroganter Besserwisser, wie er uns aus tausend Hollywood-Blockbustern mehr als bekannt ist.

Seine Schnurren sind zu zahlreich und übertrieben, werden einfach behauptet, statt begründet zu werden; offenbar bleibt dies zukünftigen Bänden der Pendergast-Serie vorbehalten. Auf Biegen und Brechen, aber mit einfachsten Mitteln soll die Hauptfigur „interessant“ gemacht werden. Meist geht der Schuss nach hinter los. Wir ertragen Pendergast, aber er ist uns völlig gleichgültig.

Ähnlich durchsichtig ist die Figur der Corrie Swanson angelegt: Sollte „Ritual“ dereinst verfilmt werden, benötigt das Drehbuch unbedingt eine Identifikationsfigur für die jüngere Zuschauerschaft, die besonders kopfstark in die Kinos drängt. Also erleben wir eine völlig absurde „Assistentin“, die wieder einmal brachial den unverstandenen und (in Maßen) aufmüpfigen Teen mimen muss. Ungewöhnlich ist indessen, dass es außer Corrie keine weibliche Hauptrolle gibt und diese kein „love interest“ ist – eine Liebesgeschichte bleibt aus und wird in einer Geschichte dieses Kalibers auch gar nicht vermisst.

Ansonsten tummelt sich niveaugerecht allerlei US-Landvolk im Geschehen. Das angebliche „Salz der Erde“ gibt sich rollentypisch bodenständig, fremdenfeindlich, konservativ und drischt mehr markige Sprüche als Mais. Dent Hazen ist der bärbeißige Sheriff par excellence – vierschrötig, engstirnig, aber irgendwie doch tüchtig und sympathisch in seiner selbstgerechten Emsigkeit. Journalisten sind die Pest, Politiker notorisch verlogen, Firmenbosse wirtschaften in die eigenen Taschen; auch hier ist der Leser vor Überraschungen gefeit.

Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts geboren. Er studierte ausgiebig, nämlich Mathematik, Physik, Anthropologie, Biologie, Chemie, Geologie, Astronomie und Englische Literatur. Erstaunlicherweise immer noch jung an Jahren, nahm er anschließend einen Job am |American Museum of Natural History| in New York (!) an. Während der Arbeit an einem Sachbuch über „Dinosaurier in der Dachkammer“ – gemeint sind die über das ganze Riesenhaus verteilten, oft ungehobenen Schätze dieses Museums – arbeitete Preston bei |St. Martin’s Press| mit einem jungen Lektor namens Lincoln Child zusammen. Thema und Ort inspirierten das Duo zur Niederschrift eines ersten Romans: „Relic“.

Wenn Preston das Hirn ist, muss man Lincoln Child, geboren 1957 in Westport, Connecticut, als Herz des Duos bezeichnen. Er begann schon früh zu schreiben, entdeckte sein Faible für das Phantastische und bald darauf die Tatsache, dass sich davon schlecht leben ließ. So ging Child – auch er studierte übrigens Englische Literatur – nach New York und wurde bei |St. Martins Press| angestellt. Er betreute Autoren des Hauses und gab selbst mehrere Anthologien mit Geistergeschichten heraus. 1987 wechselte Child in die Software-Entwicklung. Mehrere Jahre war er dort tätig, während er nach Feierabend mit Douglas Preston an „Relic“ schrieb. Erst seit dem Durchbruch mit diesem Werk ist Child hauptberuflicher Schriftsteller.

Selbstverständlich haben die beiden Autoren eine eigene Website ins Netz gestellt. Unter http://www.prestonchild.com wird man großzügig mit Neuigkeiten versorgt (und mit verkaufsförderlichen Ankündigungen gelockt).

Inzwischen gehen Preston und Child schriftstellerisch auch getrennte Wege. 2002 verfasste Child „Utopia“ (dt. „Das Patent“), 2004 zog Preston mit „Codex“ nach. Die Unterschiede zum Gemeinschaftswerk sind eher marginal. Weiterhin stellt sich heraus, dass die Alleinautorenschaft in beiden Fällen keineswegs mit dem Drang zur Originalität einher geht. Wiederum gemeinsam ging es 2004 mit „Brimstone“ weiter, dem nächsten Pendergast-Spektakel.

Douglas Preston ist übrigens nicht mit seinem ebenfalls schriftstellernden Bruder Richard zu verwechseln, aus dessen Feder Bestseller wie „The Cobra Event“ und „The Hot Zone“ stammen.

Paxson, Diana L. – Ahnen von Avalon, Die

Mit „Die Ahnen von Avalon“ ist ganz unerwartet noch einmal ein Band über die geheimnisvolle Insel aus Marion Zimmer-Bradleys „Die Nebel von Avalon“ erschienen.

Erdbeben erschüttern die Inseln von Atlantis. Die Priester wissen, was das bedeutet, denn es wurde schon vor langer Zeit prophezeit. In größter Eile werden die Inseln evakuiert. Ziel der auslaufenden Schiffe ist die Zinnküste, wo Atlantis bereits einen Stützpunkt hat.
Doch eines der Schiffe wird von den übrigen getrennt und landet an einer anderen Stelle der Küste. Während der Hauptteil der Flotte sich mit dem Stützpunkt als Basis relativ leicht tut und sofort versucht, in dem neuen Land seine alte Kultur wieder aufzubauen, ist das einzelne Schiff darauf angewiesen, sich mit den Ureinwohnern zusammen zu tun, um zu überleben. Als die beiden Gruppen sich wiederfinden, ist der Konflikt vorprogrammiert.

Der Band schließt eine Lücke, die ursprünglich gar keine war. Lange vor dem Erfolg von „Die Nebel von Avalon“ schrieb Marion Zimmer-Bradley eine Geschichte über Atlantis, die erst nach ihrem Durchbruch unter dem Titel „Das Licht von Atlantis“ veröffentlicht wurde. Auch wenn in Igraines Traum über Uther, der die goldenen Schlangen an den Armen trägt, eine Verbindung zu Atlantis angedeutet ist, entstand der eigentliche Bogen von einer Geschichte zur anderen erst durch „Die Wälder von Albion“, deren Charaktere Eilan und Caillean deutliche Parallelen zu Domaris und Deoris aus Atlantis aufweisen. Reinkarnation wurde zu dem roten Faden, der durch sämtliche Bände führt.
Die Lücke zwischen „Die Wälder von Albion“ und „Die Nebel von Avalon“ versuchte „Die Herrin von Avalon“ zu füllen, doch das gelang nur mäßig. „Die Ahnen von Avalon“ schließlich stellt die endgültige Verbindung zwischen Atlantis und Avalon dar, erzählt, wie das Wissen aus Atlantis nach Avalon kam.

Eigentlich eine interessante Idee. Leider hat es mit der Umsetzung nicht so ganz geklappt!
Das Buch bietet eine Fülle an Personen. Die Hauptpersonen sind Micail, Sohn von Domaris und Mican, und Tiriki, Tochter von Deoris, Domaris‘ Schwester. Die beiden sind verheiratet, werden aber auf der Flucht von Atlantis getrennt.
Tiriki erreicht mit ihrem einzelnen Schiff einen Berg in den Sümpfen, der von der Macht der Muttergöttin nur so vibriert. Außerdem findet sie großes Wissen um die Mysterien bei den Frauen der Ureinwohner. Die Verbindung zwischen den beiden Gruppen legt den Grundstein für das spätere Avalon.
Micail dagegen ist damit beschäftigt, an einem Knotenpunkt magischer Energiestränge einen Steinkreis zu errichten, der genügend Kraft konzentrieren soll, um einen neuen Tempel des Lichtes zu bauen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass Tjalan, Prinz von Alconath, noch ganz andere Absichten verfolgt.
Der größte Teil der anderen Personen sind Priester oder Priesterinnen, die eine mehr oder weniger große Rolle spielen. Nur wenige von ihnen sind detaillierter dargestellt, sodass man sie als Charaktere bezeichnen kann, die meisten wirken eher wie Statisten. Dieser Umstand zusammen mit den oft sehr ähnlich klingenden Namen, vor allem bei den Priesterschülern, hat zur Folge, dass der Leser immer wieder überlegen muss, wer jetzt eigentlich nochmal die Person ist, die da gerade etwas tut. Der Überblick fehlt! Zwar gibt es im Anhang ein Namensregister, aber jedes Nachschlagen reißt aus dem Zusammenhang und wirkt daher störend!
Abgesehen davon sind auch die Hauptcharaktere nicht besonders lebendig gezeichnet. Zwar sind Handlungen, Gedanken und Gefühle nachvollziehbar, es fehlt ihnen aber sehr an Intensität, als wären bei einem Bild alle Farben verblichen.

