Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

John D. MacDonald – Abschied in Dunkelblau [Travis McGee 1]

Bootseigner Travis McGee fahndet für eine betrogene Frau nach dem gestohlenen Familienerbe. Er gerät an einen mörderischen Heiratsschwindler, der es gar nicht schätzt, dass ihm jemand die Tour vermasselt, und soll auf dem Grund des Ozeans enden … – Der erste Band einer insgesamt 21-bändige Serie ist ein solide geplotteter Thriller und einem reizvoll angeknacksten Helden, der eigentlich ein Ritter und stets bereit ist, schönen Frauen zu helfen; leider neigt McGee zum Philosophieren, und was einst beinahe Literaturqualität erreichte, klingt heute platt und peinlich: ein zwiespältiges, immerhin endlich ungekürztes Vergnügen.
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Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Das Versprechen

In Las Vegas treibt wieder ein Serienkiller sein blutiges Unwesen. Das CSI-Team um Gil Grissom tappt (zu) lange im Dunkeln, weshalb sich die Leichen häufen. Schließlich taucht ein zweiter Mörder auf, der dem ersten als ‚Vorbild‘ diente, und metzelt sich empört durch die Wüstenstadt, um den frechen Nachahmer zu strafen … – Mittelmäßiger, aber routiniert geschriebener und flott zu lesender Roman zur erfolgreichen TV-Serie „CSI Las Vegas“, der den Ton der Vorlage vorzüglich trifft. Für Fans daher ein Muss, doch auch für ‚normale‘ Krimileser taugliche Lektüre. Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Das Versprechen weiterlesen

Remes, Ilkka – Ewige Nacht

Ilkka Remes ist der meistgelesene Autor in Finnland. Sein Name ist Garant für hochkarätige Spannungsliteratur von internationalem Format. Mit „Ewige Nacht“ erscheint nun erstmals ein Thriller von ihm in Deutschland.

Remes wurde 1962 im südostfinnischen Seengebiet geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in London und war in Finnland und im Ausland im Medienbereich tätig. Remes‘ erster Thriller „Pääkallokehrääja“ („Der Totenkopffalter“, 1997) wurde auf Anhieb zum Bestseller. Seiher setzen sich seine Bücher regelmäßig an die Spitzen der Verkaufslisten.

_Story_

Als Anführer der militanten Öko-Organisation G1 arbeitet der deutsche Ralf Denk, der Sohn der RAF-Agentin Renate Kohler, schon lange an einem großen Plan. Nach dem Scheitern bei einer Demonstration in Genua muss er sein geheimnisvolles Vorhaben mit seiner neuen Komplizin Noora für eine Weile aufschieben. Zwei Jahre später scheint dann der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein. Er überfällt einen Geldtransporter auf dem Weg von Finnland nach Russland und trifft sich anschließend in einem Wald hinter der Grenze mit zwei russischen Komplizen, die ihm eine Kernladung besorgt haben. Denk tötet die beiden ‚Freunde‘ noch vor Ort und macht sich mit dem Sprengkörper wieder zurück auf den Weg nach Finnland. Den Fahrer des Transports bringt er aus Sicherheitsgründen nach dem erneuten Passieren der Grenze ebenfalls um.

Als die finnische Polizei von dem brutalen Raubmord erfährt, setzt sie den beleibten Terror-Spezialisten Timo Nortamo auf die Sache an. Nortamo ist Mitglied einer europäischen Spezialeinheit, die insgeheim auch als die modernere Version von Interpol gilt. Als er sich zusammen mit seinem Sohn in die Wahlheimat Brüssel begibt, soll er auf der Fähre nach Travemünde die dort befindlichen Gangster observieren. Doch sein Sohn, der vom mysteriösen Gerede seines Vaters fasziniert ist, vermasselt die Sache, indem er zu offensichtlich in der Nähe der Globalisierungsgegner herumschnüffelt. Timo und sein Sohn Aaro werden von Denk kurzerhand außer Gefecht gesetzt, und dieser weiß nun, dass man ihm auf der Spur ist.

Denk und seinen Helfern gelingt es schließlich zu fliehen, doch schon bald wieder taucht er wieder auf: erst als Entführer der Agentin Heidi Klötz, die mit ihrem unvorsichtigen Vorgehen den Selbstmord von Ralfs Bruder Theo einleitet, und dann in den Gemächern des Papstes, den er mit einem unentdeckten Virus, einer Mutation von Ebola, infiziert, um so ein Exempel zu statuieren. Doch die Motive seines Verbrechens bleiben weiterhin unklar, und erst als Timo und die TERA mit weltweiter Unterstützung mehr über die Vergangenheit von Ralf Denk in Erfahrung bringen, wird ihnen klar, welchen Plan Denk mit der gestohlenen Atombombe umsetzen möchte. In kürzester Zeit reist Timo Nortamo um die halbe Welt bis in den Kongo, der ehemaligen belgischen Kolonie, die sich laut eines frühen Bekennerschreibens von Denk als perfekter Zündort für die Bombe eignet. Für den Sicherheitsexperten Nortamo beginnt ein schonungsloser Wettlauf gegen die Zeit, der im weiteren Verlauf noch Wahrheiten ans Tageslicht bringen soll, die Timo sich nicht einmal in seinen grausamsten Träumen hätte vorstellen können …

_Meine Meinung_

„Ewige Nacht“ beginnt wie ein ganz normaler Krimi, der sich lediglich von anderen Sparten-Romanen darin unterscheidet, dass die Ermittlungen sich auf internationales Gebiet erstrecken. Ansonsten ist alles wie gehabt: Ein Geldtransport wird ausgeraubt, die Täter flüchten und die Polizei jagt ihnen her. Da Ilkka Remes zugleich auch noch von Anfang an beide Seiten schildert und man die Verbrecher noch vor dem eigentlichen Helden kennen lernt, ist die Befürchtung, dass die Spannung hierunter leiden wird, zunächst recht groß – aber das erweist sich zum Glück als Irrtum!

Schon nach kurzer Zeit stellt sich nämlich heraus, wie komplex die Geschichte eigentlich ist bzw. was Remes alles bedacht hat, um die Handlung mit immer neuen Wendungen zu versehen und so die Spannung ins Unermessliche zu steigern. Die große Frage nach dem ‚Warum‘ steht fortan im Vordergrund, und da holt der Wirtschaftsexperte Remes auch immer weiter aus. Im Mittelpunkt steht dabei das Land Belgien und dessen militante Vergangenheit während der Kolonialzeit. Ständig blickt der Autor in die grausame Zeit von König Leopold II. zurück, der damals gegen jegliche Menschenrecht verstieß, gegen die man nur verstoßen konnte, das Land beraubte und seine Menschen versklavte. Über diese landeseigene Geschichte entwickelt sich auch schließlich immer mehr das Verständis für das Handeln der Globalisierungsgegner. Denk, selber in Afrika aufgewachsen, hat lange Jahre als Molekularbiologe gearbeitet und sich dabei vor allem mit der Wirkung verschiedener Viren auseinandergesetzt. Auch im Bereich von Bio-Waffen kennt sich der Mann bestens aus, was ihm in den Achtzigern verschiedene Verbindungen in die Sowjetunion eingebracht hat, wo man damals schon mit einzelnen Bio-Waffen experimentierte. Schließlich hat man dort eine Waffe entwickelt, mit deren Hilfe gezielt bestimmte Rassen und Arten komplett ausgelöscht werden konnten. Dieses Wissen hat sich der Mann schließlich zur Hilfe gemacht, um seinen grausamen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Nach zähem Hin und Her gehen die Ermittler daher auch davon aus, dass Denk mit der dem Papst injizierten Krankheit die gesamte kaukasische Rasse auslöschen und die Atombombe quasi als ‚Verteiler‘ nutzen möchte.

Doch wie passt dies in die Logik dieses Menschen? Warum sollte er ausgerechnet im Kongo eine Bombe zünden, die durch die nukleare Detonation wohl auch einen großen Teil der geliebten afrikanischen Bevölkerung töten würde? Dieses für die Ermittler wie Leser absonderliche Rätsel ist das Hauptmotiv des Romans und wird auch erst am Schluss gelüftet. Ebenso dauert es auch bis zum Ende, bis man die komplexen Verstrickungen der Vergangenheit der G1 durchschaut hat. Hierbei zeichnet sich Remes vor allem durch umfassendes Wissen in Bezug auf die Hintergründe der Herrschaft von König Leopold II. im Kongo aus und glänzt auch mit sehr vielen Fakten aus der Zeit des kalten Krieges bis hin zum Ende der Sowjetunion. Der Autor weiß, wovon er spricht und bindet reichlich Faktenwissen in die Story ein; lediglich die Figur des Papstes und natürlich die Akteure des Romans bleibt fiktiv, ansonsten orientiert sich Ilkka Remes an der aktuellen Politik mitsamt ihrem Kampf gegen das weltweite Terrornetzwerk.

Und was kann schon förderlicher sein als treffend angebrachtes, fundiertes Hintergrundwissen, wenn man die Intention hat, eine Story an die Realität anknüpfen und so authentisch wie möglich erscheinen zu lassen? Im Falle von „Ewige Nacht“ zeigt sich dies jedenfalls als äußerst wertvoll und kreiert aus dem ohnehin schon sehr lebendigen Werk einen mitreißenden Roman.

Andererseits hat Remes aber auch eine ganze Menge Gesellschatskritik hineingepackt. Gerade das durch die Kindermord-Skandale geplagte Belgien kommt in der Geschichte nicht sehr gut weg, denn der Autor bezieht schon sehr klar Strellung zu der menschenverachtenden Vergangenheit des Landes. Alleine deswegen weiß man im Laufe des Buches auch nie so recht, welche Position man nun einnehmen soll: Sowohl die Globalisierungsgegner um ihren Kopf Ralf Denk als auch die Ermittler der Terrororganisation kann man verstehen, wobei die Brutalität, mit der die G1 vorgeht, natürlich bei der Entscheidung zugunsten Nortamos und der TERA hilft. Aber ein nicht gerade kleines Fünkchen Wahrheit steckt schon in den Überlegungen des G1-Anführers, und darüber lohnt es sich auch über den Roman hinaus nachzudenken.

Das letzte wichtige Kriterium sind die zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Thriller. Da wäre zum einen die schüchterne Noora, die Denk blind folgt und ihm immer wieder vertraut, obwohl sie gar nicht weiß, welche Ziele er genau verfolgt. Doch sie lässt sich von dessen schicksalhafter Vergangenheit blenden und wird so leicht zum Spielball des Öko-Verfechters, der selbst vor unnötigen Mordanschlägen nicht Halt macht. Als sie ihm jedoch endlich in die Karten schaut, ist es bereits zu spät …

Auf der anderen Seite steht dann Timo Nortamo, der genau wie seine Frau ein absoluter Karrieremensch ist, dies aber bisweilen immer wieder bitter bereut. Sein Sohn kommt viel zu kurz und die Beziehung zu seiner Frau Soile leidet ebenfalls darunter, dass sich die beiden so selten sehen. Gerade als er sich vorgenommen hat, seinem Sohn in Brüssel etwas mehr Zeit zu schenken, wird er zu den Ermittlungen im Falle ‚Denk‘ abgestellt und muss feststellen, dass sich sein Beruf und seine Rolle als Vater einfach nicht vereinbaren lassen.

