Passionsgeschichte mit Seeschlacht
Januar 1742. Ein windschiefes Segelboot strandet an der Küste Brasiliens, an Bord 30 Männer, die einzigen Überlebenden des königlichen Eroberungsschiffs »The Wager«, das in einem Sturm zerschellt ist. Sechs Monate später: Drei Schiffbrüchige werden in Chile an Land gespült und erklären die 30 Männer zu Meuterern, die skrupellos gemordet hätten …
Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Das soll ein britisches Kriegsgericht entscheiden. Es geht um Leben oder Tod. David Grann spinnt aus dem Archivmaterial eines historischen Kriminalfalls eine packende und atmosphärisch dichte Abenteuererzählung. Schuld und Unschuld, Treue und Verrat liegen eng beieinander, und am Ende kommt eine schockierende Wahrheit zutage …. (Verlagsinfo)
Der Autor
DAVID GRANN, Jahrgang 1967, ist preisgekrönter Journalist und Sachbuchautor. Er arbeitet als Redakteur bei The New Yorker und veröffentlicht Artikel u.a. in The Washington Post, The Atlantic Monthly, The Wall Street Journal. Sein Buch Killers of the Flower Moon erschien auf Deutsch bei btb und wurde von und mit Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio verfilmt, die sich auch die Rechte an seinem neuesten Bestseller The Wager gesichert haben. The Wager stand wochenlang auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und schaffte es auf die Summer Reading List von Barack Obama.+++
Hinweis
Die deutsche Ausgabe enthält fünf Landkarten, Quellenangaben, eine Bibliographie und Unmengen von Anmerkungen, aber bedauerlicherweise keine einzige Personenliste. Daher ist es von Anfang an ratsam, selbst eine solche Personenliste anzulegen. Der Autor hat dieses Unterfangen mit mehreren umfangreichen Charakterisierungen unterstützt.
Handlung
Anno 1739 erklären Großbritannien und das spanische Imperium einander den Krieg. Es geht wieder mal um Kolonien und deren Ressourcen, die sie ausbeuten können. Großbritannien bietet die größte Flotte auf, die je zusammengestellt werden konnte. Ihr Zweck ist die Eroberung der mittelamerikanischen Kolonie Cartagena, um das Verschiffen der Silber- und Goldbarren aus den Minen Südamerikas an sich zu reißen.
Es gibt noch eine zweite, geheime Flotte, vielmehr ein Geschwader. Dessen Zweck ist ebenso geheim und besteht in Piraterie: Zielobjekt ist jenes spanische Schiff, dass alljährlich mit einer Silberladung von Lima aus zu den Philippinen segelt, um den lukrativen Asienhandel zu stützen. Wie sagt doch ein Mann der Navy in jener Zeit? „Es war die lukrativste Prise auf sämtlichen Weltmeeren.“ Fortan träumen alle Teilnehmer an dieser zweiten Expedition davon, einen Anteil an diesem Reichtum zu ergattern. Es soll anders kommen.
Ansons Flotte
Die kleine Flotte von Kommodore Anson sticht mit 2000 Mann an Bord bereits mit einem Jahr Verspätung von Portsmouth aus in See und ist dank der Ausbesserungsarbeiten froh, nicht sofort abzusaufen. Der Schiffsbohrwurm leistet bei nicht rechtzeitig reparierten Schiffen stets gründliche Arbeit. Die „Wager“, um die es im Bericht geht, ist ein umgebautes Frachtschiff der Ostindien-Kompanie, das aus Deptford an der Themse zum Rest der Flotte stößt. Sie hat sämtlichen Sprengstoff des Geschwaders an Bord. Flaggschiff ist hingegen die große „Centurion“, auf der der ehrgeizige, schottische Oberleutnant David Cheap Dienst tut. George Anson, 42 Jahre alt, und David Cheap, Anfang 40, sind rechtschaffene Männer, doch die Umstände und das Wetter arbeiten gegen sie.
Der Plan ist, das Kap Hoorn zu umrunden und an der Westküste Südamerikas so weit nach Norden zu segeln, bis jenes spanische Silberschiff abgefangen werden kann. (Francis Drake suchte ebenfalls danach und gelangte dabei bis nach Alaska.) Allerdings ist das Kap berüchtigt für seine wilden Stürme, die ab einem Breitengrad von 40 Grad Süd auftreten: Die Roaring Forties sind bereits das Grab vieler Schiffe geworden. (Wer an den Film „Master and Commander“ mit Russell Crowe denkt, bekommt die widrigen Umstände hautnah präsentiert.)
