Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Charles Stross – Singularität

„Einer der originellsten Science-Fiction-Romane, die je geschrieben wurden!“

„Wie einst William Gibson haucht Charles Stross der Science Fiction neues Leben ein!“

Mit diesen flammenden Zitaten heischt der Roman im Regal um Aufmerksamkeit. Charles Stross? Nie gehört! Aber wen die New York Times als neuen Superstar bezeichnet, muss der Aufmerksamkeit doch wert sein, oder?

Charles Stross, geboren 1964 in Leeds, England. „Singularität“ ist sein erster Roman und wurde gleich ein großer Erfolg.

In der Zukunft der Menschheit wird mit Singularität jenes Ereignis bezeichnet, bei dem die Erdbevölkerung um zwei Drittel geschrumpft wurde und fast alle Regierungen zerbrachen, da der Rückhalt, vor allem der steuerliche Rückhalt durch die Bevölkerung fehlte. Ein mächtiges Wesen (oder Volk?) sortierte die Menschen nach Ideologie und Wesensart, um verschiedene Kolonien in der Galaxis zu gründen. Die neuen Kolonien wie auch die zurückbleibende Erde rüstete das Wesen, das sich „Eschaton“ nennt, mit so genannten „Füllhörnern“ aus: Geräte, die jede nur vorstellbare Ware herstellen können und zur Selbstreplikation befähigt sind. Damit verlor die Wirtschaft ihren Sinn, eigentlich brach das Chaos aus.

Das Eschaton auferlegte den Menschen, „in seinem Zeitkegel“ keinerlei Manipulationen der Zeit vorzunehmen, um seine Existenz nicht zu gefährden. Man einigte sich darauf, dieser Forderung zu entsprechen, denn das Eschaton konnte jegliche Missachtung mit Vernichtung strafen. Auf der Erde blieben als einzige Organisation die UN bestehen, allerdings mit sich oft verschiebenden Zielen und Ansprüchen. Die anderen Planeten entwickelten je nach Zusammenstellung der Bevölkerung verschiedene Regierungssysteme, immer auf der Grundlage der neuen Möglichkeiten. Nur in der „Neuen Republik“ wurden die Füllhörner vernichtet, Information und Technik dem Volk vorenthalten, so dass sich eine feudale Herrscherklasse entwickeln konnte.

Das ist in groben Zügen der Hintergrund, vor dem Charles Stross seine Geschichte spielen lässt. Durchaus originell. Aber es kommt noch besser: Über einer abgelegenen Kolonie der Neuen Republik erscheint das „Festival“ und stiftet Unruhe. Es lässt Telefone vom Himmel regnen, in einer kommunikationsarmen Gesellschaft ein Unding. Durch diese Geräte nimmt es Kontakt zu den Menschen auf und fordert: „Unterhaltet uns!“

Das Festival ist auf Informationen aus, es tauscht seine Dienste gegen die Geschichten und das Wissen der Bevölkerung. Jeder, der ihren Forderungen nachkommt, darf sich etwas wünschen. Das System auf dem Planeten bricht zusammen. Revolutionäre erhalten Füllhörner, jemand lässt Geld regnen, was unbeachtet bleibt, da jeder alles hat, was er will. Ein Hilferuf ist die letzte Hoffnung für das ansässige Herzogtum.

Aus gesellschaftlichen Gründen muss der Kaiser den dienstältesten Admiral mit dieser schwierigen Lage betrauen, unglücklicherweise altern auch Admirale in Friedenszeiten normal, und da der Rückzug in den Ruhestand nicht vorgesehen ist, muss dem senilen Admiral Kurtz zumindest das Angebot gemacht werden. Der ist natürlich Feuer und Flamme, aber noch geistig klar genug, um einen fähigen Geschwaderkommandeur mitzunehmen. Geplant ist eine Fast-Verletzung der Kausalität, indem man mit neuartigen Triebwerkszusätzen erst in die Zukunft vordringt, um sich dort über Nachrichtensonden Informationen über den Gegner zu holen, und dann in die Vergangenheit zurückkehrt, aber nicht so weit, dass man vor Eintreffen des Festivals im Zielsystem anlangt, sondern sehr kurz danach – also einfach eine enorm schnelle Reaktion vortäuscht.

Um der Geschichte zu beweisen, man habe die Kausalität nicht verletzt, wird die UN-Inspektorin Rachel Mansour als Beobachterin eingeladen. Und noch ein Fremder ist mit von der Partie: Maschineningenieur Martin Springfield von der Erde, der durch sein republikwidriges Verhalten die Spionageabwehr auf sich zieht.

Die Lord Vanek ist das Flaggschiff der Operation. Und während sich in den Wochen der Anreise Rachel und Martin nahe kommen, intrigieren verschiedene Parteien in verschiedenen Punkten; so verbindet der republikanische Spion Wassily die Überwachung von Martin mit seinem Unbehagen einer selbstständigen Frau gegenüber, indem er auch Rachel nachspioniert. Das kommt dem Sicherheitsbeauftragten der Vanek gelegen, der Rachels diplomatische Immunität umgehen und sie kriegsgerichtlich erledigen will (aus ähnlich missgünstigen Gründen wie denen von Wassily). Nebenbei arbeitet Martin für eine höhere Instanz an der Sabotage der Fast-Kausalitätsverletzung, und Rachel spielt ihre diplomatischen Beziehungen aus, um die Flottenführung von der Sinnlosigkeit eines bewaffneten Angriffs auf das Festival zu überzeugen.

Derweil breitet sich das Festival auf dem okkupierten Planeten „Rochards Welt“ aus und bereitet seine Wiedergeburt vor. Es ist fremdartiger, als sich (fast) alle Beteiligten je ausmalen können …

Rachel Mansour ist die typische starke Frauenpersönlichkeit mit einem komplizierten Lebenslauf, der über verschiedene Stationen zur Waffeninspektorin der Vereinten Nationen führt. Natürlich nutzt sie die fortschrittlichen Möglichkeiten der Zukunft für ihre körperliche Aufwertung, so ist sie gespickt mit technischen Verstärkern und Beschleunigern, die sie jedem normalen Nahkämpfer überlegen machen. Zusätzlich trainiert sie (nackt) asiatische Kampfkünste und unterzog sich diversen Verjüngungskuren, die ihr die körperliche Leistungsfähigkeit und das Aussehen einer Endzwanzigerin bei einem tatsächlichem Alter von über einhundert Jahren bescheren. In ihrer Vergangenheit gibt es einige böse Erfahrungen, die sie zu einer energischen Atomwaffengegnerin machen. Und eigentlich hat sie sich fest vorgenommen, keinerlei persönliche Beziehung zu einem Mann einzugehen. Wie es der Zufall will, hat sie ihre Rechnung ohne Martin gemacht.

Martin Springfield hütet ein kurioses Geheimnis (kurios für die Menschen seiner Umgebung): Eigentlich arbeitet er für eine irdische Raumschiffswerft als Vertragsingenieur und gelangt als solcher an Bord der Lord Vanek, hintergründig verfolgt er Ziele, die denen von Rachel weit voraus sind. Es geht ihm nicht um die Abwendung eines Krieges, sondern um die Einhaltung der Kausalitätsabkommen mit dem Eschaton. Sein Auftraggeber, Herrmann, tritt nicht direkt in Erscheinung, verfügt aber über scheinbar unbegrenzte Machtmittel. Dass Martin so vorbehaltlos sein Leben aufs Spiel zu setzen bereit ist, fällt dem Leser gar nicht weiter auf, denn Herrmann versichert ihm, alles Mögliche für seine Rettung zu tun. Und außerdem steht er in hohem Sold bei Herrmanns Organisation.

Burija Rubenstein leitet die organisierte Revolution auf Rochards Welt. Er scheint ein wenig der idealisierte Kommunist zu sein, dem die Füllhörner endlich die Gelegenheit geben, seine Ideen durchzusetzen. Durch die KRITIKERIN, eine Begleiterin des Festival, erhält er Einblicke in die tief greifenden Veränderungen, die das Festival bewirkt. Dass ihn diese Erlebnisse mit Realität gewordenen Aspekten russischer Märchen konfrontieren, lässt ihn abstumpfen und etwas von seinem unruhigen, drängenden Revolutionsgehabe verlieren. So transportiert ihn die KRITIKERIN zum Beispiel in ihrem wandelnden Haus auf drei Hühnerbeinen, sie selbst hat allerdings kaum Ähnlichkeiten mit der Baba Jaga. Im Mittelteil des Buches wirkt diese Erzählebene so irrwitzig, dass sie dem Ganzen einen überdrehten Charakter verleiht. Von dem Wesen des Festivals erfährt man dadurch wenig, was schade ist, denn so bleiben die Informationen auf die wie nebensächlich eingeworfenen Dialoge zwischen Martin und Rachel beschränkt.

Obwohl auch einige der anderen im Buch erwähnten Figuren wichtige Rollen spielen (wie der Kommandant des Flaggschiffs, der eine Art intelligenten Patriotismus darstellt), bleiben diese drei Personen die Hauptakteure und Bezugspunkte der Erzählebenen. Die Ebene der Flotte im Anflug auf den Gegner birgt wenig Neues, allzu sehr geht der Autor auf die Abläufe in einer Befehlszentrale während der Manöver ein und überhäuft den Leser mit der undurchsichtigen Befehls- und Meldungssprache zwischen Soldaten – wie realitätsnah das ist, lässt sich aus meiner Sicht nicht beurteilen. Es liefert eine oberflächliche Stimmung an Bord, stört aber die durchaus interessanten Aspekte der Beziehungen zum Beispiel zwischen dem Admiral und seinem Stab. Dadurch kann Stross ein starkes Augenmerk auf die Abläufe der kämpferischen Begegnung zwischen Republik und Festival bieten, und man ist erstaunt, wie der Kommandant dieses und jenes aus nicht vorhandenen Schiffsbewegungen schließen kann, obwohl er doch keinerlei Erfahrung mit einem Raumkampf und keine Vorstellung vom Festival hat.

Die abgedrehte Schilderung der Vorgänge auf Rochards Welt vereinfacht nicht gerade das Verständnis des Festivals oder auch der Geschichte an sich, hier hat der Autor wie schon erwähnt etwas zu dick aufgetragen in dem Bemühen, eine originelle Form der Invasion zu entwickeln. Bleibt also nur die Beziehung zwischen Rachel und Martin, und tatsächlich erfährt man in diesem Zusammenhang die meisten Details, die das Geschehen begreiflich machen oder der Geschichte als Hintergrund dienen. Komischer Zufall bleibt, dass Wassily, der Spion der Republik, einen Unfall im Weltraum übersteht und auch noch auf Burija trifft, der sich als sein verschwundener Vater entpuppt und von ihm umgebracht werden soll. Dabei stellt sich heraus, dass Wassily programmiert auf diesen Moment ist und seine Spionage nur als Vorwand diente, ihn auf das Flaggschiff zu bringen. Unglaubwürdig, denn auf Rochards Welt hätte die Republik viel erfolgversprechendere Möglichkeiten gehabt, den Revolutionär auszuschalten, als über einen Agenten durch eine Raumschlacht mit ungewissem Ausgang.

Mit „Singularität“ hat Charles Stross ein durchaus interessantes und ausbaufähiges Universum entworfen, in dem noch viele Geheimnisse schlummern. Die Wesenheit des Eschaton ist eines dieser Rätsel und scheint mir ein Aufhängepunkt weiterer Romane zu sein – immerhin ist mit „Supernova“ ein weiteres Buch angekündigt, und das Schicksal von Martin und Rachel lässt erahnen, dass wir hier die Geburt eines neuen Agentenpärchens miterlebt haben. Insgesamt ist „Singularität“ gut und unterhaltsam lesbar, auch wenn mich die sehr häufigen Anmerkungen des Übersetzers gestört haben, da sie sich größtenteils mit physikalsichen Gesetzen beschäftigen oder Anspielungen des Autors erklären sollen. Das bringt auch gleich die negative Seite der Geschichte auf den Punkt. Der Autor brachte zu viele Bezüge zu unserer Realität, die entweder nur ausgebildete Physiker oder seine Landsleute verstehen können (da werden zum Beispiel Anspielungen auf Fernsehserien oder neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gebracht, die auch durch die Übersetzung oder die ausführlichen Erläuterungen des Übersetzers nicht zum Lesegenuss beitragen).
Lässt man all diese kleinen schmälernden Punkte außer Acht, ergibt sich eine interessante Geschichte, die Lust auf mehr macht. Allerdings kann man über die Zitate des Buchumschlags nur lächeln.

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (8 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)

Clemens, James – Buch des Sturms, Das (Alasea / Banned and the Banished 2)

Elena und ihre Gefährten sind nach dem grausamen Kampf mit den finsteren Geschöpfen Gul’gothas in die Berge zu Krals Stamm geflüchtet, wo sie den Winter verbracht haben. Jetzt ist der Frühling da, und die Gruppe bricht auf, um Elena nach A’loatal zu bringen, wo das Buch des Blutes verborgen ist. Doch das Böse wartet bereits auf sie und hat tückische Fallen aufgestellt. In dem kleinen Städtchen Schattenbach kommt ihnen Merik abhanden, und Elena wird von einer Sumpfschlingpflanze befallen. Die Gruppe ist gezwungen, sich zu teilen. Kral, Tol’chuk und Mogwied bleiben in Schattenbach, um Merik zu suchen, und Elena macht sich in Begleitung von Er’ril, Mikela und Ferndal auf den Weg in die Sümpfe, um die dort lebende Hexe aufzusuchen, damit sie sie von dem Gewächs befreit, das sich bei jedem Einsatz von Elenas Magie weiter auf ihrem Körper ausbreitet.

Während Elena und ihre Gefährten quer durch Alasea unterwegs sind, vegetiert ihr Bruder Joach unter dem Bann des Dunkelmagiers, der ihn gefangen genommen hat, in A’loatal dahin. Sein Geist ist ungetrübt, doch er hat keinerlei Gewalt über seinen Körper, der den Befehlen des Dunkelmagiers unterworfen ist. Bis er eines Tages in die Nähe des großen Koa’kona-Baumes im großen Innenhof gelangt, dem Zentrum der alten Magie des Chi, die hier früher herrschte. Danach ist er plötzlich wieder sein eigener Herr. Er verbirgt dies vor seinem Entführer und beginnt heimlich, die alten Gemäuer zu erkunden auf der Suche nach einem Fluchtweg. Was er schließlich findet, ist viel mehr als das …

Gleich mit Beginn des zweiten Bandes treibt Clemens den Handlungsverlauf um Elena wieder zügig voran. Bedrohung folgt auf Bedrohung, Kampf auf Kampf, beinahe ohne Unterlass, denn die ereignislose Zeitspanne zwischen der erfolgreichen Überquerung des Gebirgspasses bis nach Schattenbach überspringt er einfach. Die einzige ruhigere Phase bietet der Handlungsstrang in A’loatal, mit dem sich die Handlung um Elena abwechselt. Allerdings zieht auch hier das Erzähltempo nach hinten zu dramatisch an.
Die Spannung, schon von Anfang an relativ hoch angesetzt, steigert sich zum Ende hin dramatisch, wohingegen der Endkampf selbst sich als zwar spektakulär aber nicht unbedingt nervenzerreißend erweist. Die dunklen Wesen, die diesmal die Gefährten bedrohen, sind nicht weniger widerlich und abstoßend wie bisher. Die größere Spannung aber erzeugt der im Vergleich zu den übrigen Ungeheuern geradezu gewöhnlich wirkende Zwerg, der Elena bis ins Sumpfland verfolgt, allein durch seine ungeheure Bosheit wie die Unverletzlichkeit des Steins, aus dem er gemacht ist. Gegen diese unaufhaltsam näher kommende Bedrohung und das damit einhergehende Warten wirkt der eigentliche Kampf letztlich wie eine Erlösung. Die Ruhe vor dem Sturm ist eben doch oft unangenehmer als der Sturm selbst.

