In der Welt Bas-Làg gibt es eine Stadt, New Crobuzon, einen Moloch, der als Stadtstaat die mächtigste Organisation ihrer Art ist. Ein anderer Stadtstaat beginnt, New Crobuzon die Herrschaft auf den Meeren streitig zu machen. Betrieben durch elyktrische Kräfte oder Dampf und Segel, liefern sich die Mächte andauernde Seeschlachten, zu Land bekämpfen sich die Heere, die eine neue Ordnung bringen sollen. New Crobuzon versucht, die Macht zu behaupten. Wichtigste Einheiten stellen für sie die Thaumaturgen dar, die Kraft ihres Geistes und allerlei Beschwörungsformeln Macht über Elemente wie Wind oder Wasser oder Elyktrizität besitzen. Doch die andere Seite hat noch unvorstellbarere Mittel, die ihrer Vollendung harren und damit den Untergang New Crobuzons bedeuten würden …
Zwischen die Fronten gerät eine Volkslegende, der Eiserne Rat, der es geschafft hat, sich der Fesseln New Crobuzons zu entledigen und den Häschern zu entkommen. Der Rat gründete sich aus Remade-Sklaven – bio-thaumaturgisch rekonstruierten Wesen – und freien Arbeitern, die sich gegen unzumutbare Bedingungen auflehnten. Das Remaking ist in New Crobuzon eine kunstvoll praktizierte Bestrafung für Verbrecher und Regierungsgegner.
Der Eiserne Rat, ein gigantischer Tross aus Lokomotiven, Wagons und allerlei Volk, das sich den Rebellen zu Fuß angeschlossen hat. Die Schienenleger und Planierer bereiten den Weg für die Stadt auf Rädern, die sich in Fußmarschtempo dahinbewegt. Von hinten werden die Schienen mit Lastkarren wieder nach vorn transportiert, ein ewiger Kreislauf.
Ein Mentor und Mitbegründer des Rats ist Judah Low, ein Golemist, der unbelebte Materie jeder Art zu einem Pseudoleben erwecken und sich dienstbar machen kann. Judah befindet sich in New Crobuzon als Barde des Rats, um die Legende im Volk zu verbreiten und den Keim der Rebellion zu legen. Er ist es, der erfährt, dass der Rat erneut von der Miliz gesucht wird, und er zieht los, um seine Heimat zu warnen. Ihm folgen begeisterte Anhänger aus verschiedenen Gründen: Cutter zum Beispiel ist Judahs junger Liebhaber und folgt ihm, wie er ihm überall hin folgen würde.
Der Rat wird verfolgt, weil der Krieg in der Bevölkerung zu Unruhen führt. Man kann es sich nicht mehr leisten, einen Rebellen ungeschoren zu lassen. Das Vorbild durch den Eisernen Rat soll vernichtet werden …
China Miéville befindet sich wieder in seiner überbordenden Schöpfung, der Welt Bas-Làg. Nach „Perdido Street Station“ (dt: „Die Falter“ und „Der Weber“) und „The Scar“ (dt: „Die Narbe“ und „Leviathan“) soll „Iron Council“ der vorerst letzte Band einer lose über die Stadt New Crobuzon verknüpften Trilogie sein, von der jedoch jeder Teil selbstständig lesbar ist (natürlich sollte man hierbei die Splittung der beiden ersten Teile im Deutschen in je zwei Teile beachten). Nach der Narbe kehrt man nun in die Stadt zurück, doch handelt dieser Teil der Geschichte viele Jahre später.
Der Roman liest sich spannend und flüssig, doch weniger wie Phantastik, als vielmehr wie ein Western. Revolverhelden, Kopfgeldjäger, Spielsucht, Eisenbahner und ihr brachialer Weg durch fremdes Land, ihr Zusammentreffen mit Einheimischen … Trotzdem bleibt die Faszination bestehen, die Miéville mit dieser Welt geschaffen hat. Neue Entartungen schockieren, neue Mächte faszinieren, neue Völker erweitern das Bild der Welt.
Um den Rat selbst dreht sich die Geschichte recht wenig, eher um die Revolution in New Crobuzon, das Verhältnis Cutters zu Judah und dessen Geschichte als Mentor des Rates, mit dem er sich völlig identifiziert und dem er sich jederzeit zu opfern bereit ist.
Was auffällt, ist die Beschaffenheit des Charakters „Judah“: Name, Weltsicht und Fähigkeiten zusammen lassen frappierende Ähnlichkeiten mit dem legendären Juden Rabbi Löw erkennen, ein liebevoller, weiser Vater und Partner, dem das Wohl seiner Vertrauten und seiner Heimat über alles geht. Sowohl der Rabbi als auch Judah Low haben die Fähigkeit, Golems zu erschaffen und ihnen Befehle einzuarbeiten, die bis zur Selbstaufgabe der Golems ausgeführt werden. Und schließlich das Verhängnis Rabbi Löws durch seine eigene Schöpfung – auch hier finden sich entsprechende Verbindungen zu Judah Low. Mit seiner mächtigsten Schöpfung gibt er sich selbst auf – oder verwirkt sein Recht auf Leben, je nach Sichtweise.
Ob es für die anderen Charaktere auch Entsprechungen aus der Weltliteratur gibt, ist nicht ersichtlich. Doch ihr teilweise tragisches Schicksal färbt den Roman in gleicher Weise wie Judahs Einfluss. Miéville verausgabt sich auch nicht an den Mengen handelnder Personen, sondern konzentriert sich auf einige wenige, aus deren Blickwinkel er die Geschichte ablaufen lässt. So haben wir Einblicke in die Gefühle und Gedanken von Normalmenschen, die sich leichter auf die Masse projizieren lassen als die vielleicht reineren und abgehobeneren Beweggründe von Führern.
„Der Eiserne Rat“ ist eine geschickte Mélange aus Dramatik und Erzählung, sein Stimmungsschwerpunkt liegt in der Tragik. Mit jedem Einzelschicksal konfrontiert sich der Leser mit Fehlern in Beziehungen, Scheidepunkten in Lebenswegen und Einflüssen höherer Gewalt, die manchmal nur wenige Auswege offen lassen. Und eines ist sicher: Trotz aller Brutalität und Abstrusität ist Bas-Làg auch eine Welt voller Wunder, die sich zu entdecken lohnt. Sollte es China Miéville gefallen, erneut den Pfadfinder durch diese Welt zu spielen, hat er sich eine große Reisegruppe verdient.
Die „Magic Edition“ des BLITZ-Verlags ist schier unberechenbar. Da gibt es Bände wie „Die Geisterseherin“, die mit einfachsten Mitteln einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Oder aber Skurriles wie „Die galaktische Rallye“, wobei sich der Verlag mal ein wenig über die Grenzen der im Titel benannten Magie hinwegsetzt und es mit skurillem Humor versucht. Doch genau so prägnant sind die negativen Eindrücke von Durchschnittsware wie „Die Jahrtausendflut“ und „Endzeit“, die aus der vielversprechenden Serie ein recht wechselhaftes Happening gemacht haben, das im Abonnement daher auch eine ziemliche Riskobereitschaft erfordert. Solange man bei BLITZ allerdings Meisterwerke wie „Regenbogen-Welt“ in die Serie integriert, nimmt man auch gerne mal ein nicht ganz so überzeugendes Buch in Kauf. Die wunderschöne Story, die Alisha Bionda hier kreiert hat, ist nämlich so ziemlich das Beste, was mir aus dem Hause |BLITZ| bislang in die Hände gekommen ist!
_Story_
Saha träumt seit jeher davon, in die fünfte und gleichzeitig höchste Ebene der Regenbogen-Welt zu reisen. Voller Tatendrang entscheidet die junge Gottesanbeterin eines Tages, ihrer Berufung zu folgen und die am fernsten gelegene Landschaft auf der verwaisten Erde zu erkunden. Ihre Freunde sind von dieser Idee jedoch nicht sonderlich begeistert und bremsen Saha in ihrem Vorhaben, schließlich lauern unbekannte Gefahren auf dem langen Weg durch die Ebenen der Regenbogen-Welt. Ihren Mut können die übrigen Insekten jedoch nicht bremsen, und so macht sich Saha mit der Libelle Ishtar, dem Schmetterling Barb und weiteren Tieren auf den Weg, um das zu sehen, wovon sie schon seit Ewigkeiten träumt.
Und wie erwartet birgt die Reise viele unerwartete Geheimnisse, die für Saha und ihre Gefährten nicht immer ungefährlich sind. Doch dank der verschiedenen und sich in der Gemeinschaft ergänzenden Fähigkeiten gelingt es dem neu zusammengefundenen Verbund immer wieder, dem Bösen zu trotzen und seinen Weg fortzusetzen. Dabei stößt Saha schließlich auf die Geheimnisse der ersten Menschen und Informationen über den selber verursachten Verfall ihrer Rasse. Doch auch ein weiterer Aspekt wird ihr gewahr: Sie soll eines Tages zu den Begündern der zweiten menschlichen Rasse gehören und mit ihren Freunden die Erde neu bevölkern. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Saha die fünfte Ebene erreicht …
_Meine Meinung_
Der Inhalt dieses wunderschönen Romans mag auf den ersten Blick anmuten wie die Geschichte eines Kinder- und Jugendbuches, doch dies ist „Regenbogen-Welt“ definitiv nicht. Die Handlung beruht indes auf einer Sage aus dem Bereich der Navajo-Mythologie und ist dementsprechend auch mit einigen esoterischen Ansätzen verknüpft.
Außerdem sind die Heldenfiguren dieses Werkes erst einmal gewöhnungsbedürftig: Eine kleine Schar Insekten soll zusammen mit einigen verbrüderten Freunden aus der Tierwelt im Kampf gegen die Ausgeburten der Erde im nächsten Zeitalter für eine neue menschliche Generation sorgen. Klingt zunächst äußerst seltsam! Doch schneller als man glaubt, werden solche Begebenheiten zur Nebensache degradiert. Saha und ihre Gefährten haben fast ausschließlich ‚typisch menschliche‘ Eigenschaften und Wesenszüge und werden als Identifikationsfiguren sofort akzeptiert. Dass Freundschaft und das Füreinander dabei eine übergeordnete Position einnehmen, ist daher auch selbstverständlich und mitunter einer der wichtigsten Aspekte dieses Romans. Selbst wenn die verschiedenen Tierarten sich partiell unheimlich stark voneinander unterscheiden und in der heutigen Realität wohl kaum einträchtig nebeneinander herlaufen würden, harmonieren sie in dieser phantasiereichen Story wirklich perfekt.
Unterschwellige Anspielungen auf das „wirkliche“ Leben sind natürlich nicht zufällig und werden anhand der Tier-Darsteller auch mit tollen symbolischen Umschreibungen dargestellt. Aber natürlich ist „Regenbogenwelt“ deshalb jetzt kein vornehmlich sozialkritisches oder gar politisches Buch. Im Grunde genommen ist dieser Roman nämlich ein modernes Märchen, das auf den elementaren Eigenschaften der Fantasy-Literatur beruht und dabei die philosophischen Ansätze der Indianerkultur mit einbindet.
Wer jetzt allerdings inhaltliche Parallelen zu „Herr der Ringe“ oder sonstigen bekannten mythologisch motivierten Werken vermutet – schließlich ziehen in „Regenbogen-Welt“ auch einige ungleiche Gefährten auf den Weg in eine andere Ebene –, ist auf dem Holzweg. Die Spannung beruht nämlich nicht ausschließlich auf der Bewältigung von Gefahren und schon gar nicht auf unausgefochtenen, bevorstehenden Kampfhandlungen, sondern schon eher auf der späteren Auseinandersetzung mit dem eigenen Dasein, was erst die Grundlage für die tolle Abenteuerstory liefert.
Ein ganz so leicht zu durchschauendes Buch ist „Regenbogen-Welt“ deshalb ebenfalls nicht, weil neben der im Buch beschriebenen Reise auch diverse Gedankenansätze zur Diskussion gestellt werden, die einen vergleichsweise aktuellen Hintergrund haben und auch durch die Wahl von Schauplätzen und Hauptfiguren nicht verharmlost werden. Beim Betrachten der gescheiterten Existenz der menschlichen Rasse beim ‚ersten Versuch‘ spielt sich infolge dessen auch so manches auf einer eher spirituellen Ebene ab, die durch die meist vereinfachte Darstellung jedoch jederzeit verständlich bleibt und insgesamt auch nicht unnötig verworren oder komplex geraten ist.
Mit anderen Worten also ist „Regenbogen-Welt“ anspruchsvolle Kost in leichter, aber untransparenter Hülle, und dazu ein unheimlich toller, sich in seiner Identität mehrfach wandelnder Abenteuerroman mit außergewöhnlichen Charakteren und herrlicher Entwicklung. Andersartige Fantasy gepaart mit nachdenklich stimmenden Hintergrundthemen – Alisha Bionda hat mit ihrem Roman zur „Magic Edition“ einen wirklich herausragenden Beitrag geliefert, dessen symbolische Mystik von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Sehr empfehlenswertes Buch!
Ein militärisches Missgeschick lässt 99,9% aller Erdmenschen erblinden. Darauf haben die Triffids, genetisch veränderte Nutzpflanzen mit Giftstachel und Wurzelbeinen, nur gewartet: Sie machen Jagd auf ihre hilflosen Herren … – Ein echter Klassiker des Science-Fiction-Katastrophen-Romans, nostalgisch und angestaubt, aber sachlich, hinreißend spannend und immer noch überzeugend zugleich. John Wyndham – Die Triffids weiterlesen →
Vernor Vinge (* 10. Oktober 1944) ist in Deutschland vor allem durch seine beiden jeweils mit dem |Hugo Award| ausgezeichneten Romane „Ein Feuer auf der Tiefe“ (1992) und [„Eine Tiefe am Himmel“ 364 (1999) bekannt. Sie wurden ebenfalls für den |Nebula Award| nominiert, „Eine Tiefe am Himmel“ wurde in Deutschland zusätzlich mit dem Kurd-Laßwitz-Preis prämiert.
Bis zum Jahr 2002 dozierte der Mathematiker und Computerwissenschaftler Vernor Vinge an der San Diego State University, seitdem konzentriert er sich ganz auf seine schriftstellerische Tätigkeit.
Sein neuester in Deutschland erschienener Band „Die Tiefen der Zeit“ ist jedoch trotz des ähnlich klingenden Titels keine Fortsetzung seiner beiden erfolgreichen Romane um die „Zonen des Bewusstseins“, sondern eine Sammlung von achtzehn Kurzgeschichten, die bis auf zwei Ausnahmen in „The Collected Stories of Vernor Vinge“ (Tor Books 2001) enthalten sind. Einige Kommentare wurden aktualisiert, zu „Das Cookie-Monster“ und „Wahre Namen“ wurden sie von Vernor Vinge eigens für die deutsche Ausgabe verfasst und von Erik Simon, der vorliegende ältere Übersetzungen überarbeitet hat, ebenso wie das Vorwort übersetzt.
Die Erzählungen sind thematisch sortiert. Beginnend mit „Bücherwurm, lauf!“, der ältesten Erzählung Vinges aus dem Jahr 1966, zeigt Vinge die Veränderungen, die neue Technologien für die menschliche Gesellschaft bedeuten. Ansätze der Thematik Verschmelzung von Mensch und Maschine im Lauf seiner Evolution sind ebenfalls zu erkennen.
Zahlreiche weitere Erzählungen handeln von postapokalyptischen Szenarien, in denen die gesamte Nordhalbkugel der Erde oder die ganze Menschheit vernichtet wurden. Verschiedene Formen postatomarer Gesellschaften werden vorgestellt, einige davon unter den Einfluss von Aliens.
Drei Erzählungen sind mit nur fünf beziehungsweise sechzehn und sechsundzwanzig Seiten sehr kurz geraten, qualitativ sind diese drei leider auch nicht besser: Insbesondere die titelgebende Erzählung „Tiefen der Zeit“ gehört zu den schwächsten dieser Sammlung. Die für den Hugo-Award nominierte „Barbarenprinzessin“ ist unverständlicherweise als einzige Erzählungen des aus drei Kurzgeschichten bestehenden Romans „Grimms World“ in diesem Sammelband enthalten und konnte mich leider ebenfalls nicht überzeugen.
Davon abgesehen bietet der Sammelband höchst interessante und hochwertig übersetzte Kost; die Nachbearbeitung von Erik Simon zahlte sich hier aus. Interessanterweise fielen mir nur bei der von ihm selbst übersetzten „Barbarenprinzessin“ einige wenige Setzfehler auf.
Auffallend ist der starke amerikanische Einschlag der meisten Geschichten, was vielleicht darin begründet ist, dass sie größtenteils im |Analog Science Fiction and Fact|-Magazin erstveröffentlicht wurden. Einige Thematiken sind heute nicht mehr aktuell, wie russisch-amerikanische Konflikte der Zeit des Kalten Krieges, oder die auf die Apartheid-Problematik abzielende Geschichte „Absonderung“.
Bemerkenswert ist die sprunghafte Qualität der Erzählungen. Vinge ist nicht kontinuierlich besser geworden; eine der besten Erzählungen dieser Sammlung, „Kampflose Eroberung“, stammt bereits aus dem Jahr 1968 und stellt viele der später veröffentlichten Geschichten inhaltlich und schriftstellerisch in den Schatten. Vinge war stets eher ein Ideenschriftsteller denn ein Talent in der Darstellung von Charakteren; in dieser Geschichte sowie in der mit William Rupp geschriebenen Erzählung „Gerechter Frieden“ zeigt er jedoch, dass er auch dies beherrscht. Etwas knöchern und technokratisch wirken dagegen einige der frühen Geschichten in diesem Roman, was leider auch in späteren Storys immer wieder passiert.
Interessanterweise schrieb Vernor Vinge gerade seine visionärsten Ideen in seinen frühen Erzählungen nieder; seine späteren Werke beziehen sich sehr oft auf seine zu dieser Zeit bereits erschienenen Romanwelten und sind für Leser, die diese nicht kennen, schwer verständlich.
Empfehlen kann ich diesen Sammelband auch aus diesem Grund eher Vinge-Kennern denn Neueinsteigern. Etwas irritierend ist, dass dieses Buch auf der Rückseite nirgends als Sammelband gekennzeichnet wird. Dies könnte Leser in den Irrglauben versetzen, eine Fortsetzung seiner „Zonen des Bewusstseins“-Reihe zu kaufen. Mit den prämierten Romanen dieser Reihe kann dieser Sammelband nicht ganz gleichziehen.
Meine persönlichen Highlights stellten „Kampflose Eroberung“, „Wahre Namen“, „Weitschuss“, „Spiel mit dem Schrecken“, „Gerechter Frieden“ sowie „Die Plapperin“ dar.
_Einzelbesprechungen_
_Warnung:_ |Es ist möglich, dass einige Kommentare zu den Geschichten als „Spoiler“ angesehen werden könnten. Ich hab mich dennoch entschieden, nicht auf sie zu verzichten, denn stets erläutert Vinge bereits im jeder Geschichte vorangestellten Vorwort die grundlegenden Gedanken hinter der folgenden Story und fügt weitere im Nachwort hinzu. Ich habe mich hier bewusst noch etwas mehr zurückgehalten als Vinge selbst.|
_Bücherwurm, lauf! / Bookworm, Run!_ (1966, Erik Simon)
|Die USA haben die Sowjetunion weit überflügelt: Bender-Fusionselemente machen Kraftwerke überflüssig, was einen Wirtschaftskollaps zur Folge hatte, von dem man sich aber schnell erholt hat. Der Ostblock besitzt diese Technologie nicht und ist in Auflösung und Anarchie begriffen, ein Schatten seiner einstigen Größe.
