Derzeit beschäftigt nur ein Thema die hiesigen Lichtspielhäuser: der zweite Teil des erfolgreichen Piraten-Abenteuers „Fluch der Karibik“. Seit ein paar Tagen kämpft Jack Sparrow alias Johnny Depp auch wieder auf deutschen Leinwänden um große Schätze und schon die ersten Statistiken verraten, dass Regisseur Jerry Bruckheimer auch drei Jahre nach dem ersten Teil wieder mitten ins Herz der Fans getroffen hat. Und da man mit bewährten Traditionen nicht brechen soll, hat sich Wolfgang Hohlbein auch wieder um die literarische Umsetzung des Kino-Spektakels gekümmert. Was er diesmal aber besser nicht getan hätte …
_Story_
Will Turner und seine Geliebte Elizabeth stehen kurz vor ihrer Hochzeit, als sie von Lord Cutler Beckett von der East India Trading Company wegen der Beihilfe zur Flucht des Piraten Jack Sparrow verhaftet werden. Beiden droht wegen dieser Tat der Tod am Galgen, es sei denn, sie erklären sich bereit, ihrem ehemaligen Weggefährten seinen geheimnisvollen Kompass abzunehmen und ihn Beckett auszuhändigen. Weil beide keinen anderen Ausweg sehen, nimmt Will diese letzte Chance wahr und begibt sich auf die Suche nach Sparrow. Jener ist tatsächlich damit einverstanden, den Kompass zu entbehren, verlangt aber von Will im Gegenzug einen weiteren Gefallen: Jack sucht nach der so genannten Truhe des Todes, dessen mysteriöser Inhalt ihm dabei helfen soll, Davy Jones, den Herrscher der Meere, auf ewig zu bezwingen. Turner hat keine Wahl und sticht mit dem eigenartigen Piraten in See. Währenddessen sucht Elizabeth in den Weiten der Weltmeere ihren angehenden Gemahl …
_Meine Meinung_
In der Regel ist es ja ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Buchversion einer Geschichte immer besser ist als der zugehörige Film; zumindest wenn die cineastische Fassung auf der literarischen Vorgabe beruht. Anders hingegen sieht es bei Begleitbüchern zu aktuellen Kinofilmen aus, bei denen ja zumeist nur kurz und knapp der Inhalt des Movies wiedergegeben wird. Bei Autoren wie Wolfgang Hohlbein, der die Fortsetzung zu „Fluch der Karibik“ gemeinsam mit Rebecca Hohlbein geschrieben hat, darf man aber getrost ein wenig mehr erwarten als eine Nacherzählung, denn immerhin gehört der Mann zu den weltweit besten seines Faches. Gerade im Fantasy-Bereich gilt Hohlbein als unantastbar und bestätigt seinen guten Ruf auch permanent mit neuem, genialem Lesefutter. Womöglich besteht darin auch die Ursache für die eher unspektakuläre Erzählweise dieser Filmadaption. Im Grunde genommen konnte Hohlbein nämlich nur verlieren.
„Dead Man’s Chest“ wurde vom deutschen Schriftsteller von der ersten bis zur letzten Sequenz eins-zu-eins wiedergegeben. Hohlbein gelingt es an keiner Stelle, seinen eigenen träumerischen Stil einzubringen, was dazu führt, dass die Handlung ruckartig fortschreitet und ohne jegliche Ausschmückung – eigentlich die große Stärke des Autors – die Ziellinie überquert. Derjenige, der bereits das Vergnügen im Kino hatte, wird wissen, was Hohlbein an dieser oder jener Stelle genau meinte, wohingegen die Fantasie des Lesers detaillierterer Umschreibungen oft nur unscheinbar angeregt wird. Okay, es ist das Buch zum Film, aber darf man deswegen nicht trotzdem ein wenig erfinderisch sein?
Die Buchvariante indes macht kaum neugierig auf das große Kinospektakel – und das vor allem, weil dieses Spektakel nicht adäquat übersetzt wurde. Hohlbein macht aus dem Monster namens „Fluch der Karibik“ eine nette Abenteuergeschichte, bei der die einzelnen Schritte der Protagonisten gar vorhersehbarer sind als in der Leinwandfassung. Ich persönlich war richtig erschrocken, als ich vor einigen Tagen erleben musste, wie viel spannender und professioneller Jerry Bruckheimer mit dem Drehbuch umgegangen ist. Doch warum hat Hohlbein dies nicht getan? Gab es zu strenge Vorgaben? War die Motivation, einen bekannten Plot zu umschreiben, nicht sonderlich groß? Lag ihm die simple Piraten-Thematik nicht? Oder ist es tatsächlich ein Fehltritt, der von fehlenden Ambitionen zeugt? Spekulieren darf man im Nachhinein viel, konstatieren jedoch nur eines: „Fluch der Karibik – Dead Man’s Chest“ ist dem überwältigen Kinoereignis in allen Belangen haushoch unterlegen.
Eines muss man Hohlbein zum Schluss aber noch zugute halten: Das Charisma der Hauptdarsteller kann man selbst als absoluter Profi kaum treffend wiedergeben. Johnny Depp ist und bleibt ein absoluter Blickfang, dessen mysteriöse Aura oftmals zu hypnotisieren vermag, wohingegen Jack Sparrow im Buch lediglich eine simple Figur in der Vorstellungskraft des Lesers ist. Ähnliches gilt für Orlando Bloom alias Will Turner, der im Film einmal mehr bewiesen hat, dass er einer derart gewaltigen Hauptrolle gewachsen ist.
In Schutz nehmen möchte ich die Hohlbeins ob dieser Tatsachen allerdings nicht. Denn wer sich an ein solches Projekt heranwagt, sollte auch dafür sorgen, dass es der geläufigeren Vorgabe gewachsen ist. Und das gilt für das über |vgs| erschienene Taschenbuch ganz klar nicht. Das Fazit ist deswegen auch ganz eindeutig: Entweder man geht in den nächsten Tagen ins Kino und lässt sich dort vom Effekt-Feuerwerk berauschen oder spart sich die hart verdienten zehn Euro für die sicherlich zum Weihnachtsgeschäft erhältliche DVD.
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