Clemens ist generell gnadenloser in seiner Erzählart als viele andere Autoren. Er scheut auch nicht davor zurück, Mitglieder der Gruppe um seine Heldin zu opfern, während in den meisten anderen Fällen der enge Kreis um die Hauptperson von Verlusten verschont bleibt. Wobei „zum Opfer fallen“ nicht unbedingt den Tod bedeuten muss. Andere Arten von Verlusten wie Verrat oder Manipulation kommen genauso vor. Dass dem Leser die Identität der Opfer nicht jedes Mal verraten wird, steigert wiederum die Spannung.
Andererseits kommen auch neue Mitglieder dazu. Mikela, die Schwertkämpferin, erweist sich als wertvolle Verbündete, denn sie ist eine Sucherin und in der Lage, Elementarmagie in anderen zu erkennen. Und auch in den Sümpfen finden die Gefährten Verbündete. Was sich dadurch nicht verändert, ist dieser Hauch von Rollenspiel, der der Gruppe anhaftet. Auch zeigen sich erste deutliche Tendenzen dahingehend, dass Beschützer und Schutzbefohlene dabei sind, sich ineinander zu verlieben. Ein immer wieder gern verwendetes Mosaiksteinchen der Literatur, dem wohl keiner auf Dauer entkommen kann. Aber man kann eben nicht alles haben, und der Punkt stört weit weniger als die bereits im Zusammenhang mit dem ersten Band erwähnte Bezeichnung von Magie als Magik!

Abgesehen vom eigentlichen Handlungsverlauf baut Clemens auch seine Welt weiter aus. Je mehr die Geschichte fortschreitet, desto vielgestaltiger und detaillierter wird Alasea. Meervolk und Seedrachen tauchen auf, die ein Gegengewicht zu den üblen Kreaturen des Bösen bilden, und selbst der Sumpf ist ein auf seine eigene Weise faszinierender Ort. Außerdem wird durch die Erzählungen der Sumpfhexe die Vorgeschichte der Eroberung Alaseas eingehender beleuchtet. Puzzleteil für Puzzleteil setzt sich ein Bild zusammen, das jetzt schon die Vermutung aufkommen lässt, es könnte den Wesenskern des Bösen aufdecken und damit für den endgültigen letzten Kampf entscheidend sein.
Der liegt allerdings noch in weiter Ferne, jenseits zweier weiterer Bände, und die Bände werden dicker. Vorerst steht der Kampf um A’loatal an, denn dort befindet sich das Buch. Nur ist A’loatal inzwischen in schwarzen Händen …

„Das Buch des Sturms“, im Original „Wit’ch Storm“, ist eine furiose Fortsetzung des ersten Bandes [„Das Buch des Feuers“. 969 Es erscheint kaum möglich, die Spannung noch weiter zu erhöhen. Wahrscheinlich ist zu befürchten, dass die bevorstehenden Szenen des Krieges eine Menge Unangenehmes beinhalten werden. Wenn man allerdings vom zweiten Band auf den dritten schließen kann, dann hat jeder, der sich von blutigen Details und diversen Scheußlichkeiten nicht abgeschreckt fühlt, mit ziemlicher Sicherheit eine ganze Reihe von starken Adrenalinschüben vor sich.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch Fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| herauskommen unter dem Titel „Shadowfall“.

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Bujold, Lois McMaster – Paladin der Seelen (Chalion Band 2)

„Paladin der Seelen“ ist eine Art Fortsetzung von [„Chalions Fluch“. 517 Das Buch spielt einige Jahre nach den dort geschilderten Ereignissen in der gleichen Fantasy-Welt, die Autorin vermeidet es aber, die früheren Hauptpersonen noch einmal auftreten zu lassen. Bei dem, was diese durchzumachen hatten, wäre es wohl auch schwierig, da noch einen draufzusetzen. Stattdessen nimmt sie eine Randfigur des ersten Buches, die frühere Königin Ista, und schildert deren weiteres Leben.

Ista hatte ein tragisches Schicksal. Von den Göttern als junges Mädchen für eine Aufgabe ausgewählt, an der sie einst scheiterte, verbrachte sie Jahrzehnte in tiefer Depression als Opfer des „Fluchs von Chalion“, weggeschlossen in einer entlegenen Burg. Mit dem Brechen des Fluchs ist sie nun zwar befreit, weiß aber mit ihrem Leben nichts anzufangen.
Hier beginnt nun das Buch. Es ist eine Wonne, wie Bujold die Spannung aufbaut, Hinweise gibt, Fäden knüpft und den Leser in den Bann zieht.

Der Originalverlag |Eos| weiß das wohl, nutzt das auch aus und gibt dem potenziellen Leser auf seiner Website sechs Kapitel zum Schnuppern. (Eine digitale [Schnupperfassung]http://www.amazon.com/gp/reader/0380818612/ gibt es auch bei amazon.com nachzulesen.) Bei mir haben diese sechs Kapitel jedenfalls bewirkt, dass ich mir das Buch sofort vorbestellt habe – und ich habe keinen Cent davon bereut!

Man darf sich Ista nicht als altes Mütterchen vorstellen, mit 40 Jahren ist sie zwar aus der Jugend heraus, vor allem in einer Welt, die von der Anlage ungefähr unserer Renaissance entspricht, hat aber durchaus noch den Blick für einen knackigen Po bei einem Mann. Von ältlichen Gouvernanten und Haushofmeistern überwacht, bleiben ihr aber nur ihre Träume. Allerdings fangen die Götter an, sich in diese Träume einzumischen …

Ista bricht aus ihrem goldenen Käfig aus. Sie schafft es, eine Pilgerfahrt bewilligt zu bekommen, und was wie eine bessere Landpartie beginnt, gerät schnell aus den Fugen. Immer mehr Dämonen nisten sich in Tieren und auch Menschen ein, feindliche Truppen schleichen sich durch die Lande – und Istas Träume werden immer heftiger.

Nach einer Reihe von lebensgefährlichen Abenteuern ist sie wieder in – scheinbarer – Sicherheit und begegnet dort dem Mann ihrer Träume in Person. Leider liegt er im Sterben. Oder doch nicht? Was hat es mit seinem Halbbruder auf sich? Die Fairness gebietet, nicht zu viel zu verraten, da ich niemandem den Lesespaß verderben will. Jedenfalls hat Ista, nachdem alles vorbei ist, wieder ein Ziel im Leben, und eine Aufgabe, die sie ausfüllt.

Das Buch weist zunächst ein eher langsames Tempo auf, das aber öfters sehr schnell ins Dramatische umschlagen kann, wobei das Verwirrspiel der Rätsel vielschichtig, doch absolut logisch ist. Als Leser wird man trotzdem immer wieder überrascht, und das Ende ist, wenngleich nicht als „Happy“, so doch als befriedigend zu bezeichnen.

Man sollte „Chalions Fluch“ vorher gelesen haben. Es ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber das dortige Geschehen bildet nun einmal den Hintergrund und den Auslöser für die hier geschilderten Ereignisse. (Abgesehen davon ist „Chalions Fluch“ ein Buch, das kein Fantasy-Freund verpassen sollte!)

Das einzig Traurige ist, dass es wieder einige Zeit dauern wird, bis Bujold ihren nächsten Roman fertig gestellt hat.

_[Dr. Gert Vogel]http://home2.vr-web.de/~gert.vogel/index.htm _

Clemens, James – Buch des Feuers, Das (Alasea / Banned and the Banished 1)

Elena ist gerade zur Frau geworden. Das ist eigentlich nichts Beunruhigendes. Nur die Verfärbung ihrer Hand kommt ihr seltsam vor. Sie erfährt schon bald, was es damit auf sich hat. Die Erkenntnis erschreckt sie zutiefst: Sie ist eine Hexe! Und der Herrscher ihres Landes ist deshalb offenbar voller Begierde hinter ihr her. Um sie einzufangen, schickt er Magier und andere Helfer aus. In einer überstürzten, halsbrecherischen Flucht entkommen Elena und ihr Bruder den Häschern. Sie wollen versuchen, die Stadt zu erreichen, wo ihre Tante Fila lebt. Doch als sie dort ankommen, müssen sie feststellen, dass sie ein aufgebrachter Pöbel erwartet. Nur der überraschenden Hilfe durch drei Fremde ist es zu verdanken, dass Elena ihren Verfolgern entgeht. In Sicherheit ist sie damit noch lange nicht!

Wie bei den meisten vielbändigen Zyklen ist auch hier der erste Band die große Einleitung, die dem Aufbau der Welt und der Personen dient. Es ist eine finstere Welt, die Clemens da zeichnet, eine eher durchschnittliche Landschaft von Gebirgen, Ebenen und Wäldern, aber voller Lug und Trug und dunkler Magie, bevölkert mit einer Menge ebenso grausamer wie widerlicher Geschöpfe, denen im Laufe der Handlung immer mehr von Elenas Familienmitgliedern zum Opfer fallen.
In dem Maße, wie sie ihre Verwandten verliert, gewinnt sie neue Verbündete. Einige davon sind uralt, andere stammen aus ihrer eigenen Zeit. Aber an allen ist etwas Besonderes:
Er’ril, der Schwertkämpfer, der sich als Gaukler durch die Lande schlägt, war einst Zeuge, wie das Buch des Blutes geschaffen wurde, auf dem die Hoffnung aller Kämpfer gegen die Finsternis ruht. Ein einarmiger Mann, von der Zeit und der Aussichtslosigkeit seines Kampfes verbittert, muss er zuerst seine Vorurteile gegen Hexen überwinden, ehe er zu Elenas Beschützer werden kann.
Kral hat seine Bergheimat eigentlich nur verlassen, um ein Skal’tum zu töten, ein Ungeheuer, das seinem Klan Schaden zugefügt hat. Der Mann wie ein Fels, der niemals lügt und die Lüge in anderen Wesen erkennen kann, wird ebenfalls zu Elenas Beschützer.
Ni’lahn ist eine Nymphai, die letzte ihrer Art. Alle anderen starben, als ihre Bäume einer schlimmen Krankheit zum Opfer fielen. Jetzt zieht Ni’lahn mit ihrer Laute, die die Seele ihres Baumes bewahrt, durch das Land und sucht ein Heilmittel für ihren sterbenden Baum.
Tol’chuk, ein Og’er, wurde von seinem Stamm ausgesandt, die Seelen der Verstorbenen seines Volkes zu befreien, die in einen roten Kristall eingeschlossen sind. Dabei trifft er auf zwei Si’lura, Gestaltwandler, die in ihrer derzeitigen Gestalt stecken geblieben sind: Ferndal und Mogwied, Wolf und Mann. Die beiden wollen nach A’loatal, wo noch ein Rest Magie aus der Zeit vor der Finsternis verblieben sein soll, weil sie hoffen, dass dies den Bann aufheben wird.
Und dann ist da noch Merik, der Elv’e. Als sein Volk vor langer Zeit, noch lange vor Anbruch der Finsternis, aus Alasea vertrieben wurde, wurde der König als Geisel zurückgehalten. Nun sucht Merik dessen Nachfahren. Und die Hexe, deren Erscheinen prophezeit wurde und den Untergang der Welt bedeuten soll.
Sie alle treffen mehr oder weniger zufällig zusammen und ergeben einen ziemlich bunt zusammengewürfelten Haufen von verschiedenen Völkern, was nicht ganz ohne Spannungen abläuft. Der geradlinige Kral gerät recht bald mit dem arroganten Merik aneinander, und zwischen Merik und Ni’lahn herrscht uralter Hass. Selbst Mogwieds Verhältnis zu seinem Bruder ist nicht ungetrübt. Die sich überstürzenden Ereignisse schweißen sie trotz aller Gegensätze zu einer Truppe zusammen, die nur ein Ziel hat: Elena zu schützen. Denn Elena beherrscht ihre Macht so gut wie gar nicht und ist auch äußerst unwillig, sie zu benutzen.

Die Handlung wird mit ziemlichem Druck vorangetrieben. Die fünfhundert Seiten des Buches bestehen fast ausschließlich aus Flucht und Kämpfen, und das hohe Erzähltempo lässt dem Leser kaum Zeit zum Durchatmen. Bis die gesamte Gruppe zusammengefunden hat, verläuft die Handlung in mehreren Erzählsträngen. Clemens wechselt den Strang gnadenlos immer genau dann, wenn der Leser ihn gerade am wenigsten verlassen will, und dreht damit kräftig an der Spannungsschraube!
Die Charaktere bleiben dadurch zwangsläufig etwas auf der Strecke. Zwar werden Gedanken und Gefühle durchaus deutlich beschrieben, gehen aber im allgemeinen Stress zu sehr unter. Die Gruppe wirkt dadurch ein wenig plakativ, wie eine Rollenspielgruppe, wenn man mal davon absieht, dass der Oger hier ein Mitglied und kein Gegner ist.
Das Gewürm und die Ungeheuer, mit denen Clemens seine Welt bevölkert hat, sind alle äußerst unangenehm, und die Szenen in diesem Zusammenhang stellenweise wirklich unappetitlich. Das Gros der Fantasy scheint ohne solche Details irgendwie nicht mehr recht auszukommen, und manchmal wünscht man sich etwas mehr von der subtilen Angst der |Neun|, die ihren Schrecken ganz ohne Ekel und Blut verbreiten.
Die etwas ausgefallenen Schreibweisen für Nymphe, Elfe und Oger dienen wahrscheinlich der Extravaganz, stören aber nicht. Was ich dagegen als massiv störend empfinde, ist die Bezeichnung von Magier/-in und Magie als Magiker/-in und Magik! Ich muss mich wirklich stark konzentrieren, um die Worte im Kontext so frühzeitig zu erkennen, dass ich sie gar nicht mehr wirklich lesen muss, sondern einfach in normaler Schreibweise ergänzen kann. Und jedes Mal, wenn es nicht klappt, stolpere ich darüber. Wie überaus lästig.

Im Großen und Ganzen ist dieser erste Band des Zyklus gut gelungen. Wer kein Problem mit blutigen Szenen und scheußlichen Wesen hat und eine Vorliebe für Action und schnelle, bewegte Handlungsabläufe hegt, kommt hier garantiert auf seine Kosten. Denn es ist wirklich ununterbrochen spannend. Und am Ende wird der Leser mit der Gewissheit allein gelassen, dass die Gruppe drauf und dran ist, den Kopf einem hungrigen Drachen ins Maul zu stecken, der nichts anderes tut, als gerade darauf zu warten! Es ist schier unmöglich, den zweiten Teil nicht zu lesen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Canada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.

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King, William – Wolfsschwert (Warhammer 40.000: Ragnar-Zyklus Band 4)

Ragnar ist bei den Wolflords von Fenris in Ungnade gefallen, nachdem er im Kampf gegen Magnus, den Primarchen der Thousand Sons, den heiligen Speer des Russ eingebüßt hat. Dennoch erscheint die Strafe, die ihm auferlegt wird, im ersten Moment vergleichsweise milde: Er wird auf den Heimatplaneten der Menschheit, Terra, abkommandiert, um dort in den Reihen der Wolfsklingen dem Navigatorenhaus Belisarius, das durch jahrtausendealte Verträge eng mit dem Orden der Space Wolves verbunden ist, zu Diensten zu sein.