Doch die technologischen Geheimnisse drohen verloren zu gehen: Der Schimpanse Norman wurde zu experimentellen Zwecken per Funk an einen Computer mit Zugriff auf eine riesige Datenbank angeschlossen, seine durch diese und den Computer gesteigerte Intelligenz wird zur Bedrohung, als er auch Zugriff auf streng geheime Daten erhält und aus dem Testgelände entkommt …
Der Affe zeigt sich gewitzt und kann seinen Verfolgern entkommen, nicht zuletzt dank seines Zugriffs auf spannende Spionage- und Science-Fiction-Romane, denen er viele Anregungen entnehmen kann. Als er sich sicher ist, dass man ihn töten wird, sobald man ihn gestellt hat, sucht er seine Rettung als Überläufer …|
Vinge geht den Bedenken nach, welche Macht ein solcherart vernetzter Mensch hätte. Die Bender-Fusionselemente und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft nehmen nur einen geringen Raum ein. Eine Fortsetzung mit einem „Über“-Menschen anstelle des Affen lehnte sein Lektor ab; Vinge selbst räumt ein, man würde sich einer Art Singularität (ein Lieblingsbegriff Vernor Vinges) nähern, an der Extrapolation nicht mehr ausreicht und man an die Grenzen menschlicher Vorstellungskraft gelangt.
_Der Mitarbeiter / The Accomplice_ (1967, Franziska Zinn, überarbeitet von Erik Simon)
|Robert Royce, Chef von Royce Technologies, erfährt von seinem Sicherheitsingenieur, dass jemand unbefugt 70 Stunden Rechenzeit des Supercomputers 4D5 im Wert von rund vier Millionen Dollar unterschlagen hat.
Die Nachforschungen führen ihn zu einem seiner besten und exzentrischsten Mitarbeiter, Howard Prentice. Dieser hat eine neue, computergestützte Kunstform geschaffen und sich deshalb heimlich Rechenzeit abgezweigt.|
Diese Geschichte basiert auf der von Gordon Moore 1965 gemachten Beobachtung, dass gewisse Aspekte der Rechenleistung von Computern sich alle ein, zwei Jahre zu verdoppeln scheinen. Vinge hatte eine Vision, wie man mithilfe eines Scanners (in dieser Geschichte noch „Bildlesegerät“ genannt) und eines leistungsstarken Computers aus gezeichneten Bildern einen Animationsfilm generieren könnte. Auch wenn ihm selbst einige seiner Annahmen und aus heutiger Sicht seltsam erscheinenden Technologien peinlich sind – beweisen die Pixar-Studios sowie ILM nicht, dass Computer durchaus einen Film nachbearbeiten oder erschaffen können? Vinges Ideen, Bilder einzuscannen und den Computer dazu passende Animationen errechnen zu lassen, sind zwar krude, völlig falsch lag er mit dieser Einschätzung jedoch nicht. Ebenso mit der Idee, dass Rechenzeit in der Zukunft dank erschwinglicher und leistungsstärkerer Rechner wesentlich günstiger bis kostenlos sein würde.
_Wahre Namen / True Names_ (1981, Hannes Riffel)
|Der „Dämon“ Mr. Slippery wird von den Behörden enttarnt: Man hat seine wahre Identität, seinen wahren Namen herausgefunden und kann ihn nun zur Mitarbeit erpressen. Denn Geheimbünde der so genannten „Dämonen“ – im Cyberspace dominante Persönlichkeiten, die das Netz virtuos beherrschen, sich oft derbe Späße erlauben oder von vorneherein kriminelle Absichten verfolgen – sind die Plage dieser Zeit.
Der geheimnisvolle „Postbote“ scheint politische Ambitionen zu verfolgen; man setzt den Insider Mr. Slippery als verdeckten Ermittler auf ihn an. Mr. Slippery findet zu seinem Erschrecken heraus, dass der Postbote scheinbar einige Mitglieder der Geheimbünde enttarnt, real ermordet und ihre virtuellen Persönlichkeiten übernommen hat. Das Geheimnis um den Postboten wird umso bedrohlicher und ungeheuerlicher, je näher sich Mr. Slippery an die Wahrheit heranpirscht.|
Eine Hackergeschichte à la Vinge. Seine virtuelle Welt ist eine Fantasywelt voller Magie, in der die Rote Hexe und Robin Hood sich ein Stelldichein mit DON.MAC und anderen Persönlichkeiten geben. Die Stärke dieser Avatare liegt in der Anonymität ihrer körperlichen Existenz; diese herauszufinden hat denselben Effekt wie die Kenntnis des wahren Namens eines Magiers im Märchen: Er wird angreifbar und man gewinnt Macht über ihn. Die Identität des Postboten zu ermitteln, erweist sich als schwierig und birgt einige Überraschungen für den Leser. Eine der besten und mit 104 Seiten auch die umfangreichste Geschichte dieser Sammlung.
_Der Lehrling des Fahrenden Händlers / The Peddler’s Apprentice_ (1975, Sylvia Pukallus)
|Graf Fürneham I. von Füffen hat ein Problem: Das Südreich und sein alter Rivale Hollerich Haifischzahn sehen ihn als Bedrohung an und ziehen vereint gegen ihn zu Feld. Fürneham sieht eine Chance in der Magie eines fahrenden Händlers Zagir. Dieser kommt aus dem fernen Sharn, seine Magie würde ihm den Sieg ermöglichen.|
Der Händler entpuppt sich als Zeitreisender aus der Zukunft, deren Waren und Technologie den mittelalterlichen Bewohnern wie ein Wunder erscheinen müssen. Doch diesmal ist der Händler zu früh angekommen: Er hätte eine höher entwickelte Zivilisation erwartet. Eine „Weltregierung“ hat in das Rad der Geschichte eingegriffen und hält die Zivilisation in kontrollierter Stasis. Bisher endeten alle Zivilisationen mit ihrer eigenen Vernichtung, dieses Mal ist es gelungen, den Kreislauf zu unterbrechen. Persönliche Aggressivität und technischer Forschungsgeist werden als Bedrohung angesehen und unterdrückt. Der Händler aus der Zukunft ist eine Bedrohung für dieses System.
Diese Geschichte enstand in Zusammenarbeit mit Vernor Vinges damaliger Frau Joan D. Vinge. Die Moral der Geschichte ist die Unentscheidbarkeit: Die erzwungene Stasis ist eine Bevormundung und Unterdrückung der freien Entscheidungsfähigkeit des Menschen. Nachdem der Händler den Menschen hilft, sich von diesem Joch zu befreien, muss man leider erleben, wie Graf Fürneham nach den Geheimnissen der Zukunft strebt und zum Krieg rüstet.
_Die Unregierten / The Ungoverned_ (1985, Erik Simon)
|Nach einem Atomkrieg sind die Vereinigten Staaten in zahllose kleine Nationen zersplittert. Große Teile der Bevölkerung werden von mafiaähnlichen „Sicherheitsdiensten“, die sich selbst zum Beispiel „Michigan State Police“ oder „Al’s Protection Racket“ nennen, kontrolliert und gegen andere Sicherheitsdienste verteidigt. Die geeinte neumexikanische Republik rüstet zur Eroberung dieser vermeintlich herrenlosen Gebiete und dringt mit massiven Panzer- und Luftstreitkräften in das Gebiet der Sicherheitsdienste ein. Doch in dem vermeintlich wehrlosen Land ist jeder einzelne Bewohner mit Waffen von beträchtlicher Zerstörungskraft ausgestattet …|
Vinge präsentiert seine Vision einer anarcho-kapitalistischen Gesellschaft mit ausgeprägt individuellen und gewalttätigen Zügen, die dennoch friedlich koexistieren könnte, solange niemand das Gleichgewicht des Schreckens zu seinen Gunsten beeinflussen will. Waffenhändler verkaufen an den Meistbietenden, alte Depots der US Army sind Fundgruben für den Entdecker. An die Stelle nuklearer Monopolmächte treten einzelne Personen mit Militärausrüstung bis hin zu Massenvernichtungswaffen, denen gegenüber selbst ein ganzer Staat klein beigeben muss. Vinge spricht damit eine sehr moderne Furcht an; fühlt man sich doch heute bereits bedroht, sollte ein Staat wie der Iran in den Besitz solcher Waffen geraten.
_Weitschuss / Long Shot_ (1972, Erik Simon)
|Eine Raumsonde wird auf die lange Reise in das Alpha-Centauri-System geschickt. Die „Ilse“ genannte künstliche Intelligenz verliert jedoch den Kontakt zur Erde, die sich nach einem sprunghaften Ansteigen der Sonnenaktivität auf das Zehnfache plötzlich nicht mehr meldet. Ilse setzt ihre Mission fort und überprüft gewissenhaft ihre Funktion auf der langen Reise, die von zahlreichen Systemausfällen geplagt ist. Zu ihrem Entsetzen hat sie über die Jahrhunderte auch den selten gebrauchten Teil ihres Speichers verloren, der Ziel und Zweck ihrer Mission enthält. Ilse versucht, aus ihrer Form und Beschaffenheit sowie den erhaltenen Teilen ihres Speichers sowie ihrer Nutzlast, die hauptsächlich aus gefrorenem Wasser und einigen wenigen Mikroorganismen besteht, auf ihre Mission zu schließen. Im Alpha-Centauri-System angekommen, macht sie sich auf die Suche nach Planeten mit bestimmten, eng eingegrenzten Parametern.|
Der Erzähler berichtet aus der analytischen und maschinenhaft geduldigen Perspektive Ilses. Deshalb bleibt die Mission Ilses bis zur Auflösung am Ende für den Leser ein Geheimnis, auch wenn man sie sich anhand der beschriebenen Details und Vinges Vorwort schon vorher erschließen kann. Diese vielleicht faszinierendste Geschichte des Sammelbands schreit geradezu nach einer Fortsetzung, die Vinge zwar bereits in Erwägung gezogen, aber leider noch nicht geschrieben hat.
_Absonderung / Apartness_ (1965, Erik Simon)
|Eine südamerikanische Expedition entdeckt auf einer Insel der Antarktis einen primitiven Stamm, den sie erforscht. Es kommt zu Auseinandersetzungen und man zieht sich zurück. Der Botschafter der Zulunder zeigt sich sehr interessiert an dieser Entdeckung der Südamerikaner, denn die beiden dort gefundenen Schiffswracks stehen in Zusammenhang mit der Vertreibung der letzten Weißen aus Afrika nach dem nuklearen Desaster, das die komplette Nordhalbkugel verwüstet hat.|
Mit 26 Seiten ist diese Geschichte sehr kurz, und sie basiert auf nur zwei Gedanken: Warum gibt es in der Antarktis keine Eskimos? Warum leben keine Menschen dort? Was müsste passieren, damit Menschen sich in dieser unwirtlichen Gegend ansiedeln?
Vinge macht betroffen mit der Häme der schwarzen Zulunder, die sich an der Lage der primitiven Nachfahren der weißen Oberschicht ergötzen. Diese floh damals mit zwei Schiffen aus Südafrika, bekam in Südamerika kein Asyl und muss nun in der Antarktis dahinvegetieren.
Der zweite Gedanke ist die Parabel auf die gewünschte Rassentrennung und das Konzept der Apartheid an sich, das 1965 noch sehr aktuell war. Sie ist kurz, einprägsam und macht betroffen:
„Es wird uns ein Vergnügen sein, zu sehen, wie sie sich ihrer Überlegenheit erfreuen.“ Lunama beugte sich noch eindringlicher vor. „Jetzt haben sie endlich die Absonderung von uns, die ihresgleichen immer wollte. |Sollen sie darin verfaulen| …“ (S. 333)
_Kampflose Eroberung / Conquest by Default_ (1968, Erik Simon)
|Ron Melmwn ist ein Anthropologe des „Pwrlyg“ Konsortiums, das in Australien einen Stützpunkt auf der von einem Atomkrieg weitgehend verwüsteten Erde unterhält. Man plant, die verseuchten Zonen zu besiedeln, ist aber sonst freundlich zu den Menschen und hilft ihnen sogar. Doch es gibt auch Stimmen, die eine Ausrottung der Menschheit fordern, denn die Terroranschläge der Organisation „Merlyn“ kosten das Konsortium viele Leben und Geld. Man argumentiert, es wäre einfacher, diese Welt ohne störende Einflüsse wie eine andere Spezies oder Terroristen neu zu besiedeln.
Melmwn untersucht, warum einige Menschen gegen die Pwrlyg rebellieren. Ist die in zahllose Unternehmen aufgeteilte, von Unparteiischen in der Art eines Kartellamts überwachte Aliengesellschaft nicht der perfekte Weg, um Machtmissbrauch und Kriege wie durch die Regierungen zu verhindern? Sind grenzloser Individualismus mit nur geringen gesellschaftlichen Regeln und ein wahres multikulturelles Nebeneinander nicht auch ein Traum der Menschheit?
Er erkennt, dass trotz aller guten Absichten die Menschheit Widerstand leisten muss, wenn sie ihren eigenen Weg gehen will. Doch es scheint keinen Ausweg zu geben; kulturelle Assimilation oder die totale Vernichtung ist die Wahl, vor der die Menschheit gestellt wird. Mary Dahlmann erzählt Melmwn vom Schicksal der Indianer, und auch andere hochrangige Aliens scheinen das Dilemma der Menschheit begriffen zu haben …|
Diese Geschichte gehört zu den Highlights des Sammelbands. Beeindruckend schildert Vinge, wie die hilfsbereiten Aliens auch ohne Gewalt die Menschheit vernichten können, bis nur noch wenige „Natives“ in der Art der nordamerikanischen Indianer übrig geblieben sind, deren Kultur und Lebensweise es kaum anders ergangen ist.
Dabei erschüttert das Dilemma: Kampf, um sich selbst zu erhalten, und die Vernichtung durch die Aliens riskieren? Oder sich anpassen und langsam untergehen? Oder werden sich die Aliens zurückziehen, die Menschheit sich selbst überlassen?
_Die Tiefen der Zeit / The Whirligig of Time_ (1974, Werner Vetter, überarbeitet von Erik Simon)
|Nach einem verheerenden Atomkrieg entstand das Kaiserreich der Menschheit. Dank der Erfindung des Raumantriebs konnte man sich über das ganze Sonnensystem ausbreiten. Die herrschende Dynastie geht mit den Nachkommen der Verlierer des letzten Kriegs unmenschlich und selbstherrlich um. Alle Erinnerungen an die Vergangenheit werden gezielt unterdrückt, ebenso einige Bereiche der Wissenschaft, die völlig unter der Kontrolle des Kaisers steht. Ein Terrorregime, das einer späten Rache zum Opfer fallen wird …|
Mit 26 Seiten erneut eine sehr kurze Geschichte, die inhaltlich vor Klischees nur so trieft. Vinge hat diesmal auf ein Nachwort verzichtet, auch sein Vorwort ist diesmal belanglos und kurz, er redet um den in meinen Augen peinlichen Kern der Geschichte herum.
Die böse und verderbte Herrscherschicht trägt an die russische Romanov-Dynastie erinnernde Namen, ihre armer, unterdrückter Hofnarr die Uniform der US Army. Von den Künsten schätzt der Kaiser nur „heroische Architektur“, die er für zahllose gigantische Denkmäler seiner selbst benötigt. Sein Sohn ist ein verwöhnter Fratz und behandelt wunderschöne Frauen wie Spielzeug. Kurz, eine schrecklich nette Familie.
Was ist nun der Sinn der Geschichte? In meinen Augen, ihren viel versprechenden und zu den anderen Vinge-Romanen der „Zonen des Bewusstseins“ passenden Namen, „Die Tiefen der Zeit“, für diese Sammlung herzugeben. Der Kaiser findet einen verirrten Blindgänger des Atomkriegs und nimmt ihn, die Gefahr verkennend, auf Wunsch seines Sohns an Bord ihres Raumschiffs. Die ganze kaiserliche Familie explodiert mitsamt ihres amerikanischen Hofnarren, der vermutlich zusätzlich aus hämischer Freude gleich doppelt explodiert ist. Diese Geschichte ist geprägt von dem Geist vergangener Ost-West-Konflikte und aus heutiger Sicht unerträglich; sie kann weder schriftstellerisch und inhaltlich mit ihren Rachegedanken und der klischeehaften Schwarz-Weiß-Malerei überzeugen.
_Spiel mit dem Schrecken / Bomb Scare_ (1970 Franziska Zinn, überarbeitet von Erik Simon)
|Die Dorvik, eine fortschrittliche Rasse, die sich selbst als die „Söhne des Sandes“ bezeichnet, sind eine kriegerische, an irdische Reitervölker erinnernde Spezies. Ihre Lebensauffassung ist extrem sozialdarwinistisch, sie dulden keine anderen Völker neben sich und unterwerfen sie oder rotten sie aus.
Dank ihres Materie-Energie-Konverters sind die Dorvik in der Lage, gigantische Schlachtschiffe in den Weltraum zu bringen und sie mit furchtbaren Waffen auf derselben Basis zu bestücken. Die primitive Menschheit wäre in ihrem kleinen Sonnensystem an und für sich kein Problem für die Dorvik, doch bei aller Primitivität besitzen sie eine Abwehrwaffe gegen die Konverter der Dorvik. Da die Eroberung des Sonnensystems deshalb mit primitiven Waffen betrieben werden muss, häufen sich die Verluste der Dorvik. Prinz Lal e’Dorvik beschließt, die Erde zu sprengen, um so den Widerstand zu brechen.
Doch zwei jugendliche Aliens bedrohen sowohl Dorvik als auch die Menschen: Sie regen mit ihrem kleinen, nur neun Meter großen Raumschiff die Sonne zur Nova an und verstärken ihre Energien, die sie auf einen Schlag freisetzen wollen. Das Ergebnis wäre eine ins unermessliche verstärkte Supernova, die nicht nur das gesamte Sonnensystem, sondern unaufhaltsam, nur durch die Lichtgeschwindigkeit verzögert, alle Welten des Dorvik-Raums zerstören würde.|
Hier sind sie, die guten alten BEMs (Bug Eyed Monsters). Die Dorvik sind kalte, brutale, schuppige, reptilienartige Eroberer, die kleine Säugetiere, Milvaks, als Hors d’oeuvres gerne mal mit der Kralle aufspießen, sich an ihren Zuckungen ergötzen und sie aussaugen.
