Archiv der Kategorie: Sachbuch

Weinstein, Zeus – umfassende Sherlock Holmes Handbuch, Das

_Inhalt:_

Sechs Kapitel und ein Anhang führen in die Welt des Meisterdetektivs Sherlock Holmes ein:

Dessen Geschichte(n) ist bzw. sind nicht ohne seinen Freund, Begleiter und Chronisten Dr. John H. Watson denkbar, weshalb dieses Handbuch mit „Mr. Holmes und Dr. Watson“, dem „Portrait einer Freundschaft“ (S. 7-40) einsetzt. Michael (1924-1991) und Mollie (1916-2003) Hardwick, ausgewiesene Holmes-Experten und Verfasser zahlreicher Holmes-Pastiches, zeichnen in ihrem 1962 entstandenen Text das oft missverstandene Verhältnis der beiden Männer nach. Sie arbeiten Watsons unverzichtbare Gegenwart und keinesfalls zu unterschätzende Funktion heraus und illustrieren dies durch zahlreiche Zitate aus den Holmes-Romanen und Kurzgeschichten.

Herausgeber Zeus Weinstein erinnert in „Kleine Conan Doyle Chronik“ (S. 41-68) an den geistigen Vater von Holmes & Watson. Dabei beschränkt er sich nicht auf Doyle als (einen) Vater der modernen Kriminalliteratur, sondern macht deutlich, dass Holmes nur den kleinen Teil eines privat wie literarisch ereignisreichen Lebens darstellt.

Wieder das Ehepaar Hardwick präsentiert ein „Who ’s Who“ (S. 69-120) jener Klienten, Bösewichte, Opfer und anderer Figuren, die in den Romanen und Storys auftreten. Einer kurzen ‚Biografie‘ – falls möglich – folgt ein auf die Einzelperson bezogenes Zitat aus dem genannten Werkskanon. Wichtige Figuren wie Mycroft Holmes, Professor Moriarty oder Sebastian Moran werden zusätzlich in Zeichnungen sichtbar, die u. a. Sidney Paget, der berühmteste Illustrator der Holmes-Geschichten, zwischen 1891 und 1905 geschaffen hat.

Es folgen, erneut niedergeschrieben von den Hardwicks, „Die Plots aller Stories“ (S. 121-166); hinzu kommen Handlungsskizzen der vier Romane. Der Titel trifft (erfreulicherweise) nicht ganz zu, da die beiden Verfasser die eigentliche Auflösung jeweils verschweigen, um noch Holmes-unkundigen Lesern das Vergnügen zu bewahren.

Im Kapitel „Sherlock Holmes in Kontur“ (S. 167-194) erläutert Zeus Weinstein, wie das Holmes-Bild durch die Illustrationen der frühen Zeitschriften- und Buchausgaben entscheidend mitgeprägt wurde; so ist der berühmte „Deerstalker“ eine Erfindung von Sidney Paget (1860-1908), der auch die Physiognomie des berühmten Detektivs formte, die Frederic Dorr Steele (1873-1944) in den US-amerikanischen Ausgaben der Holmes-Storys zur Vollendung brachte.

Die weiterhin ungebrochene Präsenz der Holmes-Figur im 21. Jahrhundert ist nicht nur der Qualität der Geschichten, sondern auch ihrer Medientauglichkeit zu verdanken. Zeus Weinstein beschränkt sich auf „Sherlock Holmes im Kino“ (S. 195-245) und greift interessante und kuriose Beispiele aus mehr als einem Jahrhundert Holmes in Film und Fernsehen heraus. (Die ursprünglich 1987 endende Liste wurde von Michael Ross bis 2009 fortgesetzt.)

Am Ende des Handbuches steht ein Kartenanhang. Er zeigt zeitgenössische Karten, in die jene Stätten eingetragen wurden, an denen Holmes und Watson ermittelten, sowie zwei Grundrisse der Wohnung Baker Street 221b. Das Handbuch schließt mit einer „Kleine(n) Bibliographie der Doyle-Erstausgaben“ sowie einem Literatur- und Bildnachweis.

_Interessante Fakten für Holmes-Nichtkenner_

In den 1980er Jahren erschien im (inzwischen eingegangenen) Haffmans Verlag jene neunbändige Ausgabe der vier Romane und 56 Kurzgeschichten, die den klassischen Sherlock-Holmes-Kanon bilden. Zu diesen Büchern, die wohl jeder ‚richtige‘ Holmes-Fan besitzt, hütet (und immer wieder liest), gab es 1984 zwei „Sherlock Holmes Companions“, in denen Zeus Weinstein Hintergrundinformationen zusammenstellte.

Diese „Companions“ wurden 1988 zum „Sherlock Holmes Handbuch“ zusammengefasst. Als 2009 die Haffmans-Ausgabe im Verlag Kein & Aber aufgelegt wurde, erlebte auch der Begleitband seine Neuausgabe. Während sich die Holmes-Aficianados mit Recht über die wohlfeile Wiederkehr der Romane und Story-Bände freuen dürfen, hält sich die Begeisterung über das „Handbuch“ in Grenzen.

Darüber wird weiter unten ausführlich zu berichten sein. Beginnen wir mit den positiven Aspekten: Das doppelte ‚Psychogramm‘ des Duos Holmes & Watson ist eine wunderbare Einleitung, weil inhaltlich kenntnisreich und liebevoll im Stil der ursprünglichen Geschichten formuliert. Kein anderer Text im „Handbuch“ erreicht diese Qualität nur annähernd. Zumindest im Faktengehalt kommt ihm „Sherlock Holmes in Kontur“ nahe. Mit guten Beispielen belegt Herausgeber Weinstein, dass der Kultfaktor der Holmes-Figur sich aus vielen Quellen speist. Es brauchte den ‚richtigen‘ Künstler, um Holmes ein Gesicht zu geben, das Gefallen bei den Lesern fand und sich ins kollektive Gedächtnis ganzer Generationen verankerte.

|Handbuch ohne Aktualität|

Mit einem Fragezeichen muss man die ‚lexikalischen‘ Kapitel versehen. Ist eine Sammlung sämtlicher Story-Plots wirklich hilfreich? Kurz und knapp kann Holmes nicht wirken, und so kompliziert ist die Handlung einer Holmes-Story nicht, dass ihr Plot aufgedröselt werden müsste. Noch ratloser macht das Personenverzeichnis. Wen interessiert, dass Windigate der Wirt des „Alpha Inn“ in der Geschichte „Der blaue Karfunkel“ ist? Man muss es nicht vor der Lektüre dieser Story wissen, und anschließend ist es ebenso unwichtig. Wieso also keine Beschränkung auf zentrale Figuren, über die es echte Hintergrundinformationen gibt?

Während der Rezensent diesen Standpunkt für diskussionswürdig hält, ist er seiner folgenden Negativkritik sehr sicher. Ein „Handbuch“ muss und kann nicht sämtliche Aspekte eines Themas erfassen. Es sollte aber aktuell sein. Informationen altern nicht nur, sie verändern sich im Lauf der Zeit. Ein Vierteljahrhundert ist auch für Sherlock Holmes eine lange Zeit. Obwohl tief in London der viktorianischen Epoche verwurzelt, ist Holmes längst über seine Vergangenheit hinausgewachsen und hat sich zu einem gegenwärtigen und präsenten Multimedia-Phänomen entwickelt.

Davon erfährt man im „Handbuch“ leider wenig bis nichts. Es wurde für seine Neu-Inkarnation angeblich überarbeitet. Falls überhaupt, merkt man ihm dies nur im Kapitel „Sherlock Holmes im Kino“ an; es wäre in der Tat zu peinlich geworden, den „Sherlock Holmes“-Blockbuster des Kinojahres 2009 unerwähnt zu lassen.

|Lücken und Fehler|

Was ist mit den Holmes-Pastiches, d. h. den Romanen und Geschichten, die nach dem Tod von Conan Doyle geschrieben wurden? Sie stellen inzwischen eine üppig mit Titeln gepolsterte Genre-Nische der Kriminalliteratur dar. Nur beiläufig wird William Gilette erwähnt, der für einen Sherlock Holmes im Theater steht, in dem er ebenso präsent war und ist wie im Film. Gänzlich unerwähnt bleibt der digitale Holmes, der längst seine Fälle auch im Video-Game löst. Diese Lücken stehen beispielhaft für Fehlstellen, die sich ein Handbuch nicht leisten darf, das sich nicht auf den literarischen Sherlock Holmes des Conan Doyle – d. h. auf die Jahre bis 1930 – beschränkt.

Nicht verantwortlich ist der Verfasser bzw. Herausgeber für die mindere Qualität des gedruckten „Handbuchs“ zu machen. Es wurde offenbar vom Original gescannt, was prinzipiell praktikabel ist und ansehnliche Ergebnisse zeitigt. Dies gilt selbstverständlich nur, wenn die Vorlage kopierwürdig ist. Auf den Text trifft dies zu. Die Bildwiedergabe ist dagegen schauderhaft. Aus heutiger Sicht war sie dies schon 1985. Damals waren die technischen Möglichkeiten beschränkt. Heute gilt dies nicht mehr. Auch die besten Scanner müssen jedoch aufgeben, wenn die Vorlage nichts taugt. Das „Handbuch“ bietet zahlreiche Illustrationen. Man könnte meinen, dass die verschwommene, unterbelichtete Darstellung auf die alten Magazin- und Buch-Abbildungen zurückgeht. Dem ist nicht so; so lässt sich im Internet – ein weiteres Medium, in dem Sherlock Holmes heute omnipräsent ist, während es im „Handbuch“ ausgeklammert bleibt – problemlos nachprüfen, wie präzise und klar beispielsweise Sidney Paget gezeichnet hat.

Zeitgenössische Fotos von Conan Doyle oder Ausschnittbilder aus Sherlock-Holmes-Filmen mögen ’nur‘ schwarzweiß sein; an ihrer Schärfe gibt es nichts auszusetzen. Man darf aber nicht eine bereits minderwertige Kopiervorlage einfach noch einmal kopieren – oder sie zusätzlich auf Streichholzschachtelformat verkleinern, wonach vom Porträt des Sebastian Moran auf S. 99 nur noch ein tintenschwarzes Rechteck bleibt.

Verzichten müssen die Leser auf die Seiten 156 und 178; statt ihrer wurden die Seiten 56 bzw. 78 doppelt einmontiert. Angesichts des durchaus stolzen Preises ist dies ein weiteres Ärgernis, das zur Ablehnung eines ursprünglich nützlichen, nun jedoch veralteten Handbuchs beiträgt: Diese Chance wurde vertan!

_Autor_

Zeus Weinstein ist ein Pseudonym des Karikaturisten und Schriftstellers Peter Neugebauer. Geboren am 14. Februar 1929 in Hamburg, besuchte er 1948/49 die Werbefachschule Hamburg und studierte zwischen 1951 und 1954 freie Grafik an der Hochschule für bildende Künste ebendort.

Neugebauers berufliche Karriere fand vor allem in der Zeitschrift „Stern“ statt. Hier erschienen bereits 1950 Illustrationen und Karikaturen. 1958 wurde Neugebauer fester Mitarbeiter des „Stern“. Im folgenden Jahr erschien hier die erste Folge von „Zeus Weinsteins Abenteuer“: Ein an Sherlock Holmes angelehnter Detektiv übernimmt Fälle, die er mit allen Indizien vorstellt. Die Auflösung bleibt offen bzw. wird den mitratenden Lesern überlassen. Die ungemein beliebte, von Neugebauer selbst illustrierte Serie wurde bis 1987 fortgesetzt.

Im Zuge der Arbeit an den Zeus-Weinstein-Fällen entwickelte sich Neugebauer zum veritablen Sherlock-Holmes-Experten. 1978 schrieb er ein eigenes Holmes-Abenteuer. Zur neunbändigen Neuausgabe der Holmes-Romane und -Erzählungen im Haffmans-Verlag verfasste er ein begleitendes Handbuch.

|Gebunden: 246 [+ XVIII] Seiten
ISBN-13: 978-3-03-695538-4|
[www.zeusweinstein.de/Abenteuer.html]http://www.zeusweinstein.de/Abenteuer.html
[www.keinundaber.ch]http://www.keinundaber.ch

Rübel, Doris – Tiere und ihre Kinder (Wieso? Weshalb? Warum? – Band 33)

Die „Wieso? Weshab? Warum?“-Serie aus dem Ravensburger-Verlag beschäftigt sich gleich häufiger mit dem Thema „Tiere“ bzw. ihrem Lebensraum. Das ergibt auch durchaus Sinn, denn statt einer oberflächlichen Betrachtung, die ja häufig Inhalt von Kinder- und Kennenlern-Büchern ist, verschafft man sich somit Raum und Platz, um auch ein bisschen weiter in die Tiefe zu gehen. Neben dem Zoo-Ableger sowie der gesonderten Ausgabe zu Tieren, die erst in der Nacht aktiv werden, gibt es schließlich auch einen separaten Band, der sich ausschließlich mit dem Nachwuchs von Säugern etc. beschäftigt – und dabei gewohntermaßen eine ganze Menge Wissen transferiert.

In „Tiere und ihre Kinder“ analysiert Texterin und Illustratorin Doris Rübel in erster Linie, wie und wo genau ausgewählte Tiere aufwachsen, wie sie sich bei der Geburt verhalten und welche Eigenheiten individuell auftreten. So vermittelt Rübel beispielsweise, dass viele Tiere bei der Geburt blind und taub und damit quasi auch völlig hilflos sind. Schön ist hierbei auch die analoge, wen auch indirekte Betrachtung dessen, wie der Mensch sich in diesen Phasen entwickelt und welche prägnanten Unterschiede bei Tieren wie dem Löwen, der Giraffe oder den Elefanten auftreten – um nur einige der Tierarten zu nennen, die in „Tiere und ihre Kinder“ exemplarisch zum Zuge kommen.

Ferner beschäftigt sich das Buch damit, was die Tiere in ihren ersten Lebensmonaten und -jahren alles erlernen müssen, ab wann sie langsam selbständig werden und inwieweit der Kontakt zur Herkunftsfamilie bestehen bleibt bzw. notwendig ist. Natürlich werden auch einige der elementarsten Fragen beantwortet, etwa wie das Känguru in den Beutel kommt und warum manche Kinder, der Koala-Nachwuchs zum Beispiel, zunächst noch von ihrer Mutter getragen werden. Schließlich wechselt man in die extremeren Naturzonen, beschreibt das Leben von Pinguinbabys und Neugeborenen unter Wasser, betrachtet Bären und Eisbären und widmet zum Schluss noch ein kleines Kapitel all denjenigen Tieren, die unter der Erde geboren und aufgezogen werden.

Auffällig in der bereits 33. Ausgabe der Sachbuchreihe für das Kindergartenalter, ist das sehr fokussierte Vorgehen. Zwar ist dies seit jeher ein klarer Bestandteil und auch ein Qualitätsmerkmal dieser Serie, doch insgesamt ist die Konzeption hier noch kompakter und die Auswahl der Themenwelt nicht ganz so breit gefächert wie vergleichsweise in der Zoo-Edition. Es werden immer noch reichlich Tiere in die kurzen Kapitel eingeflochten, doch rein thematisch entwickelt sich hier keine größere Distanz, da doch viele Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Arten und auch dem Verhalten des Menschen bestehen, die hier sehr transparent und leichter verständlich herausgearbeitet werden.
Ferner gefällt die Mischung aus interaktiven Elementen und absolut nicht überfrachteten Illustrationen, die ebenfalls sehr positiv heraussticht. Die einzelnen Abbildungen sind relativ groß, so dass gar nicht erst die Versuchung entsteht, mehr Elemente auf die Seiten zu packen, als diese optisch vertragen können – und damit hat man die Zielgruppe mal wieder absolut in den Mittelpunkt gerückt und den Inhalt von ihr ausgehend gestaltet – und eben nicht anders herum.

Am Ende ist „Tiere und ihre Kinder“ nicht nur ein sehr spannendes Sachbuch, das mit den zahlreichen Klappfenstern zum Mitmachen anregt, sondern auch richtig schönes, erfrischendes Infotainment für die Kleinsten, die hier mit jedem weiteren Durchgang noch eine ganze Menge mitnehmen können. Es hat noch kein Buch in dieser Reihe gegeben, welches den Ansatz von Durchschnittlichkeit offerierte. Doch umgekehrt ist dieses hier besonders gut und umso vehementer zu empfehlen!

|Hardcover: 16 Seiten
Vom Hersteller empfohlenes Lesealter: 4-5 Jahre
ISBN-13: 978-3473327430|
[www.ravensburger.de]http://www.ravensburger.de

_“Wieso? Weshalb? Warum?“ bei |Buchwurm.info|:_
Band 7: [„Tiere der Nacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6270
Band 45: [„Im Zoo“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6271

Horin, Niki – Entdeckungsreise zum Südpol

_Vom Leser zum Entdecker: Die Eroberung des Südpols_

„Die größten Antarktis-Expeditionen … Robert Scott, Ernest Shackleton und Roald Amundsen hatten ein gemeinsames Ziel: den bisher unerforschten Südpol zu erreichen. Ihr atemberaubender Wettlauf durch das ewige Eis und ihre gefährlichen Expeditionen machten sie zu legendären Helden.

Faszinierende Fotos, topographische Karten und Originaldokumente laden alle angehenden Polarforscher dazu ein, die berühmten Entdecker auf ihren abenteuerlichen Reisen durch die Antarktis zu begleiten.“ (Verlagsinfo)

Über die Verfasserin ist im Buch leider nichts zu erfahren, aber sie meldet sich mit einer Anmerkung zu Wort. Darin lässt sie sich über die Bezeichnungen der Expeditionen ab 1901 aus: Sie werden alle nach den Schiffen der Teilnehmer benannt.

_Inhalte_

Das Buch ist wie ein Bilderbuch aufgebaut: möglichst wenig Text, möglichst viele Bilder – aber auch Dokumente und Aufstellbilder. Schon der Innenumschlag birgt zwei Broschüren, die den Leser über die Antarktis-Forschung von 1820 (Entdeckung) bis 1901 (Discovery-Expedition) und über die am Südpol lauernden Gefahren aufklären.

Die Nationale Antarktis-Expedition, die die „Discovery“ einsetzt, wird im Hafen verabschiedet. Robert F. Scott nimmt den erst 27-jährigen Ernest Shackleton mit. Ein Büchlein beschreibt den Veranstalter und die zwei Expeditionsleiter.