Tragische Helden, eine bittere Vergangenheit und eine ungewisse Zukunft – Ilkka Remes hat in seinem aktuellen Thriller eine perfekt abgestimmte, sehr wechselhafte und sich stetig wendende Geschichte erschaffen, die uns auch im Nachhinein noch zu fesseln vermag und auch einigen Grund zum Nachdenken gibt. Beim Gedanken an den letzten Satz eines jeden Kapitels bekomme ich jetzt noch immer eine Gänsehaut, und damit hat der finnische Star-Autor wohl auch sein Ziel erreicht. „Ewige Nacht“ ist einer der spannendsten Romane, die zurzeit auf dem Markt sind, und führt hoffentlich dazu, dass auch die übrigen Romane von Remes in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Mein Fazit: Unbedingt empfehlenswert!

Ian Fleming – James Bond 007: Leben und sterben lassen

Das geschieht:

Buonaparte Ignace Gallia, genannt „Mr. Big“, ist der farbige Al Capone von New York. In Afrika geboren und auf Haiti aufgewachsen, hat sich der charismatische Mann zum Herrn der Unterwelt aufgeschwungen. Handlanger findet er unter der schwarzen Bevölkerung, die er sich mit Terror und Schwarzer Magie gefügig macht. Die Behörden blieben bisher machtlos, aber jetzt mischt sich der Geheimdienst ein: Mr. Big verdingt sich als Agent der Sowjetunion und lässt seine Organisation für die roten Feinde der freien Welt arbeiten.

Außerdem hat Mr. Big, der auch in der Karibik einen Stützpunkt unterhält, auf der Insel Jamaica offenbar den Schatz des Piratenkapitäns Morgan gefunden. Große Mengen wertvoller Goldmünzen aus dem 18. Jahrhundert tauchen seit einiger Zeit in den USA auf; ihr Verkauf mehrt das Kapital, das Mr. Big zur Agitation gegen den Westen einsetzen kann. Ian Fleming – James Bond 007: Leben und sterben lassen weiterlesen

Lawrence, David – Kreis der Toten, Der

|“Vier Menschen sitzen im Kreis –
Zwei Frauen und zwei Männer.
Alle blicken nach innen, alle sind leicht vorgebeugt,
als starrten sie etwas an, das in der Mitte des Kreises liegt.
Alle vier sind tot.“|

Detective Stella Mooney ermittelt in einem der seltsamsten Fälle ihrer Laufbahn. Was hat die vier älteren Menschen dazu getrieben, sich selbst umzubringen? War es etwa ein ritueler Selbstmord, der von einer geheimen Sekte befehligt wurde? War es überhaupt ein groß angelegter Suizid? Und wer waren diese vier Menschen überhaupt?

Stella arbeitet in einem der zwielichtigsten Viertel von London, nämlich in Notting Hill, einerseits ein bekanntes Mode-Viertel, in dem sich die extravagantesten Menschen herumtreiben, andererseits aber auch ein sozialer Brennpunkt mit einer großen Drogenszene und der wohl stadtintern höchsten Prostitutionsrate. Und in die letztgenannte Szene ist Mooney, so stellt sich alsbald heraus, anscheinend hineingeraten. Die erste Spur führt sie nämlich in die Welt eines der entdeckten Opfer, eines gewissen Jimmy Stone, der sich sein täglich Brot mit dem Verkauf von Erinnerungsstücken blutiger Mordanschläge verdiente. Er ist auch der Einzige in der Gruppe, der offensichtlich durch einen Fremdeingriff ermordet wurde, so dass sein Umfeld als Erstes überprüft wird. Monney findet heraus, dass Stone nicht nur mit obskuren Gegenständen handelte, sondern auch für die Gangsterfamilie Tanner arbeitete. Offensichtlich hat er sich deren Unmut zugezogen und wurde so zum gefährdeten Spielball der Mafiosi.

Die Vermutung eines rituellen Selbstmords hat Stella Mooney derweil völlig abgelegt, denn immer tiefer führt sie die Spur in die Londoner Unterwelt und schließlich auch bis zu besagter Gangsterfamilie. Doch die Polizei scheint machtlos gegen das organisierte Kriminalunternehmen, das scheinbar überall seine Finger im Spiel hat. Einen Mord konnte man den offensichtlichen Verbrechern jedoch noch nicht nachweisen, bis nun die Leiche von Stone aufgetaucht ist. Mooney und ihr neuer Gehilfe John Delany, der eigentlich nur als Journalist an dem seltsamen Fall interessiert war, suchen nun nach Beweisen, um die kompromisslose Familie wegen ihres neuesten Opfers endlich hinter Gitter zu bringen und den Machenschaften des Tanner-Konzerns endgültig ein Ende zu setzen – aber ihre Gegner kennen keine Gnade …

Der Titel und auch die Beschreibung auf dem Backcover von „Der Kreis der Toten“ sind sehr kryptisch. Vermutet man nämlich hier einen zeitgemäßen Psychothriller mit scheinbar religiösem Hintergrund, stellt sich bereits nach wenigen Seiten heraus, dass es sich bei dem Fall um einen ‚ganz normalen‘ Mord handelt, bei dem lediglich die Hintergründe ein wenig verzwickter sind. Das soll nun nicht falsch verstanden werden, denn dies mindert die Qualität des Inhalts keineswegs. Einigen wir uns also darauf, dass das von David Lawrence bereits 2002 veröffentlichte Buch eher eine Mischung aus Mafia-Thriller und Kriminalroman ist.

Vom Inhalt her ist die Geschichte aber wirklich sehr intensiv und auch vielschichtig dargestellt. David Lawrence hat nämlich ganz nebenher auch noch ein detailliertes Bild über die gesellschaftlichen Unterschiede und die dadurch entstehenden Randgruppen, die auch das moderne London bevölkern, gezeichnet, bei dem er vor allem dem organisierten Verbrechen sein Hauptaugenmerk schenkt. Lawrence erzählt von Menschenhandel, Prostitution, Mord und dem nackten Kampf ums Überleben und untermalt seinen fiktiven Text hierbei mit einem durchaus authentischen Rahmen, der einerseits erschreckend wirkt, der düsteren, beklemmenden Atmosphäre des Buches aber sehr zugute kommt. Besonders dramatisch ist diesbezüglich die Darstellung der bosnischen Nutte Zuhra Hadžic, die bei ihrer Flucht aus dem heimischen Kriegsgebiet, in dem ihre Eltern vor ihren Augen brutal ermordet wurden, Menschenhändlern auf den Leim geht und schließlich auch im Netz des Tanner-Clans landet.

Die zunächst erhoffte Sicherheit in einem fremden Land entpuppt sich für das Mädchen als Schein, und bevor es sich versieht, hat es sie in London noch schlimmer angetroffen als im Land des Bürgerkriegs. Unter Aufsicht der Handlanger der Tanners führt sie als Prostituierte ein menschenunwürdiges Leben, das sie wahrscheinlich nur noch durch ihren Tod mit Stolz erfüllen kann. Doch mit dem jüngsten Mord ergibt sich für sie eine unerwartete – und sicherlich die einzige – Chance, ihrem brutalen Schicksal zu entkommen und trotz ihrer grausamen Geschichte endlich Frieden zu finden. Doch Zuhra ist ängstlich, weil sie weiß, dass ein falscher Schritt von den Tanners sofort mit ihrem letzten verbliebenen Gut, dem Leben, bezahlt wird. Und genau diese Angst beschreibt Lawrence wirklich sehr schön, wenngleich er sich nie zu konzentriert diesem Thema widmet. Stattdessen meistert er dies über die teils sehr emotionslose Darstellung der Londoner Unterwelt und ihrer Gefangenen, die ihm schließlich im Falle des bosnischen Mädchens am besten gelungen ist.

Die Kriminalgeschichte profitiert somit auch ständig von diesen gelungenen Portraits und schreitet in ziemlich flottem Tempo voran. Gleichzeitig fällt es auch nicht schwer, in die Geschichte hineinzufinden, denn der Autor steigt sofort beim Mordszenario und dem Totenkreis ein und kommt auch mit der Vorstellung der Hauptcharaktere zügig auf den Punkt. Insgesamt hat Lawrence so eine nahezu perfekte Mischung aus gehörigem Erzähltempo, bedrohlich-authentischer Atmosphäre, starken Charakterzeichnungen und toller Story gefunden, die zwischendurch mit zahlreichen Höhepunkten aufwarten kann und darüber hinaus auch bis zum Ende spannend bleibt.

Unterm Strich ergibt das einen fabelhaften Kriminalroman, der mittendrin teilweise sehr hart ist (Lawrence beschreibt die Gewaltexzesse ziemlich ausführlich), sprachlich sehr eigenwillig erscheint und nicht selten zutiefst unter die Haut geht. Mit diesem Debütwerk hat sich der Autor direkt in die Liste der besten seines Faches eingereiht, daher auch eine ganz klare Empfehlung für „Der Kreis der Toten“.

Remin, Nicolas – Schnee in Venedig

Auf den venezianischen Spuren einer Donna Leon wandelt nun in seinem Erstlingsroman auch der studierte Literaturwissenschaftler und Philosoph Nicolas Remin, der mit „Schnee in Venedig“ einen lesenswerten Roman mit nur einigen kleinen Schönheitsfehlern vorgelegt hat. Manch einer mag ihm vorwerfen, dass er auf etwas zu viele klischeebesetzte Figuren zurückgegriffen hat, doch jede Leserin, die schon jetzt den weihnachtlichen Ausstrahlungen der zuckersüßen Sissi-Filme entgegenfiebert, wird sich über das Wiedersehen mit der Kaiserin von Österreich in diesem Buch sehr freuen und Remin ein paar Fehlgriffe mehr verzeihen als der strenge männliche Leser.

Zunächst startet „Schnee in Venedig“ mit einem Prolog, welcher im Jahre 1849 spielt und sehr lange nicht in den Zusammenhang mit der restlichen Romanhandlung gebracht werden kann und daher vielleicht etwas zu schnell in Vergessenheit gerät. Schon auf Seite 13 springen wir ins Jahr 1862 und begleiten Emilia Farsetti auf ihrem Weg zur Arbeit, der sie zur |Erzherzog Sigmund| – einem Österreichischen Raddampfer – führt. Dort entdeckt sie in Kabine 4 zwei Leichen und lässt unüberlegt einige Dokumente verschwinden, was sie später noch bereuen wird. Hofrat Hummelhauser aus Wien wird mit zwei Schusswunden aufgefunden, eine unbekannte junge Dame neben ihm wurde erwürgt und in den Hals gebissen. Der Fund wirft viele Fragen auf, denn wer ist die unbekannte Dame, die nicht auf der Passagierliste steht, und welche Dokumente hat Emilia Farsetti an sich genommen?

Commissario Tron wird zu dem Fundort hinzugerufen, wo ihm allerdings schnell der Fall von Oberst Pergen wieder entzogen wird, der zu wissen meint, dass diese beiden Morde im Zusammenhang mit einem geplanten Attentat auf die Kaiserin von Österreich stehen. Tron allerdings gibt sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden und forscht auf eigene Faust nach – genau wie Elisabeth von Österreich, die einen Brief ihres Gatten vermisst und nun dem Mord an Hofrat Hummelhauser auf den Grund gehen möchte, da dieser den verloren gegangenen Brief überbringen sollte.

Zeitgleich zu den Vorbereitungen zu einem Maskenball im Palazzo der Trons geschehen weitere Morde, die immer mehr Fragen aufwerfen und Tron in seinem Glauben bestärken, dass Oberst Pergen nicht den wahren Täter gefunden hat.