Die Geschichte wird zum Großteil aus der Sicht ihres Kommandeurs Prinz Lal erzählt, der die Menschheit gar nicht erst mit einem Namen versieht, sondern stets nur vom |Feind| redet. Er will sie alleine schon aus dem Grund vernichten, dass sie ein Abwehrmittel gegen die Überlegenheitswaffe der Dorvik besitzen. Die Geschichte ist sehr humorig und voller Ironie: Zwei Alien-Bengel mischen sich als dritte Partei ein und werden von den Dorvik attackiert. Dank ihrer grenzenlosen technologischen Überlegenheit können diese ihnen nichts anhaben, aber diesen Affront wollen sie nicht auf sich sitzen lassen und beginnen, die Sonne zur Explosion anzuregen. Bis ihre Mutter erscheint und ihnen ordentlich die Leviten liest …
Die Dorvik blasen die Vernichtung des Sonnensystems ab und nehmen Friedensverhandlungen mit den Menschen auf. Prinz Lal hat gehöriges Muffensausen bekommen und verzweifelt an der Tatsache, dass selbst alle fortschrittlichen Rassen zusammen wohl nicht ausreichen würden, um ihre Sonnen gegen diesen |Feind| zu beschützen. Wie ein trotziges Kind reagiert der große Kriegsherr auf diese „Bedrohung“, nicht ahnend, dass es sich nur um den ungezogenen Streich zweier Jugendlicher handelte. Doch dieser Streich bedeutet die Rettung der Menschheit und anderer Rassen:
„Alles, was lebt, muss sich gegen sie verbünden.“ Zornig schüttelte er seine Klaue gegen den Himmel. (S. 422)
_Die Wissenschaftsmesse / Science Fair_ (1971, Erik Simon)
|Der erfolgreiche Industriespion Leandru Ngiarxis bvo-Ngiarxis wird von der hübschen Tochter des genialen Wissenschaftlers Beoling Dragnor bvo-Grawn um Hilfe angefleht: Er soll ihren Vater auf der Wissenschaftsmesse beschützen. Der Fürst von Grawn und Eigentümer des gleichnamigen Unternehmens möchte ihn umbringen, da er sich von seinem Clan losgesagt hat und möglicherweise wissenschaftliche Geheimnisse an die Konkurrenz weitergeben könnte.
Doch es geht um weitaus mehr als kleinliche wirtschaftliche Interessen: Beoling Dragnor hat eine Entdeckung gemacht, die die Zukunft ihrer auf einer Eiswelt in tiefer Dunkelheit lebenden Spezies betrifft.|
Mit 14 Seiten ist dies die kürzeste Geschichte, die Vinge jemals geschrieben und veröffentlicht hat. Obwohl man davon ausgeht, dass es sich um Menschen handelt, kann man sich nicht sicher sein: Eine lebensfeindliche Dunkelwelt des ewigen Eises, bevölkert von Wesen die im Infrarotbereich sehen, deutet nicht gerade darauf hin. Die Gesellschaft ist in Industrie-Clans aufgeteilt, die Clanzugehörigkeit wird durch das Suffix bvo-Clanname angezeigt. Obwohl diese Welt hart und unerbittlich ist, arbeitet man gegeneinander und für den eigenen Profit. Die Entdeckung Beoling Dragnors zeigt eine Bedrohung dieser Wesen, die sie nur durch Zusammenarbeit vielleicht abwenden können.
Vinge spielt hier unter anderem auf globale Umweltprobleme unserer Welt an, die nur durch internationale Kooperation gelöst werden können. Doch Profit und Gewinnstreben, Wettbewerb zwischen den Staaten und ihren Unternehmen blockieren bekanntermaßen viele Maßnahmen zum Schutz der Umwelt – was uns bei diesen Aliens so unsinnig erscheint, ist auch in unserer Welt unsinnig, aber dennoch vorhanden!
_Edelstein / Gemstone_ (1971, Erik Simon)
|Die kleine Sanda verbringt im Sommer 1957 einen langweiligen Urlaub bei ihrer Großmutter. Doch es spukt im Haus ihrer Großmutter. Ein seltsamer „Edelstein“ frisst Plastikblumen und spuckt Diamanten aus. Bei Berührung erzeugt er seltsame Gefühle, Sanda meint, dass er lebt. Doch erst der Einbruch einer Bande, die der ungewöhnliche Reichtum der alten Frau auf den Plan gebracht hat, lässt Sanda erkennen, was genau der „Edelstein“ eigentlich ist.|
Sein Lektor Stanley Schmidt hätte diese Geschichte zuerst abgelehnt, erklärt Vinge. Sie sei auch wirklich das Unausgewogenste, das er je geschrieben habe, könne sich nicht entscheiden, um was es eigentlich geht.
Dennoch ist „Edelstein“ vielleicht gerade deshalb so interessant. Vinge hat die Erinnerung an einen langweiligen Urlaub mit seiner sehr eigenen Interpretation des Films „Das Ding aus einer anderen Welt“ vermengt, dabei kam eine Art Gruselvariante des viel später erschienenen „E.T.“-Films von Steven Spielberg heraus. Allerdings sind nur gewisse Elemente dieser Geschichten ähnlich, die Erkundung und Erfahrung des fremdartigen Wesens des „Edelsteins“ macht den Reiz der Geschichte aus, die zusätzlich noch leichte Konflikte zwischen Großmutter und Enkeltochter aufweist, was bei einer Kurzgeschichte wie dieser abschweifend und irritierend wirken kann.
_Gerechter Frieden / Just Peace_ (1971, Erik Simon)
|Ein duplizierter Agent und Botschafter der Erde soll auf einem krisengeschüttelten Planeten des Delta-Pavonis-Systems Frieden schaffen. Doch die beiden Parteien zeigen sich uneinsichtig und bekämpfen sich lieber bis zur gegenseitigen Vernichtung als die Vermittlung anzunehmen. Der Agent beschließt, sie zu ihrem Glück zu zwingen. Dazu greift er zu radikalen Mitteln und terrorisiert beide Seiten, die daraufhin das Kriegsbeil begraben und sich auf den neuen, gemeinsamen Feind konzentrieren.|
Diese Geschichte schrieb Vinge zusammen mit seinem Freund William Rupp. Sie erinnert ein wenig an „Spiel mit dem Schrecken“: Erneut werden zwei verfeindete Parteien durch einen gemeinsamen „Feind“ geeint. Es werden jedoch einige neue Aspekte aufgegriffen, wie die Möglichkeit, Körper und/oder Bewusstsein zu übertragen, zu „klonen“ oder zu „duplizieren“. Der springende Punkt an der Geschichte ist die menschenverachtende Brutalität, mit der der Agent vorgeht, gar vorgehen muss, die abertausende das Leben kostet – und dennoch eine ganze Welt rettet. Dieses moralische Dilemma ist zentral für die Geschichte, in der Vinge und Rupp im Gegensatz zu vielen anderen Geschichten dieser Sammlung viel Zeit auf die Charakterisierung des Hauptcharakters verwenden, die demzufolge auch wesentlich lebendiger und unterhaltsamer als sonst gelungen ist, was dem Lesevergnüngen ausgesprochen gut tut.
_Mit der Sünde geboren / Original Sin_ (1972, Joachim Körber, überarbeitet von Erik Simon)
|Die Shimaner sind die zweite intelligente Spezies, der die Menschheit je begegnet ist. Bei der Landung der Menschheit lebten sie noch im Paläolithikum. Doch sie lernen unheimlich schnell, besitzen eine überragende Intelligenz und eine bemerkenswerte Gabe zum logischen und problemlösenden Denken. Deshalb importiert man viele Shimaner auf die Erde, um sie zur Lösung verzwickter Problemfälle einzusetzen. Die Shimaner haben einen Traum, den auch die Menschheit teilt: Unsterblichkeit. Aber leider leben sie nur knapp 25 Monate. Ungeduldig und aggressiv erscheinen sie deshalb den Menschen; ein shimanischer Projektmanager duldet keine Verzögerungen, was man allgemein ihrer niedrigen Lebensspanne zuschreibt.
Ein gewisser Samuelson bietet den Shimanern Raumschiffe an, mit denen sie in den Weltraum expandieren können. Als Konkurrent der Menschheit, die sich immer mehr auf sie verlässt und degeneriert …|
Diese Geschichte steht in Kontrast zu einem sonst sehr üblichen Schema: Weise, langlebige und großmütige Außerirdische mit höherer Intelligenz und Wissen stehen normalerweise einer kurzlebigen, aggressiven und dümmeren Menschheit gegenüber. Vinge hat dieses Schema hier verdreht: Hier ist die kurzlebige und aggressive Spezies intelligenter als die Menschen, deren Großmut ihnen schlecht gelohnt werden könnte. Das „Sein bestimmt das Bewusstsein“, meinte Marx, und unter dieser Prämisse muss man auch die höllischen Zustände auf Shima verstehen, die dem Leser vor Augen geführt werden: Die Shimaner durchleben in kurzen Zeitspannen alle Sünden und Grausamkeiten der Menschheit – und nun droht ihre Expansion zu anderen Sternen, was ein gewaltiges Gefahrenpotenzial für die Menschheit darstellt.
_Die Plapperin / The Blabber_ (1988, Erik Simon)
Obwohl Vernor Vinge „Die Plapperin“ lange vor „Ein Feuer auf der Tiefe“ und [„Eine Tiefe am Himmel“ 364 geschrieben hat, kann man diese Geschichte als Erweiterung dieser beiden Romane ansehen. In der Tat ist die Idee der auf mehrere Körper verteilten Bewusstseinsteile der Klauenwesen in der Plapperin sehr ähnlich zu „Ein Feuer auf der Tiefe“.
_Warnung:_
Da diese Geschichte in Vinges „Zonen des Bewusstseins“-Universum spielt, sollte sie nur gelesen werden, sofern man „Ein Feuer auf der Tiefe“ bereits gelesen hat. Ansonsten stößt man auf nirgends erklärte Konzepte, kann Vinge nicht folgen und verdirbt sich möglicherweise den Spaß an „Ein Feuer auf der Tiefe“.
_Gewinne einen Nobelpreis! / Win a Nobel Prize!_ (2000, Erik Simon)
Im Jahr 2000 schrieb Vernor Vinge für das wöchentliche erscheinende |Nature|-Magazin wie viele andere SF-Autoren nach der Idee des Redakteurs Henry Gee eine maximal drei Seiten lange Geschichte, die einen Ausblick ins nächste Jahrhundert bieten soll.
Vinge schreibt in der Form einer E-Mail mit zahlreichen Hyperlinks (die Links sind in der Druckausgabe unterstrichen, aber ohne URL) und berichtet über eine Technologie, die Erinnerungen an seine erste Geschichte weckt: Die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Alles in allem kein neuer Gedanke und nur mäßig originell geschrieben.
_Die Barbarenprinzessin / The Barbarian Princess_ (1986, Erik Simon)
|Verleger Rey Guille reist mit seiner Barke auf einer Welt umher, die aus zahllosen Archipelagos besteht. Große Teile dieser Welt befinden sich noch im Stadium tiefer Barbarei, der Entwicklungsstand von Rey Guilles Mannschaft ist schwer einzuschätzen, Buchdruck und Seefahrt auf dem Stand des 15. Jahrhunderts beherrschen sie jedoch bereits.
Seine populärste Serie ist die über Hrala, eine über einen Meter achtzig große, phantastisch gebaute, unglaublich starke und geschickte, rachsüchtige und triebhafte Barbarenprinzessin. Eines Tages bringt man ihm eine echte Barbarin an Bord, deren unaussprechlichen Namen er zu Tatja Grimm verkürzt. Sie ist sehr groß; auch wenn sie rotes statt schwarzem Haar hat und der Busen viel zu klein ist, meint man, aus ihr eine perfekte Hrala für Werbezwecke machen zu können.
Die in der Zivilisation sehr verloren wirkende Tatja darf bald ihre Schauspielkünste beweisen: Guille und seine Crew werden bei Nachforschungen über das Schicksal der Besatzung einer geenterten Barke von Wilden gefangen genommen. Mit billigem Flitter als Rüstung und einem hölzernen Schwert, das, mit Glitzersteinchen besetzt und silberner Farbe bestrichen, keinen Hieb verkraften würde, macht sie sich daran, die Einheimischen in der Rolle von Hrala das Fürchen zu lehren und Rey zu retten.|
Diese Erzählung wurde im Jahre 1987 für den Hugo-Award nominiert. Dabei muss man wohl den in Deutschland bisher noch nicht veröffentlichten Roman „Grimm’s World“ kennen, denn der Weltentwurf ist nur sehr vage und unbefriedigend lückenhaft, selbst für eine Erzählung. Mit Rey Guille und Hrala, der Barbarenprinzessin, sind Anspielungen auf den bekannten Science-Fiction-Schriftsteller und Herausgeber Lester del Rey sowie Robert E. Howards Conan- und Red-Sonja-Erzählungen enhalten.
Die Geschichte ist keineswegs als Persiflage zu verstehen, denn Tatja spielt ihre Rolle so gut und mutig gegenüber den bewaffneten Wilden, dass Rey am Ende glaubt, einer Besucherin von einem anderen Stern, einer Göttin, gegenüber zu stehen.
Überzeugen konnte mich diese Geschichte allerdings nicht: Man kann sie nicht mit der Heroic Fantasy eines Robert E. Howard vergleichen, noch handelt es sich um Science-Fiction im herkömmlichen Sinne. Diese Geschichte erschien mir sehr inkonsistent; es ist nie klar, ob die Wilden die Hrala-Geschichten kannten oder überhaupt lesen konnten, aber die Show beeindruckte sie genug, um ihre Gefangenen freizulassen.
Dass die Barke, auf der Rey Guille lebt, ein gigantisches Schiff von der Größe einer Kleinstadt ist, und dass Tatja wirklich schlauer ist als die Barbaren, bei denen sie aufgewachsen ist, und sogar schlauer als die Leute an Bord der Barke und sie in der Folge versucht, sich zur Herrin derselben aufzuschwingen, konnte ich nur durch Recherche herausfinden.
Der Roman „Grimm’s World“ besteht aus drei Kurzgeschichten, die relativ wenig Kohärenz besitzen und eher dem Fantasy-Genre mit anthropologischen Einschlägen zuzuordnen sind. „Die Barbarenprinzessin“ ist die erste dieser Geschichten; was sie von den beiden anderen getrennt in diesem Sammelband zu suchen hat, ist fraglich. Lust auf „Grimm’s World“ hat sie nicht gerade gemacht.
_Das Cookie-Monster / The Cookie Monster_ (2003, Erik Simon)
Eine weitere Geschichte zu Vinges Lieblingsbegriff und -thema „Technische Singularität“: Was wäre, wenn es KIs gäbe, die nicht viel intelligenter als wir wären, aber mehrere tausend Mal schneller denken könnten?
Diese KIs könnten innerhalb weniger Augenblicke Weisheit erlangen, die einem Menschen verschlossen bliebe. Was wäre, wenn diese KIs ihre Erfahrungen speichern und an andere KIs weitergeben würden?
Bis diese Geschichte anfängt, interessant zu werden, vergeht leider geraume Zeit. Erst ab dem Kontakt Dixie Maes mit Rob Stern kann diese Erzählung gefallen; die wirklich interessanten angesprochenen Thematiken kommen dann leider arg kurz. Als krönenden Abschluss des Sammelbands hätte ich mir eine andere Geschichte gewünscht; obwohl neueren Datums, konnte sie mich ähnlich wie die „Barbarenprinzessin“ nicht ansprechen.
Das 21. Jahrhundert nähert sich seiner Mitte, als das Forschungsschiff „TRS Ringmeister“ den Gasplaneten Saturn ansteuert. Sieben Männer und Frauen nehmen an dieser Mission teil, die unter dem Kommando von Cirocco Jones steht. Das eigentliche Reiseziel gerät indes ins Abseits, als im Orbit des Planeten kreisend ein bisher unbekannter Mond recht stattlicher Größe entdeckt wird. „Themis“ wird er genannt und die Aufregung ist groß, als er sich als künstliches Gebilde erweist – ein 1300 km durchmessendes Rad mit sechs Speichen, dessen „Felgenumfang“ 4000 km beträgt.
Der Auftakt zu Sergej Lukianenkos Wächter-Trilogie schlug unter anderem dank großzügiger Kinowerbung ein wie eine Bombe, das Buch stand wochenlang in den Bestsellerlisten ganz weit oben und auch der Andrang am Kino war anfangs für eine russische Verfilmung sehr groß. Und auch wenn der Kinofilm vielleicht nicht den westlichen Massengeschmack getroffen hat, wurde die Fortsetzung in Buchform doch ungeduldigst erwartet. In [„Wächter der Nacht“ 1766 wurde ein düsteres Bild von Moskau gezeichnet; hier trafen wir auf den Lichten Magier Anton, der für die Nachtwache arbeitet und einige Abenteuer und Gefahren zu überstehen hat. Die beiden großen Magier Sebulon und Geser intrigieren gegenseitig und manchmal auch scheinbar gegen ihre eigene Wache, sodass nie klar war, wer in dieser Trilogie wirklich die Guten sind und wer die Bösen. Umso gespannter war ich auf die „Wächter des Tages“, die sich nun der Gegenseite widmen, sodass wir auch die Tagwache näher kennen lernen werden.
Zunächst treffen wir auf die dunkle Hexe Alissa, die einst Sebulons Geliebte war, nach dem Missbrauch des Kraftprismas beim Chef der Tagwache allerdings in Missgunst gefallen ist. Die erste Geschichte beginnt sogleich mit einem Kampf zwischen den Lichten und den Dunklen, bei dem eine Dunkle stirbt und Alissa alle magischen Kräfte verliert und nicht mehr ins Zwielicht eintreten kann. Doch dadurch rehabilitiert sie sich und gewinnt Sebulons Vertrauen zurück. Alissa wird zu einem Urlaub in ein Kindererholungsheim geschickt, um dort neue Kräfte zu tanken. In den Alpträumen der Kinder gewinnt Alissa ihre magischen Fähigkeiten zurück. Doch auch ein anderer Betreuer erhält Alissas verstärkte Aufmerksamkeit, denn sie beschließt, die Zeit im Erholungsheim zu einer kleinen Affäre zu nutzen. So verführt sie den gut aussehenden Igor und verbringt eine heiße Nacht am Strand mit ihm. Doch als sie ihre magischen Fähigkeiten zurückerlangt hat, muss sie erkennen, dass Igor ein lichter Magier ist, der ebenfalls zum Krafttanken in das Heim geschickt wurde. Es kommt zum Kampf zwischen den beiden, der für einen der Widersacher tödlich endet.
Die zweite Geschichte widmet sich dem Lichten Witali, der sein Gedächtnis verloren hat und nicht weiß, wer er eigentlich ist. Nach und nach bemerkt Witali, dass er über große magische Kräfte verfügt, mit denen er sogar Geser und Swetlana überrumpeln kann. Gleichzeitig wird eine mächtige Kralle entwendet, woraufhin es zu einigen Morden auf Seiten der Dunklen kommt. Erst nach und nach wird klar, welche Rolle Witali im Gesamtgefüge der Wachen spielt, am Ende der Geschichte kommt es zu einem fulminanten Showdown, bei dem das Kräftegleichgewicht wieder hergestellt wird.