Die „Discovery“ in der Antarktis: erstes Aufstellbild. Es zeigt einen riesigen Eisberg mit Pinguinen, davor Robben, gesehen von Bord aus.

1907 sticht Shackleton mit der „Nimrod“ auf seiner ersten eigenen Expedition in See. Die Expedition erreicht als Erste den magnetischen Südpol, man besteigt den Vulkan Mt. Erebus. Zu diesem Vulkan gibt es ein sehr schönes Ausziehbild. Zieht man an der seitlichen Lasche, enthüllt man einen eruptierenden Vulkan!

Für diesen Triumph schlägt der König den Forscher zum Ritter. Shackleton schreibt sein erstes Werk. Dies spornt Robert F. Scott an, es ein zweites Mal zu wagen. Im Winter 1911 legt er die Depots an, die ihn zum geographischen Südpol führen sollen. Erste Fotos von dieser Unternehmung sowie ein Telegramm aus Melbourne.

Der Zweikampf mit Roald Amundsen beginnt, der schon seit Anfang 1911 vor Ort ist. Wie bekannt, siegt Amundsen in diesem Wettlauf, und Scott, sowie seine Begleiter verhungern und erfrieren im Eis. Hier gibt es das zweite Aufstellbild: ein Schlittenhundegespann der Norweger.

Shackletons dritte Expedition beginnt am 5.12.1914: das Abenteuer mit der „Endurance“, trotz des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Ziel ist die erste Durchquerung des Südkontinents mit Passieren des geographischen Südpols. Es soll anders kommen!

Schon bald ist die ENDURANCE vom Packeis eingeschlossen, die Vorräte gehen zur Neige, und die Forscher müssen jagen gehen. Fotograf Frank Hurley beginnt seine einzigartigen Aufnahmen zu machen, die seinen Ruhm und den Shackletons begründen werden. Schon bald muss die Besatzung das Schiff verlassen, weil es zerquetscht wird.

|“Leben auf dem Treibeis“|: Die Besatzung hat sich auf dem Treibeis ein Camp geschaffen, in dem es sich überleben lässt. Aber nicht für immer. Deshalb fällt der Beschluss, dass die Schiffbrüchigen zur Elefanteninsel aufbrechen. Auch hier gibt es ein Ausziehbild. Zieht man an der seitlichen Lasche, kann man ein Boot fahren lassen.

|“Ein verwegener Plan“|: Nach 497 Tagen im Eis erreichen die Männer erstmals wieder Land! Sie fallen auf die Knie und küssen den kalten Kies. Doch hier kann nicht das Ende der Expedition sein, oder? Neun, Shackleton und seine besten Männer wollen weiter, um ein rettendes Schiff zu Hilfe zu holen. Aber nicht irgendwo, sondern 1300 Kilometer entfernt auf Süd-Georgien. Dort gibt es die Walfängerstation Stromness. 1300 Kilometer durch die rauheste See der Welt – in einer sieben Meter langen Nussschale! Am 16. April 1916 erklärt der Leiter seinen Entschluss, wenige Tage später sticht er in See. Ein Himmelfahrtskommando?

|“Eine mutige Mission“|: Am 2. Mai 1916 erwischt eine gigantische Riesenwelle – siehe das dritte Aufstellbild – das Langboot, das um ein Haar kentert und untergeht. Wie durch ein Wunder überleben alle und können weitersegeln. 30 km vor dem Ziel gerät die „James Caird“ in einen Hurrikan, der das Boot neun Stunden lang beutelt. Mit der Landung sind 16 Tage Todeskampf zu Ende. Am 10. Mai gibt es in einer Höhle Möweneintopf.

Aber sie sind am falschen Ende von Süd-Georgien gelandet und müssen die Insel überqueren. In einem gewagt konstruierten Schlitten aus dicken Seilen (!) schlittern Shackleton, Worsley und Crean die Gletscherhänge hinunter – siehe die Karte in einer Einstecktasche. An Schlaf ist drei tage lang nicht zu denken. Am 29. Mai hören sie die Dampfpfeife eines Schiffes. Endlich in Stromness, endlich am Ziel!

Doch Shackleton, dessen Haar vor Sorge schon grau wird, sorgt sich um seine Leute auf der Elefanteninsel. Nach Verhandlungen mit der Regierung in Chile fährt er mit dem Dampfer „Yelcho“ zur Elefanteninsel, die er am 30. August 1916 erreicht. Dort haben alle 22 Mann die fünf Monate als Schiffbrüchige überlebt.

|Hinterer Innenumschlag|: Karte der Antarktis mit eingebauter Drehscheibe. Dreht man daran, werden im Ausschnitt mehrere Expeditionsangaben sichtbar, inklusive Fotos des jeweiligen Leiters. Die gegenüberliegende Seite berichtet von Entdeckungen für die Wissenschaft und vom Tod Shackletons, der bei den Vorbereitungen zu einer weiteren Expedition am 5. Januar 1922 verstarb.

_Mein Eindruck_

Die Machart dieses Buches folgt dem von Büchern über Piraten und Legenden wie Bob Dylan oder John Lennon. Es verbindet die visuelle Darstellung mit dokumentarischem Ansatz, der sich in den Faksimiles von alten Dokumenten wie etwa Broschüren oder Fotoalben zeigt. Auf diese Weise wird dem jungen Leser Historie nicht nur per Text und Bild vermittelt.

Die Präsentation der Geschichte der Antarktis-Expeditionen verläuft vom Allgemeinen zum Besonderen, das heißt von der Naturbeschreibung über die Ausrüstung und Anfänge der Erforschung bis hin zu den drei Expeditionen, auf die es ankommt: Erst Scott und Shackleton zusammen auf der „Discovery“, dann Shackleton auf der „Nimrod“, darauf 1912/13 Scott vs. Amundsen, schließlich Shackleton auf der „Endurance“.

Das Übergewicht, das auf der Darstellung Shackletons liegt, setzt sich auch in der zweiten Buchhälfte fort. Woher die Dominanz dieses Forschers rührt, wird nicht begründet. Vielleicht lag der Autorin entsprechend viel Material vor. Oder Shackleton eignet sich als Held weitaus besser als Robert Falcon Scott, der in der Antarktis ums Leben kam, weil er der Technik zu sehr vertraute.

Wie auch immer, an Dramatik ist die Expedition der „Endurance“ nicht mehr zu überbieten, und die Darstellung unternimmt alles, um dieses Drama in Szene zu setzen. (Es wurde inzwischen erfolgreich mit Kenneth Brannagh als Shackleton verfilmt.) Die Aufstellbilder verstärken für den jungen Leser noch die Dimension der Gefahren: die Riesenwelle etwa. Auch die Wunder des sechsten Kontinents werden sichtbar, so etwa ein Vulkan wie der Mt. Erebus.

Aufgrund der Dokumente, die es zu öffnen, und der Aufstellbilder, die es aufzuklappen gibt, wird der junge Leser selbst zum Entdecker. Und das ist genau die Aufgabe dieses Buches: Lernen durch Entdecken. Die Unterhaltung kommt durch das Drama und die Spannung ebenfalls nicht zu kurz.

_Die Übersetzung _

In Shackletons Todesmeldung auf der letzten Innenseite verbirgt sich der einzige Datenfehler, den ich im Buch entdecken konnte: Wenn Shackleton im September 1921 mit der QUEST aufbricht, wieso stirbt er dann im „Januar 1920“? Ist er ein Zeitreisender? Mitnichten. Es handelt sich einfach um einen doofen Tippfehler in der Bildunterschrift. Nobody’s perfect.

_Unterm Strich_

Der junge Leser, dem dieses schöne Buch geschenkt wird, kann hierin vieles entdecken und beim Entdecken zugleich lernen, wie die Bedingungen in der Antarktis sind und welche Expedition sie überwunden hat. Die Helden tragen leider nur englische Namen wie Shackleton und Scott, denn der Norweger Roald Amundsen, der den geographischen Südpol zuerst erreichte, wie nur am Rande erwähnt. Offenbar ist er kein Heldenmaterial, ebenso wenig wie Scott.

Deshalb widmet das Buch dem siegreichen Forscher Shackleton die ganze zweite Hälfte. Die Geschichte von der ums Haar scheiternden Fahrt der „Endurance“ bestens fotografiert von Frank Hurley, ist denn auch ein exemplarischer Triumph des Menschen, seiner Willenskraft und Opferbereitschaft. Wer könnte ein größerer Held sein, scheint das Buch zu fragen.

Durch Aufstellbilder, doppelseitige Gemälde und Faksimiles alter Dokumente wirkt das Buch sowohl visuell als auch haptisch. Entdeckungen lassen sich mit Laschen von Einsteckbildern machen, so etwa vom Vulkan Mt. Erebus. Allerdings bleibt die Dokumentation im historischen Bereich und geht nicht auf die Moderne ein, die ja völlig unromantisch zu sein scheint.

|Hardcover: 30 Seiten
Originaltitel: The Search for the South Pole (2009)
Aus dem Australischen Englisch von Cornelia Panzacchi
ISBN-13: 978-3-570-13811-3|
[www.randomhouse.de/cbjugendbuch]http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch

Held, Dr. Andreas – Taekwondo: Mit der fernöstlichen Kampfkunst Körper und Geist in Einklang bringen. Hyong 1 – 6

_Taekwondo – jeder wird_ den Begriff schon gehört haben. Dahinter verbirgt sich eine koreanische Kampfsportart, die aus mehreren historischen Kampfkünsten hervorgegangen ist und sich die besten Techniken und Methoden zu eigen gemacht hat. Der Name selbst ist ein zusammengesetztes Wort aus Tae, Kwon und Do, wobei „Tae“ Fuß bedeutet und für alle Fußtechniken des Kampfes steht, „Kwon“ bedeutet Hand oder Faust und steht demnach für die Handtechniken, während „Do“ als philosophischer Bestandteil Weg heißt und für den geistigen Weg der Entwicklung steht, worunter sich jeder seine Vorstellung machen kann, denn es lässt sich schwer beschreiben. Sicher ist, dass ein sogenannter „Taekwondoin“, also ein Ausübender des Sportes, lernen soll, sich seiner Kraft und Fähigkeiten höchst bewusst zu sein und mit Bescheidenheit – ähnlich der Shaolinmönche – das Leben zu meistern. Dass dieser Anspruch in den Niederungen der europäischen Kampfsportszene nachlässiger behandelt wird, ist schon aufgrund der Bezeichnung dieser Bewegungskunst als „Kampfsport“ klar.

Es gibt im Taekwondo natürlich, ähnlich wie in anderen Kampfkünsten, einen durch farbige Gürtel markierten Leistungsgrad, innerhalb dem jeder Ausübende sich weiterentwickeln kann. Die entsprechenden Leistungsprüfungen bestehen aus theoretischen Fragen durch die Prüfer, wie auch aus verschiedenen Aufgaben aus der Technik, die der Prüfling absolvieren muss. Dabei kommen immer die Konzentrations- und Bewegungsübungen in Form von systematisierten Kämpfen gegen imaginäre Gegner zum Zug, die für jeden höheren Grad eine anspruchsvollere Form bereitstellen. Hier gibt es zwei hauptsächliche Klassen: Der Hyong, der die historischen Übungen der Entwickler dieses Kampfsports exakt darstellt, sowie die Poomse, eine leicht abgewandelte Form, die teilweise etwas weniger kompliziert und damit leichter erlernbar ist. Abgenommen werden in Prüfungen beide Formen, so kommt es auf den entsprechenden Trainer an, welche bevorzugt und damit gelehrt wird.

_Dr. Held, der_ das vorliegende Buch konstruierte und verfasste, steht auch selbst Modell für die vielen und ausführlichen Fotoreihen, mit deren Hilfe er die Hyongs anschaulich lehren will. Die Bilder zeugen davon, dass er noch ein junger Mann ist, und die festgehaltenen Positionen, Stellungen und Techniken zeigen abseits von oftmals in anderer Literatur vorgefundenen stilisierten Skizzen sehr genau, wie der Kämpfer zu wirken hat.

Die Fotostrecken bilden den Hauptteil des Buches und nehmen auch den größten Teil der Seiten ein. Schritt für Schritt wird hier dargestellt, wie so ein Hyong abläuft und vor allem auch, mit welchen Kniffen und Rhythmen die richtigen Bewegungen zur richtigen Zeit zu erfolgen haben, um die Form exakt nachvollziehen zu können. Recht knappe wörtliche Anweisungen begleiten die Bilder und greifen dort ein, wo das Bild allein nicht ausreicht, um zum Beispiel die Richtung, die Drehung oder den Rhythmus darzustellen.

Aufgelockert wird die Folge der Übungen von historischen und philosophischen Texten zur Kampfsportart und den geistigen Ansprüchen der Erfinder, die sich durch ihre eigentliche Friedfertigkeit auszeichnen und damit eigentlich im Gegensatz zu der Tatsache stehen, dass Taekwondo eine Kunst des Krieges ist. Doch wie so viele gerade asiatische Kriegsphilosophen und Meister von konzentrationsstarken Kampfkünsten liegt ein Hauptaugenmerk in der mit den Übungen verbundenen Meditation und damit einhergehenden Selbstreinigung, wie man es umschreiben könnte. Die vielzitierte Explosion im plötzlichen Kampf und die Perfektion der Kampfkunst sind nur Ausdruck und Kanalisierung dieser Meditation.

_Insgesamt lässt sich_ sagen, dass das Buch natürlich nicht dazu dienen kann, einem Laien und Nichtsportler das Taekwondo und die prüfungsrelevanten Hyongs beizubringen. Held richtet sich an Ausübende des Sportes, die regelmäßig trainieren und für ihr eigenes Training oder die Prüfungsvorbereitung eine Hilfe oder ein Nachschlagewerk benötigen. Was das Buch trotzdem für Laien interessant macht, sind vor allem die eingeschobenen Textpassagen, die auf ihre Art eindringlich und nachdenklich sind und vielleicht das Interesse an dem Sport wecken, auf jeden Fall aber interessante Rückblicke auf die Geschichte dieser Kunst gestatten.

|Broschiert: 128 Seiten
ISBN-13: 978-3708804859|

Stephen Hawking / Leonard Mlodinow – Der große Entwurf

Eine neue Erklärung des Universums versuchen die Autoren und Wissenschaftler Stephen Hawking und Leonard Mlodinow in ihrem neuen Buch zu geben. Warum gibt es etwas und nicht einfach nichts? Warum existieren wir? Warum dieses besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes? Ohne Formelsammlungen und massivem Fachchinesisch erklären die beiden ihre Sicht der Welt in mikro- und makrokosmologischer Betrachtungsweise und richten sich dabei an den interessierten Laien, der nur geringe Vorkenntnisse und ein offenes Wesen braucht, um den Autoren folgen zu können.

Wer zwar interessiert genug ist, sich das Buch zu kaufen, aber mit dem Namen Leonard Mlodinow nichts anfangen kann, dem sei gesagt, dass auch Mlodinov Wissenschaftler im Bereich der Quantenmechanik ist und derzeit am California Institute of Technology als Gastdozent tätig. Einige Drehbücher für „Star Trek: The Next Generation“ hat er übrigens auch verfasst. Er war Hawkings Co-Autor bei „Die kürzeste Geschichte der Zeit“.

Relativ am Anfang des Buches stellen die Autoren fest, dass die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und einfach allem nicht „42“ ist, was den Laien nicht verwundern dürfte, aber Douglas-Adams-Fans ein Lächeln auf das Gesicht zaubert.

Nicht verwunderlich ist es auch, dass die Kirche pauschal schon im Vorfeld der Veröffentlichung ihrer Bestürzung darüber Ausdruck verliehen hat, dass Hawking und Mlodinow in ihren Theorien behaupten, dass es nicht zwangsläufig eines Gottes bedarf, um ein Universum zu erschaffen. Wobei die beiden nicht behaupten, es gebe keinen Gott, lediglich, dass man niemanden brauche, der den ersten Dominostein anschubst, damit der Rest an seinen Platz fällt.

Der Aufbau des Buches ist so gewählt, dass der Leser nicht direkt mit den neuesten Erkenntnissen torpediert, sondern langsam an die Materie herangeführt wird. So beschreiben die Autoren auch eine Geschichte der Physik und deren Gesetze und vor allem deren Gesetzgeber, die sich im Laufe der Jahrhunderte, gar Jahrtausende die Klinken und Theorien in die Hand gegeben haben – vom Glauben der Urvölker in Afrika über Newton und Einstein bis hin zur M-Theorie. Letztere sei der beste Kandidat, um tatsächlich eine einzige Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und einfach allem zu geben. Leider kann auch die M-Theorie derzeit noch nicht vollständig bewiesen werden und deshalb kommt das Wort „Theorie“ im Buch ebenso häufig vor wie das Wort „Gesetz“.

Unterstützt durch viele anschauliche Bilder und einige lustig gezeichnete Cartoons erklären Hawking und Mlodinow, dass die newtonschen Gesetze nicht unfehlbar sind, sich nicht zwangsläufig alles mit einem Gott im Hintergrund abspielen muss und dass die Naturgesetze immer weniger Gültigkeit haben, je kleiner die betrachteten Dinge werden. Auf Quantenebene verhält sich vieles nicht so, wie anfangs erwartet, und so mussten Quantenversionen der Naturgesetze gebildet werden. Diese beiden sich teilweise unterscheidenden und widersprechenden Gesetze doch unter einen Hut zu bringen, daran versucht sich die oben genannte M-Theorie.

Und so bekommt der Leser einen umfassenden Überblick darüber, wie früher und heute über die Entstehung des Universums gedacht wurde und wird, dass es jede Menge Paralleluniversen gibt und dass „Außerirdische, deren stammesgeschichtliche Entwicklung sich unter dem Einfluss von Röntgenstrahlen vollzog, gute Berufsaussichten beim Sicherheitsdienst von Flughäfen haben“ (S. 91).

Außerdem kommen gegen Ende des Buches dann die Steine des kirchlichen Anstoßes, dass nämlich die Multiversumstheorie zur Erklärung der Entstehung des Universums mit Darwins Evolutionstheorie verglichen werden kann, denn beide kommen ohne einen „gütigen Schöpfer“ aus.

Und irgendwo gibt es auch ein Universum, in dem die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und einfach allem tatsächlich „42“ ist! Nur halt nicht in unserem. Das allerdings behauptet der Rezensent, nicht die Autoren.