Doch wie so oft trügt der erste Anschein. Zwischen den Häusern Belisarius und Feracci herrscht seit langem ein Krieg, der im Verborgenen mit Verrat, Intrigen und Attentaten geführt wird. Während des Transits zum Heimatplaneten kann Ragnar im letzten Moment den Mord an Gabriella Belisarius verhindern und am Ziel seiner Reise – Terra – muss er erfahren, dass die Wiege der Menschheit in keiner Weise dem glorreichen und ruhmreichen Bild in den Erzählungen seines Ordens entspricht: Moralische Verkommenheit und Dekadenz auf der einen Seite und die gnadenlose Ausbeutung von Menschen in den ewig-dunklen und verseuchten Schluchten der Makropolen auf der anderen lassen die harten Bedingungen auf Fenris geradezu friedlich und paradiesisch erscheinen; die Clans der Space Marines werden von den normalen Bürgern gehasst und auch die Wolfsklingen, der zynische Torin und der fette Haegr, scheinen weit von den Idealen seines Ordens entfernt.
Als ein Auftrag sie gegen religiöse Fanatiker führt, erkennen die drei Marines, dass der Arm der Verräter weit in das verbündete Haus reicht und sie froh sein können, wenn sie mit dem Leben davonkommen. Angesichts einer Übermacht aus Hunderten Zeloten und einem mächtigen Psioniker, bleibt ihnen nur die Flucht auf die untersten Ebenen der Makropole und die Hoffnung, dass es ihnen gelingen wird, sich an die Oberfläche zurückzukämpfen. Angewiesen auf die Hilfe von Menschen, die ihnen misstrauen, und verfolgt von zahllosen Feinden beginnen sie ihren Aufstieg, während sich oben die Schlinge um den Hals der Celestarchin Lady Juliana Belisarius immer weiter zusammenzieht.

Einmal mehr beweist King, dass er sein Handwerk beherrscht und in der Lage ist, sowohl das komplexe WH40k-, als auch das WHFB-Universum zum Leben zu erwecken.

Die actionbetonte Handlung ist in gewohnt routinierter Art und Weise verfasst, Kings Schreibstil ist so gefällig und flüssig, dass der Leser gerne über kleine Schwächen in der Charakterisierung von Protagonisten und in der Dramaturgie hinwegsieht.

Haegr wirkt im wahrsten Sinne des Wortes überdimensioniert, seine obelixhaften Fressgelage vollkommen überzeichnet und selbst unter Berücksichtigung der außerordentlichen Space-Marine-Physiologie unglaubwürdig. Die Wortgefechte mit Torin sind zwar anfangs unterhaltsam, stellen aber mit Fortgang des Romans den Leser mehr und mehr auf die Geduldsprobe.

Etwas größeren Augenmerk hätte King auf den geheimnisvollen, übermenschlichen Assassinen Xenothan und dessen Verbindungen zur Inquisition richten können; hier verschenkt er einiges an Potenzial und vergibt die Möglichkeit, einen starken Antagonisten aufzubauen.

Dafür gewinnt Ragnar im Vergleich zu den ersten Romanen durchaus an Tiefe, wächst in seiner Auseinandersetzung mit dem bis ins Mark korrupten System Terras und der menschenverachtenden und intriganten Politik sowohl der Navigatorenhäuser im Besonderen, als auch des Imperiums im Allgemeinen. Selbst wenn er nach wie vor treu seinen mörderischen Dienst leistet, so beginnt doch der Zweifel in seinem Herzen zu nagen. Der Autor umschreibt diesen Sachverhalt sehr gelungen mit „Sünde der Relativierung“, wonach es keine per se wertvolleren Menschen gibt und die Leistung des Individuums immer im Kontext seines Umfeldes beurteilt werden muss. Ein kleiner Untersekretär der dritten Klasse in der Imperialen Fabrik Nummer sechs wäre demnach ebenso viel „wert“ wie ein Space-Marine-Veteran. Und diese Erkenntnis steht im fundamentalen Widerspruch zur grundsätzlich faschistischen Ideologie nicht nur der Space Wolves, sondern aller Orden.

Hinsichtlich der Dramaturgie scheint es im ersten Moment bedauerlich, dass der Ausgang des Konfliktes teilweise dadurch vorweggenommen wird, dass die eigentliche Geschichte eine Rückblende, eine Erinnerung Ragnars ist und die ursprüngliche Zeitebene des Prologs in einer unbestimmten Zukunft liegt. Andererseits bediente sich King schon in seinen ersten drei Ragnar-Romanen dieses nicht-linearen Konstruktionsprinzips, trägt also hier nur dem einheitlichen Erscheinungsbild der Reihe Rechnung. Und letztendlich verliert dieser Aspekt angesichts der mitreißenden Action und fesselnden Atmosphäre ohnehin an Bedeutung, weil es King mühelos gelingt, den dystopischen Charakter des Warhammer-40k-Szenarions einzufangen. Zwar reizt er nicht den zentralen Aspekt der Geschichte – die Intrigen zwischen den Navigatorenhäusern – bis in den letzten Dialog und die kleinste Szene aus, dennoch ist sich der Leser auf Grund einiger geschickt gesetzter Akzente der moralischen Verderbtheit jederzeit bewusst. Auch in der Schilderung der unmenschlichen Lebensbedingungen auf den unteren Ebenen beweist er genügend Augenmaß, um den Leser nicht mit einer Aneinanderreihung beschreibender Passagen zu langweilen, sodass dieser mit „Wolfsschwert“ einen zwischen Action und Stimmung sehr gut ausbalancierten Roman in den Händen hält.

Etwas, wofür nicht der Autor verantwortlich zeichnet, ist das schlechte Coverbild von Geoff Taylor. Daran, dass die Gestaltung der neueren Warhammer-40k-Romane grundsätzlich keine künstlerische Offenbarung darstellt, hat man sich ja schon gewöhnt, dieses Machwerk jedoch stellt alles bisher Gesehene in den Schatten: schlampige Ausführung, ohne Sinn für Perspektive, Proportionen und dynamisches Posing, sowie ein völliges Versagen in der Gestaltung von Gesichtszügen. Das ist insofern schade, als dieses stereotype, schlecht gearbeitete Bild durchaus potenzielle Leser vom Kauf eines unterhaltsamen Buches abschrecken könnte.

Fazit: Eine atmosphärisch dichter, temporeicher Warhammer-40.000-Roman, der sich in seinen düsteren Abschnitten durchaus mit den großartigen WH40k-Büchern Ian Watsons messen kann, der allerdings auch gute Kenntnisse des allgemeinen WH-Backgrounds voraussetzt.

|Originaltitel: Wolfblade
Übersetzer: Christian Jentzsch|

_Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Bujold, Lois McMaster – Barrayar – Der junge Miles

Für den Sohn des ehemaligen Regenten des Kaiserreichs Barrayar sollte es kein Problem sein, an der Offiziersakademie aufgenommen zu werden. Doch nicht an Beziehungen oder gar Geist mangelt es Miles Vorkosigan, nein, er ist ein eineinhalb Meter großer, eher hässlicher, verkrüppelter Zwerg mit brüchigen Knochen, die keiner Belastung standhalten – die Folge eines Soltoxin-Attentats auf seine Mutter während der Schwangerschaft.

Beim knallharten Hindernislauf, Voraussetzung für die Aufnahme, bricht sich Miles wie schon so oft mehrere Knochen – damit ist seine militärische Laufbahn beendet, noch bevor sie begonnen hat. Seinem ultrakonservativen Großvater Piotr bricht er damit das Herz, der alte Mann stirbt kurze Zeit später.

Doch Miles Stunde ist noch nicht gekommen – dieses Buch ist die Geschichte seines Aufstiegs vom gescheiterten Offiziersanwärter zum gewitzten Söldnerführer Admiral Naismith.

_Klein, hässlich, charmant, erfolgreich …_

Mit Miles Vorkosigan führt Lois McMaster Bujold die schillerndste Figur ihres preisgekrönten Barrayar-Zyklus ein, der in komplett überarbeiteter Neuauflage bei |Heyne| erscheint. Der erste Sammelband der Neuauflage, [„Barrayar – Cordelias Ehre“, 865 enthielt bereits den mit dem |Hugo Award| ausgezeichneten Roman „Barrayar“ sowie „Scherben der Ehre“, in dem die Vorgeschichte dieser für eine Space-Opera ungewöhnlichen Heldenfigur geschildert wird.

„Der junge Miles“ enthält die Romane „Der Kadett“ und „Der Prinz und der Söldner“ – Letzterer wurde 1990 mit dem |Hugo Award| ausgezeichnet. Desweiteren ist die Novelle „Die Berge der Trauer“ enthalten, die im selben Jahr mit dem Kritikerpreis |Nebula| ausgezeichnet wurde!

Damit orientiert sich |Heyne| an der tatsächlichen Chronologie des Handlungsverlaufes, nicht an den Erscheinungsdaten der Romane. Insbesondere die Aufnahme der Novelle „Die Berge der Trauer“ in diesen Sammelband ist lobenswert, bisher konnte man sie nur außerhalb der Reihe in einem Sammelband erhalten. Damit stellt die Neuauflage die perfekte Gelegenheit dar, den kompletten Barrayar-Zyklus zu lesen – chronologisch geordnet und vollständig.

_Was macht den Barrayar-Zyklus besser als andere Space-Operas?_

Barrayar spielt in ferner Zukunft, die Menschheit beherrscht bereits die überlichtschnelle Raumfahrt, Wurmlöcher dienen als Sprungtore in ferne Sonnensysteme. Viele kleine Sternenreiche stehen im permanenten Konflikt, insbesondere um strategisch und wirtschaftlich bedeutsame Systeme mit vielen Wurmlöchern. Die Gesellschaft des technologisch und kulturell leicht rückständigen Kaiserreichs Barrayar erinnert an einen Mix aus dem Zarentum der Romanovs (die Adelskaste der „Vor“ stellt Offiziere und Regierung, der Kaisertitel ist erblich) und Stalinismus, dank Politoffizieren und ausgeprägtem Geheimdienstapparat. Der berechtigte Ruf der Grausamkeit eilt den Barrayanern voraus, insbesondere mit dem Nachbarreich Cetaganda und der kleineren Beta-Kolonie kommt es schon nahezu traditionell zu blutigen Gefechten.

Miles ist der lebende Gegensatz zu der militaristischen, konservativen und traditionellen Gesellschaft Barrayars, in der für ihn kein Platz ist – dabei braucht gerade sie seinen Witz, um in einer Zeit des Umbruchs und der Reformen zu bestehen.

_“Der Kadett“_ zeigt uns Miles freche, witzige Art. Thomas Manns Hochstapler Felix Krull könnte es nicht besser, gegen Miles Eskapaden sind seine Gaunereien kleine Fische. Als Söldner Miles‘ mit einer illustren Crew bemanntes Raumschiff, die vom psychopathischen Leibwächter bis hin zum barrayanischen Deserteur reicht, überprüfen, beschließen sie anstelle des Piloten wie sonst üblich doch eher die schöne Elena Bothari als Faustpfand an Bord zu nehmen …

Nun möchte ich nicht zu viel verraten, aber nicht nur werden diese Söldner überwältigt, nein, Miles gibt sich selbst als Söldnerhauptmann aus, „Admiral Naismith“ von den „Dendarii-Söldnern“ ist geboren. Diese nicht-existente Truppe wird bis zum Ende des Romans auf über 3.000 Mann anschwellen, gestandene Söldnergeneräle treten in die Dienste der Dendarii und ordnen sich Admiral Naismith unter. Zuhause auf Barrayar sorgt dies für Aufruhr, man will Miles Vater vorwerfen, sein Sohn stelle eine Söldnerarmee auf, was dem Gesetze nach nicht erlaubt ist und mit dem Tode bestraft werden muss.

Für Unterhaltung ist gesorgt. Gibt es mit Miles‘ Freund, Ivan Vorpatril, dem Offizier und Sunnyboy, sowie anderen Charakteren viel zu lachen und zu schmunzeln, mischen sich auch tragische Elemente in dieses Drama. Elena weiß nichts von ihrer Herkunft, sie ist das Produkt einer Vergewaltigung, die ihr Vater damals im Krieg gegen Escobar begangen hat. In diesem Band kommt es zur Konfrontation Elenas mit der Wahrheit – und der ihres Vaters, Sergeant Bothari, mit ihrer Mutter, die er auf eine absurde und abartige Weise liebt. Diese Zusammenhänge werden zwar erwähnt, jedoch erschließen sie sich nur Kennern des ersten Barrayar-Sammelbandes zur Gänze.

In _“Die Berge der Trauer“_ muss sich Miles seinen ganz persönlichen Problemen stellen. In den rückständigen Gebieten Barrayars werden missgebildete Kinder nach wie vor getötet (Barrayar erlebte einen Atomkrieg, mutierte Neugeborene wurden in der Vergangenheit bereits bei der Geburt beseitigt). Eine junge Mutter bittet Graf Vorkosigan um Gerechtigkeit, sie vermutet, ihr Mann habe ihr Kind wegen seiner Hasenscharte getötet. Miles soll Gerechtigkeit sprechen und den Täter finden.

Diese Novelle wurde mit dem |Nebula Award| ausgezeichnet. Was mich etwas verwundert, denn außer ein Schlaglicht auf die dunklen Seiten des sonst so tragisch-komischen Lebens von Miles zu werfen, konnte ich in ihr keine Moral, keinerlei Lösungsvorschlag oder dergleichen erkennen. Auch hat sich die Amerikanerin Bujold um ein Thema gedrückt, welches in den USA ziemlich heikel ist: Aberglaube darf vorkommen, aber Kritik an kirchlichen Dogmen oder jeglicher Hinweis auf Religion fehlen interessanterweise. Das betrifft nicht nur diesen Roman, in der Zukunft des Barrayar-Universums wird wohl keinerlei Gottheit mehr angebetet. So umgeht man Probleme und bleibt politisch korrekt. Die Geschichte ist tragisch und rührend, charakterisiert Miles und seine Probleme mit einer Gesellschaft, die bereits leicht Behinderte als minderwertig erachtet und ablehnt. Ich hätte mir dennoch etwas mehr erhofft.

In _“Der Prinz und der Söldner“_ wird Miles als Absolvent der Offiziersakademie zum Dienst auf einer in arktischer Ödnis gelegenen Station verdonnert, er soll lernen, sich unterzuordnen. Doch natürlich kommt es zum Eklat mit dem kommandierenden Offizier, Miles gerät in die Bredouille und wird nur dank des Einflusses seines Vaters vor dem Militärgericht gerettet. Seine Karriere in der Flotte ist damit so gut wie ruiniert – doch man sieht eine Chance beim Geheimdienst für Miles …

Die Dendarii-Söldner wurden mittlerweile von einem der alten Söldneroffiziere übernommen, die Miles lange Abwesenheit ausgenutzt haben. Zusammen mit einem vorgesetzten Offizier des Sicherheitsdienstes soll Miles sich der Sache annehmen. Doch wie soll man es anders erwarten – bald überschlagen sich die Ereignisse: Ein Krieg zwischen Vervain, Cetaganda und Barrayar droht, eine gewitzte Söldnerkommandeurin verursacht Miles einiges Kopfzerbrechen und der Kaiser Barrayars, Miles Jugendfreund Gregor, ist ebenfalls „abhanden“ gekommen und wird von seinem eigenen Sicherheitsdienst gesucht.

Eine komplizierte, vertrackte Geschichte, in der Miles ein ums andere Mal seine Schlagfertigkeit und Gewitztheit unter Beweis stellen kann. Die sich entwickelnde Handlung ist einfach atemberaubend und wurde demzufolge zu Recht auch mit dem |Hugo Award| ausgezeichnet. Action, Romantik, Humor – diese Geschichte hat alles.

_Ein Muss für Fans leichter SciFi-Lektüre_

Obwohl die |Barrayar|-Romane in erster Linie auf Unterhaltung ausgelegt sind, enthalten sie doch viele tragisch-komische Elemente, die sie von anderen, bierernsten und klischeehaften Space-Operas oder billig-kitschigen Persiflagen abhebt. Diese Ausgabe ist sehr empfehlenswert, Übersetzungsfehler früherer Ausgaben wurden weitgehend korrigiert, eine Karte sowie ein recht aufschlussreiches Nachwort der Autorin, die zentrale Figur ihrer Romane, Miles, betreffend, wurden beigefügt.