Nicolas Remin hat sich für seinen Debütroman eine faszinierende Welt ausgesucht, welche den Rahmen zu seiner Kriminalgeschichte bildet. Das verschneite Venedig mit seinen Gondeln und Maskenbällen gepaart mit einer mutigen Elisabeth von Österreich, die uns hier nicht annähernd so zerbrechlich präsentiert wird, wie wir sie aus anderen Erzählungen kennen, ergeben eine interessante Mischung, die zu unterhalten weiß. Als eingefleischter Sissi-Fan muss man sich zunächst an die Wandlung der Elisabeth gewöhnen, doch gewinnt die kaiserliche Figur, die sich nur aufgrund eines fehlenden Briefes ihre eigenen Nachforschungen anstrengt und sich dabei heimlich aus dem Palast stiehlt, schnell an Sympathie.

Es sind die Charaktere in diesem Buch, welche den Reiz ausmachen, denn auch der ärmliche Tron mit seinen berühmten Vorfahren und der exzentrische Polizeichef, der seine Süßigkeiten auf keinen Fall mit anderen teilen und auch beim Mittagessen gefälligst nicht gestört werden möchte, gefallen sehr gut und animieren den Leser zum Schmunzeln. Überhaupt beweist Remin an mancher Stelle einen trefflichen Humor, wenn zum Beispiel eine Leiche ins Wasser geworfen wird und dann festgestellt werden muss, dass sich dummerweise direkt unter der Abwurfstelle ein Boot befindet, welches die Leiche aufgefangen hat. Remin entwirft nicht nur zum Teil skurrile Charaktere, sondern auch manch eine Situation, die mich zum Schmunzeln gebracht hat.

Zwei Handlungsfäden sind es, die sich durch das gesamte Buch ziehen und die Handlung vorantreiben; so begleiten wir auf der einen Seite Commissario Tron bei seinen Ermittlungen, die er nun als Privatmann fortführen muss, und wir werden Zeuge, wie Elisabeth zur Gräfin Hohenembs wird, die sich unerlaubterweise aus dem Palast stiehlt, um ebenfalls herauszufinden, wer hinter dem Mord an Hofrat Hummelhauser steckt. Das Schema zweier paralleler Handlungsstränge ist altbekannt, verwirrend empfand ich allerdings den Zeitsprung, den wir beim Wechsel von einem Schauplatz zum nächsten durchmachen müssen, denn Tron agiert stets in der Vergangenheit, während die Passagen rund um Elisabeth in der Gegenwart verfasst sind. Eventuell mag dies ein geschickter literarischer Kniff sein, für mich bedeutete dieser Wechsel im Zeitverlauf allerdings immer wieder eine Störung im Lesefluss, auf die ich gerne verzichtet hätte.

Dafür überzeugt Remin in anderen Belangen auf ganzer Strecke, seine romantischen und vielfarbigen Beschreibungen des winterlichen Venedigs ermöglicht es seinen Lesern, ganz in diese fremde und faszinierende Welt einzutauchen und das ungemütliche Herbstwetter vor dem eigenen Fenster vollends auszublenden. Ganz nebenbei erfährt man sogar ein klein wenig über venezianische Geschichte und Venedigs Verbindungen zu Österreich. Abgesehen von den Zeitsprüngen empfand ich Remins bildhaften und sympathischen Schreibstil als sehr erfrischend und angenehm, seine Zeilen liest man einfach gerne, sie machen Spaß und unterhalten gut. Diese Pluspunkte auf stilistischer Ebene sorgen dafür, dass man Remin inhaltlich dafür ein paar Schnitzer nachsieht, auch das etwas kitschig anmutende Ende passt ja irgendwo in ein Buch, in welchem Sissi eine Hauptrolle spielt.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Nicolas Remin zwar keinen perfekten Debütroman vorgelegt hat, aber ganz sicher einen unterhaltsamen Kriminalroman, der vielleicht nicht ganz so rasant geschrieben ist wie bei Mankell, der uns dafür aber in eine unglaublich interessante und fremdartige Welt entführt, in die man sehr gerne eintaucht. Nur wenige Dinge trüben ein klein wenig den Lesegenuss, die meiste Zeit aber bereitet dieses Buch einfach nur Freude und macht schon jetzt neugierig auf den im Januar erscheinenden Nachfolger „Venezianische Verlobung“, den ich mir sicher nicht entgehen lassen werde.

George, Elizabeth – Gott schütze dieses Haus

|Jahrhundertelang hat ein Nest im englischen Yorkshire im Dornröschenschlaf verbracht – bis ein brutaler Mord die Spinnweben für alle Bewohner zerreißt. Denn der Dorfpfarrer, Pater Hart, macht eine grauenvolle Entdeckung: William Theys, eines seiner treuesten Schäfchen und hoch angesehenes Gemeindemitglied, liegt enthauptet in seiner Scheune. Neben ihm kauert seine leicht debile neunzehnjährige Tochter, die sagt: „Ich hab’s getan.“ Dann verstummt sie …

Ein Fall für Scotland Yard, das ein höchst ungleiches Team zur Aufklärung des Verbrechens schickt: Inspektor Thomas Lynley, attraktiv, weltmännisch, galant, und seine Mitarbeiterin Barbara Havers, ein hässliches Entlein, das sich neben dem charmanten Lynley noch plumper und unbeholfener vorkommt. In nervenaufreibender Kleinarbeit entwirren die beiden ein dunkles Netz, das die Abgründe hinter einer biederen Fassade von Wohlanständigkeit kaschiert, entlarven eine grausige Wahrheit, die mehr als ein Leben zerstört hat . . .|

„Gott schütze diess Haus“ war mein erster Krimi von Elizabeth George – und sie hat mich sofort „gepackt“, die Affinität zu dieser Autorin, die meisterhaft psychologisch zu erzählen weiß, und das in geschickt verwobenen Handlungssträngen. Geschickt aus dem Grund, dass sich der tatsächliche Mordplot dezent im Hintergrund abspielt und der Krimi dennoch mit einem Cliffhanger aufwartet, der sich lesen lassen kann.

Pater Hart, der Seelsorger des kleines Dorfes in Yorkshire, in dem die Handlung spielt, findet eines Tages den Bauern William Teys erhängt in seiner Scheune vor. Der zweifache, alleinerziehende und sehr religiöse Mann ist ermordet, genauer: enthauptet worden. Seine jüngere, dickliche Tochter Roberta sitzt neben ihm, gesteht den Mord zwar, spricht aber fortan kein einziges Wort mehr.

Inspektor Lynley – ein bei Elizabeth Goerge immer wiederkehrender Charakter – und seine neue – und spröde – Partnerin Barbara Havers, die in den Streifendienst strafversetzt wurde, ermitteln in diesem Fall. Beide gehen zuerst recht misstrauisch miteinander um, von gegenseitigen Vorurteilen geprägt. Barbara hält den adeligen Vorgesetzten für einen Schönling und Frauenheld, Lynley sie wiederum für stur und schwierig. Doch Lynleys schöner Schein trügt, denn auch er hat mit emotionalen Problemen zu kämpfen, da sein bester Freund Simon Lynleys Ex-Verlobte Deborah geheiratet hat, und der Inspektor zu allem Überfluss die beiden am Tatort trifft, wo sie ihre Flitterwochen verbringen.

Schnell wird erkennbar, dass es die Autorin vortrefflich versteht, vielschichtige Charaktere zu erschaffen.
So ist Inspektor Thomas Lynley gutaussehend, erfolgreich im Beruf und bei den Frauen. Er ist intelligent, begütert, charmant, aber er ist auch feinfühlig und verwundbar. Das zeigt sich darin, wie sehr er um die Frau seines Herzens, die er verloren hat, trauert.
Seine neue Partnerin Seargent Barbara Havers hingegen wirkt auf den ersten Blick wie eine unattraktive, unsichere Frau, die von Selbstzweifeln geplagt wird, aber bei genauerem Hinsehen einen glasklaren Verstand besitzt.
Im Laufe des Handlung entwickelt sich zwischen Lynley und ihr so etwas wie Freundschaft, was das einzig Vorhersehbare des Buches ist. Gewürzt wird dieser Plot aber mit der Vergangenheitsbewältigung von Barbara Havers, die mit persönlicher Nähe ihre Probleme hat, und den Spannungen zwischen den beiden konträren Charakteren.

Die beiden nehmen das ganze Dorf unter die Lupe und stoßen bei ihrer Recherche auf einige Hinweise der familiären Vergangenheit des Toten. So befindet sich in dem Haus des Ermordeten eine Art Gedenkschrein für Williams Teys Frau Tessa, eines der Zimmer ist unbewohnt, in einem Fotoalbum sind etliche Bilder, auf denen ein Gesicht fehlt, und Robertas Schwester Gillian, die ihrer Mutter sehr ähnlich sieht, hat im Alter von sechzehn Jahren das Haus verlassen hat.

Das alles wirft Fragen auf, auch nach möglichen Tatmotiven, denn niemand glaubt so recht an Robertas Geständnis. Auch der Neffe des Ermordeten, ein Maler von Keldale, der mit dem Ermordeten in Streit geraten war, ebenso Tessas neuer Mann oder seine älteste Tochter geraten in den Kreis der Verdächtigen.

Der Leser wird von der Autorin mit außerordentliche Raffinesse auf immer wieder neue Fährten in dieser verstrickten Familienstory geschickt, die mit dem überraschenden Ende einen absoluten Höhepunkt präsentiert.

Bei diesem Krimi stimmt einfach alles! Denn wie immer verwischen sich bei Elizabeth George Realität und Fiktion, was gerade dieses Werk so interessant macht. Absolut empfehlenswert!

Clark, Mary Higgins – Mein ist die Stunde der Nacht

_Die Frau, die die Eule erschuf._

Mary Higgins Clark wurde 1928 geboren, und ihre Thriller führen stets die Bestsellerlisten an. So hat sich auch der |Heyne|-Verlag die „Königin der Spannung“ unter den Nagel gerissen, und die meisten ihrer Bücher veröffentlicht, das ZDF hat sich sogar die Filmrechte von zwei Erzählungen und vier Romanen gesichert: „Haben wir uns nicht schon mal gesehen?“, „Schwesterlein, komm tanz mit mir“, „Sieh dich nicht um“, „Dass du ewig denkst an mich“ und „Glückstag“.

Die Irin hat 25 Romane und zwei Bände mit Erzählungen veröffentlicht, auch weiterhin schreibt sie fleißig weiter, ihr großes Ziel ist es, eines Tages die „100-Romane-Barriere“ von Agatha Christie zu knacken.

„Mein ist der Stunde der Nacht“ ist einer dieser Romane und nun erstmals als Taschenbuch erhältlich. Er ist nicht der aktuellste ([„Hab Acht auf meine Schritte“ 1799 ist es), aber das ändert an der Qualität der Story natürlich nichts:

_Der Mörder ist immer der Loser._

Sam Deegan will in Pension gehen, der einzige Fall, der ihn noch an seinen Job fesselt, ist der Mord an Karen Sommers, ein Mord, der ohne erkennbares Motiv stattfand, und ein Mord, den Deegan zwanzig Jahre lang nicht lösen konnte. Am Ende seiner Kräfte entschließt er sich dazu, die Akte zu schließen, bis ihn die Mutter von Karen Sommers bittet, sich um einen weiteren Mordfall zu kümmern: Alison Kendall wurde tot in ihrem Swimmingpool aufgefunden, sie war eine enge Freundin von Jean Sheridan, die ihrerseits eine Freundin von Karen Sommers war.