Erst in der dritten Geschichte jedoch verdichten sich die Geschehnisse, wir erfahren mehr über die Zusammenhänge innerhalb des zweiten Teils der Wächter-Trilogie, aber langsam durchschauen wir auch, welche Rolle Alissa und ihre Liebesgeschichte spielen, welchen Part Igor dabei einnimmt und welchen die gestohlene Kralle. Im Laufe dieser Geschichte gibt Sergej Lukianenko viele Geheimnisse preis und erklärt uns ansatzweise, welche düsteren Pläne die beiden Chefs der Tag- und Nachtwache verfolgen. Auch hier wird wieder mehr als deutlich, dass es keine Guten und Bösen im eigentlichen Sinne gibt. Doch leider endet auch diese Geschichte offen, sodass wir ungeduldig auf den bereits heiß ersehnten dritten Teil „Wächter des Zwielichts“ warten müssen, bis wir endlich hinter die Fassaden blicken können …
Sergej Lukianenko versteht es hervorragend, seine Wächter-Trilogie in diesem Mittelband fortzusetzen und weiter auszubauen. Er gönnt uns keine Ruhepause, sondern steigt direkt mit einem gefährlichen Kampf zwischen Licht und Dunkel ein, bei dem beide Seiten große Verluste wegzustecken haben. Doch wie schon im ersten Teil, dient auch diese Schlacht nur zur Ablenkung. Sebulon und Geser verfolgen beide ihre eigenen Pläne und setzen ihre eigenen Wächter wie Figuren in einem Schachspiel ein, sodass die eine oder andere Figur bei diesem Spiel auch geopfert werden muss. Nur ganz langsam lässt Lukianenko uns einige Zusammenhänge verstehen und erst am Ende von Band 2 erfahren wir, wessen Schicksal durch die Schicksalskreide in [„Wächter der Nacht“ 1828 eigentlich umgeschrieben wurde und zu welchem Zweck dies geschah. Dadurch baut Lukianenko kontinuierlich Spannung auf, doch ganz bewusst lässt er viele Fragen offen, die uns natürlich zum Kauf der Fortsetzung verleiten werden.
Während Sergej Lukianenko uns in seinem ersten Teil Anton als Bezugsperson an die Hand gegeben hat, aus dessen Sicht wir sämtliche Ereignisse geschildert bekommen haben, wechseln die Bezugspersonen in „Wächter des Tages“, sodass wir uns nicht so recht einfühlen können in die Welt der Tagwache. In dem Moment, wo uns die Hexe Alissa sympathisch wird und wir ihre widerstreitenden Gefühle nachvollziehen können, müssen wir uns von ihr bereits verabschieden, weil die Perspektive zu Witali wechselt, der für die zweite Geschichte unser Erzähler sein wird. Für die Sympathieverteilung bedeutet das, dass wir weiterhin eher mit den Wächtern der Nacht fühlen, da Anton für mich der Sympathieträger bleibt, der immer noch seiner Liebe Swetlana hinterher trauert, mit der er aufgrund ihrer großen magischen Kräfte keine glückliche Zukunft haben kann.
Meiner Meinung nach verschenkt Sergej Lukianenko durch den Wechsel der Bezugspersonen einiges Potenzial, da wir mit keiner handelnden Figur so recht warm werden können. Unsere Sympathieträger werden immer genau dann geopfert, wenn wir sie gerade besser kennen gelernt und uns mit ihnen angefreundet haben. Dadurch steht man als Leser etwas verloren da und vermisst eine Identifikationsfigur, die Anton im ersten Band repräsentiert hat. So war ich dann froh, als Anton in der dritten Geschichte dieses Bandes wieder eine wichtige Rolle übernahm und häufiger auftrat. In der dritten Geschichte schwenkt Sergej Lukianenko hin und her, im regelmäßigen Wechsel begleiten wir auf der einen Seite Anton und auf der anderen Seite den Dunklen Edgar, die beide allmählich die Pläne ihrer beiden Chefs durchschauen und uns dabei peu à peu die Antwort auf viele Fragen präsentieren.
Auch in diesem Band spielt Sergej Lukianenko seine Stärken aus; so gestaltet er seine Charaktere weiter aus und wir lernen neue Facetten der wichtigen Figuren kennen. Bei Lukianenko gibt es keine Schwarzweiß-Zeichnungen, er gibt all seinen Charakteren gute wie auch schlechte Wesenszüge mit, die die Grenzen zwischen Gut und Böse erfreulich verwaschen gestalten. So kann im Grunde genommen jeder Leser für sich entscheiden, mit wem er mitfiebern möchte, Lukianenko gibt uns keine Seite vor. Für mich ist und bleibt Anton Gorodetzki die Identifikationsfigur schlechthin, seine Gefühle für Swetlana sind nachvollziehbar, ebenso wie seine Zweifel und Frustration, weil er die Pläne seines Chefs nicht versteht und sich von Geser und Sebulon ausgenutzt fühlt. Anton ist nicht perfekt, auch in „Wächter des Tages“ muss er sich zwischen zwei Seiten entscheiden, um am Ende vielleicht doch eine Zukunft mit Swetlana haben zu können.
Sergej Lukianenkos Charaktere sind vielschichtig und authentisch, sie werden uns mit all ihren Vorzügen, Zweifeln, Intrigenspielen und in all ihrem Gefühlschaos vorgestellt. Aber es sind nicht nur die ausgefeilten Figuren, die offenbaren, dass Lukianenko ein sehr genaues Bild von seiner Zwielichtwelt vor Augen hat; es ist insbesondere die komplexe und schwer durchschaubare Handlung, die ein Zeichen dafür ist, dass Lukianenko noch viel vor hat in seiner Wächter-Trilogie. Er hat eine realitätsnahe Welt geschaffen, in der die Anderen in einem komplizierten Miteinander leben, das von Kämpfen, Intrigen und Vertragsbrüchen gekennzeichnet ist, die immer wieder das labile Kräftegleichgewicht ins Wanken bringen. In diesem Band werden uns zwar einige Zusammenhänge erklärt, doch wird unterschwellig deutlich, dass Lukianenko uns die entscheidenden Hinweise weiter verheimlicht. Bei den Anderen steckt hinter jeder Tat noch viel mehr, meist handelt es sich um Ablenkungsmanöver, nie können wir sicher sein, dass wir wirklich schon hinter die Fassade geblickt haben; Lukianenko lässt uns nur an der Oberfläche kratzen und fesselt uns dadurch nur umso mehr an seine Bücher.
So bleibt festzuhalten, dass „Wächter des Tages“ zwar mit den üblichen Problemen eines Mittelbandes zu kämpfen hat, da Anfang und Ende des Buches offen gestaltet sind, dennoch überzeugt Lukianenko erneut (fast) auf ganzer Linie. „Wächter des Tages“ ist atmosphärisch dicht geschrieben, düster, spannend, zwiespältig, es weckt unsere Neugier auf die Fortsetzung und bietet viel Potenzial für den ausstehenden Abschluss der Wächter-Trilogie. Viele Dinge sind noch ungeklärt, viele Schicksale stehen nicht fest, sodass Sergej Lukianenko in „Wächter des Zwielichts“ noch einiges aufklären muss. Mit nur winzigen Schönheitsfehlern wie der fehlenden Bezugsperson bleibt „Wächter des Tages“ ein klein wenig hinter dem ersten Teil der Trilogie zurück, doch bietet es auf der anderen Seite einen genaueren Blick in die Welt der Tagwache, sodass wir die Gefühle und Denkweisen der Dunklen viel besser nachvollziehen können, und es bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte, die Lukianenko hoffentlich in „Wächter des Zwielichts“ aufgreifen wird, um uns endlich verstehen zu lassen, was in der Welt der Anderen wirklich vor sich geht. Was will man mehr?
Noch nichts von Nina Blazon gehört? Nun, das sollte sich schnell ändern. Diejenigen, die bereits Romane der Autorin gelesen haben, wissen warum. Klar, die Bezeichnung „ein neuer Stern am Fantasy-Himmel“ mag hochgegriffen klingen, zumal sich in letzter Zeit viele mit solchen und ähnlichen Titel schmücken lassen. Doch selbst wenn es auf die meisten aufstrebenden Jungschriftstellern (noch) nicht zutrifft, heißt das nicht, dass sich niemand damit rühmen kann.
Nina Blazon, Jahrgang 1969 und geboren in Koper, legt mit „Die Rückkehr der Zehnten“ bei |Ueberreuter| einen für sich allein stehenden Fantasy-Roman vor. Eine bereits lobenswerte Tatsache, quellen die Regale der Fantastikabteilung in der Regel doch mit Serien, Zyklen und unüberschaubar langen Reihen über. Die Geschichte ist bündig auf knapp 350 Seiten erzählt; eine für die Fantasy ungewöhnlich kurze Erzählung. Und doch entfaltet sich der Roman in voller Blüte und baut ein Welt auf, die in manch bücherüberspannenden, langen Sagen nicht so plastisch rüberkommt.
Die Zwillinge Lis und Levin sind zusammen mit ihrer Mutter für ein paar Tage zu Verwandten nach Slowenien gereist. Obwohl sie ein gutes Verhältnis zu Onkel und Tante haben, sind die beiden, vor allem Levin, über den kurzfristig eingeplanten Urlaub im Mittelmeerstädtchen Piran nicht sehr erfreut. Levin, leidenschaftlicher Live-Rollenspieler, hatte nämlich schon lange im Voraus für eine Convention zugesagt, auf der er wie üblich in die Rolle seiner Lieblingsfigur Karjan, einem Hohepriester des Gottes Swantewit, schlüpfen wollte. Seine Mutter ließ sich von ihrem Plan jedoch nicht abbringen und untersagte ihrem Sohn die Teilnahme an dem Rollenspieltreffen.
„Die Rückkehr der Zehnten“ beginnt geschickt mit der Beschreibung einer Kampfszene, die Levin in der Rolle des Priesters darstellt. Was zunächst als normaler Kampf innerhalb einer im Roman aufgebauten Fantasy-Welt anmutet, entpuppt sich wenig später als aufgenommenes Videotape, das Levin und seine Schwester Lis ihren Cousins vorspielen. Der packende Einstieg ermöglicht eine direkte Identifikation mit den beiden Hauptfiguren und schlägt eine Brücke zwischen der realen und der Fantasy-Welt. Gleich zu Beginn wird klar, dass Levins Fähigkeiten als Priester und Lis eher ablehnende Haltung gegen das Hobby ihres Bruders eine wichtige Rolle spielen werden. Die Charakterentwicklung der Geschwister wird gleich auf den ersten Seiten verankert und gut motiviert. Während die Figuren und ihre Beziehungen vorgestellt werden, entwickelt sich zeitgleich die Handlung.
Denn Lis und Levin finden, während sie im Meer schwimmen gehen, ein Medaillon, das tief unten auf dem Meeresboden liegt. Überrascht von dem Fund, halten sie es zunächst geheim. Doch die eigenartige Innschrift, die keiner ihnen bekannten Sprache zuzuordnen ist, fesselt sie so sehr, dass sie eine Abschrift vornehmen und diese im Museum vorzeigen. Der Museumswächter reagiert mürrisch, nimmt sich jedoch die Zeit, die Schrift zu analysieren. Auch ihm ist sie unbekannt, er mutmaßt und datiert sie aber auf eine längst vergangene Epoche. Anhand ähnlicher ihm bekannter Schriftzeichen glaubt er das Wort „Desetnica“ darin zu lesen. Ein Begriff, der für die zehnte Tochter steht, die alten Aufzeichnungen nach Unglück über eine Familie brachte, sofern sie nicht geopfert wurde.
Mehr verwirrt als durch die Antwort befriedigt, machen sich die Lis und Levin wieder auf den Heimweg. Doch es passiert, was passieren musste. Während die beiden eines Abends am Strand entlangspazieren, taucht aus dem Nebel eine Stadtmauer auf dem Wasser auf. Levins Neugier ist stärker als die Angst, und so packt er Lis und bahnt sich einen Weg hinüber – direkt in die Welt des Medaillons, in der sich die Sage um die Desetnica erfüllen sollte.
Mit dem schnellen Einstieg und sympathischen Protagonisten gelingt es Nina Blazon, sofort eine Atmosphäre aufzubauen, die bis zur letzten Seite des Buches aufrecht erhalten werden kann. Erst im Nachhinein wird deutlich, dass die kleinen Verwicklungen und Ereignisse der ersten 50 Seiten das Grundmuster für den weiteren Verlauf der Handlung bilden. Dadurch schafft es die Autorin, all ihre Handlungsfäden geschickt und logisch zu verknüpfen. Auch die Charaktere sind gut durchdacht und überzeugend dargestellt. So ist Lis, aus deren Sicht der gesamte Roman erzählt wird, zunächst ein wenig schüchtern und über Levins Eigenarten nicht sehr erbaut. Als sie beide schließlich in die fremde Welt reisen und Lis Bruder in der Rolle des Priesters, den er schon beim Rollenspiel verkörperte, regelrecht aufgeht, fühlt sie sich mehr als unwohl und will nur noch nach Hause zurückkehren. Doch mit jedem weiteren Tag, an dem ihr Vorhaben scheitert, knüpft sie engere Kontakte zu den Bewohner der Stadt Antjana, lernt ihre Wünsche und Sehnsüchte kennen und erfährt, dass es kein Zufall, sondern Schicksal war, in diese Welt gelangt zu sein.
Denn eine Gruppe von Priestern beherrscht die Stadt mit eisiger Hand und lässt keine Gnade mit denen walten, die Poskur, ihrem Gott des Feuers, nicht huldigen. Unruhe breitet sich aus, denn vor den Mauern der Stadt liegt ein Heer der Sarazenen, angeführt von der Desetnica, die sich einst aus der Stadt retten konnten und nun das Volk von den Priestern befreien will. Ein gefährliches Spiel beginnt, denn während sich Levin das Vertrauen bei den Priestern zu erschleichen versucht, schließt sich Lis einer Untergrundbewegung an, die die Rückkehr der Zehnten vorbereiten wollen. Eine Gruppe von Menschen, die als Zeichen dasselbe Medaillon tragen, das auch Lis bei sich hat.
Ohne weiter auf spezifische Details einzugehen, sei so viel gesagt: „Die Rückkehr der Zehnten“ packt den Leser schon auf der ersten Seite und lässt ihn nicht mehr los. Die archaische Welt Antjanas, die der Schreckensherrschaft der Priester ausgesetzt ist, bietet einen überschaubaren Ort der Handlung und verläuft sich nicht in einer überdimensionalen Fantasy-Welt. Die Spannung bleibt konstant hoch, immer wieder nehmen Ereignisse ihren Lauf, die zu überraschenden Wendungen führen. Und doch bleibt genug Zeit, die Figuren angemessen zu beschreiben und sie überaus lebendig wirken zu lassen. Bis auf wenige Ausnahmen innerhalb der Priestergilde, die wirklich keine guten Eigenschaften aufweisen und durch und durch als verabscheuungswürdige Gegenspieler aufgebaut werden, sind die meisten Personen weder ganz weiß noch ganz schwarz. Dass das Ende hierbei klassisch mit einem typischen Happy-End ausklingt, fällt nicht negativ ins Gewicht, werden doch alle bis dahin noch losen Enden verknüpft und zu einem würdigen Abschluss gebracht.
Nina Blazon schafft mit „Die Rückkehr der Zehnten“ das, was generell einen guten Fantasy-Roman ausmachen sollte. Das Buch ist unterhaltsam, spannend, logisch, durchdacht und bis zur letzten Seite fesselnd. Wer Nina Blazon also immer noch nicht kennt, kann mit diesem Roman einen guten Einsteig wagen. Und nach der Lektüre dieses Buches wird es sicher nicht das einzige Werk dieser Autorin gewesen sein, das von nun an den heimischen Bücherschrank schmücken wird.
[Fantasy bei Ueberreuter]http://www.ueberreuter.de/ueberreuter/index.php?usr=&phd=4&content=22
Tobias O. Meißner steht für ehrgeizige literarische Projekte, deren Erschaffung nichts mit üblichen Herangehensweisen zu tun haben: [„Im Zeichen des Mammuts“ 1938 zum Beispiel, Meißners aktuelles Projekt, verarbeitet die Ergebnisse einer siebenjährigen Rollenspielkampagne.
„Das Paradies der Schwerter“ steht dem nicht nach. Es gibt keinen allmächtigen Autor, der die Story auf ein geplantes und geglättetes Finale zusteuert, stattdessen erschuf Meißner ein Ensemble aus sechzehn Kämpfern, versah sie mit Zahlenwerten, die ihre Stärken und Fähigkeiten repräsentierten, schickte sie in ein Turnier um Leben und Tod, loste die Kampfpaarung selbst aus und würfelte schließlich den Gewinner heraus …
_Rollenspiel-Reality._
Damit wäre über die Story an sich alles gesagt, aber wer nun eine tumbe Schlachtenorgie erwartet, liegt vollkommen falsch. Die erste Hälfte des Buches beschreibt sie erst einmal alle: Die zukünftigen Teilnehmer, die Favoriten, die Veranstalter, von jedem werden die Motive aufgedeckt, manche edel, manche naiv und manche schändlich. Ein Wilderer muss das Turnier bestreiten, als grausame Alternative zu seiner Todesstrafe, weil er ein ganzes Herzogtum aufgemischt hat, ein sadistischer Patrizier nimmt an den Kämpfen teil, ein gedungener Mörder, ein Menschenfresser, zwei naive Brüder, ein noch naiverer Mönch, ein schweigsamer Waffenloser, ein frustrierter Jahrmarktsboxer, ein Gladiator, ein verhüllter Edelmann mit blutroter Klinge, ein mürrischer Kopfgeldjäger, ein Messerkämpfer, ein Barbar mit einem Pflug (!!!), ein trunksüchtiger Söldner, und Publikumsliebling Cyril Brécard DeVlame, der mit zuckendem Degen schon zwei solcher Leben-Tod-Turniere gewonnen hat.
In spannenden kleinen Nebengeschichten entwickelt Meißner seine Kämpfer, und sofort beginnt man sich zu überlegen, ob derjenige auch eine Chance hat, das Turnier zu gewinnen, ob er es verdient hat, das Turnier zu gewinnen. Im zweiten Drittel des Buches marschieren sie dann endlich ein in die hölzerne Arena, und man kann es selbst kaum aushalten vor Spannung: Welcher Kämpfer ist wie gut? Wer wird gegen wen gelost werden? Die beiden Brüder doch nicht etwa gegeneinander!? Immerhin lost der Autor das aus; wenn es geschieht, wollte es das Schicksal …
Immer wieder lässt Meißner dann auch den Blick durch die Zuschauerränge schweifen, auf die Nebenfiguren, die ihre ganz eigenen Erwartungen an die Kämpfe haben, die sich den Tod Bestimmter wünschen, oder den Sieg Anderer, weil ihre materielle Existenz davon abhängt. Auch hier lässt der Autor den Leser alleine: Es gibt keinen Protagonisten, niemanden, der „die richtige Sicht der Dinge“ vertritt, sondern eine Ansammlung von Individuen und Standpunkten, die man entweder teilen oder verabscheuen kann oder irgendetwas dazwischen.
Und als ob die Spannung noch nicht knisternd genug wäre vor dem ersten Kampf, geben noch zwei Buchmacher ihre professionelle Meinung ab und lenken die Aufmerksamkeit auf Details, die dem Leser ohne Turniererfahrung nie aufgefallen wären: Kämpfer XY mag ja geschickt mit dieser Waffe sein, aber gegen die Rüstung von Kämpfer AB wird er seine Probleme haben …
_Aleae jactae sunt._
Die Würfel sind gefallen. In der zweiten Hälfte des Buches wird gelost und gekämpft, punktum. Mehr zu verraten, wäre vorsätzlicher Spannungsmord. Nur so viel sei dem Leser anvertraut: Meißners Würfel nehmen auf gar nichts Rücksicht … und es ist ein seltsames Gefühl, wenn man das Buch wieder zuschlägt, ein Gefühl, das lange hängen bleibt und immer wiederkehrt, wenn einem der Einband ins Auge springt.