Vielleicht ist es die bittere Note der Komödie, die Miles so sympathisch macht. Er ist von vorneherein ein Loser, eine ganze Welt steht gegen ihn, und dennoch setzt er sich mit Witz und Finesse durch, und wir freuen uns mit ihm. Aber nicht alles gelingt Miles, in der Liebe zu der wunderschönen Elena muss er die bittere Pille des „besten Freundes“ schlucken, und wir fühlen mit ihm. Seinen Großvater enttäuscht er wahrlich tödlich, sein Traum von einer Karriere in der Flotte geht nicht in Erfüllung – aber er findet eine neue Perspektive bei „seinen“ erfundenen Dendarii – Söldnern, die ihn geradezu verehren und sich aus einer Lüge zur Realität entwickeln.

Ich kann diesen Roman jeden SciFi-Fan nur ans Herz legen, möchte aber dennoch zum besseren Verständnis des komplexen Universums den Einstieg mit dem ersten Sammelband, [„Barrayar – Cordelias Ehre“, 865 empfehlen.

Die offizielle Homepage der Autorin:
http://www.dendarii.com/

Borsch, Frank – Sternenarche, Die (Perry Rhodan – Lemuria 1)

In den Ochent-Sektor verirren sich seit jeher nur galaktische Glücksritter der besonders hoffnungsvollen (oder verzweifelten) Art. Er bildet eine Pufferzone zwischen den Machtbereichen der tellerköpfigen Blues und der hominiden Akonen, droht jedoch diese Funktion zu verlieren: Seit einiger Zeit mehren sich die Zeichen dafür, dass sich etwas anbahnt in diesem Winkel des Weltraums.

Um Terras Interessen zu wahren, begibt sich Perry Rhodan, seit Jahrtausenden Terras Mann für kosmische Verwicklungen, auf eine diplomatische Mission. Er möchte mit den Akonen verhandeln und sie auf der Seite der Menschheit wissen, sollte um den Ochent-Sektor ein Konflikt ausbrechen. Mit dem Prospektorenraumer „Palenque“ reist er unauffällig an, kommt aber nicht weit: Unter dramatischen Umständen stößt man auf ein riesiges Raumschiff, das erkennbar seit Jahrtausenden unterwegs ist.

Die Überraschung ist komplett, als man im Inneren auf – Menschen stößt! Eigentlich sind es Lemurer, d. h. Angehörige der „Ersten Menschheit“, die vor 50.000 Jahren von der Erde aus ein riesiges Imperium errichteten, Siedlerschiffe in die Galaxis schickten und nach einer Invasion der sechsgliedrigen „Bestien“ die Erde fluchtartig verließen.

Seit Äonen ist die „Nethack Achton“ also unterwegs. Das Wissen um die Herkunft oder den Grund der Reise ist in Vergessenheit geraten. An Bord hat sich ein eigener Mikrokosmos herausgebildet. Das Leben steht im Zeichen der stets begrenzten Ressourcen. Ein strenges Kastensystem mit quasi religiösen Zügen hat sich entwickelt. An der Spitze der Gesellschaftspyramide steht der „Naahk“ – zur Zeit Lemal Netwar -, der mit Hilfe einer Wach- und Schutztruppe – den „Tenoy“ – ein strenges Regime über sein Volk – die „Metach“ – führt. Dabei unterstützt ihn das „Netz“, eine künstliche Intelligenz, deren unsichtbare Fühler fast jeden Winkel der „Nethack Achton“ kontrollieren.

Allerdings nagt der Zahn der Zeit an der Technik. Außerdem mehrt sich unter den Metach der Unwillen über die Beschränkungen, die ihnen Naahk und Netz auferlegen. Was geht jenseits der Schiffsmauern vor, das wollen junge Männer und Frauen erfahren, die solchen Fragen Taten folgen lassen. Die Schiffsführung schlägt hart zurück, fordert Gegenreaktionen heraus. Der Konflikt schaukelt sich stetig hoch. In dieser Situation tritt Perry Rhodan auf den Plan. Um die Lage endgültig eskalieren zu lassen, nähert sich außerdem ein nicht zu Verhandlungen aufgelegtes akonisches Kommando …

Mehr als vier reale Jahrzehnte bringt Perry Rhodan nun schon Zucht & Ordnung ins Universum. Mal glückt ihm das, meist nur halbwegs und oft gar nicht. Unverdrossen versucht es stets aufs Neue. Das ist der Stoff, aus dem „seine“ Serie gestrickt ist, die sich zur „größten Science-Fiction-Serie der Welt“ gemausert hat.

Wobei „größte“ nicht „beste“ bedeutet. Spannende Unterhaltung möchte man den Lesern bieten, nicht mehr, nicht weniger. So lange die Latte auf diesem Niveau liegt, klappt das hervorragend. Übel wird’s dann, wenn „kosmisches Gedankengut“ sich im Geschehen breit macht; es scheint sich stets aus der legendären Schwurbelschaum-Materiequelle zu speisen …

Die „Lemuria“-Miniserie – bereits die dritte, die nach „Andromeda“ und „Odyssee“ im |Heyne|-Verlag läuft – lässt die großen universalen Mysterien außen vor. Stattdessen beackert man ein Feld, das seine Fruchtbarkeit bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat. Der Zyklus um die „Meister der Insel“ (PR-Bände 200-299) gehört zu den ganz großen Favoriten der Serie. Noch in deren Sturm-und-Drang-Phase entstanden, gelang die beinahe perfekte Mischung aus Science-Fiction und Abenteuer. Praktisch sämtliche Elemente des Genres kamen zum Einsatz, wurden unbekümmert mit Horror, Krimi, Krieg und allem, was die Welt der trivialen Unterhaltung sonst zu bieten hatte, verquickt. Gleichzeitig entstand zum ersten Mal in Vollendung jene „alternative“ Geschichte der Menschheit, für die PR mit Recht gerühmt wird.

Der „MdI-Zyklus“ hat – obwohl bejahrt – seine Faszination behalten. Hier war PR noch jung, bildete das Universum einen Spielplatz, auf dem sich die Autoren tummeln konnten. Sie sprudelten über vor Ideen, die nur zum Teil oder gar nicht bis zum Ende durchgespielt wurden und werden konnten. Viele rote Fäden fransten ins Leere aus – diese Lücken und angerissenen Episoden bildeten ein Futter, von dem die Saga vom „Erben des Universums“ bis heute zehren kann.

Immer wieder forderten die Fans die Rückkehr nach Andromeda. Mehrfach wurde ihnen dieser Wunsch erfüllt, denn PR mit MdI-Touch geht mit einem Bonus ins Rennen um die Gunst der Leser, was deren Griff um die Geldbörse lockert. Auf den Glanz der Vergangenheit setzt nun auch „Lemuria“ – oder möchte setzen, denn in „Die Sternenarche“ ist von dem alten, ins reale 21. Jahrhundert transponierten Zauber nur wenig zu spüren.

Sechs Bände sind zu wenig, um einen „richtigen“ Zyklus mit MdI-Patina zu schaffen. Für einen Episodenzyklus um die „Nethack Achton“ sind es möglicherweise zu viele. Grundsätzlich ist die Idee gut, an Bord eines Generationsraumschiffs zu reisen. Seit die Meister ihr Zepter schwangen, ist viel Zeit vergangen. „Neuigkeiten“ aus Andromeda können dosiert ins Geschehen eingebracht werden. Gleichzeitig kann man sich auf Bekanntes stützen – „Lemuria“ ist auch eine „Nacherzählung“ dessen, was das PR-Team um K. H. Scheer Anfang der 1960er Jahre schuf.

Leider ist so ein Generationsraumschiff auf der anderen Seite ein limitierter Ort für eine spannende, an überraschenden Wendungen reiche Story. In einem Anhang zur „Sternenarche“ gibt Hartmut Kaspar einen Überblick über das „Generationsraumschiff in der Science Fiction“, wo es eine eigene Nische besetzt – eine enge Nische, denn in solchen Dosenraumern geht es in der Regel recht ähnlich zu. Immer ist man schon so lange unterwegs, dass die ursprüngliche Mission in einem mythischen Nebel verschwunden ist. Religiöse Fanatiker und/oder der durchgedrehte Bordcomputer haben die Macht übernommen und knechten ihre „Untertanen“, die ihrerseits vergessen haben, dass sie in ihrer privaten Welt durchs All rasen. Im Schiff selbst gibt die Technik ihren Geist auf; allerlei Improvisationen müssen das ausgleichen.

Diese Melodie erklingt auch in der „Sternenarche“. Frank Borsch gelingt es nie, dem Thema etwas Neues abzugewinnen. Wenn man ihn für etwas rühmen kann, dann ist es u. a. die handwerklich saubere Umsetzung des Plots, die das Bekannte erzählerisch dicht und angenehm lesbar präsentiert. Die pseudodramatische Hast, die schlampig-saloppe, angeblich zeitgemäße und von der jugendlichen Leserschaft gewünschte Sprache (der sog. „Maddrax-Sprech“), welche beispielsweise die Lektüre der aktuellen „Atlan“-Miniserien (zu) oft zur Qual werden lassen, geht diesem ersten „Lemuria“-Band zu seinem Vorteil ab.

Viel geschieht also nicht – im Auftaktband zu einer Serie muss das Terrain halt erst vorbereitet werden für das, was noch folgt. Dies kann dem Verfasser leicht zum Korsett werden. Zudem muss der Nicht-PR-Insider bedacht werden, den man nicht durch die geballte Wucht der Serienfakten vom Buchkauf abschrecken will. Borsch versucht diese kaufmännische Intention wie gesagt nicht zu verschleiern, sondern erzählt ruhig und solide seine Story. PR-Interna streut er nebenbei ein. Der Hardcore-Fan wird sie registrieren.

Man kann folglich nicht Borsch vorwerfen, er ruhe sich auf den MdI/Lemuria-Lorbeeren aus. Er muss mit angezogener Bremse schreiben. Erst die folgenden Bände werden zeigen, ob die Verschmelzung der glorreichen PR-Vergangenheit mit der Gegenwart wirklich gelingt und womöglich etwas für die PR-Chronik Neues, Eigenständiges schafft.

Nichts Neues ebenfalls in Sachen Figurenzeichnung. Perry Rhodan ist ein schwieriger Charakter. Einerseits muss er als „normaler Mensch“ gezeigt werden, an dessen Denken und Handeln man Anteil nimmt. Andererseits ist er wahrlich steinalt und hat so viel Außergewöhnliches erlebt, dass er womöglich ein „kosmischer“ Mensch geworden ist, der in ganz anderen Sphären beheimatet ist als der Rest der Menschheit, deren Vertreter er durch seine bloße Ausstrahlung sprachlos werden lässt. Frank Borsch versucht dieses Problem zu thematisieren, indem er Rhodan quasi stellvertretend durch die Augen der „Palenque“-Besatzung beobachtet. Sie verkörpern den „Normalterraner“, der Rhodan mit einer Mischung aus (Ehr-)Furcht und betonter Kumpelhaftigkeit begegnet. Das funktioniert gut in dem begrenzten Rahmen, der in der PR-Serie die Grenze zwischen überzeugender Charakterdarstellung und hölzern-lächerlicher Gefühlsduselei markiert, denn Borsch bleibt klug innerhalb der Bildränder. (Die „Luftgitarren-Episode“ hätte er sich und uns freilich ersparen sollen.)

Natürlich kann die Rhodansche Dualität nie durchgehalten werden. Die ehernen Gesetze des auf Bewegung und Unterhaltung getrimmten Trivialromans (ein Begriff, der übrigens zunächst keinerlei negative Wertung beinhaltet) fordern ihren Tribut. Wieso ausgerechnet Perry Rhodan in das Geschehen verwickelt ist, darüber denke man lieber nicht nach. Was hat dieser Mann auf einer unwichtigen Mission in einem unwichtigen Sternensektor verloren? Für solchen diplomatischen Kleinkram dürfte Rhodan seine Leute haben. Aber wider alle Logik muss er immer wieder an einen Ort gebracht werden, wo es gefährlich und turbulent zugeht. Als weisen Ratgeber im Hintergrund mögen die Fans ihren Perry nicht sehen; er muss auch – bildhaft gesprochen – die Fäuste schwingen.

Warum hat man nicht einen seiner (Kampf-)Gefährten mit auf die Ochent-Mission geschickt? Fast durchweg agieren nur Rhodan oder Atlan an der Front. Es gibt durchaus andere, farbenfrohe, von der Leserschaft geliebte Figuren, von denen man viel zu wenig hört. Die Besatzung der „Palenque“ bietet da kein Ersatz. Allzu austauschbar wirken die Charaktere. Die Kommandantin soll eine starke Nebenfigur darstellen. Borsch fällt dazu nur ein, ihr cholerische Züge und ein exaltiertes Verhalten aufzuprägen. Immerhin übertreibt er es nicht wie so viele seiner PR-Teamkollegen und degeneriert sie zur peinlichen, eindimensionalen Karikatur einer Figur.

Ähnlich ergeht es dem Tenoy der „Nethack Achton“. Schon wieder einer dieser absolutistischen Fundamentalisten, die sich im Besitz der „einzigen Wahrheit“ wähnen, ihre Schäflein für die „gute Sache“ unterdrücken und Abweichler unbarmherzig jagen lassen! Allerdings arbeitet Borsch auch hier mit Licht und Schatten. Tenoy ist kein tumber Bösewicht, sondern ein Mensch, der unter seinem Amt leidet, sein Tun hinterfragt und neuem Gedankengut gegenüber aufgeschlossen ist.

Selbstverständlich spielen die Gegner des Tenoy ebenfalls ihre bekannten Rollen. Jung und idealistisch sind sie, neugierig und nicht gewillt, sich länger dem System frag- und klaglos zu beugen. (Seltsam, dass Rhodan stets pünktlich dort auftaucht, wo’s gerade kritisch wird …) Dazu kommen eine zarte Liebesgeschichte plus viel persönliche Tragik, denn Helden und Heldinnen müssen schließlich leiden.

Solina Tormas schließlich fällt die Aufgabe zu, die in der PR-Chronik seit langer Zeit aus dem Blickfeld geratenen Akonen wieder in die Handlung zu führen. Als Historikerin und Spezialistin für lemurische Geschichte steht sie zwischen Akonen und Terranern – eine gut gewählte Figur, um die Differenzen und Ähnlichkeiten zwischen den Völkern (die ja beide von den Lemurern abstammen) plastisch zu machen. Man bemerkt hier die Fortschritte, die PR in mehr als vier Jahrzehnten gelungen sind: Die einst eindimensionalen, arroganten und hinterlistigen Akonen gliedern sich in Gruppen und Individuen mit eigenen, durchaus nicht chronisch unredlichen Zielen, ohne gleichzeitig jene Züge zu verlieren, die sie „akonisch“ wirken lassen.

Frank Borsch (geb. 1966 in Pforzheim) studierte bis 1996 Englisch und Geschichte in Freiburg. Um sich zu finanzieren, nahm er eine lange Reihe von Jobs an, arbeitete aber auch an einem Umwelthandbuch für Osteuropa mit und war Webmeister seiner Universität. 1996 saß er unter den Teilnehmern eines Science-Fiction-Seminars, das die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel ausrichtete. Hier wurde er „entdeckt“: Wolfgang Jeschke, der langjährige Chefredakteur von Heynes SF-Reihe, heuerte ihn als Übersetzer an; ausgedehnte Auslandsaufenthalte und ein Intermezzo als Deutschlehrer im irischen Belfast hatten ihn mit der englischen Sprache vertraut werden lassen.