Der Fähnrich
Der 16-jährige John Byron ist ein freiwilliger, also nicht zwangsrekrutierter Matrose, der aus gutem Hause stammt. Die Byrons gibt es schon seit der Invasion der Normannen anno 1066. Im Orlopdeck hat er eine eigene Hängematte, allerdings befindet sich diese direkt über dem übelriechenden Abwasser der Bilge. Das Orlopdeck muss im Notfall auch als Operationssaal dienen. Dieser Notfall tritt in der Regel nach einem Seegefecht ein, so etwa bei einem der 200 Seesoldaten, die das Geschwaders begleiten.
Madeira
Nach drei Monaten erreicht die Flottille die portugiesische Insel Madeira. Dort erleidet Kommodore Anson zwei Rückschläge: Kapitän Norris von der „Severn“ tritt wg. Krankheit von seinem Amt zurück und muss ersetzt werden. Das ganze Revirement führt dazu, dass David Cheap das Kommando über den schnellen Aufklärer „Trial“ erhält. Kaum ist Norris an Land und im Hospital, erhält Anson die Nachricht, dass Schlachtschiffe der Spanier westlich Madeiras schon auf die Flottille lauern. Er ist zum Gejagten geworden, weil ein Verräter in der Leitung der Navy lukrative Geheimnisse weitergegeben hat.
Santa Catarina
Durch das Fleckfieber hat Anson bereits 160 von 2000 Mann verloren, bevor er drei Monate später an der Insel Santa Catarina anlangt, einem Eiland, das der brasilianischen Küste vorgelagert ist und vor allem von entflohenen Verbrechern bewohnt wird. Weil niemand die Ursache für das Fieber kennt, kann keiner der Ärzte es bekämpfen, so dass laufend weitere Opfer zu beklagen sind. Weil Kapitän Kidd auf der „Wager“ dem Fieber erlegen ist, kann David Cheap nun seine Nachfolge antreten.
Der Stückmeister John Bulkeley, der für die Gefechtsbereitschaft zuständig ist und noch eine wichtige Rolle spielen wird, schreibt in sein Logbuch, dass sich Cheap erst noch bewähren müsse. (Es ist eines der wenigen Logbücher, das nicht der Admiralität übergeben wurde und stellt somit eine wichtige Quelle dar.) Bevor Anson weitersegeln kann, kehrt die vermisste „Pearl“ zurück. Sie ist der spanischen Flotte um Haaresbreite entgangen. Anson wird erneut klar, dass er der Gejagte ist.
In den Sturm
Die Roaring Forties tragen ihren Namen nicht umsonst: Brüllende Winde werden von haushohen Wellen begleitet., deren Schaum sich allmählich in Eiszapfen verwandelt. Weil Anson die Magellanstraße wegen ihrer Untiefen vermeidet, muss er in die Drakestraße, die Feuerland von der Antarktis trennt. Die Tortur dauert wochenlang, doch nun kommt etwas viel Unheimlicheres hinzu: eine Krankheit, die die stärksten Männer von innen zersetzt. Es ist der Skorbut. Die Todesrate steigt, je nach Größe der Besatzung, auf 50 bis 75 Prozent. Am Schluss ist kaum noch jemand übrig, um das Steuer zu führen und die Segel auszurichten.
Verirrt
Die „Wager“ verliert den Anschluss an den Rest des Geschwader, doch weil Ansons Geheimbefehl an Cheap lautete, den chilenischen Hafen Valdivia anzugreifen, lässt Cheap weiter nach Norden segeln. Als Land in Sicht kommt, lässt er noch rechtzeitig eine Kehrtwende einleiten. Im „Golf der Schmerzen“ gerät die „Wager“ in eine Untiefe nach der anderen, bis sie zwischen zwei Felsen feststeckt. Glücklicherweise ist eine Insel in Sicht, so dass die überlebende Besatzung mit den vier Beibooten ausgeschifft werden kann. Doch ein Bruchteil der Männer hat die letzten Alkoholvorräte entdeckt und vernichtet sie systematisch durch Einverleibung. Diese Leute bleiben an Bord, obwohl der Rumpf auseinanderfällt und überflutet ist. Obwohl er sich die Schulter bei einem Sturz gebrochen hat, schafft es Cheap auf die Insel, wo ein kaltes und nasses Lager errichtet wird.
