Schlagwort-Archiv: Lübbe Audio

Gablé, Rebecca – Siedler von Catan, Die (Lesung)

_Turbulente neue Welt Catan: actionreiche Abenteuer_

Die christlichen Völker schreiben etwa das Jahr 850: Die Bewohner von Elasund, einem Küstendorf im hohen Norden, leben vom Fischfang und dem, was sie ihren kargen Feldern in drei kurzen Sommermonaten abzuringen vermögen. Doch als die feindlichen Turonländer das Dorf überfallen, das Vieh stehlen und die Frauen rauben, erkennen die Ziehbrüder Candamir und Osmund, dass ihre Tage in der alten Heimat gezählt sind. Auch Osmunds Onkel Olaf, ein weit gereister Kauffahrer, plädiert dafür, im westlichen Meer ein neues Land zu suchen.

Nach einem bitteren Hungerwinter bricht die ganze Dorfgemeinschaft mit neun Schiffen zu einer beschwerlichen Seereise auf. Nach drei Wochen schließlich verschlägt ein Sturm die Auswanderer an die Nordwestküste jener Insel, die sie bislang nur aus der Sage kannten: Catan. Odin, erzählt die Legende, habe dieses Land einst erschaffen, um eine schöne Albentochter zu entzücken, und deshalb habe er es vollkommen gemacht. Voller Hoffnung erkunden die Siedler die große Insel, roden Wälder und bestellen den fruchtbaren Boden. Alle Not könnte ein Ende haben, hätten sie nicht ihre Vergangenheit und ihre Zwistigkeiten aus der alten Heimat mitgebracht … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Rebecca Gablé, 1964 in einer Kleinstadt am Niederrhein geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Lehre als Bankkauffrau. Diesen Beruf übte sie einige Zeit auf einem Stützpunkt der Royal Air Force aus, wo sich ihr Interesse für England vertiefte. 1990 schrieb sie ihren ersten Roman und begann danach ein Literaturstudium in Düsseldorf, wobei sie sich zunehmend auf die Mediävistik – die Lehre vom Mittelalter – konzentrierte. Seit 1996 ist sie freie Schriftstellerin und Literaturübersetzerin.

1995 erschien ihr Krimi „Jagdfieber“, der dann auch für den „Glauser“-Krimipreis nominiert wurde. Sie trat der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur – dem Syndikat – bei, dessen Sprecherin sie derzeit ist und gehört dem Verband deutscher Schriftsteller an.

Sie lebt mit ihrem Mann unweit von Mönchengladbach auf dem Land und reist oft und gerne in die USA und nach Großbritannien. Neben dem Lesen ist Musik ihre bevorzugte Freizeitbeschäftigung. Sie spielt selbst Klavier und singt manchmal in einer Rockband. (zitiert nach: |buchkritik.at|)

Nach den Bestsellern „Das Lächeln der Fortuna“, „Das zweite Königreich“ und „Der König der purpurnen Stadt“ ist „Die Siedler von Catan“ ihr vierter historischer Roman. Der Hintergrund ist an das gleichnamige Spiel angelehnt. Im Herbst 2005 erscheint ihr fünftes Historienepos „Die Hüter der Rose“.

_Der Sprecher_

Martin May, 1961 in Coburg geboren, wurde bereits mit 18 Jahren von Rudolf Noelte als Schauspieler entdeckt. Es folgten über hundert weitere Rollen bei Film, Fernsehen und Theater, unter anderem in Wolfgang Petersens Welterfolg „Das Boot“. May lebt mit seiner Familie bei Hamburg.

_Handlung_

Die Story kommt sofort mit einer Actionszene in die Gänge: Die Turonländer überfallen das Dorf Elasung, in dem die zwei Hauptfiguren des Buches leben: Candamir Oleson und sein Freund Osmund. Sie können weder verhindern, dass es viele Tote und Verletzte gibt, noch dass die große Scheune abbrennt. Lediglich Candamirs Bruder Hakon lässt sich retten. Später taucht Candamirs Schwester Asta mit einem ungeborenen Kind auf, verstoßen vom Stamm ihres Mannes. Es wird ein verdammt harter Hungerwinter.

In den langen Nächten erinnern sie sich mancher Geschichten versprengter Seefahrer, die ein Sturm bis in den Äußersten Westen verschlagen hatte, wo sie dann auf unbekanntes, leeres Land gestoßen waren. Im Frühjahr bauen sie Schiffe, um dorthin zu gelangen. Bevor es losgeht, muss die alte Schamanin Brigitta das Runenritual ausführen, um günstige Vorzeichen zu finden. Zum Glück hat Candamir Brigittas Sohn nicht im Zweikampf getötet – sonst würden die Vorzeichen wohl ungünstig ausfallen.

Bei einem Zwischenstopp in König Knuts Land verrät dessen Frau Siglind Candamir, dass Knuts Leute Candamirs Gefährten an Land betäubt hätten, um die Schiffe zu rauben. Siglind, die einst von Knut geraubt worden war, will mit Candamir in die Freiheit segeln. Mit knapper Not gelingt die Flucht vor den Verfolgern. Auf dem Schiff unterrichtet Candamirs britischer Sklave Austin Hakon und Siglind. Wie Austin glaubt auch Siglind an den dreifaltigen Gott der Christen.

Die Fahrt führt über Norwegen, Schottland, Irland und die Bretagne auf den Atlantik hinaus, wo mehrere Stürme die kleine Flotte versprengen. Acht Tage bläst sie der Sturm nach Westen und fordert 14 Tote, danach kehrt er zurück. Candamirs Schiff läuft auf ein Riff auf und sinkt. Immerhin kann sich die Besatzung an Land retten: Catan – Odins Paradies, wie die alte Brigitta erklärt.

Und so entstand Catan einst: Göttervater Odin warb um eine schöne Frau namens Tanuri, doch sie forderte von ihm ein vollkommenes Land, in dem sie leben könne. Er schuf Tanuris Insel, doch die Umworbene fand immer weitere Mängel, weil es das perfekte Land nicht geben kann. Also entrückte Odin diese Insel der besiedelten Welt.

Ist Catan also das Paradies? Wohl doch nicht. Kommende Konflikte künden sich an. Candamirs Sklavin bekommt ein Kind von ihm und will geheiratet werden. Er will aber lieber die schöne Siglind zur Frau nehmen, was dann auch nach langem Hin und Her klappt. Da sie Christin ist und nicht dem Stamm angehört, muss Candamir nicht nur seine Glaubensüberzeugung ändern.

Außerdem landen die Mannen um Olaf und seinen Sohn Jared in Catan. Sie beharren auf der Verehrung der alten Götter und der Befolgung der überkommenen Sitten und Bräuche – wozu auch der sexuelle Missbrauch von Sklaven gehört. Candamir, Hakon und Siglind haben sehr unter Olaf & Co. zu leiden. Tatsächlich spaltet sich der Stamm in zwei Kulturen auf, von denen das Jared-Volk in Höhlen unter der Wüste lebt.

Wer Sieger bleibt, ist über Jahre hinweg offen, doch „es kann nur einen geben“, wie es so schön heißt. Und so ist für eine Menge Action, Liebe und Leidenschaft gesorgt.

_Mein Eindruck_

|Catan, das Gelobte Land|

Das klingt nach einem Abenteuergarn alter Schule, doch tatsächlich gibt es in all dem turbulenten Geschehen auch einen ernstzunehmenden Faden: Es geht um die Errichtung eines reformierten Gemeinwesens, das sich von überkommenen Werten und Sitten abkehrt. Das erinnert doch stark an die Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika im 17. und 18. Jahrhundert.

|Die Revolution von Catan|

Der Unterschied ist jedoch, dass diese „Revolution von Catan“ bereits im 10. oder 11. Jahrhundert stattgefunden haben muss, als die Wikinger zahlreiche Kolonien gründeten – in der Normandie, auf Sizilien, in Russland. Der Konflikt zwischen nordischem Götterglauben und neuem christlichem Glauben war vorbestimmt und wird denn auch in Catan bis aufs Blut ausgetragen.

|Ein cooler neuer Gott?|

Es ist nun nicht so, dass die Hauptfigur Candamir über Nacht sagt: „Hey, Sklave, das ist ein cooler Gott, von dem du faselst – den übernehme ich.“ Vielmehr ist es für ihn ein langer Prozess von Versuch und Irrtum, bis er von alten Sitten und Bräuchen lässt. Er beginnt, die Werte von Austin und Siglind, den beiden Christen, zu akzeptieren. Auch Hakon, sein Bruder, ist als Austins Schüler beeinflusst. Die Kluft macht sich im täglichen Leben, wie etwa der Sklavenhaltung, bemerkbar. Auch gegen die Schamanin gilt es sich durchzusetzen. Und mit Olafs Sippe bricht offener Krieg aus. Selbst ein Exodus garantiert nicht, dass die christlich gesinnte Sippe überlebt, denn Olafs Arm reicht weit.

|Mittelalter, eine Zeit des Umbruchs|

Rebecca Gablé versteht sich als Dozentin für mittelalterliche englische Literatur auf die authentische Darstellung mittelalterlicher Denk- und Lebensweisen. Anders als man lange Zeit dachte, war das Mittelalter eine tumultreiche Epoche, in der das europäische Erbe des christlichen Königs Karls des Großen von schweren Erschütterungen wie dem Mongolensturm (ca. 1250) und dem Konflikt zwischen Kaiser und Papst während der Kreuzzüge gekennzeichnet war, während England den Wikingern bzw. Normannen (= Nordmänner) in die Hände fiel. Feudalstaaten wie Frankreich und Großbritannien bildeten sich heraus, bis die Pest im Jahr 1348 fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung dahinraffte. Der Fortschritt verlagerte sich in die italienischen Stadtstaaten, die vom Exodus der Byzantiner nach dem Fall Konstantinopels 1453 profitierten: Die Renaissance begann.

|Jugendfrei?|

Genau wie die Sitten jener Zeit ganz schön rauh waren, so spielt sich auch das Leben in „Die Siedler von Catan“ nicht immer friedlich ab. Öffentliche Züchtigungen, Zweikämpfe, Überfälle und Vergewaltigungen scheinen selbst im gelobten Land an der Tagesordnung zu sein. Nicht, dass gegen Realismus in sexuellen Dingen etwas einzuwenden wäre, doch muss sich die nicht jugendfreie Darstellung auch auf die Vergewaltigung männlicher Sklaven erstrecken? Eltern seien entsprechend gewarnt.

|Der Sprecher|

Martin May ist offensichtlicher Routinier in Sachen Sprechen und Vortrag. Seine Lesung, die kaum einmal mit Musik oder Sound unterlegt ist, überzeugt durch eine deutliche Aussprache, hervorhebende Pausen und eine sympathische Satzmelodie. Es gibt Sprecher, die ihren Text einfach herunternudeln, ohne auf Betonung und Pausen zu achten. May gehört zum Glück nicht dazu. Die 440 Minuten (über 7 Stunden) sind solcherart durchaus zu ertragen, und mit Spannung legt man die nächste CD ein.

_Unterm Strich_

„Die Siedler von Catan“ ist die literarische Form des bekannten Spiels. Die Autorin Rebecca Gablé hat sich einen möglichen Handlungsverlauf herausgepickt und weitergesponnen. Wie schon der Beginn der Saga, ist auch der weitere Verlauf in Catan von turbulenten Konflikten gekennzeichnet. Nicht Friede, Freude und Eierkuchen herrschen hier, sondern der Zwist zwischen zwei gegensätzlichen Göttern – dem christlichen und dem nordischen – sowie ihren jeweiligen Anhängern. So war das ja schon bei den amerikanischen Pilgervätern, die vor religiöser Verfolgung in England flohen.

Gablés Buch ist besonders in der gekürzten Hörbuch-Fassung geprägt von Liebe, Leidenschaft und Kampf, aber auch die unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen kommen deutlich zur Geltung. Realistische Darstellung von Sex und Gewalt jedoch veranlasst mich, Eltern entsprechend zu warnen: Diesen harten Stoff sollte man nicht unbedingt Kindern antun, sondern warten, bis diese etwa 15 oder 16 sind.

|440 Minuten auf 6 CDs
[Besprechung 258 der Buchfassung|

Andrea Camilleri – Die Form des Wassers (Lesung)

Die Leiche eines bekannten Politikers wird auf dem Strich von Vigata gefunden – ein Skandal erster Güte droht loszubrechen. Commissario Montalbano wundert sich. Dieser Fall verhält sich wie Wasser: Es hat immer die Form, die man ihm gibt. – Dieser Krimi war der erste, mit dem das Werk Andrea Camilleris dem deutschen Publikum vorgestellt wurde – mit größtem Erfolg, wie sich herausgestellt hat.

_Der Autor_

Andrea Camilleri ist kein Autor, sondern eine Institution: das Gewissen Italiens. Der 1925 in dem sizilianischen Küstenstädtchen Porto Empedocle geborene Camilleri ist Autor von Kriminalromanen und -erzählungen, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur.

Die Hauptfigur in vielen seiner Romane, Commissario Salvo Montalbano, gilt inzwischen als Inbegriff für sizialianische Lebensart, einfallsreiche Aufklärungsmethoden und südländischen Charme und Humor.

Allerdings ist der Commissario nicht der Liebling aller Frauen: Zu oft hindert ihn sein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein daran, dringende Termine mit seiner jeweiligen Freundin wahrzunehmen.

_Das Hörspiel_

Das 110 Minuten lange Hörspiel wurde beim Südwestdeutschen Rundfunk SWR produziert. Es treten acht Hauptsprecher auf sowie der Erzähler. Daneben hören wir noch 16 weitere Sprecher in Nebenrollen. Die Musik stammt von Henrik Albrecht, die Bearbeitung wie immer von Daniel Grünberg. Regie führte Leonhard Koppelmann – wie bei allen anderen Camilleri-Hörspielen:

– Die Stimme der Violine
– Das Spiel des Patriarchen
– Der Hund aus Terrakotta
– Der Dieb der süßen Dinge

_Handlung_

Der angesehene Ingenieur und Politiker Silvio Luparello wird eines frühen Morgens von zwei Straßenfegern an einem anrüchigen Strand tot in seinem Auto aufgefunden. An diesem Strand pflegen sich die Huren mit ihren Freiern zum Stelldichein zu treffen. Hatte der honorige Ingenieur so etwas nötig? Falls ja, wäre das ein Skandal ersten Grades und besonders schädlich für das Ansehen seiner konservativen Partei. Die Polizei entscheidet diplomatisch, dass der Tote einem Herzinfarkt zum Opfer fiel – wir wollen doch keinen Skandal in Vigata, oder?

Commissario Salvo Montalbano jedoch kommt die ganze Sache nicht koscher vor. Da scheint doch mehr dahinter zu stecken. Schon am nächsten Tag nämlich wird dringend ein wertvolles Collier gesucht, das an der Unfallstelle vermisst wird. Einer der Müllmänner hat das Collier gefunden und heimlich eingesteckt. Merkwürdig ist nun, dass ausgerechnet Ingenieur Luparellos schärfster politischer Gegner, der Anwalt Rizzo, danach suchen lässt…

Schon bald ereignen sich bei Montalbanos Ermittlungen unverhoffte Enthüllungen, die schaurige Einblicke in die Abgründe der lokalen Gesellschaft gestatten. Und die Lösung des Falles stellt sich je nach Blickwinkel anders dar: genau wie die Form des Wassers sich mit dem jeweiligen Gefäß ändert.

_Mein Eindruck_

Der sehr kurzweilig zu lesende Krimi macht den Leser auf unterhaltsame Weise mit dem sizilianischen Alltag bekannt, wie er sich der Polizei darstellt: Mafiabandenkriege, Morde, Intrigen und Korruption, durchgedrehte Rentner, unschuldige Attentatsopfer und vieles mehr. Ein menschliches Panorama, beobachtet mit dem scharfen Blick der Erfahrung und des Mitfühlens.

Dabei kommt jedoch die Spannung keineswegs zu kurz. Baustein für Baustein setzt der attraktive und intelligente Commissario die Kette der Zusammenhänge zusammen, die den Eindruck vermitteln sollen, das Opfer sei von alleine gestorben. Dumm nur, dass es schon lange tot gewesen war, bevor es den „Tatort“ erreicht hatte. Und welche Rolle eine gewisse hochgewachsene Schwedin namens Ingrid spielen sollte, wird ihm auch bald klar. Die ganze Sache ist höchst politisch, doch Montalbano beweist Fingerspitzengefühl.

_Das Hörspiel_

Die Sprecher sind wieder die gleichen wie bei allen Camilleri-Hörspielen und von professioneller Qualität. Hier gibt’s nichts auszusetzen, genausowenig an dem Einsatz von Geräuschen usw. Lediglich die Hintergrundmusik besteht aus dem nervenden Jazz-Gedudel Henrik Albrechts, das in den jüngeren Camilleri-Produktionen zum Glück ersetzt wurde.

Was an der Bearbeitung auffällt, sind erstens die zahlreichen witzigen Pointen und zweitens die drastischen Äußerungen, zu denen sich der Commissario hinreißen lässt und die weit unter die Gürtellinie zielen. Das dürfte zu einige hochgezogenen Augenbrauen bei den Zuhörerinnen führen.

_Unterm Strich_

„Die Form des Wassers“ verlangt zwar große Aufmerksamkeit beim Zuhören, doch der Zuhörer wird mit vielen witzigen Situationen belohnt. Besonders auf den Gerichtsmediziner hat es Salvo Montalbano abgesehen, weil der sofort alles ausplaudert, selbst wenn er hoch und heilig Stillschweigen geschworen hat. Dies nützt Salvo listig aus, um den politischen Gegner aufs Kreuz zu legen. (Polizeiarbeit ist in Sizilien immer politisch.)

Und einen Dauer-Gag bilden Assistent Gallos miserable Fahrkünste sowie die Tatsache, dass Gallo nie lernt, dass in Italien das Reifenaufschlitzen ein Volkssport ist. Außerdem ist Inspektorin Anna Ferrara hinter Salvo her. Leider versteht sie die Anwesenheit von Ingrid der Schwedin in Salvos Schlafzimmer miss…

Abgesehen davon ist „Die Form des Wassers“ eine ordentlich spannende Episode im Leben des Commissario Montalbano.