Zusätzlich übersetzte Borsch Comics für |Marvel Deutschland|. Gleichzeitig begann er zu schreiben, verfasste Romane und Kurzgeschichten, aber auch Artikel vor allem zum Thema Internet. 1998 stieg er mit „Der Preis der Freiheit“, seinem Beitrag zur „Atlan“-Miniserie „Traversan“ ins PR-Universum ein. Ab 2001 gehörte er als Redakteur dem PR-Team in Rastatt an. Seit 2004 ist er Stammautor der „Perry Rhodan“-Heftserie.

Frank Borsch lebt und arbeitet in Freiburg.

Der „Lemuria“-Zyklus …
erscheint im |Heyne|-Verlag:

1. Frank Borsch: Die Sternenarche
2. Hans Kneifel: Der Schläfer der Zeiten
3. Andreas Brandhorst: Exodus der Generationen
4. Leo Lukas: Der erste Unsterbliche
5. Thomas Ziegler: Die letzten Tage Lemurias
6. Hubert Haensel: Die längste Nacht

Leo Lukas – Der erste Unsterbliche (Perry Rhodan. Lemuria 4)

Mit diesem vierten Band des sechsbändigen „Lemuria“-Zyklus‘ leistet Leo Lukas seinen Beitrag zu der bisher außerordentlich spannenden und unterhaltsamen Geschichte um Zukunft und Vergangenheit der Menschheit. Das Wiener Multitalent wurde innerhalb der Perry-Rhodan-Fangemeinde schnell zu einem der beliebtesten Autoren, da er mit seiner überschwänglichen Art alte und festgefahrene Strukturen in der Serie öffnete und ihr nach langer Zeit wieder humorvolle Romane bescherte und immer noch beschert. Mit seiner zweiten Leidenschaft, seiner Arbeit als Kabarettist, ist er auch längst kein Unbekannter mehr. Und trotz dieses Hangs zur Verbreitung seines Lachens bringt er immer wieder hochkarätige Romane ein, deren Humor hintergründig ist.

Perry Rhodan trifft mit den beiden Forschungs- und Prospektorraumschiffen vor dem Akon-System ein, dem Heimatsystem der Akonen. Die dritte entdeckte Sternenarche steht unter dem Hoheitsanspruch der Akonen, Rhodan ist der Zutritt ohne diplomatische Schwierigkeiten verwehrt. Über einen geheimen terranischen Stützpunkt dringt er unerkannt in das System ein und erkauft sich eine Transmitterpassage zur Arche. Zeitgleich verschaffen ihm die kaltgestellten Akonen des zweiten Raumschiffs mit erpresserischen Methoden einen semioffiziellen Zugang, so dass es bei Rhodans Entdeckung einige Verwirrung gibt, die er mit gutmütiger Geschicklichkeit zur allgemeinen Zufriedenheit auflöst.

An Bord der Arche findet sich eine relativ fortschrittliche Lemurerzivilisation – kein Wunder, da der „Verkünder“ Levian Paronn Kommandant dieses Schiffes ist. Doch ist er offensichtlich abwesend. Währenddessen wurde eine vierte Arche aufgebracht, deren Bewohner unterentwickelte Klone der unsterblichen Kommandantin sind, immun gegen jene unbekannte Seuche, der schon die anderen Archenbewohner zum Opfer fielen. Dem Anführer der Klongesellschaft gelang mit parapsychischer Kraft die Ermordung der Kommandantin, seither trägt er ihren Zellaktivator.

In Zwischenspielen erhält der Leser Einblicke in Levian Paronns persönliches Tagebuch und erfährt dadurch, dass der „Verkünder“ sich in unmittelbarer Nähe befindet und die ganze Sache geplant hat, dabei seiner Ansicht nach sogar die Freundschaft des „Hüters“ Icho Tolot ausgenutzt hat, um die Menschheit vor der angeblich drohenden Vernichtung zu bewahren – was ja auch schon der Sinn des Archen-Projekts war.

Während also Rhodan die dritte Arche nach Paronn absucht, trifft dieser unerkannt mit anderen Akonen auf der vierten Arche ein und verängstigt den unsterblichen Mutanten derart, dass dieser sein Heil in der Flucht sucht. Dabei bringt er durch seine geistige Macht auch das Tagebuch Paronns an sich, der sich später voller Eifer an der Jagd nach dem Mutanten beteiligt – vorgeblich wegen der von ihm ausgehenden Seuchengefahr für die Akonen. Denn wenn das Buch in Rhodans Hände fallen sollte, geriete sein gesamter Plan in Gefahr, schließlich ließe sich niemand, und schon gar nicht Rhodan, gern manipulieren.

Zu einem vorläufigen Showdown kommt es auf einem nahe gelegenen Planeten, auf dem neben mehreren Tausend echten „Bestien“ auch eine Zeitmaschine steht, durch die Paronn eine ultimate Waffe in die Vergangenheit schaffen und damit ein gigantisches Zeitparadoxon herbeiführen will, um den Exodus der Lemurer vor fünfzig Jahrtausenden zu verhindern. Er offenbart sich Rhodan, doch nicht nur dieser will ihn an der Tat hindern. Auch Tolots Doppelgänger taucht auf und lüftet sein Geheimnis …

»Sehr groß und weit ist das Universum und vorwiegend schrecklich leer, aber auch voll der Wunder.
Ich habe Tage benötigt, um diesen Satz auszuformulieren. […] Sehr groß und weit ist das Universum und vorwiegend schrecklich. Leer, aber auch voll der Wunder…«
(Seite 11)

In diesem Beispiel wird Lukas‘ Wortgewandtheit auf Anhieb deutlich. Er spielt mit den Worten, würfelt sie durcheinander. In diesem kurzen Abschnitt skizziert er den Charakter Paronns aus dessen eigener Sicht, nachdem Andreas Brandhorst sich in seinem Roman an die Außenansicht durch den Chronisten gehalten hat, und vertieft diese Studie im Laufe des Romans durch weitere Tagebucheinträge, bringt Paronns Motivation näher, so dass man endlich seine Borniertheit nicht tolerieren, aber verstehen kann, da es ihm um sein quasi ausgestorbenes Volk geht. Er kann sich nach diesen Jahrtausenden nicht mit Terranern, Akonen oder anderen Lemurerabkömmlingen identifizieren und setzt deren Existenz aufs Spiel, ja sogar dem sicheren Untergang liefert er sie aus mit der Planung des gravierenden Paradoxons.

Anfangs erscheint die Einführung der vierten Arche um die zwergenhaften Klone überflüssig in ihrer Ausführlichkeit, scheint nur eine weitere Facette der unterschiedlichen Entwicklungen auf den Generationenschiffen zu sein. Der Ausbruch des infizierten Mutanten in die akonische Gesellschaft schien eigens der Rechtfertigung dieser Geschichte zu dienen, doch im Finale findet auch er seine wirkliche, nachvollziehbare und befriedigende Berechtigung, so dass man Lukas fast keine Wortschinderei vorwerfen kann. Fast.

In zwei Handlungssträngen findet sich rhodantypisches Beiwerk: Starke, ausführliche Beschreibungen von technischen Details wie die seitenlange Erläuterung zu verschiedenen Hyperkristallarten, wo es auch ein schlichtes „notwendig für die Technik“ getan hätte; oder seriengeschichtliche Hintergrundinformationen zu den so genannten Bestien, ihrer Entstehung und schließlichen Vernichtung. Bisher konnten die Autoren des Minizyklus‘ sehr wohl auf diese typischen Ausschmückungen, die in der Heftserie einen wichtigen Teil übernehmen, verzichten, was sich wohltuend auf die Geschichte ausgewirkt hat und meines Erachtens in dieser Zyklusform nur unnötiger Ballast ist, der serienfremde Leser wahrscheinlich mehr verwirrt als erleuchtet.

Man stößt hin und wieder auf „Austriazismen“, die Lukas (wahrscheinlich unbewusst) aus seiner Heimatsprache übernimmt, die aber leider nicht immer selbsterklärend sind. So konnte ich zum Beispiel in einem informativen Internetforum herausfinden, dass „Steht das dafür?“ so viel bedeutet wie „Ist es das wert?“.

Mit Hubert Haensel als Exposéredakteur geht man bei diesem Zyklus tatsächlich neue Wege: Schon nach vier Romanen gibt es die Auflösung einer der großen Fragen, die sich so angesammelt haben. Man schindet nicht mehr Platz und Zeit mit belanglosem Nebengeplänkel, um alle Kracher ganz zum Schluss bringen zu können. Das hält die Spannung durch jeden Band. Jetzt sind nur noch wenige „große“ Fragen offen: Wer Levian Paronn ist, wissen wir noch immer nicht. Also wo er herkommt, wie er an den Zellaktivator kam und was für eine Rolle er in einem größeren Spiel spielt. Immerhin ist jetzt klar, dass ein gewisser Haluter ihn mit den Informationen über die Zukunft versorgt hat.

Insgesamt bietet dieser Roman wieder entspannenden Lesegenuss und bringt mehr Antworten als neue Fragen. Trotzdem ist er entgegen meiner Erwartungen der bisher schwächste Roman des Zyklus, was aber eine relative Aussage bleibt, da die ersten Bände und vor allem der direkte Vorgänger von Brandhorst einfach hervorragend sind.

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (9 Stimmen, Durchschnitt: 1,56 von 5)

Hearn, Lian – Schwert in der Stille, Das (Der Clan der Otori – Band 1)

Bisher hatte der junge Tomasu noch keine Vorstellung davon, was Menschen einander antun können – bis zu dem Tag, als die Reiter vom Tohanclan sein Dorf dem Erdboden gleichmachen, alle Menschen töten und auch seine Familie nicht verschonen. Von diesem Tag an nimmt das Leben des 15-Jährigen eine dramatische Wendung – Auf der Flucht vor den Mitgliedern des Tohanclans, denen er in jener schrecklichen Nacht noch begegnet ist, trifft er auf Lord Shigeru Otori, den Anführer der Otori, der sich seiner annimmt. Als Dank dafür, dass Shigeru ihm das Leben gerettet hat, legt Tomasu sein Schicksal vollständig in die Hände des Clans und entdeckt mit dem Leben im Schloss des Lords eine völlig neue Sichtweise auf die Dinge. Aus dem schlauen Jüngling Tomasu wird der intelligente Takeo, ein junger Schüler, der unter seinen Lehrmeistern die Bräuche des Clans, die Malerei und die Kampfkunst erlernt und darüber hinaus Fähigkeiten entdeckt, von denen er bislang noch nichts wusste.

So erlernt Takeo die Fähigkeit, für eine kurze Zeit unsichtbar zu sein oder aber an zwei Stellen zur gleichen Zeit zu erscheinen, eine Methode, die ihm an mancher späteren Stelle noch als lebensnotwendig erscheinen soll. Gleichzeitig findet Takeo aber auch vieles über seine Vergangenheit und die Geschichte seiner Familie heraus und stellt dabei fest, dass er gar nicht so zufällig auf Lord Shigeru getroffen ist.

Zur gleichen Zeit aber wird an anderer Stelle das Schicksal der jungen Kaede erzählt, die von ihren Eltern als Geisel an die Kriegsherren abgegeben worden ist und dort bis aufs Äußerste verachtet wird. Nach einigen tödlichen Zwischenfällen sagt man ihr nach, dass ihre Anwesenheit den Tod bringe. Eines Tages ändert sich auch ihr Schicksal, denn um das Bündnis zwischen den beiden Clans zu beschließen, soll Kaede den Lord des Otori-Clans ehelichen. Gegen ihren Willen tritt sie die Reise an, lernt dabei ebenfalls den mittlerweile herangereiften Takeo kennen und verliebt sich in ihn. Auch Takeo ist von der jungen Dame angetan, darf sich aber aus Respekt nicht dementsprechend verhalten.

Mit der Zeit bekommt Takeo jedoch immer mehr zu spüren, was eigentlich hinter der Geschichte der einzelnen Clans steht, welchen Zweck er in dieser ganzen Sache erfüllt und welche politischen Intrigen und Lügen sich aus den ganzen Ränkespielen seines Lords ergeben. Schließlich gerät Takeo in eine Welt der Geheimnisse, der Lüge, aber vor allem der Rache.

Liebe und Rache, Treue und Verrat, Schönheit und Tod, um all jenes geht es im ersten Teil der Reihe um den Clan der Otori, und es ist schon sehr beeindruckend, wie die Oxford-Studentin Lian Hearn all diese Werte miteinander verknüpft, ohne dass dabei auch nur annähernd Verwirrung entsteht. Im Gegenteil, von der ersten Zeile an hat die Wahl-Australiern eine fesselnde, fiktive Geschichte entwickelt, die ganz klar an die japanischen Traditionen des Mittelalters angelehnt ist, in dieser Form aber indirekt auch an aktuelle Themen anknüpft. Sehr imponierend ist, wie detailliert sie die vielen Charaktere beschreibt, ihre Verhältnisse und Beziehungen zueinander erläutert, dabei aber überhaupt nicht ausschweifen muss. Schon sehr bald hat man sich so in die Welt der Otori und ganz besonders in den Körper des Takeo, der hier aus der Ich-Perspektive beschrieben wird, versetzt und verspürt den Drang, immer weiter in die verlogene Welt der Lords und ihrer Mitstreiter einzudringen.

Dabei schafft es Hearn immer wieder, den Leser aufs Neue mit plötzlichen Wendungen und Überraschungen zu konfrontieren; Spannung ist jedenfalls von Anfang an garantiert. Lediglich die Tatsache, dass die beiden Protagonisten Kaede und Tomasu alias Takeo eines Tages aufeinandertreffen, war vorhersehbar, macht die Geschichte aber nur noch interessanter, da sich hierdurch ganz neue Verknüpfungen und Spannungsmomente ergeben, die man dringend erforschen möchte.

Trotz ihrer einfachen Schreibweise – prinzipiell konzentriert sich Lian Hearn abgesehen von einzelnen Landschaftsbeschreibungen nur auf das Wesentliche – hat die Autorin so einen Roman erschaffen, der nicht nur fasziniert, sondern auch zum Nachdenken anregt. Und noch einmal muss ich erwähnen, wie toll Hearn die Figur des Takeo lebendig werden lässt; um dies erneut zu verdeutlichen: ein Junge, der sein ganzes Hab und Gut, seine Familie, seinen ganzen Besitz, ja seine ganze Welt verliert und dennoch die einzig sich bietende Chance ergreift, um ein neues sinnvolles Leben zu starten, in dem er zur Hauptfigur eines politischen Machtspiels wird. Ebenso gelungen ist es, wie die Schriftstellerin auf geheimnisvolle Weise von den Kriegen der Clans erzählt, vom mysteriösen ‚Stamm‘ berichtet und immer wieder Hinweise zu Takeos Vergangenheit ins Spiel bringt, diese aber erst einmal offen lässt – all das zeugt von ganz großer Klasse und macht dieses Buch zu einem dringenden Lesetipp. Ganz gleich, welche Art von Belletristik man privat bevorzugt, „Das Schwert der Stille“ enthält von allen Stilelementen ein wenig und legt sich so im Hinblick auf die Zielgruppe keine Beschränkungen auf. Ich denke, genau dass ist es, was die Arbeit einer hervorragenden Autorin auszeichnet.

|Empfohlen ab 14 Jahren
Peter Pan Prize 2004 (IBBY Schweden)
Deutscher Jugendliteraturpreis 2004 (Jugendjury)
„Die besten 7 Bücher für junge Leser“, Deutschlandfunk / FOCUS: September 2003|
Deutsche Webseite: http://www.otori.de

Hughart, Barry – Insel der Mandarine, Die (Meister Li Band 3)

Band 1: [„Die Brücke der Vögel“ 914
Band 2: [„Der Stein des Himmels“ 927

Meister Li und Nummer Zehn der Ochse wohnen als Zeugen der Hinrichtung eines Verbrechers bei, den sie unter vielen Mühen dingfest gemacht haben. Nur leider kommt ihnen ein Leichenfresser dazwischen, der von Grabräubern aufgestört wurde. Er trägt einen angefressenen Kopf mit sich herum, der allerdings noch frisch ist. Die dazugehörige Leiche war ein hoher Mandarin und liegt in der Nähe seiner Klause auf der Magnolieninsel im Nördlichen See Pekings. Neben ihm findet Meister Li einen seltsamen Käfig, der ihm eine Menge Kopfzerbrechen bereitet, und außerdem in einiger Entfernung einen Tunnel, der zu einer Schmugglerhöhle führt. Aber ging es bei dieser ganzen Angelegenheit wirklich nur um Schmuggel? Warum hat jemand das alte Relief im Tunnel zerschlagen? Warum stiehlt ein Mandrill Käfige, die genauso aussehen wie jener neben dem toten Mandarin? Und was sind das für seltsame Wesen, die auf die unglaublichsten Arten die vormaligen Besitzer der gestohlenen Käfige ums Leben bringen?
Um das herauszufinden, muß Meister Li unbedingt das Rätsel der Käfige lösen. Zusammen mit Ochse, dem Puppenspieler Yen Shih und dessen Tochter Yu Lan, einer Schamanin, macht Meister Li sich auf die Suche nach den Käfigen, die noch nicht gestohlen wurden.

