Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Klönne, Gisa – Nacht ohne Schatten (Lesung)

_Spannender Frauenkrimi, enttäuschender Vortrag_

Köln, kurz nach Mitternacht: Der Fahrer einer S-Bahn liegt erstochen neben seinem Zug. Wenig später wird in der Nähe eine bewusstlose junge Frau gefunden. Wer ist sie? Das Opfer von Menschenhändlern, eine Prostituierte? Stammt sie aus Osteuropa? Als Kommissarin Judith Krieger zusammen mit ihrem Kollegen Manni Korzilius die Ermittlungen aufnimmt, steigt Unbewältigtes wieder an die Oberfläche: ihre Vergangenheit im Frauenhaus, in dem sie als Jurastudentin jobbte. Und während Manni Judith immer weniger versteht, wittert ein anderer ihre Schwäche – jemand, der Frauen quält und auch vor Mord nicht zurückschreckt. Jemand, der Judith sehr gefährlich wird. (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Gisa Klönne wurde 1964 an einem unbekannten Ort geboren. Studium der Germanistik und Anglistik sowie Politologie, außerdem Theater- Film und Fernsehwissenschaften an in- und ausländischen Universitäten.

Nach erfolgreichem Abschluss Festanstellungen in verschiedenen Zeitschriftenredaktionen. Außerdem umweltpolitisch korrekt beim BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland) in verschiedenen Bereichen tätig. Seit 1999 ist Gisa Klönne selbständig und beschäftigt sich neben der Mitarbeit in zahlreichen Verbänden mit dem Schreiben von Romanen und Herausgeben von Anthologien.

Sie hält Seminare zu Themen wie „Reportage und Porträt, Schreiben fürs Internet, Pressearbeit und Kreativ Schreiben“ und ist nicht zuletzt als Reisereporterin unterwegs. Zurzeit lebt Gisa Klönne in Köln und der nächste Krimi ist in Arbeit. (Alle Angaben stammen von der Webseite www.koeln-krimi.de und lassen sich unter der Autorenhomepage www.gisa-kloenne.de nachprüfen.)

Ebenso von Gisa Klönne:

1) [Der Wald ist Schweigen 2126
2) [Unter dem Eis 3047
3) [Nacht ohne Schatten“ 4857 (Buchausgabe)

_Die Sprecherin_

Maren Eggert ist seit 2000 festes Ensemblemitglied am Hamburger Thalia-Theater. Sie erhielt 2002 den Boy-Gobert-Preis der Körber-Stiftung und wurde 2007 mit dem Ulrich-Wildgruber-Preis ausgezeichnet. Einen Namen als Film- und Fernsehschauspielerin machte sich Eggert u. a. in Oliver Hirschbiegels Film „Das Experiment“ und im Kieler „Tatort“. (Verlagsinfo)

Regie führte Margrit Osterwold. Die Aufnahme fand im Eimsbütteler Tonstudio im Dezember 2007 statt.

_Handlung_

Samstagmorgen nach Dreikönig. Dr. Ekaterina Petrowa ist froh, dass sie in Köln arbeiten darf. So eine schöne, aufgeräumte Stadt, und eine Aufenthaltsgenehmigung hat sie auch. Sie arbeitet am Rechtsmedizinischen Institut der Uni, aber zu ihrem Leidwesen muss sie auch das Frauenhilfe-Projekt ihrer Vorgängerin übernehmen: „gegen häusliche Gewalt“. Na ja, wenn sie ihren Job behalten will, so hat ihr Chef Karl-Heinz Müller ihr klargemacht, muss sie auch dies übernehmen. Obwohl sie eigentlich noch keinen Draht zu den deutschen Frauen und ihrer Mentalität hat. Denn aufgewachsen ist Ekaterina auf einer einsamen Strafgefangeneninsel im Weißen Meer vor der Halbinsel Kola. Ihre Vorfahren waren Samen, darunter sogar eine waschechte Schamanin. Ihr Vater erschlug im Suff ihre Mutter, einen Tag vor Ekaterinas sechstem Geburtstag. Das war das Ende ihrer Kindheit.

Eine große Frau spricht sie an und fleht um Hilfe. Sie nimmt sie erstmal mit ins Büro und fragt nach ihrem Namen. Sie soll sie „Ines“ nennen, sagte die große, sehr schlanke Frau. Als sie sie untersucht, stößt Ekaterina auf Spuren von schwerer Misshandlung, ja, sogar von Vergewaltigung. Auf dem Unterkleid sind Blutstropfen. Ist es ihr eigenes Blut? Ekaterina schaltet wegen ihrer Unerfahrenheit nicht schnell genug. „Ines“ ist schon wieder verschwunden, kaum dass Ekaterina ihr geraten hat, zur Polizei zu gehen. Wenn doch Ines an keiner Stelle verwundet ist, von wem stammt dann das Blut?

Kurz nach Mitternacht reißt das Klingeln des Telefons Kriminalhauptkommissarin Judith Krieger aus üblen Albträumen, in denen sie ein rätselhafter Satz verfolgt: „Jetzt weißt du, wie es ist.“ Die Dienststelle meldet den Fund eines toten S-Bahnfahrers im Gewerbepark. Sie fährt sofort hin. Auch ihr Kollege Manni Korzilius wird aus dem Schlaf gerissen, aber erst um acht Uhr, und dann auch noch angenehmerweise von seiner Freundin Sonja. Trotzdem müssen beide raus in den strömenden Regen.

Die Obduktion des korpulenten Toten, der als Wolfgang Berger identifiziert worden ist, durch die Rechtsmediziner Müller und Petrowa ergibt: elf Einstiche mit einem einschneidigen Schneidewerkzeug. Später findet Dr. Petrowa einen Abdruck neben Einstich Nummer fünf: Die Klinge hat ein Parierelement, damit der Daumen nicht auf die Klinge rutschen kann. Solche Messer gibt’s nicht oft, finden die Kriminaler heraus. Und die Einstiche sind gewiss keine Profiarbeit. Ein Mord im Affekt wohl eher. Wolfgang Bergers Wohnung ist die eines einsamen Mannes: voller nackter Frauen an den Wänden.

Gleich neben dem Fundort erstreckt sich eine alte Fabrikhalle, in der nun die subventionierten Ateliers von Künstlern untergebracht sind. Hier sucht Judith Krieger nach möglichen Zeugen der Tat. Die Bildhauerin Thea Marcus scheint etwas zu verbergen, findet Judith, doch als Täterin kommt sie wohl kaum in Frage, denn die Frau hat seit einem Autounfall – sie wurde angefahren – ein kaputtes Knie und geht am Stock. Sie berichtet von ihrer Kollegin Nada, mit bürgerlichem Namen Nanette Danner, die ihr Atelier nebenan habe: eine viel bewunderte Performance-Künstlerin. Aber wo sich Nada aufhalte, könne sie beim besten Willen nicht sagen. Aber sie werde bald zu einer Benefizgala erwartet. Da fällt Judiths Blick auf die Holzskulpturen. Haben Bildhauer nicht auch Schnitzmesser?

Am Sonntag erneuter Alarm: In einer Pizzeria unweit der S-Bahn-Gleise brennt es. Die Feuerwehrmänner finden die verkohlte Leiche eines Mannes, der mit Handschellen gefesselt ist. Und in einem ehemaligen Luftschutzkeller liegt eine komatöse junge Frau, die höchstens 18 Jahre alt ist. Als Judith die Schachteln Kondome und Kleenex sieht, ist ihr sofort klar, dass die Frau wohl eine Prostituierte sein muss. Und sie wurde vergewaltigt und gefoltert, außerdem hat sie Tuberkulose, eine typisch russische Krankheit. In Wolfgang Bergers Brieftasche findet Manni Tage später das Foto dieser Frau: „Für Wolfi, Svetlana“ steht auf der Rückseite. Eine erste Spur.

Kam Svetlana allein nach Deutschland? Unwahrscheinlich. Wandte sie sich an Frauenhilfeorganisationen? Judith erinnert sich mit schlechtem Gewissen an ihre eigene Zeit in einem Frauenhaus, wo sie als Studentin jobbte. Sie schloss Freundschaft mit der Psychologin Cornelia Offinger, die von ihr erwartete, nach dem Jurastudium Anwältin zu werden und die Aktion „Frauen für Frauen“ aufzubauen. Vor 15 Jahren verließ Judith die Organisation, um Polizistin zu werden. Es war eine Art Verrat, aber auch die bessere Alternative, findet sie. Nun geht sie zurück zu Cornelia, um die Svetlanas zu finden.

_Mein Eindruck_

Gewalt gegen Frauen in Deutschland ist das Hauptthema dieses neuen Klönne-Krimis, und die Autorin schickt ihre Protagonistin Judith Krieger in einen unauflösbaren Konflikt. Denn diesmal soll Judith herausfinden, woher Svetlana und ihre Schicksalsgenossinnen gekommen sind und wem sie in Deutschland in die Hände fielen. Das stellt sich als schwieriger heraus als erwartet. Denn die Zwangsprostitution ist straff durchorganisiert von global operierenden Menschenhändlern, die jedes Jahr 30.000 Frauen als „Frischfleisch“ nach Deutschland einschleusen. Warum hört man nichts mehr von ihnen? Weil die Frauen so verängstigt und massiv unter Druck gesetzt werden, dass sie keinen Mucks mehr von sich geben, wenn sie ihre Arbeit verrichten müssen. Ein mitfühlender Freier wie Wolfgang Berger, Svetlanas Freund, ist da schon eine Art Lichtblick.

Lichtblick in einer Schattenwelt, die sozusagen unter dem Radar der Polizeibehörden lebt. Und sollte doch einmal einer dieser Sexsklavinnen die Flucht gelingen, so versteckt sie sich in einer Frauenhilfeorganisation, wenn sie Glück hat. Und zwar sowohl vor ihren ehemaligen „Besitzern“ als auch vor der Polizei, die meist nichts Eiligeres zu tun hat, als eben diese Mädchen, da illegal eingereist, wieder in ihre Herkunftsländer abzuschieben, wo sie dann erneut eingefangen und versklavt werden.

Judith hat den Kontakt zu so einer Versteckten nur über ihre alte Freundin Cornelia erhalten. Wenn sie das Vertrauen Cornelias und der Versteckten nicht verraten soll, dann darf sie diese Quellen auch nicht an die Polizei ausliefern. Dass sich Judith so stur anstellt, findet ihr Chef Millstedt alles andere als konstruktiv und witzig – er suspendiert sie vom Dienst, bis sie es sich anders überlegt. Manni, ein Zeuge dieser ungewöhnlichen Szene, ist konsterniert. Allerdings verhält er sich dann auch ein wenig treudoof: Statt Judith zu helfen, den wahren Mörder zu finden, verlässt er sich darauf, dass Svetlanas Zuhälter schon reden werde – Pustekuchen! Und so hält er wie ein braver Deutscher Schäferhund Wache an Svetlanas Krankenbett, damit die Zeugin nicht abgemurkst wird. Mit ausgeschaltetem Handy …

Trickreich gelingt es Gisa Klönne, drei verschiedene Erzählstränge miteinander zu verknüpfen. Dazu gehören das weitere Schicksal von „Ines“, deren sich Ekaterina Petrowa annimmt, aber auch, wie sich zeigt, zwei verschiedene Fälle, denen Judith nachgeht. Der eine dreht sich um Svetlana und Wolfgang Berger, doch der andere nimmt seinen Ausgang in der „Kunstfabrik“ und dreht sich um eine Stütze der Gesellschaft. Daraus ergibt sich dann unversehens die Verbindung zu „Ines“.

Denn besagte männliche „Stütze der Gesellschaft“ ist der werte Gatte, Vergewaltiger und Misshandler von „Ines“. Hier spiegelt sich das, was Judith schon in der Schattenwirtschaft unter den Zwangsprostituierten gefunden hat: dass sich verheiratete Frauen erniedrigen und ausbeuten lassen, ohne dagegen aufzubegehren. Vielmehr geben sie sich sogar noch selbst die Schuld daran: Sie seien „nicht gut genug für ihn“ und hätten es nicht anders verdient. Klingt wie eine Klage der Schwiegermutter über die unzureichende Schwiegertochter.

Durch diese Spiegelung der Ausbeutung erst im illegalen Lager der Frauen auf das Lager der angeblich „ehrbaren“ Ehefrauen legt die Autorin auf deutliche Weise nahe, dass es für beide Lager höchste Zeit wäre, sich zu solidarisieren. Herbeiführen könnte dies eine Gruppe wie „Frauen für Frauen“ oder das Frauenprojekt gegen häusliche Gewalt, das nun Ekaterina Petrowa leitet. Doch durch ihr Sprachrohr Judith Krieger erfahren wir von der Autorin, dass diese Solidarität eine Utopie ist. Denn selbst unter geprügelten Frauen gebe es Verräterinnen und Kollaborateurinnen – sie benutzt wirklich dieses Kriegsvokabular -, was es den Aktivistinnen schwer, wenn nicht sogar unmöglich macht, Erfolge zu erringen. Und sei es auch nur der Schutz verfolgter Frauen.

Wie man sieht, ist der Roman von Anfang bis Ende eine einzige Anklage gegen diese Missstände in der spezifisch deutschen Gesellschaft. Laut der von Klönne angeführten EU-Statistik hat jede vierte (!) deutsche Frau Erfahrung mit häuslicher Gewalt gemacht. Damit befindet sich Deutschland auf dem Niveau der Slowakei und Zyperns. Ich persönlich glaube, dass in Zeiten der zunehmenden Armut diese Zahlen noch drastisch steigen werden, denn je weniger Mittelschicht es gibt und je größer die wirtschaftliche Not in der sogenannten Unterschicht, desto größer die Tendenz, Frauen in jeder Hinsicht auszubeuten. Und wo Frauen ausgebeutet werden, sind als zweite Leidtragende deren Kinder betroffen. Diesen Zustand der deutschen Gesellschaft bezeichnet das poetische Bild von der „Nacht ohne Schatten“ zusammen. Denn Schatten gibt es nur, wo auch Licht ist.

|Die Sprecher|

Maren Eggert gelingt es nicht, ihre Stimme in signifikantem Maß zu modulieren, um die Figuren zu charakterisieren. Sie kann jedoch ihren stimmlichen Ausdruck so variieren, dass sie zumindest den emotionalen Ausdruck einer Figur darstellen kann. „Ines“ beispielsweise fleht Ekaterina an, ihr zu helfen, und flüstert mitunter. Sehr häufig habe ich einen resignierten, enttäuschten Tonfall unter den weiblichen Figuren vernommen: von „Ines“ sowieso, aber auch von Thea Marcus. Und von Judith hört man oft den Ausdruck von Verbitterung, Wut und Frust. Einziger Lichtblick ist die weibliche Solidarität, die sie mit Cornelia Offinger realisieren kann. All dies ist ein wenig stereotyp. Gleiches gilt für die männlichen Figuren, die entweder Sturköpfe wie Millstedt, Dumpfbacken wie Manni oder Lachbomben wie Karlheinz Müller sind.

Ihre stärksten Momente hat Maren Eggert zweifelsohne, wenn sie ganz eindringlich eine innere Landschaft malt und dem Hörer eröffnen darf, so etwa die intensiven Erinnerungen Ekaterinas an ihre Gefängnisinsel oder Judith Kriegers Albträume. (Am Schluss weiß Judith endlich, was der Traumsatz „Jetzt weißt du, wie es ist“ bedeutet: Sie weiß, wie es ist, eine wehrlose, geschlagene und ausgebeutete Frau in Deutschland zu sein.) Der letzte Satz ist ebenfalls ein Monolog und stammt weder von Judith noch Ekaterina, sondern von Svetlana – eine Überlebende. Wenigstens eine.

_Unterm Strich_

Seit ihren beiden ersten Romanen „Der Wald ist Schweigen“ (die Vorfälle werden in „Nacht ohne Schatten“ kurz angerissen) und „Unter dem Eis“ hat die Autorin ihr anspruchsvolles Niveau halten können, nicht dem Druck der Popularität nachgegeben. Sie gräbt stattdessen immer tiefer in Judith Kriegers Vergangenheit und verbindet ihre Protagonistin stets auf einer persönlichen Ebene mit den Fällen, die sie zu untersuchen hat. Denn sie trennt Arbeit der Strafverfolger nicht in Bürokratie, Ermittlung und Judikative (Staatsanwalt), sondern macht die Ermittlung stets zu einer persönlichen, menschlichen Erfahrung, die keinen Ermittler unverändert lässt. Der Krimi wird so zum modernen Bildungsroman. Das war schon bei Mankells Kurt Wallander so und bei Nessers Van Veeteren.

Diesmal hat Klönne ein heißes Eisen namens Ausbeutung von und Gewalt gegen Frauen in Deutschland angefasst. Mit einiger Glaubwürdigkeit, die die Öffentlichkeit wohl nur einem weiblichem Krimiautor zugute hält, stellt sie grausame, menschenverachtende Verhältnisse bloß, die anscheinend die Billigung eines dominanten Teils der Gesellschaft genießen. Und wenn man die Chats liest, in die sich Judiths Kollege Manni wagt, so weiß man ziemlich schnell und genau, welche Kreise dies sind. Die Autorin schert nicht alle Freier über einen Kamm, das wäre ja unvernünftig, sondern weiß zu differenzieren. Aber so wie jede andere Art von Geschäft hierzulande realisierbar ist, solange es Kohle bringt, gilt dies auch für die Ausbeutung von Frauen, gleichgültig ob in einem Puff oder in einer Villa im feinsten Kölner Vorort.

|Das Hörbuch|

Maren Eggerts Vortrag empfand ich als spannungslos, eintönig und ohne jede Charakterisierung. Aus welchem Grund die junge Schauspielerin mit Preisen überhäuft wurde, erschließt sich dem Hörer in keiner Weise. Ihre stimmliche Ausdrucksfähigkeit kann jedenfalls nicht der Grund gewesen sein. Am besten funktioniert ihr Vortrag bei der Beschreibung innerer Landschaften und Zustände. Würde sie Proust vortragen, wäre sie dafür hervorragend geeignet. Weil auch der Text um einiges gekürzt worden sein muss, würde ich die Lektüre des Buches empfehlen.

|314 Minuten auf 4 CDs
ISBN13: 978-3-89903-494-3|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.gisa-kloenne.de

Nilsen, Tove – Nachtzuschlag

_Durchschnittlicher Psychothriller_

Eine Schriftstellerin steigt nach einem schönen Abend bei Freunden in ein Taxi. Doch die kurze Fahrt endet in purer Angst: Der Fahrer bringt sie in eine abseits gelegene Hütte und hat offensichtlich nur ein Ziel. Stunden der Angst und Ungewissheit, ja, der Abwehr folgen, um sich sich selbst behaupten zu können. Doch die Entführung gilt nicht irgendeiner Frau, sondern nur ihr persönlich. Da sieht sie endlich einen Lichtblick. Aber sie hat die Rechnung ohne den zweiten Mann gemacht …

_Die Autorin_

Tove Nilsen, 1952 geboren, veröffentlichte 1974 ihren ersten Roman. Seither hat die studierte Journalistin und Literaturkritikerin vierzehn weitere Bücher in verschiedenen Genres geschrieben. „Nachtzuschlag“ ist ein Psychothriller, der für seine Authentizität gelobt wurde. (Verlagsinfo)

_Handlung_

Nach einem Vortrag besteigt die Schriftstellerin, deren Namen wir nicht erfahren, spät am Abend ein Taxi, das sie nach Hause bringen soll. Die Frau erwartet dort niemanden, denn ihr Mann Harald und die Töchter Ida und Mia sind bei ihren Großeltern auf dem Lande in den Sommerferien. Der Fahrer spricht jedoch kein Wort, sondern fährt die Frau nicht an ihr Ziel in Oslo, sondern in ein Waldstück. Dort steht eine Hütte. Ihre Proteste verhallen ungehört.

Der Mann sieht stark aus, etwas ungehobelt und heruntergekommen. Vielleicht ein Arbeitsloser. Aber wenigstens rührt er sie nicht an. Noch nicht. Sie soll ihre Lederjacke und dann ihr Oberteil ausziehen. Soll sie wirklich nachgeben? Der Mann sieht aus, als könnte er ihr wehtun. Sie gibt nach, aber nur zum Schein, um ihn zum Reden zu bewegen. Er verrät sich, als er ein Foto seines Sohnes Martin zeigt. Dessen Spielsachen liegen in der Hütte. Aber wo ist Martins Mutter?

Wie sich herausstellt, ist Vera im Urlaub mit einem Schweden fremdgegangen und hat den Mann inzwischen verlassen – nicht ohne Martin mitzunehmen. Das Allerhärteste: Vera zeigte ihrem Mann einen Roman von unserer Schriftstellerin und behauptete, diese Autorin verstünde die Frauen. Natürlich im Gegensatz zu ihrem Mann. Kein Wunder, dass der Mann nun so sauer ist auf unsere Autorin. Sie bekommt richtig Angst vor ihm.

Was stellt er sich vor, was als nächstes passieren soll? Er hört sich am Handy Telefonsexgeschichten an. Na, toll, jede Menge Klischees, schnaubt die Autorin. Soll sie sich vielleicht gemäß solchem Schund verhalten? Kommt nicht in Frage. Sie geigt ihrem Entführer die Meinung. Das kommt allerdings gar nicht gut an. Und er versucht, sie im Bett dazu zu zwingen, ihm zu Willen zu sein.

In letzter Sekunde wird Finn – dieser Name ist ihm entschlüpft – allerdings durch die Ankunft seines Freundes Tommy gestört. Der will ihn zu einem Segeltörn einladen. Nichts da. Erst einmal müssen sie mit dem Problem der Entführten klarkommen. Mit dem Kidnapping scheint Tommy jedoch kein Problem zu haben, was die Hoffnung unserer Ich-Erzählerin zerschlägt. Ihr wird klar, dass diese beiden gesellschaftlichen Außenseiter gemeinsam zu allem fähig sind, und sie schnell etwas unternehmen muss.

Sie erinnert sich an ihre Interviews mit den Anarchisten …

_Mein Eindruck_

Die Ich-Erzählerin ist keine starke Frau, sondern schleppt sämtliche Ängste einer Durchschnittsfrau mit sich herum. Die Angst, verletzt zu werden. Die Angst, ihre Kinder zu verlieren. Sie wehrt sich nicht körperlich gegen ihren ungewöhnlich agierenden Entführer. Vielmehr stützt sie sich auf die Gabe, die sie in ihrem Leben am meisten genutzt hat: auf ihr Einfühlungsvermögen und Geschichten erfinden zu können.

Leider weiß das ihr Entführer ebenso gut, hat er doch wegen ihres Romans die Entführung erst veranlasst. Er dreht den Spieß um und erfindet selbst Lügengespinste: wie sie sich ihm angeboten habe; warum sie einen schwarzen Spitzen-BH trage; wie sie erzählt habe, dass sie es liebe, nachts herumzufahren und sich fremden Männern anzubieten. Das macht unsere Schriftstellerin reichlich wütend, aber sie muss es hinnehmen. Ihr Scheherazade-Trick ist durchschaut worden. Nun versucht Finn, seinen Freund Tommy vor ihr zu warnen.

Die Ich-Erzählerin hat keinen Namen, damit sich die Leserin leichter mit ihr identifizieren kann als wenn sie einen Eigennamen trüge. Automatisch überträgt die Leserin den Namen der Autorin Tove Nilsen auf die Ich-Erzählerin, obwohl das weder zwingend ist noch zulässig. Ein Autor kann schließlich jede beliebige Hauptfigur erfinden. Die Ich-Erzählerin ist jedoch so ungewöhnlich detailliert geschildert, dass die Übertragung naheliegt. Sie hat eine weit zurückreichende Lebensgeschichte, einen verzweigten Familien- und Freundeskreis, charakteristische Verhaltensweisen usw. Kurzum, sie ist ihr eigener kleiner Kosmos. Dieser ist nun bedroht.

Das Geschichtenerfinden ist für die Erzählerin quasi eine Selbstbehauptung, aber auch eine List, um den Entführer zu täuschen. Beides haut leider nicht hin, vielmehr entblößt sich im Kampf der beiden Menschen ihre eigene größte Schwäche: Dass sie fürchtet, nicht ganz im Leben verankert zu sein, sondern entwurzelt dahinzutreiben und sich ihr Leben zurechtzuträumen. An dieser Stelle wird klar, dass sich das Buch auch um die Probleme der Autorin selbst dreht. Diese Probleme sind, obwohl vielschichtig, doch verallgemeinerbar auf die künstlerische Situation vieler Schriftsteller.

Zum Glück bleibt es nicht bei solchen theoretischen Überlegungen. Im Finale ist vielmehr Action angesagt. Der Auslöser dafür ist bemerkenswert: Finn verbrennt ein geheimes Tagebuch der Ich-Erzählerin vor ihren entsetzten Augen. Es ist ihr das Wertvollste, was sie hat, sagt sie. Wertvoller noch als ihre Familie? Jedenfalls schlägt an dieser Stelle ihre Ablehnung Finns in Abscheu um. Der weitere Weg ist klar. Doch wird sie auch überleben?

|Die Übersetzung|

Ich fand die Übersetzung durchgehend recht gelungen. Allerdings leistet sich die Übersetzerin einen stilistischen Fehler: „Wir schämten uns |über| die Gelüste“ sollte korrekt „Wir schämten uns |für| die Gelüste“ heißen.

_Unterm Strich_

Anfangs habe ich mich über die geradezu gelähmte Passivität der Hauptfigur geärgert, die sie lange Zeit aufrechterhält. In der Mitte findet sie dann die Scheherazade-Strategie, mit der es ihr gelingt, Zugang zum Bewusstsein ihres Entführers zu erlangen. Doch der Schuss geht nach hinten los, als er sie durchschaut und den Spieß umdreht. Schließlich mündet die Handlung in Action und Überlebenskampf. Doch ein Ringen um geistige, emotionale und letztlich körperliche Selbstbehauptung als Frau macht die Handlung des gesamten Buches aus, soweit es die Hauptfigur betrifft.

Es ist auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als Schriftstellerin. Sie kommt von einem Vortrag, reist in ferne Länder, lernt fremde Kulturen kennen, doch hat sie auch Wurzeln in der Heimat? Versteht sie ihre eigene Kultur und deren Vertreter? Dies ist die zweite Ebene an Bedeutung. Es gibt sicherlich noch weitere. Inhaltlich ist das Buch auf weibliche Leser zugeschnitten – es gibt nur einen Blickwinkel. Stilistisch ist es recht anspruchslos, und kein Leser dürfte Verständnisprobleme haben. Aber es ist kein großer Wurf, sondern der Ansatz eines Psychothrillers. Und den schreiben Amerikaner und Engländer wesentlich versierter und spannender.

|Originaltitel: Kvinner om natten, 2001
gebundene Ausgabe 2003 bei Ehrenwirt: 285 Seiten
Taschenbuchausgabe 2005: 288 Seiten
Sonderausgabe 2007: 285 Seiten
Aus dem Norwegischen von Dagmar Lendt|

Arthur Schnitzler / Daniela Wakonigg – Die Weissagung (inszenierte Lesung)

Wenig unterhaltsam: psychologischer Realismus

Vor zehn Jahren hat ein Wahrsager Herrn von Umprecht einen Blick in die Zukunft gewährt: er selbst tot auf einer Bahre. Seitdem führt Umprecht ein Leben in Furcht und versucht, jenem Augenblick aus dem Weg zu gehen. Aber nichts, was er tut, scheint die Erfüllung der Weissagung abwenden zu können.

Da bekommt er das Angebot, in einem Theaterstück mitzuspielen, in welchem er am Ende tot auf einer Bahre liegen soll. Ist dies der Augenblick in seiner Zukunft, den ihm der Wahrsager geweissagt hat?

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John Flanagan – Der eiserne Ritter (Die Chroniken von Araluen 3)

Enttäuschender Übergangsband

Sein ganzes Leben hat der 15-jährige Waisenjunge Will davon geträumt, ein Ritter zu werden wie sein Vater. Weil er aber zu klein und schmächtig ist, wird er dem geheimnisvollen Waldläufer Walt als Lehrling zugeteilt. Als das Königreich Araluen von einem altem Feind und dessen ungeheuerlichen Kreaturen angegriffen wird, muss Will sich bewähren und stellt fest, dass das Leben eines Waldläufers viele Herausforderungen, aber auch besondere Möglichkeiten birgt …

Band 2: Der Angriff Morgaraths geht weiter, doch die Waldläufer wissen nicht, wo. Will ist bereits einige Zeit bei den Waldläufern König Duncans, die sowohl Krieger als auch Späher und Agenten sind. Da schickt sein Lehrmeister Walt den jungen Bogenschützen auf eine Mission in das entlegene Nachbarland Celtica. Aber Celticas Dörfer und Kupferminen liegen ausgestorben da. Doch mitten in der Wildnis erhebt sich eine gigantische neue Brücke über einer Schlucht, die das Land Morgaraths begrenzt. Sie wurde offensichtlich erbaut, um heimlich in Araluen einfallen zu können. Wenn Will nicht schnell handelt, ist das Königreich, das Morgarath woanders erwartet, in höchster Gefahr.

Band 3: Der Waldläuferlehrling Will ist mit der Prinzessin Cassandra, die sich Evanlyn nennt, in die Gefangenschaft von nordischen Söldnern Morgaraths geraten. Auf einer stürmischen Insel in Skandia hofft Evanlyn darauf, dass sie freigekauft wird, doch dann erfährt Will, dass Jarl Ragnak ihrem Vater einen Racheschwur geleistet hat. Erführe er, wer Evanlyn in Wahrheit ist, wäre das ihr Ende – und wohl auch das von Will. Unterdessen reitet Walt zusammen mit Wills Freund Horace los, um Will zu suchen und zu befreien.

Der Autor
John Flanagan – Der eiserne Ritter (Die Chroniken von Araluen 3) weiterlesen

Wilson, Paul F. – Handyman Jack – Schmutzige Tricks (Folge 1)

_Taffer Handwerker: Zorro trifft Bruce Willis_

Wenn der Abfluss mal verstopft ist, sollte man Handyman Jack lieber nicht rufen. Jack repariert nämlich andere Sachen: Probleme, mit denen sonst niemand fertig wird. Er kümmert sich für gutes Geld darum, dass Unrecht bestraft wird. Dabei verlässt er sich auf eine Kombination aus Können und Dreistigkeit. Handyman Jack ist ein Held – aber auch ein Rätsel. Er lebt im Untergrund. Niemand kennt seine Identität. Jack verkörpert eine tödliche Mischung aus „Zorro“ und Bruce Willis.

Folgende Geschichten von F. Paul Wilson finden sich auf diesem Thriller-Hörbuch:

1) Zwischenspiel im Drugstore
2) Ein ganz normaler Tag
3) Familiennotdienst

_Der Autor_

F. (Francis) Paul Wilson (geboren 1946) ist ein US-amerikanischer Besteller-Autor von Mystery-, Thriller- und Horror-Romanen. Wilson studierte Medizin am Kirksville College of Osteopathic Medicine und ist heute immer noch praktizierender Arzt. Wilsons bekannteste Romanfigur ist der Anti-Held Handyman-Jack (engl. Repairman-Jack). Neben Mystery-, Science-Fiction- und Horror-Romanen schreibt Wilson auch Medizin-Thriller. Außerdem ist er ein großer Fan von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos und hat auch selbst ein paar Storys in Anlehnung an diesen Mythos geschrieben. F. Paul Wilson lebt mit seiner Frau, zwei Töchtern und drei Katzen an der Küste von New Jersey.