Der Handlung fehlen ebenfalls Leben und Farbe. Lediglich während der Flucht vor dem Vulkanausbruch und dem Einsatz der Ringsteine kommt so etwas wie Spannung auf, beide Spannungsbögen ebben jedoch rasch wieder ab. Der größte Teil der Handlung verläuft ziemlich gleichförmig, der allmähliche Konfliktaufbau zwischen den Erbauern des Steinkreises und den Eingeborenen sowie den beiden Gruppen der Atlanter bei ihrem ersten Treffen weiß nicht wirklich zu fesseln.
Ganz eigenartig wirkt die Idee des Omphalos, eines eiförmigen Steines, der offenbar große Macht besitzt. Er wird auch als Nabel der Welt bezeichnet und von den Atlantern auf ihrer Flucht von den Inseln mitgenommen. Was es genau mit diesem Stein auf sich hat, warum er überhaupt mitgenommen wurde und was er bewirken kann, bleibt jedoch im Dunkeln, sodass der Leser sich fragt, warum er überhaupt vorkommt. Hier hätte ein ausführlicherer Ausbau der Idee bestimmt nicht geschadet.

Desweiteren haben sich, wie so oft bei der nachträglichen Füllung von Lücken, Brüche eingeschlichen. Es wirkt irgendwie seltsam, wenn ausgerechnet Morgaine den Prolog spricht, der erzählt, wie der Omphalos nach Britannien kam. Schließlich spielte er in Morgaines eigentlicher Geschichte, in den „Nebeln von Avalon“ überhaupt keine Rolle! Ja, er spielt nicht mal in diesem Buch die Rolle, die man aufgrund des Prologes erwarten könnte.
Und die Darstellung, dass die Atlanter ihr Wissen zuerst und hauptsächlich nach Avalon brachten, beißt sich irgendwie mit dem Anfang der „Wälder von Albion“, wo die Frauen davon erzählen, dass das religiöse Zentrum vor dem Angriff der Römer die Insel Mona gewesen sei.
Außerdem gibt es Probleme mit dem Begriff „Merlin“. Bereits der Magier Chedan, der mit Tiriki nach Britannien kam, wurde von den Ureinwohnern Sonnenfalke oder Merlin genannt. In den „Wäldern von Albion“ wird Eilans Sohn Gawen als erster Merlin Britanniens bezeichnet. Gawen ist aber die Reinkarnation Micails, nicht Chedans!

Mit anderen Worten: Die Sache ist nicht konsequent durchdacht. Vielleicht liegt es aber nur daran, dass Entwurf und Buch nicht aus derselben Feder stammen. Das sollte jeder beachten, der Bücher von Marion Zimmer-Bradley gelesen und ein Faible für diese Autorin hat: Dieses Buch ist nicht von ihr! Von ihr stammt nur das Exzerpt. Die Ausarbeitung stammt von Diana Paxson, und das merkt man! Dem Buch fehlt es an Flair.
Es ist also wahrscheinlich ganz gut, dass das Buch wesentlich kürzer ist als die „Nebel von Avalon“ oder die „Nebel von Albion“, die sechshundert Seiten sind ziemlich groß gedruckt. Vielleicht wollte man das Format und die Dicke an die Vorgänger-Bände angleichen, dann wäre es allerdings auch sinnvoll gewesen, dies auf die Gestaltung des Einbands auszuweiten!
Das Lektorat war auch nicht berauschend. Bestimmte und unbestimmte Artikel für dasselbe Hauptwort im selben Satz, das ist ein Fehler, der wirklich nicht vorkommen sollte! Und es war nicht der einzige dieser Art.

Also ich hätte diesen Band nicht unbedingt gebraucht. Schon „Die Herrin von Avalon“ hatte stark nachgelassen, obwohl das Buch noch aus Zimmer-Bradleys eigener Feder stammte. „Die Ahnen von Avalon“ haben es nicht geschafft, daran vorbeizuziehen. Ich hoffe, es sind jetzt keine weiteren unfertigen Konzepte mehr übrig, denn ich glaube kaum, dass Diana Paxson sie besser umsetzen kann als in diesem Fall. „Die Nebel von Avalon“ werden wohl für immer der unerreichte Gipfel von Marion Zimmer-Bradleys Schaffen bleiben.

Welcome to My Worlds

Arkadi und Boris Strugatzki – Das Experiment

„Das Experiment ist das Experiment“ … Verzweiflung, Schicksalsergebenheit, Desinteresse, Lethargie – all das kann aus diesem einen Satz sprechen, den die Bewohner der „Stadt“ ständig wiederholen und vor allem in undurchsichtigen Situationen resigniert plappern. Was ist das Experiment? Wer sind die Experimentatoren, wer die mysteriösen Mentoren?

Die Autoren

Die Strugatzki-Brüder gelten unumstritten als die besten SF-Autoren Russlands. Viele ihrer Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und zählen zu den bedeutendsten SF-Werken des 20. Jahrhunderts. Arkadi Strugatzki starb im Jahre 1991 – damit endete eine der faszinierendsten Kooperationen der Literaturgeschichte.

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Alan Dean Foster – Alien. Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt

Die angebliche Rettung havarierter Raumfahrer entpuppt sich als Falle, die der Crew eines Erzfrachters ein schier unsterbliches Alien beschert, das für Terror & Tod an Bord sorgt. Erbittert kämpfen die Männer und Frauen der „Nostromo“ um ihr Leben, das anderenorts längst als entbehrlich abgehakt wurde … – Foster erzählt nicht nur das Drehbuch zu einem der besten SF-Filme aller Zeiten nach, sondern verwandelt es in einen eigenständigen Roman, der den Film ergänzt und erweitert. Alan Dean Foster – Alien. Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt weiterlesen

Arthur C. Clarke – Das Lied der fernen Erde

Einige tausend Jahre in der Zukunft. Thalassa ist eine menschliche Kolonie, fünfzig Lichtjahre von der Erde entfernt. Es ist ein sonniges Paradies mit unbegrenztem Ozean und zwei kleinen Kontinenten, auf denen sich die Menschen niederließen.
Seit Jahrhunderten ist die allgemeine Meinung gefestigt, dass es mit höchster Wahrscheinlichkeit keine außerirdischen Intelligenzen in der Milchstraße gibt. Da geschieht das Unglaubliche: Ein gigantisches Raumschiff erscheint über Thalassa! Die friedliche Idylle wird gestört; als sich herausstellt, dass die |Magellan| eine Million Überlebende von der Erde an Bord hat, steigt die Aufregung ins Unermessliche.

Bis zu diesem Zeitpunkt war bemannte Raumfahrt unmöglich, die Kolonien wurden durch Saatschiffe gegründet, welche die genetische Anlage der Menschen dem Planeten einimpften. Kurz vor der finalen Katastrophe, die Entstehung der solaren Supernova, gelang es irdischen Wissenschaftlern, den Quantenantrieb zu entwickeln, mit dem echte Großraumschiffe realisiert werden konnten. Die |Magellan| ist das erste und einzige Schiff seiner Art.

Die Lage beruhigt sich, als sich herausstellt, dass die Flüchtenden ausschließlich an einigen tausend Tonnen Wasser interessiert sind, die ihren ausgedienten Eisschirm erneuern sollen. Auf einem kleinen Teil des südlichen Kontinents wird eine Eisanlage errichtet, von der aus das Wasser in gefrorenem Zustand in den Raum befördert wird.

Das Zusammentreffen der Thalassier mit den Menschen der Erde gestaltet sich recht unproblematisch, nachdem kulturelle Unterschiede geklärt werden konnten. Die thalassische Ungezwungenheit in Beziehungen birgt die letzten Probleme, als sich eine intelligente Thalassierin in einen Offizier der |Magellan| verliebt und dafür ihren bisherigen Begleiter verlässt. Das Dilemma ist kompliziert, da die „Magellan“ nach Fertigstellung des Eisschildes weiterziehen wird.

Zu allem Überfluss taucht gerade in dieser Zeit eine unbekannte Spezies aus den Meeren Thalassas auf und verbreitet Verwirrung, da es sich anscheinend um nichtmenschliche Intelligenzen handelt …

_Charaktere_

Mirissa ist eine junge Frau, derzeit die intelligenteste und geistig beweglichste Person auf Thalassa. Sie ist glücklich mit ihrem Freund Brant, der ein begabter Techniker und interessanter Mensch ist. Doch nun erscheinen die Fremden von der Erde mit ihrer fremden Kultur. Von ihnen geht eine Faszination aus, der sich Mirissa nicht entziehen kann. In dem Offizier Loren Lorensson vereinigen sich alle faszinierenden Eigenschaften. Mirissa will lernen, und sie will Leidenschaft und ein Kind … Man erfährt viel über die Gefühle und die Gedanken Mirissas, die Beweggründe, die zu der dramatischen Verbindung von ihr und Loren führen, werden einleuchtend dargestellt. Auch wenn man es nicht fassen kann, man weiß, dass sie Brant noch liebt.

Loren Lorensson ist einer der Überlebenden der Katastrophe, die die Erde vernichtete. Dieses Erlebnis hat ihn gefühlskalt werden lassen. Erst die Beziehung zu Mirissa lässt ihn das Ende der Erde verkraften. Brant gegenüber verhält er sich schuldbewusst, ist sich jedoch klar, dass die Verhaltensweisen der Thalassier nicht seinem erlernten Wissen von der Erde entspricht. Man glaubt Loren, dass er einerseits ein Kind mit Mirissa haben will, andererseits seine Plicht der |Magellan| gegenüber erfüllen muss.