Mörder ist ein mysteriöser Jemand, der sich selbst die Eule nennt, schon zu Beginn informiert er den Leser über seine Motive, ohne seine Identität zu lüften: Er ist ein weinerlicher Hosenpiesler, der von seinem Vater geschlagen, von seiner Mutter verhöhnt und von niemandem an der Schule ernst genommen wurde. Der Mörder in ihm wurde wach, als ihn eine Gruppe von Klassenkameradinnen verspottete, da er seine Sprechrolle als Eule nicht stotterfrei formulieren konnte: „Ich b-b-bin die Eu-Eule, und l-l-lebe in ei-ei-einem B-Baum …“ Alison Kendall war eine der Frauen, aus dieser Spöttergruppe.

Dieser Mord war sein Auftakt, der Beginn seines Planes, auch noch die letzten beiden Frauen um die Ecke zu bringen, die ihm diese Schmach angetan haben: Laura Wilcox und Jean Sheridan, und das lang geplante Klassentreffen ist die ideale Kulisse für ihn, um seinen Plan zu vollenden.

Und dieses Klassentreffen ist es dann auch, auf dem sich der Thriller abspielt: Ein ganzes Ensemble möglicher Täter trifft dort zusammen, jeder von ihnen könnte der ehemalige Loser sein, der den beiden Frauen an den Kragen will: Da wäre Carter Stewart, ein bösartiger und scharfzüngiger Dramaturg, der sich mit seinen rabenschwarzen Stücken aus der Unterschicht schreiben konnte; Robby Brent, der ungeliebte Sohn und unbegabte Schüler, der sich zum Komiker gemausert hatte und nichts mehr liebt, als Schläge unter der Gürtellinie zu verteilen; Gordon Amory, erfolgreicher Fernsehproduzent, der sich durch plastische Chirurgie seiner körperlichen Unzulänglichkeiten entledigt hat; Mark Fleischman, berühmter TV-Psychiater, dem nachgesagt wurde, seinen beliebten Bruder getötet zu haben; und Jack Emerson, ein reicher Immobilienmakler, der noch immer darunter leidet, dass ihn die schöne Laura Wilcox seinerzeit abgewiesen hatte.

Jean Sheridan ist die Erste, die die Drohung der Eule zu spüren bekommt, aber schließlich ist es Laura Wilcox, die verschwindet …

_Puzzle-Krimi´s Paradise._

Mary Higgins Clark steht nicht nur in dem Ruf, die Königin der Spannung zu sein, man sagt ihr außerdem nach, dass es ihre Spezialität sei, falsche Fährten zu legen und den Leser in die Irre zu führen. Eines jedenfalls stimmt: Sie ist eine Meisterin der Andeutung. An jedem Teilnehmer des Klassentreffen zeigt sie Verdächtiges auf, stupst den Leser an, in eine bestimmte Richtung zu denken, nur um dann woanders ein Verhalten zu zeigen, das noch viel verdächtiger wirkt. Überall sind Spuren; immer wenn man glaubt, den Täter zu kennen, oder wenn man annimmt, dass Clark zu viel verraten hat, bekommt man schon den nächsten Brocken an den Kopf geknallt.

Clark zeichnet dabei den Hintergrund der Figuren als klug verwobenes Patchwork: Manche Szenen werden aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt; zwar werden dadurch einige Ereignisse mehrmals rückgeblendet, aber sie macht das so geschickt, dass die Rückblende weitere Feinheiten aufdeckt, und ganz nebenbei die „rückblendende“ Figur durch ihren Standpunkt mitcharakterisiert.

Eine besondere Rolle hat dabei Jake Perkins inne: Er ist Schüler der Stonecroft Academy, und interessiert sich brennend für das Phänomen der dezimierten Frauenrunde. Er möchte unbedingt einen Artikel darüber verfassen und kennt keine Skrupel dabei, sich Informationen zu verschaffen. Für den Leser ist Perkins ein Quell unbequemer Informationen über die Besucher des Klassentreffens, er stochert überall hinein und trägt einiges dazu bei, den Leser zu erhellen (und ihn dabei natürlich weiterhin auf falsche Fährten zu locken).

Jedenfalls spitzen sich die Konflikte bis zum Ende hin zu, der finale Showdown bleibt nicht aus und Clark zieht die Spannungsschraube ständig an – erst auf den letzten Seiten lüftet sich, wer die Eule tatsächlich ist.

_Schmackhaftes Thriller Fast Food._

„Mein ist die Stunde der Nacht“ bietet all die Zutaten, die einen Thrillersüchtigen zum Nägelkauen verleiten: Ein Puzzle aus Verdächtigen und Informationen, die sich nach und nach aneinander reihen, dazu Konflikte, Bedrohungen für die Protagonisten und eine Atmosphäre aus Angst und Misstrauen.

Clark hat hier wirklich solide Arbeit geleistet und unterhält bis zum Schluss, die Story steht nie still und löst am Ende alle Fragen. Um auf ihre Fähigkeiten als Fährtenlegerin zurückzukommen: Ja, sie schafft es, den Leser zu irritieren, aber sie bedient sich dabei einiger unlauterer Tricks. Clark lässt ihre Figuren Dinge tun, die nur dazu dienen, um sie verdächtig zu machen. Nicht selten handeln Figuren nach einer Art, die nicht der ihren entspricht, manchmal sogar haben diese Handlungen nicht den geringsten Sinn – außer eben den, den Leser zu irritieren.

Das wiederum hat zur Folge, dass man irgendwann aufgibt, das Rätsel selbst knacken zu wollen. Man lehnt sich zurück und lässt sich passiv durch die Geschichte treiben: Aha, jetzt soll dieser verdächtig erscheinen, oho, jetzt ist es jener.

Trotzdem. „Mein ist die Stunde der Nacht“ ist bis zum Schluss spannend und unterhaltsam, es liest sich flüssig, hat keine Längen und wurde geschickt konstruiert. Ein Thriller-Imbiss für zwischendurch, schmackhaft und sättigend, aber sobald man ihn vertilgt hat, wird man ihn vergessen. Da kann man nur noch guten Appetit wünschen.

Holt, Anne – Was niemals geschah

Man könnte ja manchmal denken, diese ganzen Erfolgsautoren seien alle in den letzten zwei, drei Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen, doch das stimmt natürlich nicht. Die ersten Krimis von Anne Holt sind schon Mitte der Neunziger bei |btb| erschienen, allerdings galt die norwegische Ex-Justizministerin damals noch als Geheimtipp. Inzwischen hat die lesbische Kommissarin Hanne Wilhelmsen sieben Fälle gelöst und sich damit eine beträchtliche Fangemeinde erobert.

Die zweite Krimiserie von Anne Holt dreht sich um den Kommissar Yngvar Stubø und seine Frau, die Profilerin Inger Johanne Vik. „In kalter Absicht“ haben sie ihren ersten Fall miteinander gelöst, „Was niemals geschah“ ist der zweite Fall mit diesem ungewöhnlichen Doppel.

_Eine Mordserie, die sich zu wiederholen scheint_

Stubø ist gerade im Vaterschaftsurlaub, Inger Johanne noch im Mutterschutz. Eigentlich wollen beide mit dem Fall nichts zu tun haben, den Stubøs Kollegen recht schnell an ihn herantragen. Doch die Neugier siegt und schließlich auch die Zeit, die verrinnt, bis Stubø wieder seinen Dienst antreten muss und der Fall noch immer mehr Fragen aufwirft als dass irgendwelchen Spuren nachgegangen werden könnte.

Mehr noch, bei dem Mörder scheint es sich um einen Serientäter zu handeln, der sich auf prominente Opfer spezialisiert hat, eine Mordserie, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Stets hinterlässt der Mörder eine Botschaft des Schreckens: Da wird der beliebten Fernsehmoderatorin die Zunge herausgetrennt und mit einem Skalpell gespalten. Sie sollte wohl ganz offenkundig posthum als Lügnerin enttarnt werden. Da wird eine aufstrebende rechtspopulistische Politikerin in kompromittierender Stellung mit dem Koran zwischen den Beinen aufgefunden. Ein religiöser Fanatiker also?

Nachdem Stubo und seine Kollegen eine Weile im Dunkeln tappen, findet die eigentlich nicht direkt an den Ermittlungen beteiligte Psychologin Inger Johanne eine entscheidende Spur – in ihrer eigenen beruflichen Vergangenheit beim FBI, über die sie bisher auch Yngvar gegenüber ein großes Geheimnis gemacht hat. Es scheint, als hätte es diese Mordserie schon einmal gegeben – kann es Zufall sein?

_Anne Holt at her best!_

Mehr sollte man auf keinen Fall verraten, um nicht die vielen überraschenden Wendungen vorwegzunehmen, die dieser Krimi in sich birgt. Wenn man erst mal angefangen hat, ist es unmöglich, ihn aus der Hand zu legen, und nebst atemberaubender Spannung schreibt die Autorin auf erfreulich hohem Niveau.

Der Fall ist außergewöhnlich und recht „konstruiert“, denn der Mörder inszeniert diese Morde ja förmlich, dazu noch ermordet er Menschen, die ohnehin im Rampenlicht stehen. Dennoch bleibt der Fall bis zum Ende schlüssig. Und das Ende selbst ist so klasse, dass man sich eigentlich gar keine Fortsetzung wünschen würde, allerdings muss ich zugeben, dass mich die beiden sympathischen Anti-Helden glatt zu einer Serienleserin machen könnten.

Die Eheleute Vik und Stubø haben kein einfaches Leben miteinander. Sie haben ihre Macken und ihre Vorgeschichte, was sie glaubwürdig und menschlich macht. Beide schleppen regelrechte Traumata aus ihrer Vergangenheit mit sich herum, doch während Stubø im Familienalltag langsam wieder Fuß fasst, fühlt sich Inger Johanne durch ihre etwas schwierige Tochter Kristiane und den Säugling stark belastet. Die beiden streiten, diskutieren, wälzen Probleme – vielleicht manchmal zu häufig? Das habe ich mich manchmal bei der Lektüre gefragt, doch im Nachhinein passt das alles ganz wunderbar zusammen.

Schön ist außerdem, dass die beiden absolut Hand in Hand arbeiten und einander ebenbürtig sind. Obwohl Inger Johanne eher eine „Nebenermittlerin“ ist, hat man nie den Eindruck, sie sei „nur“ Hausfrau und Hobbydetektivin, sondern von ihr kommen im Gegenteil die entscheidenden Impulse.

Der Fall wird hauptsächlich aus der Perspektive von Yngvar und Inger Johanne geschildert, teils aber auch aus der Sicht der anderen beteiligten Personen. Nicht immer finde ich eine solche Erzählweise gelungen, hier ist das ausgewogen und äußerst spannungsfördernd.

Im Gegensatz zu manchen anderen Autoren, die sich doch recht oft wiederholen, sobald sie „in Serie gehen“, wird Anne Holt besser und besser.

_Fazit:_ Einer der besten psychologischen Krimis seit langem – mit interessanter Handlung, glaubwürdigen Charakteren und überraschenden Wendungen. Wird wahrscheinlich eine vielversprechende neue Krimiserie.

_Anne Holt_ wurde 1958 geboren und wuchs in Norwegen und den USA auf. Sie ist mit einer Frau verheiratet, hat eine kleine Tochter und sich nach ihrer politischen und juristischen Karriere ganz aufs Schreiben verlegt. Wenn ich richtig gezählt habe, sind derzeit neun Krimis von ihr lieferbar. Zudem hat Holt noch einen lesbischen Liebesroman geschrieben mit dem Titel „Mea Culpa“.