_Fantasy fern vom Kindchenschema._
„Das Paradies der Schwerter“ ist ein kompromissloses, düsteres und nachhaltiges Buch, das man jedem Freund moderner Fantasy ans Herz legen kann. Meißner ist kein Schwafler, seine Szenen enthalten keinen unnötigen Info-Ballast und starten immer mitten in der Handlung. Zeit zum Verschnaufen gibt es nie, selbst die „Erklärungspassagen“ beschränken sich nicht auf schlichtes „Erzählen“, sondern sind immer in Handlungsabläufe oder Dialoge eingebettet.
Trotzdem mag ich mich nicht ganz den Lobgesängen der Presse hingeben, denn für einen „absoluten Triumph“ genügt es dann doch nicht. Die knappe Sprache sorgt für Rasanz, hat dafür aber auch wenig Platz für Bilder, Gerüche und lebendige Eindrücke. Dazu kommt, dass Meißner manchmal einen Hang zu recht unschönen Schachtelsätzen hat.
Aber das war’s dann auch schon mit der Kritik. „Das Paradies der Schwerter“ ragt nämlich kilometerweit aus der Masse zuckriger Zauberstab-Fantasy heraus, nicht nur durch die Art, wie es entstanden ist: Es gibt keine heroische Verklärung, das Turnier ist eine schmutzige, voyeuristische Angelegenheit, von Ehre weit und breit keine Spur. Der Leser selbst macht diese Entwicklung mit, von anfänglicher, naiver Begeisterung hinab zu angeekelter Ernüchterung.
|Jetzt fingen die Wächter an zu kichern. „Gerechtigkeit?“ gluckste einer von ihnen. „Und die suchst du ausgerechnet hier, du armes Schwein?“|
„Das Paradies der Schwerter“ ist eine straffe, abgeschlossene Story, die durch würfelbedingte Wendungen auch den erfahrensten Leser zum Mitfiebern nötigt. Wer auf der Suche nach Helden und großen Epen ist, braucht dieses Buch gar nicht erst anzufassen, dem Dark-Fantasy-Leser jedoch dürfte dieses dunkle Gebräu hervorragend munden: bitter wie das Leben, mit einem blutigen Nachgeschmack von Staub und Dreck. Nun denn. Wohl bekomm’s!
|Siehe dazu auch das [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=35 mit dem Autor über „Das Paradies der Schwerter“ vom Juli 2004.|
Als ich bei Erwähnung des Titels „Die galaktische Rallye“ an die legendäre Trickfilm-Serie „Space Race“ dachte, lag ich damit anscheinend gar nicht mal so verkehrt. Tatsächlich glänzt auch die von „Perry Rhodan“-Autor Horst Hoffmann erstellte Story durch ziemlich abgedrehten Humor, der auf den abwegigsten, aber letztendlich doch klar durchschaubaren Ideen beruht. Damit ist „Die galaktische Rallye“ sicherlich auch der ungewöhnlichste Vertreter der „Magic Edition“ aus dem |BLITZ|-Verlag und will auch nicht so ganz in die Serie hineinpassen, was aber sicherlich nicht heißen soll, dass man dieses Buch als Fan der feinen Reihe nicht trotzdem lesen darf.
_Story:_
Die verschiedenen Völker des Universums haben beschlossen, die Herrschaft über das Weltall neu zu strukturieren. Doch statt einen Krieg um den Thron über die Galaxis zu entfachen, soll ein Wettrennen zwischen den Raumschiffen der verschiedenen Gruppierungen stattfinden, bei dem dann das siegende Volk ermittelt werden soll. Während die Kul-Uys mit einem Bierflaschen-ähnlichen Konstrukt (siehe Cover) ins Rennen gehen und dabei ihrem Ruf als alkoholabhängige Sippe vollends gerecht werden, machen die Treehs mit den einst eingesperrten Knastorianern gemeinsame Sache und werden von ihnen übers Ohr gehauen. An anderer Stelle kämpfen Frauen um die Macht: Bei den Goobhins wird ordentlich um die Führungsposition gerangelt, was natürlich nur Stress einbringt. Für die Terraner geht ein gewisser Oberst Julius von Wolkenheim an den Start, der schwer mit seiner General-Attitüde zu kämpfen hat und deswegen mehrfach sein Schiff demoliert. Deswegen hat er auch keinen einfachen Stand in der galaktischen Rallye, die jedoch nur mit Intrigen und Bösartigkeiten zu gewinnen zu sein scheint.
Der Startschuss ist gefallen, die Punkte einbringenden Aufgaben sind verteilt und die Hindernisse aufgestellt – jetzt geht es für die Beteiligten nur noch darum, mit größtmöglicher Hinterlist und dem ständigen Drang, seinen Gegnern Böses anzutun, um die Führungsposition zu boxen. Aber auch die Ankunft am Ziel als solche ist schon eine große Herausforderung, der nicht jedes Raumschiff gewachsen zu sein scheint …
_Meine Meinung:_
In gewisser Weise kann man den Inhalt dieses kurzweiligen Romans als die deutsche Antwort auf den durchgeknallten Douglas Adams bezeichnen. Wären da nicht einige Schönheitsfehler, dürfte man Autor Horst Hoffmann sogar auf eine Stufe mit dem Kultautor von der Insel stellen. Der Unterschied zu besagtem Adams besteht jedoch darin, dass nicht alle Aspekte der Handlung von „Die galaktische Rallye“ wirklich schlüssig sind. Aber das ist in der begrenzten Spanne von 224 Seiten auch kaum zu realisieren, zumal Hoffmann sich im zweiten Teil ziemlich oft wiederholt oder bereits Bekanntes unnötigerweise rezitiert. Dies liegt jedoch daran, dass die Story damals in etwas größerem Zeitraum über zwei Bände verteilt auf den Markt gekommen ist. Der Lesefluss ist dadurch gerade zur Halbzeit stark eingeschränkt, weil man von den ständigen, wenn auch nicht ausufernden Rückblicken bald genervt ist.
Hoffmann verbringt allerdings – und das muss man ihm zugute halten – nicht allzu viel Zeit damit, die einzelnen Völker und ihre wichtigsten Vertreter vorzustellen. Mit den ersten Seiten ist man direkt in der Story drin, und sofern man noch Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Gruppen benötigt, wird man sie im Laufe des Buches an passender Stelle erfahren. Diese Tatsache hilft dem Autor auch dabei, die Spannung mitsamt einiger ungeklärter Geheimnisse aufrecht zu erhalten. Doch von Spannung im klassischen Sinne darf man bei „Die galaktische Rallye“ jetzt nicht sprechen; es steht eher die Frage im Raum, welche ausgefallene Idee sich Hoffmann für den nächsten Zwischenfall auf dem Weg zum Ziel hat einfallen lassen.
Der Humor ist dabei allerdings Geschmackssache; sicher, anfangs wird noch jeder schmunzeln, wenn Oberst von Wolkenheim seine Fähre anhimmelt, oder wenn die Tanks der „Bottle Of Beer“ von den Kul-Uys (natürlich nicht, ohne vorher selber die Geschmacksprobe gemacht zu haben) mit neuem Gerstensaft befüllt werden, doch mit der Zeit wiederholen sich die Gags in ihrer Machart und die skurille Wirkung verfliegt infolgedessen auch ein wenig. Und so etwas wäre einem vollkommen bekloppten und gerade deswegen genialen Autor wie Douglas Adams nicht passiert.
Unterhaltsam ist „Die galaktische Rallye“ aber allemal, dafür sorgen schon die unheimlich witzigen Charaktere und überhaupt der ganze Rahmen, in dem dieser außergewöhnliche Wettkampf stattfindet. Die schlichte Sprache trägt hierzu einen nicht zu unterschätzenden Teil bei und hilft einem selbst in den etwas konfuseren Abschnitten dabei, die jeweilige Situation auf Anhieb zu erfassen. Es gibt jedenfalls keine Stelle, in der man plötzlich nicht mehr wüsste, was jetzt genau Sache wäre – auch nicht beim sehr direkten Einsteig, dessen Hintergründe umgehend aufgelöst werden. Es ist nur manchmal so, dass einige Passagen keinen direkten Sinn und, wie eingangs erwähnt, im Hinblick auf den gesamten Plot keinen erkennbaren Zusammenhang ergeben. Wer das seltsame Ende bereits kennt, wird diese Worte verstehen. Humor um der Lustigkeit willen ist dies zwar nicht, dafür sind die vielen unmterschwelligen Attacken auf die einzelnen Randgruppen der Gesellschaft zu bissig und auch zu gut verpackt, aber dieses Mittel als ausschließliches Element eines Buches zu verwenden, ist in diesem Fall nicht immer glücklich gewählt.
Wer Douglas Adams zu seinen Heldern zählt, sollte sich aber dennoch mal mit dem zweieinhalb Dekaden alten Werk des „Perry Rhodan“- und neuerdings auch „Titan“-Autors befassen. Ich habe es trotz der einzelnen Mängelpunkte nicht bereut, dieser irrwitzigen Wettfahrt einen Abend gegönnt zu haben. Vielleicht auch, weil ich hierdurch in meiner Betrachtung von Douglas Adams als unantastbarem Gott in diesem Genre enorm bestärkt wurde!
Band 1: [„Die Quelle der Ewigkeit“ 1258
Band 2: [„Die Dämonenseele“ 2337
Die Stimmung auf Seiten der Verteidiger Kalimdors ist nicht die allerbeste. Die anfänglichen Erfolge im Kampf gegen die Brennende Legion erweisen sich schnell als trügerisch. Als dann noch der eitle Nachtelfen-General Stareye seinem Schöpfer gegenübertritt, glaubt trotz des unterstützenden Eingreifens der Tauren, Irdenen und Furbolgs kaum einer der Helden mehr an einen Sieg. Doch Kalimdors Götterwelt ist groß und es bedarf nur eines kleinen Anstoßes, die trägen Überirdischen zu mobilisieren.
Dieses ist – wie so oft – Malfurions Aufgabe. Erstens soll er seinen Mentor, den Waldhalbgott Cenarius anspitzen, damit dieser seine besonders gesegneten Kumpel von der „anderen Seite“ scharf aufs Dämonen-Hauen macht.
Zweitens soll er Selbiges mit den Drachen versuchen. Die Flattermänner haben nach Neltharions brutaler Machtübernahme den Flattermann gemacht und hocken nun irgendwo im smaragdgrünen Traum, die Flügel schützend über ihre Köpfe gelegt. Immerhin gelang es Krasus, Brox und dem Druiden zwischenzeitlich, dem üblen Erdwächter seinen Baseball-Schläger, die Dämonenseele, abzujagen; leider waren sie dämlich genug, sie im gleichen Atemzug an den zur Legion übergelaufenen Illidian zu verlieren.
Irgendwie schafft es Malfurion tatsächlich, beide Nachrichten korrekt zuzustellen und schon geht das große Match “Götter & Drachen & Restbevölkerung vs. Dämonen” in die finale Runde. Der Sieger erhält einen hübschen Pokal, einen Kuss von Tyrande und die Herrschaft über Kalimdor.
Nachdem Knaak schon im zweiten Band einen angeschlagenen Eindruck machte, geht er nun endgültig zu Boden. Knockout in der dritten Runde! Selbst sein nach wie vor gefälliger Stil vermag es nicht, die wirre Story zu retten, den Charakteren oder der Welt Kalimdor Leben einzuhauchen.
Viele, viele Helden und noch mehr (Quasi)Götter – zuweilen stellt sich der Leser die Frage, wie und wo zwischen allen den Göttern, Halbgöttern, Drachen, Halbdrachen, Dämonen, Halbdämonen, Satyrn, Titanen, Aspekten und Herrn Tur Tur, dem Scheinriesen, humanoide Lebensformen überhaupt noch Platz zum Atmen finden – bedeuten den totalen Figuren-Overkill.
Die logische Konsequenz ist, dass keiner der Protagonisten auch nur annähernd differenziert gezeichnet ist. Klischeehafte, eindimensionale Charaktere stolpern von einem Kampf in den nächsten, sodass man nach der Hälfte des Buches versucht ist, darum zu betteln, der Ober-Dämon Sargeras möge endlich Klaimdor betreten und dem ganzen Übermenschengesocks den Garaus machen. Doch ein ums andere Mal heißt es nur, „bald ist es soweit“, „das Portal ist fast offen“, „noch wenige Augenblicke“, „eigentlich sollte er schon da sein“, etc.; und so quält sich der Leser durch immer neue Kämpfe und noch mehr Götter und noch mehr Zauber und noch mehr langweilige Szenen.
In wenigen – genau genommen zwei – Passagen kommt tatsächlich etwas Spannung auf, blitzt ein Funke Originalität durch den trüben Schlachtennebel. Dieses sind die Momente, in denen der Erdwächter, Neltharion (aka Deathwing), in das Geschehen involviert ist. Doch bedauerlicherweise sind diese Stellen für die Geschichte letztlich vollkommen unerheblich. Dies lässt sich auch über Tauren und Irdenen sagen, die kaum mehr als nur erwähnt werden – natürlich mit ähnlich dämlichen englischen Nachnamen (Ironcutter, Highmountain) wie ihre nachtelfischen Brüder (Shadowsong, Ravencrest, Whisperwind, …) – und damit, bar jeglichen eigeständigen kulturellen Backgrounds, allenfalls einen peinlichen Kniefall vor den „World of Warcraft“-Spielern unter der Leserschaft darstellen.
Unterm Strich scheitert Knaak daran, in drei Bänden Kalimdor mit Leben zu erfüllen und ein kohärentes Pantheon zu entwerfen. Was als epische Story begann, endet in einem kleinkarierten Hack ’n’ Slay.
Wie schon der zweite Band der Trilogie bietet auch dieser dritte magerste Fantasy-Durchschnittskost ohne Höhepunkte oder originelle Ansätze, wobei es ist nicht auszuschließen ist, dass sich Fans der Warcraft-PC-Spiele an der wirren und tumben Action tatsächlich ergötzen.
Band 1: [„Im Bann des Fluchträgers“ 2350
Band 2: [„Im Labyrinth der alten Könige“ 2365
Mit „Im Reich des Glasvolks“ beendet Nina Blazon ihre Worantriologie und geht dabei den Weg weiter, den sie bereits mit dem zweiten Band eingeschlagen hat. Auch dieses Mal halten wir keine direkte Fortsetzung in den Händen, sondern ein eigenständiges Buch, das zwar auf die anderen Bücher Bezug nimmt, aber einige Jahre später spielt.
Erneut hat ein Generationenwechsel stattgefunden. Die Hauptperson in diesem Buch ist zum ersten Mal weiblich und die Tochter von Julin und Haliz, die in „Im Labyrinth der alten Könige“ die Protagonisten waren. Jonnvinn, so der Name ihres ältesten Kindes, wird seit geraumer Zeit von Albträumen gequält, in denen wiederholt ihre kleine Schwester Nive, die eine Ausbildung als Glasmacherin im Nachbarland Fiorin macht, stirbt. Sie spürt, dass ihre Schwester in Gefahr ist und an dem Tag, an dem Ravin va Lagar und Amina, Jonns Großeltern, gekrönt werden, reitet sie spontan nach Ganarr. Zusammen mit Karis, dem Pferdeknecht, der unsterblich in Nive verliebt ist, wollen sie die Glasmacherin auftreiben, doch als sie ihre Werkstatt erreichen, erfahren sie, dass die junge Frau vor wenigen Tagen in die Wüste aufgebrochen ist. Sie versucht dort, das legendäre Volk im Glas zu befreien und will dabei auf Kräfte zurückgreifen, die seit Generationen in ihrem Blut schlummern. Dabei tritt sie einen Wüstenkrieg los und bugsiert ihre große Schwester zwischen die Fronten …
„Im Reich des Glasvolks“ beginnt eigentlich sehr spannend. Jonn erwacht schweißgebadet aus ihrem Albtraum und der Leser ahnt, dass hier etwas auf ihn zukommt. Er hofft es jedenfalls, denn schließlich hat Frau Blazon ihn in ihren anderen Büchern, was Spannung und geradlinige Handlungen angeht, sehr verwöhnt. Doch leider wird er dieses Mal enttäuscht. Die Handlung ist dieses Mal übereilt und scheint kein wirkliches Ziel zu haben. Ihr fehlen Hand und Fuß und sie weist einige Unebenheiten auf, die das Wohlbefinden stören. Durch ständige Orts- und Personenwechsel kommt unglaublich viel Unruhe in die Geschichte und es entsteht der Eindruck eines ziemlichen Durcheinanders. Das wundert, weil Blazon sonst immer ein sicheres Händchen für ihre Plots bewiesen hat, doch dieses Mal zittert sie deutlich. Auch die Längen in der Mitte passen so gar nicht zu den ersten beiden Bänden der Woransaga. Besonders auf den ersten, „Im Bann des Fluchträgers“, wird in diesem Buch Bezug genommen. Vor allem am Anfang werden immer wieder Geschichten von Ravins Abenteuer erzählt, so dass manchmal der Eindruck einer Nacherzählung aufkommt und die Eigenständigkeit verloren geht.
Auch die Charaktere bleiben dieses Mal etwas hinter den Erwartungen zurück. Jonn und Karis, die einen Großteil des Buches bestreiten, wirken seltsam oberflächlich und eindimensional. Ihre Persönlichkeit kommt kaum zum Ausdruck und dementsprechend schwer fällt es dem Leser, sich mit ihnen zu identifizieren. Anders sieht es da mit Nive aus. Sie weist immerhin einige klar abtrennbare Wesenszüge auf, doch hinterlassen diese leider einen unauthentischen Eindruck. Ihre Fixierung auf das Glasvolk wirkt sehr unreal, wodurch der Eindruck von Schwarzweiß-Zeichnung bei den Schwestern entsteht.
Der Schreibstil ist dagegen der Gleiche geblieben. Immer noch schafft es Blazon, ein buntes, lebendiges Bild ihrer gut durchdachten Welt zu zeichnen, ohne dabei zu viele Worte zu verschwenden. Das zeigt sich besonders, wenn es darum geht, Spezialitäten ihrer Fantasywelt einzuführen. In den meisten Fällen geschieht dies so gut wie gar nicht. Der Leser erschließt sich die Tiere und Pflanzen durch den Kontext, was in diesem Buch reibungslos verläuft. Während in den ersten beiden Bänden an einigen Stellen die Erklärungen gefehlt haben, werden sie im dritten Woranbuch dadurch gegeben, dass Jonn ebenfalls fremd in Fiorin ist. Leider greift die Autorin aber auch dieses Mal sehr oft zu unkonventionellen Metaphern und Vergleiche, die stellenweise etwas krumm geraten. „In der Morgendämmerung erschien die Wüste schmucklos wie eine Tänzerin, die ihr glänzendes Kleid noch nicht angelegt hatte.“ (Seite 218) ist nur ein Beispiel der dezenten Störfaktoren.