Wer ist die Zielgruppe?

Wie anfangs schon erwähnt, richtet sich das Buch an interessierte Laien, die sich offen und unvoreingenommen anhören möchten, was Stephen Hawking und Leonard Mlodinow zu sagen haben. Sprachlich nicht abgehoben und vieles mit Beispielen in Wort und Bild erklärend, ist es nicht schwer, den Ausführungen zu folgen.

Ob der Leser nach der Lektüre für sich auch ausschließt, dass es zwangsläufig einen Gott geben muss, bleibt jedem selbst überlassen.

Mein Fazit:

Mir hat es Spaß gemacht, auf so lockere Art und Weise Wissen vermittelt zu bekommen. Die Sprache ist sympathisch leicht und nicht oberlehrerhaft. Hier und da lockert ein Scherz den Text im richtigen Maß auf, so dass sich das Buch nicht wie eine Lehrstunde an der Universität liest, bei der der Leser mit Fakten druckbetankt wird.

Mir wurde im Buch sogar eine Frage beantwortet, die ich schon lange hatte: Was war eigentlich vor dem Urknall? Falls auch Sie sich das schon einmal gefragt haben, die Antwort steht in „Der große Entwurf“.

Gebunden: 192 Seiten
Originaltitel: The Grand Design
Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober
ISBN-13: 978-3-498-02991-3
www.rowohlt.de
www.hawking.org.uk

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Wegner, Gerhard / Hartman, André / Arnorld, Peter – 12 Monate unter Weißen Haien

_Inhalt:_

Im Juli 2005 reifte in den Köpfen von Gerard Wegner und André Hartman von Sharkproject e. V. eine wahnwitzige Idee: Ein Mini-U-Boot, mit dem man Weiße Haie hautnah erforschen und ihnen sogar begrenzt folgen kann. Mit diesem Projekt beabsichtigen die Haischützer direkt in den Lebensraum dieses gewaltigen Räubers der Meere vorzudringen. Doch vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt und so muss erst ein versierter U-Boot-Ingenieur gefunden werden. Peter Arnold ist von der Idee begeistert, nicht ahnend, wie viel Stress auf die Männer in den kommenden Monaten noch zukommen würde. Von Konstruktionsproblemen, über unbeugsame südafrikanische und deutsche Bürokratie bis hin zu den Tücken der Natur reicht die Palette der Hürden und Herausforderungen, denen sich das Team von Sharkproject stellen muss – doch die Mühe hat sich gelohnt und die Ergebnisse und Erfahrungen der vergangenen Monate und Jahre sind unbezahlbar …

_Meinung:_

Die Bücher, die von der gemeinnützigen Organisation Sharkproject e. V. im Kosmos-Verlag veröffentlicht werden, zeichnen sich nicht nur durch enormen Wissensreichtum aus, sondern auch durch den hohen Unterhaltungswert. Der vorliegende Logbuch-Report eines der ungewöhnlichsten Projekte in der Haiforschung macht da keine Ausnahme. Sprachlich wurde das Buch sehr lebendig gestaltet und liest sich eben wie ein guter Erlebnisbericht, der vor allem dazu dienen soll, dem Leser informative Kurzweil zuteil werden zu lassen. Wer indes ein Buch über Weiße Haie erwartet könnte enttäuscht sein, denn die erhabenen Raubfisch spielen nur am Rande eine Rolle. Tatsächlich vergeht über die Hälfte des Buches, bevor das U-Boot, genannt SOVI, für seinen Bestimmungszweck zu Wasser gelassen wird. Zuvor beschäftigt sich das Logbuch mit der Idee, den Planungen, den Budgetverhandlungen und den Problemen, denen sich die Crew gegenübersieht. Nebenbei erfährt man auch sehr viel Wissenswertes über die Organisation von Sharkproject, und wer sich wundert, warum man von Dr. Erich Ritter, einem der führenden Wissenschaftler in Sachen Haie, so wenig hört, der erfährt ganz nebenbei, dass sich der Forscher wegen privater Studien aus der Organisation zurückgezogen hat. Doch auch über die Menschen hinter dem Projekt, den Autoren Gerhard Wegner, André Hartman und Peter Arnold, enthält der Text viele Informationen, häufig auch zwischen den Zeilen. Insgesamt bietet der schmucke Band einen eindrucksvollen Abriss eines bewundernswerten Forschungsabenteuers.

Das flexible Softcover beinhaltet sehr viel Bildmaterial und wurde auf hochwertigem Papier gedruckt. Die Aufmachung ist absolut professionell und langlebig.

_Fazit:_

So spannend und lebendig kann Wissenschaft sein. Das Buch ist keine Abhandlung über Weiße Haie, sondern ein flüssig geschriebenes Tagebuch über eines der ungewöhnlichsten Forschungsprojekte über Haie.

|Gebunden: 236 Seiten
Mit 161 Farbfotos und 28 Zeichnungen
ISBN-13: 9783440117347|

Diese Rezension stammt von _Florian Hilleberg_.

Jankrift, Kay Peter – Henker, Huren, Handelsherren: Alltag in einer mittelalterlichen Stadt

_Lebendige und spannende Darstellung einer versunkenen Epoche_

Der Autor lädt zu einer Begegnung mit reichen Goldschmieden, zerlumpten Bettlern, unheimlichen Scharfrichtern, „hübschen Frauen“ und vielen weiteren mittelalterlichen Zeitgenossen ein. Der Spaziergang durch den Alltag von der Zeit des Schwarzen Todes (ca. 1350) bis zum Beginn der Reformation (1517) wird spannend gezeigt vor dem Hintergrund der bestens dokumentierten Stadt Augsburg, die auf 200 Jahre Geschichte zurückblicken kann.

_Der Autor_

Kay Peter Jankrift, 1966 als Sohn eines Friseurmeisters (dem dieses Buch gewidmet ist) geboren, studierte Geschichte, Semitische Philologie und Islamwissenschaft an den Unis Münster und Tel Aviv. Als Privatdozent lehrt er Mittlelalterliche Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. (Verlagsinfo)

_Inhalt_

Der Versuch, eine ganze Epoche zum Leben zu erwecken, ist nicht einfach und erfordert zahlreiche einzelne Schritte. So wie der Künstler ein großes Gemälde von jeher in kleine Planquadrate aufteilt und anfängt, diese nacheinander auszumalen, so besteht auch dieses historisch-beschreibende Buch aus zahlreichen Kapiteln und Unterkapiteln. Sie sind einigermaßen folgerichtig angeordnet, so dass die späteren Kapitel auf dem Wissen der vorhergehenden aufbauen können. Erst im Nachhall wird aus den einzelnen Bausteinen ein Gebäude, aus den Einzelteilen ein Ganzes, aus den Planquadraten ein Gemälde.

Die behandelte Epoche sind jene rund tausend Jahre, die zwischen dem Ende Westroms um 410 und dem Beginn der Reformation um 1518 liegen. Da trifft es sich gut, dass die Stadt Augsburg, die in den meisten Kapiteln die wohl dokumentierte Hauptrolle spielt, sowohl eine römische Gründung ist (um das Jahr 15) als auch den ersten Prozess gegen Martin Luther anno 1518 sah. Dazwischen lag um 955 ein ebenso einschneidendes Ereignis: die Schlacht auf dem Lechfeld. Dabei wehrten Kaiser Otto I. und der Augsburger Bischof mit ihren Truppen die Invasion der Ungarn ab. Auf diesen Erfolg hielten sich nicht wenige Augsburger Geschlechter und Zünfte etwas zugute. Man wusste hier schon immer, aus Verdienst weiteren Verdienst zu schlagen.

Ein anderer Kaiser verlieh der Stadt 1316 spezielle Sonderrechte und unterstellte sie unmittelbar dem Reich. Als Freie Reichsstadt war sie nicht mehr dem Bischof unterstellt, was die Ratsherren weidlich auszunutzen verstanden. Erst 1368 machten ihnen die neu gegründeten Zünfte der Handwerker im Stadtrat Konkurrenz. Von hier kamen die Handelsherren der Welser, Fugger und anderer, die ganze Reiche und Kaiser finanzierten, so etwa Karl III, Maximilian, Karl IV und schließlich Karl V.

Augsburg wirkte im Schwäbischen Bund mit, wodurch es sich mit Nürnberg, Ulm und Nördlingen gegen die Fürsten verbündete. In diesen kriegerischen Auseinandersetzungen musste es wehrhaft sein und ständig aufrüsten. Dadurch herrschte erhebliche Geldnot, selbst wenn Tuch- und Gewürzhandel sowie später Buchdruck florierten. Das trug ziemlich hässliche Früchte, denn die Augsburger und andere Potentaten tilgten ihre Schulden bei den Juden, indem sie diese im Jahr 1348 einfach umbrachten. Im Jahr 1438 wiesen sie alle Juden aus der Stadt. Diesem Aspekt des Lebens in der Stadt sind mehrere Abschnitte gewidmet.

Während woanders 1348 bereits der Schwarze Tod, die aus Asien eingeschleppte Pest, wütete, kamen die Augsburger noch einmal davon, nur um 1358 umso härter davon getroffen zu werden. Einmal da, kehrte die Seuche in kurzen Abständen von acht bis zehn Jahren immer wieder, bis ins 18. Jahrhundert. Diese „Strafe des Himmels“ hinterließ bei den Bürgern tiefe Spuren. Aberglauben griff ebenso um sich wie das Verbrechen.

Einen tiefen Einblick in die Kultur und den Alltag des 15. Jahrhundert liefert die Autobiografie des Händlers Burkard Zink (1396-1474/75). Das Buch aus dem Jahr 1466 ist die erste „Selberlebensbeschreibung“ (Jean Paul) aus dem deutschen Sprachraum überhaupt, glaubt man dem Verfasser. Sie mag Lücken aufweisen und eine Menge Schreibfehler (es gab noch längst keinen DUDEN), aber der Kaufmann berichtet, wie er immer wieder Mitglieder seiner Familie an die Seuche verlor, nicht zuletzt seine geliebte Frau Elisabeth, aber auch mehrere Kinder. Die Kindersterblichkeit soll etwa 50% betragen haben.

Heimsuchungen wie Brände und Überschwemmungen taten ein Übriges, um die Bevölkerungszahl in Grenzen zu halten. Während sich in Köln, der größten Stadt, an die 40.000 Menschen auf engstem Raum drängten, dürften es in Augsburg gut über 10.000 gewesen sein. Diese Dorfgröße sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass praktisch alle (außer Kurieren zu Pferd und Schiffern auf dem Fluss) zu Fuß gehen mussten und somit alle Einrichtungen in Gehdistanz liegen mussten.

Deshalb wusste auch jeder über jeden Bescheid, und selbst Geheimbündnisse konnten nicht für immer verborgen bleiben. Viele böse Machenschaften kamen ans Licht. Sie wurden angemessen bestraft, doch es wurde keineswegs mit gleichem Maß gemessen – je höher der Stand des Delinquenten, desto glimpflicher kam er davon, meist mit einer Geldbuße. Aber es kam auch vor, dass ein besser gestellter Vergewaltiger lebendig eingemauert wurde und erstickte.

Normalerweise ist dieser Job der des Scharfrichters. Dieser vielbeschäftigte und reichlich unheimliche Bursche war nicht nur für Hinrichtungen auf der „Hauptstätte“ zuständig, sondern musste auch Folter ausüben, öffentliche Abtritte säubern und sogar bis zu einer gewissen Zeit das städtische Bordell beaufsichtigen. Es gab solche „Frauenhäuser“ bis Anfang des 16. Jahrhunderts offenbar in jeder deutschen Stadt, denn kein Bischof fand etwas dabei, dass Freier in ein öffentliches Bordell gingen – schuld war Kirchenvater Augustinus. Die Sache erledigte sich allerdings mit dem Aufkommen der Syphilis, der „Franzosenkrankheit“, die nach 1492 aus der Neuen Welt eingeschleppt wurde.

Nach und nach kristallisiert sich ein realistisches Bild von der Stellung der Frau in einer mittelalterlichen Stadt heraus. Sie war nicht zu beneiden. Liebe, wie im Fall des Burkhard Zink und seiner Elisabeth, bildete die große Ausnahme. Die Frau war mehr oder weniger das Besitztum des Mannes und dazu da, ihm Kinder zu gebären und sie aufzuziehen. Das war ja angesichts der hohen Sterblichkeitsrate auch dringend nötig: Kinder dienten als Lebens- und Rentenversicherung. Selbst Burkhard Zink, ein reicher Mann, sah es deshalb als erforderlich an, nacheinander zwei weitere Frauen zu ehelichen, nachdem seine Elisabeth gestorben war. Noch mit 58 Jahren zeugte er ein Kind und erreichte das biblische Alter von rund 80 Jahren.

_Mein Eindruck_

Aus diesen wenigen Andeutungen kann mein Leser vielleicht schon ersehen, dass Jankrift einen weiten Bogen spannt, um so viele Aspekte des mittelalterlichen Alltags wie möglich einzufangen. Er tut dies aber erfreulicherweise nicht auf eine scholarisch-trockene Weise, sondern als würde er eine selbst erlebte Geschichte wiedergeben. Nicht wenige seiner Hauptkapitel beginnen mit einem szenisch gestalteten Geschehen, als wäre er selbst dabei gewesen.

Dabei bilden die abgebildeten Kalenderszenen, von denen eine auf dem Titelbild zu sehen ist, eine ideale Ergänzung. Der Bildteil illustriert dabei exakt bestimmte Textstellen, so etwa Martin Luthers Besuch 1517/18 in Augsburg, Hinrichtungsmethoden oder prächtige Feste. Durchweg vierfarbig gedruckt, beeindrucken die Fotos mit strahlenden Farben, so etwa im Fall der Buntglasfenster im Dom.

Auch den zahlreichen Kriminalfällen versucht der Verfasser auf den Grund zu gehen. Da lassen sich jede Menge Komplotte und Intrigen spannend verfolgen, nicht wenige davon gegen Juden, die stets als Erste zu leiden hatten, wenn es ums Geld ging. Bei den Prozessen zeigte sich häufig der Kompetenzstreit zwischen Stadtrat und dem Bischof, dem ehemaligen Herren der Stadt.

Begrüßenswert fand ich auch die objektive Respektlosigkeit gegenüber den größten Söhnen der Stadt, darunter der abgebildete Jakob II Fugger (1459-1525), den Albrecht Dürer porträtierte. Die Fugger finanzierten zwar das Habsburger Reich, stifteten aber auch die erste Sozialsiedlung der Welt, die Fuggerei, die bis heute besteht und Menschen aufnimmt (für 1 Euro Jahresmiete!).

|Anhänge|

Natürlich ist ein Historiker dazu angehalten, alle seine Angaben zu belegen. Zum Glück hat sich Jankrift der Unsitte enthalten, Fußnoten anzubringen. Vielmehr sind alle entsprechenden Stellen mit einer Zahl versehen, die auf eine entsprechende Endnote verweist. Dieser Endnoten-Anhang umfasst daher nicht weniger als 28 Seiten. Darauf folgt eine Auswahlbibliografie, eine Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen in Augsburg, eine kurze Liste Augsburger Bischöfe und ein hilfreiches Ortsregister. Auf ein Stichwortverzeichnis hat der Autor merkwürdigerweise verzichtet. Es hätte geholfen, die Personen und Hauptbegriffe der Zeitgeschichte schneller zu finden.

_Unterm Strich_

Ich habe das Buch in nur zwei Tagen gelesen. Es ist ist anschaulich geschrieben, bestens belegt und wartet einer Unmenge interessanter und kurioser Informationen auf. Wer hätte gedacht, dass Homosexuelle und Selbstmörder derart unnachsichtig behandelt wurden? Gleichzeitig unterhielt die Stadt ein städtisches Bordell, um das sich der Scharfrichter zu kümmern hatte. Das Sachbuch will keine Chronik Augsburgs sein, denn dafür fehlt die strenge zeitliche Abfolge.

Dass der Autor selbst Augsburger ist oder zumindest aus dieser Gegend stammt, tut seiner Objektivität keinen Abbruch. Sein Buch ist kein Lob der Stadtväter, sondern zeigt ungeschminkt auch deren Verfehlungen auf. Und das waren nicht wenige. Vielmehr zieht der Autor einen vielfältigen Querschnitte durch die zahlreichen Aspekte und Lebensbereiche einer mittelalterlichen Stadt. Auf diese Weise fühlt man sich diesen Menschen viel stärker verbunden als durch den öden Schulunterricht, in dem nur historische Daten herunterzubeten waren.

Dadurch eignet sich das Buch ausnehmend gut für den Ansatz „lebendige Geschichte des Alltags“. Ich würde es jedem Sechzehnjährigen unbesehen in die Hand drücken. Jüngeren Schülern fehlt vielleicht das Verständnis für die zahlreichen sexuellen und kriminellen Aspekte, die hier vorurteilsfrei behandelt werden. Die ist nicht das verklärte Mittelalter der populären Fantasy und schon gar nicht das gut gefilterte Mittelalter von TV-Produktionen (auch Luther war Antisemit), sondern eine ungeschminkte Darstellung vieler unappetitlicher Details.

Dennoch beherrschen viele Phänomene des Mittelalters immer noch unser Leben und unsere Sprache. Es sind nur ein Stromausfall und eine Seuche nötig, um uns wieder ins Mittelalter zu katapultieren. Dann wären dankbar, wenn wir eine solche bürgerliche Verfassung hätten, bevor wir weiter hinab in die Barbarei sinken.

|Gebundene Ausgabe: 235 Seiten
ISBN-13: 978-3608941401|
[www.klett-cotta.de ]http://www.klett-cotta.de/

Moor, Dieter – Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht. Geschichten aus der arschlochfreien Zone

Ja, ich gestehe: Ich bin Brandenburgerin, hier geboren und aufgewachsen. Und eigentlich ist es auch ganz nett hier. Eigentlich, denn das wiedervereinigte Deutschland scheint für das märkische Land nur Spott und Kritik übrig zu haben, und so hat man uns in den vergangenen zwanzig Jahren eingeredet, in Brandenburg gäbe es nichts: keine Wirtschaft, keine Infrastruktur, keine netten Leute, weder Berge noch Meer. Kurzum – nichts, was das Land für einen Besucher auf irgendeine Weise interessant machen würde. Dass die Brandenburger selbst massenhaft die Flucht ergreifen, um in den goldenen Westen rüberzumachen, gibt dem Argument nur noch mehr Überzeugungskraft. Denn wenn es nicht mal die Ureinwohner hier aushalten, wer sollte es dann?