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Viktor Arnar Ingólfsson – Das Rätsel von Flatey

Das geschieht:

Flatey ist eine kleine Insel an der Nordwestküste Islands. Im Jahre 1960 leben hier 40 Menschen, die als Fischer, Vogelfänger und Seehundjäger ihr bescheidenes Auskommen haben. Jeder kennt jeden, Geheimnisse gibt es scheinbar nicht. Doch eines Junitages wird auf dem unbesiedelten Inselchen Ketilsey die fast vollständig skelettierte Leiche des dänischen Historikers Gaston Lund entdeckt. Er hatte Flatey besucht, um dort das in skandinavischen Forscherkreisen berühmte Rätsel des Flateyjarbóks zu lösen. Dies stammt aus dem 14. Jahrhundert und sammelt isländische Sagen und Legenden aus noch älterer Zeit. Das Rätsel ist jünger; seine Lösung ergibt sich aus dem Inhalt des Flateyjarbóks. Noch jeder ist daran gescheitert. Lund sah sich auf einer heißen Spur.

Wieso wurde er auf einer einsamen Insel ausgesetzt, wo er verhungerte und erfror? Der für Flatey zuständige Bezirksamtmann schickt seinen Angestellten Kjartan nach Flatey, einen jungen Mann mit dunkler Vergangenheit, die er sorgsam zu verbergen trachtet. Kjartan ist kein Ermittler und folglich unerfahren in seinem Versuch, Lunds letzte Tage auf Flatey zu rekonstruieren. Die Inselbewohner sind freundlich, aber in ihrer entlegenen Welt ticken die Uhren anders. Es ist die Natur, die ihr Leben bestimmt. Wind, Wasser, die Jahreszeiten – das sind Faktoren, die zählen. Kjartan muss sich dem Rhythmus von Flatey erst anpassen. Viktor Arnar Ingólfsson – Das Rätsel von Flatey weiterlesen

Elrod, P. N. – Blutzirkel (Vampirdetektiv Jack Fleming – Das 3. Abenteuer)

Tja, die Vergangenheit kann man eben nicht so einfach abschütteln. Gerade noch hatte Vampir Jack Fleming in „Blutjagd“ beschlossen, die Suche nach seiner alten Flamme Maureen aufzugeben, als sich ihre Schwester Gaylen meldete. Nun, mit all den neuen Informationen, die Jack gewonnen hat, beschließt er im dritten Band der Reihe um den Vampirdetektiv Jack Fleming, „Blutzirkel“, die Suche nach Maureen wieder aufzunehmen. Schließlich könnte sie in Lebensgefahr schweben; oder gar schon tot sein! So kehren er und sein Freund Escott dem Chicago der 30er Jahre den Rücken und reisen nach New York, denn dort verlor sich Maureens Spur vor fünf Jahren.

Mittlerweile hat sich Jack auch mit seinem vampirischen Dasein arrangiert. Die Blutbeschaffung bereitet ihm kein Kopfzerbrechen mehr (auch wenn sie unter Umständen sein Schuhwerk ruiniert, weil er einer Kuh hinterherjagt) und auch die hypnotische Beeinflussung von Menschen belastet sein Gewissen lange nicht mehr so stark wie noch in den Vorgängerbänden. Und sein Freund Escott scheint ohnehin keinerlei Probleme mit dem Zustand seines Freundes zu haben. Ohne zu Murren schleppt er dessen riesigen Kleiderkoffer durch die Gegend, schiebt dem untoten Jack heimlich Heimaterde unter und führt eine Art Erste-Hilfe-Kasten für Vampire mit sich (hauptsächlich bestehend aus einer Spritze, einem Schlauch und einer Anzahl Milchflaschen).

So ausgerüstet, begegeben sich die beiden nach New York, von wo aus die Spur schnell zum Anwesen der Franchers nach Long Island führt. Maureen nämlich hatte ihrer Nachbarin versichert, unter dieser Telefonnummer erreichbar zu sein. Dies verwirrt unsere beiden Detektive zunächst, können sie sich doch keinen Reim darauf machen, worin die Verbindung zwischen Maureen und der reichen und exzentrischen Emily Francher bestehen soll. Doch als sie das Anwesen erst besuchen, wird bald alles klarer. Der Sekretär der Besitzerin ist kein Geringerer als Jonathan Barrett höchstselbst, den wir schon kurz im letzten Band „Blutjagd“ kennen gelernt haben. Barrett, selbst Vampir, hatte Maureen offensichtlich Unterschlupf gewährt, jedoch nur für eine Nacht. Alles, was Jack und Escott darüberhinaus in Erfahrung bringen, will einfach keinen Sinn ergeben. Und Barrett selbst ist alles andere als hilfsbereit …

Wer Jonathan Barrett noch aus P. N. Elrods anderer Vampirserie kennt, der wird ihn hier zunächst nicht wiedererkennen. Der sensible Gutmensch, der als Erstes seine Familie in seinen Vampirismus einweiht und im Prinzip keiner Fliege etwas zuleide tun kann, ist in „Blutzirkel“ einem verschlossenen Eigenbrötler gewichen. Die beiden Vampire Fleming und Barrett umkreisen sich zunächst wie zwei hungrige Wölfe, die ihr Revier verteidigen wollen. Keiner traut dem anderen und ihr vorsichtiges Taktieren in Gegenwart des anderen ist ein reines Vergnügen für den Leser. Dass hier zwei Vampire mit- und gegeneinander agieren, ist ungemein reizvoll, durfte der geneigte Leser bisher doch „nur“ Jack als Vampir erleben.

„Blutzirkel“ ist in mancher Hinsicht anders als die beiden Vorgänger. Da wäre zunächst der Schauplatz: Vom lauten und gefährlichen Großstadtpflaster Chicagos geht es ins gemächliche, aber nicht weniger tödliche Long Island. Hier müssen sich Jack und Escott mit ganz anderen Problemen herumschlagen. Dass jeder jeden kennt und alles sofort weitergetratscht wird, wird Jack – mal wieder – fast zum Verhängnis. Zum anderen tauscht Elrod die wilden Verfolgungsjagden und Schießereien gegen bodenständige Detektion und Schnüffelarbeit.

Ein kleines Manko hat der Roman allerdings. Während die beiden Vorgänger von Heiko Langhans übersetzt wurden, übernahm diesmal Rosa Welz die Übertragung ins Deutsche. Das wirkt sich sprachlich auf den Detektivplot aus. Wo Heiko Langhans noch mit Verve heutzutage fast vollkommen verschollene Ausdrücke wie „Flüsterkneipe“ und „Rabatz“ ausgegraben hat, bietet die Übersetzung von Rosa Welz durchgehend flüssige, aber eben moderne Prosa. Der Reiz der 30er-Jahre-Gangstersprache, der im Erstling „Vampirjäger Jack Fleming“ am ausgeprägtesten war, ist mittlerweile fast gänzlich aus der Erzählung verschwunden. Schade!

Doch trotzdem bietet „Blutzirkel“ natürlich 250 Seiten Lesevergnügen. In gewohnter Manier tischt P. N. Elrod dem Leser einen packenden Plot, ein mysteriöses Geheimnis und mit Jack Fleming einen toughen, aber humorigen Helden auf. Amüsante Kurzweil und spannende Detektion gehen in „Blutzirkel“ Hand in Hand – alles gebettet auf Elrods überzeugende Charaktere. Denn wenn die amerikanische Autorin ein Talent hat, dann ist es das Erschaffen von dreidimensionalen Charakteren, die dem Leser einfach nie langweilig werden. Über Jack und Escott gibt es immer wieder Neues zu erfahren und man kann es kaum erwarten, den nächsten Band in den Händen zu halten. Gut, dass Elrod kaum Ermüdungserscheinungen zeigt und ihrer vampirischen Protagonisten noch lange nicht überdrüssig ist!

|P. N. Elrod bei Buchwurm.info:|

[„Der rote Tod“ 821

[„Der endlose Tod“ 863

[„Der maskierte Tod“ 1582

[„Vampirdetektiv Jack Fleming“ 432

[„Blutjagd“ 1928

http://www.festa-verlag.de/

Rankin, Ian – Wolfsmale

Typisch Rebus: Weil er seinen Chef in angeheitertem Zustand mit dessen ungeliebten Spitznamen konfrontiert hat, schickt dieser seinen Detective Inspector aus Edinburgh als angeblichen „Experten für Serienmorde“ nach London. Dort geht der „Wolfsmann“ um, ein irrer Serienmörder, der seine Opfer nicht nur grausam verstümmelt, sondern ihnen auch noch wütende Bauchbisse versetzt. Vier Leichen in drei Monaten hat man so aufgefunden. Detective Inspector George Flight von der London von der Metropolitan Police und seine Leute haben Hilfe bitter nötig. Trotzdem sind sie wenig erbaut darüber, dass ausgerechnet ein „Jock“, den sie nicht einmal richtig verstehen, wenn er den Mund aufmacht, ihnen zeigen soll, wie sie ihren Job zu machen haben.

Rebus, der schon immer mehr Einzelkämpfer als Teamspieler war, braucht erwartungsgemäß wenig Zeit, sich den Zorn der englischen Kollegen zuzuziehen. Während er damit kämpft, sich in der ungewohnten Umgebung zurechtzufinden, geht er daran, den Wolfsmann-Fall auf seine eigene, oft unkonventionelle Weise anzugehen. Als Außenstehender fällt es ihm leichter, neue Wege einzuschlagen. Auch gegen Hilfe hat Rebus nichts einzuwenden. Daher leiht er der Psychologin Lisa Frazer von der Universität London gern sein Ohr, als sie ihm vorschlägt, ein Profil des Wolfsmanns zu entwerfen; dass bei ihr Kompetenz mit gutem Aussehen einhergeht, ist Rebus, der sich in der fremden Stadt doppelt einsam fühlt, nicht entgangen. Binnen kurzer Zeit ist der Inspector schwer verliebt und übersieht gar zu gern die Anzeichen dafür, dass Lisa nicht diejenige ist, die sie zu sein vorgibt.

Aber Rebus ist auch anderweitig abgelenkt. Im Wolfsmann-Fall drängt die Zeit: Die Abstände zwischen den einzelnen Morden werden kürzer; der Mörder beginnt die Kontrolle über sich zu verlieren und agiert zusehends blindwütiger …

Nach „Verborgene Muster“ und „Das zweite Zeichen“ ist „Wolfsmale“ der dritte Band der fabelhaften Inspektor-Rebus-Reihe, die Ian Rankin seit einem Jahrzehnt zuverlässig Zutritt zu den Bestsellerlisten diesseits und jenseits des Großen Teiches verschafft. Erneut wird rasch klar, wieso dies zu ist: Rankins Thriller sind nicht ’nur‘ spannend, sondern seine Figuren lebendig, sein Talent als Erzähler außerordentlich (was in der Übersetzung erfreulicherweise fortlebt). Darüber hinaus schildern sie bewegend, aber niemals sentimental oder gar rührselig die Tücken des modernen Großstadtlebens.

Dabei kann „Wolfsmale“ allerdings mit dem furiosen Vorgängerband nicht ganz mithalten. Es ist, als ob Rebus in der ‚Fremde‘ mehr als nur ein wenig hilflos ist. In Edinburgh sticht er, der die dunklen Seiten der unheilvoll verschlungenen Allianz aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Verbrechen seiner Heimatstadt genau kennt, regelmäßig in Hornissennester; in London vergräzt er nur ein paar Polizistenkollegen.

Zu weit in den Hintergrund lässt Rankin zudem die eigentliche Thriller-Handlung rutschen. Stattdessen erzählt er hauptsächlich die Abenteuer eines Schotten in London. Weil er ein so hervorragenden Autor ist, macht er dies höchst unterhaltsam. Außerdem weiß hierzulande zwar wohl jede/r um das schwierige Verhältnis zwischen Engländern und Iren. Aber dass die Schotten noch immer auf den Spuren Maria Stuarts wandeln und nach einer vorausgegangenen, sehr nationalistisch geprägten Volksabstimmung 1999 sogar ein eigenes Parlament erhielten, ist wahrscheinlich weniger bekannt. Die dicht unter der Oberfläche lauernden Ressentiments zwischen Engländern und Schotten – Rebus bleibt seinen Gastgebern in diesem Punkt nichts schuldig – tragen zur Dramatik der Handlung entscheidend bei.