Brant ist ein ungeduldiger Thalassier, der sich trotzdem verständnisvoll aus der Beziehung zu Mirissa zurückzieht. Man erkennt, dass er Mirissa noch immer liebt, doch ihr zuliebe zeitweise verzichten kann.

Kumar ist der Bruder Mirissas. Er ist nicht ehrgeizig, nicht so intelligent wie seine Schwester, aber ein angesehener Bürger Thalassas. Loren und er verstehen sich prächtig, und er rettet Loren das Leben, zu einem hohen Preis …

_Konfliktpotenzial, Spannung, Unterhaltung_

Der Roman beginnt langsam und sacht, man lernt die Hauptpersonen Thalassas kennen. Ein erster Einbruch erfolgt durch das Erscheinen der Magellan, darin erwartete ich eine stetig steigende Konfliktsituation. Die dramatische Entwicklung der Beziehung zwischen Loren, Mirissa und Brant hielt ich anfangs für schmückendes Beiwerk. Dabei ist genau das die Quelle des Konflikts, der durch den Roman gelöst werden soll. Die Beziehung einer Frau zu einem Sternfahrer, wobei beiden klar ist, dass er nach kurzer Zeit weiterreisen wird und es kein Wiedersehen geben kann. Über Funknachrichten kann er nach seiner Tiefschlafreise das Altern seiner Liebe nacherleben …

Der Konflikt um die Magellan ist sehr zurückhaltend beschrieben und führt zu wenigen Höhepunkten. Einige Spannung entsteht durch das Auftauchen der Skorps (der nichtmenschlichen Intelligenzen), aber auch diese Verbindung dient nur der Vertiefung der tragischen zwischenmenschlichen Situation von Loren und Mirissa.

Leider hat Clarke das hohe Konfliktpotenzial (in drei Stufen angelegt) nicht ausgeschöpft. Der Roman plätschert vor sich hin, nie so langweilig, dass man ihn weglegen müsste (immerhin gibt es interessante Fragen zum Kontext, die man beantwortet haben will), aber auch nie so mitreißend, dass man nicht aufhören könnte zu lesen. Ich hätte mir gewünscht, dass Clarke der Skorp-Thematik mehr Gewichtung hätte zukommen lassen. Zum Ende des Romans erhalten sie noch eine kurze, unaufgelöste Bemerkung, die erneuten Konflikt prophezeit. Leider werden wir das wirkliche Ende nie erfahren.

Von diesem Gesichtspunkt aus hat Clarke doch wieder einen guten Griff getan: Der Roman hat ein relativ offenes, für Fantasie freies Ende.
Mit Kumar stirbt die einzige Person in dem Roman, und sein Ende ist wirklich ergreifend geschildert in seiner Ausweglosigkeit und Tragik. Damit löst sich der Konflikt auf, treibt die Geschichte einem Ende zu, doch konnte ich nicht in meiner Trauer als Leser schwelgen, denn kurz werden zum Schluss noch die Schicksale anderer Aspekten angedeutet.

_Fazit_

Das Buch liest sich entspannt und unterhaltsam, in einigen Teilen geht Clarke meiner Meinung nach zu wenig in die Tiefe, andererseits schafft er es sehr gut, ergreifende Szenen zu schildern. Zum Beispiel die namengebende Szene zum Schluss, wo mit der alten Musik der zerstörten Erde das Ende der direkten Beziehung zwischen Magellan und Thalassa seinen Anfang nimmt.
Das Buch hat mich emotional berührt, auch wenn ich nicht völlig befriedigt von seinem Inhalt bin und einige Fragen offen bleiben. Trotzdem möchte ich es jedem empfehlen, der gute Unterhaltung ohne Action, Mord und Totschlag genießen möchte.

Taschenbuch: 286 Seiten
www.heyne-de

RatCon 2004

20 Jahre DSA – dieses Jubiläum schwebte nach den Veranstalteraussagen |FanPros| weit über der gesamten [RatCon]http://www.ratcon.de/ im September 2004, an altgewohntem Ort, dem Fritz-Henßler-Haus im Zentrum Dortmunds.
Viele altbewährte Veranstaltungspunkte der letzten Jahre wurden wiederholt, interessante Ergänzungen rundeten das Programm ab, sodass die RatCon dieses Jahr zu einer rundum gelungenen Veranstaltung wurde.

Neben fast allen Redaktionsmitgliedern des „Schwarzen Auges“ war auch erneut eine Illustratorenkolonne angerückt: Besonders Caryad und Sabine Weiß schufteten fast rund um die Uhr, um auch noch dem Letzten ein Bild seines persönlichen Helden aufs blütenweiße Zeichenpapier zu bannen.

Erneut dominierten (wie es bei FanPros „HausCon“ auch nur allzu verständlich ist) die Systeme |DSA|, |Shadowrun| und |Battletech| – zumindest Letzteres fand jedoch in Turnierform hinter verhängten Türen statt, sodass der normale Conbesucher kaum Einblicke erhielt. Alle Nicht-Tabletopper mischten sich jedoch fröhlich, und schon knapp zwei Stunden nach Eröffnung der „48 Stunden Spielspaß“ waren sämtliche Tische besetzt und der Marathon begann.

Highlights für viele Spieler waren sicherlich nicht die angebotenen Workshops, sondern die multiparallelen Abenteuer: Hier kamen die Alveraniare zum Einsatz, die von FanPro zum Zwanzigsten des bekanntesten deutschen Rollenspiels ernannten Sendboten der Götter. Doch auch Shadowrunner kamen mit den nach Spieleraussagen ebenfalls sehr professionell organisierten MPAs und 24-Stunden-Runs nicht zu kurz, und wer einen der begehrten Plätze erhalten hatte, durfte sich glücklich schätzen.

In die Vollen ging Florian Don-Schauen direkt um 20 Uhr: Die letzte der vier Vorrunden zum „Drachengedächtnis“-Quiz startete in der gut gefüllten Aula. Wie üblich stand am Anfang zunächst das gesamte Publikum, das an dem Quiz teilnahm, doch schnell lichteten sich die Reihen durch knallharte Fragetechnik („Wer ist älter – Thomas Römer oder Florian Don-Schauen?“) und die wahrhaft Würdigen sowie der Tagessieger, der am nächsten Abend gegen die ihm ebenbürtigen Drachen antreten sollte, kristallisierten sich im kurzweiligen Verlauf recht schnell heraus.

Neben dem Hauptact des Freitagabends liefen auch noch kleinere Veranstaltungen, eine rege Vorfreude jedoch baute sich merkbar zum traditionellen Hadmar-Vortrag am Samstagmorgen auf: Als Tempelwache verkleidet (obwohl das Kostüm ob seiner Knappheit am großen Hadmar irgendwie nicht zur Bewegung gemacht zu sein schien, die es regelmäßig aus seinen Fugen geraten ließ) unterhielt der Entertainer und DSA-Autor die Fangemeinde im rappelvollen Kinosaal mit Anekdötchen und Analysen, die jedoch gegenüber den letzten Jahren irgendwie an Konsistenz verloren: Viele Wiederholungen der letzten Jahre mit teilweise langatmigen Stellen blieben ohne rechte Aussage, die Witze leider eher Spontanlachern des Publikums als wirklichem, sprühendem und vor allem durchgängigem und die Veranstaltung tragendem Humor verpflichtet.
Da stimmt dann die Frage ans Publikum (nur eine unter vielen), ob man sich einen komödiantischen Hadmar auf CD wohl kaufen würde, eher seltsam – ein erwartungsgemäß divergentes Ergebnis rief sie hervor.

Interessant, wenn auch nicht komplett uneigennützig, war der Talentworkshop (die Atmosphäre hatte etwas von einem Casting ohne künstlich aufgebauten Druck), den FanPros Romanabteilung (früher Phoenix) ebenfalls am Samstag veranstaltete: Jungautoren konnten ihre Texte einer kritischen Jury vortragen, die entweder lobte oder konstruktive Verbesserungsvorschläge verteilte.
„Die Zukunft des Horasreiches“ wurde von Frank Batels und Thomas Römer en passant in Zusammenarbeit mit den Fans gestaltet, bis schließlich die |Gezeitenwelt|-Autoren die Aula erneut füllten: Eine Lesung aus dem zum Zeitpunkt der RatCon noch nicht erschienenen Roman „Das Traumbeben“ von Karl-Heinz Witzko sowie aus dem wohl ersten Buch, das gemeinsam von vier Autoren geschrieben wurde, stand an: Das „Geheimnis der Gezeitenwelt“ begeisterte die Anwesenden durch eine Handlung, die 500 Jahre vor dem eigentlichen Beginn der Zeit, in der die Romane der Hauptreihe liegen, spielt.

Der erfolgreiche (Shadowrun-)Autor Markus Heitz (unter anderem „Die Zwerge“ und „Der Krieg der Zwerge“) hielt am Nachmittag ebenfalls eine Fragestunde ab, die nach Fanaussagen durchaus erwartet gut besucht und ansprechend gestaltet war.