Offensichtlich gibt es da doch noch jemanden: Den Schweizer Fernsehmoderator Dieter Moor nämlich hat es genau in die brandenburgische Provinz verschlagen, in die sonst keiner will. Zusammen mit seiner Frau Sonja hat er sich einen Gutshof gekauft, hat in der Schweiz seine sieben Sachen (und die Pferde, Esel, Gänse, Katzen, Hunde) eingepackt und sich ins Abenteuer gestürzt. In seinem fiktionalisierten Erfahrungsbericht „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht“ hat er nun seine Erlebnisse aufgeschrieben – eine Liebeserklärung an eine vergessene Gegend und ihre Menschen.

Natürlich weiß auch Moor um die Vorurteile. Zu Beginn des Buches rekapituliert er sie noch einmal für den Leser: „Höchste Arbeitslosigkeit Deutschlands. Dumpfe Ossis. Alkoholiker und Neonazis. Die gesunde Bevölkerung flieht. Zurück bleiben die Loser, die Alten, die Gescheiterten, die Kaputten.“ Das klingt nicht so, als müsse man da unbedingt hin. Und tatsächlich, Moors Start in dem kleinen Kaff, das er Amerika nennt (und das tatsächlich Hirschfelde heißt) ist alles andere als vielversprechend. Die Straße ins Dorf ist gesperrt. Als er schließlich ankommt, sind die Vormieter noch nicht ausgezogen. Die erste Nacht im neuen Heim wird von feiernden Dorfbewohnern gestört, die unterm Schlafzimmerfenster singend vorbeiziehen. Die Gänse werden praktisch sofort vom Fuchs gefressen. Hinter den nächsten Bäumen befindet sich ein Flughafen und der Bauer von nebenan verpachtet sein Land für Techno-Partys. Das klingt, als hätte sich Amerika gegen die Zugezogenen verschworen und Familie Moor hadert mit ihrer Entscheidung. Am Ende wird jedoch trotzdem noch alles gut ausgehen – was in einem Buch über einen „Quasi-Wessi“, den es in den wilden Osten verschlagen hat nicht gerade eine Selbstverständlichkeit ist.

Sicher, Moor kann ein Dickkopf sein. So sieht er nicht wirklich ein, warum es im Dorfladen (Glückwunsch, wie viele brandenburgische Käffer haben so etwas noch?) keine Frischmilch gibt. Er bohrt und fragt, bis die blondierte Verkäuferin irgendwann nachgibt. Doch grundsätzlich ist seine Stärke (und damit die Stärke seines Buches) die Fähigkeit, sich auf Neues einzulassen und immer zu versuchen, aus den Gegebenheiten das Beste zu machen. Die preußische Geradlinigkeit hat es ihm angetan und den spröden Charme der Dorfbewohner entlarvt er als solchen, anstatt ihn als bloße Unfreundlichkeit hinzustellen. Der Brandenburger ist eben kein Südländer, er schließt nicht sofort Freundschaft. Statt dessen beobachtet er zunächst skeptisch, er fremdelt erst eine Weile bis er mit Neuem warm wird. Dieter Moor macht das nichts aus, er ist bereit zu warten und wird schließlich für seine Mühe belohnt. Er fügt sich ein ins Dorf, beweist, dass er von Landwirtschaft Ahnung hat und wird schlussendlich in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Und wenn er sich noch an seinem ersten Abend im neuen Dorf über den Lärm der Feiernden ärgerte, so endet das Buch versöhnlich. Denn nun ist er es selbst, der mit seinen neugewonnenen Freunden laut singend über den Dorfanger torkelt. Spätestens hier sollte dann auch dem letzten Leser klarwerden: Dieter Moor ist angekommen.

Moors Erfahrungsbericht ist unterhaltsam und lässt schmunzeln. Das Buch lebt vor allem von den Brandenburger Originalen, die er hier verewigt. Da wäre an vorderster Front Bauer Müsebeck zu nennen, ein Mann weniger Worte, der stattdessen anpackt und aushilft, wann immer es ihm möglich ist. Überhaupt ist Amerika ein Dorf voller tatkräftiger Menschen – ein schöner Gegensatz zu der weitverbreitenden Ansicht, der gemeine Ossi könne nur kuschen und stillhalten.

Vielleicht hilft Moors Buch, Brandenburg etwas beliebter zu machen und mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen. Für Leser aus der Mark ist die Lektüre zumindest ein erhellendes Erlebnis. Denn wie Bauer Müsebeck fragt man sich zwangsläufig: „Sie sind Österreicherin, Frau Moor, Ihr Mann Schweizer. Warum um Gottes willen verlassen Sie ihre wunderschönen Länder und kommen ausgerechnet hierher?“ Weil es eben doch schön hier ist. Und lebenswert auch. Manchmal braucht es halt den Blick eines Fremden, um einem die Augen für die Schönheit der Heimat zu öffnen. Und mal ehrlich, wer könnte sich dieser Schönheit verschließen, wenn der Rotmilan in einem azurblauen Himmel kreist, unter ihm die knallgelben, sich ewig hinziehenden Rapsfelder?

Wobei, eigentlich haben wir es insgeheim schon immer gewusst. Oder um es mit einer anderen Figur des Buches zu sagen: „Schon in Ordnung, dass de meine Heimat schön finden tust. Isse ja schließlich auch, wa?“ Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

|Taschenbuch: 304 Seiten
ISBN-13: 978-3499624759|

DiClaudio, Dennis – kleine Erotiker, Der

_Inhalt_

Halten Sie stets den Blick zu Boden gesenkt, aber nicht aus Schüchternheit, sondern wegen Ihres besonderen Faibles für Füße? Betrachten Sie Kuscheltiere nun wirklich mit ganz anderen Augen als Ihre Mitmenschen? Ist Natursekt der einzig wahre Sekt für Sie? Erwärmen sich bei Ihnen Herz und Lenden nur bei Comicfiguren? Beneiden Sie Säuglinge um ihre Art der Nahrungsaufnahme?

Oder trifft vielleicht nichts davon auf Sie zu, Sie wüssten aber gern mehr über Fetische jeglicher Couleur? Dann kann „Der kleine Erotiker“ Ihnen weiterhelfen.

Zweiundvierzig verschiedene Spielarten der speziellen Vorlieben hat Dennis DiClaudio zu einer Art humoristischen Lexikon zusammengefasst, mit praktischen Tipps, einem kleinen Einblick in die psychologischen Wurzel des jeweiligen Fetischs und einem Gutteil gutmütigen Humors.

_Kritik_

DiClaudio hegt keinen Absolutheitsanspruch – seine Auswahl an Fetischen ist nur ein Bruchteil dessen, was es da draußen so gibt. Er gibt auch nicht alle Fakten wieder. Das macht aber nichts, da sein Lexikon sowieso nicht komplett ernst gemeint ist. Die Lektüre ist ein harmloses Vergnügen, immer mal wieder unterbrochen von gelindem Entsetzen, während sich im Kopf das alte „Ärzte“-Lied abspielt: „Das sind Dinge, von denen ich gar nichts wissen will …“

Der Stil ist dem zwanglosen Inhalt angemessen: Leger, unernst, sprachlich korrekt, aber flapsig. Alles in allem handelt es sich um ein kleines Buch, über dessen Existenznotwendigkeit man sich zwar streiten könnte, das aber durchaus zwei, drei vergnügliche Stunden bereiten kann.

_Fazit_

Wollen Sie wirklich etwas über die medizinischen Grundlagen lernen, dann ist „Der kleine Erotiker“ sicherlich nicht die Quelle, die Sie suchen. Möchten Sie dagegen einen groben Überblick über die Auswüchse und Abgründe der menschlichen Lust, respektlos, ein wenig albern und durchwegs kurzweilig dargeboten? Dann sind Sie mit der Lektüre hingegen gut beraten.

|Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Originaltitel: The Deviant’s Pocket Guide to the Outlandish Sexual Desires Barely
Contained in Your Subconscious
Aus dem Amerikanischen von Anne Uhlmann
ISBN-13: 9783421044105|
[www.randomhouse.de/dva]http://www.randomhouse.de/dva/

Sontheimer, Michael – »Natürlich kann geschossen werden«

Die Rote Armee Fraktion RAF hat Deutschland mit ihrem Gebaren 23 Jahre in Atem gehalten. Bis heute sind viele Verbrechen der Gruppe nicht aufgeklärt und die Namen ehemaliger Mitglieder tauchen immer wieder in den Medien auf. Wer die wichtigsten Fakten parat haben möchte, um mitreden zu können, sollte „Natürlich kann geschossen werden“, Michael Sontheimers kurze Geschichte der RAF, lesen. Auf knapp 190 Seiten hat der „Spiegel“-Autor die Geschichte der deutschen Terroristen zusammengetragen.

Als Geburtsstunde der ersten Generation der RAF gilt die Befreiung von Andreas Baader aus dem Gefängnis. Die Beteiligten, darunter Journalistin Ulrike Meinhof, mussten hierauf in den Untergrund gehen, da sie unter anderem wegen der schweren Verletzung eines Justizbeamten gesucht wurden. Dies nahmen sie als Anlass, die Befreiung Baaders als Attacke auf den Staat zu formulieren und daraufhin weitere Aktionen dieser Art auszuführen.

Allerdings ist diese erste Generation der RAF, der vermutlich die prominentesten Namen angehören, nicht besonders erfolgreich. Bereits nach zwei Jahren waren die meisten verhaftet. Die zweite Generation der RAF, der unter anderem Christian Klar angehört, widmet sich daher vor allem der geplanten Befreiung der Gründungsmitglieder. Lange verbleibt es allerdings bei bloßen Plänen, bis schließlich die Entführung von Hanns Martin Schleyer und des Flugzeugs Landshut statt finden. Doch wirklichen Erfolg hat die zweite Generation ebenfalls nicht. Nach ihrem Zerfall begründete sich die dritte Generation, die bislang von Historikern am wenigsten verstanden wird.

„Natürlich kann geschossen werden“ ist kein historischer Schinken, aber auch keine einfache, situationsheischende Unterhaltung. Es stützt sich auf Quellen und Dokumente aus Gerichtsverhandlungen und Ähnlichem. Im Anhang befindet sich deshalb ein umfassendes Quellenverzeichnis sowie zahlreiche Fußnotenbemerkungen. Diverse Schwarzweißfotos geben den Mitgliedern der RAF und ihrer Situation ein Gesicht. Sontheimer bezieht sich darüber hinaus an einigen Stellen auch auf aktuelle Ereignisse oder Erkenntnisse. Er betrachtet die RAF manchmal aus der heutigen Perspektive und auch wenn er nur eine kurze Geschichte über die RAF schreiben will – umfassend ist das Buch trotzdem. Es gibt einen guten Überblick über die wichtigsten Ereignisse in über 20 Jahren. Obwohl chronologisch erzählt, greift der Autor an der einen oder anderen Stelle vor oder zurück, wenn es sich anbietet. Er erklärt Zusammenhänge, vor allem zwischen den einzelnen Generationen und betrachtet alles immer wieder im Kontext der damaligen Zeit. So konzentriert er sich beispielsweise nicht nur auf die Terroristen, sondern schreibt auch über die damalige Justiz, Polizei und Politik und ihren Umgang mit der RAF.

Man kann Sontheimer sicherlich vorwerfen, an der einen oder anderen Stelle oberflächlich zu bleiben. Allerdings war es eben auch nicht seine Absicht, eine umfassende Abhandlung zu schreiben. Die Zielgruppe des verständlich geschriebenen Buches sind vielmehr Leute, die sich auf auf schnellem Wege das Wichtigste über die RAF aneignen möchten, ohne dabei über komplizierte historische Fachbegriffe oder ähnliches zu stolpern. Diesen Wunsch erfüllt der Autor auf 190 Seiten. Positiv ist dabei, dass die Schilderungen so anschaulich und lebensnah sind, dass man die Ereignisse tatsächlich nicht sofort wieder vergisst. Sontheimer kaut nicht nur Fakten wieder, sondern schreibt unterhaltsam, mitreißend, dabei aber nie subjektiv. Im Gegenteil wirkt das Buch sehr neutral. Er beschönigt die Taten der RAF nicht, singt aber auch keine Loblieder auf die damalige Politik. Er kritisiert beide Lager immer wieder, aber nicht, um damit die andere Seite lobend hervorzuheben.

Der Schreibstil ist, wie bereits angeklungen, locker, eher journalistisch. Immer wieder fließen Zitate von Beteiligten ein, an der einen oder anderen Stelle liest sich das Buch wie eine gute Reportage. Doch mit solchen Stilmitteln hält sich der Autor glücklicherweise zurück. Er bleibt nüchtern, erzählt zügig und haucht den Kapiteln dabei so viel Leben ein, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte. Trotz des Themas ist das Buch nicht staubtrocken und zäh, sondern eine sehr angenehme Lektüre. Was dem Leser ein bisschen fehlt, ist eine Zeitleiste oder eine chronologische Auflistung der wichtigen im Buch erwähnten Ereignisse, um vergleichen und nachschlagen zu können.

Davon einmal abgesehen löst Michael Sontheimer sein Versprechen ein. Mit „Natürlich kann geschossen werden“ hat er eine gut zu lesende Zusammenfassung der Zeit der RAF geschrieben, die zeigt, dass Geschichte nicht langweilig sein muss.

|Gebunden: 217 Seiten
ISBN-13: 978-3421044709|
http://www.dva.de

Erne, Andrea (Autorin) / Kreimeyer- Visse, Marion (Zeichnerin) – Im Zoo (Wieso? Weshalb? Warum? – Band 45)

Bereits mehrfach hat die „Wieso? Weshalb? Warum?“-Reihe aus dem Ravensburger Verlag sich mit Tieren und spezifischen besonderen Spezies auseinandergesetzt. Der Wald wurde beleuchtet, die Meere durchflutet, Pferdekoppeln abgegrast und die Welt der Insekten erforscht. Was läge jedoch näher, als einen Tierpark, der hierzulande ja sinnbildlich für die Vielfalt der Tierwelt steht, mal genauer zu betrachten und vor allem zu erklären, wie ein zoologischer Garten überhaupt funktioniert? Mit der 45. Ausgabe der inzwischen bereits auf 50 Kapitel angewachsenen Serie, landet man nun endlich „Im Zoo“ – und entdeckt hier reihenweise Fakten, die man sicher nicht aus dem Stegreif weiß und dementsprechend auch nicht weitergeben kann.

Natürlich stehen im Vordergrund die wichtigsten und renommiertesten Gattungen, die man in den hiesigen Zoos antrifft, an erster Front selbstredend Tiere wie Elefanten, Löwen, Giraffen und Nilpferde. Doch statt die einzelnen Tiere ausführlich vorzustellen und auf ihre spezifischen Eigenheiten einzugehen, beschäftigt sich Autorin Andrea Erne zunächst mit dem funktionalen Apparat eines Zoos. Die Abläufe werden episodisch dokumentiert, der Alltag analysiert, darüber hinaus die einzelnen Gehege und ihre Besonderheiten vorgestellt und zuletzt auch allerhand Besonderheiten in Betracht gezogen. So erfährt man in einem gesonderten Abschnitt zum Beispiel, was genau geschieht, wenn ein Tier mal schwerer erkrankt, oder wie genau die Zoos überhaupt an ihre Exoten kommen. Eine noch viel wichtigere Frage wird hingegen in jenem Kapitel erklärt, welches die Notwendigkeit von Gehegen und Absperrungen aufgreift und gleichermaßen verdeutlicht, dass die einzelnen Behausungen und Käfige die Tiere nicht in dem Maße in ihrem Leben einschränken, wie es auf den ersten Blick scheint – dies aber selbstverständlich rein wissenschaftlich betrachtet und ohne jeglichen Ansatz einer Wertung.

Schließlich erhalten mehrere Obergattungen doch noch einen Streckbrief, der sich mit dem eigentlichen Lebensraum, Spezialitäten, Qualitäten und Besonderheiten einzelner Tiere auseinandersetzt. Je nach Abschnitt und zoologischer Eingruppierung erfährt man von Krokodilen, Walrössern, Schimpansen, Elefanten und Löwen, die schließlich wieder die Verbindung zum Leben im Zoo herstellen und die Arbeit von Autorin und Zeichnerin abrunden. Zur Festigung des Wissens folgt auf der letzten Seite ein kleines Quiz, welches den generell recht spielerischen Ansatz noch einmal untermauert und den Spaß am Infotainment noch einmal anheizt – so soll es sein!

Lobenswert ist in der Gesamtbetrachtung sicherlich, dass man sich wirklich in erster Linie mit dem Alltagsleben im Zoo beschäftigt und nicht in wilder Konstellation die vielen Tiere durcheinander wirft und dann auch noch versucht, deren Charakter näher zu beschreiben. Stattdessen werden die Gesetze des Tierparks erklärt und mit denen in der freien Wildbahn gegenübergestellt, ganz einfach zum Zweck, um die Notwendigkeit dieser Einrichtungen zu beschreiben und ihre Funktion nahezubringen. Dies geschieht einmal mehr mit zahlreichen Klappfenstern und weiteren interaktiven Elementen, grundsätzlich aber auch über die Illustrationen, die mit einzelnen Sprechblasen aufgewertet werden und somit auch sehr lebhaft gestaltet sind.

Gelegentlich verfolgt man hierbei auch den Ansatz eines Wimmelbuches, wenngleich die Nr. 45 aus der „Wieso? Weshalb? Warum?“-Reihe eine ganz klare Struktur vorweisen kann. Zudem muss man den Zeichnungen einen gewissen Sinn für den typischen Humor des Grundschulkindes attestieren, der immer wieder genutzt wird, um den Informationsfluss aufzulockern und das Buch auch von üblichen Lexika abzugrenzen. Somit ist die Zweckmäßigkeit der Sache auch schnell in die richtigen Bahnen gelenkt. Der spielerische Transfer von Wissen wird hier mit vielen interessanten Fakten gefüttert, die mit dem nötigen Witz übermittelt werden. Allerdings soll an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass man dieses Buch wirklich bearbeiten muss, da es einerseits viel zu entdecken gibt, andererseits aber nicht alles beim ersten Mal aufgenommen werden kann.