Gestrandet
Es muss hier Eingeborene geben, denkt John Byron. In einer Aushöhlung landeinwärts liegen Lanzenspitzen. Auch eine Art Ungeheuer knurrt im Unterholz, so dass der Suchtrupp den Rückzug antritt. Eindeutig sind sie auf einer Insel gestrandet, die nur wenige Kilometer Länge und Breite aufweist. Entschlossen übernimmt David Cheap als Kapitän die Führung und lässt als erstes die Kriegsartikel verlesen: Aufrührerischen Reden und Handlungen werden mit dem Tode bestraft. Das hindert ihn aber nicht daran, eben jene Aufrührer unter Bootsmann King von Bord der „Wager“ zu holen und seinen Reihen einzugliedern. Diese Reihen sind schon stark ausgedünnt, und wegen Skorbut und Hunger sterben laufend weitere Männer. Immerhin lindert der Verzehr von Wildem Sellerie den Skorbut, und Fischfang bringt Proteine in die ausgemergelten Körper.
Die Wilden
Eingeborene kommen in Sicht. Weil Nahrung extrem knapp geworden ist, erweist Cheap den Eingeborenen in ihren Kanus größte Freundlichkeit. Sie nennen sich Kawesqar, also „Menschen, die sich in Felle hüllen“, und genau das sind sie: Sie tragen meist Robbenfelle, ihre Utensilien sind von Walen. Spiegel hingehen verblüffen sie. Als sie wiederkehren, bringen sie sogar drei Schafe mit. Die müssen sie woanders eingehandelt haben. Sie zeigen den Gestrandeten, wie man mit einfachsten Mitteln Hütten errichtet. Ohne die Kawesqar hätten die Schiffbrüchigen nicht lange durchgehalten.
Dennoch macht sich die Aufsässigkeit von Kings Rebellen unterschwellig bemerkbar, und die Kawesqar kehren nicht wieder. Nur einen ihrer vielen Hunde haben sie vergessen, und der wird John Byrons bester Gefährte. Doch Not kennt keine Gebot, und als die anderen kommen, um auch den Hund zu schlachten, kann sich auch Fähnrich Byron, mittlerweile 17, nicht zurückhalten, um zuzubeißen.
Meuterei
Binnen eines Monats kommt es zur Bildung separater Lager in der kleinen Kolonie auf Wager Island. Stückmeister Bulkeley ist vorbildlich gegenüber seinen Anhängern, die er versorgt, aber auch gegenüber Kapitän Cheap, der das Zelt mit den Vorräten kontrolliert (zumindest halbwegs): Bulkeley versichert Cheap stets seiner Loyalität, auch wenn es damit nicht weit her ist. Ein weiteres Lager von Separatisten existiert unter l und unter dem Seesoldaten Pemberton. Als mehrere Diebe von Vorräten ertappt und gestellt werden, kennt Cheap nur eine Gnade: Er lässt sie nicht auf der Stelle erschießen, sondern öffentlich auspeitschen und anschließend auf einer vorgelagerten Insel aussetzen.
Das kann die unausweichliche Meuterei nicht aufhalten, denn der Hunger, der die Männer plagt und für den sie Cheap verantwortlich machen, ist viel zu groß. Die Vertrauenskrise erreicht ihren Höhepunkt, als es zu einer Verkettung von Missverständnissen kommt, in deren Verlauf Cheap schließlich den Matrosen Cozens ohne Vorwarnung in den Kopf schießt. Trotz einer sofortigen Operation stirbt der Mann 14 Tage später, und sein Tod wird Cheap angekreidet. Der Kapitän gilt nun als Mörder. Im Gegenzug gewinnt Bulkeley mehr Sympathisanten und aktive Unterstützer.
Hoffnung
Der Bootsbauer schlägt vor, die Barkasse der „Wager“, das größte der vier Beiboote, zu verlängern, um es für eine Langstreckenfahrt seetüchtig zu machen. Cheap ist sofort dafür, und so packen auch viele weitere hoffnungsvolle Hände mit an, um die „Arche“ zu vollenden. Doch es gibt zwei völlig widersprechende Pläne, wohin die Fahrt gehen soll. Cheap will die ursprüngliche Mission ausführen, 560 km zur chilenischen Insel Chiloe im Norden segeln, ein Schiff kapern und sich damit zu Kommandant Ansons Piratenflotte aufmachen.