Auch der Workshop zur Zukunft des Güldenlandes / Myranors war mit den Autoren Olaf Michel, Thomas Römer, Stefan Küppers und Michael Wuttke durchaus prominent besetzt und zog entgegen der Workshops in den vergangenen Jahren auch gleich ein Zehnfaches an Fans an: Statt fünf saßen die verdutzten Autoren gleich 50 Fans gegenüber, die sich für die Zukunft der vernachlässigten Region Deres interessierten.

Neben einigen kleineren und parallel laufenden Workshops (unter anderem „DSA – Abenteuer gestern und heute“, Schreibworkshops, Improvisationsanleitungen für den Spielleiter und Spielertrainings) fand am Samstagabend die Endrunde des Drachengedächtnisquiz statt, der der Berichterstatter leider nicht beiwohnen konnte, da ein kulinarisch angehauchtes Treffen des harten Kerns der |Gezeitenwelt|-Fans mit den Autoren anstand.

Am Sonntag jedoch begeisterten die Fans vor allem die Verleihung des „Gänsekiel & Tastenschlag“-Abenteuerautorenwettbewerbes, ausgerichtet von mehreren großen Internetseiten rund um DSA, sowie die große Podiumsdiskussion: Doch auch hier waren schon einmal mehr Fans anwesend – angesichts der wenig spannenden News, die die Redaktion zu verkünden hatte und die sich hauptsächlich auf Stimmungsmache zum anstehenden „Jahr des Feuers“ sowie die Bekanntgabe der Produktreleases beschränkte, kein Wunder.

Durchgehend (und zum Ende hin mehr werdend) fand man todesähnlich aussehende Schlafleichen in den Fluren und Gängen des FHH, gespielt wurde von einigen Eiferern tatsächlich 48 Stunden nonstop und mit gehörigem Spaß. Doch auch das fast durchgängig geöffnete DSA-Museum (unter anderem mit der Supersonderdeluxespezialausgabe des |Liber Cantiones| und weiteren Spezereien) begeisterte die Fans erheblich – eine gehörige Portion Nostalgie immer im Gepäck.

Insgesamt bot die RatCon tatsächlich die angepriesenen „48 Stunden Spielspaß“ – allerdings nur für den, der imstande war, 48 Stunden Bierzeltgarnitur lebend zu überstehen. Die Atmosphäre war diesmal gut; keine Demo (mit folgender Gegendemo) wie im letzten Jahr störte die Parker und Conbesucher, die sich nichts ahnend in Richtung der „Fressmeile“, der Brückstraße, aufmachten – kurzum: Eine Großveranstaltung, die ohne merkbare Reibereien oder Probleme ablief und einige kleine Akzente in Richtung „20 Jahre DSA“ setzen konnte. Am nächsten Wochenende nach den Sommerferien NRWs steht sie wieder vor der Tür, die RatCon – wie eine verpflichtende, weil sehr angenehme Tradition.

_Alexander Noß / Firunew _
hausherr@firunews-villa.de

|Dieser Con-Bericht wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Pelot, Pierre – keltische Grab, Das

An der Universität von Rennes möchte Chloé Séverin Geschichte und Ethnologie studieren. Der Ort ist gut gewählt, denn just haben im geheimnisvollen Wald von Brocéliande groß angelegte Ausgrabungen begonnen. Ein gewaltige keltische Kultstätte wurde dort gefunden. Vor zwei Jahrtausenden haben Druiden an diesem Ort ihre mysteriösen Zeremonien abgehalten.

Was die Wissenschaftler (noch) nicht ahnen: Besagte Druiden geboten einst über einen okkulten Wachschutz. Bei Bedarf erweckten sie gegen ihre Feinde einen urzeitlichen Dämonen: die fürchterliche Furie Morrigane. Der gefiel es noch nie in ihrer privaten Hölle, die sie gar zu gern verlässt, um Mord & Schrecken über die Menschen zu bringen.

Chloé sieht sich zu ihrem Schrecken in diverse unheimliche Ereignisse verwickelt. Vor ihren Augen wird des Nachts ein irischer Gelehrter von einem Ungeheuer in Stücke gerissen. Die Polizei kann keine Spuren entdecken und tippt sich viel sagend an den Kopf. Das Monster verfolgt anschließend Chloé; besser gesagt: Es bewacht sie.

Die junge Frau hat inzwischen Freunde gefunden und macht sich daran, das Rätsel zu lüften. Der berühmte Professor Brennos scheint weitaus mehr zu wissen als er bereit ist zuzugeben. Die Archäologen der Universität finden im Fort von Brocéliande immer mehr Spuren, die zur Beunruhigung Anlass geben.

Immer deutlicher werden für Chloé die Hinweise auf ein schreckliches Geschehen, in dem sie die Hauptrolle spielt. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November berühren sich die Welten der Lebenden und der Toten: Samhain, heute Halloween genannt, ist blutige Realität. Morrigane benötigt ein letztes Menschenopfer, dann wird sie ihre Schreckensherrschaft antreten. Wer diese Rolle übernehmen soll, erfährt Chloé, als es für sie beinahe zu spät ist …

Manche Horrorromane gleichen den Spukgestalten, von denen sie erzählen: Es sollte sie eigentlich gar nicht geben, aber trotzdem existieren sie, denn sie sind verflucht. Gespenster, Dämonen und andere Bewohner der Unterwelt sind freilich unterhaltsamer als dieses Buch. Das ist außerordentlich überflüssig weil langweilig, vorhersehbar und in seiner dunklen Liebe zum abgedroschenen Klischee wahrhaft höllisch.

Grundsätzlich ist es lobenswert, dass sich europäische Unterhaltungsautoren auf ihr reiches mythologisches und historisches Erbe berufen. Der alte Kontinent birst praktisch vor fabelhaften Geschichten. Die Kelten sind ideal als Ausgangspunkt – ein hoch zivilisierter, aber immer noch wenig bekannter, fremd wirkender Verbund von Stämmen, deren kultisches Treiben heutzutage überaus bizarr und grausam anmutet.

Leider bleibt davon in der literarischen oder filmischen Umsetzung allzu oft nur das Bild hakennasiger Druidenpriester mit Rauschebart im Wallewallelaken („Modell Miraculix“), die kreischende Gefangene auf Altarsteine zwingen und mit der Sichel aufschlitzen, während wohlgestalte Tempeldienerinnen heidnisch nackt die Szene umtanzen. Auch bei Pierre Pelot läuft es letztlich genau darauf hinaus.

Bis es so weit ist, reihen sich langweilige Ankündigungen drohenden Unheils aneinander, die selbst im Halbschlaf als solche zu erkennen sind und ganz & gar nicht fesseln können. Wie üblich gibt sich die Heldin ausgesprochen dämlich; sie bleibt irgendwie die einzige, die einfach nicht begreifen will, was sich da abspielt.

Sie ist eine schreckliche Nervensäge, die arme Chloé. Ihr bleibt gar keine Alternative, denn sie muss die übliche Rolle des schönen Opfers im minderbemittelten Gruselschocker übernehmen. Chloé ist folglich vom Schicksal arg gebeutelt, trotzdem überaus reizvoll anzuschauen, aber ein „gutes Mädchen“, das viele wertvolle Gedanken (die sie den Lesern leider nicht vorenthält) bezüglich der Frage wälzt, mit wem sie denn ihr schmales Studentenlager teilen könnte. Kurz und schlecht: Chloé ist eine fade und langweilige Figur, der man schließlich insgeheim wünscht, dass ihr Schädel die Kultstätte von Brocéliande schmücken möge.

Wer sich sonst noch dort oder auf dem Campus von Chloés Uni herumdrückt, wurde ebenfalls nach Schema F geformt. Die Schurken in dem trüben Schauspiel bleiben nur für Chloé unerkannt, und dass ihre angeblichen „Freunde“ bis zum Hals im keltischen Komplott stecken, ist auch nur für sie eine Überraschung.

Was Morrigane will in der Welt des 21. Jahrhunderts, muss ihr Geheimnis bleiben. So ist das oft mit heraufbeschworenen Ungeheuern: Ihnen bleibt keine Zeit, sich über moderne Zeiten zu wundern, denn in letzter Sekunde werden sie von heldenhaften Geisterjägern zurück in die Hölle befördert. So auch dieses Mal – und das ist kein Spoiler, der erwartungsvollen Lesern den Spaß verderben könnte, sondern die traurige Realität einer Geschichte, deren Ablauf schon nach den ersten fünf Seiten absolut klar ist, bis sie in ein jämmerliches Finale mündet, das an Lächerlichkeit schwer zu übertreffen ist.

„Brocéliande“ ist das Buch zum gleichnamigen Spielfilm, der 2002 in Frankreich entstand. Unter dem Titel „Pakt der Druiden“ ist dieser auch in einer deutschen Fassung erhältlich. Regisseur Doug Headline (= Jean Manchette) schuf einen Gruselstreifen, der daheim in den Kinos floppte und in Deutschland gleich auf DVD bzw. Video veröffentlicht wurde; dort gehört er auch hin, denn da ist rein gar nichts, das dieses Werk aus der Flut ähnlicher Horrorfilme ragen lässt.