Nachdem ihr Debüt „Im Bann des Fluchträgers“ ihr nicht nur viel Lob, sondern auch den Wolfgang-Hohlbeinpreis eingehandelt hat und der Folgeband „Im Labyrinth der alten Könige“ dem Erstling kaum nachstand, wundert es, dass sich „Im Reich des Glasvolks“ als mittelmäßiges Fantasybuch outet. Die Handlung ist für Blazon’sche Verhältnisse sehr ungeordnet und lässt nicht nur einen straffen Handlungsstrang, sondern auch die Spannung missen. Der Schreibstil überzeugt zwar nach wie vor und präsentiert sich lebendig und farbenfroh wie eh und je, die Personen dagegen sind sehr blass geraten. Ein müder Abschluss für die Woransaga.
Mary Gentle (* 1956, Sussex) ist spätestens seit der [Legende von Ash, 303 für die sie im Jahr 2000 mit dem |British Science Fiction Award| sowie dem |Sidewise Award for Alternate History| ausgezeichnet wurde, als Spezialistin für die Verschmelzung von Historie und Phantastik bekannt.
Ihre akademischen Abschlüsse in Geschichtswissenschaft des 17. Jahrhunderts (Bachelor) und Kriegswissenschaft (Master) dürften ihr bei der Recherche für ihren neuesten Roman „1610“ nur zum Vorteil gereicht haben, denn eine der schillerndsten literarischen Figuren dieser Zeit hat sie sich zum Helden auserkoren:
Valentin Rochefort, Spion, berüchtigter Duellant und oft auch gedungener Mörder. Bekannt als einer der schillerndsten Antagonisten der drei Musketiere in den Romanen von Alexandre de Dumas, wurde Rochefort auch in zahlreichen Verfilmungen vom Schurken bis hin zum stets gegen d’Artagnan verlierenden Finsterling charakterisiert.
Mary Gentle stellt Rochefort aus einer völlig neuen Sicht dar: Sie lässt ihn und auch andere Handlungsträger aus ihren fiktiven Memoiren erzählen. Rochefort präsentiert sich als ein sehr objektiver und amüsanter, sogar selbstkritischer Ich-Erzähler.
_Königsmörder wider Willen_
Rochefort wird vom Jäger zum Gejagten: Er soll im Auftrag der Königin, Maria von Medici, ein Attentat auf Heinrich IV. verüben. Weigert er sich, wird man seine Vertrauten Maignan und Santon umbringen. Doch Rochefort steckt in einem Dilemma: Als Gefolgsmann des Duc de Sully würde er damit seinen eigenen Herren, der ein gutes Verhältnis zum König pflegt, kompromittieren.
Also beschließt Rochefort, das Attentat zusammen mit dem unfähigen François de Ravaillac durchzuführen, in der festen Gewissheit, dass man diesen töten und das Attentat scheitern wird. Der Rest ist Geschichte: Das Attentat gelingt wider Erwarten, und Rochefort muss aus Frankreich fliehen – gejagt von den Agenten Maria von Medicis wegen Mitwisserschaft und offiziell als vermutlicher Beteiligter an der Ermordung des Königs. Zudem muss Sully ihn für einen Verräter halten.
Begleitet wird Rochefort auf seiner Flucht von dem jungen Duellanten Dariole, den er abgrundtief hasst; da die beiden sich in den vergangenen Tagen jedoch wiederholt für die Öffentlichkeit sichtbar getroffen haben, ist auch Darioles Leben in Gefahr. Auf der Flucht nach England retten sie an der Küste Frankreichs den gestrandeten japanischen Samurai Saburo, der dem englischen König James ein Geschenk überbringen soll.
In England angekommen, geraten die Drei unter den Einfluss des Mathematikers und Astrologen Robert Fludd. Fludd kann die Zukunft berechnen und vorhersagen, und was er sieht, gefällt ihm nicht. Rochefort versucht sich ihm zu entziehen, doch Fludd kennt alle seine Winkelzüge bereits im voraus. Er wird von Fludd erpresst, die Zukunft nach seinen Vorstellungen zu verändern: Er soll König James ermorden; nach Fludds Berechnungen kann nur Rochefort das Attentat erfolgreich ausführen und die Zukunft in die gewünschte Richtung lenken. Doch nicht nur er beherrscht diese häretische Kunst. Die Karmeliterin Schwester Caterina warnt Rochefort: Sollte er James ermorden, wird eine ihm sehr wichtige Person innerhalb eines Monats ebenfalls sterben …
_Historie mit einem Hauch Phantastik_
„1610: Der letzte Alchimist“ ist der sehr unglücklich titulierte erste Band der Übersetzung von „1610: A Sundial in a Grave“. Denn Robert Fludd ist Mathematiker und Astrologe, kein Alchemist, und wer würde einen Rochefort als Hauptperson eines Romans mit diesem Titel vermuten?
Wie bereits „Die Legende von Ash“ wurde das Buch aufgeteilt, leider hielt es |Lübbe| nicht für nötig, darauf hinzuweisen. Bis auf den relativ nutzlosen Vermerk „Teil 1 & 2“ – von wie vielen? Der Übersetzer wird weder im Buch noch auf der Homepage von Lübbe genannt; ob es sich um Rainer Schumacher wie bei „Ash“ handelt, kann man nur vermuten. Das verwundert um so mehr, da die Übersetzung nur eine Bezeichnung verdient: erstklassig. Keine Flüchtigkeits- oder Setzfehler, flüssig zu lesen und stimmig. Was nicht gerade selbstverständlich ist, denn Mary Gentle lässt Engländer, Franzosen und sogar einen japanischen Charakter mit den typischen Redewendungen ihrer Sprache um das Jahr 1610 kommunizieren.
So endet das Buch leider bereits nach der etwas langen Einführung, die jedoch keineswegs langweilig ist. Die Vorstellung Rocheforts ist sehr gelungen, auch die anderen historischen Charaktere können überzeugen, Gentles Eigenschöpfungen Dariole und Saburo geben der Geschichte Würze und Humor. Die Ansichten Saburos über die in seinen Augen ungepflegten „Gaijin“ und der Konflikt zwischen europäischer und asiatischer Kultur, insbesondere bezüglich ihrer Ehrbegriffe, die für einen zwielichtigen Charakter wie Rochefort, der durchaus seine Art von Ehre besitzt, keine Entsprechung hat, sind das Salz in der Suppe. Der Pfeffer ist eindeutig der junge Messire Dariole, der den älteren Rochefort ständig in seinem Stolz verletzt und dessen Mordgelüste weckt, aufgrund der Umstände und seiner Schlagfertigkeit aber stets mit dem Leben davonkommt und einen vor Hassliebe schäumenden Rochefort zurücklässt. Der sprechende Name charakterisiert bereits seine Figur, „Dariolet“ bedeutet im Französischen in etwa Mitwisser, Vertrauter, aber auch Zuckerwerk oder Konfekt.
Bis auf die Prophezeiungen Robert Fludds ist das Buch durch und durch historisch exakt: Die Ermordung Heinrich IV. ist tatsächlich bis heute rätselhaft, man geht von einer Mittäterschaft eines Vertrauten des Königs aus, ansonsten hätte de Ravaillac niemals den König auf offener Straße dreimal niederstechen können. Mary Gentle hat diese Affäre geschickt in die Handlung eingebunden, die so auch abseits ihrer schillernden und unterhaltsamen Charaktere mit ihrer Finesse glänzen kann. Doktor Fludd, Caterina und Rochefort haben sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie die Zukunft aussehen sollte, während Fludd einen starken König wünscht, will Caterina eine Zukunft ohne Adel und Könige. Rochefort ist das alles gleich, er wird erpresst und steckt in einem Dilemma; wie er sich auch entscheidet, es scheint kein gutes Ende für ihn zu geben.
_Fazit:_
Rochefort ist eine weitaus gelungenere Hauptfigur als Mary Gentles Söldnerführerin Ash. Sie schafft es, den verrufenen Duellanten amüsant und sympathisch wirken zu lassen; der Kniff, die Geschichte aus dem Blickwinkel der Memoiren des sonst als Bösewicht bekannten Rochefort zu erzählen, ist gelungen.
Die historischen Elemente sind vorzüglich recherchiert und in Szene gesetzt, deutlich über den sonst üblichen Standards historischer Romane. Das fantastische Element beschränkt sich auf die mathematischen Zukunftsprognosen Fludds, die jedoch von höchster Brisanz sind. Mary Gentle spielt hier ein historisches Was-wäre-wenn-Spiel, bei dem sie jedoch hohe Voraussetzungen an das geschichtliche Vorwissen ihrer Leser stellt. Der Nachfolger von James I. / Jakob I. war sein Sohn Charles I. / Karl I., der unter dem berüchtigten Lordprotektor Oliver Cromwell enthauptet wurde; in der Folge erklärte das Unterhaus England für eine kurze Zeitspanne zur Republik.
Doch gerade diesen Machtverlust des Königs möchte Fludd verhindern. Ein Fehler in seinen Berechnungen? Mary Gentle erklärt diesen Widerspruch dem Leser an keiner Stelle, bevor das Buch unabgeschlossen endet; auch sonst setzt sie rücksichtslos Kenntnisse der Geschichte des 17. Jahrhunderts voraus. Auch wenn eine Aufteilung der Übersetzung in mehrere Bände nicht ungewöhnlich ist, der Mangel an Informationen über den Titel des Folgebands und der fehlende Hinweis, dass dieses Buch nur einen Teil des Originals darstellt, ist unverschämt und bewusste Irreführung.
Wer über das nötige Geschichtswissen verfügt, sollte dennoch zuschlagen. Ein vergleichbar intelligentes und unterhaltsames Lesevergnügen findet man bei historischen Romanen nur selten. Mary Gentle sprengt erneut die Grenzen des Genres, diese einzigartige Mischung aus Science-Fiction und Historie scheint ihr Markenzeichen zu werden.
Nina Blazons Fantasydebüt [„Im Bann des Fluchträgers“ 2350 war nicht nur der Sieger des Wolfgang-Hohlbein-Preises 2002, sondern auch der Beginn der so genannten Worantriologie. „Im Labyrinth der alten Könige“ ist der Fortsetzungsband, allerdings spielt er viele Jahre nach Ravins und Darians gefährlicher Reise nach Skaris und hat auch eine ganz andere Hauptfigur.
Der rothaarige, musikliebende Zauberlehrling Julin darf Darian Danalonn, der mittlerweile ein legendärer Zauberer ist, auf seiner Reise nach Lom, das Land der Bergwerke, begleiten. Ihre Reise gestaltet sich weniger angenehm als erwartet, denn bereits vor den Stadtmauern werden sie von einer Horde Rebellen angegriffen, die sie, wie es scheint, fangen wollen, um ein Lösegeld zu erpressen. Die Stadtwachen von Lom können das jedoch verhindern und geleiten ihre Gäste sicher in die prächtige Stadt, wo Darian zusammen mit dem Magierzirkel von Lom einen Goldmacher kennen lernen soll, der behauptet, aus Steinen Gold machen zu können. Während dieser Vorführung kommt es zu einem tragischen Zwischenfall, bei dem Darian getötet wird, und obwohl ihn die Trauer fest im Griff hat, muss Julin bald feststellen, dass irgendjemand sein Spiel mit ihm zu treiben scheint. Der tote Darian ist nichts weiter als ein freigekaufter Minensklave, das heißt, dass sein Meister noch irgendwo in Lom sein muss. Zusammen mit der Jägerin Fenja und der Halbworan Haliz – der Tochter von Ravin und Amina – macht er sich auf die nicht ungefährliche Suche, denn in den Bergwerken Loms gelten andere Regeln als in der feinen, reichen Stadt. Kaum hat Julin sich versehen, wird er unschuldig in die Sklaverei verkauft und muss untertage schwer schuften. Das ist allerdings ein Glücksfall für ihn, denn sonst hätte er das Zeichen, das Darian in die Wand eines Stollens geritzt hatte, nie gesehen …
Was Nina Blazon mit „Der Bann des Fluchträgers“ begonnen hatte, wird in diesem Buch fortgesetzt. Auch dieses Mal erschafft die Autorin eine geradlinige Handlung mit viel Spannung, die sich nicht an nutzlosen Nebenhandlungen aufhält und trotzdem enorm viel Tiefe und Platz für das Gefühlsleben ihrer Protagonisten hat. Dieses positive Gesamtbild eines absoluten Pageturners wird eigentlich nur dadurch gestört, dass die Protagonisten in Bezug auf die Handlung an einigen wenigen Stellen zu voreiligen Schlüssen neigen, die nicht so ganz nachzuvollziehen sind.
Dem Leser des ersten Bandes wird die Welt, in der das Buch spielt, noch wohlbekannt sein, auch wenn es dieses Mal in ein anderes Land geht, aber der Quereinsteiger muss sich auch keine Sorgen machen. Durch den Generationenwechsel in der Besetzung lässt sich „Im Labyrinth der alten Könige“ unabhängig vom ersten Band der Triologie lesen. Man mag sich zwar zuerst wie ein unbeachteter Gast vorkommen, wenn man in diese zauberhafte, wunderbar durchdachte Welt mit Ecken und Kanten, Gebietsspezialitäten und kaum einem der unsrigen Welt ähnlichen Tiere oder Pflanzen betritt, da es sehr oft an direkten Beschreibungen von Ranjögs und Jalafrüchten mangelt, doch dies ist normal. Bereits im ersten Buch verzichtete Blazon weitgehend auf Erläuterungen zu den von ihr erdachten Tieren und Pflanzen, so dass der Leser sich diese selbst aus dem Kontext erschließen musste. Das ist auf der einen Seite ein geschickter Schachzug, weil dadurch die Fantasie des Lesers gefordert ist, auf der anderen Seite ist es aber auch bisschen schade, weil dadurch ab und zu Fragezeichen bleiben, wo eigentlich keine sein sollten.
Keine Fragezeichen bleiben bei den Personen, denn diese sind nicht nur wunderbar ausgearbeitet, sondern auch wunderbar authentisch. Wie auch im ersten Band schafft Blazon es erneut, einen Helden zu schaffen, der eigentlich keiner ist. Den Antihelden mimt Julin allerdings auch nicht. Er ist ein ganz normaler Junge (so weit man das bei einem angehenden Magier eben sagen kann), der sich selbst nicht besonders hübsch findet und manchmal ein bisschen arrogant ist, wenn er unter Druck steht. Er ist ziemlich mutig ohne dabei zu heldenhaft zu wirken. Julin ist auffallend menschlich, was im Fantasygenre leider nicht an der Tagesordnung steht. Auch die anderen Charaktere sind sehr authentisch gelungen.
Die bereits erwähnte Geradlinigkeit der Handlung setzt sich in Blazons Schreibstil fort, der es schafft, mit wenigen, einfachen Worten ein buntes Bild zu zaubern. Die Autorin verliert nur wenige unnötige Worte und schafft es, ohne Umwege auf den Punkt zu kommen. Sie verfällt dabei nicht in diese schwülstige Fantasysprache, sondern bleibt angenehm nüchtern. Allerdings benutzt Blazon neuerdings vermehrt unkonventionelle Metaphern, die nicht immer gelungen sind. „Als er sah, wie sie mit dem Eintreiber lachte, fühlte er plötzlich, wie in ihm ein kleines gelbäugiges Tier namens Eifersucht erwachte.“ (Seite 140) ist nur eine von ein paar eher missratenen Textstellen, die zwar selten, aber trotzdem störend sind.
„Im Labyrinth der alten Könige“ ist auf jeden Fall erneut ein überdurchschnittliches Buch aus der Feder der in Stuttgart lebenden Autorin. Allerdings kommt sie an den Esprit ihres Erstlings nicht ganz heran. Kleine Schwächen in Handlung und Schreibstil, die aber nicht wirklich ins Gewicht fallen, sind schuld daran, dass das Buch an einigen Stellen eher zum Stirnrunzeln als zum Weiterlesen einlädt.
Der britische Autor Lewis Carroll schuf mit „Alice im Wunderland“ (1865) und dem Nachfolger „Alice hinter den Spiegeln“ (1871) zwei heute als Klassiker geltende Werke der Kinder- und Jugendliteratur. Auch jenseits dieser Alterklasse erfreuten und erfreuen sich diese Bücher großer Beliebtheit. Dies liegt vor allem an der fantasievollen Gestaltung des Wunderlands und seiner „Bewohner“. Mathematische Logik scheint in dieser Welt nicht zu existieren, weshalb es dort vor Absurditäten und Ungereimtheiten nur so wimmelt. So lieferten die Romane sowohl Gesprächsstoff für Intellektuellen-Diskussionsrunden, die sich gegenseitig naturwissenschaftliche Formeln um die Ohren hauen konnten, um zu beweisen, dass dieses oder jenes Ereignis der Handlung nicht möglich ist, als auch für jüngere Leser, die sich einfach nur über die lustigen Charaktere und deren Verwandlungen und Veränderungen austauschen konnten.
Nun, die Begründung für den erneuten Wechsel des Veröffentlichungsrhythmus der „Titan“-Romane kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Hier wird angegeben, dass in Zeiten von Hartz IV in Deutschland nicht mehr so viel Geld für die neulich unter dem Banner Social-Fiction firmierenden Sternenabenteuer übrig ist, weshalb die Bücher statt monatlich nur noch jeden zweiten Monat auf den Markt kommen. Das Komische hieran ist nämlich, dass die Seitenzahl seitdem ebenfalls sehr gekürzt wurde, so dass es die reine Netto-Story im aktuellen Band „Gefühlsjäger“ nicht mal mehr auf 140 Seiten bringt. Wie wäre es denn gewesen, wenn man die letzten beiden Romane in einem Buch zusammengefasst hätte? Schließlich gibt es vom BLITZ-Verlag auch andere Bücher, die bei gut doppelt so großem Seitenumfang ebenfalls für 9,99 € angeboten werden können … Nun ja, äußerst schwammig, diese seltsame Erklärung – gerade wenn man bedenkt, dass der neue Handlungs-Ableger in den letzten beiden Bänden nicht wirklich der Renner war. Aber gut, auf der anderen Seite hat „Gefühlsjäger“ trotz des merkwürdigen Beigeschmacks auch wieder ein Gutes: Die Geschichte wird wieder auf einen vernünftigen Kurs gebracht, und die Autoren (dieses Mal erneut der beim letzten Mal gescheiterte S.H.A. Parzzival) besinnen sich wieder vermehrt der ursprünglichen Science-Fiction-Basis. Recht so!
_Story_
Michael Moses gerät nach dem Zerfall seiner Metropole Germania weiter unter Beschuss; die Ökoterroristen haben eine monströse Killerkrake auf die Malediveninsel, auf der sich sein derzeitiges Domizil befindet, gehetzt, und diese kann erst im letzten Moment von Moses‘ Helfershelfern (darunter auch die „Titan“-Crewmitglieder Anaka Tagawa und Cyberjohn Five) unschädlich gemacht werden. Doch bei den beiden Abgesandten der CRC-Flotte macht sich mehr und mehr Skepsis breit: Irgendetwas auf dieser Insel geht nicht mit rechten Dingen zu. Da ist es ihnen nur recht, dass sie Moses in die Werft der CRC begleiten dürfen und diesem mysteriösen Platz entfliehen können.
Im M-13-Sektor sucht derweil ein anderes Schiff der CRC nach neuen Energiestoffen für die Erde. Dabei gerät der Weltraumkreuzer in die Fänge eines seltsamen Alien-Volkes, das bei seinem Angriff auch sofort in die Gehirne der Besatzungsmitglieder eindringt. Die fremden Wesen stellen sich per Gedankenaustausch als das Volk der Cadschiden vor und geben an, auf die Ankunft des Lariod zu warten, der ihre Seele mit den einst verloren gegangenen Gefühlen füttern soll. Doch die friedliche Atmosphäre, die der Crew der „Wallenstein“ von den Cadschiden entgegengebracht wird, währt nur kurze Zeit.