Weniger gelungen ist eine Nebenhandlung, die Rebus’ kompliziertem Familienleben gewidmet ist und ihn bei dem Versuch zeigt, seine in London lebende Tochter aus den Klauen eines Kleinkriminellen mit allzu großen Ambitionen zu befreien. Zum eigentlichen Geschehen trägt dies immerhin insofern bei, als Rankin sehr schön zeigt, wie Rebus’ sprunghafter Geist arbeitet, und ihn zufällige Begebenheiten und Beobachtungen, die mit dem Wolfsmann-Fall unmittelbar nichts zu tun haben, dessen Lösung dennoch näher bringen (auch wenn Rankin die Macht des Zufalls hier ein wenig zu oft beschwört).

Der Wolfsmann selbst bleibt über die gesamte Distanz recht blass. Vielleicht haben wir Krimifreunde in den letzten Jahren einfach zu viele Serienkiller über uns ergehen lassen müssen. Selbst wenn sie nicht nur als mörderische Bestie Grusel-Schwung in einen Thriller bringen sollen, sondern mit einer glaubwürdigen und auch tragischen Vita ausgestattet werden, kennen wir sie zumindest in ihrer literarischen Inkarnation zu gut, als dass sie uns noch fesseln könnten. „Wolfsmale“ entstand allerdings bereits 1992, d. h. recht kurz nach „Das Schweigen der Lämmer“, mit dem der Blut-und-Bodycount-Boom 1989 begann. Rankin ist nicht für die Erstarrung des Genres (mit-)verantwortlich zu machen, aber „Wolfsmale“ leidet dennoch darunter, dass heute jeder regelmäßige Krimileser automatisch zum Feierabend-Profiler geworden ist.

Zu guter Letzt laufen sowohl Rebus als auch Rankin aber wieder zur Höchstform auf. Der Inspektor liefert sich mit dem endlich entlarvten Übeltäter eine wilde Auto-Verfolgungsjagd, die einerseits sehr spannend ist, aber andererseits vielfach ironisch gebrochen wird. Rebus ist wahrlich nicht Dirty Harry, doch wie wir nun erfahren, hat er schon immer heimlich davon geträumt, einen Fall nicht nur durch eintönige, zermürbende Fahndungsarbeit, sondern in einem spektakulären Finale zu lösen. Freilich muss er die Erfahrung machen, dass sich dies im Kino wesentlich einfacher realisieren lässt als in der ‚Realität‘, die von der Tücke des Objektes regiert wird!

Fazit: „Wolfsmale“ bietet dieses Mal ’nur‘ gehobene Thriller-Unterhaltung, dies jedoch gemessen an jener Latte, die Rankin selbst aufgelegt hat – und er gehört als Schriftsteller eindeutig in die Olympia-Riege! Mit der Rückkehr ins traditionsreiche, aber gewiss nicht ehrwürdige Edinburgh kehrt Rankin im vierten Rebus-Roman („Ehrensache“/“Strip Jack“) zur alten Form zurück. Es tut gut, zwischen 1001 pfiffigen Mönchlein, weisen Krankenschwestern, knallharten Großstadtcops und übersinnlich begabten Pathologinnen den eigensinnigen Rebus beobachten zu können.

Ian Rankin wird 1960 in Cardenden, einer Arbeitersiedlung im Kohlerevier der schottischen Lowlands, geboren. In Edinburgh studiert er ab 1983 Englisch, zunächst mit dem Schwerpunkt Amerikanische, später Schottische Literatur. Schon früh beginnt er zu schreiben. Zunächst hoffnungsvoller Poet, wechselt er als Student zur Prosa. Nach zahlreichen Kurzgeschichten versucht er sich an einem Roman, findet aber keinen Verleger. Erst der Bildungsroman „The Flood“ erscheint 1986 in einem studentischen Kleinverlag.

Nachdem sein Stipendium ausgelaufen ist, verlässt Rankin 1986 die Universität und geht nach London, wo er u. a. als Redakteur für ein Musik-Magazin arbeitet. Nebenher veröffentlicht er den Kolportage-Thriller „Westwind“ (1988) sowie den Spionageroman „Watchman“ (1990). Unter dem Pseudonym „Jack Harvey“ verfasst Rankin in rascher Folge drei actionlastige Thriller. 1991 greift Rankin eine Figur auf, die er vier Jahre zuvor im Thriller „Knots & Crosses“ (1987; dt. „Verborgene Muster“) zum ersten Mal hat auftreten lassen: Detective Sergeant (später Inspector) John Rebus. „Knots & Crosses“ war 1987 weniger als Kriminalroman, sondern eher als intellektueller Spaß im Stil Umberto Ecos gedacht, den sich der literaturkundige Autor mit seinem Publikum machen wollte. Schon die Wahl des Namens, den Rankin seinem Helden gab, verrät das Spielerische: Um Bilderrätsel – Rebusse – dreht sich die Handlung.

Mit John Rebus gelingt Rankin eine Figur, die im Gedächtnis seiner Leser haftet. Als man ihn immer wieder auf das weitere Schicksal des Sergeanten anspricht, wird er sich dessen Potenzials bewusst. Die Rebus-Romane ab „Hide & Seek“ (1991; dt. „Das zweite Zeichen“) spiegeln das moderne Leben (in) der schottischen Hauptstadt Edinburgh wider. Rankin spürt seither den dunklen Seiten nach, die den Bürgern, vor allem aber den (zahlenden) Touristen von der traulich versippten Führungsspitze aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kirche gern vorenthalten werden. Daneben lotet Rankin die Abgründe der menschlichen Psyche aus. Simple Schurken, deren möglichst malerisches, weil „gerechtes“ Ende bejubelt werden kann, gibt es bei ihm nicht.

Ian Rankins Rebus-Romane kommen nach 1990 in Großbritannien, aber auch in den USA stets auf die Bestsellerlisten. Die renommierte „Crime Writers‘ Association of Great Britain“ zeichnet ihn zweimal mit dem „Short Story Dagger“ (1994 und 1996) sowie 1997 mit dem „Macallan Gold Dagger Award“ aus. 1992 ehrt man ihn in den USA mit dem „Chandler-Fulbright Award“ als „Nachwuchsautoren des Jahres“. Rankin gewinnt im Jahre 2000 weiter an Popularität, als die britische BBC beginnt, die Rebus-Romane zu verfilmen.

Ian Rankins [Website]http://www.ianrankin.net ist höchst empfehlenswert; über die bloße Auflistung seiner Werke verwöhnt sie u. a. mit einem virtuellen Gang durch das Edinburgh des John Rebus.

Die John-Rebus-Romane …
… erscheinen in Deutschland im Wilhelm Goldmann Verlag (Stand: Sommer 2005):

01. [Verborgene Muster 956 (1987, Knots & Crosses) – TB-Nr. 44607
02. [Das zweite Zeichen 1442 (1991, Hide & Seek) – TB-Nr. 44608
03. Wolfsmale (1992, Wolfman/Tooth and Nail) – TB-Nr. 44609
04. [Ehrensache 1894 (1992, Strip Jack) – TB-Nr. 45014
05. Verschlüsselte Wahrheit (1993, The Black Book) – TB Nr. 45015
06. Blutschuld (1994, Mortal Causes) – TB Nr. 45016
07. [Ein eisiger Tod 575 (1995, Let it Bleed) – TB Nr. 45428
08. [Das Souvenir des Mörders 1526 (1997, Black & Blue)
09. Die Sünden der Väter (1998, The Hanging Garden) – TB Nr. 45429 (noch nicht erschienen)
10. Dead Souls (1999, noch kein dt. Titel)
11. Der kalte Hauch der Nacht (2000, Set in Darkness) – TB Nr. 45387
12. Puppenspiel (2001, The Falls) – TB Nr. 45636
13. [Die Tore der Finsternis 1450 (2002, Resurrection Man)
14. Die Kinder des Todes (2003, A Question of Blood)
15. [So soll er sterben 1919 (2004, Fleshmarket Close)

Darüber hinaus gibt es zwei Sammlungen mit Rebus-Kurzgeschichten: „A Good Hanging & Other Stories“ sowie „Beggars Banquet“. Hinzu kommt „Rebus’s Scotland“, ein Fotoband mit Texten von Rankin, der hier jene Orte aufsucht, die ihn zu seinen Romanen inspirierten.

Joseph Conrad – Der Geheimagent

Mr Verloc besitzt einen kleinen, überteuerten Krämerladen in Londons unvorteilhaftem Viertel Soho. Die Treppe hoch hinter dem schäbigen Laden wohnt er mit seiner Frau Winnie, deren geistig behindertem Bruder Stevie und ihrer Mutter.

Mr Verloc ist fett und faul.

Als Mieter von Winnies Mutter erflirtete er sich zunächst vor allem deren Gunst, und die alte Dame war froh darüber, dass dieser ruhige Mann, der ihrem schwierigen Sohn, dem Schuhputzer, immer so großzügig Trinkgeld gab, ihrer Tochter den Hof machte. Und als Winnies Liebschaft mit einem jüngeren Mann zerfiel, wandte sie sich eben Verloc zu, der ihren einzigen vom toten Vater ungeliebten Bruder wenigstens akzeptierte. Und so heirateten die beiden, und Verloc eröffnete mit dem Geld der Schwiegermutter seinen kleinen Laden und nahm dafür die bettlägerige Alte und Winnies debilen Bruder bei sich auf.

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Michael Pearce – Im Schatten des Feigenbaums

Das geschieht:

Kairo, Nordägypten, in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts: Vor dreißig Jahren rief ein vom Thronsturz bedrohter Khedive (so lautet der Titel des Monarchen, der königlich über das Land herrscht) die Briten zur Hilfe. Freudig nutzten diese ihre Chance, ihrem Empire ein Sahnestück einzuverleiben, ohne zuvor einen Großteil der einheimischen Bevölkerung abzuschlachten. Das uralte Wüstenland am Nil hätten sich auch die Franzosen gern unter den Nagel gerissen; in Afrika gehören sie zu den ärgsten kolonialen Konkurrenten, die es tunlichst nicht zu brüskieren gilt. Daher ist Ägypten offiziell keine britische Kolonie; die Regierung lässt sich von den Briten nur ‚beraten‘.

Selbstverständlich weiß jeder um die wahren Verhältnisse. Die Briten halten das Heft fest in der Hand. Die örtlichen Herrscher sind mehr oder weniger Marionetten. Es herrscht zwar Ruhe im Land, aber nationalistische Gruppe schüren immer wieder und seit einiger Zeit verstärkt Unruhen. Dafür zu sorgen, dass diese nie offen ausbrechen, obliegt dem britischen Geheimdienst, der in der ägyptischen Hauptstadt stark präsent ist. Gareth Owen steht ihm vor, ein besonnener Mann, der die komplexen politischen und vor allem religiösen Verhältnisse vor Ort kennt. Offiziell arbeitet er für den Khedive, aber jeder Bürger Kairos weiß, dass tatsächlich der „Mamur Zapt“ – so Owens Amtstitel – das Sagen hat.