Pierre Pelot (geb. 1945) ist ein Veteran der Unterhaltungsliteratur, der sich seit vier Jahrzehnten in allen Genres tummelt. (Wer der französischen Sprache mächtig ist, findet seine sehr interessante Website unter http://perso.club-internet.fr/ppelot/index.htm.) Dass er sich nicht zu schade ist, Filmdrehbücher in Romane umzusetzen, bewies er u. a. mit dem Buch zum ungleich gelungeneren Horrorfilm „Der Pakt der Wölfe“. Vermutlich ist der Erfolg dieser Geschichte, die auch in Deutschland erschien, der Grund für die Veröffentlichung des neuen Machwerks, welches hoffentlich wie die Morrigane bald wieder vom Erdboden verschwunden ist.

Castor, Rainer – Blutvogt, Der

|Zwischen den Ränken der Berliner Patrizier und dem Schwarzen Tod versucht ein Mann sein Glück zu finden.|

_Der Autor_

Rainer Castor wurde 1961 in Andernach geboren und wurde gelernter Baustoffprüfer, bevor er seine schriftstellerische Laufbahn begann. Seine erste Veröffentlichung war innerhalb der Perry-Rhodan-Serie, für die er mittlerweile hauptberuflich tätig ist. Vorwiegend veröffentlichte er Science-Fiction-Romane; „Der Blutvogt“ ist sein erster historischer Roman.

_Inhalt_

Um 1350 tobte die Pest in Deutschland, und der junge Martin Stockmann wird zum Scharfrichter, zum Blutvogt, der Doppelstadt Cölln-Berlin ernannt.

Die Patrizier der Stadt sind in zwei Lager gespalten: Während die einen für den amtierenden Markgrafen Woldemar einstehen, halten sich die anderen an den ehemaligen Markgrafen Ludwig, der nach Woldemars scheinbarem Tod eingesetzt, aber nach mehreren Jahren abtreten musste, da Woldemar wieder auftauchte und seinen Anspruch geltend machte. Noch musste geprüft werden, ob es der „echte“ Woldemar war, doch solange verfügte er bereits wieder über sein Amt.

So kommt es zu dauernden Zwistigkeiten in Berlin, und der neue Blutvogt gerät zwischen die Parteien. Er ist zuständig für Latrinen, Scharfgericht inklusive der |Peinlichen Befragung| sowie für den Polizeidienst und die Prostitution.

Bei seinem Eintreffen in Berlin rettet er dem Lübecker Kaufmann Zirner das Leben und steht fortan in dessen Gunst, woraus sich endlich eine Freundschaft entwickelt. Nach Stockmanns Heirat mit der jungen Witwe des verstorbenen Scharfrichters gelingt es Zirner und anderen Gönnern unter den Berliner Ratsherren, den Blutvogt zum Bürger zu ernennen.

Zwar versprechen sich einige Patrizier viel von Stockmann, wollen ihn für ihre Ränke vor den Karren spannen, doch dieser ist zu klug und umtriebig; er bleibt sein eigener Herr. Immer weiter steigt er im Ansehen der Bürger, das Glück scheint vollkommen. Da erscheint ein Bruder der ansässigen Franziskaner und beginnt mit Stockmann eine freundschaftliche Beziehung, während der Martin Lesen und Schreiben lernt und weiter in der Kunst des Heilens geschult wird. Der Mönch Michael eröffnet ihm, dass er eine Vision hatte, nach der Stockmann zu etwas Höherem bestimmt sei …

Inzwischen kommt es zu offenen Zwistigkeiten zwischen den politischen Parteien, und Martin zieht den Hass der Familie Kremer auf sich und seine Frau. Als es zu einem Anschlag auf den Markgrafen kommt, gelingt es Stockmann, Woldemars Frau von einer tödlichen Verwundung zu heilen. Und trotz seiner folgenden Ernennung zum Hospitalmeister, was ihn von seinem Posten als Scharfrichter befreit, versinkt Stockmann immer tiefer im Drogenkonsum und in zum Teil schrecklichen Visionen, die schließlich ihre Erfüllung finden, als die Pest halb Berlin entvölkert und im Zuge dessen sein ärgster Widersacher, Markus Kremer, zum vernichtenden Schlag ausholt. Stockmann findet Zuflucht in seinen Visionen und auf der Suche nach dem |Heiligen Gral| …

_Kritik_

Castors Stil spaltet die Leserschaft in zwei Lager: Seine ausschweifende Art, Hintergrundinformationen einzustreuen und Details über zersplitterte Dialoge, Monologe oder Gedanken seiner Protagonisten darzustellen, findet Anklang oder führt zur Langeweile. Dabei sind seine Ideen durchaus fesselnd, nur könnte eine etwas straffere Gestaltung zu doppelter Spannung verhelfen.

So versucht er auch im „Blutvogt“, geschichtliche Zusammenhänge in unterbrechenden Gedanken unterzubringen. Darunter leiden vor allem im mittleren Teil der Erzählfluss und die Spannung, denn nach dem stetigen Aufstieg des Blutvogts im ersten Teil muss ein umso steilerer Fall erwartet werden, und der mittlere Teil zögert diesen Fall hinaus und quillt über von Daten und Hintergründen.

Die Einbindung eines mythischen Aspekts in die Handlung, eben der Heiligen Gral und die Tempelritter, macht aus dem Roman eine Mischung aus historischem und phantastischem Roman. So ist Bruder Michael ein ehemaliger Tempelritter, der die Zerschlagung seines Ordens als Jüngling miterlebte und in letzter Diensterfüllung den Ring eines Templers aus dem Inneren Kreis sowie einige diesbezügliche Literatur in Sicherheit bringt. In den Ring soll ein Stück des Grals eingefasst sein, und bei seinem Tod übergibt Michael den Ring an den Blutvogt, der sich seiner Aufgabe stellen soll.

Die Zeit nach Stockmanns tiefem Fall liest sich verwirrend und abgedreht; hier scheint der Protagonist in ständigem Drogenrausch gefangen zu sein, auf der Suche nach seinem Widersacher Markus Kremer. In seinen Visionen erlebt er Dinge, die nur einem kranken Geist einfallen können, aber dazwischen finden sich Bilder, die zur Wahrheit werden. Wo ist hier die Grenze zwischen Wahnsinn und Vision? Ist des Blutvogts letztes Opfer Teil einer wie auch immer gearteten „göttlichen Eingebung“ oder ist sein Geist verkommen zwischen Drogen und weltlichem Unglück?

Wo im ersten Teil die Spannung aus der Schilderung einer uns mittlerweile fremden Welt zwischen Hurerei, Völlerei und Gottesgläubigkeit gezogen wird, in der ein junger Mann seinen Weg entgegen aller Unbill findet, da kommt sie im letzten Teil aus der Schilderung eines verwirrten Geistes auf der Suche nach einem Mythos, der für einige Menschen vielleicht wahr geworden ist, und aus dem tragischen Schicksal, das unausweichlich auf den Blutvogt zukommt.

Dagegen bleibt der mittlere Teil, in dem Martin Stockmann scheinbar sein Ziel erreicht und sein Glück gefunden hat, etwas blass. Als Leser weiß man genau, dass dieser Zustand nicht anhalten kann, dass es zum Fall kommen muss. Doch kapitellang zieht sich dieser Abschnitt dahin mit der Schilderung geschichtlicher Zusammenhänge und Martins Schulung bei Bruder Michael bei gleichzeitiger Steigerung seines Drogenkonsums. Hier wird eindeutig, wie der Fall eingeleitet werden wird, doch muss man sich erst durch einige Seiten kämpfen, die zwar interessant in den recherchierten Daten sind, den Handlungsstrom aber abreißen lassen und die Geduld des Lesers stark strapazieren. Mit dem Eintritt der Pest fängt Castor die Spannung wieder ein und führt recht rasant zu einem unausweichlichen Ende.

Im Anhang findet sich eine ausführliche Beschreibung der Stadt Cölln-Berlin mit Skizze sowie eine ausführliche Erklärung der verwendeten altdeutschen Wörter.

_Fazit_

Trotz einiger Längen im Mittelteil ein durchaus spannendes, unterhaltsames Stück historischer Literatur, das vor allem im letzten Abschnitt mit mythischen Aspekten konfrontiert. Leider ahnt man schon lange, wie Martins Karriere zu Ende geht; im ersten Teil wundert man sich zeitweise über den Steilen Aufstieg und das erfüllte Glück des Protagonisten. Insgesamt ein guter Roman, den ich jedem Freund von mittelalterlicher Geschichte empfehlen möchte.