„Die Insel der Mandarine“ ist der dritte Band von Barry Hugharts Meister-Li-Romanen. Diesmal geht es gleich um zwei Aspekte chinesischer Kultur.
Der Teeschmuggel der hohen Mandarine beleuchtet die Machenschaften der Eunuchen hinter dem Rücken des Kaisers, der zwar theoretisch als Sohn des Himmels absolute Macht besitzt, jedoch praktisch gesehen vollkommen von seinen Beamten abhängig ist, da er in seiner verbotenen Stadt vom „normalen“ Leben und den Menschen seines Volkes komplett abgeschottet ist. Dieser Umstand wird weidlich ausgenutzt, Korruption ist ohnehin selbstverständlich und die Bereicherung ungeheuerlich.
Die Käfige, die von den Schmugglern benutzt werden, bilden das Bindeglied zum Schamanismus und der Urreligion der Völker, die das Land bewohnten, ehe die Chinesen kamen. Die Urreligion wurde größtenteils ausgemerzt. Einige Götter, die zu mächtig waren, wurden in die Gruppe der taoistischen Götter aufgenommen, Götterdämonen und Ähnliches sind aus dieser Zeit übrig geblieben und auch das Ritual des Drachenbootrennens, das den Höhepunkt des Buches bildet.
Natürlich muß Meister Li erst in einigen fast vergessenen Schriften und Volkssagen kramen, ehe er die Zusammenhänge herausfindet.

Das Krimirätsel ist wieder interessant aufgebaut, allerdings ist es nur Kennern der chinesischen Kultur möglich, die Lösung allein zu finden. Der kulturelle Teil ist diesmal am stärksten gewichtet, auf Kosten anderer Elemente.
Es ist relativ rasch klar, welche Person hinter all den Verwicklungen steckt. Nach dem aufregenden Anfang hängt der Spannungsbogen deshalb zunächst etwas durch und strafft sich erst zum Finale hin. Die beteiligten Personen sind weniger skurril als bisher, die Handlung weniger turbulent. Was ich allerdings am meisten vermisste, war der Wortwitz der Vorgängerbände. Er fehlt bei diesem Buch fast völlig. Der bisher so gelungenen Mischung aus Krimi, Fantasy und chinesischer Kultur geht dadurch der Pfiff verloren. Wie überaus schade!

Das Lektorat dagegen wurde gegen Ende immer besser. Enthielt der erst Band noch einige Schnitzer, waren es beim zweiten schon weniger und beim dritten ist mir überhaupt nichts aufgefallen.
Auch die Coverentwürfe gefallen mir gut. Die Darstellungen haben zwar nicht unbedingt etwas mit dem Inhalt zu tun, passen aber zum Flair des Schauplatzes.

Insgesamt gesehen sind die Meister-Li-Krimis eine angenehme und äußerst lesenswerte Abwechslung im Fantasy-Genre. Mit ihren gut dreihundert Seiten sind die einzelnen Bände überschaubar. Sie sind inhaltlich abgeschlossen und nicht voneinander abhängig, sodass sie nicht unbedingt am Stück gelesen werden müssen, sondern auch mal etwas anderes dazwischen geschoben werden kann. Sie sind witzig, unterhaltsam und interessant. Zwar schwächelt der letzte Teil gegenüber den vorhergehenden ein wenig, trotzdem ist er immer noch ideenreich und bunt und nicht wirklich schlecht.
In diesem Schwächeln liegt aber möglicherweise der Grund dafür, dass es keine weiteren Meister-Li-Bände gibt. Nun, nicht nur das Fortsetzen einer Serie, auch das rechtzeitige Aufhören ist eine Kunst.

Barry Hughart wurde 1934 in Illinois geboren. Seine Kenntnisse über die chinesische Kultur schöpfte er aus Büchern über Religion und Kultur, Land und Leute, als er im Rahmen seiner Militärzeit bei der US Airforce in Fernost stationiert war, das Festland aber nicht betreten durfte. Die Faszination für dieses Land war so stark, dass er schließlich, zwanzig Jahre später, die Meister-Li-Romane verfasste. Außer seinen Romanen schrieb er auch Filmdialoge, unter anderem für „Devil´s Bridge“, „Man on the Move“ und „The Other Side of Hell“. Heute lebt er in Tucson, Arizona.

http://www.barryhughart.org/

Hickman, Tracy – Im Sog der Dunkelheit (StarCraft # 3)

Die Handlung des vorliegenden Romans führt uns zurück nach Mar Sara, dem Schauplatz des ersten Bandes, „Libertys Kreuzug“ (Jeff Grubb); diesmal jedoch erleben wir die Invasion der Zerg und den Fall des Planeten aus Sicht eines einfachen Marines der Konföderation.
Ardo Melnikov verlor bei einem Angriff der Zerg auf seinen Heimatplaneten Bountiful alles, was ihm etwas bedeutete: die Geliebte, die Eltern, die Heimat. Pures Glück ließ ihn überleben und so kämpft er nun in den Reihen der konföderierten Marines als einfacher Gefreiter gegen jene Aliens, die seine Welt vernichteten. Über Mar Sara erhält seine Kompanie den Auftrag, eine Kiste mit geheimem Inhalt inmitten des Zerg-Territoriums zu bergen und zum nächsten Stützpunkt der eigenen Streitkräfte zu schaffen. Doch von Anfang an läuft alles schief: nicht nur, dass die Bergung des Gegenstandes die Hälfte seiner Einheit das Leben kostet, auch die Konföderation scheint kein Interesse daran zu haben, dass irgendjemand dieses Himmelfahrtskommando überlebt. Dennoch gelingt es einigen Marines, sich in die vermeintliche Sicherheit des Stützpunktes zu retten, nur um festzustellen, dass dieser längst aufgegeben wurde. Von einer geretteten menschlichen Telepathin erfährt Ardo die schreckliche Wahrheit darüber, was die Konföderation ihm, anderen „Soldatenjungen“ und nicht zuletzt der Welt Mara Sara angetan hat, und schließlich steht die Gruppe vor der Entscheidung, auf eigene Faust die Flucht zu wagen oder aber Tausenden von Zivilisten das Leben zu retten.

Tracy Hickman dürfte den meisten Fantasy-Fans als Co-Autor vieler Drachenlanze-Romane (|Goldmann| / |Blanvalet|) und des Death-Gate-Zyklus (in Deutschland unter dem Titel [„Die vergessenen Reiche“ 13 bei |Bastei| erschienen) bekannt sein. Mit „Im Sog der Dunkelheit“ stellt er unter Beweis, dass er nicht nur im Genre (Science-)Fantasy zu Hause ist, sondern durchaus auch als Autor von harter Military-SF zu überzeugen vermag.
Die fast schon klaustrophobische Atmosphäre der Geschichte ist geprägt von Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit angesichts der Verbrechen, die von der Konföderation im Namen der Menschheit begangen werden, und eines gnadenlosen – im wahrsten Sinne des Wortes – unmenschlichen Gegners. Egal ob die Protagonisten überleben oder nicht, sie haben verloren – eine Erkenntnis, die in der Realität auf viele unserer Kriege zutrifft. Und wenn gerade zum Schluss ein deutlicher Pathos in die Geschichte Einzug hält, so ist zu bedenken, dass diese Leidenschaftlichkeit das Einzige ist, was die Helden (Opfer) bis zum eigenen Untergang kämpfen lässt.

Der bedrückenden Atmosphäre folgt in angemessener Weise die Wahl einer streng personalen Erzählperspektive, deren Perspektivfigur Ardo Melnikov ist. Durch seine Augen erleben wir das Grauen des Krieges, sehen und beurteilen die Kameraden; zu keinem Zeitpunkt wissen wir mehr, haben mehr Informationen über die Gesamtsituation als jener unbedeutende Gefreite, und dies lässt uns direkt an seiner Hilflosigkeit teilhaben. Hinzu kommt der besondere Umstand, dass der Marine einer sogenannten Neural-Resozialisation unterzogen wurde, wobei seine echten Erinnerungen durch ein „Erinnerungs-Overlay“ mit falschen, kriegsdienlichen überdeckt wurden. Immer wieder durchstoßen religiöse Visionen die Oberfläche seines konditionierten Verstandes, flüstern ihm die Worte „Du sollst nicht töten“ oder „Friede kommt von innen“ zu, während er mit seinem Sturmgewehr Feinde niedermetzelt, so dass der Leser ob dieser Zerrissenheit ständig zwischen dem Zorn darüber, was ein unmenschliches System seinen „Soldatenjungen“ antut, und Mitleid schwankt.

Auch rein stilistisch gibt es an dem Roman nichts auszusetzen. Hickman bedient sich eines gefälligen, mitreißenden Stils und ist in der Lage, sowohl lebendige Bilder als auch lebendige Dialoge zu entwerfen. Leider ist dieser gute Roman relativ kurz geraten und man ist nur zähneknirschend bereit, ihn als das akzeptieren, was er ist: ein kurzes Intermezzo in einem epischen Konflikt.

Spannend, pathetisch, düster, desillusionierend. Großartige Military-SF nicht nur für StarCraft-Fans.

_Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine.de]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Carver, Jeffrey A. – Am Ende der Ewigkeit

Renwald Legroeder ist mit Leib und Seele Rigger. Er steuert Raumschiffe durch den Flux, einen mehrdimensionalen Hyperraum, den er mit seiner Gedankenkraft formen, sich in ihn und seine Strömungen einfühlen kann. Die Begegnung mit der Impris, einem seit mehr als hundert Jahren verschollenen Schiff, endet für ihn verhängnisvoll. Legroeders Schiff wird von Raumpiraten überfallen, er gerät in Gefangenschaft und kann erst nach sieben Jahren fliehen. Doch auf Faber Eridani, dem nächsten besiedelten Planeten, ist der Empfang alles andere als freundlich. Man unterstellt ihm, heimlich mit den cybertechnisch aufgerüsteten Raumpiraten zusammengearbeitet zu haben. Von der Impris will man nichts wissen.

Legroeder wird misstrauisch und beginnt mit seiner Anwältin nachzuforschen. Schon bald darauf befindet er sich mitten im größten Abenteuer seines Lebens: Er flieht von Faber Eridani, wird von den Narseil, amphibischen Außerirdischen, als Agent angeworben und lässt sich von ihnen sogar Cyber-Implantate einsetzen, die er während seiner Gefangenschaft noch vehement abgelehnt hatte. Sein Weg führt ihn wieder zu den Cyber-Piraten und auf die gefahrvolle Mission, die Impris aus ihrer Fluxschleife zu retten.

Dies ist nur eine sehr vereinfachte Zusammenfassung der aufwendig konstruierten Handlung. Carver ist kein Autor von einfachen Romanen, seine Bücher sind meist sowohl inhaltlich als auch stilistisch komplex, lassen sich nicht „nebenher“ lesen, sondern erfordern Konzentration.

„Am Ende der Ewigkeit“ ist ein unabhängiger Teil der lose durch einen gemeinsamen Hintergrund zusammenhängenden |Star Rigger|-Serie Carvers und schaffte es 2001 immerhin in die Endausscheidung zum |Nebula Award|. Es ist ein Hard-SF-Roman – in dem ungewöhnlicherweise ein Hauptelement, nämlich der Flux, deutliche New-Wave-Elemente aufweist (vermischen sich doch hier die Realität des Weltraums und die innere Vorstellungskraft) -, der einige nette Einfälle besitzt, jedoch insgesamt etwas zu lang geraten ist (die eine oder andere Wendung hätte in meinen Augen ohne Verlust gekürzt werden können).

Schwächen liegen in einer ungleichmäßigen Handlungsentwicklung zwischen den Schauplätzen Weltall und Faber Eridani, einer zu oft aus bekannten Versatzstücken zusammengesetzten Thrillerhandlung (bei der man etliche Male Szenen aus einschlägigen Filmen vor Augen hat) und vor allem in der Charakterzeichnung. Die ist manchmal wirklich schlecht.

Aber auch manchmal richtig gut: Zum Beispiel gibt es den Journalisten Robert McGinnis, der gegen die Cyber-Piraten kämpfen will, es aber vor allem gegen sich selbst tun muss, gegen seine Implantate, die ihn (von außen unerkannt) fernsteuern, ihn in einen Killer wider Willen verwandeln können. In dieser Figur steckt wirklich Potenzial!

Auch sonst gibt es Dinge an dem Roman, die ich mag: Die Verwendung von Seemannsjargon in der Beschreibung der Arbeit der Schiffe zum Beispiel. Auch Legroeders Undercover-Einsatz auf einer Piratenfestung, bei dem seine Tarnung jedoch schon von Anfang an aufgeflogen ist, oder die Rettung der Impris aus ihrer Falle im Flux und alle dabei auftauchenden (Zeit-)Phänomene sind absolut lesenswert. Sehr gelungen fand ich die Dialoge zwischen Legroeder und seinen (zuerst ungeliebten) Implantaten – und die Rolle der Implantate in der Beziehung zwischen ihm und der Cyber-Piratin Tracy-Ace / Alfa.

Jeffrey A. Carver beherrscht sein Handwerk. Ihm liegt der große Science-Fiction-Entwurf mehr als das Spinnen eines Krimi- bzw. Thrillergarns. „Am Ende der Ewigkeit“ ist ein interessanter, nicht immer leicht zu lesender Abenteuerroman, der neben vielen positiven Eigenschaften auch deutliche Schwächen besitzt. Dennoch ist er für Hard-SF-Fans und Freunde von Piratengeschichten, die einer reizvollen Neuinterpretation verschiedener klassischer Motive aufgeschlossen gegenüberstehen, zu empfehlen.