Umfang: 110 Minuten auf 2 CDs

_Michael Matzer_ © 2003ff

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – längliche Kiste, Die (POE #14)

_Bewegtes Seestück mit Leiche_

„Die längliche Kiste“ ist der vierzehnte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Rolf Hoppe, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Poe freundet sich mit dem Maler Wyatt an, den er am Hafen von New Orleans trifft. Sie buchen eine gemeinsame Schiffspassage nach New York. Doch kurz bevor die Passage beginnt, wird Wyatts Frau schwer krank und Wyatt selbst benimmt sich äußerst merkwürdig. Was verbirgt sich in der länglichen Kiste in seiner Kabine? Und wer treibt nachts sein Unwesen im Speisesaal des Schiffs?

Ulrich Pleitgen hat auch an den anderen Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

(Nr. 13 wird ausgelassen.)

#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan aus Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Außerdem wirken Rolf Hoppe als Cornelius Wyatt, Cathlen Gawlich als Mrs. Wyatt, Jürgen Wolters als Kapitän Hardy, Gerald Schaale als George Appo, Mathis Schrader als Lowden und Michael Pan als Clerk mit. Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Penny Shepherd, die Ansage erledigt André Sander.

_Das Titelbild_

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt bei „Die längliche Kiste“ ein riesiges Portal, in dem man noch die Türhälften erkennen kann. Es ist völlig überwuchert. Der Blick dringt in einen hellen Wald, der wie ein Dschungel anmutet. Alles in allem wieder ein meisterliche Arbeit des Fotografen.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Staffel: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Huxleys „doors of perception“.

_Das Booklet_

Jede CD enthält ein achtseitiges, schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch werden hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Ulrich Pleitgen wird näher vorgestellt.

Eingangs gibt es einen kleinen Abriss der Vorgeschichte. Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs und die DVD von „Die Grube und das Pendel“. Die vorletzte Seite weist auf die Band „We Smugglers“ hin, die den Titelsong „On the verge to go – Edgar Allan Poe Edit“ beigesteuert hat.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon zwölf Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton darin spielt.

Der Vorspann rekapituliert sehr knapp die ganze Vorgeschichte bis hin zum Inhalt von „Eleonora“, der zwölften Folge der Serie. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Poe hat in der Episode „Das ovale Porträt“ herausgefunden, dass ein New Yorker Maler namens Jimmy Farrell ihn ebenso wie eine junge Frau namens Lucy porträtiert hat. Um herauszufinden, was Farrell über Poes wahre Identität weiß, muss Poe nach New York. Er hat schon einen Fahrschein für die Postkutsche bezahlt, als er im Hafen von Mobile, Alabama, den freundlichen Maler Cornelius Wyatt kennen lernt, der ihn überredet, mit ihm und seiner Frau per Schiff nach New York City zu segeln. Poe ist von dem Künstler sehr angetan und lässt sich überreden. Zugleich gibt er ihm Geld, um ein paar Muscheln für seine Frau zu kaufen. Wyatt scheint ihn zu kennen, kann sich aber nicht erinnern, woher.

Am nächsten Tag ist Wyatt jedoch niedergeschlagen, weil seine Frau von den Muscheln, die verdorben waren, krank geworden ist. Dennoch will er mit der „Independence“ des Kapitän Hardy segeln. Es ist das gleiche Schiff, fällt Poe auf, auf dem er Leonie Goron kennen lernte. Er bucht eine Kabine, um es ruhig zu haben. Als das Schiff einläuft, begrüßt ihn Hardy freundlich und zeigt ihm seine Kabine und den daneben liegenden Speisesaal. Wyatt ist nicht zu sprechen, und das macht Poe recht besorgt um seinen Bekannten. Ihn überkommen unruhige Gedanken, doch ein Umsteigen auf die Kutsche kommt nicht mehr in Frage: Sie ist ausgebucht.

Kurz vor dem Ablegen des Schiffes gehen Wyatt und eine verschleierte Frau an Bord. Das dürfte wohl seine Gattin sein, doch Poe wundert sich. Während Wyatts Gesicht hager und eingefallen aussieht, strahlt seine Gattin, die doch sehr krank war, vor Gesundheit. Tatsächlich ist sie sogar die Fröhlichkeit in Person! Das kommt Poe geradezu pietätlos vor. Auf einem Wagen wird eine zwei Meter lange Kiste antransportiert und in Wyatts Kabine verfrachtet. Nur dessen Name steht darauf, das Tannenholz ist noch frisch. Nächstes Kommando: Leinen los!

Nach einem heiteren Start mit einer noch heiteren Mrs. Wyatt schlägt die Stimmung jedoch um: Käptn Hardy wittert Sturm. Poe kann nicht mehr schlafen und hält sich sogar mit Kaffee wach. Irgendetwas geht in den Kabinen und dem nahen Speisesaal vor sich. Ständig hört er Geräusche und wispernde Stimmen. Einmal huscht Mrs Wyatt von einer separaten Kabine (!) in Mr. Wyatts Domizil – dort befindet sich die ominöse Kiste. Und Wyatt selbst sieht allmählich aus wie der leibhaftige Tod. Proviant verschwindet und ein Messer, das der Koch vermisst. Offenbar gibt es einen blinden Passagier an Bord – das würde einige der Rätsel erklären.

Aber nicht alle …

Als der Sturm das Schiff zum Sinken bringt und alle in die Boote müssen, kommen einige der Geheimnisse der „Independence“ ans Tageslicht. Mit fatalen Folgen.

_Mein Eindruck_

Diese Episode hält sich erstaunlich genau an die bekannte literarische Vorlage. Nur dass diesmal natürlich der Augenzeuge unser bekannter Unbekannter ist, der sich aus einer Laune heraus den Namen „Edgar Allan Poe“ zugelegt hat. Sein Rätsel bleibt bestehen. Und weiterhin wird aus dem relativ anonymen Passagier, der die fatale Kiste an Bord bringt, ein guter Bekannter, an dessen traurigem Schicksal „Poe“ großen Anteil nimmt.

Die für die Serie charakteristischen Momente der Spannung und des Grauens beschränken sich auf die mysteriösen Vorgänge unter Deck. Kein Albatross fällt unheilverkündend vom Himmel, keine Leiche wandelt gespenstisch an Deck – obwohl einmal fast so aussieht. Vielmehr ist es die klaustrophobische Enge in seiner Kabine, die Poe zusetzt und seinen labilen Geisteszustand ins Wanken geraten lässt. Leicht hätte die Dramaturgie eine Vision einbauen können, doch sie bleibt aus, hätte sie doch den begrenzten Umfang des Stückes gesprengt.

VORSICHT, SPOILER!

Wie so häufig bei Poe entsteht das eigentliche Grauen daraus, dass es einen grotesken Widerspruch zwischen der quicklebendigen angeblichen Mrs. Wyatt und ihrem sichtlich dahinsiechenden Gatten gibt. Als sich diese Rolle als Lug und Trug entpuppt, öffnet sich dahinter ein noch größeres Grauen. Die in der titelgebenden Kiste liegende echte Mrs. Wyatt ist zwar mausetot, scheint aber ihrem – noch – lebenden Gatten auf ghoulische Weise den Lebenssaft auszusaugen. Dass beide ihr Ende gemeinsam in der tiefen blauen See finden sollen, erscheint nur folgerichtig.

SPOILER ENDE

Doch genau wie die nächste Episode bringt dieser Zwischenfall auf der Reise nach New York City die Story nicht weiter und verändert auch die Hauptfigur in keiner Weise. Die Episode „Du hast’s getan“ sieht Leonie Goron in einem Provinzkaff einen Mordfall aufklären. Aber sie stößt ebenfalls auf die Spur von Doktor Baker alias Templeton und die des Malers Jimmy Farrell. Diesen müssen sie und Poe gleichermaßen dringend suchen, sobald sie in der Metropole anlangen.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Pleitgen spielt die Hauptfigur E. A. Poe, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Im ersten Teil des „Eleonora“-Traumes schwelgte sein Poe in verliebter Seligkeit. Umso gequälter klang Poe in der zweiten Traumhälfte, als ihn die tote Geliebte in seinen Albträumen heimsucht. Dieser Stimmungswandel leitete die Trennung von Leonie ein und machte sie ein wenig nachvollziehbarer. Deshalb ist Poe in diese Episode allein, und Pleitgen muss ohne Berben an seiner Seite auskommen.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Wir hören das Schreien der Möwen ebenso wie das unablässige Knarzen von Tauen und Dielen an Bord der „Independence“.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung ganzer Szenen, so etwa während der Sturms und der mysteriösen Vorgänge unter Deck. Diesmal ist mir insbesondere die verstärkte Rolle der Bässe aufgefallen. Sie werden nicht etwa elektrisch erzeugt, wie von einer Gitarre, sondern von einem Klavier. Doch wurden die tiefen Töne derart durch die Echokammern und Verzerrer gejagt, dass daraus ein erschütterndes Grollen herauskam, das das Gehör des Publikums auf einer unterschwelligen Ebene beeinflusst und unwillkürlich Furcht erzeugt. Raffiniert!

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

_Der Song_

Die Band „We Smugglers“ hat, wie erwähnt, den Titelsong „On the verge to go – Edgar Allan Poe Edit“ beigesteuert. Ihr Konzertplakat weist sie als vier recht schräg aussehende Herrschaften aus, die nichtsdestotrotz ihre Instrumente zu beherrschen scheinen. Was wir in der Länge von rund 3:30 Minuten zu hören bekommen, würde ich als balladesken Slow-Metal-Rock bezeichnen. Die Tonart ist recht ausgefallen: Cis-Dur.

Deutlich dominiert die E-Gitarre, die sich wie die von Jimmy Page anhört, als er sein berühmtes Stück „Kashmir“ für die MTV-Acoustic-Session neu arrangierte. Für mich klingt das gut und melodisch, aber kraftvoll. Der Klangteppich wird von einer deutlich zu vernehmenden Basslinie und unauffälligen Drums und Cymbals unterstützt. Der Gesang ließe sich noch verbessern, und die Lyrics könnte man auch mal abzudrucken beginnen.

_Unterm Strich_

Diese Episode bringt die Handlung zwar nicht weiter, aber den Helden wenigstens von A nach B, um nach dem Schlüssel zu seiner wahren Identität zu suchen. Unterwegs erlebt er eines von Poes weniger grausigen Abenteuern, ein Seestück sozusagen, das mehr von der Atmosphäre getragen wird als von Rationalität oder gar Action.

Doch die akustische Umsetzung ist den Machern so überzeugend gelungen, dass ich mich bei dem Wunsch ertappe, sie würden dereinst mal „Die Abenteuer des Arthur Gordon Pym aus Nantucket“ orchestral zu Gehör bringen, inklusive abschließendem „tekeli-li“. Von diesem Punkt aus ließe sich sich die Geschichte entweder als Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“ weiterführen oder als Jules Vernes „Die Eissphinx“. Beides sind herausragende Werke des phantastischen Genres. Eine weiterer Anknüpfungspunkt besteht in Michael Marraks „Imagon“. Hier könnten endlich mal deutsche Autoren Berücksichtigung finden.

|Basierend auf: The oblong box, ca. 1845
57 Minuten auf 1 CD
Mehr Infos auf http://www.poe-hoerspiele.de |

Wolfgang Hohlbein – Als der Meister starb (Gespenster-Krimi 2)

Dramatisch inszeniertes Grusel-Hörspiel

Man schreibt das Jahr 1883. Vor der Küste Schottlands zerschellt der Viermastsegler „Lady of the Mist“ auf den tückischen Riffen. Okkulte Kräfte haben ihn angegriffen. Nur wenige Menschen überleben die Katastrophe, unter ihnen befindet sich ein Mann, der die Schuld an dem Unglück trägt. Ein Mann, der gejagt wird von uralten, finsteren Göttern, aber auch von Zauberern, denen er zu entkommen suchte: Roderick Andara, den man den „Hexer“ nennt. (Verlagsinfo)

|Hinweis|

Wolfgang Hohlbein – Als der Meister starb (Gespenster-Krimi 2) weiterlesen

Ken Follett – Die Kinder von Eden (Lesung)

Kann der Mensch ein Erdbeben produzieren? Was recht unwahrscheinlich klingt, geschieht in Kalifornien: Eine Sekte von Späthippies fordert damit den Gouverneur heraus, um den Bau eines Staudamms zu verhindern, der ihr Tal überfluten würde. – Eines von Follets schwächeren Werken, aber stellenweise dennoch spannend und sogar apokalyptisch.

Der Autor

Ken Follett – Die Kinder von Eden (Lesung) weiterlesen

Gaspard, Jan – Offenbarung 23 – Machiavelli (Hörbuch)

Mithras oder Wie man einen Messias produziert

Georg Brand, der Berliner Hacker „T-Rex“, ist nur der Spielball eines mächtigen und uralten Ordens, der sich im Zeichen des Gottes Mithras zum Ziel gesetzt hat, dem verstorbenen Hacker Tron einen würdigen Nachfolger zu geben. Doch Ian G. alias Jan Gaspard und seine Ordensbrüder Tom alias Mista Beat und Parish alias Tupac Amaru Shakur müssen sich mit einem zweihundert Jahre alten Widersacher auseinander setzen, der ihre Pläne durchkreuzt: mit dem Baron. Und dieser Schurke scheint seine Finger überall drin zu haben.
Gaspard, Jan – Offenbarung 23 – Machiavelli (Hörbuch) weiterlesen

John Sinclair Classics – Das Hochhaus der Dämonen (Folge 42)

Die Handlung:

Mit sicheren Bewegungen zog James Warden die Klinge des Rasiermessers über die rechte Wange. Da erblickte er plötzlich das Gesicht im Spiegel. „Töte dich, James Warden!“, flüsterte die Geistererscheinung. James Warden gehorchte – und er sollte nicht das einzige Opfer im Hochhaus der Dämonen bleiben! (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Diesmal hat sich der Verlag an die Hörspielumsetzung des GESPENSTER-KRIMI-Heftromans mit der Nummer 183 gemacht, der erstmalig am 15. März 1977 am gut sortierten Bahnhofskiosk oder manchmal auch in einer Buchhandlung zu bekommen war. Das Titelbild des Hörspielcovers ist dabei eine Neuinterpretation der Thematik.

John Sinclair Classics – Das Hochhaus der Dämonen (Folge 42) weiterlesen

John Sinclair – Tokatas Todesspur (Folge 63)

Auf der Insel des Schweigens: das Armageddon der Samurai

„Geisterjäger“ John Sinclair ist Oberinspektor in einer Sonderabteilung von Scotland Yard, die sich mit übersinnlichen Fällen befasst. Sinclair wird von einem Kreuz beschützt und gewarnt, das vom Propheten Hesekiel selbst stammt. Zur doppelten Sicherheit trägt er auch eine Beretta-Pistole mit sich, die mit Silberkugeln geladen ist. Werwölfe und ähnliches Gelichter mögen so etwas gar nicht. Heißt es.

John Sinclair – Tokatas Todesspur (Folge 63) weiterlesen

Frank Herbert / Kaiser, Kerstin – DUNE 2: Der Herr des Wüstenplaneten (Hörbuch)

Spannend: Verschwörung gegen den Gott von DUNE

Vorgeschichte: Im 11. Jahrtausend tun sich der Imperator und Harkonnen zusammen, um das Haus Atreides unter Herzog Leto zu vernichten. Die große Mausefalle ist der Wüstenplanet Arrakis, der Köder unermesslicher Reichtum in Form des einzigartigen Rohstoffs |Spice-Mélange|. Der Plan klappt wie am Schnürchen, doch eine Kleinigkeit geht schief: des Herzogs Konkubine und sein Sohn Paul entkommen in die Wüste. Dort bauen sie mit den einheimischen Fremen eine Guerilla-Organisation auf, die droht, die lebenswichtige Spice-Produktion zum Erliegen zu bringen – und damit jeden Verkehr im Imperium! Der Imperator, gezwungen von der Raumfahrtgilde, muss nach Arrakis kommen …

Der Herr des Wüstenplaneten“: Paul Atreides ist der lang erwartete Prophet und führt die Fremen in den Heiligen Krieg. In einem Siegeszug ohnegleichen pflanzt er sein Banner auf alle von Menschen besiedelten Planeten und errichtet das neue Imperium. Doch seine Machtfülle ruft Neider und Gegner auf den Plan, die unermüdlich auf Mittel sinnen, diese Herrschaft zu brechen. Unter die Pilgerscharen, die über Lichtjahre hinweg in die heilige Stadt Arrakeen kommen, mischen sich Meuchelmörder, manipulierte Zeitbomben in Menschengestalt … (korrigierte Verlagsinfo)
Frank Herbert / Kaiser, Kerstin – DUNE 2: Der Herr des Wüstenplaneten (Hörbuch) weiterlesen

Meyer, Kai – Wunschkrieg (Die Sturmkönige; inszenierte Lesung zu Band 2)

_Voll wilder Magie: die Welt in der Flasche_

Seit über 50 Jahren herrschen die Dschinne über die Wüste zwischen Samarkand und Bagdad. Nur todesmutige Schmuggler wie Tarik al-Jamal mit ihren fliegenden Teppichen wagen sich hinaus in die Einöde. Bis Tariks Geliebte Maryam ein Opfer der Dschinne wird. Seither besteht Feindschaft ihm und seinem Bruder Junis. Erst als die geheimnisvolle Sabatea Junis dazu bringt, sie durchs Dschinnland nach Bagdad zu bringen, beschließt Tarik, die beiden zu beschützen – auch gegen Junis‘ Willen. Eine mörderische Jagd durch die Wüste beginnt, mitten in den Krieg zwischen Dschinnen und Sturmkönigen. (Verlagsinfo)

Zehntausend Dschinne ziehen aus den Wüsten gen Bagdad, dessen Untergang unaufhaltsam scheint. Nur die Zaubermacht des Dritten Wunsches kann diesen Krieg entscheiden. Aber worin besteht der Dritte Wunsch? Kann er wirklich die Welt vor dem Untergang bewahren? Tarik hat alle verloren, die er liebt: Sabatea ist im Kalifenpalast gefangen, sein Bruder Junis kämpft an der Seite der Sturmkönige im Dschinnland. Deren Anführerin hat einen Plan, der sie alle ins Verderben reißen könnte. Aber Tarik gibt nicht auf, findet neue Freunde und stößt auf die Spur des Dritten Wunsches.