Kinder im Kindergartenalter sollten daher vorsichtig an die Materie herangeführt werden, da man bei der konzentrierten Masse leicht den Überblick und anschließend auch die Lust verlieren kann. Hat man sich aber erst einmal in den zoologischen Themenkreis eingearbeitet, erhält man ein weiteres, richtig starkes Kinderlexikon, das als Wissenssammlung in diesem Bereich nahezu unentbehrlich erscheint!

|Pappband: 16 Seien
Mit zahlreichen bunten zum Teil ausklappbaren und ausgestanzten Bildern.
ISBN-13: 978-3-473-32798-0|
[www.ravensburger.de]http://www.ravensburger.de

_“Wieso? Weshalb? Warum?“ bei |Buchwurm.info|:_
Band 7 : [Tiere in der Nacht 6270

_Mehr aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum?“:_

Unser Geld
Hunde, Katzen und andere Haustiere
Unser Wetter
Wir entdecken unseren Körper
Alles über Dinosaurier
Tiere in der Nacht
Ich komme in die Schule
Woher die kleinen Kinder kommen
Auf dem Bauernhof
Unser Kindergarten
Auf der Baustelle
Zu Besuch beim Kinderarzt
Alles über die Eisenbahn
Pass auf im Straßenverkehr
Wir entdecken die Ritterburg
Bei den Indianern
Unser Essen
Alles über Flugzeuge
Alles über Pferde und Ponys
Unsere Religionen
Die Uhr und die Zeit
Technik bei uns zu Hause
Wir entdecken die Zahlen
Alles über Autos
Rund um den Sport
Die Polizei
Die Feuerwehr
Die Ritterburg
Der Flughafen
Der Bauernhof
Experimentieren und Entdecken
Alles über Laster, Bagger und Traktoren
Unser Baby
die Schiffe
Die Baustelle
Der Wald
Die Eisenbahn
Die Jahreszeiten
Tiere und ihre Kinder
Wir entdecken die Buchstaben
Mein erstes Lxikon
Das bin ich & Das bist du
Mein Computer
Wir entdecken den Weltraum
Die Farben
Autos und Laster
Wie entdecken unsere Sinne
Unsere Erde
Wir entdecken die Steinzeit
Unsere Tierkinder
Rund um den Fußball
Die Müllabfuhr
Was Insekten alles können
Am Meer
Unser Garten
Im Indianerdorf
Alles über Piraten
Der Marienkäfer
Die Katze
Das Pony
Alles über die Feuerwehr
Bei den Cowboys
Was wächst da?
Mein Kindergarten
Wir entdecken Wale und Delfine
Der Schmetterling
Wir entdecken die Welt
Alles über den Zirkus
Wir entdecken den Wald
Wir entdecken die Farben
Mein erster Weltatlas
Das Schaf
Was ziehen wir an?
Die Ente
Die Dinosaurier
Alles über die Polizei
Der Pinguin
Im Zoo
Wenn es dunkel wird
Wütend, traurig, froh
Im Streichelzoo
Autos, Straßen und Verkehr
Formen und Gegensätze
Bei den Wikingern
Der Traktor
Wir entdecken die Berge
Gefährliche Tiere
Was kriecht und krabbelt da?
Bei uns zu Hause
Meine ersten Experimente zum Thema Spurensuche
Polizei
Indianer
Haustiere
Berufe
Eisenbahn
Wikinger
Das Meer
Meine ersten Experiemten mit Mineralien und Edelsteinen
Meine ersten Experimente zum Thema Essen und Trinken
Zoo
Mein großer Mal- und Rätselspaß – Fahrzeuge
Planeten, Sterne und Weltraumforscher
Sehen, Licht und Farbenspiele
Flieger, Luftschiff, Doppeldecker
Dinos, Echsen, Urzeitriesen
Schiffe, Wasser, Wellenreiter
Blüte, Grashalm, Blätterwald
Ritter, Rüstung, Burgfräulein
Hören, Schall und Ohrensausen
Zirkus, Zauber und Manege
Pferde, Ponys, Hufeklappern
Fußball, Teamgeist und Elfmeter
Detektive, Codes und Spurensuche
Ferkel, Hofhund, Bauernhof
Indianer, Häuptling, Federschmuch
Insekten, Spinnen, Krabbeltiere
Bagger, Kran und Bauarbeiter

Benecke, Mark (u.a.) – Vampire unter uns!

Mark Benecke kennen die meisten Deutschen als den Mann mit den Maden, Fliegen und sonstigen weniger kuscheligen Insekten. Als Kriminalbiologie ist es seine Spezialität, die Liegezeit von Leichen an Hand von Krabbeltieren festzustellen. Darüber hinaus ist er ebenfalls ziemlich umtriebig – mit zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern, der Mitarbeit an diversen Fernsehmagazinen, Talkshow-Auftritten und einer eigenen Sendung im Radio hat er sein faszinierendes, wenn auch fast schon skurril anmutendes Thema in die deutschen Haushalte geschmuggelt.

Schon weniger bekannt dürfte sein, dass Benecke, wenn er von der Beschäftigung mit den Toten genug hat, sich den Untoten zuwendet. Er ist nämlich Präsident der deutschen Sektion der Transylvanian Society of Dracula. Und in dieser Funktion macht auch sein Name auf dem schmalen Bändchen „Vampire unter uns!“ Sinn, das in seiner ursprünglichen Form eine Sammlung von Texten nur für die Mitglieder der Dracula-Gesellschaft war.

Dabei ist Benecke nicht der alleinige Autor, vielmehr teilt er sich die Autorenschaft mit weiteren Vampir-Afficionados, Wissenschaftlern und Künstlern und verspricht im Vorwort ein „gemischtes Sammelsurium“, das den Leser bei der Lektüre erwartet. Und tatsächlich ist „Vampire unter uns!“ nicht das ultimative Werk zum Thema Vampir (unmöglich). Es ist noch nicht mal eine abschließende Beschäftigung mit einem der vielen Teilaspekte des Vampirismus. Statt dessen geben die zehn teilweise reich bebilderten Artikel Einblicke in die Materie und machen Lust auf mehr.

„Vampire gibt es“, meinte Benecke selbstsicher in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten im Jahr 2008. Und wer nun stutzt, weil er einem hochdekorierten Wissenschaftler und Forensiker eine solch absurde Aussage nicht zugetraut hätte, der wird bei der Lektüre von „Vampire unter uns!“ schnell eines Besseren belehrt. Gleich zu Beginn präsentiert er dem verwunderten Leser einen Vampirfall aus dem Rumänien des Jahres 2003 (!), in dem die Familie eines verstorbenen Lehrers dessen Leiche heimlich exhumierte, das Herz heraus schnitt, verbrannte und dann die Asche, in Wasser aufgelöst, zu sich nahm, weil sie der festen Überzeugung war, dass ihr toter Verwandter sie nachts als Vampir heimsuche. Wer also glaubte, der Vampirglauben sei der Aufklärung zum Opfer gefallen, der wird hier überraschende Gegenbeweise finden.

Wem Rumänien zu weit weg ist, der sollte getrost weiter lesen. Denn es ist wahrscheinlich, dass der Leser selbst schonmal einem Vampir begegnet ist. Vielleicht hat er in der Straßenbahn neben ihm gesessen oder vielleicht wohnt er sogar nebenan. Tatsache ist, dass sich viel mehr Vampire in Deutschland tummeln, als man vielleicht denkt – sie sind eben wirklich unter uns. Dabei ist nicht unbedingt vom Bela-Lugosi-Vampir die Rede, der im schwarzen Cape und mit getürktem Akzent bei Tag zu Staub zerfällt. Vielleicht ist es der psychische Vampir, der seinem Opfer Lebensenergie stiehlt. Oder es ist der Sanguinarier, der seinem Partner oder seiner Partnerin bei besonderer Gelegenheit gern mal ein paar Tropfen Blut abzapft. Diese Vampyre – das „y“ ist die Unterscheidung zum fiktiven Blutsauger und bezeichnet eine Lebensart – existieren, aber sie sind nicht untot. Vampyre als eine Randerscheinung der schwarzen Subkultur zeigen eine große Bandbreite und Beneckes Artikel beschreibt anschaulich, fundiert und mit unverkennbarer Sympathie von den Vampyren und ihren Communities. Er wirbt für mehr Akzeptanz, indem er Einblicke gibt und die Andersartigkeit der Subkultur zwar benennt, andererseits aber eindringlich – und vor allem überzeugend – davor warnt, sie als Spinner abzutun. Der Beitrag einer Psychologin schlägt in dieselbe Kerbe: Wer dachte, Menschen, die sich die Zähne anspitzen und sich für Vampyre halten, haben automatisch einen Dachschaden, werden hier eines Besseren belehrt. Das Trinken von Blut lässt sich noch nicht mal als psychologische Störung einordnen, solange es in beiderseitigem Einvernehmen statt findet. Na, da ist ja alles im grünen – bzw. blutroten – Bereich!

Doch es geht nicht nur um Subkultur. Schließlich handelt es sich um eine Schriftensammlung der Society of Dracula und da macht es nur Sinn, irgendwann den Bogen vom Vampir zu Dracula zu schlagen. Natürlich muss da der Name Vlad Tepes fallen und natürlich muss es um Transsilvanien gehen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang ein im Buch abgedrucktes Interview mit Nicolae Paduraru, dem 2009 verstorbenen Gründer der Transylvanian Society of Dracula. Eigentlich war er im sozialistischen Rumänien Fremdenführer gewesen und hatte noch nie etwas von Dracula gehört. Tatsächlich wurde der vampirische Graf nämlich von englischen und amerikanischen Touristen eingeschleppt, für die sich Rumänien seit den 1960er Jahren öffnete. Paduraru, der das Potenzial erkannte, führte Dracula-Touren ein und baute schließlich sogar ein Dracula Hotel. Das Interview mit Paduraru zeigt sehr deutlich das gespaltene Verhältnis, das die Rumänen zu Dracula haben – schließlich hat der schriftstellernde Ire Bram Stoker ihnen den Vampir praktisch aufgehalst. Und nun müssen sie sehen, wie sie die Legende am besten zu Geld machen. Paduraru hat definitiv seinen Teil dazu beigetragen!

Sicher, dass der Name Mark Benecke groß auf dem Buchcover prangt, sorgt für ein größeres Leserinteresse. Und vielleicht gelingt dem schmalen Band so auch der Weg in das ein oder andere Bücherregal, wo es ansonsten nicht gelandet wäre. Zu wünschen wäre es dem Buch. Denn der Vampir ist nicht nur Trend, nicht nur Modeerscheinung. Er spricht etwas in uns an und es wird immer Menschen geben, die diesem Ruf folgen, um ihren Hals verführerisch zum Biss zu neigen. Inmitten des momentanen Vampir-Booms rund um Mitternächte, Mittagsstunden und Abendröte vermittelt „Vampire unter uns!“ eindrucksvoll die beruhigende Botschaft, dass der Vampir/Vampyr nicht ausstirbt – auch, wenn der Trend vorbei ist und für all die Edwards dieser Welt der letzte Sargdeckel gefallen ist. Zum Glück!

|Gebundene Ausgabe: 112 Seiten
ISBN-13: 978-3939459248|

Auffermann, Verena / Kübler, Gunhild / März, Ursula / Schmitter, Elke – Leidenschaften: 99 Autorinnen der Weltliteratur

_Verführung zum Weiterlesen_

Man könnte sich leicht fragen, warum in Zeiten, in denen Verlage für Nachschlagewerke wegen |Wikipedia| und Co. um ihre Existenz fürchten, eine alphabetische Zusammenstellung von 99 Autorinnen der Weltliteratur veröffentlicht wird. Doch hält man das knapp 400 Seiten fassende Buch erst einmal in der Hand, wird – angefangen beim roten Einband mit schwarz-weißem Schutzumschlag und roter Aufschrift „Leidenschaften“ – bald klar, dass das Werk deutlich über die trockenen stakkatoartigen Informationen eines Lexikons hinausgeht.

Es fällt bereits bei der gelungen Einleitung „Eine fehlt immer“ auf, dass mit den Autorinnen Auffermann, Kübler, März und Schmitter geübte Literaten oder Essayistinnen am Werk waren. Bei der überraschenden Zusammenstellung von Autorinnen unterschiedlicher Genres handelt es sich um kurzweilige Aufsätze, wie man sie auch im Feuilleton einer guten Zeitung finden könnte. Das ist nicht verwunderlich, denn die freie Autorin Elke Schmittler war Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts Chefredakteurin bei der |TAZ| und schreibt Lyrik sowie Belletristik. Ursula März‘ Feder entstammt ebenso der journalistischen Schule. Sie ist heute Mitglied von Jurys namhafter Literaturpreise und selbst eine ausgezeichnete Literaturkritikerin. Die Germanistin Günhild Kübler arbeitet als Redakteurin bei der „Schweizer Wochenzeitung“ und die Essayistin Verena Auffermann leitet die Jury der Leipziger Buchmesse. Es haben sich also vier Frauen zusammengetan, die mit beiden Beinen im literarischen Leben stehen und abseits vom Lehrwerksjargon Lust auf Literatur machen wollen.

In „Leidenschaften“ stellen sie 99 kulturgeschichtlich bedeutende Autorinnen vor, weil „deren Geschichte eine andere war und ist als die ihrer männlichen Kollegen“. Sie fassen den Werdegang jeder Einzelnen sowie besonders markante Momente in deren Biographie und Einflüsse auf deren Schaffen prägnant auf wenigen Seiten zusammen. Ungeachtet der Gattungen und jenseits aller Diskussionen um ernsthafte oder Unterhaltungsliteratur stehen Autorinnen jeglicher Nationalitäten und Genres wie J. K. Rowling, Johanna Spyri oder Hedwig Courths-Mahler gleichwertig neben Simon de Beauvour oder Margaret Atwood. Wie die Auswahl für das Buch von persönlichen Leidenschaften beeinflusst wurde, verleibt sich sicherlich auch jeder Leser die Porträts quer durch die Jahrhunderte nach dem persönlichen Interesse für die Autorinnen ein; doch wo immer man auch beginnt – schnell hat man sich festgelesen, schlägt die nächste Seite um und stößt garantiert auf interessante Entdeckungen wie z. B. Madame de Sevigne aus Frankreich oder Agota Kristof aus Ungarn.

Außerdem trifft man kürzlich veröffentlichte Bekannte wie die kanadische Alice Munro („Tricks“, |Fischer|, 2008) oder den Geheimtipp in Sachen Lyrik des 19. Jahrhunderts Emily Dickinson („Gesammelte Werke“, |Hanser|, 2006; übersetzt von Gunhild Kübler) wieder. Eine treffsichere Überschrift leitet dabei jedes Mal in die mehrseitigen Essays ein. Hintenan sind weitere biografische Angaben und Lesetipps gestellt. Dabei werden die Frauen so lebendig beschrieben, als hätten die Autorinnen diese tatsächlich gekannt. Wenn beispielsweise über die italienische Schriftstellerin Elsa Morante gesagt wird: „Sie brach fast alle Kontakte ab und erfreute sich nur noch an drei Dingen, die alle mit dem Buchstaben M beginnen: Mozart, das Meer und Mandarineneis“, vermag eine solche Beschreibung augenzwinkernd genau den Zustand einsamer Zurückgezogenheit zu treffen, der auch in weiteren biographischen Ausführungen nicht deutlicher zu Tage treten könnte. Selbst wenn man noch nie von Elsa Morante oder anderen der 99 Vertreterinnen der schreibenden Zunft gehört haben sollte, führt dieses Buch seine Leser schnell in die zeitgeschichtlichen Hintergründe sowie in die Hauptwerke und Hauptfiguren der Schriftstellerinnen ein. Ihre Darstellung mutet nicht wie die von Weltruhm erlangt habenden unerreichbaren Überfrauen, sondern wie die von guten Bekannten an und macht sowohl Lust auf deren literarisches Schaffen als auch Lust darauf, an anderer Stelle noch mehr über sie zu erfahren. So ist dieses Buch als Auftakt zu sehen: Hier darf man seelenruhig schmökern und neugierig werden.

Diese Frauen „haben uns fasziniert“, schreiben die vier Autorinnen in ihrer Einleitung; und diese Faszination überträgt sich zweifellos auf die Leser.

|638 Seiten mit Abbildungen, gebunden
ISBN-13: 978-3-570-01048-8|
http://www.randomhouse.de/cbertelsmann/

Toll, Claudia (Autorin) / Ebert, Anne (Zeichnerin) – Tiere in der Nacht (Wieso? Weshalb? Warum? – Band 7)

Die „Wieso? Weshalb? Warum?“-Reihe gehört inzwischen zu den wichtigsten Lexikonserien für das kleinere Publikum. Mittlerweile hat der Ravensburger Verlag ganze 50 Episoden zu allen erdenklichen Themen herausgegeben. Darunter vor allem Bücher in den Bereichen Abenteuer, Fahrzeuge, Tiere und die Natur. Interaktive Mittel sollen helfen, Wissen spielerisch zu vermitteln, quasi Infotainment fürs Kindergartenalter, und das motivierend und sehr liebevoll ausgestattet. Eines der besten Beispiele hierzu ist die siebte Ausgabe „Tiere in der Nacht“, die sich in erster Linie mit Wild- und Waldtieren beschäftigt und hierbei erstaunlich viel Tiefgang bietet.

Kernpunkt des Buches ist dabei das allgemeine Verhalten all derjenigen Lebewesen, die vorrangig nachtaktiv sind – und dies ist definitiv ein Themenbereich, der bei all den Exoten und den vermeintlichen Stars aus der Zoologie oftmals nur sehr schmalspurig abgedeckt wird. Also startet Autorin Claudia Toll, im Verbund mit Zeichnerin Anne Ebert, zielstrebig in die Welt, die grundsätzlich hierzulande jenseits allen Großstadtlebens vor der eigenen Haustür beginnt.