Stephen King ist laut Verlag der Präsident des Handyman-Jack-Fanclubs.

„Schmutzige Tricks“ ist das erste Hörbuch über Handyman Jack. Das nächste trägt den Titel „Der letzte Ausweg“.

F. Paul Wilson auf |Buchwurm.info|:

[„Das Kastell“ 795
[„Tollwütig“ 2375
[„Die Gruft“ 4563

_Der Sprecher_

Detlef Bierstedt ist Schauspieler und Synchronsprecher. Als deutsche Stimme von George Clooney verleiht er diesem Lässigkeit und Charme. Seit 1984 hat er über 600 Synchron-Rollen gesprochen und war als Schauspieler in der TV-Serie „Tatort“ zu sehen. Als Spezialist für spannende Thriller hat er auch „Diabolus“ von Dan Brown vorgetragen. Nun haucht er Handyman Jack Leben ein. (Verlagsinfo)

_Die Macher_

Für Regie, Produktion & Dramaturgie zeichnet Lars Peter Lueg verantwortlich, für Schnitt, Musik & Tontechnik Andy Matern.

Lars Peter Lueg ist der exzentrische Verlagsleiter von |LPL records|. Der finstere Hörbuchverleger hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Grauen aus kalten Kellern und feuchten Grüften hinaus in die Welt der Lebenden zu tragen. LPL produziert alle Hörbücher & Hörspiele selbst und führt auch Regie. Er erhielt als Produzent einen Preis für „Das beste Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2003“. Eine seiner Regiearbeiten wurde vom renommierten |hörBücher|-Magazin mit dem Prädikat „Grandios“ ausgezeichnet. Außerdem erhielt er beim Hörspielpreis 2007 eine Auszeichnung für die „Beste Serienfolge“. (Verlagsinfo)

Andy Matern ist seit 1996 als freiberuflicher Keyboarder, Producer, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann mehr als 150 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen. Andy Matern wurde als „Bester Hörspielmusiker des Jahres 2005“ ausgezeichnet. Sein neuestes Edelmetall wurde ihm für die Musik zu den Dan Brown-Hörbüchern „Illuminati“ (Doppel-Platin) und „Sakrileg“ (Platin) verliehen. (Verlagsinfo)

_Die Erzählungen_

_1) Zwischenspiel im Drugstore_

Jack feiert am 19. April immer den King-Kong-Tag. Er besteigt das Empire State Building und legt für die noble Bestie einen Kranz nieder. Leider muss er an diesem Feiertag alle seine Waffen zu Hause lassen, und dieser Umstand erweist sich als verhängnisvoll.

Seine alte Bekannte Loretta, ein recht stämmiges Frauenzimmer mit ständig schlechter Laune, zieht es in einen Drugstore in der New Yorker Innenstadt. Sie ist hungrig. In dem verwinkelten Regalaufbau des Gemischtwarenladens verlieren sie sich aus den Augen. Plötzlich bedroht ein großer Schwarzer Jack mit einem Revolver und befiehlt ihm, sich zu den anderen Gefangenen zu legen. Jack braucht nicht lange, um zu kombinieren, dass hier gerade ein Raubüberfall stattfindet.

Der Schwarze hat noch drei Komplizen, und ihr Anführer scheint der Mann aus Ecuador zu sein, der Loretta so anzüglich angesprochen hat. Mister Ecuador lässt den Stellvertreter des Geschäftsführers holen, damit dieser den Geldsafe öffnet. Doch Mr. Patel ringt verzweifelt die Hände, denn er beteuert, dass er die Safekombination nicht kenne. Da schnappt sich Mister Ecuador ausgerechnet Loretta, um ihr eine Pistole an den Kopf zu halten. Glücklicherweise ist Loretta so geistesgegenwärtig, nicht Jack um Hilfe anzuflehen, denn wäre er erpressbar geworden.

Immerhin lenkt Jack das Augenmerk des Anführers auf die allgegenwärtigen Überwachungskameras an der Decke. Als sein Helfer die ersten davon zerschießt, ergreift Jack die Gelegenheit beim Schopf und verdrückt sich in die Gänge. Verzweifelt sucht sein Blick in den Regalen nach Dingen, die sich als Waffen gegen vier schwer bewaffnete Räuber einsetzen lassen. Auch das Sprinklersystem will nicht anspringen, somit fällt das Anrücken der Feuerwehr flach.

Da fällt Jacks Blick auf Campingausrüstung. Damit kann selbst ein unbewaffneter Mann, sofern er kluge Einfällen hat, schon einiges anfangen, findet er. Eine lange Schlacht im Supermarkt beginnt …

|Mein Eindruck|

In diesem turbulenten Auftakt zu dieser Storyauswahl betätigt sich Handyman Jack als eine Art New Yorker Innenstadt-Rambo. Über den Ausgang soll hier nichts verraten werden, aber man kann davon ausgehen, der er in der Lage ist, noch weitere Abenteuer zu erleben.

Dies ist die erste Story, die ihn charakterisiert, daher seien ein paar Worte über ihn verloren. Das Wichtigste, das man über ihn wissen muss: Er sieht völlig durchschnittlich aus. Tatsächlich ist ihm seine Durchschnittlichkeit so wichtig, dass er sich stets der Menge, der Mode, der Stadt und dem Stadtviertel anpasst, als wäre er ein Chamäleon. Unauffälligkeit und Verstellung sind seine zwei wichtigsten Helfer, um seinen Job tun zu können.

Sein Job besteht darin, außerhalb des Polizeiapparates und der Verbrecherorganisationen bedrängten Bürger in Not zu helfen. Nicht unentgeltlich, versteht sich. Er ist halb Bürgermiliz, halb Privatdetektiv, doch die Zusammenarbeit mit den Bullen scheint er strikt abzulehnen, warum auch immer. Sein bevorzugtes Arbeitsgebiet scheint die Lower Westside zu sein, eine frühere Arbeiterwohngegend, in der sich zunehmend schnöselige Yuppies breitmachen, sehr zu Jacks Missfallen.

In der nächsten Episode legt er sich mit Schutzgelderpressern und der Drogenmafia an. Eine knifflige Aufgabe, so zwischen allen Fronten …

_2) Ein ganz normaler Tag_

Vor lauter Langeweile lungert Jack müßig in seinem schäbigen Hotelzimmer, in dem nichts auf seine Identität hinweist, und erschlägt mit japanischen Wurfsternen eine Kakerlake nach der anderen. Da schlägt plötzlich ein Schuss durch sein Fenster, verfehlt ihn jedoch. Er eilt in Deckung, sieht den Scharfschützen mit seinem Gewehr davoneilen. Das findet Jack schon mal bemerkenswert. Ein Scharfschütze sollte doch stets in der Lage sein, sein Ziel zu treffen, oder? Es sei denn …

Sein Pieper geht los: George Kouropolis, der Besitzer des „Highwater Diner“, ruft ihn zu Hilfe, wie ausgemacht. Er braucht zwei Minuten, um in den Keller zu rasen und über die Gasse in Georges Lagerraum und anschließend die Küche zu treten. Da merkt er schon, dass die Kacke heftig am Dampfen ist. Zwei fiese Typen sind gerade dabei, die rechte Hand des guten George in seinen eigenen Fleischwolf zu stecken, um – was wohl? – zu machen.

Jack zeigt ihnen erstmal, wo der Hammer hängt, und begibt sich ins das Zentrum der Gewalt, den Gastraum. Hier beherrschen Matt Rileys Männer die Lage. Jacks Blick fällt auf eine hübsche junge Dame, deren Bluse zerfetzt ist. Sie starrt ihn ebenso erstaunt an wie die anderen. Doch Jacks Gesicht ist maskiert, und auf der Skimaske ist ein Kürbiskopf aufgemalt. Er gibt sich als Jack O’Lantern aus, den guten Geist von Halloween. Dann beginnt er unter dem Sauhaufen der Schutzgelderpresser aufzuräumen.

In Abes Waffenladen „Ischer“ besorgt sich Jack neue Waffen und Munition. Besonders an Wurfsternen braucht er Nachschub: zwei Dutzend. Draußen auf der Straße erwischt ihn um ein Haar ein schwerer Zementsack. Jemand hat es definitiv auf ihn abgesehen, kombiniert er. Aber wer? Julio, Besitzer einer weiteren Kneipe, verklickert ihm, ein Typ namens Ed Surlett habe nach ihm gefragt. Jack erinnert sich an den Passfälscher Tom Levinson, dem er gegen Surlett half, und wie Surlett schließlich hinter Gittern landete. Nun stellt sich heraus, dass Levinson Jack verraten hat. Surlett, wieder in Freiheit, will sich an Jack rächen. Aber warum hat er ihn vorgewarnt? Und woher weiß Surlett so genau, wo sich Jack, der Meister der Tarnung, zu finden ist?

Als ihn ein alter vietnamesischer Wäschereibesitzer namens Tranh um Hilfe gegen die Drogenmafia bittet, kommt eine weitere Sache ins Rollen. Tranhs Ex-Boss Tony Capisi hat den Löffel abgegeben und ist von Aldo D’Amico abgelöst worden. Doch Tranh ist Aldo zu nichts verpflichtet und will aussteigen. Schon am nächsten Tag will Aldo wieder mit einer Rauschgiftladung bei Tranh vorbeischauen.

Hm, Jack kombiniert lange, wie er gleich drei Angreifer – denn auch Riley will sich rächen – auf einen Schlag loswerden kann. Als er endlich den rettenden Einfall hat, bereitet er sich auf eine lange, bleihaltige Nacht vor …

|Mein Eindruck|

Diese Erzählung ist der längste und komplexeste Beitrag auf diesem Hörbuch. Schließlich hat es Jack diesmal mit gleich drei Gegnern zu tun, wovon einer unsichtbar bleibt. Jedem gegenüber muss er sich anders verhalten. Rileys Schlägern gegenüber markiert er den starken Mann und trickst sie durch Täuschung aus. Auch bei Aldo d’Amico spielt er Theater, allerdings ist er diesmal der durchgeknallte Spinner, mit dem man sich besser nicht anlegt. Und um alle drei Gegner gegeneinander auszuspielen, muss er sich nur richtig blöd stellen. Anschließend erschlägt er dann wohl wieder Kakerlaken mit Wurfsternen.

_3) Familiennotdienst_

Eigentlich hatte sich Jack geschworen, nie einen Fall anzunehmen, in dem es um enge menschliche Beziehungen geht. Doch beim lukrativen und verlockenden Angebot des New Yorker Baulöwen Oscar Schaffer, Mitte 50, macht er eine Ausnahme. Er hätte es ablehnen sollen.

Shaffers Firma hat eine geschäftliche Beziehung zu der Firma, in der sein Schwager Gus arbeitet. Doch Gus verprügelt Shaffers Schwester Celia regelmäßig. Sie erträgt diese Misshandlung seit zehn Jahren, weiß Gott warum. Einmal wollte Oscar Gus eine Lektion erteilen, wurde aber leicht abgewehrt. Seitdem kann Oscar nicht mehr selbst einschreiten, denn er wäre sofort der Hauptverdächtige, sollte Gus etwas zustoßen. Also bleibt nur, sich an einen externen Helfer zu wenden. Und hier kommt Jack ins Bild. Jack hält sich bedeckt, sagt aber zu, einer Dame in Not zu helfen. Gegen einen saftigen Vorschuss.

Als Gus und seine Frau Celia eines Abends heimkehren, sieht der schon seit Tagen auf der Lauer liegende Jack sofort, dass etwas in der Luft liegt: dicke Luft. Wenig später linst er durchs Fenster in das Haus der beiden Turteltäubchen. Gus hat seine Hände umwickelt und boxt seine Frau in die Nieren. Nur damit man keine blauen Flecken sieht. Jack weiß, was Nierenschläge anrichten. Celia würde Blut pissen und tagelang Schmerzen haben. Er beschließt, in Aktion zu treten.

Als Gus den Lärm in seinem Wohnzimmer hört, lässt er von seiner Folter ab und stürzt zur Quelle des Lärms. Da steht ein Mann mit Baseballkappe in seinem Haus. In seinem Haus! Offenbar ein Einbrecher. Der Typ entschuldigt sich auch und will sogar wieder abhauen, aber da hat Gus noch ein Wörtchen mitzureden. Er greift an …

Als Jack seinen Auftraggeber anderntags wiedertrifft, benimmt Shaffer sich verächtlich. Er knallt ihm das restliche Honorar vor die Füße und will verduften. Aber das lässt Jack nicht zu, denn schließlich steht sein Ruf auf dem Spiel. Er zwingt Shaffer auszuspucken, was los ist. „Was los ist!“ schreit ihn Shaffer an – und knallt ihm den Bericht des Gerichtsmediziners vor den Latz.

Gus Kesselman ist tot?! Jack fasst es nicht. Als er Kesselmans Haus verließ, lag Kesselman lediglich mit gebrochenen Beinen am Boden, aber völlig lebendig. Und er ließ den Schrank, in den er Celia gesperrt hatte, offen stehen. Wie also kann das sein? Dann geht ihm ein Licht auf. Celia hatte im Verlauf der Auseinandersetzung erfahren, dass ihr Mann, dessen Schläge sie ertrug, sie nie geliebt, sondern vielmehr ihren Tod herbeigesehnt hatte …

|Mein Eindruck|

Diese Erzählung unterscheidet sich radikal von den beiden anderen. War in der ersten Story nur Action gefragt, in der zweiten aber auch schon psychologisches Gespür und raffinierte Taktik, so ist hier vor allem Psychologie gefragt. Natürlich geht es im Laufe der Auseinandersetzung auch handfest zur Sache, aber die entscheidenden Wendungen erfolgen doch im Innern der Figuren. Es ist ein Psychodrama nach allen Regeln der Kunst, mit einer fiesen Pointe. Diesmal stößt Jack an seine Grenzen und gelobt, künftig die Finger von Ehestreitereien zu lassen.

_Der Sprecher_

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent und deutlich artikuliert vorgetragen, so dass man dem Text mühelos folgen kann. Er muss sich nicht besonders anstrengen, denn die amerikanischen und italienischen Namen auszusprechen, ist eigentlich kein großes Kunststück für einen Mann mit Allgemeinbildung. Mehrmals war ich dennoch von seiner Kenntnis der Aussprache bestimmter Begriffe und Namen beeindruckt.

Da sich die Anzahl der Figuren sich in Grenzen hält, gerät man nie in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Bierstedt versucht sein Möglichstes, die Figuren zu charakterisieren. Die wichtigste Figur ist natürlich Handyman Jack selbst, der Ich-Erzähler. Er klingt zwar nicht wie Bierstedts Synchronfigur George Clooney, aber doch einigermaßen cool und abgebrüht, wie ein Nachfahre von Philip Marlowe.

Der Vietnamese Tranh erhält von Bierstedt eine hohe Stimmlage zugewiesen, als wäre eine Art Mandarin aus China. Seine Ausdrucksweise ist leise und kultiviert. Die New Yorker Schurken hingegen sind das genaue Gegenteil: hart und rau, mit einer tiefen Stimmlage. Ganz besonders Aldo D’Amico gehört zu dieser Kategorie. Frauenfiguren sind dünn gesät, doch auch sie weiß Bierstedt mit sanfter Sprechweise und höherer Stimmlage darzustellen. Einmal spricht sogar die junge Tochter Vicky von Jacks Freundin Gia, und hier geht Bierstedts Stimme ganz hoch. Die Kleine klingt erst dann auch wirklich wie ein Kind.

Bei so wenig Abwechslung in den Stimmlagen kommt es darauf an, die stimmliche Expressivität der jeweiligen Szene anzupassen und so den Ausdruck emotionaler und abwechslungsreicher zu gestalten. Dies gelingt dem Sprecher wesentlicher erfolgreicher, und so kann sich der Hörer über Jammern, Verzweiflung, Hysterie, Schniefen, Stammeln, Verlegenheit, Angst, Spott, Arroganz, Sarkasmus, Nervosität, Erleichterung, Erschütterung, Aufregung, Besorgnis, Freude und viele andere Gefühlsausdrücke freuen. Ganz eindeutig ist dies Bierstedts eigentliche Stärke. Hörbar macht ihm dieser Aspekt seiner Arbeit am meisten Spaß.

_Musik_

Das Intro stimmt den Hörer bereits auf eine spannende, dynamische Handlung ein und erinnert von fern an Film-noir-Musiken. Das Outro entspricht dem Intro. Dazwischen hören wir immer wieder Musik, um die Pausen zu füllen, beispielsweise um einen Szenenwechsel anzudeuten. So etwas wie Hintergrundmusik ist nur in inszenierten Lesungen und Hörspielen üblich, wird daher hier nicht praktiziert.

_Unterm Strich_

Die erste Story stellt den Helden und Ich-Erzähler als eine Art Ein-Mann-Bürgerwehr vor, die zwar stets auf der „richtigen Seite“ kämpft, aber dabei vor allen Arten von Gewaltanwendung nicht zurückschreckt. Seine Opferzahl – wenn auch nicht immer Leichen – ist beachtlich. Vielleicht muss man Amerikaner oder zumindest New Yorker sein, um das besonders toll zu finden.

Die zweite Geschichte, die längste dieser Auswahl, ist recht komplex aufgebaut und verlangt vom Hörer ein gutes Gedächtnis. Nicht immer ist angesichts vieler Akteure in einer Szene, wie etwa im „Highwater Diner“, sichergestellt, dass man sich alle Namen merken kann. Dann muss man sich die Szene eben nochmals anhören. Der Schluss ist clever und fies eingefädelt, die Behandlung seiner Gegner fällt bei Jack gewohnt ruppig aus – siehe oben. Aber am besten ist es natürlich, wenn sie sich wie hier gegenseitig erledigen.

In Story Nummer drei findet Jack quasi seinen Meister, aber nicht etwa hinsichtlich der Action oder moralischer Niedertracht, sondern lediglich hinsichtlich der Brutalität. Diese ereignet sich quasi off-screen und wird nicht dargestellt, doch allein schon die Andeutungen können einem sensiblen Hörer auf den Magen schlagen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte man aber schon durch die vorangegangenen Erzählungen entsprechend vorgewarnt und abgebrüht sein.

Handyman Jack hat durchaus das Zeug, um Freunde hartgesottener Geschichten zu erfreuen. Seine Moral lässt ihn immer wieder auf der Seite der Guten stehen. Und sein Humor ist nicht durchgehend schwarz, sondern auch ein wenig schräg, so etwa, wenn Jack seinem Freund Julio nachfühlen kann, dass die Yuppies in der Gegend überhand nehmen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Insgesamt ist er also ein Bursche, dessen Aktionen zwar an Superhelden wie Spider-Man erinnern, der aber im Gegensatz dazu immer schön auf dem Teppich bleibt. Das fand ich relativ sympathisch.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt in gewohnter Weise kompetent gestaltet, bietet aber ansonsten keine Zutaten wie etwa Musikuntermalung oder gar eine Geräuschkulisse. Musik füllt lediglich die Pausen für die Szenenwechsel.

Fortsetzung folgt: „Handyman Jack – Der letzte Ausweg“.

|3:30 Stunden auf 3 CDs
Übersetzung vom Festa-Verlag
ISBN 978-3-7857-3552-7|
http://www.lpl.de
http://www-luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de

Peter James – Nicht tot genug

Solide Krimikost, spannend vorgetragen

Drei ermordete Frauen in nur einer Woche – und alle wurden sie in den letzten Stunden ihres Lebens schwer gedemütigt und misshandelt. Und damit nicht genug. Auf den Rücken des zweiten Opfers hat der Täter einen Satz tätowiert: „Weil du sie liebst“! Und was hat die Gasmaske auf ihrem Gesicht zu bedeuten?

Der Hauptverdächtige, ein Geschäftsmann aus Brighton, scheint ein lückenloses Alibi zu haben, und doch finden sich an den Tatorten nur seine DNA-Spuren. Für Detective Superintendent Roy Grace von der Brightoner Kripo wird die Jagd nach dem Killer viel gefährlicher, als er das je erwartet hätte. Denn seine Freundin Cleo ist ins Visier des Täters geraten.

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Patterson, James – Maximum Ride: Der Zerberus-Faktor

_Showdown mit der Doppelgängerin_

Die Tierärztin Frances O’Neill entdeckt eines Tages in Colorados Wäldern ein genmanipuliertes Wesen, das aussieht wie ein Mädchen mit Engelsflügeln. Tatsächlich kann Maximum, so nennt sich diese Kombination aus Mensch und Vogel, fliegen, wie man sich das von Engeln vorstellt. Der Haken dabei ist natürlich, dass es sich bei Max um das Ergebnis verbotener Experimente eines illegalen Genlabors handelt, das den Decknamen „Die Schule“ trägt. Und dass Max und ihresgleichen enorm wertvolle Organismen darstellen, die entsprechend gejagt werden. Frances gewährt Max und ihren Freunden Unterschlupf und Schutz, wodurch sie selbst in die Schusslinie gerät.

|Das Pandora-Projekt:|

Nachdem Frances O’Neill und ihr FBI-Freund Kit Brennan mit ihren sechs Schützlingen, den engelsgleichen Wesen aus den illegalen Versuchslabors „der Schule“, vier unbeschwerte Monate in einem Refugium namens „Lake House“ verbracht haben, nimmt man ihnen die liebgewonnenen Kinder wieder weg. Diese gewinnen ihre Freiheit wieder zurück, doch um den Preis gefährlichen Wissens. Es gibt nicht nur „Engel“, sondern auch „Eraser“, die gezüchtet wurden, um „Engel“ zu vernichten. Damit die Welt nie von ihrer Existenz erfährt.

|Der Zerberus-Faktor:|

Max und ihre Geschwister sind weiterhin auf der Flucht vor den Erasern, einer Kreuzung aus Mensch und Wolf. Doch gerade, als sie glauben, entkommen zu sein, wird einer von ihnen schwer verletzt, und nur das FBI kann ihnen noch helfen. Das Haus, in dem man ihnen Unterschlupf gewährt, ist für die Kinder wie ein Paradies. Auch wenn sie nun zur Schule gehen. Doch Max hat noch andere „Hausaufgaben“ zu erledigen: die in New York City gefundenen Dokumente entschlüsseln, herauszufinden, wie sie die Welt retten soll, und zu lernen, sich dem gefährlichsten Gegner zu stellen – sich selbst. Denn ihr Spiegelbild trägt die Züge eines Erasers …

_Der Autor_

James Patterson, ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur, ist der Autor zahlreicher Nummer-1-Bestseller. Allerdings sind es vor allem seine Alex-Cross-Thriller, die den Leser berühren. Folglich war Alex Cross bereits zweimal im Film zu sehen: „Im Netz der Spinne“ und „… denn zum Küssen sind sie da“ wurden beide erfolgreich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt. Für Einsteiger sei gesagt, dass Alex Cross ein sympathischer schwarzer Polizeipsychologe ist, der mit seiner Familie in Washington, D.C., lebt.

Patterson ist extrem fleißig. Sein letzter Solo-Roman in Deutschland hieß „Ave Maria“, ein Alex-Cross-Roman. Davor erschienen neue Alex-Cross-Romane mit den Titeln „The Big Bad Wolf“ und „London Bridges“. Im Original sind bereits „Cross“ und „Double Cross“ erschienen. Seit 2005 sind weitere Patterson-Kooperationen veröffentlicht worden, darunter „Lifeguard“ sowie „Judge and Jury“; am 3. Juli 2007 erschien die Zusammenarbeit „The Quickie“. Im Frühjahr 2003 (deutsch Mitte 2005) erschien auch eine Kollaboration mit dem Titel [„Die Rache des Kreuzfahrers“ 1149 (The Jester), deren Story im Mittelalter spielt.

Nähere Infos finden sich unter http://www.twbookmark.com und http://www.jamespatterson.com. Patterson lebt mit seiner Familie in Florida.

Mehr zum Flügelmädchen Maximum findet sich auf der Website http://www.maximumride.com.

Max erscheint bislang in folgenden Romanen:
1) Wenn der Wind dich trägt (When the wind blows)
2) Das Ikarus-Gen (The Lake House)
3) Das Pandora-Projekt (Maximum Ride: The Angel Experiment)
4) Der Zerberus-Faktor (Maximum Ride: School’s Out Forever)
5) Der Prometheus-Code (Maximum Ride: Saving the World and Other Extreme Sports)
6) The Final Warning (US-Ausgabe: März 2008)

Und wie uns die Pressemitteilung des Verlags verrät, planen die Filmemacher bereits die „Verfilmung der Geschichten um Max und ihre Geschwister“.

_Handlung_

Die Ich-Erzählerin ist die vierzehnjährige Max, ein Hybridwesen aus Mädchen und Vogel, mit vier Metern Flügelspannweite – und sie ist noch nicht mal ausgewachsen. Sie und ihresgleichen wurden in den Laboren der SCHULE mittels Gen-Spleißen erschaffen. Doch in wessen Auftrag und zu welchem Zweck? Sie kennen alle ihre Eltern nicht mehr.

Max und die anderen Vogelwesen, die der SCHULE vor zwei Jahren entkommen sind, werden von anderen Hybridwesen namens „Eraser“ gejagt: Wolfsmenschen, die der SCHULE als Wachen, Polizisten und Henker dienen. Sie wurden auf die sechs Angehörigen von Max‘ Familie angesetzt. Ihr Anführer heißt Ari und war Max‘ Bruder. Sie hat ihn im „Institut“ in New York getötet. Denkt sie jedenfalls.

Die Familie bzw. der Schwarm besteht aus:

Max, 14, weiblich, „Mutter“ des Schwarms, Telepathin;
Gazi alias Gasman, weil er unter Blähungen leidet, 8, männlich, kann jedes Geräusch & jede Stimme nachmachen;
Angel, 6, weiblich, Telepathin, Gasmans Schwester;
Nudge, 11, weiblich, hieß früher Monique;
Iggy, männlich, blind, hört dafür gut;
Fang, 14, männlich, stark und schweigsam.

Der Schwarm fliegt von New York nach Washington, D.C., doch bevor sie dort eintreffen, werden sie von Erasern angegriffen. In der Luft! Die Eraser haben Flügel erhalten und fliegen gelernt. Ein noch größerer Schock für Max: Ari ist wiederauferstanden! Dabei hatte sie ihn doch getötet, oder? Der Luftkampf wird zwar siegreich beendet, doch Fang stürzt ab. Sie tragen ihn auf eine Stelle am Meeresstrand, wo gerade ein Jogger vorbeikommt. Er ruft für sie einen Krankenwagen, damit Fang operiert werden und von Max eine Bluttransfusion erhalten kann. Leider muss Max ihre Identität als Vogelmensch offenbaren, und daher wundert es sie nicht, dass wenig später ein paar Typen vom FBI auftauchen.

Der Schwarm tischt den Regierungsheinis eine Menge Lügen auf, was richtig Spaß macht. Gasman nennt sich beispielsweise „Captain Terror“ und Fang „Nick“. Vor allem geht es den Agenten darum, mehr über Jeb Batchelder herauszufinden, den Leiter des Forschungsprojekts, das Hybridmenschen wie Max produziert. Dann taucht eine hübsche Blondine namens Ann Walker auf, die sich als Psychologin vorstellt. Wow! Aber wenigstens bietet sie dem verfolgten Schwarm eine feste Bleibe an, wo alle verschnaufen können und Fang von seiner Operation genesen kann. Die Frage ist aber, ob Ann es ehrlich meint.

Jeder im Schwarm bekommt sein eigenes Zimmer – was für ein Luxus! Aber eines Morgens erblickt Max im Spiegel nicht ihr eigenes Gesicht, sondern die Zerberus-Fratze eines Erasers! Und am nächsten Tag wieder. Wird sie jetzt verrückt? Die Stimme in ihrem Kopf ermahnt sie, sich nicht auf die Eraser zu fixieren, sondern das große Ganze zu betrachten. Leichter gesagt als getan. Unterdessen suchen sie nachts die Adressen, die sie als Koordinaten aus den Instituts-Unterlagen entschlüsselt haben. Durch hartnäckige Recherche gelingt es ihnen, die echten Eltern Iggys ausfindig zu machen. Sie geben ihn seinen ungläubigen Eltern zurück, gerade als Ann Walker alle selbst adoptieren will. Ann tobt frustriert.

Sie hat die Kinder allesamt in eine nahe Schule geschickt, damit sie endlich eine normale Kindheit und Jugend erleben können. Und tatsächlich fangen die ältesten des Schwarms, Fang und Max, romantische Beziehungen mit dem anderen Geschlecht an. Was haben sie das vermisst – falls sie es überhaupt schon einmal erlebt haben! Doch Unheil naht, denn die Schule ist alles andere als eine normale Schule; sie war früher ein Irrenhaus und der herrische Rektor scheint etwas vor seinen Schützlingen zu verbergen.

Die Eraser haben nicht aufgegeben. Da jedes Mitglied von Max‘ Schwarm einen implantierten Chip trägt, sind alle leicht aufzuspüren. Ari hat sie längst in der Schule lokalisiert. Noch hält er sich im Hintergrund, doch an seiner sitzt ein Mädchen, das für Max eine böse Überraschung bereithält. Es sieht nämlich genauso aus wie die echte Max …

_Mein Eindruck_

„Der Zerberus-Faktor“ ist ein Science-Fiction-Thriller, der für Jugendliche geschrieben wurde, und zwar von einem Routinier des Fachs. Schon dreimal hat er über die künstlich im Labor geschaffenen Rekombinanten geschrieben (siehe oben), nun führt er die unterhaltsame und erfolgreiche Reihe fort, aber in einem anderen Markt: dem für Jugendliche. Wenn sie so alt sind wie die Hauptfigur, nämlich 14, dann ist das ideal.

Pattersons Garn für Jugendliche ist im Grunde eine Warnung vor solchen Experimenten, hebt aber nicht den Zeigefinger, sondern schildert mit erzählerischen Mitteln, wie man sich die Folgen eines solchen Experiments für die Betroffenen vorzustellen hat. Die herrlichen Gefühle bei einem Flug im Schwarm stehen den Ängsten gegenüber, die die Hybriden bei den Angriffen durch die Menschen und ihre Wachhunde, die Eraser, ausstehen müssen.

|Mutanten|

Der Autor nimmt sich die in der SF üblichen Freiheiten bei künstlich geschaffenen Menschen oder Mutanten heraus. Er verleiht ihnen besondere Eigenschaften, die „normale“ Menschen nicht besitzen, so etwa die telepathische Verständigung und Beeinflussung anderer Personen. Philip K. Dick hat zahlreiche Geschichten und Romane über Telepathen und andere Psi-Fähige geschrieben, so etwa über Präkogs in [„Minority Report“. 142 So weit geht Patterson jedoch keineswegs. Bei ihm sind Max‘ Schwarmmitglieder nicht auf Verbrechensaufklärung aus, sondern von Motiven beseelt, die alle Waisenkinder haben: Sie suchen ihre Eltern und wollen herausfinden, warum diese sie alleingelassen haben.

|Die Chance eines Heims|

Nachdem sie in New York City die Adressen gefunden haben, stoßen sie nun in der Region Washington, D.C., auf ein Elternpaar. Iggy erhält endlich ein eigenes Heim, wie es jedem Kind zusteht. Doch was passiert nach einer Phase der Ungläubigkeit und Eingewöhnung? Seine Eltern wollen ihn auch bloß wieder ausbeuten, indem sie seine Geschichte an die Medien verkaufen. Bloß weil er so eine Art Freak ist. Offenbar ist der Schwarm, den Max anführt, auch für Iggy das einzige Zuhause, in dem er nicht als Missgeburt, sondern als vollgültiger Mensch angenommen wird. Da fragt man sich doch wirklich, wer eigentlich die wahren Freaks sind – die Hybriden oder die sogenannten „Normalen“.