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Sternmut, Norbert – Marlies

|Marlies ist wieder da!|
So beginnt der zweite Teil der (Krimi-)Trilogie von Norbert Sternmut (nach „Der Tote im Park“). |Ich| beginne: Norbert Sternmut ist wieder da. Erneut sprachlich prägnant, mit teilweise kurzen minimalistischen Sätzen, keinem Einheitsblabla, mit viel Liebe zum sprachlichen und szenischen Detail und immer noch – oder noch mehr? – mit einer gewohnt exzentrischen Mischung aus Sex, Crime und einem Hauch von Entrücktsein, Anderssein.

Ich leugne es nicht, ich habe ein Faible für Norbert Sternmuts Texte, weil sie so anders sind. Weniger vom Stil her, als vielmehr von der Umsetzung seiner Themen, seiner Plots, seiner Figuren. Sternmuts Charaktere haben etwas Alltägliches, etwas, das in uns allen steckt, uns sofort mit ihnen vertraut macht. Aber auch – und das macht die interessante Mixtur aus – etwas, das uns fremd ist, uns teilweise erschreckt, das wir – vor allem – nicht sehen wollen, das uns aber auch einen Spiegel vorhält. Etwas über uns Menschen, unsere Gesellschaft, unser eigenes Verhalten und unsere Bigotterie.

Norberts Sternmuts Romane sind keine reinen Unterhaltungstexte. Wenn man sie auf sich wirken lässt, erkennt man darin vielschichtige psychologische Aspekte, besonders dort ,wo wir als Menschen an unsere Grenzen stoßen. So ist es in „Marlies“ ein Mann, der z. B. erst dann erkennt, dass er das wahre Glück, die wahre Liebe längst an seiner Seite hat, nachdem er sie betrogen und hintergangen hat und jener Frau, Marlies, die ihm schon einmal zum Verhängnis wurde, wieder erliegt, sich ihrem sexuellem Reiz nicht entziehen kann. Nicht entziehen will. Aber auch seine Selbstzweifel, sein offensichtliches menschliches Versagen ist uns nicht fremd, wenn wir ehrlich in uns horchen.

Wieder wird in diesem Krimi – wie in dem Vorgänger – nicht klar: Ist die Handlung real oder fiktiv, ist sie nur dem Gehirn des Schriftstellers entsprungen oder nicht? Und genau das macht einen zusätzlichen Reiz dieses Buches aus! Es lässt uns Raum für unsere eigene Interpretation und Phantasie. Daher: lesen, lesen, lesen!

Nun muss ich leider, so ist das im Leben, auch zum Negativen kommen. Wie immer hat jede Medaille zwei Seiten – schauen wir uns daher das Handwerkliche an:
Zuerst ist es von Verlagsseite nicht optimal gewählt, eine Trilogie in gänzlich abweichender Aufmachung zu präsentieren. Band eins kam als recht unscheinbares Paperback daher – preislich für einen Kleinverlag angemessen. „Marlies“ präsentiert sich nun als Hardcover zum entsprechend stolzen Preis von 18,80 €. Da erwarte ich als Käufer natürlich auch eine erstklassige Lesekost. Leider ist schon das Cover nicht optimal gewählt, aber darüber ließe sich ja noch streiten, |aber| – das große ABER – über den Satz lässt sich nicht streiten! Da werden Szenen, sogar Dialoge auseinandergerissen und man fragt sich: Wird hier auf Seitenzahl geschunden? Was letztendlich ärgerlich ist, umso mehr, da dies auch noch erheblich den Lesefluss stört. Ganz katastrophal ist aber, wenn dann auch noch Hurenkinder, Hammellücken und Ähnliches den Satz verunzieren. Da war kein Meister seines Fachs am Werke. Auch das Lektorat – soweit überhaupt eines erfolgt ist – hat keine gute Arbeit geleistet. Da hat der Verlag ganz offensichtlich am falschen Ende gespart. Er hätte besser ein gutes Paperback mit noch besserem Inhalt angeboten. So ist es eine Mogelpackung geworden, was mich gerade im Falle Norberts Sternmuts ärgert, denn ich wünsche einem Ausnahmeautor wie ihm bessere Verlagsarbeit. Er hat es verdient!

Fazit: Ein äußerst lesenswertes Buch mit verlegerischen Mängeln, die dem Autor nicht angelastet werden sollten. Also: |Kaufen!|

http://www.wiesenburgverlag.de/
http://www.sternmut.de

Elrod, P. N. – Blutjagd. Ein Vampir-Krimi

Auf die Idee muss man erstmal kommen: Ein Vampir als Detektiv. Bereits 1990 hatte die amerikanische Autorin P. N. Elrod den Einfall für diesen genialen Kunstgriff. (Und war damit dem vampirischen Detektiv Nick Knight in der gleichnamigen Serie um zwei Jahre voraus.) Im Auftaktroman zu ihrer Serie um den „Vampirdetektiv Jack Fleming“ machte sie Jack kurzerhand zum Vampir und ließ ihn im Chicago der 30er Jahre mit Hilfe seines neu gewonnenen Freundes Escott seinen eigenen Mord aufklären. Da Jack sich in Luft auflösen und Menschen durch Hypnose beeinflussen kann und darüber hinaus ziemlich unverwüstlich ist, wäre Escott – der eigentliche Detektiv – ein Dummkopf, würde er sich nicht Jacks Hilfe bei einigen brenzligen Fällen bedienen.

Doch ein klassischer Fall präsentiert sich in der Fortsetzung „Blutjagd“ zunächst nicht. Stattdessen beobachten wir Fleming dabei, wie er es sich in seiner vampirischen Existenz gemütlich macht. Bobbi, die Barsängerin aus dem Vorgängerroman, ist nun Jacks Freundin und erfreut sich an den speziellen Zuwendungen, die man von einem untoten Bettgenossen erfährt. Jack fühlt sich so wohl in dieser neuen Beziehung, dass er die Zeit für gekommen hält, seine Suchanzeige in den großen Zeitungen des Landes zu stoppen und Maureen aufzugeben. Sie war nämlich die Vampirin, die Jack durch ihren Biss verwandelt hat. Die beiden verband eine heiße Affäre, bis Maureen sich plötzlich absetzen musste. Seit fünf Jahren nun sucht Jack per Annonce nach ihr – bisher ohne Erfolg. Nun jedoch beschließt er, diesen Abschnitt seines Lebens als erledigt zu betrachten und die wöchentlichen Anzeigen einzustellen.

Doch offensichtlich hat er nicht damit gerechnet, dass dies einigen windigen Gestalten auffallen würde. So hängen sich plötzlich zwei unfähige Vampirjäger à la „Tanz der Vampire“ an seine Fersen, fuchteln mit Holzkreuzen vor seiner Nase herum und belästigen seine Familie. Außerdem taucht ganz plötzlich Maureens Schwester auf – mittlerweile über 70 Jahre alt und ebenfalls auf der Suche nach Maureen. Wie soll Jack die Vampirjäger loswerden, ohne sie zu töten? Und sagt Maureens Schwester tatsächlich die Wahrheit? Man kann sich sicher sein, dass Elrod im Verlauf einige Kehrtwendungen für den Leser parat haben wird. Langweilig wird es also garantiert nicht!

Wer zu Beginn des Romans den echten und geradlinigen Mordfall vermisst, der wird schnell entschädigt. P. N. Elrod legt mit „Blutjagd“ zwar erst den zweiten Teil ihrer Serie um Jack Fleming vor, doch schon hier taucht sie tief in die Geschichte der Vampirliteratur ein und flicht viele mehr oder minder auffällige Anspielungen in ihre Handlung ein. So verschlägt es (einen noch menschlichen) Jack Fleming in New York in den Buchladen eines Spinners, der okkulte Bücher sammelt. Fleming ist auf der Suche nach „Varney, the Vampire“ und zwischen ihm und dem Buchhändler entspinnt sich ein unterhaltsames Gespräch über die Existenz von Vampiren, die Frage, ob es Dracula wirklich gab und diverse Klassiker der Vampirliteratur. Ein echtes Fest für Fans des Genres!

Ebenso erheiternd ist das Zusammentreffen von Jack mit den beiden Vampirjägern, die offensichtlich Ted Brownings „Dracula“ einmal zu oft gesehen haben und vor Theatralik nur so strotzen. Vermutlich können sie es Jack auch nicht verzeihen, dass er nicht ständig im Theatercape herumläuft. Die beiden heften sich wie zwei Zecken an die Fersen des Vampirs, der eher amüsiert als wirklich verängstigt ist. Die Attacken des dynamischen Duos wehrt er mit Sarkasmus und Gutmütigkeit ab, doch die selbst ernannten Retter der Menschheit geben einfach keine Ruhe und schrecken schließlich auch nicht davor zurück, Unschuldige mit in den Tod zu reißen. Elrod rechnet hier mit dem Bild des Vampirjägers nach dem Muster von van Helsing ab. Für sie ist der Vampir nur ein Mensch mit besonderen Eigenschaften. Der Jäger aber ist das eigentliche Monster – nur fähig zu zerstören, was nicht so ist wie er, anstatt das Potenzial in dieser Andersartigkeit zu erkennen, wie z. B. Jacks Freund Escott es tut.

Und schlussendlich wird der treue Elrod-Leser auch den Protagonisten ihrer anderen, ebenfalls bei |Festa| veröffentlichten, Vampirserie hier wiederfinden. Jonathan Barrett nämlich, der sensible Gentleman-Vampir aus Long Island, taucht in den Erinnerungen von Maureens Schwester auf, da er bei Maureens Vampirwerdung eine entscheidende Rolle spielte. Man darf hoffen, dass er auch in zukünftigen Romanen kleine Auftritte haben wird, trägt dies doch zu der Attraktivität beider Romanserien bei.

P. N. Elrod ist ein echtes Phänomen. Jeder ihrer Romane ist ein Treffer mitten ins Schwarze und jedes Mal denkt man aufs Neue, dass man so gut schon lange nicht mehr unterhalten worden ist. Doch mit jedem Roman übertrifft sie sich selbst. Ihre Charaktere sind farbenfroh und nicht ohne Humor, ihre Handlung flott und immer vorwärts strebend. Neben Laurell K. Hamilton ist Elrod wohl die amerikanische Autorin, die dem Vampirgenre im Moment die meisten neue Impulse gibt. Es gilt hier also nicht, eine Leseempfehlung auszusprechen. Nein, stattdessen gibt es einen Lesebefehl! Kaufen, lesen, lieben!

|P. N. Elrod bei Buchwurm.info:|

[„Der rote Tod“ 821

[„Der endlose Tod“ 863

[„Der maskierte Tod“ 1582

[„Vampirdetektiv Jack Fleming“ 432

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Ian Rankin – So soll er sterben

Das geschieht:

Das Revier St. Leonard‘s im schottischen Edinburgh wurde umstrukturiert, die Kriminalpolizei ausquartiert. Detective Inspector John Rebus hat es nach Gayfield Square verschlagen. Dort ist er im Grunde überflüssig, denn seine Vorgesetzten möchten den querköpfigen Ermittler, der innerhalb der traulichen Filzokratie der Stadt immer wieder für Unruhe sorgt, endlich loswerden und aus dem Job ekeln. Wenigsten ist Detective Sergeant Siobhan Clarke, Rebus‘ Vertraute, mit ihm versetzt worden.