Den Anfang machen die Füchse, deren Tag/Nacht-Rhythmus hier angesprochen wird, und über die man mittels eines drehbaren Schaubilds erfahren kann, warum der Lebensalltag konträr zu dem des Menschen verläuft. Der Schwenk zu weiteren Lebewesen, die erst dann aufstehen, wenn die Zielgruppe längst im Bett liegt, folgt postwendend, gefolgt von einer Gesamtauflistung der Tiere, die eine besondere Sinnesstärke ihr Eigen nennen und dementsprechend mit dieser Qualität in der Nacht navigieren. Nachdem das Jagdverhalten, die Schutzräume der Tierkinder und die nächtliche Geräuschkulisse bearbeitet wurde, setzt das Buch im letzten Viertel noch ein paar kleine Denkspiele an, die dazu auffordern, die Tiere an ihren Spuren, bzw. bestimmte Tiere an ganz charakteristischen Wesensmerkmalen zu erkennen. Und gerade dieser Teil ist es, der die besondere Motivation liefert, die Inhalte immer und immer wieder aufmerksam zu verfolgen und schließlich auch das aufzunehmen, was vielleicht beim ersten und zweiten Durchgang noch nicht ganz so leicht zugänglich ist.

Das Interessante an diesem Buch ist sicherlich der hohe Infogehalt, der hier einmal mehr sehr praktikabel transferiert wird. Die Autorin beschränkt sich derweil auf eine übersichtliche Auswahl der Waldtiere und geht nicht zu sehr in die quantitativen Feinheiten, sondern lieber individuell etwas mehr in die Tiefe. Der Fuchs, die Fledermaus und auch die Waldohreule werden näher beleuchtet und schließlich mit anderen Tieren einer ähnlichen Spezies verglichen. Man erfährt allerhand Details über die klassischen Verhaltensweisen und lernt ganz einfach zu verstehen, warum sich die jeweiligen Gattungen in der Nacht derart verhalten, wie sie es in ihrem natürlichen Lebensraum tun. Herausgehoben werden hierbei auch die Unterschiede zum Lebensrhythmus der Menschen, die wohl im Endeffekt auch zu den wichtigsten Inhalten der Fragen gehören, die zu diesem Thema allgemein hin anfallen.

Wie gehabt greifen bei „Tiere der Nacht“ auch die vielen interaktiven Elemente, wobei es vorrangig wieder Klappfenster sind, die hier das gesteigerte Interesse wecken. Ferner hilft dies auch, Wissen zu festigen, da mit jedem Fenster auch bestimmte Fragestellungen verbunden sind, deren Lösung sich folgerichtig versteckt verbirgt. Nicht zuletzt sind es die sehr schönen, durch und durch sympathischen Zeichnungen, die den Zugang bereits auf der ersten Seite herstellen, dabei aber auch sehr realitätsnah gestaltet sind. Die Symbiose von Wort und Bild ist schlichtweg fantastisch, die Konzentration auf die wesentlichen Elemente des Hauptthemas die denkbar beste Entscheidung. Von daher gehört Band 7 zweifelsohne zu den besten Ausgaben dieser viel beachteten Serie, gleichzeitig aber auch zu den inhaltlich wie darstellerisch informativsten Werken, die der Nachwuchs im Kindergartenalter über die nachtaktiven hiesigen Lebewesen bekommen kann.

Zum Schluss muss man sogar noch konstatieren, dass die Zielgruppe mit Kindern von 4-6 Jahren noch sehr schmal eingerahmt ist. Vom Wissensgehalt sind auch Grundschulkinder angesprochen – und insgeheim auch deren Eltern, die hier auch noch die eine oder andere Information herausziehen können. Prädikat: Besonders wertvoll!

|Pappband: 18 Seien
Mit zahlreichen bunten zum Teil ausklappbaren und ausgestanzten Bildern.
ISBN-13: 978-3-473-33276-2|
[www.ravensburger.de]http://www.ravensburger.de

_“Wieso? Weshalb? Warum?“ bei |Buchwurm.info|:_
Band 45 : Im Zoo

_Mehr aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum?“:_

Unser Geld
Hunde, Katzen und andere Haustiere
Unser Wetter
Wir entdecken unseren Körper
Alles über Dinosaurier
Tiere in der Nacht
Ich komme in die Schule
Woher die kleinen Kinder kommen
Auf dem Bauernhof
Unser Kindergarten
Auf der Baustelle
Zu Besuch beim Kinderarzt
Alles über die Eisenbahn
Pass auf im Straßenverkehr
Wir entdecken die Ritterburg
Bei den Indianern
Unser Essen
Alles über Flugzeuge
Alles über Pferde und Ponys
Unsere Religionen
Die Uhr und die Zeit
Technik bei uns zu Hause
Wir entdecken die Zahlen
Alles über Autos
Rund um den Sport
Die Polizei
Die Feuerwehr
Die Ritterburg
Der Flughafen
Der Bauernhof
Experimentieren und Entdecken
Alles über Laster, Bagger und Traktoren
Unser Baby
die Schiffe
Die Baustelle
Der Wald
Die Eisenbahn
Die Jahreszeiten
Tiere und ihre Kinder
Wir entdecken die Buchstaben
Mein erstes Lxikon
Das bin ich & Das bist du
Mein Computer
Wir entdecken den Weltraum
Die Farben
Autos und Laster
Wie entdecken unsere Sinne
Unsere Erde
Wir entdecken die Steinzeit
Unsere Tierkinder
Rund um den Fußball
Die Müllabfuhr
Was Insekten alles können
Am Meer
Unser Garten
Im Indianerdorf
Alles über Piraten
Der Marienkäfer
Die Katze
Das Pony
Alles über die Feuerwehr
Bei den Cowboys
Was wächst da?
Mein Kindergarten
Wir entdecken Wale und Delfine
Der Schmetterling
Wir entdecken die Welt
Alles über den Zirkus
Wir entdecken den Wald
Wir entdecken die Farben
Mein erster Weltatlas
Das Schaf
Was ziehen wir an?
Die Ente
Die Dinosaurier
Alles über die Polizei
Der Pinguin
Im Zoo
Wenn es dunkel wird
Wütend, traurig, froh
Im Streichelzoo
Autos, Straßen und Verkehr
Formen und Gegensätze
Bei den Wikingern
Der Traktor
Wir entdecken die Berge
Gefährliche Tiere
Was kriecht und krabbelt da?
Bei uns zu Hause
Meine ersten Experimente zum Thema Spurensuche
Polizei
Indianer
Haustiere
Berufe
Eisenbahn
Wikinger
Das Meer
Meine ersten Experiemten mit Mineralien und Edelsteinen
Meine ersten Experimente zum Thema Essen und Trinken
Zoo
Mein großer Mal- und Rätselspaß – Fahrzeuge
Planeten, Sterne und Weltraumforscher
Sehen, Licht und Farbenspiele
Flieger, Luftschiff, Doppeldecker
Dinos, Echsen, Urzeitriesen
Schiffe, Wasser, Wellenreiter
Blüte, Grashalm, Blätterwald
Ritter, Rüstung, Burgfräulein
Hören, Schall und Ohrensausen
Zirkus, Zauber und Manege
Pferde, Ponys, Hufeklappern
Fußball, Teamgeist und Elfmeter
Detektive, Codes und Spurensuche
Ferkel, Hofhund, Bauernhof
Indianer, Häuptling, Federschmuch
Insekten, Spinnen, Krabbeltiere
Bagger, Kran und Bauarbeiter

Everett, Daniel – glücklichste Volk, Das

_Inhalt:_

Daniel Everett machte sich als junger Mann auf, um den Pirahã-Indianern am Amazonas den christlichen Glauben nahezubringen. Jahrzehnte später liefert er ein faszinierendes Werk ab, in dem er die fremdartige Kultur und speziell die eigentümliche Sprache der Pirahã schildert.

Die Menschen sind zäh, fit und lachen viel und gerne. Sie schlafen und essen wenig und leben fast ausschließlich für den Moment. Einen Chef, Häuptling oder König kennen sie nicht – die Gemeinschaft ist es, die zählt, und ihre Strafen sind äußerst wirksam. Die Pirahã kennen keine Zahlen, führen ein extrem umweltbezogenes Leben, kommunizieren mit Geistern und zweifeln alles an, wofür es keine lebenden Augenzeugen gibt.

Speziell letzterer Punkt macht es natürlich so gut wie unmöglich, ihnen die Geschichte des vor zweitausend Jahren geborenen Heilsbringers beizubringen: Wer denn diesen Jesus gesehen habe? Oh, was, kein Freund von dir? Danke – dann lieber nicht. Wie wenig diese ruhige, selbstgenügsame Gesellschaft und der für seine Aufgabe brennende, blutjunge Missionar am Anfang zusammen passen, kann man sich lebhaft vorstellen.

Aber langsam wächst Everetts Interesse an den Pirahã. Was ihm anfangs fragwürdig erschien, weil es seinen eigenen Konventionen widersprach, kommt ihm mit der Zeit immer vernünftiger vor. Und allmählich hinterfragt er immer mehr Dinge, die er als gegeben angenommen hatte, weil er mit ihnen aufgewachsen war, und verwirft, was ihm falsch erscheint. Im Zuge dieses „Entrümpelns“ bleibt auch sein Glaube auf der Strecke: Er soll Menschen, die glücklicher und zufriedener sind als die Bürger der modernen Gesellschaft, beibringen, dass sie verloren seien, um sie erretten zu können? Das ergibt keinen Sinn mehr: Der Bekehrer wird zum Bekehrten.

_Kritik:_

Everett zaubert faszinierende Bilder vor das Leserauge. Die Urtümlichkeit des Dschungels und die uns so schwierig erscheinende Einfachheit der Pirahã entführen in eine völlig andere Welt. Die Tatsache, dass Everett halb eine Erzählung und halb einen Forschungsbericht inklusive Fotos abliefert, vermittelt ziemlich genaue Vorstellungen.

Mit dem ehemaligen Missionar und Sprachwissenschaftler macht man die ersten Schritte auf unbekanntes Terrain, steht hilflos vor Problemen, ist geängstigt, fasziniert, abgestoßen oder angezogen. Auch das behutsam wachsende Verstehen ist nachvollziehbar dargestellt, und man folgt Everett gern auf seinen verschlungenen Pfaden in die fremde Kultur. Man darf allerdings nicht vergessen, dass Everett Wissenschaftler ist und Pirahã eine Sprache, die wenigen anderen Sprachen gleicht. Die krassen Unterschiede zu allgemein bekannten Sprachen werden zu verdeutlichen versucht, was natürlich eine Menge Raum einnimmt.

Tatsächlich ist es aber wohl fast unmöglich, so etwas wie den Knacklaut schriftlich korrekt wiederzugeben. Der dritte Teil des Buches, der sich mit der Sprache beschäftigt, wirkt nach den abenteuerlicheren ersten beiden etwas trocken, weil man längst vergessen hat, dass es sich hier ja eigentlich um ein Sachbuch handelt. Wenn man sich aber erst einmal wieder darauf eingelassen hat, ist die Andersartigkeit des Pirahã ebenso faszinierend wie die Kultur und das Leben derer, die es sprechen.

_Fazit:_

Daniel Everett hatte das Glück, Dinge zu erleben, die den eigenen Horizont sprengen. Natürlich tun sie das immer, ob man nun gerade darauf vorbereitet ist oder nicht, was sicherlich manchmal – sagen wir: anstrengend sein kann. Die Chance aber, sein ganzes Leben unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten und den eigenen Standpunkt ändern zu können, ist wahrscheinlich viel weniger Menschen gegeben als allgemein angenommen. Allein das macht schon Wert, dieses Buch zu lesen.

Dass hier außerdem Dinge aufgezeichnet werden, die die Sprachwissenschaft, wie sie bisher war, komplett in Frage stellen und allgemeingültige Theorien ins Wanken bringen, ist dann noch einmal eine ganz andere Geschichte. Alles in Allem ist „Das glücklichste Volk“ ein Gänsehautbuch, das den Blick auf die Welt zu verändern im Stande ist, ob man den geschilderten Situationen nun mit Verständnis gegenüber steht oder nicht. Everett schreibt keine Fiktion, er schreibt davon, wie es ist. Und die Exotik der Denkweise und der Prioritäten der Pirahã gehen auf jeden Fall unter die Haut. Lesen Sie es, Sie werden es nicht bereuen.

|Gebundene Ausgabe: 414 Seiten
Originaltitel: Don’t Sleep, There Are Snakes
ISBN-13: 978-3421043078
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel|
[www.randomhouse.de/dva]http://www.randomhouse.de/dva
[daneverettbooks.com]http://daneverettbooks.com

Eberle, Henrik – verlorene Symbol, Das. Der Schlüssel zu Dan Browns Bestseller

_Ein Schlüssel, aber mehr als genug Fundstücke_

Ein mystischer Tempel im Herzen Washingtons, eine geheime Kammer tief unter dem Kapitol, eine unvollendete Pyramide, ein goldener Deckstein, die Hand der Mysterien – dies sind nur einige der rätselhaften Bauten, Symbole und Herausforderungen, mit denen Dan Brown seinen Helden Robert Langdon und die Fans in [„Das verlorene Symbol“ 5946 bekannt macht. Was hat es mit ihnen auf sich? Was ist Fakt, was Fiktion?

Eberles Buch legt die Hintergründe zu Browns Roman offen und erklärt, was der Autor nur andeutet: Ist der US-Präsident wirklich ein Freimaurer und Washington die Hauptstadt des Ordens? (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Henrik Eberle, geboren 1970, ist promovierter Historiker und lehrt Zeitgeschichte an der Martin-Luther-Universität in Halle. 2005 veröffentlichte er mit Mathias Uhl „Das Buch Hitler“, 2007 und 2009 folgten mit „Briefe an Hitler“ und „War Hitler krank?“ (zusammen mit Hans-Joachim Neumann) weitere Werke zum Nationalsozialismus. Durch seine Beiträge auf [www.dan-brown.de]http://www.dan-brown.de hat Eberle sich auch bei den Fans Dan Browns einen Namen gemacht. (Verlagsinfo)

_Inhalte_

Das Buch hat vier große Kapitel, die wiederum in mehrere Unterkapitel aufgeteilt sind.

|1) Tour de force durch Washington|

Dieses Kapitel führt uns auf dem gleichen Weg durch die amerikanische Hauptstadt, dem auch der Held Robert Langdon folgt. Dadurch weckt dieser erste Teil die meisten Erinnerungen und muss die meisten Fragen beantworten, so etwa jene: „Wie konnte es Robert Langdon gelingen, in einem mit Wasser gefüllten Sarg nicht zu ertrinken, sondern zu überleben?“

Außerdem werden sehr viele nützliche Informationen zu den zahlreichen Örtlichkeiten eingestreut, die Langdon und Katherine Solomon in Washington besuchen – oder besser: durchhasten. Dabei zeigt sich, dass Dan Brown an etlichen Stellen hinzuerfunden hat, um sein spannendes Garn zu spinnen. So ist etwa die Spitze des Washington Monuments, also des größten Obelisken der Welt, nicht aus Gold, wie er uns weismachen will, sondern schon immer aus Aluminium gewesen – es ist einfach viel haltbarer.

|Geometrie|

Dieser wichtigste Teil ist durch zahlreiche Illustrationen anschaulich gemacht. Und zu diesen gehört unbedingt auch die alte Stadtkarte aus dem Jahr 1845. Sie zeigt, wie geometrisch die Straßen angelegt wurden – und dass sich hinter dieser Geometrie freimaurerische Symbolik verbirgt, so etwa ein Pentagramm, ein rechter Winkel (= Winkelmaß) und ein spitzer Winkel (= Zirkel). Das Pentagramm wurde als satanistisches Symbol kritisiert, doch diese Kritik beruhe auf Unwissenheit. Der Autor belehrt uns eines Besseren.

Das vierte Unterkapitel erklärt, warum und wozu es überhaupt verborgene Symbole gibt. Na, weil die meisten Erkenntnisse den Machthabern und ihren Unterstützern nicht in den Kram passten. Deshalb wurden nicht nur Symbole, sondern auch Codes entwickelt.

|2) „Sagt es niemand, nur den Weisen“ (Goethe) – Die helle Seite|

In diesem rund 80 Seiten langen Kapitel stellt uns der Autor kenntnisreich, umfassend und kritisch die Freimaurerei sowie ihre angeblichen Ursprünge bei den Bauhütten (= Logen) und den (erfundenen) Rosenkreutzern vor. Die Kenntnis dieses Kapitel ist die Voraussetzung für das Verstehen der nachfolgenden Kapitel, obwohl dieser Teil relativ wenig mit dem Roman zu tun hat: Es ist die geschichtliche Kulisse, vor der sich die Gegenwart abspielt.

~ Der erste Tempel ~

Allerdings wundert sich der Roman-Leser vielleicht, warum in Washington so viele Tempel und Säulen rumstehen. Sie sind alle Echos der Symbolik, die die Freimaurer—Erbauer der Hauptstadt Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts benutzten: Die Tempel gehen alle auf den ersten Tempel in Jerusalem zurück, den König Salomo ca. 988 v. Chr. errichten ließ – natürlich von einem weisen Baumeister, einem gewissen Hiram Abif. Doch dieser erste Wissende der Logen, der König Salomo in nichts nachstand (höchstens in puncto Weisheit), fiel den Dolchen seiner drei Gesellen zum Opfer, die alle das Meisterwort begehrten, um seine Macht zu erlangen. Das war der erste Sündenfall der Freimaurer, und ein zweiter um 1822 hätte fast zu ihrer Vernichtung in den USA geführt.

~ Die Hierarchie ~

Wie auch immer: Alle geheiligten Räume der Bruderschaft sind Nachbildungen jenes ersten Tempels Salomos. Es gibt im Innern immer drei Säulen, die Weisheit, Schönheit und Stärke symbolisieren. Der Meister vom Stuhl sitzt unter der Säule der Weisheit. Hier finden die Rituale statt, die nach dem Schottischen Ritus 33 Grade voneinander scheiden. Theoretisch sind alle 200 Millionen Brüder und Schwestern (es gibt über zwei Millionen weibliche Mitglieder in der „Eastern Star“-Loge) gleichwertig und die Grade besagen lediglich, welchen Grad der Weisheit und Erkenntnis ein Mitglied erlangt hat. Doch der amerikanische Großmeister Albert Pike füllte diese Hierarchie der 33 Grade mit Machtzuwachs. Natürlich war er der Mächtigste. Dabei wurde er als armer Schlucker irgendwo in Arkansas geboren.