Dies ist die Fortsetzung der Trilogie über die Sturmkönige.

1) Dschinnland (September 2008)
2) Wunschkrieg (März 2009)
3) Glutsand (September 2009)

_Der Autor_

Kai Meyer, Jahrgang 1969, studierte Film, Philosophie und Germanistik und arbeitete als Redakteur. Er schrieb schon in jungen Jahren und lieferte unter anderem ein paar Jerry-Cotton-Abenteuer. Sein erster großer Erfolg war „Die Geisterseher“, eine historische „Akte X“. Seit 1996 ist er freier Schriftsteller und Drehbuchautor. Bisher sind rund 40 Romane von ihm erschienen.

Selbst Kritiker waren von seinem historischen Mystery-Thriller „Die Alchimistin“ begeistert, später folgten „Die fließende Königin“ und „Göttin der Wüste“. Bei |Loewe| erschien mit den „Wellenläufern“ ein Jugend-Fantasyzyklus. „Frostfeuer“ aus dem Jahr 2005 ist eigenständiger Jugendroman. Das Buch wurde mit dem internationalen Buchpreis CORINE ausgezeichnet. 2007 verfilmte Dominik Graf („Treffer“, „Die Katze“) Meyers Roman „Das Gelübde“. Der Autor lebt am Rande der Eifel.

Mehr von Kai Meyer auf |Buchwurm.info|:

[Interview mit Kai Meyer]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=11
[„Dschinnland“ 5340 (Die Sturmkönige 1, Buchfassung)
[„Dschinnland“ 5635 (Die Sturmkönige; inszenierte Lesung zu Band 1)
[„Die Wellenläufer“ 3247 (Hörbuch)
[„Die Muschelmagier“ 3252 (Hörbuch)
[„Die Wasserweber“ 3273 (Hörbuch)
[„Der Brennende Schatten“ 4506 (Hörspiel)
[„Die Vatikan-Verschwörung“ 3908 (Hörspiel)
[„Frostfeuer“ 2111 (Hörbuch)
[„Die Alchimistin“ 73
[„Das Haus des Daedalus“ 373
[„Der Schattenesser“ 2187
[„Die Fließende Königin“ 409
[„Das Buch von Eden“ 890 (Hörbuch)
[„Das Buch von Eden“ 3145
[„Der Rattenzauber“ 894
[„Faustus“ 3405
[„Seide und Schwert“ 3558 (Das Wolkenvolk 1, Hörbuch)
[„Lanze und Licht“ 4549 (Das Wolkenvolk 2, Hörbuch)
[„Drache und Diamant“ 4574 (Das Wolkenvolk 3, Hörspiel)
|Die Alchimistin – Das Hörspiel:|
1) [„Der Stein der Weisen“ 5052
2) [„Das Erbe des Gilgamesch“ 5155
3) [„Die Katakomben von Wien“ 5220
4) [„Das Kloster im Kaukasus“ 5263
5) [„Die Unsterbliche“ 5379
6) [„Die Schwarze Isis“ 5406
7) [„Der Schatz der Templer“ 5427
8) [„Der Alte vom Berge“ 5448

_Der Sprecher_

Andreas Fröhlich ist die deutsche Stimme von John Cusack und Edward Norton. Er wurde 1965 in Berlin geboren; bereits mit sieben Jahren begann er mit der Synchronarbeit, nachdem er im Kinderchor des „Sender Freies Berlin“ entdeckt wurde. 1978 stieg er in der Sprecherrolle des Bob Andrews bei einer der bis heute erfolgreichsten Hörspielreihen Deutschlands, „Die drei Fragezeichen“, ein.

Nach dem Abitur ging Fröhlich zunächst zum Theater, wo er unter anderem Rollen in Büchners „Woyzeck“ und in Shakespeares „Was ihr wollt“ spielte, bis er 1991 wieder zu seiner Arbeit als Synchronsprecher zurückkehrte. Außer als Sprecher arbeitet er als Synchronregisseur und Drehbuchautor, wo er unter anderem für die Synchronisierung von „Der Herr der Ringe“ verantwortlich war. In dieser Trilogie übernahm er auch die Synchronisation des Wesens Gollum. Doch auch die deutschen Dialoge in Filmen wie Disneys „Mulan“ und „The Beach“ stammen aus seiner Feder. (Verlagsinfo)

Fröhlich liest eine gekürzte Romanfassung, die von Aenne Glienke bearbeitet wurde. Regie führte Kathrin Weick, die Aufnahme in den |d.c. studios NRW-Berlin| steuerte Fabian Frischkorn, während Dicky Hank und Dennis Kassel die Musik beisteuerten.

_Handlung_

|Vorgeschichte|

Badgad im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, aber im 52 Jahr des Dschinnkrieges. Es ist eine Welt voll wilder Magie. Der junge Teppichreiter Tarik al-Jamal hat von Samarkand aus seinen Bruder Junis und dessen rätselhafte Auftraggeberin Sabatea durch das Dschinnland begleitet. Nach einem Angriff von rebellischen Sturmkönigen führte Tarik den Tod des Dschinnfürsten Amarilis herbei und erhielt dabei ein zweischneidiges Andenken: Er kann in eine alternative Welt sehen.

Während sich Junis den Sturmkönigen anschloss, flog Tarik mit Sabatea weiter nach Bagdad, ihrem ursprünglichen Ziel. Vor dem Kalifen Harun al-Raschid musste das Paar seine wahre Identität enthüllen: Sabatea war bislang die Vorkosterin des Emirs von Samarkand, und ihr Blut ist für jeden Menschen tödlich. Tarik musste die Eigenschaft seines Dschinn-Auges enthüllen und wurde des Palastes verwiesen. Er will seine Geliebte unbedingt wiedersehen.

|Gegenwart: Tarik|

Der Angriff der Dschinnarmeen steht kurz bevor, und Bagdad rüstet sich für die Verteidigung. Almarik, der Byzantiner, hat Tarik das Leben gerettet. Doch Tarik erweist sich als wenig dankbar: Er schlägt ihn nieder und raubt dessen Teppich. Damit versucht er auf tollkühne Weise, in den Palast ein- und zu Sabatea vorzudringen. Ein fliegendes Elfenbeinpferd hilft ihm sogar, die Verfolger abzuschütteln. Doch der fremde Teppich erweist sich als zu unhandlich, und Tarik kommt bei einer Kollision beinahe um.

In der Altstadt von Bagdad sucht er deshalb Kabir auf, einen Teppichknüpfer, der ihm quasi einen maßgeschneiderten Teppich liefern soll. Als Tarik ihn nach dem geheimnisvollen Dritten Wunsch fragt, lässt er ihn zu dem Stummen Kaufmann führen. Der ist natürlich nicht stumm, sondern bloß verschwiegen, kannte aber Tariks Vater, einen Schmuggler von Teppichstoffen.

Nachdem Tarik seine Bitte begründet hat, erzählt ihm der Kaufmann, dass es sich beim Ring des Dritten Wunsches um eine Vereinigung einflussreicher Persönlichkeiten Bagdads handelt. Sie vereint die Tatsache, dass sie alle um einen Dritten Wunsch betrogen wurden, und zwar von den Wunsch-Ifrits, hilfreichen Geistern, die selbst aber unschuldig seien. Nun müssen die Menschen mit den missliebigen Folgen ihrer ersten zwei Wünsche leben. Der Bund heuert Ifritjäger an, um doch noch an Dritte Wünsche zu gelangen, Jäger wie Amalrik. Almarik muss von einem sehr hochrangigen Angehörigen des Hofes angeheuert worden sein. Tarik sollte sich diesen Höfling möglichst zum Freund machen. Aber um hineinzugelangen, braucht er Sabatea. Wo mag sie wohl sein?

|Gegenwart: Sabatea|

Sabatea fühlt sich in ihrem Gemach wie in einem Gefängnis, in dem sie von Spiegeln und verborgenen Gucklöchern ausgespäht wird. Bestimmt steht der Hofmagier des Kalifen, Kalis, dahinter. Da landet ein als Gardist gekleideter Teppichreiter auf ihrem Balkon und warnt sie, dass Assassinen in den Palast eingedrungen seien. Sie könne sich notfalls mit seinem Teppich in Sicherheit bringen. Die Kampfgeräusche nähern sich unaufhaltsam, und obwohl sich ihre Wachen tapfer wehren, dringt einer dieser Assassinen in ihr Gemach vor. Es ist ein an der Decke gehendes schwarzes Geschöpf, offenbar aus dem Dschinnland. Sabatea eilt zu ihrem Teppich, um ihm zu entgehen.

|Gegenwart: Junis|

Junis befindet sich im Lager der Sturmkönige, die von seiner und Tariks früheren Geliebten Maryam angeführt werden, die schon sechs Jahre aus Samarkand fort ist. Bei ihr ist ein unheimlicher Junge, der sich als Dschibril vorstellt. Keiner weiß, woher er kommt, aber er verfügt über diejenige Magie, mit der die Rebellen den Wind zu Tornados formen können, auf denen sie reiten und die sie als Waffe gegen die Dschinne einsetzen können. Junis will ebenfalls gegen die Dschinne kämpfen, allerdings auf einem Teppich. Denn falls Tarik, sein Bruder, und Sabatea tot sind, dann will er sie rächen. Maryam hingegen will keine Rache, sondern Freiheit von der Herrschaft der Dschinnfürsten.

Als eine Dschinnarmee das Lager der Sturmkönige angreift, gehen die Rebellen zum Gegenangriff über. Doch eine Kettenmagierin schwebt über den Dschinnen und dirigiert sie, zudem tauchen große Schwarmschrecken auf, welche die Sturmkönige attackieren. Da hat Junis einen verwegenen Einfall und handelt eigenmächtig (was der Anführerin Maryam nicht gefallen dürfte). Er attackiert die Kettenmagierin, wird abgedrängt und stürzt sich im Flug auf eine Schwarmschrecke, um sie mit seinem Schwert zu töten. Ob das wohl gut geht?

_Mein Eindruck_

In diesem Mittelband ist die Handlung auf drei Schauplätze aufgeteilt, auf Tarik, Sabatea und Junis. Es ist also ein klares Ziel dieses Mittelteils, alle wieder zueinander zu führen. Dies gelingt zwar ganz am Schluss, doch davor liegen viel Schweiß, Mühe und Kampf. Alle drei müssen ihr Leben verteidigen und zeigen, dass sie sich durchsetzen und überleben können.

Sabatea bekommt es mit den Kali-Assassinen zu tun, Tarik mit einer Diebesbande, die nur aus Frauen (und einem Sturmkönig) besteht, und Junis wirft sich an Maryams Seite in die Schlacht gegen die Dschinnfürsten und ihre Magier. All dies sollte den Leser bzw. Hörer eigentlich gut unterhalten, denn die Kämpfe sorgen für jede Menge Abwechslung und Spannung.

Was mir jedoch fehlte, war der große Bogen für eine weiterreichende Perspektive. Im ersten Band war dies ganz klar in Form der gefährlichen Reise durchs Dschinnland geboten worden. Der Autor müht sich nun in Band zwei redlich, diesen großen Bogen einzufügen. Schließlich will sein Leser bzw. Hörer ja wissen, wozu all diese Kämpfe gut sein sollen. Das Stichwort lautet „Der dritte Wunsch“.

Wie schon angedeutet, handelt es sich dabei um Magie der Wunsch-Ifrits. Diese possierlichen Wesen erfüllen ihrem „Kunden“ drei Wünsche. Tarik erfährt von einem Ifrit, dem Sabatea geholfen hat und der mit einem Elfenbeinpferd befreundet ist, dass alle Ifrits in der ganzen Welt ihren Dritten Wunsch verloren haben. Die Dschinne haben ihn ihnen entrissen. Der Schlüssel zu dieser Untat liegt in der legendären Stadt Skarabpur. Klarer Fall, dass sich die Gefährten dorthin auf den Weg machen müssen.

Das Finden des Dritten Wunsches löst aber nicht das Problem, dass die Dschinne Bagdad angreifen, ja, dass sie sich die ganze Welt untertan machen und sämtliche Menschen vernichten wollen. Verantwortlich für dieses verhängnisvolle Bestreben ist die Prophezeiung des von Tarik getöteten Dschinnfürsten Amarilis, der eine alternative Welt erblickte, in der es keinerlei Magie gibt – unsere!

Der Schlüssel zu den Dschinnen, ihrem Auftrag und ihrem Erscheinen muss 52 Jahre zurückliegen, denn erst da begannen sie zu erscheinen. Was geschah damals, das sich so verhängnisvoll auswirkte? Kalis, der Hofmagier des Kalifen Harun al-Raschid, hält dafür eine sehr überraschende Antwort bereit: Die ursprüngliche, weitgehend magiefreie Welt wurde von zwei Magiern, die das Übel außer Kontrolle geratener Magie beseitigen wollten, kopiert. Die Kopie steckten sie in eine Flasche (es war nichts Geeigneteres als Behältnis zur Hand). Dies ist Tariks magische Welt. Kein Wunder also, dass sich Maryam wie eingesperrt fühlt – sie muss sich wie ein Buddelschiff vorkommen.

Das Bestreben von Tariks Gefährten und des Magiers Kalis muss es nun sein, alles wieder ins Lot zu bringen. Ob ihnen dies im nächsten Band gelingen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.

|Der Sprecher|

Andreas Fröhlich ist ein wahrer Stimmkünstler. Es hat mich immer wieder verblüfft, wie es ihm gelingt, seine Stimme so flexibel anzupassen, dass er damit die optimale Ausdruckskraft hervorbringt. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es Fröhlich war, der in Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Verfilmung den Gollum spricht.

Auch hier setzt er seine Stimmkunst effektvoll ein. Eine „Silberschlange“ lässt er hinterlistig zischen, einen Byzantiner und einen Hofmagier mit grollendem Akzent sprechen. Ein Dschinnfürst haucht sehr eindrucksvoll seine letzten Worte. Sabatea ist mit einer höheren Stimmlage ausgestattet und wickelt sowohl Tarik als auch Diebinnen mit ihrer sanften verführerischen Stimme um den Finger. Tarik und Junis sprechen in einer normalen, tieferen Stimmlage, doch sie sind schwierig zu unterscheiden. Zum Glück gibt es diesmal nur eine einzige gemeinsame Szenen zwischen den beiden (nämlich ganz am Schluss), so dass die Gefahr der Verwechslung minimal ist.

Am wichtigsten ist die Intonierung der Erzählerstimme. Senkt der Sprecher die Tonhöhe, klingt ein Satz bedrohlich oder geheimnisvoll raunend, je nach Satzmelodie. Diese Feinheiten hat Fröhlich routiniert im Griff. Ich bin mit dieser Sprachaufnahme rundum zufrieden.

|Musik|

Die Musik tritt sowohl in den Pausen zwischen den Kapiteln als auch im Hintergrund auf, das heißt, sie hat sowohl untermalende als auch entspannende oder vorbereitende Aufgaben. Vielfach dient sie dem Übergang zwischen zwei Szenen. In jedem Fall sind ihre Instrumentierung, die Rhythmen und Melodien auf das orientalische Ambiente abgestellt. So hören wir vielfach Tablas und Trommeln, tiefe Flöten und andere Instrumente, die in arabischer Musik üblich sind.

Stets ist der Rhythmus der Stimmung der Szene angepasst, damit die Musik den Text emotional unterstützen kann. So erklingt beispielsweise romantische Musik, wenn sich Sabatea bei Tarik zu einer Liebesnacht einstellt. In Actionszenen beschleunigt die Musik natürlich auf ein hohes Tempo, damit die Kämpfe der Figuren auch nachvollziehbar werden. Hier dominieren dann Trommeln. In jedem Fall ist diese Musikuntermalung professionell gehandhabt, nicht übertrieben und verdeckt nie den Dialog. Es ist eine erfrischende Abwechslung zu den üblichen Hollywood-Scores, die man bei Hörspielen findet. Wunderbarerweise gibt es in dieser inszenierten Lesung auch Geräusche.

|Zusatzinformationen|

Im Einsteckkarton finden sich Informationen über den Autor, den Sprecher und die Macher sowie diverse Werbetexte über weitere Meyer-Hörbücher.

_Unterm Strich_

Obwohl dieser Mittelteil der Trilogie durch Action, Rätsel, neue Elemente und jede Menge Bewegung zu unterhalten weiß und Spannung erzeugt, fragte ich mich doch spätestens nach der Hälfte, was das alles soll. Das lag daran, dass die Perspektive nicht wie im ersten Band durch eine Reise und deren Ziel vorgegeben ist. Stattdessen scheinen sich besonders Sabatea und Tarik ein wenig im Kreis zu drehen, bis sie endlich zueinander finden und sich auf die Suche nach dem Geheimnis des Dritten Wunsches machen. Junis hingegen hat ein klares Ziel: die Bekämpfung der Dschinns, die auf Bagdad, wo er seinen Bruder vermutet, vorrücken. Junis hat selbst ein paar Rätsel zu knacken und Maryam zu gewinnen.