Auf eigene Faust nutzen Kommandant Sebastian, Navigator David und die von beiden verehrte Dame an Bord, Ceccyl, ihre auf Cadschid gewährten Freiräume und entdecken dabei die Schattenseiten des fremden Volkes. Auch mit den Emorebs, einer Randgruppe der Cadschiden, die in begrenztem Rahmen Gefühle empfangen kann, macht das Trio Bekanntschaft und gerät dabei immer tiefer in die wirren Verstrickungen um die außergewöhnliche Rasse mit den Zyklopenaugen. Für Sebastian und seine Mannschaft stellt sich von Minute zu Minute hartnäckiger die Frage, welche Funktion sie als Vertretung der menschlichen Rasse auf Cadschid erledigen sollen bzw. wie sie die Ankunft des Laroid erwirken können. Deshalb holen sie sich Hilfe beim eigenen Volk und beordern ein Schiff der Space-Police nach Cadschid.
Von da an nimmt das Unglück seinen Lauf; plötzlich nämlich haben die einäugigen Aliens eine Möglichkeit gefunden, die Gefühle der Menschen anzuzapfen, und trotz Anwesenheit der Rechtshüter der Weltraumpolizei droht die Lage auf dem fremden Planeten zu eskalieren. Werden die Raumfahrer mit der „Wallenstein“ rechtzeitig aus der Gefangenschaft fliehen und die Erde vor der Bedrohung durch die Gefühlsjäger schützen können?
_Meine Meinung_
Im Grunde genommen ist „Gefühlsjäger“ ein fast schon eigenständiger Roman, der abgesehen von der einleitenden Geschichte als Auftakt einer neuen Reihe für sich alleine stehen könnte. Das Hintergrundwissen um die Ereignisse in Germania ist (zunächst mal) kaum noch von Belang, und die kurze Abhandlung über die weiteren Geschehnisse um den World-Market-Chef Michael Moses wirkt diesbezüglich auch ein wenig aufgesetzt, damit zumindest ein geringer Zusammenhang vom letzlich noch thematisierten Anschlag der Ökoterroristen erkennbar ist.
Statt an dieser Stelle fortzusetzen, widmet sich S.H.A. Parzzival hier einem gänzlich neuen Volk, komplett neuen Helden und Gott sei Dank auch wieder dem Leben im Weltraum, das, begünstigt durch die endlich wieder feinstens ausgeklügelte Handlung, um einiges spannender ist als die billige Erotik in „Germania“ und dessen Vorgängerband. Auffällig ist hierbei der überaus philosophische Unterton, den der Autor in den Diskussionen über die verlorenen Gefühle der Cadschiden mit einbringt. Solche Ansätze sind deutlich interessanter als die nicht bis ans Ende durchdachte Planung der Stadt aus dem Dritten Reich. Doch auch sonst wirkt die neue Geschichte in allen Belangen frischer und lebhafter. Der Aufbau eines Mysteriums gelingt Parzzival beispielsweise bei der Beschreibung der fremden Alien-Rasse weitaus besser als noch bei der Erörterung der schlimmen Naturkatastrophe rund um Germania. Aber auch die in „Gefühlsjäger“ eingeführten neuen Charaktere bringen spürbar Leben in die Serie. Daher liegt auch ständig das Gefühl in der Luft, dass S.H.A. Parzzival mit diesem ziemlich kurzen Roman so gerade noch einmal die Kurve bekommen hat, nachdem ihm die Story noch im letzten Buch zu entgleiten drohte.
Wenn es nach mir ginge, könnte man jetzt auch gerne wieder das Social-Fiction-Banner aus den neuen Sternenabenteuern der „Titan“ entfernen, denn wie sich hier klar herausstellt, ist die Rückkehr zu den Ursprüngen weitaus interessanter als die unglaubwürdigen zwischenmenschlichen Episoden aus den letzten Büchern. In diesem Sinne ist „Gefühlsjäger“ dementsprechend auch ein echter Fortschritt in die richtige Richtung. Jetzt muss es dem um „Perry Rhodan“-Schreiber Horst Hoffmann verstärkten „Titan“-Team nur noch gelingen, die einzelnen Stränge zusammenzufügen und einen logischen Zusammenhang zwischen den ungeklärten Ereignissen um Shylan Shans Geliebte Monja, den Befall der Ökoterroristen, Michael Moses‘ verschwiegene Geheimnisse und das Volk der Cadschiden, das sich gerade auf den Weg nach Terra begeben hat, herzustellen. Aber ehrlich gesagt: Wenn der Autor des bereits unter dem Titel „Himbeertod“ angekündigte 25. Teils Ähnliches vollbringt wie in „Gefühlsjäger“, dann darf man von „Titan“ trotz der zuletzt noch sehr starken Skepsis in Bälde noch so einiges erwarten. Lediglich der fade Beigeschmack, oder soll ich besser sagen: die etwas verwegene Erklärung in Bezug auf die eingangs erwähnte neue Terminfestlegung und Preispolitik bleibt am Ende bestehen.
Ares ist ein Vampir, vergnügungssüchtig und leichtlebig. Und doch packt ihn wohl der Schwermut, als er spontan beschließt, dass er einen Gefährten braucht. Kurzentschlossen verbeißt er sich in den schönen Domenico und macht ihn ebenfalls zum Untoten. Doch die beiden sind schlicht zu unterschiedlich und können weder miteinander, noch ohneeinander leben. Während Ares sich nämlich die Frauen haufenweise ins Bett holt (und sie erst vernascht und dann „vernascht“), sitzt Domenico in Bäumen und sinnt über das Leben nach. Schließlich stößt auch noch Flora zu den ungewöhnlichen Gefährten und das Gleichgewicht kippt endgültig.
Klingt bekannt? Durchaus, denn für Mary Valgus Kellys Roman „Des Teufels schönster Sohn“ (der erste Teil einer Trilogie) haben Anne Rices Vampire Pate gestanden. Wollte man bissig sein, könnte man gar behaupten, bei Kellys Roman handele es sich um ein [„Interview mit einem Vampir“ 68 für Arme. Und da sich Anne Rices Romandebüt nicht verbessern lässt, muss Kelly mit ihrem Projekt schlicht scheitern.
„Des Teufels schönster Sohn“ ist ein Buch, das so viele Fehler und Ungereimtheiten aufweist, dass man gar nicht weiß, wo anfangen. Schon die Handlung kurz anzureißen, stellt sich problematisch dar, denn eigentlich passiert in dem 144-Seiten starken Buch nicht wirklich etwas: Ares beißt Domenico, Domenico sieht gut aus (das wird dem Leser wiederholt in blumigen Worten versichert) und macht eine Leidensmiene. Dann wendet sich Ares Flora zu, kann ihr aber nicht treu sein. Es gibt eine Art Vampirsabbat mit Hexen und Werwölfen. Zwischendurch philosophiert Domenico auch mal mit einem Geist oder schäkert mit einer mysteriösen Vampirin namens Michelle. Domenico verlässt Ares und die Handlung springt nach Transsilvanien auf eine mittelalterliche Burg (!), wo sich die eingeladenen Vampire ihren Mitternachtssnack aufs Zimmer bringen lassen. Zum Glück ist der Roman dann auch schon zu Ende.
Kellys größtes Problem (mal abgesehen von der nicht existenten Handlung) sind ihre Charaktere. „Des Teufels schönster Sohn“ schafft es, ein Roman völlig ohne Motive zu sein, was dazu führt, dass die Charaktere schemenhaft bleiben. Warum zum Beispiel braucht Ares plötzlich einen Gefährten? Sehnt er sich nach menschlicher Nähe? Oder ist ihm doch nur fad? Genauso unklar bleibt Ares’ Charakter: Zu Anfang ist er der Gegenpol zu Domenico – schillernd und auf der Suche nach dem Thrill. Er lebt in die Nacht hinein und sucht nach Vergnügungen. Doch gegen Ende brütet er plötzlich vor sich hin, ohne dass dem Leser klar wäre, wieso. Gespaltene Persönlichkeit? Oder doch nur die Wankelmütigkeit der Autorin? Dieses Problem der charakterlichen Unentschlossenheit haben alle von Kellys Figuren. Dem Leser ist es dadurch unmöglich, die Charaktere irgendwie zu fassen zu bekommen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren.
Worin besteht überhaupt das Gefährtentum, von dem in dem Roman immer wieder die Rede ist? Kelly will uns scheinbar weismachen, dass es da ein erotisches Prickeln zwischen den beiden Vampiren gibt. Nur versickert dieses Prickeln zwischen den Zeilen, da Ares und Domenico weder wirklich miteinander leben noch sprechen. Die beiden haben im Roman eigentlich kaum Berührungspunkte. Darüber hinaus schleppt Ares unzählige Frauen ab und es ist nicht so recht zu erkennen, wie dieses Balzgebahren mit einer zarten Seele in Verbindung zu bringen wäre.
Doch ach! Vielleicht hat Ares doch ein Herz? Unverhofft taucht nämlich Flora auf, Ares’ Immer-mal-wieder-Geliebte seit 14 Jahren (wobei dem Leser auch diese Geschichte vorenthalten wird – woher die beiden sich kennen, wird nie klar). Nie wollte sie ein Vampir werden und mittlerweile hat sie Mann und Kinder. Und auch als er sie nun wieder ausfindig macht, haben sie zwar einen Quickie auf der Terasse, untot werden will sie aber nicht. Bis sie ein paar Seiten später vor Ares’ Tür steht mit der Bitte um Vampirisierung. Wo die Gründe für diesen Sinneswandel liegen, scheint Kelly nicht ergründen zu wollen. Auch wird keine Tinte auf die Frage verwendet, was nun aus ihren Kindern wird und ob sie diese nicht vielleicht wenigstens ein ganz kleines bisschen vermisst. Nein, zwischen all den unausgegorenen Charakteren in „Des Teufels schönster Sohn“ ist Flora der unausgefeilteste. Sie bereichtert die Handlung nicht und gibt ihr auch keinen (anderen) Sinn. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie später sang- und klanglos wieder aus dem Roman verschwindet.
Vierzig Seiten vor Schluss wechselt das Setting vom ursprünglichen Handlungsort (wo das ist, wird ebenfalls nie geklärt) ausgerechnet nach Transsilvanien, wo eine gewisse Clarissa eine Art Wellnesshotel für Vampire auf einer mittelalterlichen Burg eingerichtet hat. Als Untoter sitzt man also rum, sieht gut aus und lässt sich das Essen aufs Zimmer bringen. Wenn man besonders standesgemäß sein will, reist man in einer Kutsche an (wohlgemerkt, der Roman spielt in der Gegenwart) und betitelt sich gegenseitig als Baron. Dass Vampire unter Umständen ein wenig abgehoben sind, ist ja nicht neu. Aber so snobistisch? Das ist dann doch etwas übertrieben …
Mein Eindruck
Man muss Kelly zugute halten, dass ihre Prosa sich hier leicht verbessert und sie es eher schafft, bei ihrem Plot zu bleiben. Doch die Handlung selbst lässt gerade dem weiblichen Leser die Haare zu Berge stehen. Ares, von allen guten Geistern (d. h. Domenico und Flora) verlassen, hat sich drei Vampirbräute angeschafft, die nun alle seine Wünsche erfüllen. Mit einem anderen Vampir diskutiert Ares daraufhin die Erziehung solcher „Mädchen“, als spräche er über Hundezucht. Zu allem Überfluss haben die „Mädchen“ gegen diese degradierende Haltung überhaupt nichts einzuwenden: „Ohne ihn wären wir verloren“, sagen sie. „Er kümmert sich um uns und liest uns unsere Wünsche von den Augen ab. Er schenkt uns Kleider, Schmuck, sorgt für das Essen … er tut einfach alles für uns! Im Gegenzug dafür dürfen wir ihn lieben und unterhalten ihn ein bisschen.“ Der Höhepunkt ist jedoch Bredas Aussage, dass doch in jeder Frau eine Hure stecke. Diese Aussagen zu kommentieren, ist wohl überflüssig.
Unterm Strich
Um es kurz zu machen: „Des Teufels schönster Sohn“ hat weder eine fesselnde Handlung noch überzeugende Charaktere. Dafür strotzt das Buch vor schiefen Wendungen wie „Domenico rang mit den Armen, nach Atem und nach Worten“ oder „der Einzige, der sprach, war der Rauch seiner Zigarette, der wütend versuchte gegen den Regen anzukämpfen“. Der Roman ist eine einzige Masse wabernder Unstimmigkeiten, erzeugt durch das angestrengte „wollen, doch nicht können“ der Autorin. Eine wirklich mühsame, jedoch überhaupt nicht unterhaltende Lektüre.
Nina Blazon gehört zu den vielversprechendsten Namen in der deutschen Fantasylandschaft. Kein Wunder also, dass sie bereits für ihr Debüt den Wolfgang-Hohlbein-Preis des |Ueberreuter|-Verlags abgesahnt hat. Und das zu Recht!
Blazon hat eine sehr schöne, nüchterne Art, ihre Geschichten in Worte zu fassen, ohne dabei in den weit verbreiteten, schwülstigen Fantasyslang zu verfallen oder bei den Charakteren zu dick aufzutragen. Letztere sind angenehm authentisch, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen seltsam klingt; schließlich spielt das Buch in einer Fantasywelt, die sich so sehr von der unsrigen unterscheidet, dass die Autorin jedem Strauch, jedem Tier einen eigenen Namen gegeben hat. Da gibt es so genannte Jalafrüchte oder Tjärgpferde, die sich ihren Reiter selbst aussuchen und der Legende nach aus Schaumkronen geboren wurden. Blazon hat ihre Welt perfekt durchkomponiert und geht sehr selbstverständlich damit um. Sie erläutert zum Beispiel nicht, worum es sich bei den uns fremden Begriffen handelt, sondern lässt sie sich selbst durch ihre Handlungen und Eigenschaften erklären. Das hat natürlich manchmal den Nachteil, dass der Eindruck eines Ranjögs nur oberflächlich bleibt, doch in den meisten Fällen gelingt dieser Geniestreich.
Die Charaktere von „Im Bann des Fluchträgers“, dem ersten Band der Woran-Triologie, stehen der Welt im Bezug auf Tiefe in nichts nach. Die Hauptperson des Buches, der junge Waldmensch Ravin, ist weder ein Held noch ein Antiheld, sondern ein angenehm normaler Junge mit viel Mut. Als sein älterer Bruder Jolon, ein Shanjaar (Heiler), auf einmal in eine tiefe Bewusstlosigkeit fällt, nachdem er einen gefährlichen Kristall in die Hand genommen hat, versucht er alles, um den Älteren zu retten. Er reitet zu Gislans Burg, wo die Königin des Landes residiert, und bittet ihre Hofshanjaar um Hilfe. Doch diese können Jolon auch nicht helfen. Nur Laios, der Älteste, macht dem Jungen Hoffnung, indem er ihm von der magischen Quelle der Skaardja erzählt. Obwohl es sich dabei mehr oder weniger um ein Märchen handelt, bricht Ravin mit dem ungeschickten Zauberlehrling Darian an der Seite in das ferne und gefährliche Land Skaris auf. Auf dem Weg dorthin stoßen sie auf die Jerriks, ein Volk von Flüchtigen, das sich im Wald versteckt und vom herrschsüchtigen Badok gejagt wird. Obwohl die Jerriks ein dunkles Geheimnis vor ihnen zu verbergen scheinen, schließen sie sich deren Lager an. Wenig später werden sie von Badok und seinen Reitern überfallen und in dessen Burg verschleppt. Obwohl nur zu zweit, wollen Ravin und die junge Halbworan Amina (eine Woran ist eine düstere Kreatur, eher Tier als Mensch und im Besitz von dunklen Kräften), deren Verwandlung noch nicht komplett ist, ihre Freunde retten. Doch als sie Badoks Burg erreichen, müssen sie feststellen, dass nicht nur die Jerriks in Gefahr sind, sondern das ganze Land und dass sie auf dem schnellsten Weg die Königin warnen müssen …
Blazons größter Pluspunkt ist ihre Geradlinigkeit. Sie erzählt ohne viel schmückendes Beiwerk oder unnötige Einzelheiten ihre Geschichte, und gerade dadurch gelingt es ihr, ungeheuer viel Spannung aufzubauen. „Im Bann des Fluchträgers“ ist ein Pageturner erster Güte, der einen so schnell nicht mehr loslässt. Es macht aber auch einfach Spaß, dieses Buch zu lesen, schon alleine wegen des bereits gelobten Schreibstils, der kein Wort zu viel verliert und trotzdem ein sehr lebendiges, buntes Bild der gut durchdachten Fantasywelt abgibt.
Ist das wirklich das Debüt?, wird man sich während der Lektüre fragen, denn so souverän wie die Autorin mit Inhalt, Personen und Sprache umgeht, will man das gar nicht glauben. Manche Schriftsteller müssen jahrelang schreiben, um so gut und vor allem so locker und selbstverständlich ihr Handwerk zu beherrschen. Eine Eins mit Stern, Frau Blazon!
http://www.ninablazon.de
[Fantasy bei Ueberreuter]http://www.ueberreuter.de/ueberreuter/index.php?usr=&phd=4&content=22
Eine Videovorführung, die buchstäblich eine Ewigkeit dauert, ein Gehirn, das verzweifelt nach Gesprächspartnern sucht, eine Flamme, die unter Depressionen leidet, und der drohende Einbruch in ein anderes Universum: Neunzehn manchmal skurrile, manchmal melancholische, in jedem Fall aber im besten Sinne phantastische Geschichten erwarten den Leser im neuen Fantasia-Band, der EDFC-Jahresanthologie 2005.
Bekannte Autoren und hoffnungsvolle Nachwuchstalente aus Bulgarien, Deutschland und Österreich dokumentieren einmal mehr die faszinierende Vielfalt phantastischer Literatur, die allen Unkenrufen zum Trotz lebt und gedeiht. Die Erzählungen und Kurzgeschichten aus den Bereichen Science-Fiction, Fantasy und Horror wurden von Frank W. Haubold ausgewählt und von Gabriele Reinecke illustriert.