Aber der Schwarm besteht immer noch aus Außenseitern: aus Andersartigen, die obendrein noch alle Waisen sind, die in einer Geheimeinrichtung aufwuchsen. Kein Wunder, dass sie „normale“ soziale Verhaltensweisen wie etwa Liebe, Küssen und mit dem anderen Geschlecht Ausgehen erst noch üben müssen. Dabei haben sie zusätzlich das Handicap, dass der Junge oder das Mädchen sich plötzlich in einen Eraser verwandeln könnte. Für genügend Paranoia ist also gesorgt.

|Peter Pan|

Ann Walker, die FBI-Psychotante, müht sich auf rührende Weise für ihren Schwarm ab, will sie sogar adoptieren. Das ruft befremdete Blicke hervor. Und als der Hund Total zu sprechen anfängt, hört auch für sie allmählich der Spaß auf. Sie ist eine Wendy, die auf verlorenem Posten steht. Anns Haus verwandelt sich zwar in ein Peter-Pan-haftes Nimmerland, doch nicht für lange, denn die Eraser liegen im Garten schon wieder auf der Lauer. Schließlich können sie die mit Funkchips (RFID) versehenen Hybriden überall orten.

|Doppelgänger|

Als sich herausstellt, dass es eine Niederlassung der „Schule“ in der Nähe gibt, muss diese Zentrale des „Bösen“ natürlich ausspioniert werden. Allerdings ist die echte Max gegen ihre Doppelgängerin ausgetauscht worden. Max #2 hat ihr Original lange genug beobachtet, dass sie sich überzeugt hat, dass sie den Schwarm jederzeit wie Max #1 unter Kontrolle halten und überallhin lotsen kann. Beispielsweise in eine vorbereitete Falle, um alle einzufangen.

An dieser Stelle wird es höchst interessant. Welche Mitglieder der Schwarms kann die geklonte Max-Kopie täuschen bzw. für wie lange? Als sie anbietet, ihnen Frühstück zu machen, merken einige zwar, dass etwas nicht stimmt, aber sie sagen noch nichts, sondern warten lieber ab, was diese seltsame Max-Kopie vorhat. Schließlich muss man den Feind erst kennen, bevor man ihn bekämpfen kann. Und solange Max #2 sie anführt, werden sich die Eraser hüten, den Schwarm anzugreifen.

|Showdown|

Von jetzt an wird es für den Autor eine Gratwanderung, wenn er das weitere Schicksal des Schwarms schildert. Der Leser bzw. Hörer darf nicht wissen, was die Schwarm-Mitglieder über Max #2 wissen oder ahnen, denn sonst wäre sofort die Frage relevant, warum sich der Schwarm so weit von Max #2 führen lässt, obwohl doch etwas nicht stimmt. Und warum sagt die telepathisch begabte Angel nichts über Max #2, deren schwarmverachtende Gedanken sie doch höchstwahrscheinlich lesen kann? Das sind eine ganze Menge Einwände, die verhindern könnten, dass es zu jenem furiosen Showdown kommt, den der Erzähler von Anfang geplant hat. Erst steigert er die Anspannung und das Bangen um den Schwarm, der offenbar von Max #2 in eine Falle gelotst wird, ins Unermessliche. Dann lässt er die Spannung sich in einer Actionorgie entladen und einen Joker auftreten. Ein Schelm, wer ihm dabei Böses unterstellt.

|Der deutsche Titel|

So wird einigermaßen erklärlich, warum der deutsche Titel „Zerberus-Faktor“ heißt, obwohl nichts am Original darauf hinweist. Es geht darum, was Max in ihrem Spiegel sieht. Es ist das Hundegesicht eines Erasers. In einer wackeligen Übertragung des Zerberus-Mythos auf Eraser und Hundegesichter. Von hier wiederum findet eine Übertragung auf Max‘ zweite Identität als Eraser statt, genauer gesagt: auf die ihrer Doppelgängerin. Da nichts davon logisch ist, handelt es sich um eine gewagte poetische Metapher, die der Verlag da bemüht. Ich finde sie nicht sonderlich befriedigend. Aber |Lübbe/Ehrenwirth| zieht eben sein Marketingkonzept durch, um vom Projekt auf den Faktor und wer weiß was noch zu kommen.

_Unterm Strich_

Für jugendliche Hörer ist „Der Zerberus-Faktor“ ein spannendes Abenteuer mit interessanten Figuren, die eine faszinierende Eigenschaft haben: Sie können wie Vögel ohne Hilfsmittel fliegen. Dennoch sind sie Außenseiter, und da sich so mancher Pubertierender ebenfalls wie einer fühlt, dürften Max und Co. viel Sympathie ernten. Erwachsene Hörer könnten die Handlung vielleicht für etwas zu trivial halten, bloß weil Kinder darin vorkommen.

Aber auch Kinder werden missbraucht, in aller Welt. Sie werden versklavt und missbraucht, denn ihnen werden allzu häufig keine Rechte zugestanden. Der Autor warnt vor Kindesmissbrauch im Dienste der Wissenschaft, denn Profitjäger dürfte es auch unter den Weißkitteln geben. Und wenn denen dann auch noch ein Mutant unters Messer kommt, ist es mit den Menschenrechten gleich Essig. Mutanten stehen in der Welt, die Patterson schildert, auf einer Stufe mit Tieren.

Der Autor vertritt also unterschwellig berechtige Interessen für die Opfer solcher illegalen Praktiken und warnt vor den Folgen, wenn Experimente an Menschenkindern durchgeführt werden. Die Produkte der SCHULE sind genetisch labil und müssen feststellen, dass sie nur eine begrenzte Zeit zu leben haben. Die psychologischen Folgen einer solchen Entdeckung sind naturgemäß verheerend.

Diesmal gibt der Autor den Vogelkindern die Chance, ein „normales“ soziales Leben zu führen. Doch Iggy wird von seinen echten Eltern für die Medien ausgebeutet, und die Schule und das Ausgehen mit Angehörigen des anderen Geschlechts werden von der andauernden Paranoia überschattet. Der Verrat der Gesellschaft nimmt seine extremste Form mit dem Austauschen der Schwarmchefin Max an. Der Schwarm soll also von innen heraus zerstört werden. Das stellt alle Vogelkinder auf ihre bis dato schwerste Probe und macht diesen Band der Trilogie ganz besonders spannend, wenn auch erst im letzten Drittel.

In die spannende Unterhaltung hat der Autor also ernste Themen gewoben, und dies hebt wohl das Buch ein wenig aus der Masse der Bücherflut heraus, die jährlich für jugendliche Leser produziert wird. Da Patterson ein Routinier ist, kann man sich darauf verlassen, dass er sein Garn ausgezeichnet zu spinnen versteht.

|Originaltitel: Maximum Ride: School’s Out Forever, 2006
283 Seiten
Aus dem US-Englischen von Edda Petri|
http://www.ehrenwirth.de

Mamatas, Nick – Unter meinem Dach

_Das Königreich Weinbergia grüßt die Welt_

In naher Zukunft: Der Krieg der USA gegen den Terror ist eskaliert, und Vater Daniel Weinberg hat die Schnauze voll: Er bastelt zusammen mit seinem Sohn Herbert eine Atombombe, erklärt sein Grundstück auf Long Island zur unabhängigen Nation und bietet den Kriegsgegnern der USA Friedensverträge an. Weinbergia wird fortan zum Mekka der Aussteiger.

Aber kann die junge Nation dem Druck standhalten? Können Pizzalieferungen aus dem angrenzenden imperialistischen Ausland die frischgebackene Atommacht lange genug am Leben erhalten? Reichen die Bierdosen im Kühlschrank, um eine langfristige Blockade durch die amerikanischen Soldaten auszusitzen? Mama Weinberg bezweifelt dies irgendwie und begibt sich ins Exil.

_Der Autor_

Nick Mamatas ist ein junger amerikanischer Autor griechischer Abstammung, der mit seinen Romanen „Abwärts: Move underground“ und „Northern Gothic“ aufhorchen ließ und viel positive Kritik einheimste. „Unter meinem Dach“ ist sein neuester Roman und für den deutschen Kurd-Laßwitz-Preis 2008 nominiert.

_Handlung_

Der junge Herbert Weinberg ist ein Gedankenleser und erzählt uns, seinem Publikum, haarklein, welche haarsträubenden Dinge er auf diesem Wege über seine lieben Mitmenschen erfährt. Dabei bemüht er sich, keine Vorurteile seinen Blick verstellen zu lassen. Auch nicht über die amerikanischen Soldaten, die sein Haus umstellt haben. Und das kam so …

Vater Daniel hat seinen ersten und dann noch den Ersatz-Job verloren, weil mal wieder eine Sparwelle durch die Firma fegte. Nun sammelt er dies und das. Aber weil Daniel ein findiger Bursche ist, weiß er auch, woher man sich spaltbares Material besorgt. Zusammen mit seinem Sohn Herbie durchforstet er die nächste Müllkippe auf Long Island, um nach Rauchmeldern und Barometern zu suchen. Rauchmelder enthalten ein Bauteil aus Americium, und dies lässt sich durch diverse chemische Prozesse in Uran-235 und -238 umwandeln.

Vater hat ein altes Hippie-Handbuch gefunden und mixt nun das spaltbare Material in seinem Keller. Um ein Haar werden er und Sohnemann von Mami Weinberg (Geri) erwischt, doch sie können sie noch einmal beschwindeln. Sobald sie zwei Komponenten sowie den nötigen Sprengstoff und Zünder beisammen haben, stopft Paps die Höllenmaschine in seinen großen Gartenzwerg und stellt diesen harmlos aussehenden Zeitgenossen wieder in seinem weitläufigen Garten auf. Dann erklärt er die Unabhängigkeit seines Königreichs. Es ist nicht ganz zufällig der 11. September, der Patriot Day.

Im Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel ist auch das Unterfangen der Verkündung nicht schwierig. Paps muss seine Unabhängigkeitserklärung nur übers Radio verlautbaren und per Fax und Mail an die Regierungen aller existierenden Länder schicken. Den Feinden Amerikas bietet er einen Friedensvertrag an, denn er hat es satt, dass Amerika so viele Feinde hat. Als Erstes tauchen die Nachbarn auf, dann das FBI, das sich dezent nach Weinberg erkundigt. Herbie kann die Gedanken der Agenten lesen. Schließlich stehen eines Morgens die Panzer der Armee am Rande des Grundstücks, und der Befehlshaber fordert Danny auf, sich zu ergeben.

Die befreundete Republik Palau warnt die USA vor einem internationalen Zwischenfall und versichert Weinbergia ihres Beistandes und ihrer Solidarität. Wo ist Palau überhaupt, fragt sich Herbie und wird in der Südsee fündig. Aha, 1992 von den USA in die Unabhängigkeit entlassen, schau an. Der Beinahe-Zwischenfall veranlasst Mama Weinberg, schon immer etwas nervöser, das Haus zu verlassen und sich in die Obhut eines Rechtsanwalts zu begeben. Sie versucht, Herbie da rauszuholen, bevor das Haus zerbombt wird.

Nicht lange, da erfreuen sich Vater und Sohn Weinberg der Solidarität diverser Nachbarn. Bemerkenswert sind zwei Frauen mit Pizza, die einfach hier wohnen bleiben wollen. Die ältere, Adrienne, hat es offenbar darauf abgesehen, den König zum Ehebruch zu verleiten, und die jüngere, Kelly, wirft ein Auge auf den halbwüchsigen Prinzen Herbie, der besser mit Computern als mit Mädchen umgehen kann. Weinbergia bietet mehr und mehr Aussteigern Asyl. Die Paranoia des modernen Amerika schlägt zwar hohe Wellen, doch Papa Weinberg lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Leider schafft es Mama Weinberg, Herbie loszueisen und mit sich zu nehmen. Sie hat sich einer christlichen Erweckungsgruppe angeschlossen und tritt mit ihrer Geschichte im Fernsehen auf. Unterdessen beobachtet Herbie per Gedankenlesen, wie sich die Lage in Weinbergia zuspitzt. Als Papa Weinberg beschließt, eine Expedition ins feindliche Ausland zu wagen, um die unabhängige Exklave des nächsten Supermarktes zu besuchen, glaubt die amerikanische Armee, nun sei die Gelegenheit günstig.

Doch die Dinge entwickeln sich keineswegs so, wie alle erwartet haben …

_Mein Eindruck_

Ich habe diesen kurzweiligen Roman binnen eines Nachmittags und Abends gelesen. Da die Sätze so kurz sind und das Geschehen so einfach zu verstehen ist, braucht man seine Hirnzellen nicht allzu sehr anzustrengen, um den Sinn und die Botschaft zu kapieren. Das meiste liest sich sowieso wie eine Episode aus der Familien-Soap-Parodie „Die Simpsons“. Manchmal allerdings gerät die internationale „Politik“ in den Fokus des Geschehens – wenn man den Solidarpakt mit Palau dazurechnen darf. Denn einer der Gründe, warum das Buch so unterhaltsam ist, liegt darin, dass stets Interessensvertreter nur direkt und persönlich auftauchen (auch per Gedankenlesung), so dass ständig ein lebhafter Dialog besteht.

|Der Austritt|

Natürlich wundert sich der deutsche Leser, wieso überhaupt ein Amerikaner auf die Idee kommen kann, sich und sein Grundstück für unabhängig zu erklären. Das ist in der amerikanischen Verfassung und Unabhängigkeitserklärung begründet. Bekanntlich sind die USA eine Union von Staaten, die dem Bund beigetreten sind. Nach der Eroberung der Indianergebiete mussten sich die Territorien erst den Status des Bundesstaates erwerben. Theoretisch könnten sie ihn auch wieder verlieren (wie es Springfield im [Simpsons-Film]http://www.powermetal.de/video/review-1149.html ergeht) oder gar aus dem Staatenbund austreten. Autarkiebestrebungen hat es offenbar immer wieder gegeben, und Vermont ist bekanntermaßen einer der renitentesten Bundesstaaten. Klar, dass Vermont dem neuen Weinbergia seine Solidarität erklärt.

|Vorbilder|

Die Grundidee des Austrittes aus der Union ist nicht gerade taufrisch. Schon 1985 veröffentlichte Marc Laidlaw, ein Vertreter des Cyberpunk in der SF, seinen satirischen Roman [„Dad’s Nuke“]http://en.wikipedia.org/wiki/Dad’s__Nuke (deutsch bei |Goldmann| 1987 unter dem Titel „Papis Bombe“). Darin errichtet ein Familienvater ein Atomkraftwerk auf seinem Grundstück. Die USA sind zu dem Zeitpunkt allerdings schon in einen Flickenteppich von Kleinstaaten zerfallen. Auch die Idee kleinster unabhängiger Staaten ist weltweit immer wieder umgesetzt worden. Diese Mikrostaaten geben eigene Briefmarken etc. heraus, was den Sammlern nur recht sein kann.

|Warum Autonomie?|

Die Grundfrage finde ich nicht besonders gut beantwortet: Warum erklärt sich Weinberg überhaupt für unabhängig und gründet einen Staat? Nun, die USA haben ja bekanntlich dem „Terror“ an sich den „Krieg“ erklärt und mit dem Patriot Act und dem Heimatschutzministerium das Fundament für ein faschistisches Regierungssystem gelegt. Der Rechtsruck schränkt bürgerliche Freiheiten ein, lässt der Wirtschaft freie Hand und schließt Minderheiten aus – von der Paranoia hinsichtlich feindlicher Ausländer ganz zu schweigen. Weinberg bietet eine Alternative: Sein Friedensangebot an den islamischen Orient und das Asyl, das er sogar misstrauisch beäugten Kanadiern („die weiße Gefahr!“) gewährt, sind ein Beispiel für den guten Amerikaner, wie es ihn irgendwann mal gegeben haben mag.

|Guter oder schlechter Amerikaner?|

Die Nachbarn stellen prompt die kritische Frage, ob Weinberg ein guter oder ein mieser Amerikaner sei. Weinberg sagt, er sei überhaupt kein Amerikaner mehr. Na, wenn das nicht mieser Patriotismus ist! Fortan müssen die Weinbergs und ihre Asylanten Wache schieben. Die Frage nach der Liebe des Vaterlandes ist das immer gleiche Totschlagargument, das sich jeder Kritiker der Regierung in den USA gefallen lassen muss. Man muss offenbar sieben Kinder vorweisen können, um wie die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhaus Nancy Pelosi den Präsidenten kritisieren zu dürfen.

|Panorama der Neurosen|

Herbie kann die Gedanken aller lesen. Seine Fähigkeit wird nie auch nur im Ansatz begründet, aber es ein gutes Mittel des Autors, um Herbie zu einem allwissenden Erzähler zu machen. Auf diese Weise erleben wir nicht nur den recht begrenzten subjektiven Blickwinkel Herbies und seines Vaters, sondern auch die ansonsten verborgenen Meinungen, Ansichten und Gefühle der Menschen um ihn herum.

Ein kleiner Mikrokosmos entsteht, den ich sehr interessant gestaltet fand. Die Widersprüche zwischen Gedanken und Worten lassen jede Menge Ironie entstehen. Hier werden dann die Werte und Verklemmtheiten der amerikanischen Mittelklasse à la „Desperate Housewives“ und anderen Suburbia-Dramen auf die Schippe genommen. Dass auch die Zwangsneurosen der Militärs bloßgestellt werden, versteht sich von selbst. Der Showdown im Supermarkt bietet wieder köstliche satirische Action, mit Ironie vermengt.

|Die Übersetzung|

Ich will die Druckfehler außer Acht lassen und mich auf die Stilfehler und dergleichen beschränken. Auf Seite 29 wird Herbies Dad mit „ihre Lordschaft“ bezeichnet. Richtiger wäre wohl angesichts seines männlichen Geschlechts, von „seiner Lordschaft“ zu sprechen.

Auf Seite 61 steht ganz unten der holprige Satz: „Es fiel schwer, zu denken, geschweige den, die Gedanken anderer Leute aufzuschnappen.“ Statt „den“ sollte es „denn“ heißen, und ob das erste Komma vor „zu denken“ stehen muss, bezweifle ich.

Ansonsten ist Körbers Übersetzung ein Paradebeispiel für lebhaften und anschaulichen Stil, der insbesondere idiomatische Redewendungen ausgezeichnet ins Deutsche überträgt. Die Figuren reden wie Deutsche ihre eigene Umgangssprache und wirken so wesentlich realistischer, als wenn sie gestelztes literarisches Deutsch (im Original natürlich Englisch) reden würden.

Wundervoll passend finde ich das Titelbild. Man muss schon genau hinsehen, um die kleine Bombe zwischen all den Sternen auf der Flagge zu finden.

_Unterm Strich_

„Unter meinem Dach“ ist eine flotte und sehr humorvolle Satire über den heutigen Zustand der amerikanischen Gesellschaft. Sie ist zunehmend von Paranoia und dem Verschwinden der Mittelschicht geprägt (was ja bei uns auch nicht anders ist). Die Simpsons lassen schön grüßen, inklusive amerikanisch-christlicher Erweckungsbewegung. (Offenbar darf nie eine Epiphanie fehlen.)

Als Sciencefiction kann man nur zwei Aspekte bezeichnen: den Austritt aus der Union und das Gedankenlesen des Erzählers. Wer also eine kurzweilige Satire auf den American Way of Life lesen möchte, die auf dem aktuellen technischen und kulturellen Stand ist, der ist hier an der richtigen Adresse.

Der relativ hohe Preis von knapp 13 Euro ergibt sich aus der niedrigen Auflage. |Edition Phantasia| ist eben keiner der großen Verlage. Aber dafür werden hier die interessantesten Bücher innerhalb des phantastischen Genres verlegt.

|Originaltitel: Under my Roof, 2007
149 Seiten
Aus dem US-Englischen von Joachim Körber|
http://www.edition-phantasia.de

Reichs, Kathy / Weingart, Karin / Fruck, Wolf-Dieter – Hals über Kopf (Lesung)

_Knochen-Krimi für die ältere Generation_

Eigentlich wollte Tempe Brennan, die forensische Anthropologin, nur Urlaub machen. Doch archäologische Ausgrabung im Sand von Dewees Island, South Carolina, fördert nicht nur Ureinwohner zutage, sondern auch eine Leiche, die erst vor wenigen Jahren hier verbuddelt wurde. In einem Sumpfgebiet auf dem Festland werden kurz darauf die Überreste eines vermeintlichen Selbstmörders entdeckt. Eigenartige Einkerbungen an den Halswirbeln der beiden Toten sagen Tempe, dass eine Verbindung zwischen den beiden Fällen bestehen muss, aber welche?

_Die Autorin_

Kathy Reichs, 1950 in Chicago geboren, Professorin für Soziologie und Anthropologie, arbeitet unter anderem als forensische Anthropologin (wie ihre Helden) an gerichtsmedizinischen Instituten von Montréal und Charlotte, South Carolina, aber auch als Gutachterin für die UNO und das Pentagon. Sie unterrichtet hin und wieder an der FBI-Akademie in Quantico, Virginia. Ihre Romane, die alle beim |Blessing|-Verlag erscheinen, wurden in 30 Sprachen übersetzt.

Weitere Romane:

[Lasst Knochen sprechen 1479
[Knochenarbeit 1229
Mit Haut und Haar
[Totgeglaubte leben länger 2083
[Totenmontag 937
Knochenlese

_Die Sprecherin_

Gesine Cukrowski wurde in Berlin geboren. Nach ersten Bühnenerfahrungen im Studententheater und 1987 in der TV-Serie „Praxis Bülowbogen“ brach sie ihr Germanistikstudium ab und begann ihre Ausbildung an der Schauspielschule Maria Körber in Berlin. 1991 stand sie erstmals vor der Kamera: für den Kinofilm „Aufstand der Dinge“ unter der Regie von Hellmuth Costard. Ihren Durchbruch hatte sie mit der TV-Serie „Und tschüss!“ (1994) sowie durch ihre Rolle im Thriller „Die Schläfer“ (1998). In der ZDF-Serie „Der letzte Zeuge“ spielt sie seit 1997 die Gerichtsmedizinerin Judith Sommer.

Die gekürzte Lesefassung stammt von Karin Weingart, unter der Regie von Wolf-Dieter Fruck nahm Klaus Trapp die Lesung im d.c. Tonstudio Berlin auf.

_Handlung_

Der Frühling beginnt für die Temperance Brennan, die Anthropologin mit dem Spezialgebiet Forensik, mehr als angenehm. Auf Dewees Island vor der Küste South Carolinas hat sie zwei Wochen lang die Vertretung für eine ehemalige Kollegin von der Universität übernommen. Sie hat eine Studentengruppe bei Ausgrabungen einer alten indianischen Stätte begleitet. Doch einen Tag vor dem Ende der Grabung, am 18. Mai., ist es um die autofreie Inselidylle geschehen, als die Dünen einen Toten freigeben, der offenbar erst vor kurzem hier deponiert wurde. Und der, wie Tempe später im Labor feststellt, wohl keines natürlichen Todes starb.

Darüber muss sie natürlich einen Bericht schreiben und eingeben. Doch das ist dem Bauunternehmer Dick Dupree gar nicht recht: Der Fund wirft seine Planung um Wochen zurück, und das kostet richtig Geld. Tja, da kann sie nichts dran ändern, meint Tempe bloß. Auch ein Journalist ist Zeuge des Funde und schreibt für die Zeitung von Charleston einen Artikel. Sein Name ist Homer Winborne. Tempe informiert den Coroner (Leichenbeschauer und Untersuchungsrichter) des Distriktes, ihre Freundin Emma Russo. Tempe schätzt, dass der Tote, den sie in den Dünen fand, vor zwei bis fünf Jahren starb.

Ihr Mann Janis Pete Peterson ruft an, um anzukündigen, dass er im gleichen Haus in Charleston wie sie wohnen wird. Als Rechtsanwalt hat er für einen lokalen Klienten einen Fall übernommen. Er soll die Bücher des Fernsehpredigers und Oberhauptes der God’s Mercy Church (GMC), Aubrey Herron, überprüfen und zugleich die verschwundene Tochter seines Klienten suchen, Helen Flynn. Sie arbeitete zuletzt für eine medizinische Einrichtung der GMC und verschwand, ohne ein Lebenszeichen zu hinterlassen. GMCs Zentrale befindet sich in Charleston.

|Leiche Nr. 1|

Als Pete am Sonntagmorgen eintrifft, erzählt er ihr, dass Helen von einem Privatdetektiv gesucht wurde. Doch der ist genauso spurlos verschwunden wie Helen. Schon merkwürdig, findet Tempe. Am Montag stößt sie bei der Untersuchung der Leiche aus den Dünen auf einen Knochenbruch im Genick des Mannes. Der Haarriss ist so fein, dass man ihn nur unter dem Mikroskop sieht. Wurde der Mann stranguliert? Und was haben die Flecken auf seinen unteren Rippen zu bedeuten?

Inzwischen macht sich Tempe zunehmend Sorgen um Emma Russo. Sie liegt im Krankenhaus und bekommt gesagt, dass die Chemotherapie gegen ihren Lymphdrüsenkrebs nicht anschlägt. Emma bricht sogar geschwächt zusammen. Als der Sheriff anruft und Emmas Dienste benötigt, bittet Emma ihre Freundin Tempe, sie zu vertreten. Alles andere wäre unverantwortlich, findet Tempe.

|Leiche Nr. 2|

Der Tote hängt im sumpfigen Wald des Nationalparks an einem Ast. Sheriff Junius Gullet führt Tempe zum abgesperrten Fundort. Alle vermuten, dass es sich bei der Leiche um Matthew Summerfield, 18, handelt, doch in seiner Hosentasche steckt die Brieftasche eines gewissen Chester Pinkney. Mit Emma, die wieder auf den Beinen ist, fährt Tempe zu Pinkneys Adresse. Pinkneys ist offensichtlich quicklebendig. Die Brieftasche wurde ihm in einer Bar geklaut. Aber wer ist dann der Tote im Wald?

Auch bei dieser Leiche stellt Tempe den unerklärlichen Genickbruch fest. Die Identifizierung per Fingerabdruck besagt, dass es sich um Noble Cruikshank handelt. Er ist der Privatdetektiv, der Helen Flynn gesucht hat, ein ehemaliger Polizist und Kriegsveteran. Emma ruft an: Cruikshanks Vermieter hat dessen Sachen in seinem Keller verstaut. Pete dürte sie anschauen. Wieder darf Tempe als Emmas Stellvertreterin mitkommen. Auf einer CD steht der Name „Flynn“. Darauf befinden sich nur Fotos. Und sie zeigen alle das gleiche Haus. Ein Haus der GMC.

Am 4. März, an dem diese Fotos entstanden, muss Cruikshank also noch gelebt haben, denn er hat sie ja geschossen. Zu dieser CD muss es auch einen PC geben. Sie fahren nochmals zum Vermieter hinaus: Den PC und die Kamera hat sich seine Neffe gekrallt. Auf dem Laptop können sie aber nicht arbeiten, denn er ist mit einem Kennwort geschützt. Stattdessen ruft der Reporter Homer Winborne an. Wieso weiß der schmierige Typ schon alles über Cruikshank? Der Sheriff muss ein Informationsleck haben.

Cruikshanks Kartons enthalten auch Zeitungsartikel mit Vermisstenmeldungen aus dem Raum Charleston. Der Privatdetektiv hat seine Arbeit darauf konzentriert, Arbeit, für die ihn niemand bezahlte. Da wird ein Schizophrener namens Lonny Aickman gesucht sowie eine Eunice Montague, eine Obdachlose. Der letzte Artikel stammt vom 14. März und betrifft die Ausgrabung auf Dewees Island. Am 19. Mai wurde Jimmy Ray Teale vermisst. Meine Güte, durchfährt es Tempe entsetzt: Das ist ja der reinste Massenmord, wenn diese Leute alle umgebracht wurden. Aber ist das wirklich der Fall?

|Nr. 3|

Eine dritte Leiche wird am Strand angespült: Die tote Frau steckt in einem Fass und weist zu Tempes Beunruhigung den gleichen Genickbruch wie die anderen beiden Leichen auf. Es ist die von Cruikshank gesuchte Eunice Montague. Sie ist auf einem seiner Fotos zu sehen – jenen Fotos von dem Haus der GMC, in dem auch Helen Flynn eine Zeit lang arbeitete, wie Pete angibt. Vielleicht wurden in dieser medizinischen Station noch mehr Verschwundene „behandelt“?

Höchste Zeit, diesem mysteriösen Haus einen Besuch abzustatten …

_Mein Eindruck_

„Temperance“, der Vorname der Heldin und Ich-Erzählerin, bedeutet „Mäßigung, Enthaltsamkeit, Abstinenz“. Zu Zeiten der Prohibition im Amerika der 1930er Jahre hatten die Temperenzlerinnen den Höhepunkt ihrer Bewegung zu verzeichnen. Tempe Brennans Einfluss beschränkt sich hingegen auf die Mäßigung von Streitigkeiten, so etwa zwischen ihren beiden Männern, dem Ex namens Pete und ihrem Freund aus Montréal, Alex Ryan. Sie liegen sich ständig in den Haaren wie Hunde, die um das Weibchen wetteifern oder ihr Revier verteidigen (was aufs Gleiche rauskommt). Aber Tempe weiß sich auch gegenüber unangenehmen Zeitgenossen wie Dick Dupree und dem Reporter Homer Winborne zu zügeln. Ihr eigenes Tempe-rament kommt dagegen mehr zum Durchbruch, wenn es darum geht, Mörder zur Strecke zu bringen.

Gemäßigt sind auch der Tonfall und das Tempo, mit denen die Story von der Jagd nach den kriminellen Organhändlern von Charleston erzählt wird. Da tauchen alte Omas auf, entlegen lebende Hinterwäldler, ständig neue Vermisstenmeldungen, Nachrichten von mysteriös verunglückten Damen und zu guter Letzt auch noch ein schier unknackbares Passwort. Dieses wenigstens sorgt für Spannung, wenn auch als eine Art „running gag“: „Hast du schon das Passwort gefunden, Schatz? – Nein, Schatz, aber es kann nicht mehr lange dauern.“ Auf diese lässige Weise hält die Erzählerin die Leser bei der Stange. Am Ende denkt sich der Leser: Herrje, da hätte sie auch gleich draufkommen können.