Der Clou dieses Mittelbandes besteht in der Erklärung für die Entstehung dieser magischen Welt. Details habe ich oben erwähnt. Einfach eine Welt in die Flasche zu stecken, klingt schon ziemlich ironisch in Anbetracht des harten Schicksals dieser Weltbewohner. Entweder muss die Flasche in unserer Welt ziemlich groß sein (ziemlich unwahrscheinlich) oder beim Kopieren erheblich verkleinert worden sein: kein schlechter Trick. In jedem Fall fühlt sich der Leser bzw. Hörer jetzt stark an [„Gullivers Reisen“ 1076 erinnert, in der die Körpergröße der Bewohner ja auch ziemlich relativ ist. Ich schwanke noch, ob ich diesen Einfall des Autors als besonders originell oder ausnehmend riskant bewerten soll.

|Das Hörbuch|

Hier handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Lesung. Stimmungsvolle Musik aus dem Orient und etliche Geräusche versetzen die Phantasie des Hörers an exotische Schauplätze, wo Liebe, Gefahr und Action das Geschehen bestimmen. Der Sprecher Andreas Fröhlich zeigt auch hier wieder sein ganzes Können. Ich hätte mir neben Spannung und Action noch etwas Humor gewünscht, aber dies ist ja nicht gerade ein Karl-May-Roman, in dem ein Hadschi Halef Omar für das humoristische Element sorgt.

|420 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3868-9|
http://www.sturmkoenige.de
http://www.kai-meyer.com
http://www.luebbe.de

John Sinclair – Im Tempel des Drachen (Folge 144, Teil 2 von 2)

Die Handlung:

Der unheimliche Shaolin Lin Cho war der einzige Kämpfer gewesen, der die Barbarenhorde hatte aufhalten können – mit Hilfe des Drachengottes, den er im unterirdischen Tempel des Drachen besucht hatte. Tausend Jahre später wandelten Suko und ich im Hochland von Tibet auf Lin Chos Spuren … im Wettlauf mit Shimada! (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Diesmal hat sich der Verlag an die Hörspielumsetzung des Heftromans mit der Nummer
486 gemacht, das erstmalig am 2. November 1987 am gut sortierten Bahnhofskiosk oder manchmal auch in einer Buchhandlung zu bekommen war.

John Sinclair – Im Tempel des Drachen (Folge 144, Teil 2 von 2) weiterlesen

Edgar Allan Poe – William Wilson (Folge 32)

_Ein fiese Falle, ein perfider Doppelgänger_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Feeninsel“ beginnt die achte Staffel des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 31 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Nach seiner neuerlichen Gefangennahme, Verurteilung und Inhaftierung im Irrenasyl auf Blackwell’s Island ist es Poe gelungen, zurück nach Manhattan zu entkommen. Dort trifft er seine Beinahegattin Leonie Goron wieder und nimmt sich vor, seine wahre Identität von seinem Verleger Graham bestätigen zu lassen. Doch das erweist sich als schwieriger als gedacht …

Die |Edgar Allan Poe|-Serie von |STIL| bei |Lübbe Audio|:

#1: [Die Grube und das Pendel 1487
#2: [Die schwarze Katze 755
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872
#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: [Das ovale Portrait 1913
#11: [Der entwendete Brief 1927
#12: [Eleonora 1931
#13: [Schweigen 3094
#14: [Die längliche Kiste 2510
#15: [Du hast’s getan 2518
#16: [Das Fass Amontillado 2563
#17: [Das verräterische Herz 2573
#18: [Gespräch mit einer Mumie 3178
#19: [Die Sphinx 3188
#20: [Scheherazades 1002. Erzählung 3202 (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: [Schatten 3206 (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: [Berenice 4394
#23: [König Pest 4408
#24: [Der Fall Valdemar 4420
#25: [Metzengerstein 4471
#26: [Die Flaschenpost 4946
#27: [Landors Landhaus 4966
#28: [Der Mann in der Menge 5000
#29: [Der Kopf des Teufels 5089

Achte Staffel (11/2008):

#30: [Feeninsel 5540
#31: [Teer und Federn 5569
#32: William Wilson
#33: Morella

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Mehr von und über Edgar Allan Poe auf |Buchwurm.info|:

[„Faszination des Grauens 554“]
[„Edgar Allan Poes Meistererzähler“ 4832 (Hörbuch)
[„Der Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11, Hörspiel)
[„Der Doppelmord in der Rue Morgue“ 2396 (Hörbuch)
[„Der Streit mit der Mumie“ 1886 (Hörbuch)
[„Die Brille“ 1885 (Hörbuch)
[„Mythos & Wahrheit: Edgar Allan Poe. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen“ 2933
[„Visionen“ 2554

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie unter anderem mit dem |Bambi| und mit der |Goldenen Kamera| ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Edgar Allan Poe: Ulrich Pleitgen
Leonie Goron: Iris Berben
Rick Ellis: Tilo Schmitz (Ving Rhames, Michael Clarke Duncan)
Griswold: Friedrich Georg Beckhaus (Robert Duvall, Klaus Kinski, Sir Ian Holm)
Mr. Graham: Matthias Klages (Thomas Gibson in „Chicago Hope“, John Allen Nelson in „24“)
Mr. White: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney)
Glendinning: Bodo Wolf (Christopher Walken, William H. Macy, Robin Williams)
Und andere.

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 31 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

_Handlung_

Nachdem er von Blackwell’s Island – wieder einmal – entkommen ist, besucht Poe seine alte Anlaufstelle, den Wirt Rick Ellis im Gasthaus Madame Lovells. Rick verarbeitet zwar Menschenfleisch zu seinen hervorragenden Pasteten, doch Poe lässt Nachsicht gelten: Rick soll ihm ein Versteck besorgen, denn garantiert werden ihn die Behörden suchen. Rick weiß das optimale Etablissement: eine Gruft auf dem Friedhof von Kingstead. Gerade noch rechtzeitig kann sich Poe vor dem Journalisten Griswold verbergen, mit dem er schon negative Bekanntschaft geschlossen hat („Die Flaschenpost“). Der Typ hielt Poe für einen Hochstapler.

|Griswold|

Die Gruft ist „hübsch“ und hält sogar eines von Poes eigenen Werken bereit, das sein Vorgänger hier vergessen hat. In diesem Buch findet Poe seine eigene Kurzbiografie abgedruckt. Da kommt ihm die zündende Idee: Wenn er doch jemanden braucht, der ihm seine wahre Identität als Poe bestätigen kann, dann doch sein Verleger, Mr. Graham! Wieder bei Rick, trägt er seine Idee vor, doch diesmal wird er von Griswold entdeckt. Dieser bietet wider Erwarten seine Hilfe bei dem Unterfangen an und will den Verleger, den er persönlich kenne, mit Poe zusammenbringen.

|Mr. White|

Am nächsten Morgen trifft Poe vor dem Verlagshaus allerdings keinen Griswold. Auch Mr. Graham sei schon weg, lügt die Pförtnerin. Doch der Cheflektor, Mr. White, werde Poe sicher empfangen. Mr. White ist ein freundlicher und großherziger Mann, wie Poe erfreut feststellt. Vielleicht wendet sich doch noch alles zum Guten. White führt einige Prüfungen durch, darunter der Vergleich von Poes Profil mit einem der Schattenrisse, die White seinerzeit selbst angefertigt hat. Die Schattenrisse der Autoren hängen in Whites geheimem Privatraum, der hinter einem Regal versteckt ist. Als White verspricht, Poe mit Graham zusammenzubringen, geht Poe wie auf Wolken der Glückseligkeit zurück zu Rick. Es wird gefeiert.

|Das Versteck|

Am nächsten Morgen erscheint Poe zur verabredeten Zeit in Grahams Büro und stellt sich der Gestalt, die in einem Stuhl am Fenster sitzt, als Edgar Allan Poe vor. Doch die Gestalt, die abgewandt dasitzt, rührt sich nicht und sagt nichts. Es ist der tote Mr. White! Als er Stimmen kommen hört, versteckt sich Poe flugs in Whites Geheimzimmer hinter dem Bücherregal. Es ist tatsächlich Mr. Graham, allerdings auch Mr. Griswold. Poe zögert, sich aus seinem Versteck hervor zu wagen. Zu seinem Glück. Denn was die zwei sauberen Gentlemen sich zu sagen haben, lässt Poe das Blut in den Adern gefrieren: Er ist in eine teuflische Falle getappt …

_Mein Eindruck_

So weit also die vordergründige Story, die die Suche um Poes Identität wirklich eine gutes Stück weiterbringt. Typisch ist wieder mal der vehemente Stimmungsumschwung zwischen Glückseligkeit und tiefstem Unglück. Unter diesen Wechselfällen des Schicksals hatte Poe ja schon viele Male zu leiden. Dennoch lässt er es sich nicht nehmen, immer wieder von Neuem an sein Glück zu glauben.

Das unvermittelte, erneuerte Auftauchen Griswolds sollte uns stutzig machen. Was hat er hier in New York City zu suchen? Zuletzt sahen ihn Poe und Leonie draußen an der Küste in einem einsamen Gasthof (in „Die Flaschenpost“). Könnte es sich bei Griswold um jenen Schatten handeln, der von Dr. Templeton dabei beobachtet wurde, wie er ihr und ihrem Diener nachschlich (in „Feeninsel“)? Das würde Griswold ein weitaus größere Bedeutung zuweisen, als bislang deutlich geworden ist.

|Der Traum|

Der Grund, warum diese Folge „William Wilson“ betitelt ist, hat jedoch offenbar nichts mit Poes Besuch im Verlag zu tun, sondern vielmehr mit seinem Traum von einem Doppelgänger, eben jenem titelgebenden William Wilson. Der Träumer lernt ihn im Internat kennen und wundert sich: Der Junge heißt genauso wie er selbst. Während des Studiums treibt sich der Träumer in Lasterhöhlen herum, doch der andere Wilson taucht immer wieder auf, um ihm Streiche zu spielen.

Der Träumer entwickelt sich zu einem Meister im Ecarté-Spiel und droht in einem entscheidenden Spiel, Lord Glendinning zu ruinieren. Da taucht der Andere erneut auf, wenn auch vermummt bis über die Nase, und entlarvt das „Original“ als Falschspieler. Doch selbst als der Träumer bis nach Venedig reist und sich beim Karneval an eine liebliche Signorina heranmacht, kann er seinem Doppelgänger nicht entgehen, der sich auch diesmal wieder als Spielverderber zu betätigen versucht. Es kommt zu einem Degenduell, das über Leben und Tod entscheidet. Wer siegt, soll hier nicht verraten werden.

Einen Traum als Plot-Device zu verwenden, ist den Machern der Serie schon etliche Male eingefallen, doch in letzter Zeit haben sie selten zu diesem Stilmittel gegriffen. Umso mehr überrascht es nun und wirkt ein wenig wie die Holzhammermethode, um bei der Hauptfigur die epochale Erkenntnis herbeizuführen, dass ja auch seine Familie über seine Identität Zeugnis ablegen könnte. Potztausend, warum ist er nicht schon früher darauf gekommen? Das fragt sich allerdings auch der Hörer und wundert sich.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen. Diese Träume, so erkennt er schließlich, sind Erinnerungen an seine eigenen Erzählungen.

Die Nebenfiguren sind wenig bemerkenswert, bis auf den Sprecher des Mr. White vielleicht. Detlef Bierstedt, sonst als deutsche Stimmbandvertretung von George Clooney im Einsatz, verleiht Mr. White eine flexible und glaubwürdige Erscheinung. Denn es gilt ja, eine ganze Menge Fragen zu beantworten und Mr. White in kürzester Zeit zu charakterisieren. Wie kann es sich dieser Lektor leisten, in seinen Büroräumen ein Geheimzimmer einzurichten und vor seinem Chef zu verbergen? Warum fertigt er von seinen Autoren Scherenschnitte an und keine Fotos? (Es gab damals ja bereits Daguerreotypien – vielleicht waren sie noch zu teuer.)

Sehr gut gefiel mir Tilo Schmitz in der Rolle des Wirtes Rick. Sein Name gemahnt ja an Rick’s Café in dem Filmklassiker „Casablanca“. Kein Wunder, dass bei ihm alle möglichen Flüchtlinge vorbeischauen, so etwa auch Poe. Rick hat seine eigenen Geheimnisse, so etwa seine berühmt-berüchtigten Fleischpasteten aus menschlichem Ursprungsmaterial. (Siehe dazu Folge 21 „Schatten“).

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Wiederholt ist eine Glocke zu hören, sei es nun von einer Turmuhr (bitte die Schläge zählen – ein wichtiger Hinweis), oder auf dem Friedhof.

Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Allenthalben ist Poes musikalisches Leitmotiv zu hören sowie der Chor „Dies illa, dies irae“, der das Verhängnis – „jenen Tag des Zorns“ – ankündigt. Hinzukommen sehr tiefe, unheilvoll und bedrohliche wirkende Bässe. Sie werden von diversen elektronisch erzeugten Sounds ergänzt, die ich einfach mal der Musik zuschlage. Zur Abwechslung gibt es ein paar flotte Passagen, so etwa in der finalen Fechtszene des Traums.

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein. Rockige Klänge finden Jüngere eher in |LPL|s „Offenbarung 23“ oder „Jack Slaughter“.

|Der Song|

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „You see“ von der deutschen Gruppe |[Elane.]http://www.powermetal.de/review/review-12848.html |Die Stilrichtung entspricht einem weiterentwickelten Celtic Folk Rock, wie er von der Gruppe |Clannad| in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurde. Auch bei |Elane| wird englische mit gälischer Sprache kombiniert.

Die Musik verbindet Romantik und sehnsuchtsvolle Mystik, was einerseits durch die Instrumentierung, zum anderen durch den mehrstimmigen Frauengesang betont wird. Zu den Instrumenten, die für Folk Rock obligatorisch sind, gehören die akustische Gitarre, die Harfe und die Flöte. Dass Drums, E-Gitarre und E-Bass eine elektrisch verstärkte Rhythmusgruppe bilden, wurde schon von |Clannad| als Standard etabliert. Besonders interessant bei |Elane| ist die Mehrstimmigkeit.

Ich konnte zwei tiefe Frauenstimmen ausmachen und eine hohe Frauenstimme, also Alt und Sopran. Die Überlagerungen machen die Harmonien zu einer kniffligen Angelegenheit der gegenseitigen Abstimmung, sonst können leicht Disharmonien oder gar Rhythmusstörungen entstehen. Soweit ich hören könnte, gelingt die Polyharmonie jedoch durchweg einwandfrei – Applaus.

_Unterm Strich_

Auf diese Folge habe ich schon lange gewartet. Sie beruht auf einer frühen Erzählung Poes, und nur wenige Male hat er sich überhaupt mit dem romantischen Thema des Doppelgängers beschäftigt. Umso wichtiger also ist diese Story.

Doch wie enttäuscht war ich von ihrer Umsetzung in dem Hörspiel. Zunächst wird sie als Traum sozusagen ausgelagert, statt in Poes Suche nach Identität eingebettet zu werden. Vielleicht wäre das den Machern zu kompliziert geworden. Das Stilmittel des Traums ist sowohl Poe als auch uns sattsam bekannt, so etwa aus „Das verräterische Herz“. Auch in der nächste Episode „Morella“ wird es eingesetzt, allerdings wesentlich raffinierter, weil der Schläfer nicht zwischen Traum und Wachtraum/Einflüsterung zu unterscheiden vermag.

Diese Episode dient dazu, wieder mal eine Hoffnung Poes auf Bestätigung seiner Identität zu bestätigen und zugleich zu zerschlagen. Und sie lässt Mr. Griswold, den perfiden Nachlassverwalter des historischen Poe, ein weiteres Mal in einer ominösen Rolle auftreten. Ob zwischen ihm und Poe bzw. Leonie eine schicksalhafte Verbindung besteht, muss sich noch erweisen. Aber ich würde nicht darauf wetten. Auf jeden Fall trägt er zu einer spannenden Handlung bei, indem er die Widersacher Poes repräsentiert, die dessen Auferstehung verhindern wollen. Ein toter Dichter ist eben viel lukrativer als ein lebender.

|Das Hörspiel|

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Ein Highlight ist für mich die Szene in Mr. Whites Geheimzimmer, in dem Poe von der grausamen Falle erfährt, in die er gelockt worden ist.

|57 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3688-3|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.elane-music.de

Arnaldur Indriðason – Codex Regius (Lesung)

Literaturthriller: Die Jagd nach der Handschrift

Kopenhagen in den 1950er Jahren: Die Begegnung mit seinem Professor stellt Valdemars bisher beschauliches Leben völlig auf den Kopf. Der junge Isländer war nach Dänemark gereist, um hier über die alten Pergamenthandschriften zu forschen. Dort kommt er düsteren Geheimnissen auf die Spur und macht sich zusammen mit dem Professor auf die Suche nach einer Reihe verloren gegangener Manuskripte. Ihre Jagd führt die beiden durch halb Europa und nicht selten geraten sie dabei in große Gefahr – denn für diese wertvollen Kulturschätze sind andere bereit, über Leichen zu gehen… (Verlagsinfo)
Arnaldur Indriðason – Codex Regius (Lesung) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Teer und Federn (Folge 31)

_Revolutionäre Heilmethode: Teeren und Federn_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Feeninsel“ beginnt die achte Staffel des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 30 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Doch mittlerweile ist er wieder eingesperrt worden: als Mörder und Hexer verurteilt, sitzt er in einer Zelle des Irrenasyls auf Blackwell’s Island.

Als seine Beinahegattin Leonie Goron in der Anstalt auftaucht, ahnt er nicht, dass sie den Beweis für seine Unschuld gefunden hat. Ihr Anblick, bei dem er sich nicht verraten darf, gibt ihm Auftrieb, um in den Untergrund unter seiner Bettstatt zu graben. So gelangt er in die Zelle nebenan. Der dortige Insasse gibt ihm einen Rat, wie er todsicher aus der Anstalt fliehen kann. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Die Insassen übernehmen die Anstalt!