~ Das Ritual ~

In einem relativ interessanten Abschnitt erfahren wir von einem dieser Aufnahme- und Prüfrituale. Diese Informationen wurden erst 2008 publik, und zwar durch einen Ungarn. Die Symbolik beim Ritual ist durchdringend und für Leute ohne Interesse einfach zu viel des Guten. Immerhin gibt es noch eine Übersicht, welche der amerikanischen Präsidenten den Freimaurern angehörten und angehören. Darunter befinden sich zwei Bushs und auch Barack Obama. Interessanterweise erreichten Nicht-Freimaurer wie Nixon manchmal mehr als Ordensmitglieder.

~ Hass auf die Freimaurer ~

Das letzte Unterkapitel befasst sich mit dem Hass auf die Freimaurer, die vor allem in Deutschland nachhaltig verfolgt wurden, und bildet so einen Übergang zum dritten Kapitel, das sich mit der dunklen Seite dieser Glaubensgemeinschaft befasst – und mit dem Treiben des Schurken.

|3) „Unser Missverständnis beruht auf Worten.“ (Montaigne) – Die dunkle Seite|

Achtung, Spoiler!

Zachary Solomon hat sich mehrmals in seinem Leben verwandelt, vom Sohn Peter Solomons zu einem Junkie, zu einem Häftling, einem Lebemann und zu einem vom Hass auf den Vater und dessen Orden getriebenen Mörder (es gibt fünf Opfer im Roman). Ziel seiner Zerstörungswut ist die gesamte Bruderschaft der Freimaurer. Die allerletzte Verwandlung, die Zachary alias Christopher Abbadon anstrebt, ist die in einen Dämon. Dessen Namen hat er sich bereits gegeben: Mal’akh bedeutet nichts anderes als „Moloch“, der verschlingenden Gott der alten Karthager. (Man lese dazu auch Flauberts Roman „Salammbô“.)

Wie jeder Leser weiß, hat sich Zachary von Kopf bis Fuß tätowiert, und zwar mit Symbolen der Mystik. Diese erklärt der Autor ausgiebig, ebenso wie die weiteren Hilfsmittel des Mörders, so etwa das Akedah-Messer und das Abramelin-Öl. Außerdem widmet er einen ausführlichen Exkurs dem Thema der Kastration und deren Bedeutung innerhalb der Geistes- und Religionsgeschichte.

Weil sich Zachary auf den Scharlatan Aleister Crowley bezieht, folgen mehrere Exkurse über Crowley und seine Vorgänger, die Scharlatane St. German und Cagliostro. Der Missbrauch von Logen ist wahrscheinlich so alt wie sie selbst, doch im 19. und 20. Jahrhundert hat es gerade in Italien (sicher auch in den USA) berühmte Logen wie die P2 gegeben, die sich auf einen Staatsstreich vorbereiteten. Auf ihrer Mitgliederliste finden sich illustre Namen, darunter ein gewisser Silvio Berlusconi. Bemerkenswerterweise wurden diese rechtsgerichteten Verschwörer nie des Hochverrats angeklagt oder gar verurteilt. Ihr Kopf Licio Gelli arbeitet heute (friedlich?) als Schriftsteller.

|4) „Ordo ab chao“ (Albert Pike): [Über Noetik, Kabbala und die Weltformel]|

Die von Katherine Solomon vorgestellte Noetische Wissenschaft bzw. Noetik soll Wissenschaft und Glauben vereinen, denn wie sonst könnte man den Befund, dass die Seele eine Masse hat, erklären? „Seele“ ist kein naturwissenschaftlicher, sondern ein theologischer Begriff. Der Autor zeigt anhand von Berechnungen und des Schicksals der real existierenden Noetik, dass dies ein Traum ist und vielleicht bleiben wird.

Schon Albert Einstein und die String-Theoretiker suchten die Weltformel, die „die Welt im Innersten zusammenhält“ (Goethe, „Faust“) und erklärt: die „Grand Unified Theory“ oder GUT. Die Theorie der Superstrings ist dabei noch am weitesten gekommen. Verblüffend ist es zu erfahren, dass man schon Mitte des 17. Jahrhunderts an diesen Punkt gelangt war, und zwar bei Robert Fludd.

Im nächsten Unterkapitel ist jedoch Sitzfleisch gefragt: Hier erläutert der Autor die jüdische Mystiklehre „Kabbala“ (= Überlieferung) und die ihr zugrunde liegende Literatur um das Buch „Zohar“ (= „Glanz“), das wohl ein spanischer Jude im 13. Jahrhundert schrieb und für das Werk eines bekannten Rabbi aus dem 3. Jahrhundert ausgab. So fand der Zohar rasch europaweit Verbreitung unter den verstreuten Juden.

Wenn man bedenkt, dass auch |Madonna| alias Madonna Louise Veronica Ciccone in Sachen Kabbala bewandert ist, wird das Interesse an diesem mystischen Glaubenssystem vielleicht doch geweckt. Allerdings befürchtet der Autor, dass sie und ihresgleichen eher einer Popversion der Kabbala aufgesessen sind: Jeder kann sich zum Kabbala-Guru ernennen und seinen Tempel öffnen, um Eintritt zu kassieren. Wertvoller ist da schon der Hinweis, dass auch ein Renegat wie [Hans Küng]http://de.wikipedia.org/wiki/Hans__K%C3%BCng die neuen Zehn Gebote für ein Welt-Ethos sucht, das alle Religionen unterschreiben können.

|5) Anhänge|

In den Anhänge finden sich ebenso nützliche wie notwendige Angaben. Notwendig sind für ein glaubwürdiges Sachbuch beispielsweise die Quellenangaben. Sie wurden mit Infos über die benutzten Lexika samt Literaturempfehlungen, einem Personenregister und einem Abbildungsnachweis ergänzt. Ein allgemeines Stichwortregister fehlt, aber das macht nichts – anhand des Inhaltsverzeichnisses und des Personenregisters fällt es leicht, die entsprechenden Textstellen zu finden.

_Mein Eindruck_

Der Autor beschränkt sich lobenswerterweise auf jene Bereiche, in denen er sich auskennt oder wo er sich auf halbwegs verlässliche Quellen stützen kann. Es fällt einem Wissenschaftler wie mir aber schon unangenehm auf, wie stark sich Eberle auf die Angaben in der |Wikipedia|, noch dazu in der Übersetzung, verlässt. Da ich weiß, wie stark die Einträge doch eingefärbt (und woanders abgeschrieben) sein können, wäre das für mich keine zuverlässige Informationsquelle. Eberle kritisiert zwar ab und zu tendenziöse Artikel des Online-Lexikons, aber er erwähnt kein einziges Mal die „Encyclopedia Britannica“, die ja bestens recherchiert ist.

|Bitte keine Literaturkritik!|

Eberle versteigt sich wenigstens nicht dazu, die literarischen Qualitäten des Romans zu beurteilen. Das wäre die Aufgabe eines Literaturwissenschaftlers oder Kritikers – und Letztere haben ja bereits ein vernichtendes Urteil gefällt. Da ist es schon besser, sich auf die sachlichen Aussagen des Autors zu konzentrieren. Wie man an den 300 Seiten (bei |Amazon.de| werden derzeit nur 240 angegeben) des Buches ablesen kann, führt auch diese Beschäftigung zu einem reichlichen Ergebnis.

|Spannend – oder nicht|

Spannend sind die Befunde immer dort, wenn sie sich mit Phänomenen des Romans, der als bekannt vorausgesetzt wird, beschäftigen. Das ist besonders im ersten Kapitel von 80 Seiten und im dritten Kapitel der Fall, wo die Details des Schurken (ca. 30 Seiten) und der Noetik (weitere zehn Seiten) vorgestellt werden. Doch was ist mit dem riesigen Rest, der den Großteil des Buches ausmacht?

Manchmal kämpft sich der Autor durch seitenlange Erläuterungen zu den obskuren Aspekten der Kabbala-Mystik oder er versucht, uns das Wesen, die Geschichte und die Fehlentwicklungen in der Freimaurerei nahezubringen. Das erfordert eine gewisse Vorbildung über die Kultur- und Geistesgeschichte, aber auch eine Menge Geduld und die Bereitschaft mitzudenken. Nicht immer lockert eine Grafik die Textwüste auf.

Ich ertappte mich dabei, des Öfteren zu den Anmerkungen zu blättern, von welchen es immerhin 335 Stück gibt, und dort nach Zusatzinfos zu suchen. Weil aber viele dieser Endnoten auf Online-Quellen verweisen, ist es für den Leser, der sich dieses Wissen ebenfalls aneignen möchte, ratsam, einen Rechner neben dem Buch stehen zu haben. Man könnte von einem multimedialen oder Cross-Media-Buch sprechen, wenn der Begriff nicht so abgedroschen wäre.

|Fehler und Zweifelsfälle im Text|

Der Text des Autors ist über weite Strecken fehlerfrei, und wenn Fehler auftauchen, sind sie minimale Vertipper oder Buchstabendrehen. Es gibt aber zwei Zweifelsfälle, die man so nicht unkommentiert stehen lassen kann.

Seite 41: „die Sitz des keltischen Avalon“ statt „der Sitz“
Seite 46: „Perflourcarbon“ ist ein lustiger Buchstabendreher, denn „flour“ bedeutet „Mehl“. Korrekt sollte es „Perfluorcarbon“ lauten.
Seite 68: „über die Geheimnisse und Lehrern der Freimaurer“: Statt „Lehrern“ sollte es „Lehren“ heißen.
Seite 88: „um den Selbstveredelungsprozesses zu vollenden“: Der Akkusativ braucht kein Genitiv-„es“.
Seite 105: „Goose & Giridon“ (also „Gans & Bratrost“): „giridon“ sollte wohl korrekter „gridiron“ (Bratrost) heißen.
Seite 109: „zu Geld zu machen wollte“: ein „zu“ hätte völlig gereicht.

Seite 131: „Die Zahl Pi, die das Verhältnis des Goldenen Schnitts beschreibt“, nämlich 1:1,618. Namhafte Mathematiker und Lexika sind sich jedoch einig, dass die Zahl Pi etwas völlig anderes beschreibt: das Verhältnis des Durchmessers eines Kreises zu dessen Umfang, nämlich 3,14 usw.
Seite 133: „tat nichts, um dies zu verhindert“ statt „verhindern“.

Seite 171: Mal’akh nennt sich mal „Christopher Abaddon“, mal „Abbadon“, da ist sich Eberle auf S. 170 und 171 selbst nicht so sicher. Das ist aber nicht das Problem. Vielmehr versucht er die Bedeutung des Nachnamens auf „to abandon“ zurückzuführen, also „verlassen“. Näher läge jedoch die Erklärung, dass Abaddon – nebst Satan, Luzifer, Mephistopheles, Belial und Konsorten – einer der Höllenfürsten ist, der sogenannte „Engel des Abgrunds“ (|Abaddon| kommt von hebräisch |abad| – Untergang, Abgrund über griechisch |abaton| – Grube). Es gibt sogar ein Musikstück mit Abaddons Namen im Titel: „Abaddon’s Bolero“ von Emerson, Lake & Palmer. Das hätte man doch herausfinden können, oder?

Seite 246: „HOD die Herrlichkeit steht am das Ende der linken, ‚weiblichen‘ Säule“. Das Wörtchen „das“ ist hier zu viel des Guten. (Beschrieben wird der Kabbala-Baum mit den zehn Ebenen der menschlichen Existenz, den Sefiroth.)

_Unterm Strich_

Henrik Eberles Kommentar ist ja nicht der einzige Titel, der zu Dan Browns Bestseller auf den deutschen Buchmarkt geworfen wurde. Ein Blick auf die Auswahl bei Amazon.de genügt. Aber mir scheint doch, dass Eberle zu 99,9 Prozent solide Arbeit geleistet hat, die einer genaueren Überprüfung standhält. So gibt er beispielsweise alle seine Quellen an und liefert dem Wissensdurstigen weiterführende Literatur- und Internethinweise. Ein Personenregister ermöglicht das schnelle Auffinden entsprechender historischer Figuren im Text.

Was mich störte, war das Übergewicht, das er der |Wikipedia| zukommen lässt. Sie ist zwar schnell und kostenlos erreichbar, doch ihre Artikel sollten stets |cum grano salis|, also mit Vorsicht genossen werden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viele Artikel woanders abgeschrieben wurden – so etwa bei mir. Ich habe dabei keinen einzigen Artikel für das Online-Lexikon verfasst.

Für den Laien, der gar nicht tief einsteigen, sondern nur Dan Browns Rätsel erklärt bekommen will, reichen im Grunde etwa 100 der 200 Seiten Haupttext (50 Seiten entfallen auf den Anhang, weitere mindestens 50 auf Illustrationen). Die restliche Hälfte muss der Leser aber quasi mitkaufen, um die tiefschürfenden Ausführungen über die Geschichte der Freimaurer, die „Alten Mysterien“ und die jüdische Kabbala zu erhalten.

Eberle ist kein humorvoller Märchenonkel, sondern ein ernsthafter Wissenschaftler, der sich durch Berge von obskurem und weniger obskurem Wissen gegraben hat. Er präsentiert das Ergebnis seiner Recherchen auf eine übersichtlich geordnete und in der Argumentation nachvollziehbare Weise, ohne sich in endlose Spekulationen zu verwickeln. Allen Verschwörungstheorien erteilt er eine Absage, stellt manche davon sogar bloß, indem er sie auf ihre Logik abklopft. Auch Dan Browns Geschwurbel selbst bekommt sein Fett weg, dass es dem vernunftbegabten Leser eine Freude ist.

Der Leser, der sich mit den Themen, die Brown in seinem Roman anschneidet, näher befassen will, erhält also mit Eberles Buch eine ernstzunehmende und weit führende Eintrittskarte in das weitverzweigte Reich zwischen Wissenschaft und Glauben, aber keinen Kompass. Denn ein Richtungsweiser wäre schon wieder wertend und nicht mehr wissenschaftlich neutral. Jedem, der uns Deutungen aufschwatzen will, sollte man gehörig misstrauen. Und dazu gehört Eberles Buch lobenswerterweise nicht. Die zweite Auflage sollte von den oben genannten Fehler bereinigt sein.

|301 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-2399-9|
http://www.luebbe.de
http://www.dan-brown.de

Kennedy, Ian & Jeff – Glorious Book for Heroes. Das einzig wahre Handbuch für alle kleinen und großen Helden

_Zweifelhafte Auswahl: Die Helden von Bern und andere Denkmäler_

Dieses Buch wendet sich „an alle echten Helden zwischen 8 und 88“, tönt die Verlagsinfo. Hier werde von „klugen Köpfen, Ketzern, Kämpfern, Kaisern und Kindsköpfen“ berichtet. Tatsächlich stellt das „Handbuch“ 46 Personen und vier Organisationen vor, die sich für das Gute einsetzten oder große Eroberungen und Entdeckungen machten. Die Aufmachung des Buches entspricht dem der Bücher „Dangerous Book for Boys“ und „Secret Book for Girls“.

Der Verlag empfiehlt das Buch ab 10-11 Jahren.

_Die Autoren_

Selbstbeschreibung: „Ian und Jeff Kennedy hatten schon als Kinder auf dem Schulhof die Helden gespielt und wären am liebsten Entdecker oder Astronaut geworden. Oder Indianerhäuptling oder Freiheitskämpfer. Am besten alles auf einmal. Gerne hätten sie mehr über Helden gelesen, doch ein Buch wie dieses gab es nicht. Helden sind sie nicht geworden, dafür aber Schriftsteller, die über Helden schreiben können. Und genau das haben sie getan. Ian und Jeff Kennedy hatten schon als Kinder auf dem Schulhof die Helden gespielt und wären am liebsten Entdecker oder Astronaut geworden. Oder Indianerhäuptling oder Freiheitskämpfer. Am besten alles auf einmal. Gerne hätten sie mehr über Helden gelesen, doch ein Buch wie dieses gab es nicht. Helden sind sie nicht geworden, dafür aber Schriftsteller, die über Helden schreiben können. Und genau das haben sie getan.“

_Inhalt_

Die Autoren sagen: „Wir wollen in diesem Handbuch all jene feiern, die für das Gute gekämpft haben – oder das, was sie dafür hielten -, zu neuen Horizonten aufbrachen, faszinierende Entdeckungen machten, spektakuläre Taten vollbrachten und zu Lebzeiten die Grenzen des Bekannten neu vermaßen.“ Man merkt schon, dass diese Kriterien für eine ganze Menge Leute zutreffen könnten.

|Die Entdecker|

Dass sich Christoph Columbus, Marco Polo und Robert F. Scott unter den Entdeckern befinden würden, war eigentlich zu erwarten. Blöd finde ich es aber doch, dass nicht Amundsen als erster Eroberer des Südpols aufgenommen wurde, sondern Scott, der das Wettrennen gegen ihn verlor. Scott ist durch seinen Tod eben ein tragischer Held geworden, Amundsen steht als Abräumer da.

|Die Eroberer|

Julius Caesar und Alexander den Großen unter die Helden aufzunehmen, ist schon ziemlich kühn. Was war denn ihr Verdienst? Sie eroberten große Gebiete für ihre jeweiligen Imperien, führten eigene Standards ein – sogenannte Zivilisation – und gründeten jede Menge Städte. Doch Caesar wurde bekanntlich ermordet, bevor er Imperator werden konnte, und der Imperator Alexander fiel einem Fieber zum Opfer – dumm gelaufen. Aber auch heldenhaft? Ich habe da meine Zweifel.

|Wissenschaftler und Forscher|

Madame Curie ist für mich eine echte Heldin. Als Marie Sklodowska nach Paris kam, forschte sie als eine der ersten Frauen überhaupt im Bereich der Physik und der Chemie. Zusammen mit ihrem Mann Paul Curie erforschte sie das Element Radium und postulierte eine Kraft, die sie „Radioaktivität“ nannte. Sie erhielt zweimal den Nobelpreis, einmal in der Physik, einmal in der Chemie, und befindet sich damit im extrem exklusiven Klub der Doppelpreisträger. Klar, dass ihr ihre Umwelt das Leben schwer machte. Lise Meitner, eine der Pionierinnen der Atomkraft, erging es nicht besser.