Dass die Autorin ihren Stoff souverän beherrscht, ihre Leserschaft dies aber auf keinen Fall merken lassen will, merkt man an manchen Stellen. Sie nimmt Rücksicht auf Leser und Leserinnen, die vielleicht nicht mehr ganz taufrisch sind (lies: Senioren) oder einen geringen Schulabschluss haben (lies: Dumpfbacken und Schulabbrecher). Für diese hält Reichs ein erprobtes Hilfsmittel bereit: die vorläufige Zusammenfassung bzw. Rekapitulation. Diese erfüllte den Zweck, eine Übersicht über das bisher Erreichte zu liefern und vor allem, die noch offenen Fragen aufzulisten. Die zwei „Recaps“ im Roman teilen diesen sauber in drei Teile: hübsch übersichtlich. Nicht nur |Reader’s Digest|-Lektoren dürften es ihr danken, sondern auch Omas, die sich nicht mehr jeden Namen merken können.

Die eigentliche Story von den kriminellen Medizinern und Organhändlern ist ja nun auch nicht mehr ganz die neueste. Bemerkenswert ist eher, dass diesmal eine dieser Sektenkirchen mit drin hängt. Damit will die Autorin vielleicht andeuten, dass bei manchen der tausend christlichen Sekten in den USA vielleicht nicht alles zum Besten steht. Die illegale Behandlung Minderjähriger, etwa bei manchen Mormonenfamilien, ist ja publik geworden. Aber wer weiß, so deutet Reichs an, was noch alles möglich ist? Die GMC-Sekten hat in ihrem Netzwerk auch eigene medizinische Stationen, und eine davon wird zur illegalen Organentnahme missbraucht. Fragt sich also, wer davon weiß und dafür verantwortlich ist.

Im Zuge ihrer Nachforschungen gerät Tempe zunehmend ins Rampenlicht, und das bekommt ihrer Gesundheit gar nicht gut. Doch es gehört ja praktisch schon zum Standard, dass die Schnüfflerin oder der Schnüffler schließlich selbst in die Schusslinie gerät. Aber dass Tempe erst ihren Hund einschließt und dann mutterseelenallein zum Strand geht, um die Sterne zu bewundern, grenzt schon an das Ergebnis einer Hirnamputation. Auf diese Weise ist bestens dafür gesorgt, dass sie umgehend überfallen werden kann.

|Die Sprecherin|

Gesine Cukrowski trägt langsam und sehr deutlich vor, so dass jede Hörer – und sei er schon in fortgeschrittenem Alter – sie verstehen kann. Womit sie sich etwas zurückhält, ist die Betonung der Satzmelodie. Nach einer Weile klingt ihr Vortrag flach und langweilig und man hofft, dass bald wieder Dialog kommt. Denn besonders bei älteren Damen scheint Cukrowski kein Problem zu haben, freundlich und hoch zu intonieren. Ein Beispiel ist die Naturkundlerin Althea Hunnicut, die schon „sehr alt“ ist, aber auch „sehr reich“.

Die männlichen Figuren darzustellen, fällt der Sprecherin schwer. Nun, Sheriff Gullet macht es ihr mit seiner betont monotonen Sprechweise sicher nicht einfach: Er soll die Ruhe in Person darstellen. Aber Chester Pinkney ist das genaue Gegenteil: ein Südstaatler, der neben einem Akzent auch eine singende Ausdrucksweise vorzuweisen hat. Cukrowskis Umsetzung fällt relativ schwach aus.

Womit die Sprecherin gar nicht klarkommt, ist die Aussprache englischer Namen. Drei Beispiele: Sie spricht den Namen Burgess wie [börges] aus statt wie [bördsches], und Emma Russo klingt bei ihr mehr wie „Rousseau“, also [ruso], statt wie [rasso].

Der Abschuss ist jedoch ihre Aussprache des Frauennamens Eunice. Korrekt sollte es wie [junis] klingen, sie sagt jedoch durchgehend [juni:k]. Die Aussprache [juni:k] ist jedoch für das englische Wort „unique“ reserviert, das „einzigartig“ bedeutet. Im übertragenen Sinne sagt Cukrowski also ständig „die einzigartige Montague“, was in keiner Hinsicht hinhaut.

|Die Übersetzung|

Auch die Übersetzung fand ich nicht so berauschend. Einmal wurde ein stehender Begriff nicht übertragen, sondern wörtlich übersetzt, was dann im Deutschen seltsam klingt. Im Englischen muss wohl „bag lady“ gestanden haben, in der Eins-zu-eins-Übersetzung wurde daraus „Tüten-Dame“. Vielleicht denkt jetzt so mancher Leser an Tüten-Suppen, gemeint ist aber eine Obdachlose, die auf der Straße lebt und ihre Habseligkeiten in Tüten mit sich herumschleppt oder in einem Einkaufswagen verstaut hat. Mit einer Dame hat das wohl kaum etwas zu tun.

_Unterm Strich_

„Hals über Kopf“ ist einer dieser Thriller für ältere Herrschaften, die auf Nummer sicher gehen. Hier werden erst eine Menge Rätsel und Spuren ausgestreut, doch nach dem ersten Drittel fein säuberlich die Befunde aufgelistet. Vor dem finalen Drittel passiert das Gleiche nochmals, denn schließlich soll der Leser auf keinen Fall den Überblick verlieren. Ältere Leser, deren Gedächtnis nicht mehr so gut funktioniert, werden es der Autorin danken (oder deren Lektorat beim Verlag). Durch die gleichzeitig aufgelisteten Fragen bleibt zudem noch Spannung für den Endspurt übrig.

Die Sache mit den kriminellen Organhändlern ist so neu nun auch wieder nicht. Und dass in den USA jedes Jahr mehrere tausend Menschen spurlos verschwinden, regt leider auch niemanden mehr auf. Für jede Menge Herzschmerz dürfte zudem das langsame Sterben von Coroner Emma Russo sorgen – höchste Zeit für den Einsatz der Taschentuchbrigade!

|Das Hörbuch|

Gesine Cukrowskis Vortrag ist deutlich artikuliert, aber unaufgeregt. Jüngere Hörer könnten in Gefahr geraten, beim Lauschen einzuschlafen, aber für ältere Herrschaften, die nicht ihre Augen anstrengen wollen, dürfte das Lesetempo genau das richtige sein. Schade, dass sich die Sprecherin mit der Aussprache englischer Namen nicht auskennt, aber man kann wohl nicht alles verlangen.

|Originaltitel: Break no Bones, 2005
Aus dem US-Englischen übersetzt von Klaus Berr
450 Minuten auf 6 CDs|
http://www.random-house-audio.de

Thiemeyer, Thomas / Schäfer, Lutz / Steck, Johannes – Magma (Lesung)

_Unterhaltsamer, spannender Geologiethriller_

Ein verschwundener Forscher, mysteriöse Kugeln aus Stein, eine Supernova im Sternbild Orion – die amerikanische Erdbebenforscherin Ella Jordan steht vor einem Rätsel. Als sie sich per Tauchboot zum tiefsten Punkt der Erdoberfläche hinunter wagt, scheinen die Ereignisse und Phänomene endlich einen schrecklichen Sinn zu ergeben.

Aus dem Tiefseegraben dringen seismische Signale, die viel zu regelmäßig sind, um natürlichen Ursprungs sein zu können. Doch plötzlich registrieren Ellas Kollegen von überall an den Bruchzonen der Kontinentalplatten Aktivitäten. Vulkane brechen aus, Erdbeben verwüsten die Erdoberfläche, das Klima droht zu kippen. Doch wo liegt der Schlüssel zu diesem Rätsel – und zur Rettung der Erde? (erweiterte und abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Thomas Thiemeyer, geboren 1963, studierte Geografie und Geologie in Köln. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Stuttgart und arbeitet als selbständiger Illustrator und Umschlagdesigner. Seine Romane „Medusa“ und „Reptilia“ entwickelten sich zu Bestsellern.

Thomas Thiemeyer auf |Buchwurm.info|:

[Interview vom September 2004]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=25
[Interview vom März 2007]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=74
[„Medusa“ 482
[„Reptilia“ 1615
[„Magma“ 3415

_Der Sprecher_

Johannes Steck, geboren 1966 in Würzburg, ist Absolvent der Schauspielschule Wien. Von 1990 bis 1996 hatte er Engagements an verschiedenen Theatern. Dem breiten Publikum ist er vor allem aus dem TV bekannt. Er spielte in zahlreichen TV-Serien. Steck arbeitet zudem als Radio-, Fernseh- und Synchronsprecher. Er hat schon diverse Hörbücher gelesen.

Regie führte Lutz Schäfer, der Tonmeister war Gerhard Wölfle, Tonregie führte Hardy Meiser. Die Aufnahme fand in den |Dorian Gray Studios| in Eichenau statt.

Das Titelbild, das der Autor geschaffen hat, entspricht dem der Buchausgabe beim |Droemer-Knaur|-Verlag.

_Handlung_

|PROLOG.| Am 19 Mai 1954 begegnet der italienische Geologe Francesco Mondari in den Südtiroler Alpen einem merkwürdigen Phänomen. Als sein Kompass spinnt, schaut er sich um und bemerkt einen Felsbrocken. Indem er diesen aufhämmert, legt er einen glänzenden Fremdkörper frei, der sich als superhart erweist – zu hart selbst für Diamant! Als Mondari den Hammer wiederholt einsetzt, erscheinen Risse und leuchtende Schriftzeichen auf dem kugelförmigen Gebilde. Die Helligkeit nimmt ebenso zu wie die Hitze. Der Stein teilt sich. Die Explosion fegt Mondari von den Beinen …

|Haupthandlung.|

Fünfzig Jahre später, am 22. März. Es ist zwar Frühlingsanfang, doch Schnee fällt in den Eifelbergen auf das große Radioteleskop von Effelsberg. Die Astrophysikerin Jan Zieglow betrachtet die neuesten Daten aus dem Sternbild Orion. Der Riesenstern Beteigeuze – er muss in einer Supernova explodiert sein! Sie informiert sofort ihren Chef Martin Enders von der Sensation, der nur meint: „Wir rufen sofort alle an!“

Dr. Ella Jordan von der George Washington Universität ist Spezialistin für Kontinentaldrift und Erdbeben. Sie hat den Zeitungsartikel über die neue Supernova gelesen, aber da dieser Stern 400 Lichtjahre entfernt ist, interessiert er sie nicht sonderlich. (Sollte er aber.) Gerade als sie als frischgebackene Professorin ihre Antrittslesung halten soll, treten Dekan Jagger und der Mineraloge Prof. Sonnenfeld ein und holen Ella aus der Vorlesung. Sie ist sauer, als Sonnenfeld ihren Job übernimmt. Noch saurer wird sie, als Jagger ihr in seinem Büro zwei unbekannte Gentlemen vorstellt, die ziemlich militärisch aussehen.

Esteban und Billings sind vom Office for Naval Research (ONR), der Behörde für Meeresforschung, und bitten Ella erstens um Hilfe, zweitens laden sie sie auf eine Expedition in den elf Kilometer hinab reichenden Tiefseegraben bei den Marianen-Inseln ein. Ella bestätigt, dass von dort sehr merkwürdige, weil regelmäßige seismische Erschütterungen gemessen werden, deren Ursprung ein Rätsel ist. Ella ist geplättet, als Esteban ihr auf seinem Laptop-PC Echtzeitwerte von dieser Gegend zeigt. Der Puls erscheint genau alle zwei Stunden 48 Minuten. Wer verursacht den Puls? Die Frage kann sie beantworten, wenn sie mitkommt und hinabtaucht. Gebongt!

Bevor sie nach Guam abreist, wo das US-Militär einen Marinestützpunkt unterhält, warnt ein anonymer Anrufer sie vor der Teilnahme an der Tauchfahrt. Er zitiert sogar aus ihren psychologischen Akten, so dass sie sich geradezu entblößt vorkommt, aber das hält sie nicht davon ab, am 25. März auf Guam einzutreffen. Sie hat an Joaquin Esteban Gefallen gefunden und mit ihm das Bett geteilt. Ihr Ex ist schon wieder verheiratet und hat ihre zehnjährige Tochter Cathy mitgenommen. Sie braucht wegen eines One-Night-Stands keine Gewissensbisse zu haben, sagt sie sich.

Beim Abendessen mit Admiral Arthur J. Johnson bekommt Ella den Schweizer Wissenschaftler Konrad Martin vorgestellt. Er erscheint Ella wie ein kalter und harter Mann, dieser angebliche Marinegeologe. Es dauert nicht lange, und die beiden streiten sich über ihr Fachgebiet, weil Martin in Ellas Augen „Bullshit“ redet. Der Admiral und Esteban müssen vermittelt eingreifen. Ellas Argwohn ist jedoch geweckt, und sie behält diesen angeblichen Schweizer genau im Auge. Da erhält Admiral Johnson die Nachricht, dass die Streitkräfte in Alarmbereitschaft gemäß DEFCON 4 versetzt worden sind!

In der Nachrichtenzentrale der Pazifikstreitkräfte erfährt Ella, was los ist. Überall am so genannten „Feuerring“ der Vulkane, der den Rand des Pazifikbeckens umgibt, haben sich Erdbeben ereignet und Risse zwischen den Kontinentalplatten aufgetan. Aus diesen Rissen dringe flüssiges Gestein, so genanntes Magma, aus dem Erdinneren. Was das Phänomen so furchteinflößend macht, ist die Tatsache, dass dies alles gleichzeitig passiert, als würde es gesteuert …

Das japanische U-Boot |Yakasuka| mit dem Tauchboot |Shinkai| läuft bereit am nächsten Tag aus, um einem Sturm zuvorzukommen, der im Anzug ist. Ella findet Kapitän Yamagata sehr sympathisch, aber auch Konrad Martin ist an Bord, und das verursacht ihr ein mulmiges Gefühl. Wenige Stunden später informiert Esteban sie, dass er glaubt, eine Bombe sei an Bord. Er sei in Wahrheit Geheimagent. Na toll, meint Ella, die sich hintergangen fühlt. Diese Offenbarungen kommen wohl ein wenig spät.

|Schweiz|

Unterdessen bereitet sich ein Wissenschaftler in einem Bunker unter den Schweizer Alpen auf das nahe Ende der |Shinkai| vor. Prof. Elias Weizman arbeitet in seinem eigenen kleinen Gravitationslabor, das zu der Forschungseinrichtung von Elaine Kowarski gehört. Ihr Vater Lev Kowarski gründete das Labor 1954 nach dem Vorfall mit Francesco Mondari. Was niemand außer Elains Mitarbeitern weiß: Die Metallkugel, die damals explodiert sein soll, existiert immer noch, und zwar in einem geheimen Hochsicherheitsraum. Die Kugel gibt alle zwei Stunden und 48 Minuten einen Puls ab. Genau wie die seismische Quelle am Grund des Marianengrabens. Prof. Weizman sitzt vor seinem Laptop, den Finger über der ENTER-Taste, um den Befehl zu geben …

|Deutschland|

Im Radioobservatorium von Effelsberg beginnt Martin Enders, sich zunehmend über seine Mitarbeiterin Jan Zieglow zu wundern. Was treibt sie eigentlich? Sie hat in den 20 Millisekunden vor der Supernova-Explosion Beteigeuzes merkwürdige Signale entdeckt. Und jetzt redet sie auch noch von Aliens, um Himmels willen!

|Vor Guam|

Die |Shinkai| erreicht fast den Grund der Challengertiefe im Marianengraben, fast 11.000 Meter unter der Meeresoberfläche. Da entdeckt der Kapitän zu seinem Entsetzen, dass der Meeresboden geradezu glüht! Sein Boot hat keinen Hitzeschild. Sie müssen sofort umkehren. Ella, die protestiert, zeigt ihm einen Felsbuckel, der eine Zuflucht bietet. Von dort kommen die seismischen Impulse. Erste Untersuchungen zeigen, dass es sich um eine metallische Kugeln mit einem Durchmesser von 200 Metern handelt. Das Ding stamme nicht von der Erde, wird Ella klar, es ist außerirdischen Ursprungs.

Als Yamagata die Kugel anbohren lässt, rührt sich etwas. Konrad Martin warnt vor einem Magma-Geysir. Angst schnürt Ella die Kehle zu. Die |Shinkai| versucht einen Notstart. Bloß weg hier! Ein Blitz blendet sie, ein Knall dröhnt in ihren Ohren, massive Schwerkraft zerrt an ihr. Sie verliert das Bewusstsein …

_Mein Eindruck_

Von dieser Stelle weitet sich der Horizont allmählich aus, bis er die globale Ebene erreicht hat. Schließlich muss jemand alle Puzzleteilchen zusammensetzen, um das Rätsel der mysteriösen Kugeln zu lösen, die irgendjemand queerbeet über die Welt verstreut hat, und zwar fatalerweise genau dort, wo die Bruchstellen der Erdkruste liegen. Die Kugeln erzeugen, genau wie die im Marianengraben, seismische Wellen, die sich gegenseitig verstärken. Die Folgen kann man sich leicht ausrechnen. Doch wer löst das Rätsel und worin besteht die Lösung? Dreimal darf man raten: natürlich die Hauptfigur Ella Jordan.

Wie es aussieht, haben die Aliens vom Beteigeuze die Erdlinge auf den Prüfstand gestellt. Die menschliche Qualifikation zum Überleben scheint von gewissen Faktoren abzuhängen, aber von welchen? Kann Ella Jordan die Lösung schnell genug finden, bevor die ganze Erdkruste ihre ameisenhaften Bewohner abwirft und verschlingt?

In seiner globalen Sicht und dem Postulat, dass die Menschheit ihre Überlebensfähigkeit beweisen muss, nähert sich der Autor Kollegen wie Eschbach (in [„Ausgebrannt“) 3487 und Kim Stanley Robinson (seine letzte Trilogie über den Klimawandel) deutlich an. Doch bleibt er auch dem Thriller und dem Abenteuerroman verpflichtet und entführt den Leser an eine Reihe exotischer Schauplätze, um dessen Lust am Sonderbaren zu befriedigen. Dazu gehören auch sibirische Pelzjäger und eine Übernachtung neben einem Gestaltwandler …

Das Garn ist unterhaltsam gesponnen. Weitere Zutaten sind finstere Hintermänner und noch finsterere Auftragskiller, eine Reihe von Liebesabenteuern der Heldin und selbstverständlich Entkommen in letzter Sekunde (San Francisco). Ob das mit den Strahlen vom Beteigeuze so hinhaut, das wissen bloß die Teilchenphysiker, und ob man die seismischen Wellen so hochschaukeln kann, das Mutter Gäa speiübel davon wird, ist auch noch nicht getestet worden. Der Spekulation ist also Tür und Tor geöffnet. Aber das macht das Buch noch nicht zur Sciencefiction. Dem Leser, der von SF eh nichts hält, kann das nur recht sein. Abenteuerroman und Thriller reichen ihm eventuell vollkommen aus.

|Der Sprecher|

Dem Sprecher gelingt es, die durch die Klischees vorgegebenen Figuren einigermaßen zum Leben zu erwecken. Die Frauenstimmen sind stets einen Tick höher als die der Männer, versteht sich, aber das macht die Frauen noch längst nicht zu hilflosen Spielbällen der Ereignisse. Im Gegenteil, eine Frau wie Elaine Kowarski leitet ein wichtiges Unternehmen, und Ella setzt sich mit Jan Zieglow gegen einen Auftragskiller zur Wehr.

Bei den männlichen Figuren kann Steck jedoch sein Potenzial für sehr tiefe Stimmlagen voll ausspielen. In den Szenen, die in Sibirien spielen, tritt ein bäriger Typ mit einer tiefen, rauen Stimme auf, und auch Joaquin Esteban ist mit einem recht männlichen Timbre ausgestattet. Dann gibt es allerdings noch die „unmännlichen“ Männer: Konrad Martin und sein Auftraggeber Elias Weizmann sind da an erster Stelle zu nennen, aber auch Martin Enders. Wen wundert’s, dass sie allesamt den Löffel abgeben müssen?

Die besondere Dramatik bestimmter Szenen unterstreicht der Sprecher durch entsprechenden Stimmeinsatz: Er ruft und schreit empört oder aufgeregt auf. Das hat man sich aber nicht als Tohuwabohu vorzustellen, vielmehr findet dieser Einsatz von Lautstärke sehr fein dosiert statt. Vielleicht damit niemand beim Zuhören einschläft.

Das Hörbuch verfügt weder über Geräusche noch über Musik, aber dafür ist es recht preisgünstig.

|Das Booklet|

Das Booklet informiert lediglich über die Mitwirkenden und über den Autor (s. o.). Die Information über den Sprecher findet sich auf der Rückseite des Hörbuchs. Ansonsten gibt es jede Menge Werbung.

_Unterm Strich_

„Magma“ ist ein unterhaltsamer Abenteuerthriller mit Science-Fiction-Elementen, der die Kenntnisse über die Geologie und Seismologie als Hintergrund benutzt, um eine actionreiche und gut durchdachte Handlung auf den Weg zu bringen. Für die gehörige Portion Unterhaltung sorgen Action, Gefahren, Katastrophen, diverse Bösewichte und ein ziemlich großes kognitives Rätsel, das die Heldin zu lösen hat (und das hier nicht enthüllt werden darf).

Wer sich also lehrreich unterhalten lassen will, ist hier an der richtigen Adresse. „Ernsthafte“ SF-Leser möchten vielleicht lieber einen Bogen um das Buch machen, obwohl es durchaus schlechtere Bücher über die Tiefsee und die Geheimnisse der Geologie geben dürfte.

|Das Hörbuch|

Johannes Steck macht seine Sache wie stets recht gut und unterhält den Hörer mit einem kompetenten und keineswegs eintönigen Vortrag. Er weiß die Figuren stimmlich zu charakterisieren, so dass man sie unterscheiden kann, und engagiert sich in spannenden oder emotionalen Szenen auch lautstark.

|Buchausgabe Hardcover: Knaur, Februar 2007; Taschenbuch: Knaur, April 2008
462 Minuten auf 6 CDs|
http://www.AME-hoeren.de

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http://www.thiemeyer.de/Magma.html

Suzy McKee Charnas – Alldera und die Amazonen (Motherlines 2)

Wege zu einer feministischen Utopie

Dieser Post-Holocaust-Roman ist ein weiteres Experiment in Sachen alternativer Geschichte aus feministischer Sicht – eine Tradition, die Ursula K. LeGuin („Winterplanet“) und Joanna Russ („Planet der Frauen“) in den Siebzigern begannen. „Alldera“ ist die Fortsetzung von „Tochter der Apokalypse“ („Walk to the End of the World“, 1974) und erweckt den Eindruck, es handele sich um den Mittelteil einer Trilogie, von welcher der dritte Band nie geschrieben wurde. Doch keine Angst: Auch so liest sich „Alldera“ spannend, interessant und unterhaltsam. Das Buch wird jedoch die (meist) männlichen Erwartungen nach Action und Kampf nicht erfüllen.

Suzy McKee Charnas – Alldera und die Amazonen (Motherlines 2) weiterlesen

Pullman, Philip – Goldene Kompass, Der (His Dark Materials 1 – Lesung)

_Enttäuschende akustische Umsetzung des Bestsellers_

In Oxford lebt ein Mädchen namens Lyra in einem altehrwürdigen Internat. Lyra ist klug, wild, unendlich neugierig und stößt bei ihren Erkundungen auf beunruhigende Dinge: Was erforscht ihr geheimnisvoller Onkel Lord Asriel oben im eisigen Norden Europas? Und warum verschwinden in der Gegend um Oxford immer wieder Kinder?

Als schließlich auch noch ihr Freund Roger entführt wird, begibt sich Lyra auf eine abenteuerliche Suche nach ihm. Die Reise führt sie in den hohen Norden, wo Panzereisbären eine uneinnehmbare Festung bewachen. Verfolgt wird Lyra von der ominösen Wissenschaftlerin Mrs. Coulter, die ein ganz eigenes Interesse an den Kindern hat. Als Wegweiser erhält Lyra einen magischen „Goldenen Kompass“, der ihr bei der Suche nach der Wahrheit ein nützliches Instrument ist.

_Der Autor_

Philip Pullman wurde 1946 in Norwich geboren. Er wuchs in Australien, Zimbabwe, England und Wales auf. Nach der Schule studierte er Englisch am Exeter College in Oxford und unterrichtete danach zunächst am Westminster College. Mittlerweile hat er sich hauptberuflich der Schriftstellerei zugewandt und schreibt v. a. Kinderbücher und Kurzgeschichten.

Sein bekanntestes Werk ist die derzeit verfilmte Trilogie „His Dark Materials“, bestehend aus den Romanen „Der Goldene Kompass“, „Das Magische Messer“ und „Das Bernstein-Teleskop“. Die Trilogie wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit der Carnegie Medal. Für sein Gesamtwerk erhielt Pullman 2005 den Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis.

|Philip Pullman auf Buchwurm.info:|

[„Das Magische Messer“ 4285 (His Dark Materials 2)
[„Das Bernstein-Teleskop“ 4309 (His Dark Materials 3)
[„Graf Karlstein“ 3374
[„Ich war eine Ratte“ 3880
[„Der Goldene Kompass“]http://www.powermetal.de/video/review-1335.html (Filmbesprechung)

_Der Sprecher_

Rufus Beck, geboren 1957, studierte Islamistik, Philosophie, und Ethnologie, bevor er sich der Schauspielerei zuwandte. Seit 1979 arbeitet er als Schauspieler an den größten Bühnen Deutschlands. Er hat in über 60 Fernsehfilmen und elf Kinofilmen mitgewirkt. In den letzten Jahren war Beck auch als Regisseur und (Co-)Autor an verschiedenen Theater- und Showproduktionen beteiligt, u. a. an dem Rock-Fantasy-Musical „Tabaluga und das verschenkte Glück“ und dem internationalen Tanz-Spektakel „Night of the Sultans – Pandora’s Legend“.

Seit Mitte der 90er Jahre arbeitet er als Interpret und Produzent an Hörbuchproduktionen mit. Bekannt ist er vor allem als die Stimme von „Harry Potter“ – er hat alle sieben Romane vertont, wofür er mehrere Preise einheimste. Im Oktober 2006 war er Herausgeber der Anthologie „Geschichten für uns Kinder“ und produzierte die gleichnamige Hörbuchfassung. Im Frühjahr 2007 erschien sein Sachbuch „Kinder lieben Märchen und entdecken Werte“. Beck lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München.

|Zur Produktion|

Rufus Beck hat dieses Hörbuch produziert und dabei Regie geführt. Die Aufnahme erfolgte bei |meirelli o.s.t.| in Frankfurt/Main, 2007. Die Textfassung ist ungekürzt und dementsprechend lang: 848 Minuten, das sind etwa 14 Stunden.

_Handlung_

Lyra Belacqua ist zwar erst zwölf Jahre alt, kennt aber schon den Unterschied zwischen Gut und Böse sowie zwischen aufgepropften Verhaltensregeln und ihrem eigenen Sinn für Recht und Wahrhaftigkeit. Das rebellische Waisenkind lebt am Oxforder Jordan College für experimentelle Theologie, und weil sie das Kind von Adeligen ist, wird sie von den diversen Dozenten hier unterrichtet. Ihr Onkel, Lord Asriel, hat sie hergebracht und schaut ab und zu nach ihr.

Wann immer sie kann, spielt sie mit den Kindern der Gypter in der Unterstadt, mit ihrem besten Freund Roger oder mit ihrem Daemon Pantalaimon. Dieser ist Teil ihrer Seele und kann sich in verschiedene Gestalten verwandeln. Alles, was Lyra fühlt, fühlt auch Pan, und umgekehrt. Wenn sie also ihre Gefühle verbergen will, muss sie Pan verstecken. Aber wer will das schon? Schließlich hat jeder Mensch so einen Daemon. Nur bei den Erwachsenen können sich die Daemonen nicht mehr verwandeln, sie habe ihre endgültige Gestalt gefunden. Ein Rätsel, über das Lyra noch nie nachgedacht hat. Aber das soll sich schon bald ändern.

Zunehmend hört Lyra von verschwundenen Kindern, so etwa von Ma Costas verschwundenem Sohn Billy. Ma Costa, die Gypterin, ist praktisch ihre Ziehmutter. Eines Tages verschwindet auch Roger, und das macht Lyra wirklich besorgt. Unter den Gyptern gehen Gerüchte von mysteriösen Gobblern um und dass die Entführten in ein Forschungslabor im hohen Norden verschleppt würden, wo man sie unaussprechlichen Experimenten aussetzt.

|Staub|

Als Onkel Asriel aus dieser Gegend zurückkehrt und vor einem Komitee des Jordan College einen erstaunlichen Vortrag über ein Phänomen namens „Staub“ hält, bittet Lyra ihn, mitkommen zu dürfen, denn sie will ja Roger wiederfinden. Doch er lehnt kategorisch ab, weil es zu gefährlich sei. Da oben am Pol gäbe es wilde Tataren und räuberische Samojeden, von den Hexen aus Lappland ganz zu schweigen.

Aber Lyra bekommt eine zweite Chance geboten, als eine Wissenschaftlerin aus der Stadt das College besucht: Die attraktive Forscherin Mrs. Coulter zaubert Lyra aus ihrer bisherigen Umgebung fort und lockt sie mit Londoner Abenteuern. Mrs. Coulter hat einen goldenen Affen als Daemon, mit dem sich Pantalaimon gar nicht anfreunden mag. Warum nur?

|Der goldene Kompass|

Kurz vor ihrer Abreise mit dem Luftschiff übergibt der besorgte Rektor des Jordan College Lyra ein ungewöhnliches Instrument: ein so genanntes Alethiometer. Was aussieht wie ein goldener Kompass, soll ihr verraten, wann jemand die Wahrheit sagt oder lügt, aber auch viele Dinge, die sie nicht sehen könne. Wie sie das Alethiometer liest, muss sie allerdings selbst herausfinden. Und ganz wichtig: Sie müsse es stets geheimhalten, zumindest vor Menschen, denen sie nicht völlig vertraut.

Als sich in London herausstellt, dass Mrs. Coulter keineswegs unabhängig agiert, sondern eine Dienerin der tyrannischen Magisterium-Kirche ist, versucht Lyra verzweifelt, das kostbare Alethiometer in Sicherheit zu bringen. Doch der goldene Affe hat es bereits gesehen und ihr beinahe abgeluchst. Sogar Pantalaimon wird von dem Affenvieh überwältigt und fast verletzt. Die schmerzerfüllte Lyra weiß nun, dass es nur einen Ausweg gibt, der Tyrannei Mrs. Coulters zu entgehen: die Flucht.

|Die Gypter|

In der großen Stadt und dann noch bei Nacht verirrt sich Lyra in die zwielichtige Hafengegend. Zwei Kinderfänger verfolgen sie, doch als sie schon in deren Netz zappelt, durchbohren plötzlich Pfeile die Häscher und jemand schneidet die Maschen des Netzes entzweit: Es sind Gypter aus der Familie Costa – ihre Freunde! Sie verstecken die gesuchte Lyra und ihren Daemon unter Deck, dann fahren sie zu einem Schiff auf hoher See, auf dem der Chef der westlichen Gypter Lyra freundlich empfängt. John Faa und sein Freund Farder Coram, der Seher, sind die ersten anderen Menschen, denen Lyra ihr Alethiometer zeigt. Erstmals erkennt sie, wie man es bedient.

|Iorek|

Die Reise geht nach Norden. In Trollsund am Polarkreis lernt Lyra den Aeronauten Lee Scoresby kennen, der ihr einen Tipp gibt, wo sie einen Freund findet: den Panserbjörn Iorek Byrnison. Doch der Eisbär ist nur am Reparieren von Schlitten interessiert und will nichts mit Fremden wie Lyra und Forder Coram zu tun haben. Dabei lebt er nur von Fraß und Schnaps, den ihm ein Wirt als Bezahlung für seine Dienste gibt. Ist das ein würdiges Leben? Lyra überredet Iorek, indem sie ihm verrät, wo seine Rüstung versteckt ist. Dafür gelobt er ihr Treue, denn statt eines Daemons haben Panserbären ihre Seele in der Rüstung.

|Bolvangar|

Sobald er diese unter erheblichem Aufruhr wiedergeholt hat, können alle losziehen. Ihr erstes Ziel ist Bolvangar, dann Svalbard, wo Lord Asriel gefangen gehalten wird. Doch Bolvangar wird verteidigt, wie Lyra und die Gypter schon bald erfahren müssen. Ein nächtlicher Überfall lässt Lyra in die falschen Hände geraten. Wird sie ihren Freund jemals wiedersehen?