Die |Edgar Allan Poe|-Serie von |STIL| bei |Lübbe Audio|:

#1: [Die Grube und das Pendel 1487
#2: [Die schwarze Katze 755
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872
#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: [Das ovale Portrait 1913
#11: [Der entwendete Brief 1927
#12: [Eleonora 1931
#13: [Schweigen 3094
#14: [Die längliche Kiste 2510
#15: [Du hast’s getan 2518
#16: [Das Fass Amontillado 2563
#17: [Das verräterische Herz 2573
#18: [Gespräch mit einer Mumie 3178
#19: [Die Sphinx 3188
#20: [Scheherazades 1002. Erzählung 3202 (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: [Schatten 3206 (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: [Berenice 4394
#23: [König Pest 4408
#24: [Der Fall Valdemar 4420
#25: [Metzengerstein 4471
#26: [Die Flaschenpost 4946
#27: [Landors Landhaus 4966
#28: [Der Mann in der Menge 5000
#29: [Der Kopf des Teufels 5089

Achte Staffel (11/2008):

#30: [Feeninsel 5540
#31: Teer und Federn
#32: William Wilson
#33: Morella

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Mehr von und über Edgar Allan Poe auf |Buchwurm.info|:

[„Faszination des Grauens 554“]
[„Edgar Allan Poes Meistererzähler“ 4832 (Hörbuch)
[„Der Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11, Hörspiel)
[„Der Doppelmord in der Rue Morgue“ 2396 (Hörbuch)
[„Der Streit mit der Mumie“ 1886 (Hörbuch)
[„Die Brille“ 1885 (Hörbuch)
[„Mythos & Wahrheit: Edgar Allan Poe. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen“ 2933
[„Visionen“ 2554

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie unter anderem mit dem |Bambi| und mit der |Goldenen Kamera| ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Edgar Allan Poe: Ulrich Pleitgen
Leonie Goron: Iris Berben
Direktor: Frank Glaubrecht (Pierce Brosnan, Kevin Coster, Al Pacino, Christopher Walken …)
Mr. Maillard: Klaus Wiesinger
Abraham Farry: Klaus-Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Peter Stormare, Gabriel Byrne)
Sowie Ingo Albrecht (Dwayne ‚The Rock‘ Johnson, George ‚Superman‘ Newbern) und Kim Hasper (Jason Biggs, James Franco, Jamie Oliver).

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 30 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

_Handlung_

Der Mann, der nun weiß, dass er Edgar Allan Poe ist, sitzt für diese Behauptung in der Irrenanstalt auf Blackwell’s Island ein. Er ist isoliert, und es gibt kein Entkommen. Die Wärter sprechen nicht mit ihm, und der Direktor lässt ihn so lange hinter Gittern, bis er seinen Wahn zugibt. Immerhin hat Poe belauscht, dass es in die Gebäudeflügel noch eine Zelle gibt. Ob sie wohl leer ist?

|Der Tunnel|

Seine Knöchel sind inzwischen blutig vom Abklopfen der Bodenplatten seiner Zelle. Doch unter seiner Bettstatt, die am Boden festgeschraubt ist, entdeckt er einen Hohlraum. Mit einem gestohlenen Löffel, dessen Diebstahl er einem Raben und einer Elster zuschreibt, gelingt es ihm, die Fugen um die Platte auszukratzen und die Platte anzuheben. Darunter befindet sich zu seinem Erstaunen eine Röhre, die ins Erdreich führt: ein Tunnel?

Bevor er hineinkriecht, hört er die entzückende Stimme Leonies. Sie gibt vor, eine Journalistin aus England zu sein, die sich für die Behandlungsmethoden der Stadt New York interessiert. Der liberal eingestellte Direktor führt sie gerne herum. Sie fragt nach Langzeit- und Kurzzeitinsassen: Werden sie unterschiedlich behandelt? Poe fragt sich, ob sie zu ihm kommen wird.

|Der Schatzsucher|

Doch der Tunnel führt nur in die benachbarte Zelle statt in die Freiheit. Dort sitzt ein alter Mann ein, der sich Abraham Farry nennt und Poe seine Geschichte erzählt. Er stamme aus einer europäischen Familie, die schon immer die Grenze der Zivilisation bevorzugte. Im Indianerland sei er auf einen Schatz gestoßen und vergrub das Gold in einer Hütte. Die Micmacs duldeten seine Anwesenheit, doch er beging den Fehler, einen ihrer Friedhöfe zu betreten. Dort sei er wahnsinnig geworden. Inzwischen habe er sich wieder erholt und jahrelang den Tunnel gegraben, den Poe benutzte.

|Der Plan|

Farry behauptet, er habe nur noch drei Tage zu leben, so krank sei er inzwischen. Doch selbst sein toter Körper könne Poe noch zur Flucht verhelfen. Dann erzählt er ihm, auf welche Weise dieser aus der Irrenanstalt entkommen könne: Poe müsse sich schuldig bekennen. Man werde ihn zum Tod am Galgen verurteilen und auf einem Karren zur Richtstätte fahren. Die Fahrt sei die einzige Gelegenheit, sich mit einem Werkzeug der Fesseln zu entledigen. Dieses Werkzeug müsse sich Poe zuvor aus einem Knochen Farrys zurechtfeilen. Poe habe nur diese eine Chance.

|Leonie|

Leonie besucht Poe – endlich! Doch der verrät sich kein einziges Mal, um seinen Plan nicht zu gefährden, und sie muss wieder gehen, ohne etwas erfahren zu haben. Als endlich alles bereit ist und Poe zum Galgen geführt werden soll, öffnet sich Poes Zellentür. Doch weder die gewohnten Wärter noch der Direktor stehen davor, sondern zwei Gentlemen, die sich Maillard und De Coq nennen. Sie führen Poe in einen Speisesaal, in dem bereits andere Insassen sitzen und auf Speis und Trank warten. Poe ist verwirrt: Wer sind diese Leute? Werden sie seinen Plan scheitern lassen?

Am einen Ende der Tafel ragt unheilvoll ein großes Gestell empor, das schwarz verhüllt ist. Was mag sich darunter verbergen?

_Mein Eindruck_

Die Irren übernehmen die Anstalt. Dieser oftmals gebrauchte ironische Ausdruck wird mitunter auf die Demokratie angewendet, meist natürlich von Verfechtern antidemokratischer Herrschaftsverhältnisse wie etwa Faschisten. Sie wollen Revolutionen des Volkes diffamieren und in Misskredit bringen. Doch in Poes ursprünglicher Geschichte dient die Übernahme einer neuartigen Heilungsmethode für Geisteskranke. Professor Feather und Dr. Tarr haben sie erfunden und versprechen sich erheblichen Erfolg, indem sie die Geisteskranke wie „Normale“ behandeln. Das klingt schon richtig modern: Endlich werden die Irren nicht mehr wie Vieh weggesperrt, sondern quasi resozialisiert. Müsste doch wunderbar klappen, oder?

Das lässt für Poes Schicksal wirklich hoffen. Doch wer die musikalische Version der Story anhört, die Alan Parsons auf „Tales of Mystery and Imagination“ veröffentlichte, der ahnt, dass das Unheil mit Riesenschritten naht. Nicht nur ist die Musik ganz schön rockig, um Gewalttätigkeit anzudeuten, sondern auch das Stimmengewirr signalisiert Chaos und Disziplinlosigkeit. Wo ist die Führung, wenn man sie braucht? Die Herren Maillard und Le Coq, die Poe abholen (ihre Namen bedeuten „Stockente“ und „Hahn“), richten herzlich wenig aus. Poe ahnt, dass Unheil droht.

Es tritt in zweifacher Gestalt auf. Erstens wird das aufragende Gestell enthüllt, doch ich werde nicht verraten, worum es sich handelt. Poe fährt der Schrecken in die Glieder. Und zweitens folgt auf die ungenehmigte Übernahme der Anstalt quasi die Konterrevolution: Der Direktor und seine Leute können sich befreien und greifen die Insassen der Anstalt an. Nun folgt eine sarkastische Anwendung des Systems von Prof. Feather und Dr. Tarr: Wie ihr Name schon sagt, finden Federn und Teer praktische Anwendung – an den Insassen. Dann stecken die Wärter sie in Brand …

Rette sich, wer kann, sagt sich Poe und verkrümelt sich an einen strategisch günstigen Ort: auf den Leichenkarren …

Man kann also diese hintersinnige Erzählung als Poes Parabel auf die französischen Revolutionen von 1789, 1830 und 1848 lesen. (Poe starb im Herbst 1849.) Mit sarkastischer Ironie fasst er die Ironie als eine dirigierte Heilungsmethode auf. Weil sie aber nicht von den zu Heilenden ausgeht, sondern von Wohlmeinenden, geht der Schuss nach hinten los und vernichtet die Aufständischen durch die gegenteilige Anwendung der Heilmethode seitens der Konterrevolutionäre. Das „System von Prof. Feather und Dr. Tarr“ ist als Heilmethode denkbar ungeeignet. Der Patient muss selbst wissen, was ihn heilen kann. Genau wie das Volk, das sich Besserung hofft, sich selbst helfen muss – wie etwa die Amerikaner.

_Die Inszenierung_

|Mr. Poe|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen.

Sehr beeindruckt war ich von Klaus-Dieter Klebsch und seiner Darstellung des Abraham Farry, einer wohl frei erfundenen Figur. In diesem Charakter steckt eine Menge Potentzal, denn wir erfahren von übernatürlichen Kräften der Farry-Sippe und von Farrys Leben unter den Indianern. An einer Stelle war ich an Stephen Kings [„Friedhof der Kuscheltiere“ 3007 erinnert, als es um den Indianerfriedhof der Micmac-Indianer ging. Ob Poe schon davon wusste, kann ich nicht sagen, aber H. P. Lovecraft kannte definitiv die dunklen Legenden über diese Begräbnisstätten in Neu-England, denn er ließ sie in manchen seiner Horror-Erzählungen auftauchen.

Iris Berben „spielt“ ein paar kurze Auftritte als Leonie Goron. Wieder erscheint Leonie als eine weltkluge Lady, die sich sehr um ihren Beinahe-Ehemann Poe bemüht. Sie wird ihn erst in der übernächsten Folge in die Arme schließen können.

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Die Geräusche in der Irrenanstalt sind teils lokal, teils entfernt. Lokal bedeutet in diesem Fall in Poes Zelle, in Farrys Zelle und im Speisesaal. Die Speisesaalszene ist geradezu surreal inszeniert, denn Poe glaubt ja, dass ihm nun sein letztes Stündlein geschlagen hat.

Die entfernten Geräusche bestehen aus Rabenkrächzen (man denke an Poes Gedicht „The Raven“), Elstern-Keckern und – tatsächlich – einem heulenden Wolf. Dies sind allesamt Signale des Todes: Poe befindet sich wahrlich „in profundis“. Sogar eine Glocke schlägt ihm die letzte Stunde, und ein penetrantes Uhrenticken im Speisesaal trägt auch nicht gerade zu seiner Beruhigung bei.

Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Allenthalben ist Poes musikalisches Leitmotiv zu hören sowie der Chor „Dies illa, dies irae“, der das Verhängnis – „jenen Tag des Zorns“ – ankündigt.

Hinzukommen sehr tiefe, unheilvoll und bedrohliche wirkende Bässe. Sie werden von diversen elektronisch erzeugten Sounds ergänzt, die ich einfach mal der Musik zuschlage. Diese Sounds klingen teils metallisch kalt und bedrohlich, teils bestehen sie aus Rumpeln und Grollen, und das ist ja auch nicht gerade beruhigend. Je surrealer die Szene im Speisesaal der Irren wirken soll, desto dissonanter fallen die Kadenzen der Musik aus. Diese Szene gipfelt nicht in einem Fiasko oder einer Katastrophe, sondern in einem Massaker. Kann Poe dem entrinnen?

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein. Rockige Klänge finden Jüngere eher in |LPL|s „Offenbarung 23“ oder „Jack Slaughter“.

|Der Song|

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „You see“ von der deutschen Gruppe |[Elane.]http://www.powermetal.de/review/review-12848.html |Die Stilrichtung entspricht einem weiterentwickelten Celtic Folk Rock, wie er von der Gruppe |Clannad| in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurde. Auch bei |Elane| wird englische mit gälischer Sprache kombiniert.

Die Musik verbindet Romantik und sehnsuchtsvolle Mystik, was einerseits durch die Instrumentierung, zum anderen durch den mehrstimmigen Frauengesang betont wird. Zu den Instrumenten, die für Folk Rock obligatorisch sind, gehören die akustische Gitarre, die Harfe und die Flöte. Dass Drums, E-Gitarre und E-Bass eine elektrisch verstärkte Rhythmusgruppe bilden, wurde schon von |Clannad| als Standard etabliert. Besonders interessant bei |Elane| ist die Mehrstimmigkeit.

Ich konnte zwei tiefe Frauenstimmen ausmachen und eine hohe Frauenstimme, also Alt und Sopran. Die Überlagerungen machen die Harmonien zu einer kniffligen Angelegenheit der gegenseitigen Abstimmung, sonst können leicht Disharmonien oder gar Rhythmusstörungen entstehen. Soweit ich hören könnte, gelingt die Polyharmonie jedoch durchweg einwandfrei – Applaus.

_Unterm Strich_

Diese Folge fängt erst ganz langsam an, steigert sich dann in einem Wendepunkt des Ausbruchs und der Hoffnung, um dann in einem furiosen Finale seinen garstigen Höhepunkt zu erreichen. Das ist klassische Tragödiendramaturgie, wie man sie seit der Antike kennt. Das Dumme ist nur, dass sie dem modernen jungen Zuhörer einiges an Geduld abverlangt.

Doch die Geduld wird belohnt, und so zähle ich auch diese Folge zu den gelungeneren. Was man allerdings vom „System des Prof. Feathers und Dr. Tarr“ mitbekommt, ist herzlich wenig. Das macht aber nichts. Es gab schon viele Folgen, in denen fast nur ein Leitmotiv aus einer Poe-Story übernommen wurde, so in „Kopf des Teufels“. Dennoch kann man sich mit einiger Phantasie vorstellen, dass es hier um Revolution (als Umwälzung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse) und Konterrevolution geht.

|Das Hörspiel|

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode stimmungsvoll und zuletzt surreal und actionreich zu gestalten. Ein Highlight ist für mich die Szene in Abraham Farrys Zelle, wo wir nicht nur einen völlig anderen Blickwinkel erleben, sondern Poe auch ein Rettungsplan vorgelegt wird.

|70 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3687-6|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.elane-music.de

Lueg, Lars Peter / Richter, Devon / Frey, Nikola – Hexensabbat (Offenbarung 23, Folge 37)

Kurios: Königin Luises Wiederauferstehung

Ein paar Adelige aus der Prätorianer-Loge wollen Königin Luise wieder zum Leben erwecken – mit Pia von Boysen als Blutopfer! Dürfen Tom Baumann und Florian das zulassen? Selbstredend nicht!

„In einer Zeit, in der kein Geheimnis sicher ist vor unbarmherzigen Erpressern, rücksichtslosen Verschwörern, bestechlichen Behörden oder machthungrigen Geheimdiensten, kannst du nur dir selbst vertrauen. Wenn du die Wahrheit wirklich wissen willst, brauchst du Stärke und Mut. Niemand wird dir dafür danken, aber vielleicht kannst du die Welt verändern.

Was steckt hinter den Mysterien von Magie und Astrologie? Gibt es ein verborgenes Wissen, das niemand jemals ergründen darf? Kann es sein, dass es dort draußen mehr gibt als das, was man mit wissenschaftlichen Methoden erklären kann? Oder steckt eine einfache Erkenntnis hinter allem, was wir als ‚okkult‘ bezeichnen?“ (abgewandelte Verlagsinfo)
Lueg, Lars Peter / Richter, Devon / Frey, Nikola – Hexensabbat (Offenbarung 23, Folge 37) weiterlesen

Montanari, Richard – Lunatic (Hörbuch)

_Der Mann im Mond: besessen von Märchen_

Eine schöne junge Frau sitzt in einem langen, altmodischen Kleid am Ufer des Schuylkill River und starrt zum bleichen Mond empor. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine Puppe auf einem Regal, aber keineswegs tot. Auf den zweiten Blick sieht man, dass ihre roten Schuhe fehlen. Ebenso wie die Füße …

Die Detectives Kevin Byrne und Jessica Balzano von der Mordkommission Philadelphia ermitteln und stoßen bald auf weitere solche puppenhaften Frauenleichen, eine mit einer lebenden Nachtigall in den Händen, die andere mit einer Plastikseerose. Alle sind mit einem winzigen Mond bemalt. Die infrage kommenden Verdächtigen werden ebenfalls zu Opfern, ebenso ein gerade pensionierter Polizist.

Byrne und Balzano kommt ein schrecklicher Verdacht. Haben sie es vielleicht mit zwei verschiedenen Tätern zu tun? Einem Wahnsinnigen, der auf blutige Weise Andersens Märchen inszeniert, und einem skrupellosen Rächer, der alle Verdächtigen umbringt …

_Der Autor_

Richard Montanari, geboren in Cleveland, Ohio, wuchs in einer traditionellen italienisch-amerikanischen Familie auf. Er ist als Autor, Drehbuchschreiber und Essayist tätig. Seine Werke erscheinen nach Verlagsangaben in über zwanzig Ländern.

Bisher erschienen neben „Lunatic“ noch „Violett ist die Nacht“, „Crucifix“ und „Mefisto“ auf Deutsch. 2009 veröffentlicht |Lübbe| den Thriller „Septagon“.

Richard Montanari auf |Buchwurm.info|:

[Interview mit Richard Montanari]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=82
[„Crucifix“ 2818 (Hörbuch)
[„Mefisto“ 3681 (Hörbuch)
[„Lunatic“ 5003 (Buch)

_Der Sprecher_

Matthias Koeberlin, geboren 1974, absolvierte die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam. Im Jahr 2000 erhielt er den Günter-Strack-Fernsehpreis. Er spielte den Stephen Foxx in der |ProSieben|-Verfilmung des Bestsellers [„Das Jesus-Video“. 267 Für seine Interpretation der Hörbuchfassung von Eschbachs Bestseller wurde er für den Deutschen Hörbuchpreis des WDR (2003) nominiert. 2007 gewann er gegen renommierte Konkurrenz als „Bester Schauspieler“ den „Deutschen Fernsehpreis“.

Koeberlin liest eine gekürzte Textfassung. Regie führte Kerstin Kaiser, die Aufnahme in den dc-Studios, NRW-Berlin, verantwortete Christian Päschk, die Musik lieferten Dennis Kassel und Horst-Günther Hank.