Dass Wernher von Braun ein Held sein soll, will mir nicht einleuchten. Der Ingenieur, der für die Nazis die V2-Rakete baute, trug zum Tod von vielen Menschen in den V2-Zielorten bei, besonders in London. Auch der Bau selbst kostete unzählige Sklavenleben in Mittelbau Dora. Okay, seine späteren amerikanischen Raketen brachten Menschen zum Mond und er wollte auch Männer zum Mars schicken, aber das wiegt seine Verbrechen wohl kaum auf. Kein Wunder, dass ihm Neil Armstrong als erster Mann auf dem Mond an die Seite gestellt wird, denn beide sollen angeblich den Herrschaftsbereich des Menschen erweitert haben. Ob das so eine gute Sache ist, bezweifle ich.

|Widerstandskämpfer|

Spartacus, Chief Crazy Horse, Mahatma Gandhi, Dietrich Bonhoeffer, Nelson Mandela, Die Weiße Rose und Jeanne d’Arc – sie alle waren Widerstandskämpfer, sei es gegen die Sklaverei, Landräuber, die Kolonialmacht, gegen die totalitären Unterdrücker oder gegen die Besatzer des eigenen Landes. Dies kann man voll unterschreiben. Und dies ist auch die Gruppe von „Helden“, die immer wieder ein Denkmal gesetzt bekommen sollten, sei aus Stein oder Zelluloid. Ihr Ideal ist die Freiheit.

|Glaubenskämpfer|

Jeanne d’Arc starb als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen, nicht als Widerstandskämpferin. Dennoch ist sie auch eine Glaubenskämpferin gewesen, denn sie kämpfte im Namen des katholischen Glaubens gegen die Engländer. An ihre Seite stellt das Buch Martin Luther, aus offensichtlichen Gründen, aber auch Jan Hus, ein Theologe und Reformator, den heute kaum noch jemand kennt. Ob auch Martin Luther King hierher gehört, weiß ich nicht, denn er ist auch als Freiheitskämpfer bekannt – er erhielt den Friedensnobelpreis. Ihr Ideal ist die Freiheit des Glaubens.

|Frauen|

Auch Frauen mussten gegen jede Menge Widerstände kämpfen. Hier sind Kleopatra, die auch ihr Land gegen Rom verteidigte, Katharina die Große, Mata Hari, die Spionin, die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges sowie die Suffragette Emmeline Pankhurst (1858-1928) aufgeführt. Ihnen zur Seite stehen so unterschiedliche Figuren wie Mutter Teresa, Florence Nightingale – Vorbild sämtlicher Krankenschwestern in aller Welt – und zum guten Schluss sogar die zwei Piratinnen Anne Bonny und Mary Read. Ich weiß ja nicht, was so heldenhaft am Erschießen von Matrosen und dem Raffen von Beute sein soll, aber die beiden mussten sich offensichtlich in einer rein männlichen Umgebung behaupten, was sie offenbar auch lange Zeit schafften.

|Organisationen|

Die Weiße Rose habe ich bereits bei den Widerstandskämpfern erwähnt. Die Ärzte ohne Grenzen sind als Helden für die Verpflegung und Heilung von Katastrophenopfern ebenfalls wichtig. Dass auch die Gegner der McCarthy-Verfolgung hier aufgeführt werden, verwundert ein wenig, aber sie zeichneten sich gewiss durch Zivilcourage aus, als sie gegen Senator Joe McCarthy ihre eigene Position verteidigten. Dass die deutsche Fußballnationalmannschaft von 1954 in diesem Rahmen aufgeführt würde, war zu erwarten: „Die Helden von Bern“ stehen schon längst auf dem Sockel des Heldentums.

|Kindsköpfe|

Hier ist sicherlich Karl May aufzuführen, der sich als Dieb und Hochstapler versuchte und damit im Knast landete. Als Lohnschreiber von Liebesromanen begann er mit 31, einen ehrlichen Lebensunterhalt zu verdienen. Erst mit Reiseerzählungen über Helden erlangte er weithin Erfolg. Doch die Vergangenheit holte ihn wieder ein, als er zu viel verdiente. In hohem Alter erst predigte er Frieden und Aussöhnung, in seinen Romanen und in einem denkwürdigen Vortrag 1912, den die spätere Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner hörte. Als weitere Kindsköpfe könnten sich Howard Hughes und Charles Lindbergh sowie Ian Fleming, der Erfinder des James Bond, qualifizieren.

_Mein Eindruck_

Jeder der 50 Artikel ist relativ gleich aufgebaut. Das Heldenhafte des hier Ausgezeichneten oder seiner Organisation muss sich aus seiner Biografie ergeben. In dieser zeigen sich seine entsprechenden Aktivitäten, um als Beleg zu dienen. Selbst wenn dies bedeutet, solche Verbrechen wie Diebstahl und Hochstapelei aufzuführen, wie es bei Karl May der Fall ist. Meist klappt das Prinzip jedoch, und die Artikel über Madame Curie und Emmeline Pankhurst beeindruckten mich besonders.

Zu jedem Artikel ist Begleitmaterial hinzugefügt, meist ein oder zwei Fotos, ein Literatur- oder Filmhinweis – nach dem Motto: „Wie es weiterging“. So wird die Wirkung der Heldin oder des Helden beschrieben, was wiederum als Beleg für die Bedeutung der Person oder Organisation dient.

Mit leuchtet diese Verfahrensweise der Autoren sofort ein, denn nichts ist anschaulicher als eine Lebensgeschichte, um ein Problem oder eine Heldentat zu beleuchten, sei es ein Befreiungskampf, eine Entdeckung, der Kampf um Freiheit und Frauenrechte. Und was könnte für einen jungen Leser inspirierender sein als so ein leuchtendes Vorbild, wie es ihm und ihr hier vorgestellt wird?

Womit ich ein Problem habe, ist lediglich die Auswahl der Helden. Müssen Massenmörder wie Napoleon Bonaparte, Julius Caesar, Alexander der Große und Wernher von Braun wirklich als Vorbild dienen? Ich bin damit nicht einverstanden. Na, wenigstens werden Piraten wie Francis Drake, der England vor der Spanischen Armada rettete, oder Landräuber wie Francisco Pizarro nicht mehr, wie in meiner Kindheit, als Helden hingestellt.

Es gibt sicherlich eine Menge Leute, die im erlauchten Kreis der Top Fifty fehlen, so etwa Leif Eriksson, der erste Entdecker Amerikas, oder Albert Schweitzer, immerhin ein Friedensnobelpreisträger. Der Nobelpreis ist bei erstaunlich vielen „Helden“ ein Auswahlkriterium, so etwa für Nelson Mandela und Martin Luther King, für Madame Curie und andere.

|Fehler|

Im Artikel für Abraham Lincoln, den Sklavenbefreier, ist auf Seite 41 ein Bild enthalten, das nicht Lincoln, sondern George Washington am Mount Rushmore zeigt. Peinlich.

Auf Seite 22 ist in einer Karte das westliche Mittelmeer dargestellt, um das sich Karthago und die Römer in drei Kriegen stritten. Leider haut die Legende für die Karte überhaupt nicht hin, denn die schraffiert dargestellten Gebiete sind nicht der „Machtbereich Roms“, sondern der von Karthago, und die horizontal schraffierten Gebiete sind nicht der „Machtbereich Karthagos“, sondern der von Rom. Megapeinlich.

Auf Seite 169 findet sich ein weiterer kleiner Fehler im Kasten über Mahatma Gandhis Medienwirkung. Da ist die Rede von einem Regisseur namens „Richard Atten Borough“ (Sir Richard Attenborough), immerhin ein OSCAR-Preisträger. Na ja. Solche Fehlerchen werden dann hoffentlich in der zweiten Auflage bereinigt.

_Unterm Strich_

Die Autoren schreiben, was für sie Helden sind: „Leute, die sich was trauten, was vor ihnen keiner gewagt hat, und sich für Sachen ohne Wenn und Aber einsetzten, an die sie glaubten. Und sie haben damit den Lauf der Geschichte geprägt.“ Diese Definition trifft sicher für Eroberer, Entdecker, Erforscher und jede Menge Kämpfer für Freiheit, Rechte und Wahrheit zu, aber warum wurden dann auch Ian Fleming und Karl May in diesen illustren Kreis aufgenommen? Ganz einfach: Sie schufen künstliche Helden. Winnetou und James Bond sind aus der Kulturgeschichte nicht mehr wegzudenken, und es sind wohl die Ideale, für die sie kämpften, die ihre Schöpfer als Heldengestalten qualifizieren.

Ich fand manche der 50 Artikel recht interessant und sogar faszinierend – denn informativ und anschaulich sind sie alle. Das waren die Geschichten über Marie Curie, Lise Meitner, die Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst, Karl May und Häuptling Crazy Horse (Stichwort „Schlacht am Little Bighorn“ 1876). Manche Personen wie die Spionin Mata Hari waren mir nur schemenhaft bekannt und manche wie die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges gar nicht. Hier konnte auch ich noch einiges lernen. Und wenn man jungen Menschen solche geschichtlichen und biografischen Informationen gibt, finde ich das eine gute Sache, denn es trägt zu ihrer geistigen Bildung bei.

Die Aufmachung des Buches entspricht dem der Bücher „Dangerous Book for Boys“ und „Secret Book for Girls“. Das Buch ist also sehr stabil, reich illustriert und für den Gebrauch durch Kinderhände prädestiniert. Es fehlen lediglich ein paar freie Flächen, in die junge Leser eigene Gedanken hineinschreiben könnten.

Wenn die Fehlerchen, die ich in Text, Foto und Kasten gefunden habe, in der zweiten Auflage ausgemerzt würden, so wäre das sehr begrüßenswert.

|304 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-570-13799-4|
http://www.cbj-verlag.de

Verana Auffermann, Gunhild Kübler, Ursula März, Elke Schmitter – 99 Autorinnen der Weltliteratur

Verführung zum Weiterlesen

Man könnte sich leicht fragen, warum in Zeiten, in denen Verlage für Nachschlagewerke wegen Wikipedia und Co. um ihre Existenz fürchten, eine alphabetische Zusammenstellung von 99 Autorinnen der Weltliteratur veröffentlicht wird. Doch hält man das knapp 400 Seiten fassende Buch erst einmal in der Hand, wird angefangen beim roten Einband mit schwarz-weißem Schutzumschlag und roter Aufschrift „Leidenschaften“ bald klar, dass das Werk deutlich über die trockenen stakkatoartigen Information eines Lexikons hinausgeht.

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Seidel, Wolfgang – Es geht um die Wurst. Was hinter unseren Wörtern steckt

„Es geht um die Wurst“ ist das neueste Buch von Wolfgang Seidel, in dem er wieder Worte und Redewendungen des Alltags erklärt. Schwerpunkte im vorliegenden Band sind dabei unter anderem Namen sowie Begriffe aus verschiedenen Fachsprachen und Berufsfeldern, die teilweise mit einem Bedeutungswandel in die allgemeine Sprache eingegangen sind. Ein eigenes Kapitel befasst sich sogar mit nonverbaler Kommunikation. Sprichworte jedoch sind, auch wenn der Titel anderes vermuten lässt, nicht das Thema.

Um es gleich deutlich zu sagen, „Es geht um die Wurst“ ist kein wissenschaftliches Werk. Es ist ein Sachbuch, das dem Laien in einem kurzweiligen, mitunter humorvollen Plauderton einige ausgewählte Ausdrücke unserer Sprache darlegt. Dabei nimmt sich der Verfasser die Freiheit, zwischen der Erklärung der Wortbedeutung, der Wortherkunft und der Wortgeschichte, also etwa der Motivation von Bildern oder dem Übergang in andere Sachzusammenhänge, zu wechseln.

Unter diesen Voraussetzungen hat Seidel ein informatives und gut lesbares Buch abgeliefert. Man erfährt beispielsweise, dass „Entscheidung“ ebenso wie sein lateinisches Gegenstück „decisio“ ursprünglich „Schneiden“ bedeutete und auf Tieropfer hinweist. Man erkennt, wie viele Allerweltsausdrücke aus der landwirtschaftlichen, technischen oder kaufmännischen Fachsprache stammen. Darüber hinaus weist der Autor oft darauf hin, wenn deutsche Worte Verwandte in bestimmten ausländischen Sprachen haben, ob sie indogermanischer Herkunft oder noch älteren Ursprungs sind, und referiert dabei einige Erkenntnisse, die die allgemeine Kulturgeschichte aus der Sprachgeschichte gewonnen hat. Im letzten Kapitel wird dieses Thema noch vertieft.

Hauptsächlich stöbert Seidel aber, wie gesagt, durch verschiedene Wortfelder. Dass er das Thema Namen recht kurz abhandelt, ist eine kluge Entscheidung in einer Zeit, in der Ahnenforschung Volkssport ist und Legionen von Laien Chroniken wälzen und ihre Erkenntnisse vernetzen. Die Entstehung von Ortsnamen wird knapp und systematisch vorgestellt und gehört zu den stärksten Seiten des Buches. Neben vielen aufschlussreichen Informationen muss man jedoch feststellen, dass der Autor in den Gebieten Physik und Technik nicht ganz sicher ist. So ist „Strom“ keineswegs ein Synonym für „Elektrizität“, sondern bezeichnet – ganz im Wortsinne – nur fließende Elektrizität im Unterschied zur ruhenden, wie sie etwa bei einer statischen Aufladung entsteht. Mit der Erläuterung für „Datei“ dürfte mancher Informatiker Probleme haben. Und man darf natürlich bezweifeln, ob man in der heutigen Zeit noch irgend jemandem erklären muss, was im Autoverkehr „Vollbremsung“ oder in der EDV „speichern“ bedeuten.

Was Wolfgang Seidel mit seinem Buch trotz einiger Schwächen auf jeden Fall gelingt, ist, dem Leser wieder bewusst zu machen, dass die Sprache nicht nur ein Verständigungsmittel, sondern auch ein gemeinsames kulturelles Gedächtnis ist. Eine reiche, faszinierende Welt tut sich im scheinbar Selbstverständlichen auf.

http://www.dtv.de

Schrackmann, Petra – »An Awfully Big Adventure!« – J. M. Barries Peter Pan im medialen Transfer

_Auf ins Abenteuerland!_

Man kennt ihn – den fliegenden Jungen, der niemals erwachsen werden will und stattdessen ein Abenteuer auf das andere im Nimmernimmerland erlebt. Peter Pan – sein Name ist ein Begriff: Bei bindungsunwilligen Männern spricht man von einem Peter-Pan-Syndrom. Robin Williams verkörperte Peter Pan im Spielbergfilm [„Hook“]http://www.powermetal.de/video/review-113.html (1991), der nur eine von vielen filmischen Adaptionen, Sequels oder Prequels ist. Nicht zuletzt nahm sich Disney des Stoffes an und bis 2004 entstand Regis Loisels Reihe von Peter-Pan-Comics.

Man kennt ihn also. Aber kennen wir ihn wirklich? Petra Schrackmann zeigt in ihrem Sachbuch „‚An Awfully Big Adventure!‘ – J. M. Barries Peter Pan im medialen Transfer“, wie sich die Figur des Peter Pan bereits im Werk der englischen Autors James Matthew Barries erst über mehrere Literaturgattungen zu der Figur entwickelte, als die wir sie durch den Roman „Peter and Wendy“ aus dem Jahr 1911 oder dem Theaterstück „Peter Pan or The Boy Who Would Not Grow Up“ kennen könnten. Doch gerade weil sich zeitgenössische Umsetzungen des Werkes vor allem bei populären Hollywood-Filmen oder weihnachtlichen Schulaufführungen auf nur wenige Aspekte des Werkes beziehen, wurden der Stoff und die Figur „Peter Pan“ inzwischen auf wenige Merkmale reduziert, so dass heutige Leser bei der Lektüre der Originalfassung oft erstaunt sind, um wie viel komplexer und andersartiger diese doch ist.

Nach der einleitenden Analyse von Barries „Peter Pan“-Texten und einigen theoretischen Vorbetrachtungen ist man als Leser gut gerüstet für die sieben ausgewählten Umsetzungen des literarischen Textes in anderen Medien wie Film oder Comic. Den Darstellungen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden ist leicht zu folgen, und wenn man die genannten Adaptionen wie zum Beispiel den bereits erwähnten Film „Hook“ kennt, stellt sich schnell so mancher Aha-Effekt ein. Besonders auffällig ist dabei, dass in den Umsetzungen, die nicht auf kindliche Rezipienten abzielen, das tragische Element des „ewigen Kindseins“ mit seiner Einsamkeit, der Geschichts- sowie Entwicklungslosigkeit und den Grausamkeiten der scheinbar spaßigen Kinderwelt Peter Pans hervorgehoben werden. In den vermeintlich kindgerechten Umsetzungen wird die Lebenswelt des ewigen Jungen stets als großes Abenteuer dargestellt. Doch während der Lektüre des vorliegenden Sachbuches erschließt sich bald der gut gewählte Titel, denn nicht das Sterben an sich ist „ein schrecklich großes Abenteuer“ sondern der Weg dorthin und damit das Leben. Durch ihre Untersuchung erschafft Strackmann denjenigen, die sich zum ersten Mal näher mit der „Ikone der Popkultur“ Peter Pan beschäftigen, ein sehr differenziertes und vor allem durch die unterschiedlichen Medialisierungen komplexes Bild, bei dem schnell klar wird, dass das eigene Wissen um die Deutungsmöglichkeiten, die sich hinter dieser phantastischen Kindergeschichte verbergen, bisher recht eng begrenzt war.

Literatur-, film, oder kulturwissenschaftlich interessiertes Publikum wird über die untersuchten Primärtexte hinaus von der Vielzahl der zur wissenschaftlichen Analyse in diesem ursprünglich als Abschlussarbeit an einer philosophischen Fakultät angelegten Sachbuch herangezogenen Sekundärliteratur überzeugt sein. Doch nicht zuletzt macht diese Untersuchung einem jeden Lesepublikum große Lust, Barries Original zur Hand zu nehmen oder sich die Adaptionen anzusehen. Für ganz Eilige sind im Anhang die Handlungen aller herangezogenen Umsetzungen beschrieben, so dass man auch ohne genaue Kenntnis der Romane, Realspielfilme, Animationsfilme und Comics bei der Lektüre weiß, wovon die Autorin spricht, und auf recht unterhaltsame Art einen großen Erkenntnisgewinn davonträgt.

|218 Seiten
ISBN-13: 978-3-0340-0991-1|
http://www.chronos-verlag.ch
http://www.ipk.uzh.ch/forschung/publikationen__plm.php

_Mehr Peter Pan auf |Buchwurm.info|:_

[„Peter Pan“ 5520 (Hörspiel)
[„Peter Pan und der rote Pirat“ 3301