Weblink: http://www.starrigger.net

|Originaltitel: Eternity’s End, 2000|

© _Andreas Hirn_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|

Hughart, Barry – Stein des Himmels, Der (Meister Li Band 2)

In „Der Stein des Himmels“, dem zweiten Meister-Li-Roman von Barry Hughart, hat Nummer Zehn der Ochse es vom Klienten zum Adlatus des Meisters gebracht. Der ist allerdings ziemlich mieser Laune. Das ändert sich erst, als der Abt eines kleinen Klosters ihn in seiner Stammkneipe aufsucht und um Hilfe bittet. Ein Mönch wurde ermordet und eine Schrift aus der Bibliothek gestohlen, die eigentlich völlig bedeutungslos ist und außerdem aus bestimmten Gründen eine Fälschung sein muss. Sie stammt aus einer Zeit, in der ein wahnsinniger Herrscher, genannt der lachende Prinz, über die Gegend des Klosters gebot und sie völlig verheerte. Nun glauben die Bauern, er sei zurückgekehrt, wie er es einst bei seinem Tod geschworen hat.
Meister Li besucht mit einem Nachkommen des Prinzen dessen Gruft, aus reiner Routine, um den Bauern die Angst zu nehmen: Der steinerne Sarg ist leer! Und Meister Li nicht mehr zu halten – Er geht buchstäblich bis in die Hölle, um dieses Rätsel zu lösen …

Meister Li geht auch in diesem Band mit gewohnter Hartnäckigkeit seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Da er einfach jeden zu kennen scheint, weiß er auch immer, wen er fragen muss, wenn er eine Auskunft braucht. Aber der größte Schatz an der Art von Wissen, wie Meister Li sie zur Lösung seiner Fälle benötigt, liegt verschlüsselt in den Sagen und Geschichten, die das Volk sich seit altersher zu erzählen pflegt, auch wenn ein wenig klassische Bildung gelegentlich nicht schadet. So setzt er auch diesmal wieder Teil für Teil sein Puzzle zusammen, indem er sich bei den Bauern umhört, alte Beziehungen spielen lässt und natürlich seine Nase in jedes Loch steckt, über das er stolpert.

[„Die Brücke der Vögel“ 914 warf einen Blick in den taoistischen Götterhimmel. „Der Stein des Himmels“ schildert noch weit ausführlicher die chinesische Vorstellung vom Jenseits. In einer Weltanschauung der Wiedergeburt sieht das alles natürlich ganz anders aus. Aber abgesehen vom kulturellen Hintergrund und den Puzzleteilen, die Li dort findet, dient die Darstellung dieser Hölle als Basis für eine ganze Reihe bissiger Seitenhiebe gegen Bürokratie und Standesdünkel.
Überhaupt hat Li in diesem Band die so genannten Neokonfuzianer auf dem Kieker, seiner Beschreibung nach könnte man sie auch Neokonservative oder Die-ewig-Gestrigen nennen. Die Typen in diesem Band sind weit weniger skurril als im ersten, aber Lis trockene Kommentare zu allem, was ein Neo im Namen hat, sorgen wieder für einige Schmunzler und Lacher, und über Mondkinds Verführung eines Dämons kann man einfach nur grinsen!

Der Aufbau des Puzzlespieles ist auch diesmal wieder gut gemacht. Bei Hughart ist es nicht unbedingt so, dass alles, auch das beiläufig Erwähnte, für die Lösung des Rätsels von Bedeutung ist, was ernsthafte Krimiliebhaber auf einige falsche Fährten führen dürfte. Trotzdem kann man nicht behaupten, dass man am Ende wirklich überrascht wäre, wenn Li den Täter entlarvt. Ab einem gewissen Punkt ahnt man es einfach. Die Art und Weise der endgültigen Aufdeckung ist trotzdem allemal noch interessant genug. Im ganz speziellen Fall dieses Bandes hatte ich allerdings ein kleines, logisches Problem:
Nach dem Tod des Mädchens findet Li einen Splitter des Steins in ihrem Körper. Dieser Splitter hat bei ihrer ersten schweren Verwundung dafür gesorgt, dass sie überlebte. Der lachende Prinz wurde durch ein Stück des Steines nach seinem Tod wieder lebendig. – Wenn der Stein solche Macht hat, wieso konnte das Mädchen mit dem Stein in der Brust dann überhaupt sterben?
Abgesehen davon, dass das Ende sonst nicht zu der alten Legende vom Stein und der Blume gepasst hätte.

Letztlich tut dieser kleine Knacks der gesamten Geschichte jedoch keinen Abbruch. Der Krimi ist schließlich nur ein Teil des Buches zwischen Witz, Fantasie und chinesischen Eigenheiten. Die Mischung ist es, die Hugharts Bücher ausmacht, und ich habe auch diesmal wieder jede Seite genossen.
Hughart bedient sich einr einfachen, prägnanten Sprache, was gut zu Ochse passt, der ja als Erzähler fungiert. Die Bücher lesen sich sehr leicht und flüssig. Auch beschränkt der Autor sich bei Beschreibungen auf das Wesentliche, lässt Zeiten manchmal im Zeitraffer laufen oder weniger wichtige Informationen einfach durch Ochse kurz zusammenfassen. Das strafft den Handlungsverlauf und vermeidet Längen, wirkt aber nicht hektisch oder überstürzt. Epik liegt ihm nicht, dementsprechend sind die Bücher mit ihren ca. dreihundert Seiten verhältnismäßig kurz, was zur Abwechslung auch mal angenehm ist.
Die einzelnen Bände des Zyklus sind in sich abgeschlossen, und auch wenn in „Der Stein des Himmels“ eine kurze Anspielung auf „Die Brücke der Vögel“ enthalten ist, ist es für das Verständnis der Geschichte nicht nötig, die anderen Bände zu kennen.

Barry Hughart wurde 1934 in Illinois geboren. Seine Kenntnisse über die chinesische Kultur schöpfte er aus Büchern über Religion und Kultur, Land und Leute, als er im Rahmen seiner Militärzeit bei der US Airforce in Fernost stationiert war, das Festland aber nicht betreten durfte. Die Faszination für dieses Land war so stark, dass er schließlich, zwanzig Jahre später, die Meister-Li-Romane verfasste. Außer seinen Romanen schrieb er auch Filmdialoge, unter anderem für „Devil´s Bridge“, „Man on the Move“ und „The Other Side of Hell“. Heute lebt er in Tucson, Arizona.

http://www.barryhughart.org/

Barry Hughart – Die Brücke der Vögel (Meister Li 1)

„Ich heiße Lu, und mein Vorname ist Yu, aber man darf mich nicht mit dem bedeutenden Verfasser von Das Buch vom Tee verwechseln …“
Mit diesem Satz stellt sich ein junger Mann vor, der von allen nur Nummer Zehn der Ochse genannt wird, weil er der zehnte Sohn seines Vaters und sehr stark ist. Er ist der Erzähler in „Die Brücke der Vögel“ und, das sei vorab verraten, auch in allen anderen Meister-Li-Romanen von Barry Hughart. Ein großer, gutmütiger und freundlicher Kerl, dessen Stärke nicht nur in seinen Muskeln liegt.

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Barclay, James – Drachenschwur (Die Chroniken des Raben 2)

Der Rabe zieht weiter; formiert mit neuen Mitgliedern, neuen Magiern, neuen Kämpfern und neuem Mut machen sich der mächtige Hirad, der Zauberer Ilkar, der dunkle Magier Denser und ihre neuen Gefährten auf den Weg, die fehlenden Elemente des |Dawnthief|-Zauberspruches zu erlangen und mit dessen Hilfe die Rückkehr der mächtigen Wytchlords zu verhindern. Doch ihr weiterer Weg ist geprägt von Verrätern aus den eigenen Reihen, unerwarteten Begegnungen und einer Bedrohung durch die feindlichen Wesmen, die sich nun endgültig gesammelt haben, um den wichtigen Stützpunkt am Understone-Pass, in ihren Besitz zu bringen, von dort aus die beiden Zauberkollegien Julatsa und Xetesk anzugreifen und schlussendlich die Macht über ganz Balaias zu erlangen.

Nur dann, wenn die Kollegien auch weiter zusammenhalten, die Verräter bekehrt bzw. vernichtet werden und der Rabe die volle Unterstützung bekommt, um gegen die allmächtigen Wytchlords und ihre neuen Verbündeten, die Soldaten der Wesmen, in den Kampf zu ziehen, kann das Unheil noch von Balaias abgehalten werden. Doch betrachtet man die Spur der Verwüstung, die die Wesmen und die Schamanen bereits hinterlassen haben, sind die Hoffnungen auf eine erfolgreiche Verteidigung gering. Die letzte Hoffnung ruht schließlich auf dem dunklen Magier Denser, der an Ort und Stelle in der Pyramide von Parve den gefürchteten Zauberspruch wirken muss, damit die Wytchlords samt Gefährten für immer in eine andere Dimension gejagt werden.

Es ist bereits zwei Monate her, dass ich den ersten Teil [„Zauberbann“ 892 gelesen habe, und doch habe ich mich sehr schnell wieder in die Story um den Raben eingefunden, was in erster Linie Barclay’s einfach verständlichem Stil zu verdanken ist, dem man selbst als Fantasy-Laie problemlos folgen kann. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass der Anspruch der „Chroniken des Raben“ gering ist, denn wie schon das vorangegangene Buch, so besticht auch „Drachenschwur“ durch eine zeitgemäße und doch packende Fantasy-Geschichte, die sich inhaltlich glücklicherweise vom gängigen „Herr der Ringe“-Prinzip abhebt. Das war im ersten Teil noch nicht ganz der Fall, jedoch hat Barclay sich durch einige geschickte Wendungen in der Geschichte sein ‚eigenes Ding‘ erhalten, das man mit Freude weiterverfolgt. Lediglich die Tatsache, dass sich die Geschehnisse im zweiten Teil ein wenig überschlagen und so mancher Knackpunkt in der Geschichte nicht vollends ausgeschmückt wird, ist Grund zur Kritik. Inwiefern dies doch möglich ist, hat „Zauberbann“ seinerzeit deutlich aufgezeigt, deshalb ist es schon verwunderlich, dass Barclay gerade in der Mitte des Buches die Ereignisse fast in einer Art Aufzählung herunterrasselt.

Darunter leidet das Buch auch für kurze Zeit, jedoch spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem die Schlachtszenen nicht mehr das Geschehen bestimmen, findet Barclay wieder zum herkömmlichen Stil zurück. Gut so, denn „Drachenschwur“ ist ebenfalls ein wirklich begeisternder Fantasy-Roman und kann bis auf die wenigen angesprochenen Mängel die hohen Erwartungen nur bestätigen.

James Barclay darf sich getrost in die Riege erhabener Fantasy-Autoren einreihen und hat mit der Geschichte des Raben, die übrigens im nachfolgenden „Schattenpferd“ weiter fortgesetzt wird, einen prima Einstand auf dem europäischen Markt geliefert. Harren wir also mit großer Vorfreude der Dinge, die da noch kommen werden.

Homepage des Autors: http://www.jamesbarkley.com
Homepage des Zyklus: http://www.ravengazetteer.com

M. John Harrison – Licht

„Licht“ ist einer dieser Romane, deren Bewertung wohl stark davon abhängt, wie groß das Ego des Lesers ist. Wer von seinem eigenen Intellekt ausreichend überzeugt ist, hat kaum ein Problem damit, fest davon auszugehen, dass Harrison schlicht und ergreifend nicht in der Lage war, eine sinnvolle Handlung zu konstruieren und vermutet somit hinter sprunghafter Konzeptlosigkeit keine avantgardistische Genialität.
Zu dieser Gruppe bekenne ich mich nach gründlicher Lektüre des Romans, die erst von Langeweile und schließlich von gelegentlichen Frustmomenten geprägt war. Harrison erzählt nicht, sondern spielt, und das in einer penetrant unfesselnden Art und Weise. Und als sich die Handlung endlich fängt (ungefähr ab der Hälfte des 450 Seiten starken Taschenbuches), hat man als Leser die Faxen bereits gründlich dicke.

M. John Harrison – Licht weiterlesen

Feist, Raymond E. – Elfenhügel

Raymond Elias Feist ist vor allem für seine diversen Endlos-Fantasy-Zyklen bekannt: Midkemia-, Kelewan-, Schlangenkrieg- und Krondor-Saga, alle mehrbändig, alle auch irgendwie untereinander verbandelt und hierzulande bei |Goldmann| & |Blanvalet| erschienen. „Faerie Tale“, so der Originaltitel des vorliegenden Buches, schlägt aus der Art, ist es doch der einzige Einzeltitel des Autors. Vielleicht hätte Feist auch aus diesem Stoff gerne einen Zyklus geschaffen, hat sich aber vom blanken Desinteresse der Leserschaft an Fortsetzungen abhalten lassen. Denn „Elfenhügel“ ist vor allem zweierlei: konfus und langweilig. Den |Bastei|-Verlag allerdings scheint genau dies nicht zu stören, er legt den Roman mit der vorliegenden Ausgabe bereits zum dritten Mal auf. Der Erstausgabe von 1991 (Reihen-Nummer 13356), noch unter dem Titel „Märchenhügel“, folgte im Jahr 2000 ein Auftritt in der Phantastischen Bibliothek (28325) – einer ohnehin durch eine selten gesehene, lieblose Auswahl glänzenden Reihe, in der so mancher Titel ins Hardcover gepresst wurde, der dort nichts zu suchen hat. Die Übersetzung stammte beide Male von Indira Wirths-Kosub, der Kollege Drewniok in der letzten Besprechung des Romans das Prädikat „schlicht und ergreifend ungenügend, weil hölzern, dilettantisch und heftige Schmerzen auf dem eigentlich kurzen Weg zwischen Sehnerv und Hirn erzeugend“ verpasste. Also ließ |Bastei| den Schinken nun neu übersetzen; gebracht hat’s wenig, weil der Roman als solcher einfach wenig taugt.

Das Ärgernis beginnt mit der amerikanischen Bilderbuchfamilie, die ins gar schreckliche Geschehen verwickelt wird. Phil Hastings hat als Drehbuchschreiber in Hollywood genug der Millionen gescheffelt und will nun endlich mal wieder ein gutes Buch schreiben – weitere Millionen nicht ausgeschlossen. Frau Gloria, erfolglose Ex-Schauspielerin, aber erfolgreiches Heimchen am Herd, das spätpubertierende Töchterlein Gabbie – aus Phils erster Ehe und zu allem Überfluss dank des Erbes großmütterlicherseits ebenfalls mit vielen, vielen Millionen gesegnet -, die Baseball spielenden Zwillinge Sean und Patrick sowie Katze und Hund sind nicht nur die Inkarnation des amerikanischen Traumes, sie folgen Phil natürlich auch aus der bösen großen Stadt aufs nur scheinbar kreuzlangweilige Land. Blöderweise liegt das neu erworbene Haus im Schatten eines Hügels, um den sich nicht zu Unrecht allerlei Legenden ranken. Hier hausen dann auch prompt Unmengen unheimlicher Geschöpfe, die nichts Besseres mit ihrer Zeit anfangen zu wissen, als den Hastings das gerade gefundene Paradies so richtig mies zu machen.

So weit die Kurzfassung, ohne Rücksicht auf den Erlkönig und die Wilde Jagd, die geheimen Schätze und verborgenen Schriften, das Monster im Dunkeln und die Mythenwesen aus dem keltischen Sagenschatz sowie Parapsychologen und Wechselbälger – all das wird munter in die Geschichte gemischt, die sich auch noch auf Shakespeares Mittsommernachtstraum stützt, ob es nun passt oder nicht. Ein konfuses Durcheinander, das sich mit zunehmender Dauer immer zäher liest und zu einem echten Ärgernis entwickelt. Unheimlich, wie es der Roman wohl gern sein möchte, ist allein seine Länge.

© _Armin Rößler_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|

Andreas Brandhorst – Der Metamorph (Kantaki 2)

Ein Geschöpf, programmierbar mit allen denkbaren Befehlen, in der Hand eines größenwahnsinnigen Menschen mit nahezu unbegrenzten finanziellen Mitteln, das Geschöpf entwickelt aus hochflexiblen Zellen, Stammzellen ähnlich, die sich ständig neu differenzieren können – ein Gestaltwandler, Selbstheiler, ein Wesen mit fast unvorstellbaren Möglichkeiten. Aber gefangen in seiner Programmierung und damit seinem Schöpfer untertan.

Dieses Bild zeichnet Andreas Brandhorst in dem zweiten Band seines ambitionierten „Kantaki-Zyklus“. Nur dass die Gefahren, die sich daraus ergeben, noch übertroffen werden durch diese Ausgangssituation: Das Wesen, der „Metamorph“, entkommt aus dem Züchtungslabor – ein moderner „Geist“ nach Goethes „Zauberlehrling“.