_Mein Eindruck_

Das ist also der Auftakt zu einer der besten Fantasytrilogien der letzten Jahre. Über die bemerkenswert gut besetzte, aber eher gefloppte [Verfilmung]http://www.powermetal.de/video/review-1335.html habe ich an anderer Stelle bereits berichtet. Doch da das Buch ganz anders aufgebaut ist als die Filmhandlung und auch einen völlig anderen Schluss aufweist, ist es vielleicht angebracht, noch ein paar Worte zur Geschichte, die das Buch bietet, zu verlieren.

Im Buch besteht der ominöse „Staub“ aus so etwas wie Elementarteilchen dunkler Materie. (Daher auch der Trilogie-Titel „His DARK Materials“, ein Zitat aus Miltons Gedicht „Paradise Lost“ aus dem 17. Jahrhundert.) Dieser Staub ist auf einem Fotogramm, das Lord Asriel von seiner Expedition nach Spitzbergen – hier „Svalbard“ genannt – mitgebracht hat, nur in Erwachsenen, aber nicht in Kindern zu finden. Der Unterschied hat weitreichende Folgen.

Das Phänomen hat eine theologische Bedeutung, die dem konservativen Magisterium überhaupt nicht behagt: Der Staub wird als Stoff der Erbsünde interpretiert. (Erbsünde: Eva und Adam aßen vom Baum der Erkenntnis und erkannten, dass sie nackt waren und schämten sich und verstießen ganz allgemein gegen das Gebot Gottes etc., wofür sie von einem Engel in den Hintern getreten wurden. Fortan sollten sie wie die Schlange, deren Verlockung sie erlagen, „Staub“ fressen …) Kinder sind unschuldig und wissen nichts von der Erbsünde, daher lässt der Staub sie in Ruhe. Erwachsene hingegen, da erfahren, sind der Erbsünde teilhaftig und werden deshalb vom Staub heimgesucht. Das Fotogramm, entwickelt mit einer besonderen Entwicklerflüssigkeit, beweist es.

Um herauszufinden, welche Bedeutung dabei den telepathischen Daemonen zukommt, die sich bei den Erwachsenen nicht mehr verwandeln können, stellt die GOB im Auftrag oder zumindest mit stillschweigender Billigung des Magisteriums Experimente mit Kindern an. Dabei trennt sie diese mit Hilfe einer speziellen Apparatur von ihren Daemonen.

Dass die so behandelten Kinder dabei ihre Seele verlieren, versteht sich von selbst. Sie laufen herum wie Zombies. Wenn sie überhaupt laufen können, denn viele sterben durch den schrecklichen Verlust. Dies ist eine weitere Sünde, derer sich die Erwachsenen, die eh schon den Sündenfall hinter sich haben, schuldig machen. In jedem Fall sind Kinder die Opfer. Die Aufgabe der Trilogie ist es als Fantasy, diesen ungerechten Zustand der Welt wieder zu beheben und so die Kinder von diesem Fluch zu erlösen.

Doch wie verhält es sich mit der Seele der kleinen Lyra? Dass Mrs. Coulter ihre Mutter ist und Lord Asriel ihr Vater, erfährt Lyra im Chris Weitz‘ Film erst sehr spät, sozusagen in der Stunde höchster Not. Im Buch hingegen teilt man ihr dies bereits schon ziemlich früh mit, in einem der ausgedehnten Dialoge, ohne dabei viel Faxen zu machen. Lyra ist buchstäblich hin- und hergerissen.

|Die persönliche Wahrheit|

In theologischer Hinsicht ist sie ein Kind der Sünde, das im geistigen Exil (fern von Vater und Mutter) aufwächst und dringend der Erlösung bedarf. Doch gewisse Mächte – nicht zuletzt der Autor – setzen sie lieber dafür ein, dass Lyra ihrerseits die Welt erlöst. Sie ist nicht gerade eine Jesusfigur, und auch kein Messias, von einer Maria Magdalena ganz zu schweigen.

Doch mit dem Alethiometer, dem Wahrheitsmesser, besitzt sie ein mächtiges Instrument, das ihr einen unschätzbaren Vorteil gegenüber allen anderen „Besitzern der Wahrheit“ verleiht. Es ist die Kenntnis der eigenen, persönlichen Wahrheit, nicht die vermittelte, zensierte und verstümmelte Wahrheit, welche die Kirche erlaubt. Die theologischen Implikationen sind völlig klar: Lyra ist eine Gnostikerin. (Gnosis bedeutet Erkenntnis und Wissen. Die Gnostiker wurden anno 323 auf dem Konzil von Nicäa als Ketzer aus der Kirche ausgeschlossen. Alles Nähere liefert die Wikipedia.) Damit steht der Autor im Widerspruch zu den christlichen Lehren, die zugelassen, also orthodox sind.

|Die Panserbjörn|

Auch die Panserbjörn leben in einem Zustand der Ungerechtigkeit, der zu beheben ist. Dazu muss Iorek, der Prinz im Exil, den Thronräuber töten. Lyra hilft ihm bekanntlich dabei. Auf einem der unzerstörbaren Panserbjörn zu reiten, muss für Lyra ungefähr das Gleiche sein wie für den Jungen Eragon das Reiten auf Saphira, dem klugen, starken Drachenweibchen. Beide sind jeweils der beste Freund und Beschützer ihres Reiters. Die Szenen, in denen Iorek Byrnison raumgreifend die Schneelandschaft des Nordens durchmisst, sind sehr schön und appellieren an jedes Kind, das auch mal gerne reiten möchte.

Der Zweikampf zwischen Iorek, dem Prinzen im Exil, und Ragnar Sturlusson, der Thronräuber, erfolgt erst nach der Schlacht um die Forschungsstation Bolvangar, nicht davor wie im Film. Die Beseitigung Ragnars macht den Weg frei nach Svalbard, wo Lord Asriel gefangen gehalten wird.

|Die Hexen|

Lyra gewinnt die Hilfe der Hexen von Lappland. Eine lange Liebesgeschichte hängt daran, die ich dem Leser hier ersparen will. Die Hexen sind im Gegensatz zu ihren männlichen Geliebten unsterblich oder zumindest langlebig. Das erinnert an Tolkiens Elben, die in der Geschichte von Beren und Lúthien (im [„Silmarillion“) 4483 sowie Aragorn und Arwen jeweils Paare aus unsterblichen Elben und sterblichen Menschen darstellen. Die Hexen sind eine Art Frauenorden und haben Charakteristika wie die legendären Amazonen: kämpferisch, bisexuell, stets in Machtkämpfe verstrickt. Marion Zimmer Bradley hätte ihre helle Freude daran gehabt, die in Romanen wie „Die Nebel von Avalon“ einen Orden von weisen Frauen erfand, der christlichen Schwesternorden in nichts nachstand.

|Der Sprecher|

Rufus Beck gelingt es, die einzelnen Figuren zum Leben zu erwecken, indem er ihnen jeweils eine charakteristische Stimme und Ausdrucksweise verleiht. Der kleine Daemon Pantalainen beispielsweise hat eine hohe und zarte Stimme, Lord Asriel hingegen eine sehr tiefe und volltönende. Lyra klingt wie das junge, etwas wilde Mädchen, das man erwartet, mit einer hohen und oftmals aufgeregten Stimme. Ihr Mutter, Mrs. Coulter, ist verzaubernder Charme in Person. Die Gypter (= Zigeuner) reden natürlich mit einem gewissen Akzent. Der Eisbär Iorek spricht mit einer der tiefsten Stimmen im Stück überhaupt.

Sobald alle Figuren eingeführt und charakterisiert sind, kann es sich der Sprecher leisten, sie gemäß der jeweiligen Situation, in der sie sich befindet, agieren zu lassen. Da es sich häufig um Notlagen und Gefahren handelt, kommt es oftmals zu Rufen, Keuchen und dringendem oder angsterfülltem Flüstern. Das macht die Szenen lebendig und lädt den jungen Zuhörer ein, sich emotional zu beteiligen.

Leider gibt es überhaupt keine Musik, um dieses Bemühen irgendwie emotional zu unterstützen und zu steuern. Kaum hat einen eine Szene gefesselt, da hört sie auch schon wieder auf. Auch der realistische Eindruck von Szenen leidet unter dem Umstand, dass keinerlei Geräusche die Illusion stützen. Offensichtlich verließ sich der Verlag |Hörbuch Hamburg| im Unterschied zu |Jumbo Medien| (ebenfalls Hamburg) darauf, dass es dem Sprecher der Harry-Schotter-Hörbücher allein durch seinen Vortrag gelingt, das geschilderte Geschehen unterhaltsam zu gestalten.

Ich musste leider feststellen, dass ihm dies nicht gelingt. Vielmehr erging es mir über weite Strecken so, dass die ungekürzten Dialoge mich beinahe einschläferten, insbesondere jene, die mit Staub und Teilchen, mit ominösen Kirchen, Sekten und Wissenschaftlern zu tun hatten. Es wäre für den Hörer sicherlich hilfreich, zuvor schon das Buch gelesen zu haben, aber dann muss man sich fragen, ob sich der Mehrwert, den der Sprecher darstellt, für den Hörer lohnt.

_Unterm Strich_

Die Story der Trilogie ist meiner Ansicht nach nicht für Kinder unter zwölf Jahren geeignet. Die religiösen, theologischen, philosophischen und politischen Erörterungen und Thesen setzen ein erhebliches Maß an Vorwissen voraus, selbst wenn die Tatsache hilfreich ist, dass der Roman seine eigene Welt aufbaut und sie selbst erklärt. Die Geschichte ist für junge Menschen anspruchsvoll und setzt eine rasche Auffassungsgabe voraus.

Wer nur ein Kinderbuch à la „Pippi Langstrumpf“ erwartet, liegt völlig daneben. Vielmehr liegt „Der Goldene Kompass“ auf dem gleichen Level wie [„Eragon“, 3228 geht aber in seiner Kritik bestehender Verhältnisse wesentlich weiter. Das heißt aber nicht, dass das Buch nicht zu unterhalten weiß, im Gegenteil. Es ist spannend, bewegend, stellenweise dramatisch. Aber ein Happy-End gibt es in Band eins noch nicht.

|Das Hörbuch|

Obwohl Rufus Beck seine bekannten Fähigkeiten und Qualitäten als Sprecher einsetzt, bin ich doch enttäuscht von der akustischen Umsetzung dieses Buches. Mit etwas Musik und ein paar Geräuschen hier und da hätte man seinen stellenweise einschläfernden Vortrag durchaus aufwerten und unterhaltsam machen können. So jedoch war ich ein wenig enttäuscht. Ich würde daher zu einer Version mit Musikuntermalung oder Kürzungen raten.

|Originaltitel: His Dark Materials 1. Northern Lights, 1995
Aus dem Englischen übersetzt von Wolfram Ströle
848 Minuten auf 11 CDs
ISBN 978-3-86742-006-8|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.goldencompassmovie.com
http://www.philip-pullman.com

Margriet de Moor – Sturmflut

Parallele Leben, bewegende Chronik

Niederlande, Januar 1953. Ein kleines Tiefdruckgebiet setzt sich von Grönland in Richtung Westeuropa in Bewegung. Am gleichen Tag bittet Armanda ihre zwei Jahre ältere Schwester Lidy, am Wochenende einen Besuch bei Armandas Patenkind auf der Insel Zeeland für sie zu übernehmen – ein kleiner Streich, bei dem Lidy als ihre Schwester auftritt. Unterdessen will Armanda Lidys zweijährige Tochter Nadja hüten und mit Lidys Mann auf eine Party im Familienkreis gehen. Der Rollentausch würde doch kaum Aufmerksamkeit erregen, da die beiden Schwestern einander so ähnlich sähen.

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Canavan, Trudi – Meisterin, Die (Die Gilde der schwarzen Magier, Lesung #3)

_Grande finale: Showdown zwischen Magiern_

Seit zwei Jahren ist Sonea Novizin in der Gilde der Magier. Noch immer ist der Hohe Lord Akkarin ihr Mentor – und Sonea eine der wenigen, die weiß, dass Akkarin die verbotene schwarze Magie praktiziert. Als eine Mordserie die Stadt Imardin erschüttert, offenbart Akkarin ihr, dass feindliche Magier die Drahtzieher sind. Trotz aller Zweifel an ihrem Mentor beschließt Sonea, sich in seinen Dienst zu stellen. Selbst wenn es bedeutet, dass sie schwarze Magie lernen muss. Doch wenn man sie entdeckt, lautet die Strafe „Hinrichtung“ …

_Die Autorin_

Trudi Canavan wurde 1969 im australischen Melbourne geboren. Sie arbeitete als Grafikerin und Designerin für verschiedene Verlage und begann nebenher zu schreiben. 1999 gewann sie den |Aurealis Award| für die beste Fantasy-Kurzgeschichte. Ihr Debütroman, der erste Band der Trilogie „Die Gilde der Schwarzen Magier“, erschien 2001 in Australien. Die Trilogie wurde nicht nur in Australien ein spektakulärer Erfolg, sondern entwickelte sich zu einem internationalen Bestseller. Canavan hat eine weitere Fantasy-Trilogie geschrieben, die bereits komplett erschienen ist.

Trudi Canavan auf |Buchwurm.info|:

[„Priester“ 4275 (Das Zeitalter der Fünf 1)
[„Magier“ 4456 (Das Zeitalter der Fünf 2)
[„Götter“ 4621 (Das Zeitalter der Fünf 3)
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)

In Planung:

Prequel: „The Magicians‘ Apprentice“ (Originalausgabe voraussichtlich Ende 2008)

Sequel-Trilogie |The Traitor Spy|:

1) „The Ambassador’s Mission“ (Originalausgabe voraussichtlich Ende 2008)
2) „The Rogue“ (Originalausgabe voraussichtlich Ende 2009)
3) „The Traitor Queen“ (Originalausgabe voraussichtlich Ende 2010)

_Die Sprecherin_

Martina Rester, geboren 1972 in Köln, arbeitet als Sprecherin für Hörspiele, Rundfunk- und Fernsehfeatures im Auftrag von Sendern der ARD. Eine ihrer großen Leidenschaften sind Live-Lesungen, vor allem literarischer Texte und von Kinderbüchern. Sie lebt in der Nähe von Aachen.

Der Text wurde von Henriette Zeltner gekürzt, bei der Aufnahme im Tonstudio Köln führte Astrid Roth Regie. Die Aufnahmeleitung oblag Bernd Schönhofen.

_Vorgeschichte_

Die siebzehnjährige Sonea stammt zwar aus der ärmlichen Hüttenstadt von Imardin, doch durch ihre magischen Fähigkeiten hat sie es geschafft, in die Gilde der Magier als Novizin aufgenommen zu werden – ein Privileg, das sonst nur Adligen zuteil wird. Ihr Mentor ist der verwitwete Magier Rothen, dessen Sohn weit weg als Heiler tätig ist. Sonea wird quasi zu seiner Tochter. Doch die Ereignisse, die im ersten Band der Trilogie erzählt werden, lassen bezweifeln, dass das Glück Rothens und Soneas von Dauer sein wird. Und so kommt es auch.

Nur durch eine Wahrheitslesung, bei der ihre Gedanken und Erinnerungen durchsucht wurden, ist es Sonea gelungen, ihren Widersacher Lord Fergun zu besiegen, der ihren Freund Cery als Geisel gefangen gehalten hat. Bei dieser Wahrheitslesung ist jedoch der ausführende Lord Lorlen, der Administrator der Gilde, ebenso wie zuvor schon Lord Rothen in den Besitz von Soneas größtem Geheimnis gelangt. Sie hat den obersten Magier Akkarin, den Hohen Lord, heimlich beim Praktizieren von verbotener schwarzer Magie beobachtet. Eigentlich müsste er nach den Gesetzen der Gilde ausgestoßen werden, doch wer könnte einem so mächtigen Mann entgegentreten? Es gibt niemanden, der dazu in der Lage wäre.

Das düstere Geheimnis belastet Sonea, Rothen und Lorlen, und da Akkarin in der Lage ist, Gedanken zu lesen, wenn sie nicht besonders gut vor ihm verborgen werden, merkt er an seinem Freund Lorlen, dass etwas nicht stimmt. Lorlen verhält sich ihm gegenüber zurückhaltend und angespannt, seine Antworten sind ausweichend. Als er den Grund dafür in Lorlen liest, ergreift Akkarin sofort die Initiative. Er stellt Lorlen zur Rede und nimmt Rothen und Sonea als Geisel, um Lorlens Willfährigkeit und Schweigen zu gewährleisten. Das Gleiche macht er mit Rothen und Sonea. Denn die Alternative bestünde nur im Tod aller drei.

Sonea nimmt er aus Rothens Obhut heraus und macht sie zu seinem Schützling. Da Sonea schreckliche Angst vor dem mächtigen und unheimlichen Hohen Lord hat, weicht sie ihm so weit wie möglich aus. Und sie leidet nicht nur unter der Trennung vom lieben Lord Rothen, sondern unter einer neuen Plage, die mit dem Sommersemester begann. Der Novize Regin, Schützling von Lord Garrel, neidet Sonea ihr, wie er denkt, ungerechtfertigtes Privileg und hat die Aufgabe und Absicht, Sonea den Aufenthalt in der Gilde derart zu vergällen, dass sie von alleine geht – oder von ihren Lehrern gegangen wird.

Selbst der Wechsel in den nächsthöheren Jahrgang trägt nichts dazu bei, Regin abzuschütteln, vielmehr schafft er es, zu den jüngeren Novizen nun auch noch ältere auf seine Seite zu ziehen, so dass Sonea auf den Fluren der Gildegebäude kaum noch vor ihren Attacken sicher ist. Diese schließen den Gebrauch von Magie mit ein und treiben Sonea an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit – und darüber hinaus. Es gelingt ihr, in einem verschlossenen Schrank eine Liste und Skizze mit den Geheimgängen zu finden, so dass sie ihren Peinigern entfliehen kann. Doch warum lässt Lord Akkarin es überhaupt zu, dass man sie so piesackt? Welchen Plan verfolgt er? Und ist er für die mysteriöse Mordserie in der Hüttenstadt verantwortlich?

_Handlung_

Ein Jahr nach den Ereignissen in „Die Novizin“ ist Sonea annähernd zwanzig Jahre alt. Ihr Rivale Regin triezt sie zwar nicht mehr, weil sie aus der Hüttenstadt stammt, aber sie fürchtet sich immer noch vor ihrem Mentor Akkarin, dem Hohen Lord. Dass er schwarze Magie praktiziert, hat sie zunächst abgestoßen, aber schließlich muss er ja einen guten Grund dafür gehabt haben, oder? Und sein Diener Takan scheint von Akkarin keineswegs abgestoßen zu sein, sondern nennt ihn vielmehr „Meister“. Eines Abends erklärt es ihr Akkarin. Alles begann in Sachaka, dem Nachbarreich Kyralias.

|Akkarins Geschichte|

Auf der Suche nach den Ursprüngen dessen, was er in Vin und Lonmar als Hohe oder Alte Magie kennengelernt hatte, reiste Akkarin vor acht Jahr auch nach Sachaka, denn auch dort kennt man Magie. Der König selbst ist ein mächtiger Magier und könnte jeden Gildemagier leicht überwältigen – wenn er wüsste, dass den Gildemagiern jene schwarze Magie verboten ist, die er praktiziert.

Akkarin fiel einem ausgestoßenen Magier, einem Ichani, in die Hände, der sich Dakova nannte und einen Bruder namens Koriko hatte. Dakova machte ihn zu seinem Sklaven; er zapfte ihm magische Energie ab und quälte Akkarins Freundin, ebenfalls eine Sklavin. Dakova hatte wie jeder Ichani Dutzende von Sklaven, die ihm magische Energie lieferten. Doch mit einer List gelang es Akkarin, einen Verbünden zu gewinnen und Dakova zu überwältigen. Koriko schwor ihm ewige Rache, als Akkarin über die Stahlgürtelberge zurück nach Kyralia entkommen war. Dort trat er der Gilde bei und stieg zu ihrem obersten Magier auf.

|Soneas Loyalität|

Seine Kenntnisse über sachakanische Ichani und ihre Sklaven haben es Akkarin erlaubt, die immer wieder in Kyralias Hauptstadt Imardin entsendeten Schergen der Ichani zu erkennen, zu stellen und zu töten. Inzwischen, so erzählt er, seien es über ein halbes Dutzend. Was er Sonea verschweigt: Er spürt die Sachakaner mit Hilfe von Soneas früherem Freund, dem Dieb Cery, auf, der es in der Diebesgilde zu einem leitenden Posten gebracht hat. Was Akkarin aber nicht weiß: Cery hat mittlerweile Hilfe von einer Sachakanerin erhalten, die sich als neutrale Beobachterin ausgibt. Was Cery nicht weiß: Sie ist eine Magierin, wenn auch keine Ichani. Und sie bringt ihm bei, die Ichani-Schergen zu stellen.

Es ist wieder mal so weit. Akkarin weiß von Cery, dass ein Sachakaner gefangen wurde. Sonea hat sich von Akkarin überzeugen lassen, dass gegen diesen mächtigen Feind nur schwarze Magie hilft, und geht mit. Aber kann sie Akkarins Geschichte wirklich trauen? Zusammen besuchen sie den gefangenen Sachakaner, und Akkarin bringt Sonea bei, dessen Gedanken zu lesen: Der Hass auf die Gildemagier ist überwältigend. Sonea ist nun von Akkarins Aufrichtigkeit überzeugt und beteiligt sich an der Jagd auf den nächsten Eindringling. Dabei handelt es sich um eine weibliche Ichani von großer magischer Kraft …

|Verhängnis|

Sonea und Akkarin, die um Haaresbreite die Konfrontation überlebt haben, wollen in seine Residenz zurückkehren, doch dort erwartet sie ein Empfangskomitee: Magier der Gilde. Akkarin wird festgenommen, sein Freund Takan festgehalten. Doch was sollen sie von Sonea halten? Ist sie un- oder mitschuldig an dem schweren Verbrechen, schwarze Magie praktiziert zu haben, von dem sich zahlreiche Beweise finden? Sie weiß, dass auf dieses Verbrechen die Hinrichtung steht. Nun hängt ihr Leben an einem seidenen Faden. Sie ahnt noch nicht, welchen Plan Akkarin für diesen Fall ausführen will …

_Mein Eindruck_

Im weiteren Verlauf ihres Schicksals müssen Sonea und Akkarin, die ein Liebespaar werden, zeigen, wie groß ihre Treue zu Kyralia und zur Gilde ist. Lobenswert, dass es beiden vor allem um die Menschen geht und nicht um irgendwelchen abstrakten Begriffe oder gar um Gold. Sonea hält immer wieder die Treue zu Akkarin, den sie lieben lernt, und Akkarin will sich immer wieder für sie und Kyralia opfern, doch das lässt sie nicht zu. Nach und nach kapiert auch die verstockte Gilde, was sie an ihren beiden mächtigsten Magier verloren hat.

Denn die Invasion der sachakanischen Outlaw-Magier, der Ichani, ist natürlich nicht von kyralischen Magiern aufzuhalten. Sie erweisen sich als viel zu schwach für den Feind, wie auch Lord Rothen erfahren muss, Soneas Ersatzvater. Nun rächt sich, dass die Gilde schwarze Magie und alles Wissen über sie geächtet hat. Alle Gildemagier bis auf Akkarin wissen nicht, was ein Blutstein ist: Er überträgt die Gedanken seines Trägers an seinen Schöpfer. Sie ahnen nichts von Speichersteinen, die magische Kraft speichern, und erst recht nichts von Gedankenzauber, der das Opfer täuscht und/oder wehrlos macht. Die Blutsteine ersetzen die Gedankenrede, so wie die persönliche Telefonie zwischen nur zwei Teilnehmern die Telefonkonferenz mit vielen oder gar allen Teilnehmern ersetzt. Man sieht: Magier brauchen keine Technik.

Natürlich muss daher die Hauptstadt Imardin fallen und der König in den Untergrund fliehen. Dies ist der Punkt, an dem die Diebe ihren Wert zeigen können. Und zu Recht weist der jeweilige Erzähler – in der Regel Sonea, manchmal aber auch Cery – darauf hin, dass es ziemlich ironisch ist, wenn der König, der alljährlich zur Säuberung der Hüttenstadt von „Gesindel“ aufruft, nun bei den Dieben Unterschlupf sucht. Unterdessen dringen die Ichani in Imardin ein und legen die schönen Häuser der Adligen und Bürger in Trümmer, um die darin gespeicherte Magie abzuzapfen. Es ist ein sehr ironisches Bild.

Doch der Widerstand bricht nicht zusammen. Gegen das Verbot sind Akkarin und Sonea zurückgekehrt, um sich dem Untergrundkämpfern um Cery und dessen Geliebte Savara anzuschließen. Jeder getötete Ichani ist ein Triumph, doch das hilft den Verteidigern nicht, solange noch Kariko am Leben ist. Er allein könnte die Herrschaft über die gesamte Stadt übernehmen. Ein phänomenaler Showdown dürfte Actionfreunde und Fans von Sonea gleichermaßen zufriedenstellen. Wie so oft sind allerdings auch hier schwere Opfer zu beklagen. Aber das Leben geht weiter.

Der Handlungsstrang um das schwule Freundespaar Dannyl & Tayend wird am Rande weitergeführt. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie sich noch heute, in Elyne oder anderswo. Dort, in Elyne, hatte Dannyl ein paar „wilde Magier“ auszuheben und der Gilde vorzuführen. Das ist ein relativ unnötiger Erzählstrang, aber er dient dazu, Dannyl etwas zu tun zu geben und ihn wieder nach Imardin zurückzubringen. Außerdem zeigt die Magiergilde die richterliche Strenge, zu der sie fähig ist, an dem Anführer der „wilden Magier“, einem elynischen Adligen. Die Gilde hat also in der Tat sehr hohe richterliche Macht. Diese Strenge darf der Leser dann auch gegenüber Akkarin und Sonea erwarten, die des Verbrechens der Ausübung schwarzer Magie angeklagt sind. Durch Reflexion und Assoziation erhöht die Autorin die Spannung im Verlauf verschiedener Handlungsstränge.

Sehr verschämt fand ich die Liebesszenen zwischen Akkarin und Sonea geschildert. Kaum ist der erste Kuss gelungen, wird schon wieder „ausgeblendet“. Man wundert sich dann am Schluss doch gehörig, dass Akkarin seiner Sonea ein Andenken in ihrem Bauch hinterlassen hat … All das betont den romantischen Charakter der ganzen Geschichte, die jede Menge Klischees zu erfüllen hat.

|Die Sprecherin|

Martina Resters Stimme ist ein sehr angenehmes, geradezu samtweiches Timbre zueigen, das sehr sympathisch ist. Damit kann sie Gefühle sehr gut ausdrücken, insbesondere jene der Heldin, Sonea. Man sollte erwarten, dass sie nicht in der Lage sei, ein einziges lautes oder strenges Wort zu formen, doch genau das Gegenteil ist der Fall. Dass sich die Sprecherin nicht scheut, auch mal laut zu rufen, gehört zu ihrer gefühlsbetonten Vortragsweise.

Darüber hinaus variiert die Sprecherin ihr Sprechtempo, so etwa dann, wenn es um ein rasches und spannendes Geschehen wie eine Flucht geht. Langsames Sprechtempo signalisiert Überlegen und Nachdenken. Auf diese Weise lässt sich der Gegensatz Action vs. Denken leicht ausdrücken.

Es gibt nur einen Spezialeffekt, und zwar ist das der Hall. Er kommt des Öfteren zum Einsatz, weil sich die Magier untereinander, wenn sie vorsichtig und unbeobachtet sind, per Telepathie verständigen können. Auch Sonea ist in der Lage, telepathische Botschaften zu empfangen. Die besondere Eigenart solcher Botschaften wird für den Hörer sofort dadurch erkennbar, dass sie durch einen milden Hall verstärkt sind. Der Hall hebt sie aus der normalen Verständigungsebene heraus und überführt sie in eine geheimnisvolle Sphäre, wo nur Magie herrscht. Der Effekt passt also, und da er nicht übertrieben ist, kann man ihn auch öfters hören, ohne genervt zu werden.

|Die Übersetzung|

… ist sehr gut gelungen und am Stil, der ja schon im Original recht einfach gehalten ist, kann ich nichts aussetzen. Das Buch eignet sich meines Erachtens für 14- bis 16-Jährige recht gut. Für Zwölfjährige enthält es doch ein wenig zu viel Gewalt. Sex kommt jedoch überhaupt nicht vor, wohl aber romantische Liebe. Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 12 Jahren.

Im Booklet, d. h. in den Einsteckseiten für die CDs sind statt Namen- und Personenlisten nun zwei Landkarten (Kyralia und die Stadt Imardin) sowie Angaben zur Autorin und zur Sprecherin zu finden. Diese Hilfestellungen ergänzen die vorhergehenden Informationen in den Hörbüchern zu „Die Rebellin“ und „Die Novizin“, welche dadurch als bekannt vorausgesetzt werden. Das ist durchaus plausibel, denn wer würde sich schon Teil 3 kaufen, ohne die Teile 1 und 2 zu kennen?

_Unterm Strich_

Der dritte Band der Gildenmagier-Trilogie bildet einen befriedigenden Abschluss der Handlung um die beiden Schwarzen Magier Akkarin und Sonea. Ein perfekter Showdown wird strategisch geschickt vorbereitet und mit Nebenschauplätzen gespickt, bis die finale Konfrontation nicht mehr aufzuhalten ist. Sonea hat nun den Weg von der Außenseiterin zur zentralen Figur im Spiel der Magier geschafft, so wie sie gleichzeitig vom Mädchen zur Frau gewachsen ist. Akkarin hingegen ist voll rehabilitiert, und wenn sich der König nur ein bisschen dankbar zeigt, dann lässt er künftig die Hüttenstadt in Ruhe.

Natürlich ist dies alles fast zu schön, um wahr zu sein, und das dürfte auch einer Gründe für den Riesenerfolg der Trilogie gewesen sein. Was nützt es, wenn alles so realistisch wäre wie in der Wirklichkeit des Lesers bzw. der Leserin? Das ist die Spielwiese des Kriminalromans und des Thrillers, aber nicht der Fantasy – mit wenigen Ausnahmen (z. B. der Kanadier Charles de Lint).