_Handlung_

Im August 2001 erwacht Detective Walter Brigham wieder mal aus seinem wiederkehrenden finsteren Albtraum. Er hat von den zwei Mädchen geträumt, die im April 1995 im Fairmount Park von Philadelphia verschwanden und wenig später ermordet aufgefunden wurden. Zusammen mit seinen Kollegen hat er bislang vergeblich nach einer ergiebigen Spur gesucht, doch nun ist er auf das Foto eines alten Hauses auf dem Land gestoßen. Wer weiß, wohin ihn diese Spur führt.

Im Dezember 2006 beobachtet spätabends der junge Mann, der sich Moon nennt, eine junge Frau, die einen Waschsalon verlässt, um ihre saubere Wäsche nach Hause zu bringen. Sie kommt nicht weit. Bald steht er am Schuylkill River und legt die junge Frau ab. Sie ist sehr tot – und definitiv nicht die gesuchte Prinzessin mit den roten Schuhen. Schade. Nun muss er weitersuchen.

Detective Jessica Balzano, 30, Tochter eines bekannten Polizisten, betritt das Hauptquartier der Polizei von Philadelphia. Ihr Kollege Kevin Byrne überrascht sie mit einem neuen Bart um sein Kinn. Er nimmt sie mit zum Schuylkill River, wo ein weibliches Mordopfer an einem verlassenen Geschäfts- oder Lagerhaus gefunden wurde. Sie haben einen neuen Kollegen, Joshua Bontregger, einen Amish. Sie fassen es nicht: ein Amish als Polizist! Byrne schluckt, als Bontregger erzählt, er sei acht Jahre bei der Verkehrspolizei gewesen und jetzt neu bei der Mordkommission. Na, das kann ja heiter werden.

Die Leiche ist die einer hübschen, etwa 20 Jahre alten Blondine. Sie trägt ein auffallend altmodisches, langes rosa Kleid und einen Gürtel um den Hals. Wurde sie damit erdrosselt? Als Byrne einen Blutfleck am Saum entdeckt, fällt ihm erst auf, dass die junge Frau nicht nur keine Schuhe trägt, sondern überhaupt keine Füße mehr hat. Der Rechtsmediziner Dr. Thomas Wyridge schätzt, dass sie über 48 Stunden tot ist. Wieso hat niemand sie entdeckt oder als vermisst gemeldet? Auf ihrem Unterleib, der völlig intakt ist, entdeckt Wyridge eine kleine Zeichnung: ein Miniaturbild vom Mann im Mond.

Balzano und Byrne befragen den Betreiber eines Schnellimbisswagens und dessen Kunden. Dieser Will Patterson aus Plymouth Valley bezeichnet sich als Maurer, der auf einer Baustelle in der Nähe arbeite. Er will einen komischen Typen auf einem Parkplatz gesehen haben, der den Mond anstarrte, konnte ihn aber nicht erkennen.

Nachdem sie auch den Besitzer des Tatort-Hauses, einen Mr. Hornström, befragt haben, finden sie die Identität der Toten in der Vermisstendatenbank. Es handelt sich um Kristina Jakus, die zusammen mit ihrer Schwester Natalia aus der Ukraine eingewandert ist. Natalia sagt aus, ihre Schwester habe bei ihrer Freundin Sonya Kedrova und sich mit ihr ein Haus geteilt, sie sei eine offenbar gut verdienende „Empfangsdame“ gewesen; was auch immer das heißen mag. Sie wollte Tänzerin werden. In Sonyas Haus ist außer dieser Mitbewohnerin, die einen Zusammenbruch erleidet, nichts Neues zu finden oder zu erfahren, also muss Byrne die Etablissements des Rotlichtbezirks abklappern.

|Ein seltsames Paar|

Unterdessen ganz woanders in der Stadt. Pastor Roland Hannah und sein Freund Charles Waite fahren einen gefesselten Mann auf den Friedhof. Mr. Spencer war unartig nicht wahr? Er hat minderjährige Mädchen missbraucht. Ist er auch für die Morde von 1995 im Fairmount Park verantwortlich? Sie wissen es nicht, und er sagt es ihnen nicht. Eines der beiden ermordeten Mädchen war Charlies Schwester, das andere war die Freundin von Roland. Mr. Spencer kann nicht auf Gnade hoffen, als sie ihn das frische, leere Grab stoßen, ihm einen Luftschlauch in den Mund stecken und das Grab zuschütten.

|Der Zinnsoldat|

Moon wartet vor einer irischen Kneipe auf seinen Zinnsoldaten. Im „Finnegan’s Wake“ findet die Jahresabschlussfeier der Polizisten statt, insbesondere der Mordkommission. Als schließlich Walter Brigham herauskommt und sich von Kevin Byrne verabschiedet, folgt Moon seinem Wagen. Wie so oft fährt Brigham zum Fairmount Park, um der beiden ermordeten Mädchen Charlotte und Annamarie zu gedenken und sein Versprechen zu erneuern, ihren Mörder zu finden. Die letzte Spur führt nach Odense im Burkes County.

Da schlägt Moon zu, der Brigham auf dessen Rücksitz erwartet und ein Kinderlied singt: „Kleine Mädchen, hübsch und fein …“ Endlich hat er seinen Zinnsoldaten. Er zieht den Strick um den Hals des Polizisten zu. Dann holt er das Benzin. Hey, Mann, das lief ja echt gut. Schon denkt er über sein nächstes Mädchen nach: seine Nachtigall …

_Mein Eindruck_

Bei den Stichworten „Rote Schuhe“, „Zinnsoldat“ und Nachtigall“ sollte es bei Märchenkennern klingeln. Es handelt sich um Verweise auf Märchen von Hans Christian Andersen, einem dänischen Schriftsteller, der von 1805 bis 1875 lebte. Er schrieb 156 Märchen, von denen im Unterschied zu den Märchen der Brüder Grimm nur zwölf auf Volkserzählungen beruhen.

Er war international sehr erfolgreich, obwohl die prüden Viktorianer seine Erzählungen nur als Kindergeschichten ansehen wollten. Das ging ihm sehr gegen den Strich, denn er wollte mit seinen Geschichte universell gültige, philosophische Gedanken ausdrücken. „Das hässliche Entlein“ und „Des Kaisers neue Kleider“ sind sogar geflügelte Worte geworden. „Die kleine Meerjungfrau“ ist eine Allegorie des Liebesopfers, „Die Schneekönigin“ ist eine Verwandlung der Welt in eine umfassende Falschheit, und „Die Nachtigall“ drückt den Sieg von Schönheit über den Tod aus. Es geht also um sehr grundlegende Begriffe.

In Andersens Werk findet man eine durchgehende Botschaft der Hoffnung trotz aller Widrigkeiten. Der Autor war selbst einmal eine arme Halbwaise, erhielt kaum Bildung und musste sich durchschlagen. Die Botschaft, dass Schönheit und Güte triumphieren, wenn man nur nach ihnen sucht, klingt sehr romantisch. Aber dass mit diesem Triumph immer auch ein Opfer verbunden ist, hören wir weniger gern. Tatsächlich benutzte Andersen eine Verbindung aus Humor und Pathos mit der Bildsprache der Phantasie, um seine Aussage über die Realität auszudrücken. Doch leider sieht man heute vor allem das Pathos und weder Humor noch Gesellschaftskritik (außer vielleicht bei „Des Kaisers neue Kleider“). Andersen beeinflusste Dickens und Oscar Wilde, aber auch unzählige Fantasyerzähler und -autorinnen, wie Edith Nesbitt oder C. S. Lewis.

|Freizeitpark|

All dies darf der Autor als bekannten Bildungshintergrund des Lesers voraussetzen. Die Verbindung stellt er über einen Freizeit- und Themenpark her, den eine Dänin in Odense, Burkes County, Anfang des 20. Jahrhundert errichtet hat, der nun aber, da längst geschlossen, abgerissen werden soll. Dagegen hat jedoch der junge Mann, der sich Moon nennt, etwas. Seine Morde sind Reenactments, also verdrehte Wiederaufführungen der Andersenschen Märchen.

Genauso gut hätte der Autor ja auch die Disney-Geschichten heranziehen können, die in mehreren Freizeitparks wie Disneyland und Disneywold täglich wiederaufgeführt werden. (Aber dafür hätte der Autor garantiert keine Rechte erhalten, handelt es sich doch um geschützte Warenzeichen!) Wie hier sind auch Moons Morde im Grunde Performances: Aufführungen. Und als solche erzählen sie eine Geschichte und enthalten eine Botschaft. Der Adressat, der sie lesen soll, ist im Fall von Moons Opfer die Polizei. An diesem Punkt kommen die Kripoleute Byrne und Balzano ins Spiel. Die bange Frage lautet natürlich, ob auch sie für eine Rolle in diesem verdrehten Theaterspiel vorgesehen sind. Falls ja, ist ihnen ein vorzeitiges Ende gewiss.

|Die Konkurrenz|

Was die Arbeit für die Polizisten so schwierig macht und sie verwirrt, sind zusätzliche Morde an Männern, die Kinder missbraucht und getötet haben. Die Cops bekommen also Konkurrenz von selbsternannten Sheriffs, die aus der kirchlichen Seelsorge kommen. Hannah und Waite haben aber auch ein ganz persönliches Rachemotiv: Sie wollen den Mörder ihrer Mädchen zur Rechenschaft ziehen, die Schwester Charlies, die Freundin Rolands.

Was die beiden Selbstjustizfans nicht ahnen: In ihrer Mitte sitzt bereits der echte Mörder und passt auf, wie weit die beiden schon in ihren Ermittlungen gekommen sind. Als sie auf der richtigen Spur sind und nach Odense fahren, erleben sie deshalb eine böse Überraschung.

|Showdown|

Der Showdown führt alle fünf Ermittler in einer verhängnisvollen Verstrickung zusammen, und Detective Jessica Balzano sieht sich ebenso wie eine andere Frau in einer üblen Klemme, aus der Byrne und Bontregger sie heraushauen müssen. In den Ruinen des ehemaligen Freizeitparks, der mit Szenen aus Andersens Märchen möbliert ist wie ein Disneyland, kommt es zu bizarren Szenen, in denen die Grenze zwischen Tod und Leben, Schein und Wirklichkeit, Liebe und Besessenheit völlig verwischt wird. Die Aufführungen der Märchen und ihrer Figuren verkommen zu bizarren Parodien ihrer selbst, einer Phantasmagorie, die zugleich faszinierend und makaber ist.

|Besessen|

In allen seinen bisherigen Thrillern hat Richard Montanari das Motiv der Besessenheit mit der Vergangenheit aufgegriffen. In „The Rosary Girls“ (dt. Titel: „Crucifix“) war es ein Serienmörder, der den Rosenkranz (rosary) herunterbetete und seinen Zielpunkt auf Karfreitag festgelegt hatte. In „The Skin Gods“ (dt. Titel „Mefisto“) dienen alte Filme wie „Psycho“ als Performance-Vorlagen für den Serienmörder, und seine Opfer, meist junge Frauen, sind entsprechend zurechtgemacht, um seine Besessenheit auszuleben.

Auch der Serienmörder in „Lunatic“ (O-Titel „Merciless“, UK-Titel: „Broken Angels“) lebt seine Besessenheit aus. Er fährt auf Andersens Märchen ab. „In jedem Roman“, so schrieb mir der Autor im [Interview,]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=82 „verdreht der Mörder die Logik aller Dinge, bis diese, wie der Verstand des Mörders, aus den Fugen geraten. Dies ist zugegebenermaßen ein relativ seltenes Phänomen bei Serienverbrechen, aber sobald ich einmal in der Realität darauf stoße, bin ich davon gefesselt.“

Man könnte aber auch sagen, dass alle diese Mörder ein Muster für ihre Performance suchen, das aus der Vergangenheit stammt, und zwar deshalb, weil sie diese nicht mehr loslassen können. Die Thriller Montanaris blicken also stets zurück in eine Vergangenheit, die im Auge des Mörders verzerrt wahrgenommen wird. Das hat viel mit der Sicht von Norman Bates in „Psycho“ gemeinsam, denn er kann ja auch nicht den Verlust seiner Mutter ertragen. Ob der Blick zurück dann wieder so nutzbringend oder erkenntnisreich für den Leser ist, steht auf einem anderen Blatt. Unterhaltsam sind Montanaris Thriller allemal.

|Der Sprecher|

Als ausgebildeter Schauspieler weiß Koeberlin seine Stimme wirkungsvoll einzusetzen und die Sätze deutlich und richtig betont zu lesen. Ihm gelingen ausgezeichnete Charakterisierungen, allerdings vor allem in den eher unwichtigen Nebenrollen. Während Byrne und Jessica ganz gewöhnlich klingen und den Maßstab für Normalität setzen, dürfen Nebenfiguren schon mal ziemlich schräg und zwielichtig auftreten, so etwa der Besitzer des Nachtklubs, in dem Kristina Jakus arbeitete. (Ironischerweise sind die Separees hier für die „Kunden“ ebenfalls als Phantasieszenen gestaltet.)

Es gelingt Koeberlin, beide Tugenden des Sprechers zu verbinden: Die stimmlichen Charakterisierungen kann er auch mit der jeweiligen emotionalen Sprechweise in einer gegebenen Situation verknüpfen. Deshalb kann er Bontregger nach der Weihnachtsfeier auch munter, besoffen und schwer schnaufend darstellen (eine recht lustige Szene), während ein Profi wie der Rechtsmedizinier sich selbstbeherrscht gibt und leise und schnell spricht.

Es dürfte kaum überraschen, dass es besonders im langen Showdown zu sehr emotionalen Szenen kommt und die Figuren aufgeregt, laut befehlend oder gar verzweifelt sprechen. Koeberlin hat die ganze Palette drauf und kann sie auf durchgehend hohem Niveau wiedergeben. Eine große Leistung, wenn man es richtig bedenkt.

Geräusche und Musik gibt es außer am Anfang und Ende nicht. Das musikalische Motiv hat mich an das Arrangement der Titelmelodie zu [„Die purpurnen Flüsse“ 936 erinnert. Das Motiv, das Dennis Kassel und Horst-Günther Hank beitrugen, taucht des Öfteren in Thrillern von |Lübbe Audio| auf. Es passt ja auch recht gut dazu.

_Unterm Strich_

Die Wertschätzung für diesen Thriller steht und fällt mit der Wertschätzung, die der Leser bzw. Hörer der Erzählform und der Ideenwelt der Märchen entgegenbringt. Findet man Märchen wertvoll und lehrreich, kann man auch den Serienmörder ernstnehmen. Doch wenn man Märchen eher für Kinderkram hält, der nichts mit der realen Welt zu tun hat, dann dürfte es einem schwerfallen, den Schurken im Stück nicht ein wenig lächerlich zu finden. Der Grat zwischen Ablehnung und Zustimmung ist in diesem Fall ziemlich schmal, und so kann es schon mal vorkommen, dass man diesen Plot wegen der „Schwäche“ des Killers einfach nicht akzeptieren kann.

Nun, für die Figuren der Cops und der Selbstjustizfans sind die Morde jedenfalls ziemlich real. Und es hat ja schon Lächerlicheres gegeben als Märchenfreunde, beispielsweise Fußfetischisten oder Kronkorkensammler (auch wenn diese meist friedlich sind). Aber an dem Punkt, an dem Leidenschaft und Hingabe in Besessenheit und Verzweiflung umschlagen, wird es in jedem Fall ernst, egal ob für einen Fußfetischisten oder einen Märchenfreund. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Mr. Moon nicht auf Märchen abfährt, sondern auf den Andersen-Freizeitpark und dessen Gründerin, seine Großmutter. Dadurch ist seine Besessenheit viel emotionaler.

Anders als in den vorherigen Thrillern Montanaris ist es diesmal Balzano, die schwer in die Bredouille gerät. Sie kann sich und ihren Verstand nur retten, indem sie sich mit der Besessenheit, dem Wahn des Serienmörders auseinandersetzt und ihren Vorteil sucht. Bis es zum Showdown kommt, vergeht noch eine Weile, aber der hat mich dann doch gefesselt. Es gibt ein paar hübsch hässliche Überraschungen für den, der bis zum Ende durchhält.

|Das Hörbuch|

Der Sprecher gestaltet den Text zu einer spannenden, abwechslungsreichen und unterhaltsamen Lesung, indem er die vielfältigen darin auftretenden Figuren einigermaßen gut mit seinen stimmlichen Mitteln zu charakterisieren versteht. Diesmal macht Koeberlin wesentlich weniger Aussprachefehler als in „Crucifix“. Das rührt zum Teil daher, dass kein einziges lateinisches Wort vorkommt und deutsche Märchentitel relativ wenig Gelegenheit zu Aussprachefehlern geben.

|Originaltitel: Merciless / Broken Angels, 2007
Aus dem US-Englischen übersetzt von Karin Meddekis
375 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3542-8|
http://www.richardmontanari.com
http://www.luebbe-audio.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Bertling, Simon / Hagitte, Christian / Sieper, M. / Weigelt, Th. – Feeninsel (Edgar Allan Poe, Folge 30)

_Leonie als Heldin: rundum gelungene Episode_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Feeninsel“ beginnt die 8. Staffel des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 29 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Doch mittlerweile ist er wieder eingesperrt worden: als Mörder und Hexer verurteilt, sitzt er in einer Zelle des Irrenasyls auf Blackwell’s Island.

Davon weiß seine Beinahegattin Leonie Goron jedoch nichts. Als sie seiner Spur zu Landors Landhaus und zu den alten Höhlen folgt, findet sie den Beweis für seine Unschuld. Doch rettet sie ihn damit schon?