Im Rückblick auf „Diamant“, den ersten Kantaki-Roman, lässt sich eine Verlagerung des Schwerpunktes erkennen: Mit „Diamant“ wurde der Boden bereitet, hier stand die Einführung des neuen Kosmos‘ im Vordergrund und wurde mit Hilfe Valdorians Suche auf der einen und Lidias Entwicklung zu Diamant auf der anderen Seite durchgeführt. Im Hintergrund drohte die manipulierende Macht aus der Vergangenheit. Im „Metamorph“ werden die verschiedenen Stränge zusammengeführt und ergeben ein komplexes Bild, in dessen Zentrum der große Konflikt zwischen dem Konziliat (das an den Strängen des Lebens webt) und dem Omnivor (eine realitätfressende Entität, der Widerpart des Konziliats) steht.

Es gibt eine Abstufung der Details: Der Zeitkrieg zwischen den Temporalen und den Kantaki ist von primärer Bedeutung für den Konflikt, denn die Kantaki versuchen über ihren „Sakralen Kodex“ (siehe Rezension zu „Diamant“) die Ära des Verstehens zu verlängern, während die Temporalen diese Ära gewaltsam beenden wollen und damit dem Omnivor in die Hände spielen. Sekundär sind die Handlungen anderer Völker wie der Menschen, derer sich die großen Parteien manchmal als Handlanger bedienen, so geplant mit Valdorian durch die Temporalen.

Im „Metamorph“ werden diese Zusammenhänge deutlicher, denn statt der kurzen Streiflichter, die in „Diamant“ andeuten, dass es um Größeres geht, dringen wir weiter zu den Geschehnissen vor, die sich gerade jetzt kulminieren und neue Veränderungen bringen.

Auf Kerberos, einen abgelegenen Planeten, stürzten vor Jahrmilliarden zwei stark angeschlagene Kontrahenten ab: Der |Keim| eines Ominivors und ein |Ich/Wir| des Konziliats, ein individueller Splitter. Die Konziliantin benutzt während ihres Regenerationsprozesses unbewusst ihre Fähigkeiten, an den Strängen des Lebens zu weben: Auf Kerberos entsteht Leben, wie es anderswo nicht zu finden ist.

421 Seit Neubeginn: Auf Kerberos existiert ein Forschungszentrum der New Human Design, das mit der „Basismasse“ experimentiert, einer Zellform, die nur auf Kerberos gefunden wird. Aus ihr entwickelt man den Prototyp eines Metamorph. Ein Attentat befreit das Wesen, das zum Töten programmiert wurde.

Auf Kerberos existiert eine geheimnisvolle Kraft, die von sensiblen Menschen wahrgenommen und zum Heilen genutzt werden kann. Es bildete sich eine quasireligiöse Gemeinschaft von Heilern, der auch Bruder Eklund angehört. Er trifft auf den Metamorph in Gestalt des Jungen Raimon und findet hier seine „heilige Aufgabe“: Er muss den Jungen beschützen. Eklund weiß lange nichts von Raimons wahrem Wesen, doch erkennt er in ihm eine unglaubliche Präsenz der Kraft, die alles auf Kerberos durchdringt.

Der Metamorph kämpft gegen seine Programmierung an, denn während Valdorian im Dienste der Temporalen nach einem Weg sucht, den Keim zu erwecken und zu nutzen, um das Zeitgefängnis der Temporalen aufzubrechen, versteht sich der Metamorph als Komponente der Konziliantin, deren Kraft es ist, die Kerberos durchdringt. Die Konziliantin wartet seit Äonen auf ihr Wiedererwachen, um den Keim endgültig zu besiegen. Damit würde auch die Gefahr durch die Temporalen ein weiteres Mal gebannt …

In diesem zweiten Band des Zyklus spielt die Transzendenz eine weitaus wichtigere Rolle. Trotzdem entwickelt sich eine spannende Geschichte um einzelne Personen wie Bruder Eklund oder den Jäger Lutor. Valdorians Charakter hat sich unter dem Einfluss der Temporalen entwickelt. Der ehemalige mächtige „Primus inter Pares“ ist kaum noch in ihm zu erkennnen, er wirkt trotz seiner starken Persönlichkeit wie eine Marionette.

Brandhorst gelingt wieder eine fließende Handlung, die selbst von den anfangs vielen unterschiedlichen Ebenen nicht unterbrochen wird und noch an Tempo gewinnt, indem einige Stränge zusammengeführt werden und sich das Hauptaugenmerk auf den Planeten Kerberos richtet. Es zeugt von hoher Kunstfertigkeit, dass der Leser dieses Verwirrspiel gespannt verfolgt und von ihm gefangen wird.

Für das Verständnis der Zusammenhänge wichtig und hilfreich sind auch die Anhänge in Form eines Glossars und einer Chronologie. Gerade letztere kann helfen, den großen Überblick zu behalten.

Wieder muss aber angemerkt werden, dass es einige Wiederholungen gibt, die sich manchmal sogar im Wortlaut gleichen. In dieser Hinsicht könnte das Lektorat noch etwas aufmerksamer arbeiten, denn ansonsten fallen keine technischen Mängel auf.

Durch den großen Einfluss der Transzendenz in diesem Roman ist er nicht jedermanns Sache, doch es ist nur die konsequente Entwicklung der Geschichte, die in „Diamant“ angelegt wurde. Man merkt deutlich, dass Brandhorst großen Wert auf die Stimmigkeit seines Universums legt und dass ihm gerade die Mächte im Hintergrund wichtig sind. Der Titel des nächsten Romans, der im Herbst 2005 erscheinen soll, deutet schon an, in welche Richtung es weitergeht: „Der Zeitkrieg“ …

Insgesamt ist „Der Metamorph“ ein überaus unterhaltsames und fesselndes Buch, das trotz seiner Eigenschaft als Folgeband zu „Diamant“ dessen Kenntnis nicht voraussetzt. Mit Andreas Brandhorst meldet sich ein deutscher Schriftsteller zurück, der auf der literarischen Bühne nicht mehr fehlen darf.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (10 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)


 

James Barclay – Zauberbann (Die Chroniken des Raben 1)

Der Rabe, das ist ein sechsköpfiges Söldner-Gespann, welches sich in den letzten Jahren durch den Sieg zahlreicher gemeinsam geführter Schlachten einen bedeutenden Namen hat machen können und daher auch von seinen Feinden gefürchtet wird. Doch die Soldaten dieser Vereinigung sind in die Jahren gekommen und machen sich jenseits der 30 Gedanken, den allmächtigen Raben als unbesiegte Allianz in die Geschichte eingehen zu lassen. Als dann auch noch Ras, ein Mitglied der kleinen Armee, bei einem Angriff ums Leben kommt, scheint die Entscheidung beschlossene Sache. Doch genau bei diesem Angriff eröffnet sich den übrig gebliebenen Söldnern eine vollkommen neue Situation. Bei der Verfolgung eines Zauberers gelangen sie durch ein verstecktes Tor auf eine Ebene in einer anderen Dimension, bei der einer der Mannen, Hirad, plötzlich einem gewaltigen Drachen gegenübersteht. Der quasi dem Tode Geweihte kann sein Dahinscheiden durch einen längeren Dialog mit dem fremdartigen Geschöpf noch verzögern und wird dann plötzlich von eben jenem unbekannten Zauberer gerettet.

James Barclay – Zauberbann (Die Chroniken des Raben 1) weiterlesen

Andreas Brandhorst – Exodus der Generationen (Perry Rhodan. Lemuria 3)

Faszinierend! Da rätselt man seit Jahren, wie die alten Lemurer als Vorfahren der Menschen an fünfdimensionale Technik gekommen sein können, wo der moderne Terraner anscheinend nicht in der Lage ist, die Hypermathematik wirklich zu verstehen – und dann liefert eine Spin-off-Serie die Antwort.

Andreas Brandhorst, in den letzten Jahren bekannt geworden durch seine Übersetzungen zum Beispiel für Terry Pratchet und „Star Wars“, machte 2004 Schlagzeilen mit seiner großartig angelegten Space-Opera um die „Kantaki“ – auch dort existieren eine fast mythische Vergangenheit und ein Kampf durch die Zeiten. Vielleicht fiel es ihm dadurch leichter, sich in den gigantischen Kontext von Perry Rhodan einzuarbeiten, und es ist ihm hervorragend gelungen. Wir erhalten sozusagen von einem „Rhodan-Neuling“ Einblicke in die spannendste Zeit der irdischen Geschichte, als nämlich die bisher als unerreichbar geltenden Lemurer den Sprung zu den Sternen wagen.

Hauptakteure des Romans sind der lemurische Chronist Deshan Apian und Levian Paronn in der Vergangenheit, ein akonisch-terranischer Einsatztrupp um die Kommandantin der PALENQUE und eine seltsame Gemeinschaftsintelligenz aus Menttia und KI in der Gegenwart. Die letzten Überlebenden der Sternenarche LEMCHA OVIR (Lemuria 2: „Der Schläfer der Zeiten“) wechseln in der Bedrohungssituation mit Hilfe parapsychischer Kräfte in eine andere Existenzform und verschwinden im All.

Apian ist Chronist im Großen Solidar Lemurias und erhält den Auftrag, eine Chronik über Levian Paronn bei seinem Vorhaben, die „Kinder Lemurs zu den Sternen zu führen“, zu erstellen. Er wird zum langjährigen Wegbegleiter des anderen, den ein unergründliches Geheimnis umgibt. Brandhorst gelingt eine ungewöhnlich dichte und tiefe Charakterisierung des Mannes, aus dessen Sicht man den Lauf der Zeit in jenem fernen Lemuria erfährt. Die Lemurer – nach einem Jahrhunderte währenden Überlebenskampf gegen die albtraumhaften Konos, der über die Zeit der Primitivität hinaus, in eine Art Mittelalter und länger, dauerte – stehen unter einem kollektiven Trauma. Es entwickelte sich ein perfektes Solidarsystem, in dem alle an einem Strang ziehen, um das Überleben der eigenen Art zu sichern. Bis zum Auftreten der Sternensucher, als deren Anführer Paronn sich entpuppt. Er kennt die Zukunft, weiß um die Gefahr, die die Lemurer in Form der „Bestien“ heimsuchen wird, und setzt alles daran, mit den Sternenarchen die Saat Lemurs im All zu streuen. Letztlich verlassen 46 Archen das Heimatsystem. Apian erhält wie die Kommandanten der Schiffe einen Zellaktivator, der ihnen die relative Unsterblichkeit schenkt.

Paronn selbst offenbart seine eigene Unsterblichkeit spät. Mit seinen geistigen Zwiegesprächen streut Brandhorst neue Rätsel, aber auch Ansatzpunkte für deren Lösung, die den Leser verblüffen. So schickt er mit jeder fertig gestellten Arche den bis dahin fertigen Teil der Chronik zu den Sternen, um sie einer Person in der Zukunft zugänglich zu machen. Außerdem denkt er an seinen „vierarmigen Freund“, in dem wir schnell einen Haluter vermuten. Im Rückblick auf den zweiten Roman der Serie fragen wir uns, ob es sich um jenen Icho Tolot handeln könnte, dem Rhodan in der akonischen Station auf Mentack Nutai begegnet …

In der Gegenwart findet Rhodan einen Datenchip an Bord des gelandeten Kommandomoduls der LEMCHA OVIR. Bei der Entschlüsslung spricht der Chip auf ihn an und versenkt ihn ins Koma, wo er Apians Chronik erfährt. Offenbar ist Rhodan die Person, auf die Paronn die Chronikchips sensibilisiert hat. Ein neues Rätsel.

Tolot erscheint auf Rhodans Ruf im System und gerät mit seinem Schiff in die Transmitterfalle einer alten akonischen Station, die sich zwischen den Asteroiden eines Gürtels um die Sonne befindet. Dorthin verschlägt es auch den Einsatztrupp der beiden menschlichen Schiffe, die hier um ihr Überleben kämpfen und auf ein neues Rätsel stoßen. Ein fremder Haluter wird aus einem Stasisfeld befreit. Er hat eine wichtige Nachricht für Tolot, den er um das Jahr 2400 n. Chr., kurz nach dessen Kontaktaufnahme mit den Terranern, zu suchen begann. Vor seinem Tod flüstert er Tolot die Koordinaten eines offenbar wichtigen Orts zu.

Schade, dass sich die hervorragend angelegten Charaktere von Jorgaldarhelmemerek und Alahandra wohl verabschiedet haben. Der „Maschinenflüsterer“ war ein interessanter Begleiter und könnte mit seinen Fähigkeiten zu einer Lebensform ähnlich dem „Specter“ der Hauptserie werden. Was aus dieser neuen Wesenheit wird, steht buchstäblich in den Sternen.

Die Gestalt des Prospektors Roderich bedarf noch einer eingehenderen Betrachtung, wenn die von Brandhorst eingestreuten Details zu ihm Serienrelevanz bekommen sollen. Sonst könnte er wirken wie ein künstlich interessant gemachter Charakter.

Wohin die Reise geht, lässt sich erahnen. Nächstes Ziel jedenfalls ist Akon, wo die letzte Sternenarche ACHATI UMA entdeckt wurde – jenes Schiff, mit dem Levian Paronn in die Zukunft aufbrach. Um ihn wird es im nächsten Band von Leo Lukas gehen, „Der erste Unsterbliche“. Eine Frage bezüglich der Unsterblichen hat Brandhorst schon in diesem Band beantwortet: Die Frage nach den augenscheinlichen Defekten zumindest einiger Aktivatoren. Levian Paronn baute sie in der Vergangenheit nach dem Vorbild seines eigenen, doch fehlten ihm schließlich die Materialien, so dass er improvisieren musste. Neue Frage: Woher hat Paronn seinen Aktivator und wieso kann er ihn überhaupt nachbauen, während Generationen von terranischen Wissenschaftlern an den Geräten von Rhodan und Co. verzweifelten?

Einen letzten Zweifel streut Brandhorst auf den letzten Seiten: Geht es Paronn wirklich um die „Bestien“, die das lemurische Reich in einem fast hundertjährigen Krieg vernichteten, ehe sie befriedet und zu „Halutern“ wurden, wenn er vom „Feind“ spricht? Dieser Feind existiert nicht mehr, und doch verheimlicht eine fremde Präsenz ihre Anwesenheit …

„Exodus der Generationen“ ist ein vielschichtiger Roman, mit dem Andreas Brandhorst seine Klasse beweist und gleichzeitig auf sich und sein Kantaki-Universum aufmerksam macht. Abgesehen von winzigen Widersprüchen zur Serientechnik zeigt er seine Professionalität in der Schriftstellerei in der Art, wie er sich in das komplexe Rhodan-Umfeld hat einarbeiten können. Erfrischend sind seine Darstellungen von Gefahren und technischen Details, die bei einigen der Stammautoren routiniert abgehandelt werden. Um das schon an sich spannende und faszinierende Thema des Romans herum entwickelt er eine Geschichte mit erzählerischer Dichte und Fließkraft. Die vier verschiedenen Erzählebenen machen nicht den Eindruck, als müsse man den Stoff unbedingt unterbringen und wisse nicht, wie das möglich wäre, sondern werfen hier und da ein Schlaglicht auf die Gedanken und Gefühle der Protagonisten und schaffen damit eine schlüssige Atmosphäre.

Mit jedem Roman gefallen mir der rätselhafte Aufbau und die Geschichte der Serie und vor allem die Erzählkunst in den einzelnen Romanen besser. Ich bin guter Hoffnung, dass sich dieses Niveau durch die Serie fortsetzt und denke, dass „Lemuria“ der beste Spin-off-Zyklus und damit ein Meilenstein in der Rhodan-Historie wird.

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