Das Hörbuch wird von einer kompetenten Sprecherin gestaltet, die stets als Herrin des Textes erscheint, denn mit Variation des Tempos, der Lautstärke und des Timbres kann sie zahlreiche Gefühle ausdrücken und Szenen charakterisieren. Mit dem Einsatz des Hall-Effekts ist es ihr zudem möglich, die telepathische von der gesprochenen Verständigung auf sinnfällige Weise zu unterscheiden. Das Hörbuch ist – ganz im Design des Buches – schön gestaltet.

Die Stimme der Sprecherin dürfte in erster Linie Frauen bzw. Mädchen ansprechen. Nur die klischeehafte Handlung schmälert den positiven Gesamteindruck. Der Preis ist mit 24,95 Euro höher als bei Teil 1 „Die Rebellin“, aber dennoch eignet sich das Hörbuch recht gut als Geburtstagsgeschenk.

|Originaltitel: The High Lord, 2004
Aus dem australischen Englisch von Michaela Link
450 Minuten auf 6 CDs|
http://www.random-house-audio.de

Wax, Wendy / Black, Holly – Geheimnisse der Spiderwicks, Die – Das Buch zum Film

_Mit Elfen und Kobolden zum Film im Wald_

Es waren einmal ein paar Kinder, die entdeckten rings um ihr neues Heim eine fantastische Welt – voller Elfen, Wichtelmännchen, Greifen – und finsterer Kobolde. Die Buchserie [„Die Spiderwick-Geheimnisse“ 4697 ist nun mit Nick Nolte und Mary Louise Parker verfilmt worden. Der Film kam am 13. März 2008 in unsere Kinos. Dies ist das offizielle Begleitbuch zu diesem Film.

_Die Autorin & der Film_

Zur Autorin Wendy Wax macht der Verlag keine Angaben. Aber dafür umso mehr zu den Mitwirkenden am Film. Die Drehbuchautoren heißen: Karey Kirkpatrick, John Sayles und David Berenbaum. Die bekanntesten DarstellerInnen sind:

Nick Nolte: als Mulgarath
David Strathairn: als Arthur Spiderwick
Mary-Louise Parker: als Helen Grace, Mutter von Jared, Simon und Mallory
Joan Plowright: als ihre Tante Lucinda Spiderwick
Martin Short: spricht Thimbletack, das Wichtelmännchen
Sarah Bolger: als Mallory Grace
Freddie Highmore: als Jared & Simon Grace

_Inhalte_

|1) Vorwort|

Holly Black, die Autorin, und Tony DiTerlizzi, der Illustrator, behaupten, sie hätten von Jared und Simon Grace den Auftrag erhalten, die unglaublichen Erlebnisse der Grace-Familie aufzuschreiben und der Nachwelt zu überliefern. Daraus wurden ersten fünf Spiderwick-Bücher. Karey Kirkpatrick und John Sayles machten aus diesen fünf Bänden ein zusammenhängendes und in sich abgeschlossenes Drehbuch für den Kinofilm. Man muss also weder Vorkenntnisse mitbringen noch ein offenes Ende wie in [„Der Goldene Kompass“]http://www.powermetal.de/video/review-1335.html befürchten – ein hübsch verpacktes Paket.

|2) Die Geschichte|

Die Zwillinge Simon und Jared ziehen mit ihrer älteren Schwester Mallory von New York City aufs Land, nachdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen. Sie leben jetzt bei ihrer Mutter, die sich nun keine New Yorker Wohnung mehr leisten kann, aber zum Glück noch ein Domizil von ihrer Großtante Lucinda überlassen bekommt: Haus Spiderwick.

Es sieht wie eine Ansammlung übereinander gestapelter Hütten aus, findet Jared. Und ist mindestens hundert Jahre alt. Und die Wände müssen hohl sein, nach den Geräuschen zu urteilen, die er darin hört. Als Mallory wagemutig mit dem Besenstiel ein Loch in die Wand haut, wird dahinter etwas sehr Merkwürdiges sichtbar: eine winzige Wohnung mit ulkigem Inventar – und ganz bestimmt nicht für Menschenkinder gemacht. Aber für was dann?

Am nächsten Morgen weckt Jared und Simon ein schrilles Kreischen von ihrer Schwester. Jemand hat ihre Haare an den Rahmen ihres Bettes festgebunden. Nein, so etwas haben die beiden noch nie gesehen. Wer oder was kann so etwas nur tun, und warum? Weil Mallory die Wand eingeschlagen hat? Das ist ja wohl lächerlich!

Als Jared erkundet, wohin der Speisenaufzug führt, landet er in einem geheimnisvollen Zimmer, aus dem keine Tür hinausführt. An der Wand hängt ein Porträt seines ehrwürdigen Ahnen Arthur Spiderwick, und auf dem Sekretär liegt ein altes, vergilbtes Blatt Papier. Darauf steht ein Rätsel, und obwohl Jared eigentlich nicht der Bücherwurm der Familie ist, muss er sofort das Rätsel lösen.

Hoch oben im obersten Kämmerchen des Hauses landet er endlich vor einer großen Truhe. Er strengt seinen Grips an und findet darin ein Buch. Es ist das allerseltsamste Buch, das er jemals gesehen hat. Es handelt von Elfen …

|3) Der Drehort|

Die Außenaufnahmen fand in den Wäldern eines Naturschutzgebietes in der Nähe der ostkanadischen Stadt Montréal statt. Dort wurde das Spiderwick-Herrenhaus errichtet. Es regnete offenbar die meiste Zeit, aber die Fotos von den herbstlichen Wäldern sind wirklich schön. Effektreiche Szenen mit Verwandlungen, Fabelwesen usw. fanden stets im Studio statt. Dort regnete es nicht in die Kamera.

|4) Das Herrenhaus|

Das Spiderwick-Anwesen wurde komplett am Drehort errichtet. Es war nicht bloß Fassade wie in den Western, sondern auch innen komplett ausgestattet, so dass man den Eindruck hat, es sei wie eine Art Dornröschenschloss schon seit hundert Jahren nicht mehr bewohnt worden, aber alles sei noch wie damals.

|5) Der Regisseur Mark Waters|

Mark Waters ist bekannt für seine Arbeit mit jungen Schauspielern, so etwa mit Freddie Prinze jr. (1997 in „The House of Yes/Wer hat Angst vor Jackie-O.?“ und 2001 in „Hals über Kopf“) und mit den Darstellern von „Girls United – Vorsicht bissig!“ sowie „Ein voll verrückter Freitag“. Dementsprechend begeistert äußern sich die Jungdarsteller ihm gegenüber.

Sehr merkwürdig ist jedoch das Foto, das diese Doppelseite abschließt. Drei Männer in dunklem Anzug und Krawatte umlagern eine Kamera: der angebliche Kameramann, der Drehbuchautor (Kirkpatrick) und ein sitzender Bursche, der wohl den Regisseur spielt, aber gar nicht so aussieht. Was hat dieses Foto mit IBM-Manager-Klonen hier zu suchen?

|6) Die Schauspieler|

Freddie Highmore („Wenn Träume fliegen lernen“, „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Der Goldene Kompass“) ist der Hauptdarsteller, denn er spielt sowohl Simon als auch Jared Grace – eine knifflige Sache, die er aber offenbar bravourös meistert. Zwei Fotos belegen, dass es ihn doppelt gibt (oder einen guten Spiegel …)! Freddie sind ganze vier Fotoseiten gewidmet.

Sarah Bolger („In America“, „Stormbreaker“) spielt Jareds geplagte Schwester, die 15-jährige Fechterin Mallory Grace. Ein Foto zeigt sie mit einem Degen – na ja, für Fechtprofis nicht gerade die geeignete Waffe, aber wer weiß, wo sich dieses Trumm im Haus gefunden hat. Ein weiteres Foto zeigt sie als Mallory mit an den Bettrahmen geflochtenen Haaren – autsch!

Mary-Louise Parker alias Helen Grace und Joan Plowright alias Tante Lucinda Spiderwick ist je eine Seite gewidmet. Parker ist aus „Grüne Tomaten“ und „Grand Canyon“ bekannt, Plowright ist Hollywood-Urgestein. Die Bühnenschauspielerin wirkte in zahllosen Kinderspielfilmen mit, u. a. in „101 Dalmatiner“ und „Der neugierige Affe“.

David Strathairn, der Helens Großonkel Arthur Spiderwick spielt, ist einer meiner Lieblingsschauspieler. Er strahlte ruhige, verlässliche Sympathie aus. Seinen Schurken in „L.A. Confidential“ habe ich ihm nie abgenommen, aber dafür war er als Rundfunkdirektor in George Clooneys Film „Good Night and Good Luck“ erstklassig.

Andrew McCarthy als Richard Grace (der im Buch meines Wissens nie vorkommt) trat schon in „St. Elmo’s Fire“ und „Immer Ärger mit Bernie“ auf. Dass Nick Nolte in diesem Reigen nicht erwähnt wird, ist seltsam, denn schließlich tritt er ja laut Foto selbst auf – wenn er nicht gerade in Mulgarath, den Oberkobold, verwandelt ist. Auf Seite 36 und 37 verliert die Autorin ein paar Worte über diesen großartigen Charakterdarsteller und stellt ihnen neben die Sprecher Martin Short („Thimbletack“) und Seth Hogen („Hosqueal“).

|7) Das Produktionsteam|

Mark Canton ist einer der Produzenten, Elle Goldsmith-Vein die Schauspieleragentin, James Horner der Sounddesigner und Jim Bissel der künstlerische Gestalter (Art Director). Kommt Horner einem bekannt vor? Ja, das ist der Bursche, der den fabelhaften Soundtrack zu Camerons „Titanic“ und Gibsons „Braveheart“ komponierte. Sieht gar nicht so alt aus, obwohl er doch schon für die Kinofilme von „Star Trek II“ und „Star Trek III“ komponierte. Hm. Er wird dieses Jahr jedenfalls 55 und hat bislang neben zahllosen Nominierungen auch zwei |Oscars|, zwei |Golden Globes| und drei |Grammys| vorzuweisen.

|8) Die fantastischen Wesen|

In einen Fantasyfilm geht man natürlich vor allem wegen der Fabelwesen hinein. Diese kommen diesmal aus Phil Tippetts Visual Effect Sudios. Phil hat offenbar sein Handwerk in George Lucas‘ SFX-Firma „Industrial Light and Magic“ (ILM) gelernt. Nach „Star Wars Episode VI“ machte er sich 1983 selbständig und kreierte u. a. die Spezialeffekte für Spielbergs Dinos in „Jurassic Park“. Mittlerweile ist er auf dreidimensionale Figurenanimation mit dem Computer (CGI) spezialisiert, also genau das, was in „Spiderwick“ zu sehen ist.

Die Fabelwesen: Thimbletack, das Wichtelmännchen; die Kobolde inklusive Mulgarath; Hogsqueal, ebenfalls ein Wicht; ein Greif und diverse elfenhafte Waldgeister.

|9) Ausstattung und Requisite|

Der Art Director Jim Bissel und seine Ausstatter habe ganze Arbeit geleistet. Sie stöberten drei Monate lang auf Flohmärkten, auf Versteigerungen und bei |eBay|, um die Utensilien für Arthur Spiderwicks Räume und Thimbletacks Nest herbeizuzaubern. Wegen der unterschiedlichen Größe der Figuren musste man auch die Räume jeweils anders bauen. Und auch der Speisenaufzug, mit dem Jared ins Geheimzimmer gelangt, ist in mehreren Varianten vorhanden.

|10) Die Spezialeffekte|

Michael Lantieri war für die Spezialeffekte zuständig und arbeitete demzufolge mit dem Kameramann Pablo Helman und dem SFX-Mann Phil Tippett zusammen. Während Phil am Computer werkelte, war Lantieri mehr für Explosionen und dergleichen zuständig. Er arbeitete schon an „Fluch der Karibik 2“ und „Lemony Snicket“ mit. Für die Visuellen Effekte in „Vergessene Welt – Jurassic Park 2“ erhielt er einen |Oscar|.

|11) Achtung! Aufnahme!|

Die Dreharbeiten erforderten auch eine Menge Action, besonders während der finalen Verfolgungsjagd zwischen Jared und Mulgarath, dem Oberkobold. Um die Darsteller nicht zu gefährden, setzte der Regisseur Stuntleute ein. Stunt-Koordinator war David McKeowen. Diese Fotostrecke hat immerhin vier Seiten und erklärt viele Aspekte haarklein.

Die letzte Seite bringt keineswegs irgendwelche langweiligen Listen, sondern ein großformatiges Vierfarbfoto. Darauf übergibt der Geist (?) von Arthur Spiderwick seinem Großneffen Jared das [„Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“. 3195 Bekanntlich ist mit diesem begehrten Buch nicht nur große Verantwortung, sondern jede Menge Ärger verbunden.

_Mein Eindruck_

Dieses Buch schaut aus wie ein dickes Album, das in weinrotes Leder geschlagen ist und in dem Seiten aus dickem cremefarbenem Papier eingeheftet sind. Auf dieses Papier, so will es die Illusion, wurden dann die Fotos geklebt, aber nicht etwa in Hochglanz-Hightech-Look, sondern mit antiquierten Rahmen, also gewellt oder gezackt usw.

Der ganze Look ist also an den der Spiderwick-Romane angeglichen. Das ergibt durchaus einen Sinn, denn die Romane geben ja vor, eine Art Tagebuch der drei Grace-Geschwister zu sein und somit ein authentisches Dokument. Diesen Eindruck soll auch das Buch zum Film vermitteln. Die Fotos sind übrigens fehlerlos wiedergegeben – kein Wunder bei diesem hochwertigen Papier. Und die Übersetzung hält sich an den Sprachgebrauch der Spiderwick-Romane, so dass keine Verwirrung entsteht. Dafür sorgt schon Anne Brauner, die gleiche Übersetzerin.

Allerdings hatte die Autorin Wendy Wax wohl etwas mit der Fülle des Materials zu kämpfen. Sie teilte die Abschnitte zweimal so auf, dass es schwer nachzuvollziehen ist. Ich habe den Film nicht gesehen, aber warum taucht Nick Nolte nur bei den Sprechern auf, wenn doch sein Foto belegt, dass er auch als er selbst auftritt? Und was haben die drei Herren mit Anzug und Krawatte beim Filmteam zu suchen? Könnte dies ein kleiner Insiderwitz der Herren sein, um die Produzenten zu veräppeln? Denn ganz offensichtlich ist es ein gestelltes Fotomotiv. Schade, dass keines der Fotos über eine Bildunterschrift verfügt (das hätte dem Albumcharakter widersprochen), denn hier wäre sie wirklich nützlich gewesen.

_Unterm Strich_

Das Buch zum Film spricht sowohl die Leser der Romane an, die nun den Film sehen wollen, als auch die Leute, die nur den Film gesehen haben, aber nicht die Bücher kennen. Beide Zielgruppen sind ungefähr ab acht Jahren alt. Dementsprechend einfach ist die Sprache der Begleittexte gehalten. Sie überfordert keinen der jungen Leser, zudem sprechen die Fotos für sich. Für den, der durch das Buch zum Film oder die Verfilmung Appetit bekommen hat, mehr über die fantastische Spiderwick-Welt zu erfahren, dem bietet der |cbj|-Verlag eine Fülle von Zusatzwerken an.

Natürlich ist im Grunde jedes „Buch zum Film“ Geldmacherei – sowohl des Filmstudios als auch des druckenden Verlags. Aber trifft dieser Vorwurf nicht auf jedes Werk zu, der ein Medienphänomen begleitet, sei es Jacksons „Herr der Ringe“ oder „Spiderwick“? Immerhin kostet das Buch mit knapp sieben Euronen nur wenig mehr als eine Lifestyle-Zeitschrift im Kiosk – und bleibt wesentlich länger aktuell, wenn man die DVD zum Film und die unausweichlichen Spiele bedenkt.

|Originaltitel: The Spiderwick Chronicles – Official Movie Companion, 2008
48 Seiten
Aus dem US-Englischen von Anne Brauner|
http://www.cbj-verlag.de
http://www.spiderwick.de
http://movies.uip.de/diegeheimnissederspiderwicks

John Wyndham / Heinz Dieter Köhler / Carl Dietrich Carls – Kolonie im Meer

Puristische Dokumentation der Apokalypse

Die außerirdischen Invasoren landen nicht im Hyde Park, sondern verbergen sich in den tiefsten Gräben unter dem Meer, denn sie können nur unter hohem Druck existieren. Doch der Mensch will die Erde nicht mit Wesen teilen, die seine Schiffe versenken und sich auch nicht von Atombomben vertreiben lassen. Die Wesen schlagen zurück. Doch die Attacken mit panzerartigen Kommandos stoßen auf zunehmend besser vorbereitete Verteidiger. Eine trügerische Waffenruhe tritt ein. Dann kommen die Meldungen vom Abschmelzen der Polkappen. Die Pegelstände steigen …

John Wyndham / Heinz Dieter Köhler / Carl Dietrich Carls – Kolonie im Meer weiterlesen

Black, Holly / DiTerlizzi, Tony / Versch, Oliver – Spiderwick-Geheimnisse, Die

_In die Welt der Fabelwesen mit Magie und Musik_

Diese Audio-CD-Box umfasst die ersten fünf Abenteuer der Grace-Kinder Jared, Simon und Mallory. Sie leben auf dem spukigen Spiderwick-Anwesen. Dort wimmelt es von Elfen, Trollen, Kobolden und magischen Geheimnissen nur so. ([Abenteuer Nr. 6 4658 ist separat erschienen.)

Als Bonus dieser CD-Box liegt der Hörbuchfilm als CD-ROM bei. Dieser erzählt, wie die Spiderwick-Geheimnisse zum Hörbuch werden.

Die Hörbücher sind für Kinder ab 8 Jahren geeignet.

|Hinweis:| Die Verfilmung kommt am 13. März in unsere Kinos. Dementsprechend prangt auf der Verpackung nicht die Originalillustration, sondern das Motiv des Filmplakats.

_Die Autoren_

Tony DiTerlizzi ist ein mehrfach ausgezeichneter amerikanischer Illustrator von Kinder- und Jugendbüchern sowie Rollenspielbänden. Zu seinen Werken gehören Arbeiten für Bücher von Tolkien, Anne McCaffrey, Peter S. Beagle sowie für das Kartenspiel „Magic the Gathering“ und „Dungeons & Dragons“. Er lebt mit seiner Frau Angela und seinem Mops Goblin (= Kobold!) in Amherst, Massachusetts, einem recht malerischen Städtchen in Neuengland. Lebte nicht auch die Dichterin Emily Dickinson dort? Mehr Infos: http://www.diterlizzi.com.

Holly Black wuchs laut Verlag in einem „alten viktorianischen Haus auf, wo ihre Mutter dafür sorgte, dass ihr die Geister- und Elfengeschichten nie ausgingen“. Ihr erster Jugendroman „Die Zehnte“ (2002) entwirft ein „schauriges Porträt der Elfenwelt“. Es wird von der American Library Association als „Best Book for Young Adults“ bezeichnet, eine gute Empfehlung für politisch korrekte Fantasy. Holly lebt mit ihrem Mann Theo und einem „beeindruckenden Zoo“ in New Jersey. Mehr Infos: http://www.blackholly.com.

Die hier enthaltenen Bände heißen:

1) Eine unglaubliche Entdeckung
2) Gefährliche Suche
3) Im Bann der Elfen
4) Der eiserne Baum
5) Die Rache der Kobolde

_Die Inszenierung_

Martin Baltscheit, der bisher alle Spiderwick-Bände gesprochen hat, ist als Autor, Zeichner, Schauspieler und Sprecher ein echtes Multitalent. Er schreibt Kinderbücher, Hörspiele und Theaterstücke. 2002 erhielt er den Kinderbuchpreis NRW. Mehr Infos unter http://www.baltscheit.de.

Produzent und Regisseur dieses Hörbuchs sind Oliver Versch und seine Firma Spotting Image in Köln. Für das ausgetüftelte Sounddesign zeichnet David Braun verantwortlich.

_Handlungsabrisse der fünf Bände_

_1) Eine unglaubliche Entdeckung_

Die Zwillinge Simon und Jared ziehen mit ihrer älteren Schwester Mallory von New York City aufs Land, nachdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen. Sie leben jetzt bei ihrer Mutter, die sich nun keine New Yorker Wohnung mehr leisten kann, aber zum Glück noch ein Domizil von ihrer Großtante Lucinda überlassen bekommt: Haus Spiderwick.

Es sieht wie eine Ansammlung übereinander gestapelter Hütten aus, findet Jared. Und ist mindestens hundert Jahre alt. Und die Wände müssen hohl sein, nach den Geräuschen zu urteilen, die er darin hört. Als Mallory wagemutig mit dem Besenstiel ein Loch in die Wand haut, wird dahinter etwas sehr Merkwürdiges sichtbar: eine winzige Wohnung mit ulkigem Inventar – und ganz bestimmt nicht für Menschenkinder gemacht. Aber wofür dann?

Am nächsten Morgen weckt Jared und Simon ein schrilles Kreischen von ihrer Schwester. Jemand hat ihre Haare am Rahmen ihres Bettes festgebunden. Nein, so etwas haben die beiden noch nie gesehen. Wer oder was kann so etwas nur tun, und warum? Weil Mallory die Wand eingeschlagen hat? Das ist ja wohl lächerlich!

Als Jared erkundet, wohin der Speisenaufzug führt, landet er in einem geheimnisvollen Zimmer, aus dem keine Tür hinausführt. An der Wand hängt ein Porträt seines ehrwürdigen Ahnen Arthur Spiderwick, und auf dem Sekretär liegt ein altes, vergilbtes Blatt Papier. Darauf steht ein Rätsel, und obwohl Jared eigentlich nicht der Bücherwurm der Familie ist, muss er sofort das Rätsel lösen.

Hoch oben im obersten Kämmerchen des Hauses landet er endlich vor einer großen Truhe. Er strengt seinen Grips an und findet darin ein Buch. Es ist das allerseltsamste Buch, das er jemals gesehen hat. Es handelt von Elfen …

_2) Gefährliche Suche_

In der verborgenen Bibliothek findet Jared ein Rätsel und woanders das Buch selbst: [„Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“. 3195 Das Wichtelmännchen Thimbletack hat Jared gewarnt, das Buch loszuwerden, doch der wollte nicht hören. Nun muss er die Folgen tragen.

Auf der Suche nach seinem verschwundenen Kater Tibbs ist Simon, Jareds Bruder, an den Rand des Gartens geraten. Jared sieht gerade noch, wie Simon mit den Armen fuchtelt, als kämpfe er mit etwas Unsichtbarem. Dann ist sein Bruder verschwunden. Was tun?

Von Thimbletack besorgt sich Jared einen sehenden Stein, den er in ein altes Monokel einsetzt. Jetzt vermag er die „fantastische Welt um sich herum“ wahrzunehmen. Doch da Jared nicht sehr freundlich zu dem Wichtelmännchen war, ist Thimbletack sauer – so muss Jared mit Mallory alleine losziehen.

Leichter gesagt als getan, denn als erstes werden sie von eine Horde Kobolde angegriffen, die sie nur mit Mallorys Florett vertreiben können. Die Kobolde wollten das Handbuch. Als sie ihnen in den düsteren Wald folgen, stoßen sie auf einen gefährlichen Troll, das Versteck der Kobolde und einen zwielichtigen Helfer. Nun muss Jared zeigen, ob er seinen Bruder vor dem Gefressenwerden retten kann.

_3) Im Bann der Elfen_

Wer weiß am besten über die Geheimnisse hinter dem Buch Bescheid?, fragen sich die Kinder. Thimbletack setzt ihnen mit üblen Streichen zu. Ihnen fällt nur Grotante Lucinda ein. Sie besuchen sie im Altenheim, das eher einem Herrenhaus gleicht. Als sie mit der weißhaarigen Dame allein sind, erzählt sie ihnen, wie sie die Elfen kennen gelernt hat. Die kleinen Wesen besuchen sie immer noch.

Als Jared entdeckt, dass jemand sein kostbares Handbuch vertauscht hat, fällt ihm zunächst seine Schwester Mallory ein, aber das ist unfair. Dann enthüllt ein Zettel, dass Thimbletack zugeschlagen hat. Vielleicht befindet es sich nun in Onkel Arthurs riesiger Bibliothek? Dort finden sie zwar nicht das Buch, aber immerhin die Landkarte, die vorne im vorliegenden Band abgedruckt ist.

Durch einen Trick entgehen sie dem Versuch des Irrgrases, sie in die Irre zu führen, und landen im Wald. Auf einem Ast sitzt ein seltsames Wesen, das ihnen lediglich mit rätselhaften Sprüchen antwortet: ein schwarzes, affenartiges Wesen mit Pferdegesicht und Hasenohren (4 Stück!). Sie schlagen seine Warnungen in den Wind und geraten auf eine Lichtung mitten im Wald, die offenbar magisch bewacht wird. Sie sind gefangen.

Drei Waldelfen begrüßen sie, um das Handbuch zurückzuverlangen. Unterdessen macht Mallory die Bekanntschaft mit einem kleinen Einhorn. Jared zermartert sein Hirn, wie er die Elfen reinlegen kann, um wieder in die Freiheit zu gelangen, ohne den Elfen das Buch, das er ja nicht hat, geben zu müssen. Da kommt ihm die Erleuchtung.

_4) Der eiserne Baum_

Mallory, die 13-jährige Tochter der Rumpffamilie Grace, hat einen großen Tag: Sie feiert beim Schulturnier im Florettfechten einen Sieg und erringt eine Medaille. Ihre Brüder Jared und Simon beobachten das Geschehen und bemerken erstaunt, wie sich ein anderes Mädchen an Mallorys Sporttasche zu schaffen macht. Und gleich darauf auch noch ein Junge.

Jared war noch nie ein Grübler und ergreift die Initiative. Er will die beiden zur Rede stellen, doch das gelingt ihm nur mit dem Jungen. Draußen auf dem Gang scheint sich dieser zu verwandeln und Jared zückt vorsichtshalber sein Messer. Da ergreift sein Gegner die Flucht, und es klingt, als lache er. Leider sind die Zeugen, darunter Jareds betrübte Mutter, keineswegs erbaut von Jareds geschickter Handhabung einer illegalen Stichwaffe auf dem Schulgelände und erteilen ihm einen zehntägigen Verweis. Das Messer kann er natürlich vergessen.

Vergeblich suchen Jared und Simon nach ihrer Schwester auf dem Schulgelände. Mallory erscheint wie vom Erdboden verschluckt. Nur ihre Medaille finden sie, in einem Kreis von Steinen. Auf einem der Steine steht „HANDEL“.

Hm, in der Nähe befindet sich ein Steinbruch, fällt ihnen ein. Mit einer Taschenlampe ausgerüstet, explorieren sie das Gelände und landen vor einem Steintor mit der rätselhaften Inschrift: „RÜDE ALM TOPF NUR ELF KAI“. Die Inschrift besteht aus selbst leuchtenden Pilzen. Ulkig, und was bedeutet das?

Nachdem es Simon, dem Schlaukopf, gelungen ist, das Rätsel zu lösen, werden sie am Tor von drei Zwergen mit langen Bärten begrüßt – und sogleich gefangen genommen! Eingesperrt in einen Käfig auf Rädern, stehen sie bald dem Zwergenkönig, dem Korting, gegenüber. Es geht – wie könnte es anders sein – um einen HANDEL: Mallory gegen das „Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“.

Damit hat Jared gerechnet und ein Buch mitgebracht, natürlich nicht das „Handbuch“. Womit er hingegen ganz und gar nicht gerechnet hat, ist, seine Schwester in einem gläsernen Sarg wiederzufinden. Sie ist gekleidet in ein weißes Gewand, hält ein Schwert und ist scheinbar – kann es sein? – tot! Schneewittchen lässt grüßen.

_5) Die Rache der Kobolde_

Als die drei Geschwister von ihrem Abenteuer mit den Zwergen zurückkehren, ist ihre Mutter verschwunden. Schon bald finden sie heraus, dass die Kobolde unter ihrem Anführer Mulgarath dahinterstecken. Mulgarath will das Zauberbuch von Arthur Spiderwick, um damit mehr Macht zu gewinnen.

Doch wie sollen sie es mit Mulgarath und seinen wehrhaften Untertanen aufnehmen? Sie brauchen Hilfe, und Jared weiß auch schon, von wem. Er bittet die Elfen, die Arthur in ihrem Reich jenseits unserer Zeit festhalten, dass er mit seinem Uronkel sprechen darf. Dafür muss er jedoch im Gegenzug den Elfen das verhängnisvolle Buch versprechen, das Mulgarath gestohlen hat. Arthur gibt ihm einen schlauen Tipp, wie den Kobolden beizukommen ist.

Doch wie kommen sie in die Festung Mulgaraths hinein? Jared lässt sich einen Trick einfallen und sich und Mallory von einem grünen Kobold namens Hogsqueal, den er schon kennen gelernt hat, „gefangen nehmen“. Während Hogsqueal seine „Gefangenen“ im Triumph in Mulgaraths Festung führt, schwebt hoch über ihren Köpfen Simon auf dem Greif Byron, um im Notfall einzuGREIFen.

Und das wird auch ziemlich bald nötig. Denn die Festung wird nicht nur von Kobolden bewacht, sondern auch von einem Drachen …

_Mein Eindruck_

So beginnen die Abenteuer mit den Elfen in Haus Spiderwick und seiner düsteren, wilden Umgebung. Diese Abenteuer erstrecken sich über mindestens sechs Bände – alle sechs sind bislang erschienen. In Buchform sind es nette und sehr ansehnliche Bilderbücher, die sich wohl ab acht Jahren eignen. Mallory ist jedenfalls schon 13 und kann immer noch etwas mit dem Elfenbuch anfangen. Ältere Leser finden die Bilder vielleicht hübsch, aber die Handlung ist für sie wohl nicht so der Hit. Kinderkram, oder?

Das sollten sie sich noch einmal überlegen. Die Welt, in der die drei Kinder sich nun bewegen, ist nach der Scheidung der Eltern psychologisch aus dem Gleichgewicht geraten. Und zudem geraten sie selbst aus der Moderne in eine entrückte Vergangenheit, in der sie mit Fabelwesen konfrontiert werden – eine Welt der Schatten und des Zwielichts, Raum für Fantasie. Kein Wunder, dass sie selbst ein wenig seltsam werden. Die Charakterisierung ist ungewöhnlich gut gelungen.

Jared beispielsweise ist keineswegs der brave Streber und Mamis Liebling, sondern ein jähzorniger Kerl, der sich gerne prügelt und auf andere wenig Rücksicht nimmt. Das wird ihm noch sehr Leid tun. Simon hingegen, sein eineiiger Zwillingsbruder, ist ganz vernarrt in Tiere, denen er all seine Liebe gibt. Er hütet zwei Mäuse, Jeffrey und Lemondrop. Als sie von den Elfen entführt werden, startet er eine enorme Suchexpedition.

Mallory, die Schwester der ungleichen Zwillinge, ist auch nicht gerade pflegeleicht. Schon ein wenig abgebrüht und desillusioniert, übt sie sich im Fechten mit dem Florett, was das Zeug hält. Wohl dem, der so eine wehrhafte große Schwester hat!