Die |Edgar Allan Poe|-Serie von |STIL| bei |Lübbe Audio|:

#1: [Die Grube und das Pendel 1487
#2: [Die schwarze Katze 755
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872
#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: [Das ovale Portrait 1913
#11: [Der entwendete Brief 1927
#12: [Eleonora 1931
#13: [Schweigen 3094
#14: [Die längliche Kiste 2510
#15: [Du hast’s getan 2518
#16: [Das Fass Amontillado 2563
#17: [Das verräterische Herz 2573
#18: [Gespräch mit einer Mumie 3178
#19: [Die Sphinx 3188
#20: [Scheherazades 1002. Erzählung 3202 (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: [Schatten 3206 (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: [Berenice 4394
#23: [König Pest 4408
#24: [Der Fall Valdemar 4420
#25: [Metzengerstein 4471
#26: [Die Flaschenpost 4946
#27: [Landors Landhaus 4966
#28: [Der Mann in der Menge 5000
#29: [Der Kopf des Teufels 5089

Achte Staffel (11/2008):

#30: Feeninsel
#31: Teer und Federn
#32: William Wilson
#33: Morella

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Mehr von und über Edgar Allan Poe auf |Buchwurm.info|:

[„Faszination des Grauens 554“]
[„Edgar Allan Poes Meistererzähler“ 4832 (Hörbuch)
[„Der Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11, Hörspiel)
[„Der Doppelmord in der Rue Morgue“ 2396 (Hörbuch)
[„Der Streit mit der Mumie“ 1886 (Hörbuch)
[„Die Brille“ 1885 (Hörbuch)
[„Mythos & Wahrheit: Edgar Allan Poe. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen“ 2933
[„Visionen“ 2554

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen tritt diesmal nicht auf.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie unter anderem mit dem |Bambi| und mit der |Goldenen Kamera| ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Dr. Templeton: Till Hagen (dt. Stimme von Kevin Spacey, Billy Bob Thornton)
Sir Christopher Frank: Hans-Peter Hallwachs
Joe: Timmo Niesner („Frodo“ Elijah Wood in Jacksons „Herr der Ringe“)
Emely: Henriette Gonnermann
Sowie Carsten Wilhelm, Holger Mahnfeld und Karsten Morschett.

Hans Peter Hallwachs, Jahrgang 1938, studierte an der Fritz-Kirchhoff-Schauspielschule in Berlin. Von 1963 bis 1967 arbeitete er in Bremen bei Kurt Hübner und spielte Rollen in zahlreichen Inszenierungen von Peter Zadek. Unter der Regie von Hans Hollmann spielte er die Titelrolle in Peter Weiss‘ „Hölderlin“ und an den Münchener Kammerspielen in der Inszenierung von Dieter Dorns „Faust“. Hans Peter Hallwachs spielte große Rollen auch bei den Salzburger Festspielen, den Luisenburg-Festspielen und wirkte in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit.

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 29 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe/Pleitgen sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Leonie erfährt von Richter Sir Christopher Frank am Sondergericht der Stadt New York das Schicksal ihres Beinahegatten Edgar Allan Poe. Frank berichtet, wie der Mann der sich Poe nennt, bei den alten Höhlen nahe Landors Landhaus wegen Mordes und Hexerei verhaftet wurde. Danach habe man ihn wegen dieses Wahns zu lebenslänglicher Haft im Irrenasyl auf Blackwell’s Island verurteilt.

Mord? Hexerei? Leonie wundert sich sich über diese Anklagen und ist sicher, dass Poe in jeder Hinsicht unschuldig ist. Doch wie kann sie es beweisen? Sie könnte beispielsweise zum angeblichen Tatort zurückkehren und dort nach Beweisstücken suchen. Sie mietet zwei Pferde und einen Diener namens Joe, der sie dorthin bringen und begleiten soll. Sie bemerkt den Mann nicht, der sie seit dem Gerichtsgebäude unauffällig beschattet. Dr. Templeton alias Baker will seine Aufzeichnungen wiederhaben, die ihm Poe gestohlen hat. Vielleicht weiß Miss Goron, wo er sich befindet. Er folgt ihr.

In Landors Landhaus angelangt, erinnert sich Leonie an die glücklichen Tage mit Poe – lang ist’s her, wie ihr scheint. Dabei war dies erst vor höchstens zehn Tagen. In einer Ecke hinter der Tür findet sie die Wegbeschreibung zu den Alten Höhlen, von „einem Freund“ geschrieben. Bestimmt ist Poe diesem Hinweis gefolgt. Ihr Diener Joe warnt sie ausdrücklich vor den Höhlen, in denen Geister umgingen, wie er behauptet. Seine Mutter habe ihm vor ihrer Erblindung aus einem Buch vorgelesen. Dort sei ein Liebespaar verschwunden, und die Feeninsel sei auch nicht weit weg.

Joe fühlt sich verfolgt, und Dr. Templeton erspäht mit seinem Fernrohr einen undefinierbaren Schatten, der Joe und Leonie folgt. Diese stellen ihre Pferde auf Landors verlassenem Gehöft unter und gehen zu Fuß in den Wald, um zu den Höhlen zu gelangen. Ein riskanter Weg, findet Templeton. Schon heult ein Wolf den Mond an, während sich Leonie und Joe ein Nachtlager bereiten. Leonie lauscht, wie Joe ihr erzählt, es gebe sieben Zugänge zur Unterwelt der Toten, und die Höhlen bilden einen davon. Auch dies weiß er von seiner Mutter. Als sich etwas im Unterholz rührt, schießt er. Es sei kein Tier gewesen, behauptet er.

Am nächsten Morgen marschiert Leonie gegen Joes Protest weiter zu den Höhlen und betritt das Labyrinth. Doch selbst nach Stunden hat sie nichts gefunden. In der Nähe des Ausgangs verstaucht sich Joe den Fuß und geht voraus. Als Leonie wenig später folgt, entdeckt sie von ihrem Diener keine Spur. Wie seltsam. Erschöpft setzt sie sich unter den einzigen Baum, der vor den Höhlen steht. Etwas tropft auf ihre Hand. Als sie die Hand ansieht, entdeckt sie mit Schaudern, dass es sich um Blut handelt. Im Baum macht sie eine grausige Entdeckung …

_Mein Eindruck_

Diese Folge schließt nahtlos an „Landors Landhaus“, „Der Mann in der Menge“ und „Der Kopf des Teufels“ an. In Landors Landhaus verbrachten Leonie und Poe schöne Tage als Verlobtenpaar, bis sie sich trennten und Leonie in Gefangenschaft geriet. Poe selbst geriet in die Fänge von Sir Christopher Frank vom Sondergericht, der ihn verurteilen und in die Irrenanstalt auf Blackwell’s Island (heute Roosevelt Island im Bezirk Manhattan) einweisen ließ. Doch wer hat Poe diesen finsteren Streich gespielt und dessen Führer Tom auf dem Gewissen?

Dieser Unbekannte wird nun von Dr. Templeton erspäht, der Leonie, die sich befreien konnte, folgt: ein Schatten, der ihr und Joe zu den Höhlen folgt. Wieder schlägt der Unbekannte zu und lässt Joe verschwinden. Leonie fällt aus allen Wolken, als sie Sir Christopher Frank bei finsteren Machenschaften entdeckt: Er brennt Landors Gehöft nieder. Was die Frage aufwirft, wer dieser Landor überhaupt war. War er wirklich so harmlos, wie er immer tat – oder verbirgt sich hinter seiner freundlichen Fassade ein Abgrund an Bosheit? Und wo befindet er sich jetzt?

|Feeninsel|

Doch diese Folge hat ihren Titel nicht wegen Landor, der Höhle oder dem Sondergericht, sondern wegen der Insel, auf die Leonie stößt, als sie vor Sir Christopher Frank durch den Wald flüchtet. Sie findet Joes blinde Mutter Emely, die vor Jahren aus dem Haus flüchten musste und sich in die Kapelle auf dieser Insel zurückzog. Die Insel werde von einer guten Fee, die mit einer Glocke herbeigerufen werden kann, bewacht. Tatsächlich erblickt Leonie bei ihrem Aufenthalt in dieser Zuflucht eine weiß gewandete Frau in einem Boot.

Als Leonie Emelys Familiengeschichte erkundet, in der auch Sir Christopher Frank eine einschneidende Rolle spielte, kommt ihr schlagartig die Erkenntnis, dass Poe doch seine Identität über seine Familie erfahren können müsse. Sie müssen seine Eltern finden. Nur wo? Zuerst muss sie erst einmal ihn selbst finden. In diesem Moment tritt ihr früherer Mann in die Tür der Kapelle – der Mann, der ihre eigenen Eltern tötete und sie in England wie eine Gefangene hielt, bis sie vor ihm floh. Bis hierher. Nun bietet auch die Insel keine Zuflucht mehr – das Verhängnis nimmt seinen Lauf …

_Die Inszenierung_

|Sprecher|

Leonie Goron erschien uns in den ersten Staffeln als patente und zupackende Helferin und Gefährtin des manchmal recht hilflosen Poe. Doch nach dem scheinbaren Tod Dr. Templetons ändert sich ihr Erscheinungsbild. Sie hat ja zuvor schon Andeutungen gemacht, dass sie vor gewissen Ereignissen in England geflohen sei, um bei ihrer Kusine in den Vereinigten Hilfe und Obdach zu finden.

Doch offensichtlich ist ihr ihr Mann, den sie als einen verurteilten Mörder verließ, in die Neue Welt gefolgt und hat sie bereits einmal gefangen genommen. Der Schluss liegt nahe, dass es sich bei ihrem Mann, der bislang noch keinen Namen bekommen hat, um Dr. Templeton alias Baker handelt, Poes Peiniger. Das würde der Geschichte eine weitere Ebene an tragischer Ironie hinzufügen. Kein Wunder, dass Templeton sowohl seine Aufzeichnungen von Poe als auch seine entflohene Frau zurückhaben will.

Nun erscheint Leonie als gehetzte Frau auf der Flucht vor der Vergangenheit – so ziemlich das Gegenteil zu Poe. Denn Poe sucht in der Vergangenheit sein Heil, die in seiner Identifizierung als der echte Edgar Allan Poe bestehen soll. Ob dieser Glücksfall und Erfolg wirklich eintritt, ist noch abzuwarten. In der Irrenanstalt scheinen dafür relativ wenige Chancen zu bestehen.

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Die Geräusche auf der Insel sind beispielsweise stark reduziert: eine Glocke, die an die Fee gemahnt, dazu Türen, Zündhölzer, Schritte.

Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Leonie hat kein eigenes musikalisches Leitmotiv, doch allenthalben stößt sie auf die Spuren Poes, der musikalisch mit seinem Leitmotiv sowie mit dem Chor „Dies illa, dies irae“ zitiert wird. Leonies Erlebnisse sind teils von flotter, heiterer, unternehmungslustiger Musik begleitet, dann aber auch wieder von düsterer und sogar dramatischer Musik untermalt, wenn die Vergangenheit sie einzuholen droht.

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein. Rockige Klänge finden Jüngere eher in |LPL|s „Offenbarung 23“ oder „Jack Slaughter“.

|Der Song|

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „You see“ von der deutschen Gruppe |[Elane.]http://www.powermetal.de/review/review-12848.html |Die Stilrichtung entspricht einem weiterentwickelten Celtic Folk Rock, wie er von der Gruppe |Clannad| in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurde. Auch bei |Elane| wird englische mit gälischer Sprache kombiniert.

Die Musik verbindet Romantik und sehnsuchtsvolle Mystik, was einerseits durch die Instrumentierung, zum anderen durch den mehrstimmigen Frauengesang betont wird. Zu den Instrumenten, die für Folk Rock obligatorisch sind, gehören die akustische Gitarre, die Harfe und die Flöte. Dass Drums, E-Gitarre und E-Bass eine elektrisch verstärkte Rhythmusgruppe bilden, wurde schon von |Clannad| als Standard etabliert. Besonders interessant bei |Elane| ist die Mehrstimmigkeit.

Ich konnte zwei tiefe Frauenstimmen ausmachen und eine hohe Frauenstimme, also Alt und Sopran. Die Überlagerungen machen die Harmonien zu einer kniffligen Angelegenheit der gegenseitigen Abstimmung, sonst können leicht Disharmonien oder gar Rhythmusstörungen entstehen. Soweit ich hören könnte, gelingt die Polyharmonie jedoch durchweg einwandfrei – Applaus.

Ob der Celtic Folk Rock dem Thema „Feeninsel“ Rechnung trägt, sei dahingestellt. Aber es gibt jedenfalls schlimmere Abschluss-Songs, und „You see“ klingt sehr erträglich.

_Unterm Strich_

Die Erzählung „Feeninsel“ ist mir persönlich unbekannt, und ich habe sie noch nie in einer Erzählsammlung Poes entdeckt. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es sie gibt, denn Poe hat am Anfang seiner Schriftstellerlaufbahn auf die europäische schwarze Romantik zurückgegriffen. Und dort sind Feen durchaus ein gängiges Motiv.

Die dramaturgische Gestaltung teilt diese Folge in zwei bis drei Abschnitte: Leonie findet Poes Spur, löst das Rätsel um den Teufelskopf, muss aber fliehen, was in der Endphase zu einer weiteren dramatischen Begegnung führt. Durch Bewältigung des Vorhergehenden, Beantwortung diverser Rätsel und die Einführung neuer Elemente bietet diese Folge eine rundum zufriedenstellende Kombination aus alten und neuen Elementen. Sie auszutüfteln, dürfte einige Stunden Schweiß gekostet haben.

|Das Hörspiel|

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Der Song „You see“ verbindet keltische Mystik mit deutsch-englischer Mystik. Worum es im Text geht, habe ich zwar nicht herausbekommen, weil ich kein Gälisch beherrsche, aber das macht nichts, solange die Musik den Hörer mit schönen Polyharmonien und keltischen Klängen in eine andere Welt entführt.

TIPP: Unbedingt diese CD bis zur letzten Sekunde anhören, denn am Schluss wendet sich der fiese Dr. Templeton nach dem Song noch einmal an den Zuhörer und macht bedrohliche Andeutungen.

Fazit: ein Volltreffer.

|75 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3686-9|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.elane-music.de

John Sinclair – Der unheimliche Shaolin (Folge 143, Teil 1 von x)

Die Handlung:

Endlich hatten wir eine Spur unseres Freundes Yakup Yalcinkaya gefunden! Sie führte uns in ein ehrwürdiges Londoner Auktionshaus, wo ein tibetisches Rollbild versteigert wurde. Angeblich enthielt es einen Hinweis auf einen geheimnisvollen Schatz. Wir folgten der Spur des Bildes weiter – und stießen auf den Ninja-Dämon Shimada! (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Diesmal hat sich der Verlag an die Hörspielumsetzung des Heftromans mit der Nummer
486 gemacht, das erstmalig am 26. Oktober 1987 am gut sortierten Bahnhofskiosk oder manchmal auch in einer Buchhandlung zu bekommen war.

John Sinclair – Der unheimliche Shaolin (Folge 143, Teil 1 von x) weiterlesen

Pierdomenico Baccalario – Century 1 – Der Ring des Feuers

Stark gekürzt und ohne Fotos: abwechslungsreicher Vortrag

Alle hundert Jahre wird die Menschheit herausgefordert. Alle hundert Jahre müssen vier Jugendliche ein großes Abenteuer bestehen. Weitere hundert Jahre später werden erneut vier Jugendliche in Rom auserwählt. Sie verbindet ein Geheimnis. Als ein Mann ihnen ein Köfferchen anvertraut, bevor er weiterflieht, finden sie darin eine seltsame Karte aus Holz. Die Herausforderung beginnt in Rom, der Stadt des Feuers, und damit ein gefährlicher Wettlauf gegen die Zeit. (Verlagsinfo)

Der Autor

Pierdomenico Baccalario – Century 1 – Der Ring des Feuers weiterlesen

Grangé, Jean-Christophe – Choral des Todes (Hörbuch)

_Wohlbekanntes Strickmuster: „Die purpurnen Flüsse“ reloaded_

Ein markerschütternder Schrei hallt durch die Kirche, ein Todesschrei. Lionel Kasdan, Kommissar im Ruhestand und zufällig vor Ort, will zu Hilfe eilen und kommt Sekunden zu spät. Der Mann auf der Empore ist bereits tot, seinen Kopf umgibt eine dunkle Blutlache wie ein Heiligenschein. Etwas an dem Toten und seinem Sterben fasziniert Lionel Kasdan. Er muss den Mord einfach untersuchen und entdeckt ein grauenvolles Geheimnis: Unschuldig wirkende Kinder sind der Schlüssel, und sie sind keinesfalls Engel, doch welcher Teufel hat sie ausgesandt? (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Jean-Christophe Grangé, Jahrgang 1961, stammt aus einer Reporterfamilie und hat schon früh mit dem Recherchieren von Fakten angefangen. 1996 beschäftigte er sich mit dem Thema Genetik. Aus dem Gedankenspiel eines abgeschlossenen Experimentierfeldes entstand der Roman „Die purpurnen Flüsse“, der zu einem nationalen Bestseller und internationalen Filmerfolg wurde und den Franzosen ihr eigenes Thrillergenre bescherte.

An diesen Erfolg schloss der beredte und gebildete Grangé mit „Der Flug der Störche“, „Der steinerne Kreis“ und mit „Das Imperium der Wölfe“ an. Auch dieser Roman wurde 2005 mit Jean Reno verfilmt. Zuletzt erschienen von Grangé „Das schwarze Blut“ und „Das Herz der Hölle“. Im Herbst 2009 folgte „Der Choral des Todes“.

Jean-Christoph Grangé auf |Buchwurm.info|:

[„Die purpurnen Flüsse“ 936
[„Das Imperium der Wölfe“ 1348
[„Das schwarze Blut“ 2286
[„Das Herz der Hölle“ 4404 (Hörbuch)
[„Das Herz der Hölle“ 4569 (Buch)
[„Der steinerne Kreis“ 5878 (Hörbuch)

_Der Sprecher_

Wolfgang Pampel hat an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig studiert und machte sich anschließend auf den Bühnen von Leipzig, Düsseldorf, Berlin und Wien einen Namen. Er hat bereits verschiedene Hörbücher von Dan Brown mit seiner markanten Stimme gelesen, darunter „Sakrileg“ und „Illuminati“. In den 80er Jahren gelangte seine sonore Stimme zu allgemeiner Bekanntheit, als er Larry Hagman in „Dallas“ synchronisierte. Heute wird Pampel als Stimme von Harrison Ford und Gérard Depardieu erkannt.

Arno Hoven kürzte die Vorlage. Regie führte Kati Schaefer, die tontechnische Gesamtleitung in den d.c. Tonstudios hatten Dicky Hank & Dennis Kassel inne, die auch für die Musik und Inszenierung sorgten. („Inszenierung“? Dies ist doch wohl kein Hörspiel, oder? Gleich mehr dazu.)