Eschbach, Andreas – Eine Billion Dollar

Nahezu jeder von uns hat schon einmal davon geträumt: Von einem Tag auf den anderen reich zu werden. Warum spielt man sonst Lotto oder gibt „ab und zu mal“ das Geld für einen Telefonanruf oder eine Briefmarke aus, um an einem Gewinnspiel teilzunehmen? In Eschbachs „Eine Billion Dollar“ wird das Unglaubliche wahr für jemanden, der so ziemlich in der finanziell ausweglosesten Situation steckt, die man sich vorstellen kann. Es ist hier die Rede von John Fontanelli, einem Mann Anfang zwanzig, der nach einigen beruflichen Fehlversuchen nun verzweifelt versucht, seinen Lebensunterhalt durch das Ausfahren von Pizza zu bestreiten. Per Fahrrad durch New York unterwegs, bemüht er sich so schnell wie möglich zu sein, damit er seinen Job nicht verliert. Als John allerdings eines Nachts angefahren und sein Fahrrad und die Pizzen dabei ramponiert werden, wird ihm auch diese Existenzgrundlage genommen. Völlig ausweglos, ohne Job und ohne Fahrrad, muss John feststellen, dass er nicht einmal mehr genug Geld für die U-Bahn hat, um nach Hause zu fahren.

Doch bereits einen Tag später wird dieser Miesere ein Ende gesetzt: Von einem Vorfahren aus dem 16. Jahrhundert erbt John ein Vermögen, das durch Zins und Zinseszins über die Jahrhunderte Dimensionen erreicht hat, die Johns kühnste Träume bei weitem übersteigen. Von einem Tag auf den anderen wird John Fontanelli zum reichsten Mann der Welt. Doch ebenso gigantisch wie das Vermögen ist auch die Bürde, die John damit auferlegt wird. Er soll laut Prophezeiung seines Urahns den Menschen ihre verlorene Zukunft zurückgeben.

Die Frage, was man mit so viel Geld – außer sich seine Träume zu erfüllen – auch noch Sinnvolles bewirken kann, ist nicht einfach zu beantworten. Es gibt zahlreiche Probleme auf der Welt, die mit Geld auf den ersten Blick einfach zu lösen wären. Doch kann man so den Menschen ihre verlorene Zukunft wieder geben? Dies ist eine Frage, die beim Lesen unentwegt in mir brannte und bewirkte, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Doch es ist eine Geschichte, die nicht nur fesselt. Sie regt auch zum Nachdenken an über die bestehenden Verhältnisse unserer Zeit. Darüber, ob |wir| eine Zukunft haben. Es gibt zahlreiche Prognosen, die ein Zweifeln daran begründen. Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung, Zerstörung des Regenwaldes sind nur kleine Beispiele dessen. Zudem erfährt man einiges über die Macht des Geldes in unserer Zeit, beispielsweise, was das Vermögen John Fontanellis mit der Existenz eines Fischers auf den Philippinen zu tun hat. Sehr interessant sind auch die Angaben der Seitenzahlen in Milliardenhöhe, zum Teil mit Informationen über diesen Summen entsprechende Wirtschaftsausgaben versehen, die mächtig ins Staunen versetzen.

Mit „Eine Billion Dollar“ hat Eschbach eine geniale Idee sehr spannend und mitreißend verfasst, nicht nur für SF-Fans. Längen und Schnitzer fielen mir dabei nicht auf. Die umfassenden Recherchen, die er dazu betreiben musste, haben sich gelohnt. Man kann das Geschehen, trotz Komplexität und wirtschaftlicher Fachtermini, nachvollziehen und sich besonders aufgrund der Belege vorstellen, dass Derartiges tatsächlich geschehen könnte.

Sehr authentisch sind auch die darin vorkommenden Charaktere. Beispielsweise die arme Wurst John Fontanelli, der plötzlich zum Billionenerben wird und nicht recht weiß, wie er sich in der Welt der Reichen zurechtfinden soll und ob er überhaupt der Richtige ist für eine solch anspruchsvolle Aufgabe, wo er doch bisher noch praktisch nichts in seinem Leben erreicht hat. Auch McCaine, Fontanellis rechte Hand, stellt einen interessanten Charakter dar. Durch Zufall erfährt er schon Jahre zuvor von der gigantischen Erbschaft und verwendet von nun an all seine Zeit und Kraft darauf, Fontanelli bei der Erfüllung der Prophezeiung zu leiten und zu unterstützen. Doch ist er wirklich der, der er zu sein scheint? Die Vaccis, eine Anwaltsfamilie, die das Vermögen über all die Jahrhunderte hinweg verwaltet hat, geleitet von dem Glauben an die Prophezeiung Fontanellis, trauen ihm jedenfalls nicht.

_Über den Autor_

Andreas Eschbach wurde am 15.9.1959 in Ulm geboren. Er studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, gab das Studium aber ohne Abschluss auf. In den folgenden Jahren arbeitete er als Software-Entwickler und später in geschäftsführender Position bei einer Beratungsfirma. Im Frühjahr 1995 erschien sein erster Roman „Die Haarteppichknüpfer“, der in weiten Kreisen als sein bisher bestes Werk angesehen wird. Neben weiteren Erzählungen und Romanen wie „Das Jesus-Video“ und „Der Letzte seiner Art“ brachte Eschbach im Jahre 2001 seinen bis dato ambitioniertesten Roman „Eine Billion Dollar“ unter das Volk. Inzwischen lebt und arbeitet er in der Bretagne.

Hamilton, Steve – Himmel voll Blut

Paradise ist ein winziger Flecken im US-Staat Michigan. Hierher ist der Ex-Baseballprofi und Ex-Polizist Alex McKnight nach diversen beruflichen und privaten Schicksalsschlägen gezogen und führt ein zurückgezogenes Dasein als Vermieter einiger Jagdhütten. Eine kurze Episode als Privatdetektiv endete ebenfalls in einem Fiasko: McKnight ist fertig mit der Kriminalistik und mit dem Leben.

Die selbst auferlegte Klausur endet, als Vinnie „Roter Himmel“ LeBlanc, McKnights indianischer Nachbar und Freund, ihn um Hilfe bittet. Sein Bruder Tom steckt wieder einmal in Schwierigkeiten. Er ist als Begleiter einiger Jäger in die kanadischen Wälder gezogen und dort verschwunden. McKnight soll LeBlanc bei der Suche helfen.

Der Freund schlägt ein; man macht sich auf zum Lake Agawaatese in der Provinz Ontario. Dort erfährt man Unerfreuliches: Tom ist in eine üble Gesellschaft gewalttätiger, heftig trinkender Zeitgenossen geraten, die offenbar dem Unterweltmilieu nahe stehen. Schlimmer noch: Der Jagdführer und seine fünf Begleiter sind spurlos verschwunden.

Alex und Vinnie beginnen beherzt mit Nachforschungen. Binnen kurzer Zeit haben sie die örtliche Polizei verärgert, die sich ungern von Detektiv spielenden Ausländern überrumpeln lässt. Doch als in einem Waldstück der sorgfältig versteckte Wagen der vermissten Jäger gefunden wird, muss auch der misstrauische Constable DeMers zugeben, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht.

Auf eigene Faust untersuchen Alex und Vinnie die einsam gelegene Hütte der Jagdgesellschaft. Dort finden sie Tom und seine Gefährten – grausam ermordet und nicht tief genug begraben. Der Schock ist noch nicht überwunden, da geraten sie in einen Hinterhalt. Ohne Waffen und Nahrung werden sie von unsichtbaren Mördern durch den Wald gehetzt, die alles daran setzen, die lästigen Mitwisser neben die anderen Leichen zu legen …

Womit nur der erste Höhepunkt dieses erstaunlichen Thrillers erreicht ist. Wo andere Autoren bereits auf die Zielgerade einbiegen, setzt Steve Hamilton erst richtig zum Höhenflug an. Noch mehrere aufregende Höhepunkt werden folgen, bis der Bodycount im Finale bei elf (!) Leichen steht.

Dabei bietet „Himmel voll Blut“ alles andere als eine simple Metzelstory. (Der Unheil verkündete Titel ist übrigens die Übersetzung eines indianischen Personennamens.) Selten gelingt es einem Kriminalschriftsteller, so viele Bluttaten als Kette bizarrer, aber in ihrer konsequenten Sinnlosigkeit beklemmender Ereignisse zu schildern. Die elf Menschen sterben sämtlich aus den „falschen“ Gründen. Die scheinbaren Schurken sind hier oft Opfer, im falschen Moment am falschen Ort, ihre Mörder eigentlich unzurechnungsfähig. Gewalt gebiert Gewalt: Eindrucksvoll weiß Hamilton diese uralte Binsenweisheit mit Leben zu erfüllen.

Die kanadische Wildnis stellt die grandiose Kulisse der schaurigen Handlung dar. Auch hier weicht Hamilton vom Klischee ab: „Natur“ ist für ihn kein Ort, der den Menschen Willkommen heißt. Ganz im Gegenteil; die Idylle verwandelt sich rasch in eine Hölle, geht ihr Besucher seiner Hilfsmittel und Waffen verlustig. Das schließt die indianischen Mitspieler unseres Dramas jederzeit ein. Sie sind eben keine „edlen Wilden“, die im süßlichen Einklang mit Mutter Erde am liebsten dem Rauschen der Bäume lauschen, sondern schätzen die Errungenschaft der ökologisch unkorrekten Zivilisation durchaus sehr.