Ihre Mutter hat zwar keinen Namen (im Film heißt sie Helen), aber dafür größte Autorität. Sie führt das Regiment im Spiderwick-Haus. Allerdings hat sie mit ihren drei Rangen alle Hände voll zu tun. Und als sich die Elfen einmischen, geht es im Haus bald drunter und drüber.

|Elfenpack macht Schabernack|

Denn dies sind nicht die Elfen, von denen Tolkien erzählt, auch nicht irgendwelche kuscheligen Fabelwesen aus dem Zauberwald, wie etwa Peter Pans Tinkerbell. Manche der zahlreichen verschiedenen Elfengattungen sind nicht gerade gut auf die menschlichen Eindringlinge zu sprechen. Da gibt es Wichtelmännlein, Irrwichte, die krötenartigen Kobolde – und im Waldbach lauert sogar ein Troll.

Dies sind Gestalten aus der Dark Fantasy, wie sie beispielsweise C. J. Cherryh in „The dreaming tree“ geschildert hat. Doch anders als bei Cherryh fehlen hier die Hochelben völlig. Winzig sind die meisten Elfen, den Pixies und Brownies der englischen Volkssagen näher als Tolkiens Erfindungen. Noch weitere dunkle Gestalten sind das Nachtpferd Phooka und der Fürst der Kobolde, Mulgarath. Ein Phooka ist ein schwarzes Pferd, das der irischen Sage nach denjenigen in die Irre führt, der ihm blindlings folgt. Auch ein Einhorn und ein Greif treten auf.

|Band 3|

In Band 3 dreht sich alles um den Besitz von „Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“. Onkel Arthur war wohl an allem schuld! Was den Kindern aber neue Hoffnung gibt, ist die Information, die ihnen Großtante Lucinda verrät: dass Arthur eines Tages verschwunden sei. Und was, wenn er in das Land der Elfen gegangen ist, wo bekanntlich die Zeit ganz anders vergeht? Dann könnte er sogar noch am Leben sein und ihnen noch ein paar Tipps geben, wie sie das Handbuch wiederbekommen können. Oder wenigstens, wie sie klüger damit umgehen. Denn es scheint unter den Fabelwesen ein wahrer Zankapfel zu sein. Es verrät den Menschen zu viel über sie und verleiht ihnen Macht. Und dies stellt eine Gefahr dar – wie man am halb verhungerten Greif Byron (aus Band 2) und dem Einhorn ablesen kann.

Wie man sieht, erlernen die Spiderwick-Kinder Schritt für Schritt, dass die Macht, die das Handbuch verleiht, auch Verantwortung mit sich bringt – und jede Menge Ärger mit den Fabelwesen. Das erinnert an die einfache Lehre, die wir aus Spider-Mans Abenteuern ziehen: „Mit großer Macht geht große Verantwortung einher.“

|Band 4|

In Band 4 stehen die Zwerge im Vordergrund. Es ist eine recht interessante Kultur, auf die Jared und Simon treffen. Da Zwerge bekanntlich Meister im Verarbeiten von Metallen und Edelsteinen sind, glänzen und funkeln ihre unterirdischen Hallen nur so davon. Aber sie können noch mehr: Sie sind auch unübertroffen im Herstellen von künstlichen Organismen. Ihre Wachhunde bestehen komplett aus Metall und erscheinen beinahe lebendig. (Wie lebendig sie sind, erfahren die Geschwister auf ihrer Flucht.)

Höchst interessant ist die Überzeugung der Zwerge, den Tod durch ihren Erfindungsreichtum besiegt zu haben. Von Blumen über Vögeln bis hin zu einem ganzen (titelgebenden) Baum besteht alles aus Metall. In merkwürdigem Gegensatz zu dieser Überzeugung steht hingegen, dass die Gesichter aller Zwerge runzlig vor Alter sind. Nichtsdestotrotz glauben sie, dass sie Mallory, ihrem Schneewittchen, einen Gefallen getan haben: Sie sei nun nicht mehr sterblich wie ihre beiden bedauernswerten Brüder. Diese denken jedoch anders darüber. Doch wie können sie Mallory wiedererwecken?

|Band 5|

In einem vorläufigen Abschlussband wie diesem ist es nur natürlich, wenn etliche Themen zu Ende geführt werden. Dazu gehört zum einen der ständig im Hintergrund vorhandene Arthur Spiderwick, der mit seinem Buch so viel Unheil angerichtet hat. Sein Schicksal erfüllt sich in einer Art Zeitreise, kommt er doch aus dem zeitlosen Elfenreich – eine Reminiszenz an die vielen Balladen um Menschen, die Zeit im Feenreich zubringen und sich bei ihrer Rückkehr wundern, warum die Leute so alt geworden sind. Doch Arthurs Schicksal ist zugleich schöner und schlimmer. Mehr sei nicht verraten.

Dann ist da das Thema der Eltern. Dass die drei Kinder diesmal ihre Mutter retten müssen, wurde bereits erwähnt. Leider ist diese Mutter gar nicht so richtig als eigenständiger Mensch zu erkennen: Sie verfügt über keine Eigenschaften, die über das Muttersein hinausweisen. Und zweimal stellt sie die dümmste aller Fragen: „Was ist hier eigentlich los?“ Als ob einmal nicht reichen würde.

Verblüffung herrscht natürlich, als Daddy auftaucht! Jeder hat geglaubt, dass er sich in Kalifornien befinde, doch ihn hier an der Ostküste vorzufinden, noch dazu auf einem Autoschrottplatz in der Mitte von Nirgendwo, ist natürlich eine gewisse Überraschung. Statt sich zu wundern, freuen sich alle. Wirklich alle? Nein, der schlaue Jared traut der Sache nicht. Recht hat er. Denn Mulgarath ist ein ganz besonders fähiger Zauberer, der in die Herzen seiner Opfer schauen kann …

Der Greif Byron musste in den bisherigen Episoden ein relativ nutzloses Dasein führen. In dieser letzten Episode kann er endlich zeigen, wozu es ihn gibt und was er draufhat: Er kann ganz besonders gut Drachen bekämpfen. Jared, der normalerweise sehr jähzornig reagiert, ist im Laufe der Abenteuer und Prüfungen ein kleines bisschen erwachsen geworden. Und so ist er am Schluss bereit, das unheilvolle Zauberbuch den Elfen zur Verwahrung zu übergeben. Daraufhin erlebt er eine Überraschung: Jemand traut ihm Verantwortungsbewusstsein zu! Möge es den jungen Lesern des Buches ebenso gehen.

|Der Sprecher|

Der Sprecher Martin Baltscheit weiß seine Stimme sehr flexibel einzusetzen. Daher fällt es ihm leicht, die einzelnen Figuren auf unterscheidbare Weise zu charakterisieren und sie in spannenden Situationen emotional glaubhaft klingen zu lassen.

Die beiden Jungs klingen ganz normal, aber Simon ein wenig krächzender als Jared. Die Stimmlage aller Frauenfiguren ist natürlich höher als die der männlichen Figuren; so ist Mallory stets sofort zu erkennen, und ihre Mutter ist die Autorität in Person. Der Sprecher scheut sich nicht, mal laut zu rufen, wütend zu fauchen oder quäkend daherzuquasseln, wie Simon es tut.

Eine besondere Rolle in diesem Kreis spielt Thimbletack, das Wichtelmännchen bzw. der Irrwicht, der das Spiderwick-Anwesen bewohnt und den neuen Bewohnern das Leben zur Hölle macht (was Jared ausbaden muss). Thimbletack – eine Zusammensetzung aus den englischen Wörtern für „Fingerhut“ und „Reißzwecke“ – hat die höchste Stimme von allen, quiekt aber nicht direkt. Außerdem ist unverkennbar, dass seine Stimme künstlich verändert wurde. Er klingt wie ein Junge, der in einer Atmosphäre aus Helium spricht. (Wie das klingt, kann jeder nachprüfen, der vorsichtig die Luft aus einem mit Helium gefüllten Ballon einatmet und ein paar Wörter sagt. Es klingt wie Micky Maus.)

|Geräusche und Soundeffekte|

In manchen Szenen erklingen lediglich die typischen Situations- und Umgebungsgeräusche: das Sirren der Zikaden, das Zwitschern von Vögeln . Aber es gibt auch Geräusche, die direkt an Aktionen gebunden sind, oder Stimmengewirr und Gelächter sowie vieles mehr. Dadurch wirkt der Vortrag wesentlich lebendiger und schon fast wie ein Film. Besonders der Speiseaufzug in Band 1 ist so ein fantastisches Gerät: Er quietscht, scheppert und kracht, dass es eine Pracht ist.

|Die Musik|

Die Soundeffekte werden manchmal mit der Musik kombiniert. Diese ist in der Regel im Hintergrund bezaubernder Szenen zu hören, dann ist sie romantisch und zauberhaft. Aber es gibt auch spannende und dramatische Szenen, dann erklingt sie schnell und dynamisch oder sehr basslastig.

Wenn Soundeffekte hinzukommen, dann besonders in arhythmischer und dissonanter Musik, so etwa in dem Moment, als kleine fliegende Irrlichter erscheinen. Hauptsache, dass es nicht kitschig klingt. Der Produzent hat dem Hörbuch auch noch ein halb magisches, halb unheimliches Intro und Outro spendiert, das kurz vor jedem Kapitelanfang kurz anklingt.

Man sieht also, dass diese inszenierte Lesung für den achtjährigen Zuhörer eine Menge an Geräuschkulisse und Musik zu bieten hat. Das muss auch so sein, um die Aufmerksamkeit, die leicht von anderen Dingen abgelenkt werden kann, zu fesseln. Das gelingt auch dem Sprecher ausgezeichnet.

|Die Bonus-CD: der Hörbuchfilm (ca. 4:24 Minuten)|

Die Videodatei liegt in den Formaten Quicktime (.mov) und Windows Media Video (.wmv) vor. Die WMV-Datei ist knapp 16 MB groß, die MOV-Datei gut 120 MB. Beim Vergleich auf meinem sechs Jahre alten Notebook schnitt die WMV-Datei wesentlich besser ab als das Quicktime-Video, welches beim Bild immer wieder hängenblieb, während der Sound einwandfrei war. Hier lohnt es sich offenbar, eine leistungsfähige Grafikkarte zu besitzen.

Der etwa vier Minuten lange Videofilm zeigt den Sprecher Martin Baltscheit beim Vortrag spannender Szenen aus Band 6, „Das Lied der Nixe“. Daher gibt es also keine Überschneidung mit den anderen fünf Bänden. Wie man meiner [Rezension 4658 zum Hörbuch „Das Lied der Nixe“ entnehmen kann, werden mehrere Filter eingesetzt, im Hintergrund läuft filmreife Musik, und obendrein zeigt das Video zusätzlich Illustrationen aus dem Spiderwick-Handbuch und aus Band 6.

Ziemlich witzig fand ich den Effekt der „verwackelten Kamera“, der stets auftritt, sobald die donnernden Schritte des Riesen erwähnt werden. Das dürften Kinder ziemlich witzig finden. Das überdeckt die Tatsache, dass man zugleich eine Art Making-of geliefert bekommt: den Sprecher bei der Arbeit.

Insgesamt ist der Bonus also nicht umwerfend, aber eine nette Zugabe. Allerdings braucht man auf jeden Fall einen PC oder einen DVD-Player mit der Fähigkeit, WMV oder MOV abzuspielen.

_Unterm Strich_

Viele Themen und Handlungsstränge werden in den ersten fünf Büchern der Spiderwick-Serie durchgespielt und weiterentwickelt, sie finden in Band fünf ihren Abschluss. Und so sind auch die Hörbücher mit einer Menge Spannung und Action gefüllt.

Doch auch Familienangelegenheiten kommen nicht zu kurz und führen zu überraschenden Ergebnissen. Jared, der normalerweise sehr jähzornig reagiert, ist im Laufe der Abenteuer und Prüfungen ein kleines bisschen erwachsen geworden. Und so ist er am Schluss bereit, das unheilvolle Zauberbuch den Elfen zur Verwahrung zu übergeben. Daraufhin erlebt er eine Überraschung: Jemand traut ihm Verantwortungsbewusstsein zu! Möge es den jungen Hörern dieser Hörbücher ebenso gehen.

Das Hörbuch bietet als inszenierte Lesung fast die gleiche Soundkulisse wie ein Kinofilm oder Hörspiel – hier hat der Sounddesigner gute Arbeit geleistet. Die flexible und elektronisch mitunter verstärkte Stimme des Sprechers trägt wesentlich zum Vergnügen beim Zuhören bei. Die Bonus-CD vermittelt durch einen Filmclip einen Eindruck von der Arbeit des Sprechers, zeigt eine Menge Elfenbilder und wirkt durch das „verwackelte“ Bild selbst recht witzig. Natürlich stellt der Film auch einen Appetithappen dar, der das Interesse am Erwerb des sechsten Hörbuchs wecken soll.

Fazit: Volltreffer.

|The Spiderwick Chronicles 1-5
Aus dem US-Englischen übersetzt von Anne Brauner
380 Minuten auf 6 CDs|
http://www.spiderwick.de
http://movies.uip.de/diegeheimnissederspiderwicks
http://www.random-house-audio.de

Feldhoff, Robert / Borsch, Frank / Effenberger, S. A. / Hagitte, Chr. / Bertling, S. / Sieper, M. – mediale Schildwache, Die (Perry Rhodan – Sternenozean, Folge 18)

_Jackpot: Perry schleppt ein Mädel ab_

|Lübbe Audio| vertont die Abenteuer des Kadetten Kantiran und des Sternenadminstrators Perry Rhodan, die in der Unterserie „Sternenozean“ im Perry-Rhodan-Universum spielen. Bislang sind achtzehn Hörspiele veröffentlicht, doch will Lübbe offenbar vierzig Hörspiele produzieren. Dies ist die dritte Staffel.

Folge 18, Fortsetzung von Folge 16: Der Planet Baikhal Cain muss in aller Eile evakuiert werden: Der Großangriff der Kybb-Cranar steht unmittelbar bevor. Während sich die Bionischen Kreuzer der Motana dem unausweichlichen Kampf stellen, beginnt Perry Rhodan mit einer Suche im ewigen Eis: Dort verbirgt sich die geheimnisvolle Mediale Schildwache … (Verlagsinfo)

_Die Reihe_

„Perry Rhodan“ ist die größte SF-Heftchen- und Roman-Reihe der Welt. Eine Vielzahl von Autoren schreiben seit Jahrzehnten für die Reihe, und koordiniert wird dieser Aufwand vom |Pabel|-Verlag in Rastatt. Auch Andreas Eschbach fühlte sich geehrt, einen oder zwei Bände beitragen zu dürfen.

Es gab vor der aktuellen |Lübbe-Audio|-Reihe schon Vertonungen der PR-Silberbände, doch nicht in der stilvollen Inszenierung des |STIL|-Tonstudios. Die Vorlage für das vorliegende Abenteuerhörspiel lieferten die Romane „Der Bionische Kreuzer“ von Robert Feldhoff und „Zuflucht der Motana“ von Frank Borsch.

Die 1. Staffel:

1) [Der Sternenbastard 3030
2) [Die Mascantin 3031
3) [Der Hyperschock 3035
4) [Planet der Mythen 3058
5) [Havarie auf Hayok 3263
6) [Das Blut der Veronis 4468

Die 2. Staffel:

7) [Der Gesang der Motana 3627
8) [Sonderkommando Kantiran 3639
9) [Tau Carama 3656
10) [Überfahrt nach Curhafe 3664
11) [Entscheidung in Vhalaum 3682
12) [Die Femesängerin 3699

Die 3. Staffel:

13) [Der Flug der Epha-Motana 4589
14) [Terraner als Faustpfand 4592
15) [Die Sekte erwacht 4595
16) [Der Todbringer 4609
17) [Kampf um den Speicher 4633
18) Die mediale Schildwache

_Die Inszenierung_

Erzähler: Christian Schult (Richard Belzer in „Law & Order: New York“)
Perry Rhodan: Volker Lechtenbrink (Schauspieler, Sänger, Synchronsprecher: Kris Kristofferson, Burt Reynolds als ‚Logan‘)
Atlan: Volker Brandt (Stimme von Michael Douglas)
Zephyda: Claudia Urbschat-Mingues (Stimme von Angelina Jolie, Maria Bello)
Mediale Schildwache: Yara Blümel-Meyers
Echopage: Peter Schiff (Louis de Funès, Stimme von ‚HAL 9000‘)
Hekhet: Andreas Bisowski
Nerine: Katrein Frenzel
Epassar: André Sander

Volker Lechtenbrink wurde 1944 in Cranz/Ostpreußen geboren. Bereits als Achtjähriger sprach er im Kinderfunk und stand zwei Jahre später auch schon auf der Bühne. 1959 wurde er durch den Antikriegsfilm „Die Brücke“ (Regie: Bernhard Wicki) bundesweit bekannt. Er besuchte die Schauspielschule in Hamburg und ist heute in zahlreichen TV-Serien zu sehen. Darüber hinaus ist er am Theater tätig, geht auf Tourneen oder wirkt als Intendant. (Verlagsinfo)

Die Hörspieladaption stammt von S. A. Effenberger. Regie, Musik, Ton und Programmierung lagen in den Händen von Christian Hagitte und Simon Bertling vom Ton-Studio |STIL|. „Die Musik wurde exklusiv für die Perry-Rhodan-Hörspiele komponiert und vom Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte live eingespielt. Die elektronischen Klänge und Effekte wurden speziell für die Hörspiele vom |STIL|-Team durch den Einsatz von Computertechnik generiert“, heißt es im Booklet. Executive Producer der Reihe ist Marc Sieper.

Am Schluss erklingt der Song „The World is Growing Loud“ von der Band |Covenant|. Der Originaltitel stammt von Eskil Simonsson und Joakim Montelius, zwei Schweden, die über info@covenant.se zu erreichen sind.

_Vorgeschichte_

Perry Rhodan und sein arkonidischer Freund Atlan sind auf einem Minenplaneten der bösartigen Kybb Cranar in deren Gefangenschaft geraten. Die igelförmigen Aliens verpassten ihnen metallene Halsringe, die mit einem Giftstachel bewehrt sind: die Krynn Varid. Bei Widerstand kann das Gift per Fernsteuerung injiziert werden. Nur aufgrund ihrer persönlichen Zellaktivatoren können die beiden Gefährten das Gift neutralisieren, doch jedes Mal kostet es sie mehr Kraft.

Sie schaffen es zu den einheimischen Motana, wo sich Atlan in die adlige Wegweiserin Zephyda verliebt. Sie führt sie zur Planetaren Majestät, die sie willkommen heißt. Doch als die Kybb Cranar auch die Residenz der Majestät angreifen, gelingt Rhodan, Atlan und Zephyda nur mit knapper Not die Flucht, als ein Nomade namens Rorkhete sie in seinem Schweber mitnimmt.

Das Quartett flieht, bis sie schließlich vor acht Wesen stoppen müssen, die vor ihnen über dem Boden schweben. Rorkhet bezeichnet sie als „Orakel“, und sie wollen helfen. Die Wesen teleportieren die vier auf eine andere Welt, wo sie erst einmal mitten im Ozean landen. Es dauert eine ganze Weile, die riesigen Wellen zu verlassen und zum Strand der Vulkaninsel Ore zu finden. Perry und Rorkhete sind zwar verletzt und erschöpft, können aber das unbekannte Land erkunden.

Unterdessen gelangen Atlan und seine Freundin Zephyda woanders an den Strand. Eine Gruppe Motanakrieger, angeführt von der Amazone Halkorate, nimmt sie in ihre Mitte und teilt Atlan mit, sie seien auf der Welt Ash-ir-tumo gelandet, auf der Insel Ore, und sie werde sie nun nach Oreshme bringen, wo ihre Lokale Majestät über sie richten werde. Atlan bittet um schnelle Behandlung der Wunden, die Zephyda erlitten hat. Die Heilerin Phylatoke nimmt sich Zephydas an und bringt sie in ihre Hütte, die auf einem 20 Meter hoch über die Ebene emporragenden Plateau liegt.

Nachdem Atlan auch Perry und Rorkhete gefunden hat, beschließen die Gefährten, mit einem Schiff über den Ozean zu dem Kontinent Curhafe segeln zu wollen. Vom dort gelegenen Raumhafen aus wollen sie zurück in den Weltraum, um die anstehenden Angelegenheiten zu regeln. Er überredet die Motana, mit ihm zusammen ein zehn Meter langes Boot zu bauen, das in einer geschützten Montagehalle entstehen soll.

Zehn Tage später ist Zephyda wieder auf den Beinen, wenn auch noch etwas wackelig. Da spürt sie in ihrem Geist, dass eine Riesenwelle auf die Insel zurollt, noch bevor sie sie sehen kann. Sie warnt die Motana, die sich sehr über diese Frau wundern. Denn um die anrollende Tau Carama spüren zu können, muss man eine Irtumo-Lauscherin sein, eine wie Intake, die Lokale Majestät. Der Alarm, den Zephyda ausgelöst hat, rettet eine Menge Leben. Dennoch donnert der Tsunami über das Land und droht sogar die Inselstadt Oreshme unter sich zu begraben …

Zephyda segelt mit den beiden Fremden und ein paar Freunden zu jenem Kontinent Curhafe, auf dem sich die Hauptfestung der Kybb Cranar erhebt. Die Kybb Cranar haben die Welt Ash Irthumo und das Volk der Motana unterjocht. Während sich Zephyda unter die verfemten Motana mischt und dort ihre Telekinesekräfte schult, versuchen Perry und Atlan, die Festung der Kybb Cranar von innen heraus zu knacken. Das haut nicht ganz hin und die Kybb-Cranar unterziehen Perry der Elektrofolter …

Nach dem Sieg der Motana über die Kybb Cranar ist es ihnen möglich, ein Raumschiff flottzumachen und mit vereinten Geisteskräften in den Weltraum zu bringen. Schließlich verfügen sie nun nicht nur über eine, sondern gleich zwei Epha Motana. Diese sind in der Lage, ein Schiff ohne Treibstoff anzutreiben und so die allgegenwärtige Hyperraum-Impedanz zu überwinden, die sonst das schnelle Springen von Stern zu Stern unmöglich machen würde. Doch zunächst einmal finden sie einen alten Bionischen Kreuzer der Motana, tief unter dem Meer …

_Handlung_

Perry Rhodan sucht in den arktischen Gefilden Baikhal Cains den Zugang zu der Station der Medialen Schildwache. Die Mediale Schildwache wird dringend benötigt, um weitere Motana zu Schutzherren zu weihen. Dann können die Motana das ihnen von den Kybb Cranar entrissene Sternenreich Yamondi zurückerobern. Immer wieder erscheint Perry das Traumbild einer schönen jungen Frau, die haucht, sie heiße Lyrissea. Doch wo ist der Ursprung dieser Visionen? Als er auf eine Felswand stößt, die sich als illusionäre Projektion erweist, stürzt er dahinter ins Bodenlose …

Unterdessen sind vom Planeten mit Hilfe der 61 Bionischen Kreuzer, die Zephyda, die Epha Motana, aktiviert hat, rund 70.000 gefangene Motana befreit und evakuiert worden. Die Bastion der Kybb Cranar wurde geschleift, nun soll auch ihr heiliger Berg gesprengt werden, Schauplatz zahlreicher Verbrechen an den Motana. Jede Stunde erwarten die Motana unter Zephyda und ihrem arkonidischen Berater Atlan den Gegenangriff der Kybb Cranar. Der Berg birst in einer gigantischen Explosion und fällt in sich zusammen, überschattet von einer Pilzwolke.

Die Erschütterungen lassen Perry Rhodan in seinem unterirdischen Verlies aus seiner Benommenheit erwachen. Zum Glück ist er unverletzt, allerdings hat er keinen Funkkontakt mehr. Er gelangt durch Kammern aus transparentem Material in die kugelförmige Kammer, wo die Mediale Schildwache bereits auf ihn wartet. Sie stellt ihm mit strenger Miene eine Reihe von bohrenden Fragen …

In der Kreisbahn über dem Planeten entdecken die Abtaster von Zephydas Bionischem Kreuzer die sich nähernde Raumflotte der Kybb Cranar. Es handelt sich um die bekannten würfelförmigen Fahrzeuge, doch dahinter befinden sich sechseckige Objekte: die Kybb Draken. Sofort stimmen die Epha Motana der Motana-Flotte den Angriffschoral an und die Todbringer machen sich bereit, ihre tödliche Energie auf die Kybb Cranar abzufeuern.

Die Erfolge sind größer als erwartet, doch dann krümmt sich Zephyda vor Schmerzen. Die Dinge laufen auf schreckliche Weise schief …

_Mein Eindruck_

Endlich erfolgt die krönende Raumschlacht! „Star Wars“-Freunde dürfen sich hier an Action und Dramatik erfreuen. Natürlich müssen sie sich die Bilder selbst vorstellen. Außerdem finden keine Energiestrahlengefechte statt, da die Todbringer auf beiden Seiten nur mit geistiger Energie feuern. Die Igelwesen verlieren 177 Schiffe.

Doch diesmal haben die Kybb Cranar irgendeine Geheimwaffe dabei, die den Motana auf Psi-Ebene schwere Verluste zufügt. Tja, dass sich das Schlachtenglück wendet, war wohl zu erwarten. Das kommt davon, wenn man nur auf Gewalt setzt. Die Natur dieser Geheimwaffe wird nicht näher erklärt – es hätte uns auch gewundert. Vielmehr stehen die Kybb Cranar auf einer Stufe mit den frühen Entwürfen für die Klingonen: primitiv, brutal, skrupellos, auf Vernichtung getrimmt. Klarer Fall, dass wir ihnen den Sieg nicht gönnen.

Während die Schlacht auf Messers Schneide steht, kommt daher Perry Rhodans Mission im Untergrund von Baikhal Cain eine möglicherweise entscheidende Bedeutung zu. Er findet die Mediale Schildwache, doch sie stellt ihm wichtige Fragen nach seiner Moral, seinem Standpunkt und seiner Loyalität. Allerdings dürfte Nicht-PR-Fans der Begriff „Kosmokraten“ nicht geläufig sein. Wieder mal tauchen also irgendwelche mysteriösen Superwesen auf, denn „kosmos“ bedeutet auf Altgriechisch so viel wie „Weltordnung/Universum“ und „kratein“ „herrschen“ (Aristokratie ist daher die „Herrschaft der Besten“ und Demokratie die „Herrschaft des Volkes“).

Perry hat Schwein: Er hat den Jackpot gewonnen und darf das Mädel abschleppen! Mit einem Bagger – schon wieder ein phallisches Symbol – bohrt er sich durch die Eisdecke und gelangt in Reichweite eines rettenden Motana-Kreuzers. Aber ist das Mädel ihm dafür dankbar? Nicht unbedingt. Sie nennt sich Lyressea – die Sprecherin haucht diesen Namen immer wieder auf sehr erotisch-mystische Weise – und fühlt sich befreit. Ihrem Befreier dankt sie trotzdem nicht. Aber die Motana-Chöre jubilieren.

_Unterm Strich_

Insgesamt bildet „Die Mediale Schildwache“ einen befriedigenden Abschluss des Motana-Erzählstrangs in der dritten Staffel. Die Hörspielserie „Perry Rhodan: Sternenozean“ wird offenkundig von Profis produziert, von mancher bekannten Hollywoodstimme gesprochen und liefert einen soliden Gegenwert für den Preis von rund acht Euronen.

Jugendliche beiderlei Geschlechts zwischen 14 und 17 Jahren dürften sich rasch mit den Helden identifizieren, und das ist eine der besten Voraussetzungen, ein treues Publikum aufzubauen. Auch Zephyda ist eine solche Identifikationsfigur, und ich hoffe, dass sie möglichst lange Teil des Serienpersonals bleibt.

Was die Qualität des Inhalts angeht, so darf man wohl kaum tiefschürfende und daher langweilige Monologe erwarten. Vielmehr sind kämpferische Action und romantische Exotik angesagt – das ist genau die Mischung, die auch „Star Wars“ so erfolgreich gemacht hat.

|74 Minuten auf 1 CD|
http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name
http://www.perry-rhodan-game.com
[Ausführlicher Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

Paasilinna, Arto – Adams Pech, die Welt zu retten

_Der finnische Prometheus und seine Eva_

Der finnische Kleinunternehmer Aatami Rytmättylä hat den Weg aus der drohenden Energiekrise gefunden: einen schokoladentafelgroßen Akkumulator, der Strom im Überfluss liefern kann. Bald zeigt sich aber, dass die umweltfreundliche Energiequelle Aatamis nicht uneingeschränkt auf Gegenliebe stößt. Die Ölscheichs sehen darin eine Gefahr für ihren Reichtum und setzen einen Killer auf ihn an …

_Der Autor_

Der 1942 geborene Lappe Arto Paasilinna hat bisher über dreißig Bücher veröffentlicht, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, u. a. in Frankreich und Italien. Einige davon wurden bereits verfilmt. Paasilinnas Spezialität ist die humorvolle Parodie, die bestimmte Charakterzüge der Finnen und umgebenden Völkerschaften ironisch thematisiert.

Auf Deutsch erschienen sind bisher:

* Vorstandssitzung im Paradies 2004 (Paratiisisaaren vangit, 1974)
* Das Jahr des Hasen 1999 (Jäniksen vuosi, 1975)
* Die Rache des glücklichen Mannes 2002 (Onnellinen mies, 1976)
* Im Jenseits ist die Hölle los 2004 (Herranen aika, 1980)
* Der heulende Müller 1999 (Ulvova mylläri, 1981)
* Im Wald der gehenkten Füchse 2000 (Hirtettyjen kettujen metsä, 1983)
* Der Sohn des Donnergottes 1999 (Ukkosenjumalan poika, 1984)
* Die Giftköchin 1998 (Suloinen myrkynkeittäjä, 1988)
* Der wunderbare Massenselbstmord 2002 (Hurmaava joukkoitsemurha, 1990)
* Der Sommer der lachenden Kühe 2001 (Elämä lyhyt, Rytkönen pitkä, 1991)
* Nördlich des Weltuntergangs 2003 (Maailman paras kylä, 1992)
* Adams Pech, die Welt zu retten 2008 (Aatami ja Eeva, 1993)
* Ein Bär im Betstuhl 2005 (Rovasti Huuskosen petomainen miespalvelija, 1995)
* Ein Elefant im Mückenland 2006 (Suomalainen kärsäkirja, 2005)

|Arto Paasilinna auf Buchwurm.info:|
[„Der wunderbare Massenselbstmord“ 3554
[„Nördlich des Weltuntergangs“ 1573
[„Im Jenseits ist die Hölle los“ 640
[„Vorstandssitzung im Paradies“ 637
[„Adams Pech, die Welt zu retten“ 4586

_Die Produktion_

Der Sprecher Jürgen von der Lippe begann seine Karriere beim Fernsehen Anfang der 1980er Jahre und erreichte den Durchbruch als Moderator bei „So isses“. Er ist Komiker, Musiker und gehört zu den beliebtesten Entertainern des deutschen Fernsehens. Er unterhält mit zahlreichen Shows wie „Geld oder Liebe“ und „Extreme Activity“. Er tourt mit eigenen Bühnenprogrammen, spielt in Filmen und sammelt Auszeichnungen. (Verlaugsinfo)

Die Bearbeitung des Textes erfolgte durch Gabriele Kreileder-Heitz, die Aufnahme nahm Jan Mallmann in den |d.c. Studios|, NRW-Berlin, vor, die Musik trug Michael Marianetti bei. Regie führte Kerstin Kaiser.