Sein aktueller Fall bringt Rebus nach Knoxland, ein heruntergekommenes Stadtviertel von Edinburgh. Die Ärmsten der Armen hausen in verkommenen Betonbauten. Noch weiter unten in der gesellschaftlichen Hackordnung stehen die Einwanderer und Asylanten, die von einer überforderten und gleichgültigen Verwaltung mit Rassisten und Fremdenhassern zusammengepfercht werden. Einen der ungeliebten Fremdlinge hat es erwischt: Stef Yurgii, ein kurdischer Regimekritiker, der vor der Ausweisung stand, wurde erstochen. Niemand hat etwas gesehen, will der Polizei etwas sagen oder wagt dies zu tun. Ian Rankin – So soll er sterben weiterlesen

Crouch, Blake – Blutzeichen

Zu schade, dass ich den ersten Teil von „Blutzeichen“, „Bruderherz“ betitelt, noch nicht kenne. Ein Umstand, den ich nach dem Konsum von „Blutzeichen“ schleunigst ändern werde, da die literarische Niederschrift seelischer Abgründe aus der Feder von Blake Crouch fesselnder nicht sein könnte. Meine Herren! Selten zuvor habe ich ein Buch derart verschlungen und dabei mehr als nur Blut und Wasser geschwitzt.

Andrew Thomas, Schriftsteller, geriet im Erstling in die psychopathischen Fänge seines Zwillingsbruders Orson, denen er nur mit viel Glück entrinnen konnte. Orson ist tot und Andrew mittlerweile in Alaska abgetaucht, da er für die begangenen Morde verantwortlich gemacht und polizeilich gesucht wird. Eines Tages erfährt Andrew, dass seine Ex-Freundin bestialisch ermordet wurde und in ihm keimt ein böser Verdacht: Orsons Helfer muss zurück sein, um die Arbeit seines Mentors zu vollenden. Luther Kite ist wieder da, und er wird seinen Weg unbarmherzig zu Ende gehen, wenn sich ihm niemand in selbigen stellt.

So weit die Rahmenhandlung des schweißtreibenden Nervenkitzlers, uns spätestens nach dem ersten Drittel des Buches nicht mehr aus seinen Pranken entlässt. Dabei lässt die Eiseskälte, mit der Luther seine Arbeit verrichtet, ein ums andere mal die Magensäfte brodeln. Es sei also zartbesaiteten Personen abgeraten, sich auf „Blutzeichen“ einzulassen.

Nach einem relativ besinnlichen Beginn dreht Crouch im Verlauf des Buches erbarmungslos an der Spannungsschraube. Wann und wie wird der Psychopath zuschlagen? Was wird Andrew dem entgegen setzen können und wird er am Ende sein Leben lassen müssen? In düsterer, nein, abgrundtief finsterer Atmosphäre graben sich die Seiten ins Gedächtnis und man kämpft unweigerlich gegen den inneren Schweinehund an, der einem das Ende des Tages befiehlt, da man am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrüh zur Arbeit muss. Ich konnte den Kampf eigentlich immer gewinnen, verschlang „Blutzeichen“ gierig bis zum Ende der Storyline. Und die hat es in sich …

Blake Crouch versteht es blind, eine psychologisch bedrückende Atmosphäre zu erschaffen, die im filmischen Sinne Meisterwerken wie etwa David Finchers „Sieben“ in nichts nachsteht. Desillusionierende Alltagsszenarien, Düsternis, Regen und ein Held, der scheinbar übermächtigen Gegebenheiten immer einen Schritt hinterherzuhinken droht. Nichts kann Luther aufhalten! Oder etwa doch?

„Blutzeichen“ ist eines dieser Bücher, die ich Thrillerfans blind ans Herz legen kann. Die Zeichen und Worte spielen geschickt auf der Klaviatur des Grauens und wälzen sich flächendeckend in der Bildsprache des Ekels. Hier ist ein kleiner Minuspunkt zu verzeichnen. Denn auch wenn ich die plastische Darstellung von exzessiver Gewalt als durchaus sinnvoll und dramaturgisch wirksam empfinde, denke ich dennoch, dass „Blutzeichen“ für das Gros der Leserschaft eine deutliche Spur zu heftig ist. Denn „Blutzeichen“ ist ein Paradebeispiel für literarische Grausamkeit und Brutalität in Wort und Schrift.

Wer einen starken Magen hat, nachts gut schlafen kann und mal wieder Bock auf eine wirklich deftige Thriller-Schlachtplatte hat, sollte die paar Kröten auf jeden Fall ausgeben und sich in eine Parallelwelt des Grauens schießen lassen, der man am besten in einem Lesemarathon am Stück erliegt. Ein Tipp noch am Rande: Kauft euch auch gleich noch den Erstling „Bruderherz“. Selbiges werde ich jetzt jedenfalls auch tun!

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Walters, Minette – Im Eishaus

Dieser Roman wurde 1992 ausgezeichnet mit dem |John Creasey Memorial Dagger|. In diesem Jahr erschien die Originalausgabe unter dem Titel „The Ice House“. Die deutsche Ausgabe erschien erstmals 1994 bei |Goldmann|. Die Übersetzung ins Deutsche stammt von Mechtild Sandberg-Ciletti.

|Handelt es sich bei der Leiche im Eishaus des englischen Landsitzes Streech Grange um die sterblichen Überreste des Hausherrn David Maybury? Seit zehn Jahren fehlt von ihm jede Spur und für die Dorfbewohner gibt es nur eine Erklärung: Phoebe Maybury hat ihren Mann umgebracht. Dass sie sich seit damals mit zwei Freundinnen zu einer geheimnisvollen Lebensgemeinschaft auf dem Landsitz zurückgezogen hat, erhöht das Misstrauen der Leute noch zusätzlich. Und auch Inspector Walsh ist überzeugt, Phoebe endlich den Mord von damals nachweisen zu können. Doch schon bald stellt sich heraus, dass der Fund der Leiche nicht genügt, um das dunkle Geheimnis von Streech Grange zu lüften.|

Minette Walters bewies bereits in diesem Debütroman „Im Eishaus“ ihre Fähigkeit, mehrdimensionale Charaktere zu erschaffen, und lässt darüber hinaus immer wieder geschickt Überraschungsmomente einfließen. Die Lebendigkeit ihrer Texte wird auch durch die Dialoge untermauert, die humorvoll immer eine Prise Ironie erkennen lassen.

„Im Eishaus“ war – nach [„Die Bildhauerin“ 1908 – der zweite Krimi von Minette Walters, den ich las, und hatte daher nach dem großartigen Bildhauerin-Band einen schweren Stand. So gut „Im Eishaus“ auch ist, er hat mich nicht gleichermaßen gefesselt. Dabei fängt er routiniert an:

Ein geheimnisvoller Leichenfund im alten Eishaus raubt den Bewohnern des Landsitzes Streech Grange die Ruhe. Ist der bis zur Unkenntlichkeit verweste Tote etwa David Maybury, der Gutsbesitzer, der vor zehnn Jahren spurlos verschwand und nie mehr auftauchte? Der seinerzeit ermittelnde Inspektor Walsh vermutete, dass die Ehefrau, Phoebe Maybury, ihren Gatten ermordete, konnte ihre Schuld aber nicht beweisen – eben weil keine Leiche gefunden wurde. Nun aber scheint er Phoebe Maybury endlich überführt zu können. Zur Seite steht ihm sein Assistent Sergeant Andy McLoughlin, der gerade von seiner Frau verlassen wurde.

Die Gerüchte um Mrs. Maybury werden immer weitgreifender. So soll sie nicht nur ihren Ehemann, sondern auch ihre Eltern beseitigt haben und mit ihren Freundinnen, der Innenarchitektin Diana Goode und der Journalistin Anne Cattrall, die seit knapp zehn Jahren mit in ihrem Haus leben, eine lesbische Beziehung haben. Auch gottlose Praktiken wie Hexenrituale und Satanskult werden den Frauen nachgesagt.

Einer Vorverurteilung steht also nichts im Wege. Die Dorfbewohner glauben allzu bereitwillig das, was sie glauben wollen. Nur die Aussage des Dorfplayboys passt nicht in das konstruierte Bild. McLoughlin beginnt an der Schuld der Verdächtigten zu zweifeln. Zu undurchsichtig ist das Gutachten des Gerichtsmediziners und zu einseitig sind die Ermittlungen seines Vorgesetzten Walsh. Als wäre das nicht genug, verliebt sich der Sergeant auch noch in die eigenwilligste der drei Frauen. Doch er behält den Überblick. Mit Verstand und Spürsinn gelingt es ihm in letzter Sekunde, einen Mord zu verhindern, und er entdeckt, welches Geheimnis Streech Grange verbirgt.

Dieser spannende, psychologisch vielschichtige Roman enthält alles, was der Leser von einem Krimi erwarten kann. Minette Walters weiß es vortrefflich zu unterhalten und den Leser auf falsche Fährten zu locken. Mal webt sie Indizien ein, die zu beweisen scheinen, dass der Tote der verschollene Maybury ist. Dann aber kommen Fakten ans Tageslicht, die genau das Gegenteil beweisen. Das hält den Spannungsbogen des Romans weitgehend konstant. Und das ohne bluttriefende Knalleffekte.

Die Charaktere sind interessant und mehrdimensional, besonders die Freundinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten! Ihre Stärken und Schwächen beleben den Roman zusätzlich. Aber auch McLoughlin ist ein wandlungsfähiger Charakter. Anfangs verspürt man noch ständig Lust, ihm die spitzen High-Heels in den Allerwertesten zu rammen, so verquer ist sein Auftreten. Und er hat den Spitznamen, den ihm Diana Goode gibt, redlich verdient. Er ist in der Tat ein „Muffel Macho“ – doch dem „Schrumpfhirn“ steht er tapfer entgegen. Denn gerade der Sergeant entpuppt sich als besonders gelungene Schlüsselgestalt der Handlung und wird immer mehr zur Hauptfigur, was dem Plot außerordentlich gut bekommt – besonders als McLoughlin beginnt, Walshs Arbeit kritisch zu beäugen, auch dessen Versuch, ihn zu manipulieren.

Minette Walters zeigt deutlich die menschlichen Abgründe auf, die wohl in jedem von uns schlummern – mehr oder weniger. Auch, wie schnell der „gute“ Nachbar von nebenan mit Verleumdungen und Vorurteilen bei der Hand ist. Ebenso bekommt die Yellowpress ihr Fett weg. Was mir bei Minette Walters immer wieder gefällt, ist die Tatsache, dass sie sich einer leicht verständlichen, wortwitzigen, aber nicht wortverliebten Sprache bedient. Dafür haben es ihre Handlungen und Charaktere umso mehr in sich. Und so sollte es sein.

Wer intelligente Krimilesekost konsumieren möchte, ist bei Minette Walters und somit auch bei diesem Titel an der richtigen Adresse!

Reginald Hill – Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das geschieht:

Dendales in der englischen Grafschaft Yorkshire, Sommer 1982: In dem abgelegenen entsteht ein Staudamm; in dem See wird der kleine Ort untergehen. Die Einwohner haben sich lange gewehrt, mussten letztlich aufgeben. Ihr Unmut wird jedoch nebensächlich, als in kurzem Abstand drei junge Mädchen spurlos verschwinden und ein viertes angegriffen wird. Angst und Misstrauen wachsen zu Panik und offenem Zorn, als es der Polizei nicht gelingt, die Kinder zu finden.

Für die Dorfbevölkerung ist der Schuldige bald gefunden: Benny Lightfoot, ein eigenbrötlerischer, wunderlicher junger Mann, der sich abseits der Gemeinschaft hält. Die Polizei vernimmt ihn, kann ihm aber nichts nachweisen. Wieder in Freiheit, setzt Benny sich ab. Niemand hat ihn seither gesehen. Dendales wird wie geplant geflutet. Die Einwohner ziehen in den Nachbarort Danby. Langsam gerät die Tragödie in Vergessenheit. Reginald Hill – Das Dorf der verschwundenen Kinder weiterlesen