Wie Volker Neuhaus (der „Himmel voll Blut“ auch übersetzt und den lakonischen Witz des Originals bewahrt hat) in seinem Nachwort schreibt, tritt Steve Hamilton in große Fußstapfen. Die Konfrontation des Entdeckers und Siedlers mit der unbekannten Natur ist ein Topos der nordamerikanischen Literatur. Kein Wunder, denn bis der riesige Kontinent in alle Richtungen „erobert“ war, gehörte die Auseinandersetzung mit wenig erfreuten Ureinwohnern, wilden Tieren, extremen Wetterverhältnissen und anderen Widrigkeiten zum Alltag in den USA und Kanada. Das musste zwangsläufig Spuren auch in der Kunst hinterlassen. Neuhaus nennt die „Lederstrumpf“-Saga (1823-41) von James Fenimore Cooper als ein Vorbild für „Himmel voll Blut“. Große Worte, aber Parallelen lassen sich in der Tat erkennen.

Diese Abenteuer-Tradition verknüpft Hamilton nun mit dem ebenfalls ehrwürdigen Genre des Detektivromans. Der „Private Eye“ tritt in den USA seit jeher agiler auf als sein europäischer Kollege. Er ist außerdem eher im gesellschaftlichen Randbereich zu finden. In gewisser Weise verkörpert er so den unabhängigen, für Recht & Ordnung sorgenden „Westerner“ der alten Pioniertage – ein Idealtyp, den es so wohl niemals gab, der aber dank Literatur und später Film zur gern eingesetzten Heldenfigur wurde.

Wobei dieser Held im 21. Jahrhundert kein strahlender mehr sein kann. Die Gegenwart ist zynisch geworden und schätzt ihre Idole mit Kratzern und Schwächen; das lässt sie „menschlicher“ wirken. Alex McKnight erfüllt diese Voraussetzungen perfekt. Er ist einsam, arm, ohne Rang und Namen. An einem öden Ort hat er sich verkrochen, nachdem seine Karriere gescheitert, jeder Neubeginn misslungen und sein Privatleben nicht mehr existent ist. Wie eine Maschine versucht er sein Leben zu führen, das allmählich aus der Bahn zu geraten beginnt.

Alex McKnight macht sich etwas vor: Er flüchtet vor dem Leben, aber das Leben wird ihn stets finden. Deshalb ist er eigentlich froh, als ihn Freund Vinnie um Hilfe bittet. Ein ausgeprägtes Helfersyndrom wurde McKnight ohnehin aufgeprägt – schon der Name verrät es dem Kundigen! Jetzt kann er seine brachliegenden Energien endlich wieder auf ein Ziel bündeln. Kein Wunder, dass er Vinnie mit manchmal masochistisch anmutender Leidensbereitschaft bis zum bitteren Ende folgt.

Auf seine Weise leidet Vinnie LeBlanc unter ähnlichen Problemen wie sein Freund. Er ist Indianer, was ihn in einem mittelmäßigen Roman als politisch korrektes Zerrbild hätte enden lassen: der gute amerikanische Ureinwohner, vom bösen Bleichgesicht in Vergangenheit, Gegenwart & Zukunft verdrängt, betrogen und entmündigt.

Stattdessen ist Vinnie LeBlanc vor allem ein Mann, der in den USA lebt und zufrieden damit ist. Im Grenzgebiet zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada arteten die Auseinandersetzungen zwischen Weiß und Rot niemals so dramatisch aus wie im Westen. Deshalb leben beiden Rassen schon lange neben- und sogar miteinander. Nicht Rassismus ist daher Vinnie LeBlancs größtes Problem, sondern seine aufdringliche Verwandtschaft, vor der er aus dem Reservat geflüchtet ist, wo ein einträgliches Kasino ihm und seinem Stamm ein Leben in Wohlstand und Sicherheit bietet.

Die mit knochentrockenem Humor geführten Wortgefechte zwischen McKnight und LeBlanc gehören zu den Glanzlichtern des Romans. Sie verraten aber auch viel über die Sprachlosigkeit der Kulturen: Zwischen den „alten“ und den „neuen“ Amerikanern herrscht eher Waffenstillstand als Frieden.

Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den US-Amerikanern und ihren kanadischen Nachbarn. Witze über Kanada gehören zum Standardrepertoire amerikanischer Komödien. Hamilton vermeidet jede Klamotte, aber er verschweigt nicht die Probleme, die aus der Rivalität zweier kulturell sehr unterschiedlicher Riesenstaaten entstehen, und nutzt sie geschickt für seine Story.

Steve Hamilton ist ein Mann, der entweder die Arbeit oder ein sicheres Einkommen liebt. Obwohl inzwischen als Schriftsteller erfolgreich, hat er seinen „richtigen“ Beruf nicht aufgegeben und ist weiterhin für den Konzern IBM tätig. Sein Herz gehörte – man liest dies wohl in jeder Autorenbiografie – jedoch seit jeher dem Fabulieren. Schon mit zwölf Jahren schickte er (erfolglos) eine erste Kurzgeschichte an das „Ellery Queen Mystery Magazine“. Seine berufliche Zukunft trieb ihn freilich wie bereits erwähnt in eine ganz andere Richtung.

Nach zehn Jahren Tätigkeit für IBM ließ sich der alte Traum vom Schreiben nicht länger unterdrücken. Hamilton belegte Kurse in einer Schreibwerkstatt. Als er damit begann, einen ersten Roman zu verfassen, ging er zielorientiert vor: Ein großer Verlag lobte für den besten Krimi eines Nachwuchs-Autoren einen Preis aus und – was noch wichtiger war – versprach die Veröffentlichung. Hamilton schrieb „A Cold Day in Paradise“ (1998; dt. „Ein kalter Tag im Paradies“), die ersten Alex McKnight-Geschichte, und gewann – auch solche Geschichten werden gern erzählt – den Wettbewerb!

Besagter Roman wurde auf Anhieb ein Verkaufserfolg. Die Kritiker liebten das Buch ebenfalls. „A Cold Day in Paradise“ gewann mit dem „Edgar Award“ und dem „Shamus Award“ gleich zwei der renommiertesten Thriller-Preise und stand auf der Vorschlagsliste für weitere.

Der Erfolg ist Steve Hamilton (der übrigens mit Frau und Familie im US-Staat New York lebt) seither treu geblieben, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich der Autor seit seinem gefeierten Erstling stetig gesteigert hat. „Blood in the Sky“, immerhin schon Band 5, gilt als der beste der Serie.

Steve Hamilton informiert über sich und sein Werk auf einer eigenen Website: http://www.authorstevehamilton.com

Die Alex-McKnight-Serie …
… erscheint in Deutschland in „DuMonts Kriminal-Bibliothek“:

1. A Cold Day in Paradise (1998; dt. „Ein kalter Tag im Paradies“) – KB Nr. 1103
2. Winter of the Wolf Moon (2000, dt. „Unter dem Wolfsmond“) – KB Nr. 1106
3. Hunting Wind (2001; dt. „Der Linkshänder“) – KB Nr. 1111
4. North of Nowhere (2002; dt. „Nördlich von Nirgendwo“) – KB Nr. 1121
5. Blood Is the Sky (2003; dt. „Himmel voll Blut“) – KB Nr. 1128
6. Ice Run (2004; noch kein dt. Titel)

Kött, Andreas – Systemtheorie und Religion. Mit einer Religionstypologie im Anschluss an Niklas Luhmann

Luhmanns Systemtheorie erhebt den Anspruch, Universaltheorie zu sein, wobei in ihrer systematischen Welt für den Begriff des Menschen kein Platz mehr ist. Luhmann hatte ein neues Paradigma der Welt- und Selbsterklärung überhaupt formuliert und versuchte, das „alteuropäische“ Denken, die Metaphysik und die Bewusstseinsphilosophie zu überwinden. Kein Wunder, dass sich deswegen in den letzten Jahren auch die Philosophie mit der soziologischen Systemtheorie auseinandersetzte, was aber bislang nicht dazu führte, dass ein größeres Werk der Gegenwartsphilosophie von der Systemtheorie geprägt worden wäre.

Die vorliegende Arbeit versucht erstmals kompakt, aus religionswissenschaftlicher Sicht an Luhmann heranzugehen. Luhmann hatte seine Religionsbestimmung hauptsächlich auf der Basis der jüdisch-christlichen Religion vorgenommen und hier wird nun untersucht, ob sich seine Bestimmungen auch auf andere Religionen übertragen lassen. Immerhin lässt sich durch die funktionale Methode extrem Ungleiches vergleichen und die Umwelt, wie wir sie wahrnehmen, ist sowieso immer unsere Erfindung. Viele Argumente werden in den letzten 30 Jahren gegen die Systemtheorie Luhmannscher Prägung vorgebracht, aber der größte Teil von ihnen konnte nicht aufrechterhalten werden. Die empirische Basis der Systemtheorie verweist immer auf Transzendenz, kann diese jedoch nicht begreifen. Transzendentale Theorien setzen sich dann der Kritik aus, wenn sie ihre transzendentalen Ursache bestimmten.