_Handlung_

Aatami Rytmättylä hat zwar kein Geld, doch er tüftelt weiterhin in seiner Werkstatt für Autobatterien in Tataarisuo. Schließlich soll er ja eigentlich die Alimente für seine Kinderschar zahlen, die er mit drei Frauen hat – alle sind weg. Heute hat ihn wieder mal das Mechanikerglück verlassen, denn die Werkstatt fliegt in die Luft. Der Wasserstoff muss sich wohl entzündet haben. Nur die Nerven behalten, sagt er sich und steckt sich eine Zigarette an. Aatami ist auf Batteriewartung spezialisiert, doch seit die Wirtschaft in Finnland darniederliegt (man schreibt die neunziger Jahre), reparieren die Autofahrer ihre Wagen lieber selbst.

Doch Aatami lässt sich nicht unterkriegen, denn er hat einen Traum. Er will als großer Erfinder in die Geschichte eingehen, genau wie Thomas Alva Edison. Er entwickelt einen neuartigen, leichten Akkumulator, der länger Strom liefert und alle möglichen Arten von Geräten antreiben soll – vom Kinderspielzeug bis zum Weltraumsatelliten. Grenzenlos verfügbare Energie – das wäre sein Traum. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, weiß Aatami, denn er hat im Erfinden schon jahrelange Erfahrung.

Der Gerichtsvollzieher Jutilainen ist inzwischen ein alter Bekannter bei ihm. Heute lässt er das Ordnungsamt die restlichen 500 Batterien aus Aatamis Werkstatt abholen und verspricht, erst in zwei Monaten wiederzukommen. Und der Erfinder zeigt dem Mann seiner Exfrau, was ein rechter Haken ist. Dann führt er seine Erfindung weiter, arbeitet wie besessen an einer neuen Idee, auf die ihn Jutilainen gebracht hat: organische Chemie. Das Endprodukt ist 95 Prozent leichter als herkömmliche Akkus und abbaubar.

Als er von einer Vorführung in einer Fabrik für Elektroautos zurückkehrt, brennt seine Werkstatt. Es ist nichts mehr zu retten. Im Gegenteil: Die Flammen setzen auch sein Auto in Brand. Die Feuerwehr weigert sich inzwischen wegen der häufigen Brände zu kommen. Nur die Klamotten und die Akkus, die er am Leib trägt, sind ihm geblieben. Die Bullen buchten ihn sofort ein: wenigstens ein Dach über dem Kopf. Einen anonyme Anzeige beschuldigt ihn des Versicherungsbetrugs. Am vierten Tag gelingt es der Helsinkier Rechtanwältin Eeva Kontupohja, ihn rauszuholen. Jutilainen gewährt ihm für eine Nacht Unterschlupf, doch als Aatami am anderen Morgen liest, dass der Gerichtsvollzieher Todesanzeigen seiner „Klienten“ sammelt und Todesfälle voraussagt – unter anderem auch für Aatami -, hält es der Erfinder nicht mehr aus.

Eeva interessiert dieser stämmige Mittvierziger mit dem robusten Nervenkostüm und dem Streben, die Welt zu verbessern. Als er ihr darlegt, wie seine Akkus die Welt verändern könnten, realisiert sie, wie genial er im Grunde ist. Die Autos könnten alle mit Strom fahren, und nur die Kraftwerke, in denen die langlebigen Akkus aufgeladen werden, müssten Öl verbrauchen, sonst niemand. Die Umweltverschmutzung würde drastisch zurückgehen, die Preise für Öl fallen. Man bräuchte keine anfälligen Kabel, Stromleitungen usw. mehr, und überall auf der Welt könnten Sonnenkollektoren Akkus speisen, was für die Entwicklungsländer billige Energie und sauberes Trinkwasser durch Wasseraufbereitung bedeuten würde. Was Eeva aber noch herausfindet: Diese Erfindung ist ein Milliardenmarkt – pro Jahr! Und sie will daran teilhaben …

Nachdem der Deal zwischen den beiden perfekt ist (sie bekommt zehn Prozent an seiner Firma, es sei denn, sie heiraten) und er bei ihr einzieht, schickt sie ihn auf einen Fachkongress über das Akkuwesen – in Neuseeland. Und kommt gleich mit. Leider hat Eeva ein kleines Alkoholproblem und versumpft in den Kneipen der Stadt, wo sie die Lieder der Gäste mitgrölt. Die Polizei bringt sie zurück. Da enthüllt sie ihm, dass er auf der Rednerliste steht! Er muss den Vortrag erst noch schreiben und übersetzen lassen. Beides klappt unter Hochdruck, und er kann die Rede halten. Sie schlägt ein wie eine Bombe.

Die Japaner sind Feuer und Flamme – auf ihre höfliche, zurückhaltende Art. Doch die Ölproduzenten und die Autobauer sind alarmiert. Wenn das alles stimmt, was dieser finnische Hinterwäldler – wo liegt dieses Finnland überhaupt? – da erzählt, dann könnten die Ölpreise bald ins Bodenlose fallen und niemand mehr ein Auto mit Verbrennungsmotor kaufen wollen. Wozu auch? Es gibt ja bald einen supergünstigen Elektroantrieb. Die OPEC und Automafia müssen etwas unternehmen. Aber was?

Nachdem alle anderen Optionen fehlgeschlagen sind, einigen sich die OPEC-Fürsten und ihre Autoverbündeten darauf, einen Killer auf Aatami anzusetzen, einen bewährten Sizilianer namens Luigi Rapaleore. Die Japaner sind inzwischen mit Aatami handelseinig geworden und stellen ihm zwei Leibwächter zur Seite. Der Wettlauf um die Milliarden der Zukunft beginnt.

_Mein Eindruck_

Obwohl diese Geschichte schon 1998 veröffentlicht wurde, kommt sie uns doch heute wie gerufen, nachdem der Ölpreis – wieder mal – auf einem Rekordhoch ist und der Klimawandel alle Industrien zum Umdenken zwingt. Aber die Kräfte der Ölproduzenten und Autohersteller sind wohl doch stärker, als sie in Paasilinnas Buch geschildert werden. Na ja, wenn sie wirklich stärker wären, dann könnte der Autor nicht den unaufhaltsamen Aufstieg seines Helden Aatami Rymätilää schildern und die Geschichte wäre schon bald zu Ende.

Aatami hat viel von einem Yankee an sich, und Robert A. Heinlein hätte sich sicherlich über einen solchen Selfmademan gefreut. Die privatwirtschaftliche Eigeninitiative ohne Einmischung der – ohnehin völlig verarmten und verbürokratisierten – Regierung ist Heinleins Ideologie, und wie es aussieht, pflichtet ihr auch Paasilinna bei. Dagegen ist nichts einzuwenden, angesichts der verknöcherten Strukturen und Abläufe in den Ministerien und Konzernzentralen. Die besten Erfindungen werden meist in den klein- und mittelständischen Betrieben gemacht. Das ist in Finnland sicher nicht anders.

Allerdings mutet der kometenhafte Aufstieg Aatamis wie ein modernes Märchen an. Vielleicht hat der Verlag deshalb das Buch zurückgehalten. Der Autor nimmt dieses Märchen, wie es sich gehört, selbst nicht ganz ernst. Er stellt Adam eine Eeva an die Seite, die diesem nicht nur ordentliches Kapital, sondern auch viel Selbstvertrauen und Beziehungen verschafft. Dabei ist sie allerdings keine Samariterin, sondern hat ein gehöriges Alkoholproblem, das sie mitunter komplett ausrasten lässt.

Die Welt ist, wie sie ist: Sie gönnt dem Guten keinen Sieg, sondern verschwört sich gegen ihn. Daher taucht alsbald der Killer in Finnland auf. Allerdings ist es vielleicht nicht so ein guter Einfall, einen Sizilianer an den Polarkreis zu schicken. Luigi, der Ärmste, verliert ein erfrorenes Bein und drei Zehen vom anderen. Allerdings sinnt er nun auf Rache und versucht sein Glück immer wieder. Ich verrate nicht, ob ihm dies schließlich gelingt.

Das Problem des Buches ist, wie so häufig bei Paasilinna, ein Mangel an dramatischer Handlung. Vielmehr scheinen sich die Ereignisse mehr oder weniger zufällig aneinanderzureihen, bis es schließlich nicht mehr weitergeht. Dahinter steht sicherlich eine Weltsicht des Autors, die der Entwicklung eines dramaturgisch geschickten Plots entgegensteht. Seine Handlungsabläufe entwickeln sich vielmehr organisch, manchmal mit langem Anlauf.

Doch heftige Konflikte sind Paasilinnas Sache nicht. Es scheint in Finnland einen Grundkonsens zu geben, dass man einander das Leben wesentlich einfacher machen könnte, wenn man nicht versuchen würde, sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen. Da ist was dran, zweifellos. Und wenn es mal zu einer Notlage kommt, dreht Aatami nicht durch, sondern organisiert – ein Yankee, wie er im Buche steht.

Und so ist es wohl zu erklären, dass sich Aatami mehrfach stark für die Bedürftigen einsetzt, wovon es in Finnland nicht wenige zu geben scheint: die obdachlose Bettlerin, die dem Ex-Staatspräsidenten ein Staatsgeschenk klaut; die Arbeitslosen, die zu Weihnachten 500.000 Schneemänner bauen, um Aatami für seine Wohltätigkeit zu danken; die Züge, auf denen Suppe ausgegeben wird; und viele weitere. Nicht zu vergessen die Welt an sich, welcher der leichte organische Akku das Ende der Selbstvergiftung zu bescheren scheint. Zeit war’s ja auch.

|Der Sprecher|

Jürgen von der Lippe liest ruhig und langsam. Er betont jeden Satz richtig und spricht die Wörter deutlich aus. Das ist auch notwendig, denn das deutsche Gehör muss sich erst an die vielen ungewohnten finnischen Namen gewöhnen. Später kommen noch russische, englische und französische usw. Namen hinzu. Ich konnte keine Aussprachefehler feststellen, aber ich bin auch kein Experte für diese Sprachen (außer Englisch). Einmal ist ein dicker arabischer Akzent festzustellen.

Aatami weist ein ganz normale Stimmlage auf, allerdings tut dies Eeva auch, und wenigstens sie sollte eine höhere, weibliche Stimmlage aufweisen. Dem ist aber nur am Anfang so, später nicht mehr (oder es fiel mir nicht auf). Höhere Stimmen haben lediglich Laura, Aatamis Ex, und diverse Wichtigtuer, darunter auch der Gerichtsvollzieher Jutilainen.

Aatami ist gemütsmäßig der Normalo in Person, daher fällt es dem Sprecher leicht, ihn zu charakterisieren, wenn er in bestimmten Situationen auftritt. Er schmunzelt oder schnaubt schon mal, wenn es angebracht ist. Eeva ist da schon abwechslungsreicher. Besonders gut gefiel mir der Sprecher, wenn er Eeva heftig lallen und nuscheln lässt – das kann er ausgezeichnet.

In den Einsteckkarton sind die obligatorischen Angaben über die Mitarbeiter an dieser Produktion gedruckt, aber auch touristische Informationen über die Orte Helsinki, Töölö, Tuusuula und Seurisaara. Diese finden sich nicht in der Buchfassung, weil sie dort in den Text eingearbeitet sind.

_Unterm Strich_

Das Märchen von der Beglückung der Menschheit durch eine neue Erfindung ist so alt wie die Legende von Prometheus, der den Göttern das Geheimnis des Feuers stahl. Aatami ist ein weiterer Urvater und ganz im Sinne der biblischen Tradition stellt ihm sein Schöpfer eine Eeva zur Seite, die den armen Kerl, der ohne eigene Schuld aller materiellen Güter beraubt wurde, wieder auf die Beine hilft. Es ist eine Art Wiederauferstehung. Und in der Folge schafft es Aatami mit Hilfe seiner Eva, der Welt das Licht, pardon, den Akku zu bringen, der die Welt vor sich selbst rettet.

Doch der Widersacher schläft nicht, und die dunklen Mächte, welche die Ausbeutung und Vergiftung der Welt ins Werk gesetzt haben, können einen solchen Retter nicht dulden, würde er ihr Werk doch zunichte machen. Doch ob ihnen dies gelingt, soll hier nicht verraten werden. Die Pointe ist recht ironisch und, typisch für den Autor, zugleich versöhnlich.

Was der Geschichte fehlt, ist vielleicht die dramatische Wendung, der heftige Konflikt. Dies ist die Sache des Autors ganz und gar nicht. Die menschlichen Interaktionen entwickeln sich eher organisch, und entweder der Held schafft es, bis zum Schluss durchzuhalten, oder er schafft es eben nicht. Wir erfahren zwar einiges über die finnische Kultur und Gesellschaft, aber viel ist es nicht. Und mit der neuen Wirtschaft, für die ein Weltkonzern wie |Nokia| steht, hat der Autor absolut nichts am Hut.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch ist ebenso unspektakulär wie das Buch, aber Jürgen von der Lippe bemüht sich redlich, es dem Zuhörer möglichst schmackhaft zu machen. Allerdings kann auch er nicht verhindern, dass das letzte Drittel mangels Handlung einfach nur so dahinplätschert und den Hörer einlullt.

|Originaltitel: Aatami ja Eeva, 1993
Aus dem Finnischen übersetzt von Regine Pirschel
316 Minuten auf 4 CDs|
http://www.luebbe-audio.de/

George Alec Effinger – Das Ende der Schwere (Marîd-Trilogie 1)

_Spannender SF-Detektivroman_

Marîd Audran ist Privatdetektiv im Bordellbezirk einer nordafrikanischen Stadt des 21. Jahrhunderts. Durch Chips können die Liebesdienerinnen ihre Persönlichkeit verändern, je nachdem, wie’s dem Kunden beliebt. Das entsprechende Modul wird in die Schädelbuchse gesteckt, und schon werden Charakterzüge direkt ins Gehirn programmiert. Die Illusion ist perfekt.

Aber die Sache hat auch einen Haken. Jack the Ripper und andere „Künstler“ sind wieder auferstanden. Als eine gute Freundin Marîds ermordet wird, kommt er in seiner Ermittlung nur weiter, wenn er sich sein Hirn aufmotzen lässt. Das bringt ihn zwar weiter, hat aber ebenfalls einen Haken: Es fällt ihm immer schwerer, sich ein Bild von der eigenen Persönlichkeit zu machen, die ihm zunehmend entgleitet. Fremde Erinnerungen durchstreifen seinen Geist, ein Gefühl der Besessenheit beginnt ihn zu bedrücken …

_Der Autor_

Seit der 1947 geborene und 2002 gestorbene Amerikaner George Alec Effinger 1972 mit „What Entropy means to me“ seinen ersten Science-Fiction-Roman vorstellte, ist er immer wieder aufgrund seines ironischen Witzes, seines Sinns für die Absurdität des Universums, des Blicks für Details und wegen seiner Stilparodien mit Autoren wie Borges, John Barth und Thomas Pynchon verglichen worden. Das düstere „Die Wölfe der Erinnerung“ (1981) weist die genannten Qualitäten auf, kann seinen Autor aber noch nicht auf das Niveau jener erlauchten Autoren heben.

Effinger wurde lange unterschätzt – oder strengte sich nicht an -, und erst mit der Marîd-Audran-Trilogie bekam er den verdienten Ruhm. Hiermit schloss er sich der Cyberpunk-Bewegung an und schickte seinen Jedermann-Helden Marîd im Nahen Osten des 21. Jahrhunderts durch zahlreiche Abenteuer: ein Lowlife-James-Bond, der mit futuristischer Technik aufgerüstet ist.

Die Marîd-Trilogie:

1) Das Ende der Schwere (1987, dt. bei Heyne 11/1991)
2) Ein Feuer in der Sonne (1989, dt. bei Heyne 12/1991)
3) Der Kuß des Exils (1991, dt. bei Heyne 02/1994)

_Handlung_

Der etwa 30-jährige christliche Algerier Marîd Audran lebt als Privatdetektiv im Budayin, dem Rotlichtbezirk einer nordafrikanischen Stadt im 21. Jahrhundert. In den Strip-Klubs findet er seine Kumpel, seine diversen Freundinnen – und leider auch seine Feinde. Die Halbwertszeit eines Lebens ist hier stark reduziert. Seine derzeitige Freundin ist Yasmin, eine Obenohnetänzerin, aber auch mit Tamiko und Nikki hat er schon nähere Bekanntschaft geschlossen. Marîd ist ein wenig exotisch und wirkt arrogant, weil er sich standhaft weigert, ein Software-Add-on für die Persönlichkeitsmodifikation zu benutzen. Er hat nicht mal eine Schädelbuchse dafür und zieht stattdessen Tabletten vor. Yasmin kennt solche Skrupel nicht, und deshalb ist sie die populärste Tänzerin bei Frenchy’s.

|Die Mordserie|

Dass die Moddys und Daddys – die Persönlichkeitsmodule und Software-Add-ons – auch Gefahren bergen, zeigt sich, als ein neuer Kunde Marîds vor seinen Augen von einer James-Bond-Kopie umgenietet wird. Wie taktlos. Leider bleibt es nicht bei diesem Mordopfer. Auch Tamiko und eine ihrer Freundinnen, die sich als Killeramazonen auftakeln, erleiden einen vorzeitigen Exitus. Und ihre und Marîds Freundin Nikki verschwindet spurlos. Schleunigst begleicht Marîds Nikkis Schulden bei Hassan und Abdullah, doch auch dies bewahrt ihn nicht vor einem bösen Verdacht, als Abdullah ebenfalls die Kehle aufgeschlitzt wird.

Diesen Verdacht hegt jedoch nicht die Polizei unter Kommissar Okking, mit dem Marîd schon öfters zu tun hatte, sondern der Obermacker des Rotlichtviertels, Friedlander Bei. Marîd bekommt eine „Privataudienz“ mit der Option auf sofortige Exekution durch die zwei Gorillas dieses Paten. Doch er kann ein hieb- und stichfestes Alibi für Abdullahs Tod vorweisen und springt dem Tod noch einmal von der Schippe. Er erfährt, dass alle Ermordeten in Diensten Friedlander Beis standen, sei es als Kunden oder als Auftragskiller wie Tamiko. Offensichtlich will jemand die Geschäfte des Beis erheblich stören, und das kann dieser nicht zulassen.

|Ein neuer Chef|

Und an dieser Stelle kommt nun Marîd ins Spiel. Er sei der Einzige, so der Bei, der es schaffen könnte, schlauer als die Polizei und schneller als der Killer zu sein. Der Bei bittet Marîd daher, für ihn den Schuldigen zu finden. Und wenn er bittet, dann hat Marîd das als Befehl aufzufassen. Die Bezahlung ist fürstlich, doch die Sache hat einen Haken: Marîd muss sich aufrüsten lassen. Das schmeckt ihm überhaupt nicht, aber was bleibt ihm anderes übrig? Umsonst ist nur der Tod, und der kostet das Leben. Die eigenen Ärzte des Beis sollen die OP vornehmen. Na schön, willigt Marîd ein, froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Auch seine Freundin Yasmin überredet ihn, sich „verdrahten“ zu lassen.

|Verdrahtet|

Drei Wochen später – es ist Ramadan – erwacht Marîd mit einem Brummschädel und merkt, dass er im Bett eines recht angenehm aussehenden Krankenhausbettes liegt. Es unterscheidet sich von den Armenzimmern, die er nach einer Blinddarm-OP kennenlernte. Offenbar hat sein neuer Mäzen dafür gesorgt. Der Arzt, Herr Yeniknani, ist sehr besorgt um das Wohl und Wehe von Marîd und erklärt ihm die neuen Implantate. Marîd kann jetzt nicht nur Persönlichkeitsmodule und Software-Add-ons hochladen, um jemand anderes zu sein und zusätzliches Wissen zu erlangen. Nein, er kann noch viel mehr, weil Dr. Lîsani ihm winzige Drähte in tiefe Regionen seine Hirns eingeführt hat, damit Marîd Gefühle wie Hunger, Durst, Schlaf und sexuelle Erregung direkt kontrollieren kann. Allerdings kann er sich nicht selbst einen Orgasmus verschaffen, denn das wäre kontraproduktiv gewesen. Marîd ist beeindruckt.

Sobald er wieder entlassen worden ist, hört er, dass dieser James-Bond-Verschnitt verschwunden ist und dass seine eigene Freundin Nikki tot aufgefunden wurde – in einem Müllsack. Bei ihr findet er ein selbstgebasteltes Moddy, einen Ring und einen Skarabäus, möglicherweise Hinweise auf Herrn Leipolt, einen deutschen Kaufmann, mit dem Nikki zu tun hatte. Als er das Moddy von einer Moddy-Ladenbesitzerin testen lässt, verwandelt sich diese daraufhin in eine reißende Bestie. Marîd ist erschüttert. Aber dieses satanische Moddy kann nicht den oder die Mörder gesteuert haben, denn dafür sind die Morde zu sorgfältig durchgeführt worden. Als er Tamikos Freundin Selima, die dritte ihres Killertrios, hingeschlachtet vorfindet, warnt ihn eine mit Blut geschriebene Botschaft, dass er der nächste sei.

|Nero Wolfe|

Was jetzt? Er beruhigt erstmal Friedlander Bei und legt sich die Persona eines berühmten Detektivs zu: Nero Wolfe. Aber Wolfe blieb stets zu Hause und ließ die Fußarbeit von seinem Assistenten Archie White erledigen. Leider weigert sich Marîds Freund Saied, diesen Job zu übernehmen. Der Grund: Archie ist eine Milch trinkende Memme! Das mit dem Nero-Wolfe-Moddy wird also nichts.

Aber wenigstens hat durch dieses Experiment Marîd eine Idee, dass mit Kommissar Okking etwas nicht stimmen kann. Er begibt sich in dessen Büro, führt den neuen Einfluss an, den Friedlander Bei auf ihn und Okking ausübt, und bittet eindringlich um Aufklärung. Falls nicht, könnte sich Papa Friedlander gezwungen sehen, mit Onkel Okking Schlitten zu fahren, auf fatale Weise.

Als Okking ihm daraufhin endlich reinen Wein einschenkt, erkennt Marîd erstmals die politisch motivierten Hintergründe der mysteriösen Taten. Sie erklären aber nur die blutigen Auftritte eines der beiden Mörder, die die Gegend unsicher machen. Doch weder Okking noch Friedlander Bei glauben an die Existenz eines zweiten Killers. Deshalb freuen sie sich nach Marîds Ansicht auch zu früh, als er den Killer trifft und die Oberhand behält. Marîd soll Recht behalten …

_Mein Eindruck_

Auf den ersten Blick entspricht der Roman dem typischen Klischee für einen Cyberpunk-Roman: moderne Technik steht im krassen Gegensatz zu dem illegalen oder zwielichtigen Milieu, in dem es eingesetzt wird. In der Regel ist der Grund für solchen Technikeinsatz aber der, dass im Untergrund und auf dem schwarzen Markt die moderne Technik – hier Persönlichkeitsmodule – erst voll ausgereizt werden. Das ist bis heute so, wenn man sich zum Beispiel Gadgets, Hacker, Designer-Drogen und das Internet ansieht.

Was den Roman über das Niveau der meisten Cyberpunkromane, die zwischen 1983 und 1995 erschienen (also bis zum Start der „Shadowrun“-Serie, als die Klischees endgültig in Serie gingen), hinausgeht, ist die Hauptfigur. Marîd Audran ist kein jugendliches Greenhorn mehr und hat bereits einige Lebensphasen hinter sich. Er lebt außerhalb der bürgerlichen Lebensgrenzen auf einem Areal, das zwar auf dem Friedhof liegt, aber als Rotlichtbezierk und Vergnügungsviertel genutzt wird. Touristen und Seeleute toben sich hier aus, und, wie Audran erfährt, auch zunehmend Politflüchtlinge aus Europa.

Audran hat einen Horizont, den er ständig erweitert, und ein Händchen für Damen und Freunde. Beide sind ihm gleichermaßen treu, denn er weiß, dass er ohne sie nicht in diesem Milieu überleben kann. Er hat sich wie ein Chamäleon der Umgebung angepasst. Obwohl er, wie Friedlander Bei feststellt, Christ ist, befleißigt er sich doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit der arabischen Höflichkeits-Floskeln, zitiert den Koran, ruft Allah an und weiß mit arabischen Geschäftsleuten umzugehen, selbst wenn es sich um die größten Halunken handelt. Kurzum: Er ist ein Überlebenskünstler, noch dazu einer mit einem Gewissen und einem (gut versteckten) Herz aus Gold. Sonst würde er nicht nach verschwundenen Freundinnen fahnden.

Das macht ihn aber noch nicht zu einem guten Detektiv. So brüstet er sich zwar mit seiner Fähigkeit, jeden geschlechtsumgewandelten Mann, der nun als Stripperin auftritt, erkennen zu können, doch als er selbst einer hübschen langbeinigen Blondine in der Villa eines Deutschen begegnet, nimmt er sie dummerweise für bare Münze und schläft mit der Hübschen. Am nächsten Morgen klärt ihn „ihre“ Abschiednotiz über seinen Irrtum auf: „Sie“ heißt Günther Erich von S. Marîd stöhnt, weil ihm übel wird. Schließlich war er bis jetzt strikt hetero. Und seine Menschenkenntnis hat offenbar schwer nachgelassen. Was, wenn dies auch bei Nikki der Fall wäre?

Die Austauschbarkeit von Körpern und Persönlichkeiten ist mittlerweile völlig geläufiges Standardmotiv in der Science-Fiction. Dazu muss man sich nur mal Richard Morgans fulminanten SF-Detektivroman [„Das Unsterblichkeitsprogramm“ 464 ansehen. Diese Motive waren aber anno 1987, also drei Jahre nach der Veröffentlichung von Gibsons epochalem „Neuromancer“ noch an der vordersten Front der SF-Ideen.

Das steht leider im krassen Gegensatz zu der politischen Landschaft des 21. Jahrhunderts, die der Autor entwirft. Das ist Revisionismus in Reinkultur. Das Sowjetreich ist zwar, wie schon vorauszusehen war und wie es 1989 eintrat, in Russland, Weißrussland, die Ukraine usw. zerfallen, doch diese entwickelten sich nicht zu oligarchischen Demokratien wie heute, sondern zu feudalistischen Monarchien. Das ist also ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Vielleicht lässt es sich damit erklären, dass ja das sozialistische Modell abgewirtschaftet und abgedankt hatte und das demokratische Modell noch nicht genügend Boden gut gemacht hat.

Viel schlimmer, aber ins Bild passend erscheint deshalb der Rückfall Deutschlands in ein neofaschistisches Viertes Reich. Die Nazis pfuschen in den russischen Fürstentümern an der Thronfolge herum, und das betrifft natürlich auch politische Flüchtlinge wie Bogatyrev, die im Budayin Zuflucht gesucht haben. Ich habe mich schnell an den erstens Indiana-Jones-Film erinnert gefühlt, der in den 1930-40er Jahren spielt. Das mag für einen amerikanischen Autor ganz lustig und abenteuerträchtig erscheinen, aber für einen deutschen Leser ist doch ein bitteres Gschmäckle dabei.

|Die Übersetzung|

Die Übersetzung wurde von Isabella Bruckmaier angefertigt, aber sie hatte möglicherweise Helfer. Denn manchmal ändert sich der an sich schon selbstironische Tonfall zu einem noch gröberen Straßenjargon, in dem es von Ausdrücken wie „Tussi“, „Titten“, „auf etwas stehen“ usw. nur so wimmelt. Man kommt sich vor wie im tiefsten Berlin-Wedding, einem Arbeiterviertel, oder in einem Studentenviertel. Also, mir hat das Lesen solchen rotzfrechen Jargons richtig Spaß gemacht. Aber leider hält die Übersetzerin die harte Tonart nicht ganz durch und wird wieder zahm.

Die Textform ist nicht gerade die beste. Es wimmelt von doppelten oder fehlenden Wörtern und Druckfehlern. Aufgrund ihrer hohen Zahl erscheint es mir nicht sinnvoll, sie alle einzeln aufzuzählen.

Ein Glossar, das die zahlreichen arabischen Ausdrücke und französischen Sätze erläutern würde, fehlt leider. So bleibt es dem Leser überlassen, sich bezüglich arabischer Speisen kundig zu machen. Sie werden nur hin und wieder erklärt.

_Unterm Strich_

In der zweiten Hälfte und erst recht nach Marîds Umwandlung wusste mich der Detektivroman wirklich zu fesseln. Da folgen einige gute Action- und Erotikszenen. Doch verscherzt sich Marîd alle Sympathien sowohl in seiner Nachbarschaft als auch mit dem Leser, als er das Teufels-Moddy einstöpselt und die Sau rauslässt. Wenigstens hat er einen Filmriss, so dass uns das Schlimmste erspart bleibt.

Diese Wendung des Autors, den sympathischen Hauptcharakter des Buches so herunterzumachen, ist aber in ihrer Absicht begrüßenswert. Schließlich soll kein Leser jetzt hingehen und es Marîd nachmachen, denn es wird uns ja vor Augen geführt, wohin das den „Helden“ geführt hat. Merke: Gewalt ist kein Weg, auch wenn es dabei gelingt, den zweiten Mörder zur Strecke zu bringen. Und Marîd ekelt sich dafür mit Recht vor sich selbst. Einer der großen Vorzüge des Romans ist die Nachvollziehbarkeit von Marîds Gedankengängen und Empfindungen. Dafür findet der Autor immer wieder überzeugende und dennoch humorvolle, ironische Bilder, die das Lesen zum Vergnügen machen.

Lowlife und Hightech – diese Mischung stellt auch gewisse Ansprüche an den Leser. Er muss seine moralischen Toleranzgrenzen austesten, wenn er sich mit Stripperinnen, Nutten, Drogendealern, Geschlechtsumgewandelten, Hirnverdrehern und übelsten Killern konfrontiert sieht. Doch meiner Ansicht nach bewegt sich der heutige Leser inzwischen auf dem gleichen Niveau wie die Mehrzahl von Egoshootern und Detektiv-Games, die es heute zu kaufen gibt. 20 Jahre nach Erscheinen von Effingers Roman ist sein zynisch-kritisch gemeinter Weltentwurf mittlerweile der Standard geworden.

Im Jahr 1987 war noch nicht abzusehen, welche Staatsformen sich die Nachfolgestaaten der dann 1989 zusammengebrochenen Sowjetunion geben würden. Daher erschien es dem Autor wohl legitim – zumal in einer Fiktion – anzunehmen, es gäbe eine Rückkehr zum Feudalismus und zu parlamentarischen Monarchien. Dass aber auch das Nazireich auferstehen würde, ist sowohl unwahrscheinlich als auch nicht hinnehmbar. Einen weiteren Punktabzug handelt sich das |Heyne|-Buch durch die vielen Druckfehler und das fehlende Glossar für die arabischen Ausdrücke ein.

|Originaltitel: When Gravity fails, 1987
367 Seiten
Aus dem US-Englischen von Isabella Bruckmaier|