_Handlung_

Lionel Kasdan, ein ehemaliger Kommissar bei der französischen Antiterrortruppe und Pariser Mordkommission, steht in einer armenischen Kirche mitten in Paris, als er einen markerschütternden Schrei hört. Der Schrei scheint von der Kirchenorgel aufgenommen zu werden. Er eilt zur Empore des Orgelspielers und findet dort eine Leiche. Der Kopf des Mannes liegt in einer Blutlache, doch was dem Kommissar und den später eintreffenden Spurensuchern ein Rätsel aufgibt, ist die Todesursache.

|Der Tote|

Eric Vernaud von der Pariser Kripo fragt erst mal misstrauisch, was Kasdan überhaupt in der Kathedrale St. Jean-Baptiste zu suchen hat, ganz so, als wäre Kasdan verdächtig. Der Armenier Kasdan wurde vom armenischen Pfarrer Sarkis eingeladen, um eine Chorprobe zu hören. Und der Mann an der Orgel, ein gewisser Wilhelm Götz, sollte die Probe leiten. Pfarrer Sarkis erklärt, dass Götz ein Chilene war, ein Musikwissenschaftler, der in Kirchen von ganz Paris Chöre leitete. „Er war Sozialist, wurde von Diktator Pinochet verfolgt und musste ins Exil gehen.“ Später stellt sich diese Angabe als eklatante Unwahrheit heraus und Kasdan muss sich fragen, was Sarkis dazu veranlasst hat. Wie auch immer: 2007 ist in Frankreich das Armenienjahr, und Götz sollte mehrere Aufführungen von Knabenchören leiten.

Einer der Spurensucher steckt Kasdan, dass die Schuhspuren am Tatort von kleinen Turnschuhen in Jungengröße stammen. Außerdem finden sich seltsame Holzsplitter. Götz starb an einem Herzstillstand, aber seine Trommelfelle waren ebenfalls durchstochen. Die HNO-Spezialistin von der Rechtsmedizin meint, es müsse sich um ein extrem hartes und spitzes Tatwerkzeug gehandelt haben. Sie könnte nicht falscher liegen.

|Operation Kondor|

Nachdem er in der Akte von Götz keine Angaben über die Jahre zwischen 1973, als Pinochet Allende stürzte, und 1984, als er ins französische Exil ging, gefunden hat, bricht Kasdan in Götz‘ Wohnung ein. Als er ein Geräusch auf dem Balkon bemerkt, folgt er dem Eindringling. Nach einer wilden Verfolgungsjagd stellt sich der Fremde als Götz‘ homosexueller Geliebter heraus: Nazeer, ein Inder von der Insel Mauritius, einem französischen Übersee-Departement. Nazeer gibt ihm Götz‘ Adressbuch und Terminkalender, er deutet an, dass Götz sich in Gefahr gebracht hatte, weil er gegen Chilenen aussagen wollte. Über was? Über die Operation Kondor, in der ein halbes Dutzend lateinamerikanische Länder international gegen Dissidenten vorgingen, um sie zu fangen, zu foltern und schließlich zu töten. Also war es ein politischer Mord, oder?

|Miserere|

In Götz‘ Wohnung lauscht der Ex-Kommissar dem Choral „Miserere“ (Erbarme dich) von Gregorio Allegri, von einer CD-Aufnahme, die Götz vor Jahren mit einem Solisten namens Régis Masoyer produziert hat. Die ätherischen Klänge und die glasklare Solostimme rühren an schwarze Erinnerungen, die Kasdan noch aus seiner Militärzeit in Kamerun anno 1962 hat. Später wird er sich in aller Schärfe daran erinnern MÜSSEN. Doch jetzt fällt ihm beim Lauschen lediglich ein Fleck in einer Nische der Zimmerdecke auf: Darunter ist eine Wanze versteckt – der Verfassungsschutz hat Götz abgehört. Sein Kumpel von der Spurensuche steckt ihm, dass Götz mehrmals Herzstillstände wegen Folter erlitten habe und am ganzen Körper Narben aufweise.

|Wolokin|

Von Sarkis und Vernaud erfährt Kasdan, dass noch jemand im Fall Wilhelm Götz herumschnüffelt, ein gewisser Cédric Wolokin von Jugendschutzdezernat. Kasdan zieht Auskünfte ein: Wolokin sei in einer Entziehungsklinik, weil er heroinsüchtig war. Waise mit fünf, Chorknabe, Pianist, Abi mit 17 anno 1995, dann Jurastudium, französischer Meister im Thaiboxen, bis plötzlich seine Karriere endete und er zur Polizei ging – wegen des Heroins, mit dem er sich dopte. Und wo bekommt man Stoff leichter als eben bei der Drogenfahndung? Na toll: Wolokin war ein Dealer und wurde stinkreich. Aber wieso wurde er zum Kreuzzügler gegen Kinderschänder?

|Serienmorde|

Wolokin seinerseits informiert sich über Kasdan und nimmt ihn erst als Rivalen wahr. Kasdan befragt mehrere Pfarrgemeinden auf der Spur, die Wilhelm Götz hinterlassen hat, und stößt auf mehrere verschwundene Sängerknaben. Was hatte Götz damit zu tun? Ist er ein verkappter Serienmörder? Wie sich herausstellt, ist Wolokin ebenfalls auf dieser Spur, deshalb tun sich die beiden zusammen: Offiziell ist Wolokin Kasdans Praktikant bei der Mordkommission.

Als sie zusammen den Inder Nazeer, Götz‘ Geliebten, besuchen, stoßen sie nicht nur auf dessen Leiche mit den blutenden Ohren. An der Wand steht ein Vers aus dem „Miserere“, das Götz so liebevoll vertonte: das Sühnegebet des 51. Psalms. Weitere Anzeichen deuten darauf hin, dass Nazeer hingerichtet wurde, weil er geredet hat. Offenbar sind Götz‘ Mörder auf einem Rachefeldzug durch Paris. Und wie sie an der Kinderschrift unschwer erkennen können, sind diese Killer noch minderjährig, womöglich noch nicht mal im Stimmbruch. Aber wer hat sie geschickt und in wessen Namen töten sie?

_Mein Eindruck_

Die Spur führt zu einer Neuauflage der Colonia Dignidad, mitten in Frankreich. Das weckt im Leser bzw. Hörer ganz schlimme Erinnerungen. Man erinnere sich (und der Autor nimmt uns diese Mühe ab): Die [Colonia Dignidad]http://de.wikipedia.org/wiki/Colonia__Dignidad wurde von einem deutschen Nazi etliche Meilen entfernt von Santiago de Chile eingerichtet, um hier rassistische und nationalistische Ideale in die Realität umzusetzen – bis hin zu bayerischen Trachten und deutschnationalen Liedern. Die Kolonie war autark, weil sie mit „arischen“ und einheimischen Arbeitskräften Landwirtschaft und Bergbau betrieb. Bei Grangé ist der Leiter dieser Kolonie plus Arbeitslager ein gewisser Hans Werner Hartmann.

|Alte Nazis|

Dieser Nazi hat sehr viel mit der titelgebenden Musik zu tun. Während der Naziherrschaft forschte er in den KZs an den Insassen, was Klang, Schall und besonders Stimmen mit einem Menschen anstellen können. Ein Knabenchor kann einem kalte Schauer über den Rücken jagen oder in einen geistigen Schwebezustand versetzen. Letzteres erlebt Kasdan mit Allegris „Miserere“. Aber Hartmann erforschte als Nazi auch die Einsatzmöglichkeiten der menschlichen Stimme als Waffe, die töten kann. Davon hat Kasdan noch nie gehört, aber wer das Militär – und Nazis – kennt, weiß, dass kein Phänomen zu abwegig ist, um nicht auf Kriegstauglichkeit untersucht zu werden. Ob Hartmann diese Waffe gefunden hat, weiß Kasdan lange Zeit nicht. Bis er die neue Kolonie entdeckt und sie erkundet.

Er erfährt jedoch viel über Götz‘ Vorleben in Chile. Götz war kein Opfer, sondern vielmehr einer der Täter, ebenso wie Hartmann. Beide wurden von der Militärjunta Pinochets gebeten, ihnen beim Foltern der bei der Operation Kondor gefangenen Dissidenten zu helfen. Hartmann machte mit, um seine Colonia zu schützen und weitere Experimente anzustellen: Er war der Doktor Mengele der Folterlager. Götz folgte ihm als Chorleiter und „Dirigent“. Denn wie alle Nazis war Hartmann von der Rolle der Musik fasziniert und begeistert. Sie machte Folteropfer gefügig, vermochte sie sogar direkt zu quälen. Aber sie zu töten? Das kommt Kasdan zu weit gegriffen vor. Er täuscht sich.

|Folterhelfer|

Nun kann man sich fragen, wieso ein französischer Autor dazu kommt, über Altnazis und Chilenen zu schreiben. Was hat denn all das mit den Pariser Morden zu tun? Das Verbindungsstück sind erstens die Kolonie dieser Altnazis in Frankreich, die die jugendlichen Mörder entsendet. Aber es gibt noch ein weiteres, das Kasdan direkt betrifft: Die lateinamerikanischen Folterknechte der Operation Kondor wurden von Franzosen ausgebildet. Diese Franzosen waren Veteranen des Algerienkrieges und kannten sich mit dem Erzwingen von Geständnissen aus. Als Angehörige des militärischen Geheimdienstes und seiner Spezialeinheiten waren sie aber nicht nur in Chile im Einsatz, sondern zuvor schon Kamerun – und hier lernte Kasdan den schlimmsten von ihnen kennen: General Puy. Als Kasdan seinen ehemaligen Kommandanten beim Militär wiedersieht, kommen alle traumatischen Erinnerungen an die Strafaktionen gegen kamerunsche Einheimische wieder hoch, und er dreht durch.

|Moderne Spartaner|

Zum Schluss gilt es noch das Geheimnis der neuen Colonia zu lüften. Hier sieht sich diesmal Cédric Wolokin einem Stück seiner Kindheit gegenüber: Hier wurde er als Sängerknabe ausgebildet. Allerdings hat er diese Zeit komplett verdrängt. Und auch die Praktiken, die er hier am eigenen Leib erfahren hat. In der Colonia wird die Agogé der Spartaner immer noch praktiziert. In Zack Snyders Verfilmung des Comicbooks [„300“, 2667 die erst kürzlich wieder im Free-TV gezeigt wurde, werden spartanische Jungen ihren Müttern im Alter von sieben Jahren entrissen, um in der Militärschule zum Spartiaten ausgebildet zu werden.

Die Ausbildung besteht nicht nur im Waffentraining, sondern vor allem in der Abhärtung des Körpers, der Seele und der Gefühle des Jungen. Die Ausbildung endet mit einer Tapferkeitsprüfung, wenn sie etwa 14 oder 15 Jahre alt sind. Man kann sich nun vorstellen, dass die kindlichen Mörder, die in Paris Götz und Nazeer und andere umbringen, solche Agogé-Schüler sind. Nur dass bei ihnen noch christliche Sühne- und Askese-Ideale hinzukommen. Daher auch das Sühnegebet „Miserere“ als Leitmotiv.

|Praktische Übung: Showdown|

Sobald Wolokin und Kasdan als Spione der Polizei entdeckt worden, dürfen die Kindersoldaten der Colonia auch gleich ihr Können demonstrieren. Und die geistigen bzw. direkten Nachfahren Hans Werner Hartmanns leiten sie dabei an. Wird es unseren beiden Helden gelingen zu überleben? In einem actionreichen Showdown wird die Entscheidung gesucht.

|Der Sprecher|

Die Stärke des Sprechers sind tiefe männliche Stimmen, wie jeder weiß, der einmal Harrison Ford gehört hat. Deshalb fällt es ihm auch nie schwer, solche Stimmen grimmig, zornig, höhnisch usw. klingen zu lassen. Etwas anderes sind hingegen die Stimmen von alten Männern, die kurz vorm Abnippeln stehen, wie den alten Folterfranzosen, der von Heroin abhängig ist, als Kasdan und Wolokin ihn finden. Er klingt schwach, heiser, rau und alles andere als autoritär.

Ich hätte mir einen größeren Gegensatz zwischen dem alten Bullen Kasdan, der Vaterfigur im dynamischen Duo, und Wolokin, der Sohnfigur, gewünscht. Sie klingen etwas zu ähnlich, und nicht bloß einmal habe ich sie verwechselt. Dabei ist Wolokin 28 Jahre alt und Kasdan 63, sie liegen also altersmäßig erheblich auseinander. Diesen Unterschied sollte man auch hören können.

Weibliche Stimmen gibt es nur eine, und das ist die der Rechtsmedizinerin, die Kasdan sagt, um was für ein Tatwerkzeug es sich handeln muss. (Sie liegt völlig falsch, aber darum geht es nicht.) Der Sprecher stellt sie mit einer recht hohen, schön weichen Stimme dar, die genau passt. Der Kontrast zu all den vielen Männerstimmen ist frappierend und legt nahe, dass Wolfgang Pampel über eine viel größere Flexibilität verfügt, als er hier zeigen darf.

|Ein Fehler|

Ich konnte keinerlei Aussprachefehler feststellen, und das rechne ich dem Sprecher hoch an. Dafür musste ich aber einen Schnittfehler registrieren. Es ist zwar nur einer, aber man hätte ihn trotzdem entfernen müssen. Der Sprecher wiederholt ein Wort.

|Geräusche|

Erstmals in einem Hörbuch von Grangé erklingen diesmal richtige Geräusche. Es handelt sich dabei in aller Regel um Schüsse, einmal aber auch um ein Klirren von Glas. In einer Klubszene erdröhnt eine Hintergrundmusik, die ich eher als Geräusch ansehen würde denn als Musik: wummernde Bässe und wenig dazu, was man als Melodie bezeichnen könnte, begleitet von undifferenzierten Stimmen.

|Musik|

Nach dem obligatorischen Intro mit der Kirchenorgel hören wir in den Kapitel- und Szenenübergängen Motive, die von Drums und Bass bestritten werden. Sie sollen Spannung erzeugen, aber auch als Intermezzo dienen. Deshalb erklingen sie regelmäßig am Ende einer CD. Das titelgebende „Miserere“ erklingt leider nie in voller Stärke, sondern nur sehr dezent im Hintergrund, wenn davon die Rede ist. Das bedeutet, dass sich der Hörer selbst die entsprechende Klangdatei besorgen sollte, was ich ein wenig viel verlangt finde.

_Unterm Strich_

Die Story von den importierten Altnazis mit ihrer Geheimschule für todbringende Schüler erinnert nicht wenig an die Grundidee von „Die purpurnen Flüsse“. Dort sollte ja auch der bessere Mensch gezüchtet werden, was jedoch dergestalt schiefging, dass die unerwünschten Zeugen zum Schweigen gebracht werden mussten. Genauso hier in „Choral des Todes“, inklusive actionreichem Showdown.

|Die neue Waffe|

Der einzige neue Aspekt an dieser Geschichte sind die Chöre und die Idee, dass bestimmte Gesangsfrequenzen töten könnten. Denn dass niemand über ein derartig spitzes und festes Mordinstrument für die Durchstoßung der Trommelfelle usw. verfügt, ahnt der Leser bzw. Hörer schon frühzeitig. Dass eine Knabenstimme den Tod bringen könnte, ist dann der eigentliche Schock, den der Autor seinem Publikum – nach sorgfältiger Vorbereitung, versteht sich – genussvoll versetzt. Es geht doch nichts über einen guten Kick, um das Publikum zu unterhalten.

Allerdings ist die Rede davon, dass die Leiter der Colonia einen großen Anschlag planen. Um was es sich dabei dreht und wer das Opfer sein soll, erfahren wir nie. Das ist etwas frustrierend. Wozu Spannung erzeugen und sie dann wie ein gebrochenes Versprechen nicht einlösen? Dieses Detail könnte aber auch den Kürzungen zum Opfer gefallen sein. Ich empfehle daher die Lektüre des Buches.

|Patentrezept mit Hautgout|

Auch der Grundaufbau der Handlung reißt niemanden mehr vom Hocker, ganz einfach deshalb, weil sie durch „Die purpurnen Flüsse“ jedermann bekannt ist. Man nehme zwei Bullen, die sich erst nicht ausstehen können, und stecke sie für einen bizarren Fall zusammen. Wie sich herausstellt, sind die beiden optimal dafür geeignet, weil sie jeweils persönlich betroffen sind von dem, worauf sie da stoßen. Auf diese Weise bringt die Lösung des Falls ihnen zugleich die ersehnte Erlösung ihrer ach so beschwerten Seelen.

|No woman, no cry?|

Dass der Autor dabei übersieht, dass es auch noch weibliche Wesen auf der Welt gibt, stößt bei mir allerdings auf Unverständnis. Es gibt keine einzige Frau, die eine relevante Rolle spielt. Das ist nicht gerade modern, das ist eher mittelalterlich. Mich würde mal interessieren, welchen Geheimbünden der Autor selbst angehört. Vielleicht dem Opus Dei, jener erzkonservativen, sektiererischen Katholikenvereinigung, die beim Papst – egal bei welchem – in besonderer Gunst zu stehen scheint. Das würde einiges erklären, beispielsweise die Lateinkenntnisse und die Kenntnisse über Psalmen.

|Das Hörbuch|

Wolfgang Pampel darf hier nicht alle seine Stärken ausspielen, sondern muss vor allem männliche Figuren darstellen. Das gelingt ihm aber abwechslungsreich und glaubhaft. Den Vortrag unterstützen die vielgestaltige Musik und ein paar Geräusche, zu denen vor allem Schüsse gehören. Dennoch gelang es diesem Hörbuch nicht, mich restlos zu fesseln, geschweige denn zu begeistern. Das lag vor allem an den Schwächen der Story – siehe oben.

|Originaltitel: Miserere, 2008
Aus dem Französischen übersetzt von Thorsten Schmidt
450 Minuten auf 6 CDs|
http://www.luebbe-audio.de
http://www.jc-grange.com