Auf 120 Seiten baut der Autor zunächst in sehr kompakter Weise die Grundlagen der soziologischen Systemtheorie auf, und dies sogar in überraschend verständlicher Art. Danach bezieht er sich auf den von Luhmann posthum veröffentlichten Aufsatz „Das Medium der Religion. Eine soziologische Betrachtung über Gott und die Seelen“ aus dem Jahr 2000.

Die Bestimmung dessen, was Religion ist, beschäftigt die Religionswissenschaftler seit Ende des 19.Jahrhunderts, aber sie vermochten noch keine überzeugenden Antworten zu geben. Mit dieser Untersuchung verlässt jetzt die bislang vorherrschende atheistische Tendenz der Soziologie ihre Position und nähert sich dem an, was eigentlich ihr Begründer August Comte schon wollte, indem er die Soziologie zur neuen Religion – zur heiligen Kirche des Positivismus – erhoben hatte. Und perfiderweise hat auch der moderne kapitalistische Staat aus ganz eigenen Gründen Interesse am Bestehen der Religion. In Zeiten, in denen Sozialversicherungen immer weniger finanzierbar sind, hat man nicht nur in kapitalistischen Ländern den Wert der Kirchen für die Lösung des Problems der Ausgeschlossenen wiederentdeckt. Dies gilt vor allen Dingen für die USA unter ihrem derzeitigen Präsidenten George W. Bush, der angekündigt hat, die Leistungen des Sozialversicherungssystems deutlich zurückfahren zu wollen. Die dann zu erwartende Zunahme der aus der Gesellschaft Ausgeschlossenen soll durch religiös motivierte Suppenküchen und ähnliche Einrichtungen, die ohne jegliche staatliche Zuschüsse auskommen müssen, aufgefangen werden. Anknüpfend an das amerikanische Vorbild werden in Europa das Stiftungswesen und das Ehrenamt aufgewertet.

In anderen Gesellschaften haben die angestammten Religionen noch nicht den Bedeutungsverlust erfahren, den sie in den westlichen Industrienationen zu verzeichnen haben. Gerade die faktische Unmöglichkeit des Christentums, sich von der Moral zu trennen, bereitet den Nährboden für die Einführung asiatischer Religionen und die Gründung neuer religiöser Bewegungen. Zwar kommt es bei den „eingesessenen“ Religionen auch mehr zum Fundamentalismus, aber der zeichnet sich nicht durch fundamentalen Glauben aus, der einen Rückgriff auf die Tradition darstellen würde, sondern sein Ursprung ist intellektueller Natur. Der orthodoxe Anstrich ist reine Rhetorik. In Wahrheit ist der Fundamentalismus ein Forum, in dem Intellektuelle in der modernen Welt einen Standort suchen. Der Katholizismus ist dabei am degeneriertesten, seine Messen sind nur noch Folklore. Eigentlich gibt es für alle Offenbarungsreligionen keine Zukunft mehr, denn ein ausschließlich auf Offenbarung gestützter Glaube ist heute nicht mehr wahrheitsfähig. Religion ist gesellschaftlich nicht mehr zu begründen, sondern nur noch als subjektive Gotteserfahrung. In Deutschland verzeichnen die beiden christlichen Hauptkirchen seit einigen Jahrzehnten entsprechend sechsstellige Austrittszahlen.

Siehe auch: Niklas Luhmann, [„Einführung in die Systemtheorie“ 639

Clive Cussler – Die Troja-Mission [Dirk Pitt 17]

Das Karibische Meer wird von Wirbelstürmen und Giftschlamm heimgesucht. Ermittlungen deuten darauf hin, dass ein Geheimbund aus uralten Zeiten nach der Weltherrschaft greift … – Troja ist eigentlich in England untergegangen, Odysseus kam immerhin bis Amerika, und die keltischen Druiden haben den Römern eine Nase gedreht – Dies sind nur einige der spektakulären Details, aus denen Clive Cussler 17. Dirk-Pitt-Garn spinnt. Einmal mehr bietet dieses fröhlichen Abenteuer-Unfug mit Hightech-Thriller-Elementen, der sich flott liest und gelesen werden muss, damit die holprige Handlung gähnende Logikschluchten überwindet.
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Asimov, Isaac – frühe Foundation-Trilogie, Die

„Die frühe Foundation-Trilogie“ – das sind drei Romane aus den frühen fünfziger Jahren, die später von Asimov in das berühmte Foundation-Universum eingeordnet wurden. Die Romane sind im Grunde eigenständige Konzeptionen, weshalb sich auch einige Widersprüche zum bekannten Foundation-Zyklus ergeben. Das stört jedoch nicht wirklich, es bieten sich für Insider vielmehr einige Blicke in die Entstehung dieses Universums, für „Uneingeweihte“ hingegen ist auch kein Vorwissen nötig.

Der erste Geschichte, „Ein Sandkorn am Himmel“, handelt von einem Mann aus den fünfziger Jahren, der durch ein unerklärtes Phänomen einige tausend Jahre in die Zukunft versetzt wird. In dieser Zukunft ist die Erde nur ein unbedeutender Randplanet im gigantischen galaktischen Imperium. Der Anspruch der Erde als „Ursprungswelt der Menschheit“ wird von der übrigen Galaxis lächelnd ignoriert, die menschliche Zivilisation hat sich endgültig von ihren Wurzeln gelöst. Die Erdenbewohner hingegen klammern sich an ihre mythische Vergangenheit und pflegen ihren uralten Hass gegenüber dem Rest der Galaxis. Angesichts der bedrückenden Übermacht des galaktischen Imperiums können sie jedoch wenig tun, außer ihren Hass der nächsten Generation zu vererben. Bis eines Tages das Kräfteverhältnis durch eine neue Entdeckung radikal in Frage gestellt wird …

Der zweite Roman handelt ebenfalls vom Konflikt zwischen der Erde und dem Rest der Galaxis. Hier dreht sich alles um die Jagd nach einem rätselhaften Dokument aus der irdischen Vergangenheit. Die verschiedensten Blöcke und Machtgruppen der Menschheit sind hinter diesem einen Schriftstück her. Doch niemand weiß genau, worum es sich dabei handelt. Verlorenes technologisches Wissen, Anleitungen zum Bau einer Wunderwaffe oder etwas ganz anderes? Sicher ist nur eines: Das Dokument hat die Macht, das Leben aller Menschen der Galaxis zu verändern.

Im dritten Roman geht es um die Unterdrückung eines ganzen Volkes. Die Menschen des Planeten Florina werden von der Bevölkerung des Nachbarplaneten seit Jahrhunderten brutal unterdrückt. Denn nur auf Florina wächst ein wertvoller Pflanzlicher Rohstoff, das Kyrt. Dieser Stoff sichert den Unterdrückern ein sorgenfreies Leben und den Unterdrückten die ewige Sklaverei. Bis eines Tages das Geheimnis des Kyrt gelüftet wird. Die Basis der Knechtschaft beginnt zu bröckeln, und Florina bekommt die erste echte Chance auf Befreiung.

Diese drei Romane sind typische Produkte aus Asimovs früher Schaffensphase, sie spiegeln alle Stärken und Schwächen der SF der Fünfzigerjahre wieder. Einerseits machte das Genre damals einen Sprung aus dem Ghetto heraus, aus reinen Action-Reißern mit technokratischen Heilsversprechungen wurden differenziertere Romane mit verschiedenen Handlungsebenen und lebendigen Charakteren. Andererseits stand der wirkliche Bruch mit der Vergangenheit noch aus. Meist findet man das Amerika der 50er lediglich in die Zukunft verlängert, auch in zehntausend Jahren erscheint das Einfamilienhaus mit gepflegtem Vorgarten als Gipfel der Zivilisation.
Auch die vorliegende Neuauflage unterstreicht diese Kontinuität durch das riesige phallusförmige Raumschiff auf dem Titelbild. Gekonnter hätte man die Schwächen des damaligen Genres kaum darstellen können, obwohl es sich bei dieser Wahl wohl eher um unfreiwillige Komik handelt.

Einen wirkliche Bruch mit der alten SF brachte dann jedoch die „New-Wave“ der ausgehenden sechziger Jahre. Autoren wie John Brunner unterzogen damals die Wirklichkeit einer viel grundlegenderen Kritik und stellten die bestehenden Werte einschließlich des verbreiteten Fortschrittsoptimismus radikal in Frage.

Dennoch – mit Asimov machte die SF damals einen großen qualitativen Sprung, auch wenn uns viele seiner Ideen heute recht naiv erscheinen mögen. Daher lohnt sich die Lektüre dieser Romansammlung durchaus, sie bietet die Gelegenheit, ein einmaliges Kapitel der SF-Geschichte zu erfahren.

_Ralf Hoffrogge_ © 2001
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|