_Inhalt:_
Matthias Falke: Das schwerste Gewicht
|Eine Videovorführung, die buchstäblich eine Ewigkeit dauert …|
Heidrun Jänchen: Sprich mit mir
|Ein Gehirn, das verzweifelt nach Gesprächspartnern sucht …|
Natalia Andreeva: Bitteres Licht
|Ewige Jugend – wenn ein Zauber zum Fluch wird …|
Stephan Peters: Dorothea
|Eine Auferstehung der weniger appetitlichen Art …|
Dietmar Füssel: Die kleine Flamme
|Eine Flamme, die unter Depressionen leidet …|
Stefan Pfister: Der klappernde Bahnhofsvorsteher
|Das unvermutete Ende einer nächtlichen Zugfahrt …|
Christian Fischer: Sand und Würfel
|Eine Entdeckung, die nicht nur unser Universum betrifft …|
Wilko Müller jr.: Hass
|Eine Unfallserie, die sehr menschliche Ursachen hat …|
Barbara Schinko: Verbrechen aus Liebe
|Eine Hexe und ihr ewig junger Liebhaber …|
Frank W. Haubold: Das ewige Lied
|Der ewige Soldat auf dem Weg in einen aussichtslosen Kampf …|
Volker Groß: Des-Illusion Alice
|Ein Traum, der abrupt endet …|
Marc-Alastor E.-E.: Vergessen sei der Wechselbalg
|Ein Wüstengeist in tödlicher Mission …|
Silke Rosenbüchler: O je, du Fröhliche
|Ein unerfüllbarer Weihnachtswunsch …|
Sven Kloepping: Alpha Centauri
|Ein Grenzwächter, der sich nicht erinnern darf …|
Jasmin Carow: Der Rattenkönig
|Wenn eine Plage übermächtig wird …|
Hartmut Kasper: Uschepti
|Unterwegs in einem fliegenden Sarg …|
Helga Schubert: Irgendwas mit Pudica
|Ein verrückter Gärtner und seine Schützlinge …|
Michael K. Iwoleit: Das Urteil
|Die Menschheit auf dem Prüfstand …|
Alexander Amberg: Die Rückkehr
|Ein Zauberring, der Wünsche wörtlich nimmt …|
_Der Herausgeber:_
Frank W. Haubold wurde 1955 in Frankenberg geboren und lebt im sächsischen Meerane. Er studierte Informatik und Biophysik in Dresden und Berlin. Seit 1989 schreibt und veröffentlicht er Erzählungen und Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres (Science-Fiction, Fantasy, Gegenwart). Nach Einzelbeiträgen in verschiedenen Anthologien und Zeitschriften veröffentlichte er 1997 sein erstes Buch, den Episodenroman „Am Ufer der Nacht“, 1999 zusammen mit Eddie M. Angerhuber die Sammlung „Der Tag des silbernen Tieres“ sowie 2001 und 2003 die vielbeachteten Erzählungssammlungen „Das Tor der Träume“ und „Das Geschenk der Nacht“. Seit 1996 Mitglied des 1. Chemnitzer Autorenvereins e. V., für den er mehrere Anthologien herausgab. Weitere Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, Magazinen und Anthologien (u. a. bei |Heyne|, |Lübbe| und |BLITZ|).
_Rezension:_
Der Herausgeber Frank W. Haubold kündigte eine Anthologie mit |ungewöhnlichen| Kurzgeschichten an. Das ist ihm schon einmal insoweit gelungen, dass die Bandbreite der Kurzgeschichten durch alle Genres reicht. Auch die Plots sind teilweise erfrischend „anders“ als in vergleichbaren Anthologien und sichern abwechslungsreiche Lesekost.
Der Band startet gleich mit der Titelgeschichte „Das schwerste Gewicht“ von Matthias Falke, in der eine Gruppe von Menschen Rückblicke aus ihrem Leben präsentiert bekommt, die entweder dunkel oder aber ausschweifend waren und die Anwesenden psychisch „nackt“ vor den anderen dastehen lässt. Nicht genug damit, werden ihnen diese Rückblicke in stetiger Folge präsentiert. So werden sie zu Gefangenen und Entblößten ihrer eigenen Vergangenheit.
„Bitteres Licht“ von Natalia Andreeva ist die erste atmosphärische Geschichte. Das Thema |Ewige Jugend| wird hier einmal anders abgehandelt; interessant ist auch der Mutter-Tochter-Konflikt, den die Autorin einflicht. Man mag den Stil von Natalia Andreeva lieben oder nicht, eines hat er: Wiederkennungswert. Und er weiß „angenehm“ zu unterhalten. Meist sind Andreevas Texte „licht“, von einer höheren Ebene und daher sprechen sie vielleicht nicht alle an, aber schlecht sind sie nicht.
Erstes richtiges Highlight ist „Dorothea“ von Stephan Peters, der wie immer souverän fabuliert und das Thema Wiederkehr in einem Fiction-Rahmen darbietet. So also sieht Robottechnik aus und so also kann Wiederauferstehung ablaufen.
Stefan E. Pfister stellt uns in „Der klappernde Bahnhofsvorsteher“ einen Zugreisenden vor, der an einem abgelegenen Bahnhof aussteigt, bei dem dubiosen Dr. Petronius landet und dort Merkwürdiges über sich erfährt. Biomechanismen und Kabelekstase gewinnen für ihn plötzlich an Bedeutung.
Wilko Müller jr.: „Haß“ zeigt uns, wie vernichtend Hassgefühle sein können, wenn sie ausufern und Eigendynamik entwickeln – und wie schnell sie zum Bumerang werden. Ein Plot, der uns nachdenklich stimmen sollte.
Barbara Schinkos „Verbrechen aus Liebe“ ist eine feine Geschichten rund um das unendliche Leben einer Hexe und ihres Liebhabers, die nicht voneinander lassen können, die auf Gedeih und Verderben aneinander gekettet sind. So also endet die absolute Vereinigung?
Sprachlich wirklich |herausragend| ist einzig der Beitrag „Vergessen sei der Wechselbalg“ in der Welt Praegaia von Marc-Alastor E.-E, einem Autor, von dem man auf jeden Fall mehr lesen sollte und der erfreulicherweise keinen Mainstream anbietet!
Silke Rosenbüchlers „O je, du Fröhliche“ ist eine humorvolle, erotisch angehauchte Story um einen ganz speziellen Frauenwunsch an den Weihnachtsmann, der unerfüllt bleibt, trotz aller Verführungskünste. Santa Claus ist eben doch kein „ganzer Kerl“, dank seiner kindergerechten Figur.
Helga Schuberts „Irgendwas mit Pudica“ führt den Leser auf anschauliche Weise an die Besonderheiten der Pflanzenwelt heran. An den Rachenblütler „Löwenmaul“, die Blutblume, die Glockenrebe … sie alle zeigen, dass sie sich zu wehren wissen, wenn man ihnen nicht respektabel begegnet – und dass es keine UNkräuter gibt. Sollten Sie jemals einen Schatz suchen, richten Sie Ihr Augenmerk auf die Pflanze |Rühr-mich-nicht-an|.
So viel zu den Kurzgeschichten, alle seien hier nicht näher erwähnt, das nähme dem geneigten Leser zu sehr die Spannung, es sei aber so viel gesagt: Er wird hier gut unterhalten! Dazu trägt auch die Story des Herausgebers bei!
Bliebe die Aufmachung: Das Covermotiv von Michael Mittelbach kommt morbid daher und spricht stimmungsvoll an. Dem zum Kontrast stehen die schwarzweißen Innengrafiken von Gabriele Reinecke, die sehr schön auf die jeweilige Story abgestimmt sind. Die Schrift erfreut durch angenehm augenfreundliche Größe und untermauert den Lesegenuss.
Fazit: Eine lesenswerte, abwechslungsreiche Anthologie mit einigen Highlights, die ich nur empfehlen kann!
|174 Seiten mit 8 ganzseitigen Illustrationen von Gabriele Reinecke
und einem Titelbild von Michael Mittelbach|
http://www.edfc.de
Zwar konnten Malfurion, Krasus, Rhonin, Illidian und die Nachtelfen unter Führung Lord Ravencrests einen ersten Vorstoß der Brennenden Legion nach Kalimdor stoppen, doch das Tor inmitten der Hauptstadt der Elfen, Zin-Azshari, in das Reich des Dämonenherrschers Sargeras steht noch immer offen. Mit Unterstützung der verderbten Königin, Azshara, und der Kaste der Hochwohlgeborenen strömen unaufhörlich Heerscharen von Dämonen in die Welt, darunter auch mächtige Gefolgsleute des Bösen, wie der gefürchtete Archimonde oder der wiedererweckte Lord Xavius. Die eigentliche Schlacht steht also noch bevor.
Während Rhonin, Krasus und Malfurion dafür plädieren, die anderen Völker Kalimdors, Zwerge und Tauren, um Hilfe zu bitten, setzen der arrogante Ravencrest und seine Mannen auf einen Alleingang ihres Volkes und rennen prompt in einen Hinterhalt der Brennenden Legion. Im allerletzten Moment und unter großen Verlusten können sie eine vernichtende Niederlage abwenden und beschließen daraufhin in ihrer Euphorie – nicht klüger als vorher – Zin-Azshari ohne Hilfe zu befreien, um ihre vermeintlich unschuldige Herrscherin zu retten. Allerdings reicht der Arm Sargeras schon bis in die Reihen der Helden. Fasziniert und angezogen von der Mächtigkeit der Magie der Brennenden Legion wird Illidian zunehmend unberechenbarer, während gleichzeitig seine Eifersucht auf den Bruder, Malfurion, ins Unermessliche wächst, telepathisch geschürt durch den dämonischen Xavius.
Unterdessen treibt der schwarze Drache Neltharion seine finsteren Pläne voran. Mittels seiner Magie und mit Unterstützung der ahnungslosen übrigen Clans schmiedet der Erdwächter unter dem Vorwand, die Legion bekämpfen zu wollen, die Drachenseele, ein machtvolles magisches Artefakt, mit dem er alles Unreine vom Antlitz der Welt fegen und sich selbst zum absoluten Herrscher krönen möchte. Krasus, der weiterhin mit seinem Alter Ego Korialstrasz eng verbunden ist, und der Druide Malfurion spüren die drohende Gefahr. Sie machen sich auf den Weg zu den Drachen, nur um festzustellen, dass sie zu spät gekommen sind, und der Erdwächter den Verrat schon begangen hat.
Nachdem der erste Band der „Krieg der Ahnen“-Trilogie noch rundherum überzeugen konnte, beginnt Richard A. Knaak nun deutlich zu schwächeln. Zwar befleißigt er sich weiterhin eines gefälligen, angenehm zu lesenden Stils, führt den Leser mit lockerer Hand durch seine epische Geschichte, im Aufbau der Handlung und in der Zeichnung der Charaktere zeigt er jedoch unverkennbar eine große Einfallslosigkeit.
Wenn Neltharion quasi aus einer Rolle Pfefferminzdrops (oder irgendetwas anderem) mal so eben ein gewaltiges Artefakt, die Drachenseele, bastelt, Malfurion im Vorübergehen von Cenarius die mächtigste druidische Magie eingetrichtert bekommt, Illidian und Rhonin mit fast göttlicher Macht Legionen von Dämonen plätten und Tyrande, kaum dass sie ihrem Schülerinnendasein entwachsen ist, zur „Mutter Mond“ avanciert, dann sind das [Kotaus]http://de.wikipedia.org/wiki/Kotau vor Erfahrungspunkte-geilen und Level-maximierenden Warcraft-Spielern und ihrem Greinen nach mehr Power, mit nachvollziehbarer oder gar glaubhafter Charakterentwicklung hat das nichts mehr zu tun.
Beliebigkeit und Opportunismus auf der einen Seite, vollkommene Vorhersehbarkeit auf der anderen: die Protagonisten – angefangen bei „A“ wie Archimonde, über „N“ wie Nachtelfenklüngel und seine zeitgereisten Verbündeten bis hin zu „X“ wie Xavius – agieren stereotyp und klischeehaft, spielen die ihnen zugedachten Rollen zu perfekt, sind Fantasycharaktere nach Schema „F“, ohne Ecken und Kanten und daher ohne Überraschungen. Leser, die nach Band 1 gehofft hatten, die Dreiecksbeziehung „Illidian, Malfurion & Tyrande“ werde sich wenigsten ansatzweise originell gestalten oder die Anatgonisten zögen mehr als kleinkarierte Intrigen ab, werden bitter enttäuscht.
Ähnliche Einfallslosigkeit zeichnet die Schlachten und Kämpfe aus: vorhersehbar bis zum letzten Tröpfchen Blut; plastisch geschildert und dennoch langweilig, da stets irgendein Zauber aus der großen Wundertüte der Guten ebendie triumphieren lässt. Nur in ganz wenigen Momenten entsteht ein „Sense of Wonder“, etwa wenn Malfurion und Krasus im Reich der Vogelgöttin Aviana erwachen oder der Druidenschüler seine Zauber wirkt; immer dann blitzt die Fantasie hinter dem Handwerk auf.
Etwas, wofür nicht der Autor verantwortlich zeichnet und das mich im ersten Band aufgrund der weniger bedeutenden Rolle der Nachtelfen noch nicht störte, ist die fehlende Übersetzung der sprechenden Nachnamen der Elfen. Es mag sein, dass ich tatsächlich „Das Schwarze Auge“-geschädigt bin oder grundsätzlich eine gewisse anglophobe Haltung habe, aber Namen wie Rivertree, Shadowsong, Whisperwind, Feathermoon, Stareye u.a.m. stören meines Erachtens die Atmosphäre in einem deutschen Text. Dass es auch anders geht, dass sich gerade solche Namen fantasievoll und kongenial übersetzen lassen, wurde – und ich weise immer wieder gerne daraufhin – im |Covenant|-Zyklus Donaldsons schon vor vielen Jahren bewiesen.
Fantasy-Durchschnittskost, die zwar gut geschrieben, aber in vielerlei Hinsicht zu vorhersehbar und zu wenig originell ist, um überzeugend zu sein.
|Originaltitel: Warcraft: War of the Ancients Trilogy Book 2 – The Demon Soul
Übersetzung: Claudia Kern|
„Germania“ ist der zweite Band des neu begonnenen Social-Fiction-Abschnitts innerhalb der „Titan“-Reihe und erzählt die Geschichte um die seltsame Liebe zwischen Shalyn Shan und der rätselhaften Monja weiter fort – dieses Mal allerdings in sehr knapper Form. Auf gerade mal 157 Seiten bringt es dieses Buch, und die Ersparnisse beim Umfang der Story machen sich dann leider auch sehr negativ bemerkbar. Doch nicht nur das; auch das neu betretene Feld namens Social-Fiction will einfach nicht greifen. Statt Innovation bildet sich in „Germania“ zum ersten Mal im Laufe der Serie echte Langeweile heraus, so dass man nur hoffen kann, dass die Reihe schon bald wieder zu den ursprünglichen Weltraumabenteuern zurückkehrt.
_Story_
Für Michael Moses, den mächtigsten Menschen der Erde, soll die feierliche Einweihung seiner neuen Metropole Germania zum bedeutendsten Ereignis in seinem ganzen Leben werden. Die Stadt, die nach den Plänen des Dritten Reiches entworfen wurde, soll die Machtstellung des kompromisslosen Wirtschaftsgiganten noch weiter stärken und zudem weitere Arbeitsplätze sichern. Doch noch bevor die Festivitäten richtig in Gange kommen, wird Germania von einem furchtbaren Orkan heimgesucht. Eine Gruppe von Klimaterroristen hat einen hinterhältigen Anschlag auf die neue Zentrale von Moses’ World-Market-Imperium ausgeübt und damit das gesamte Gleichgewicht der Erde ins Wanken gebracht. Denn nicht nur in der Wüste Arizonas, wo Germania entstanden ist, sondern auch an anderen Schauplätzen wird die Naturkatastrophe zu einer echten Bedrohung, bei der auch mehrere Menschen ihr Leben lassen.
Moses und der befreundete CRC-Chef Amos Carter starten Verhandlungen mit den Terroristen und stellen dabei fest, dass diese die Kontrolle über den erpresserischen Eingriff in das Weltklima vollständig verloren haben. Trotzdem lässt der Germania-Gründer die Basis der Terroristen stürmen und ihre ‚Bewohner‘ vor laufender Kamera vernichten. Doch dies ist nicht die einzige Katastrophe, mit der die Menschen in Germania und Umgebung zu kämpfen haben; auch eine Gruppe von mutierten Rattenfröschen macht die Erde unsicher.
Und während all dies geschieht, ist Monja weiterhin auf der Suche nach ihrer Vergangenheit. Ihre neue Lebensgefährtin Shalyn Shan begleitet sie bei der Erkundung des jüngsten folgenreichen Blackouts und stößt dabei auf noch mehr Rätsel. Noch immer steht die Frage im Raum, wer diese Monja wirklich ist, und was sich hinter ihrer Vergangenheit verbirgt. Obwohl Shalyn der hübschen Monja total verfallen ist, weiß sie nicht, was sie von der Sache halten soll. Und noch bevor sie zu ersten Lösungen kommen kann, gerät sie selber in Gefahr …
_Meine Meinung_
Ich habe im Laufe dieses Buches mehrmals darüber nachgedacht, die Geschichte aus der Hand zu legen und dieser Serie bis auf Weiteres meine Freundschaft zu kündigen. Bereits das vorangegangene Buch war nicht gerade berauschend, wobei dort noch eine in sich schlüssige und auch weitestgehend spannende Story aufzufinden war. In „Germania“ sind all diese positiven Eindrücke ausnahmslos verschwunden. Die Geschichte ist nicht nur dröge und langweilig, sie ist auch von vorne bis hinten leicht durchschaubar. Überraschungen hält Autor(in) S.H.A. Parzzival indes keine mehr bereit. Aber wie soll das bei einer übertrieben schnellen Erzählgeschwindigkeit auch funktionieren? Wie soll man beispielsweise die Bedrohung durch den gravierenden Klimawandel auf sich wirken lassen, wenn sie mit einem Schlag wieder ausgeräumt zu sein scheint – und das, bevor sich die tatsächlichen Auswirkungen offenbart haben …? Der Autor schließt den mit Abstand wichtigsten Handlungsabschnitt schon ab, ehe er sich überhaupt hat entwickeln können, und das macht die Sache immer unglaubwürdiger. Man hätte eine ganze Reihe mit dem Attentat auf Germania und dessen Folgen füllen können; Parzzival reichen dazu ungefähr 80 Seiten, dann sind jegliche Ansätze versaut und das letzte bisschen übrig gebliebene Atmosphäre gänzlich zerschmolzen. Wenn es das ist, was die Macher von „Titan“ unter einem Social-Fiction-Thriller verstehen, wird es Zeit, das Genre frühzeitig zu begraben!
Kaum besser fällt die Kritik bezüglich der beiden Hauptcharaktere Shalyn Shan und Munja aus. Schön, dass sich die beiden Turteltäubchen an jeder Stelle herzen müssen – aber ist es wirklich glaubhaft, dass man sich während der größten Klimakatastrophe, die die Welt je gesehen hat, lächelnd küsst? Na ja, ich weiß nicht. Aber es kommt noch schlimmer: Germania ist noch nicht von der Bedrohung entlastet, da springen die beiden in Shalyns Privat-Pool und machen sich da planschend ein paar schöne Stunden. Tut mir Leid, aber spätestens in dieser Szene hat das Buch völlig verloren und bringt die Serie infolgedessen leider auch in Verruf. Beschämend, was S.H.A. Parzzival aus dem tollen Charakter Shalyn Shan gemacht hat. Eingeschworene Anhänger werden die Augen verdrehen, wenn sie das lesen. Aber gut, meine Aufgabe ist es nicht, enttäuscht zu schimpfen. Wohl aber möchte ich klarstellen, dass die Serie auf dieser billigen Ebene keine Zukunft hat. „Germania“ ist das Negativ-Beispiel dafür, wie man einen mühsam erarbeiteten Ruf in kürzester Zeit wieder ruinieren kann. Meine Bitte an das Autorenteam: Schickt die „Titan“ wieder zurück in den Weltraum und lasst sie fremde Welten erkunden. Pseudo-innovative Inhalte wie die hier gebotenen will absolut niemand lesen!
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