Nur Cheaps Unteroffiziere können sich für dieses verwegene Himmelfahrtskommando begeistern. Bulkeley hat sich von John Byron Cheaps Exemplar des Tagebuchs von Kapitän Narborough ausgeliehen. Dieser englische Seemann beschreibt nicht nur Patagonien detailliert, sondern auch die tückische Magellanstraße. Diese stellt für flache Boote eine machbare Passage dar, die weit am Kap Hoorn und der stürmischen Drakestraße vorbeiführt. Auf der argentinischen Seite würde die Route dann weiter ins neutrale Brasilien führen, insgesamt rund 5000 Kilometer.
Doch es erfordert eine veritable Meuterei gegen den Kapitän und dessen Gefangensetzung, bevor die Männer um Bulkeley im Oktober 1741 mit einer Flotille von drei seetüchtig gemachten Booten zur Magellanstraße aufbrechen können. Byron schließt sich ihm erst, kehrt dann aber wieder zurück. Cheap jedoch weiß, dass es äußerst wichtig ist, der Version der Wahrheit, die Bulkeley in England verbreiten wird, etwas entgegenzusetzen. Daher schmiedet er selbst einen Plan, um Wager Island zu verlassen: Richtung Chile. Es wird ein Kampf um Leben und Tod, und erst weitere Eingeborene können die Cheap-Partei nach Norden zu den Spaniern in Valdivia geleiten.
In den Jahren danach erscheint eine Partei nach der anderen in London, und jede verbreitet eine andere Version der Wahrheit. Mittlerweile hat die Kriegsmarine einen Ruf zu verlieren. Daher ist schließlich im April 1746 ein Gerichtsprozess unvermeidbar.
Mein Eindruck
Dem Autor ist es gelungen, aus einer simplen Piratenfahrt ein gewaltiges Abenteuer zu machen, das nichts weniger als die gesamte europäische Kolonisationsgeschichte und den globalen Imperialismus auf den Prüfstand stellt. Er lässt an beidem kein gutes Haar, und die Leidtragenden dieser verhängnisvollen Trends sind nicht bloß die unterworfenen und vernichteten Völkerschaften, sondern auch die dienenden Handlanger. Simple Matrosen, aber auch Offiziere, die mal mehr, mal weniger kompetent waren, aber in Massen bei diesen Unternehmungen draufgingen.
Die gesamte Geschichte hat der Autor fein säuberlich in mehrere große Komplexe unterteilt, damit der Leser den Überblick behält, und diese wiederum mit wechselnder Perspektive in Abschnitte unterteilt. Diese Vielfalt sorgt dafür, dass möglichst wenig Langweile oder gar Leerlauf aufkommt. Mit Vergnügen liest der Leser daher die eingehende Schilderung von Ansons Seeschlacht gegen das spanische Silberschiff – eine fette Prise obendrein (die ihn an die Spitze der Admiralität katapultiert). Immerhin vergehen ja in der erzählten Zeit viele Monate, wenn nicht sogar Jahre, bis alle Überlebenden wieder in England zusammenkommen, um in Portsmouth auf einem Flaggschiff den Prozess gemacht zu bekommen. Von ursprünglich 2000 Mann Besatzung sind weniger als 100 übrig.
Schon anhand der Zeitraffung in gewissen Passagen lässt der Autor erkennen, worauf es ihm besonders ankommt: War es wirklich eine Meuterei, die Bulkeley anzettelte? War es wirklich Mord, den Cheap an Cozens beging? Und gab es wirklich Kannibalismus auf Wager Island? Weil es so viele, einander widersprechende Quellen aus dem 18. Jahrhundert gibt, muss der Autor mit spitzem Finger auswählen und alle diese Ungeheuerlichkeiten möglichst plausibel belegen.
Die ganze Geschichte ist dramatisch aufbereitet. Das Drama wiederum fordert ein moralisches urteil. Als dieses in jeder Hinsicht beim Prozess ausbleibt, ist es Aufgabe des Lesers, ein gerechtes Urteil zu fällen. Doch worin besteht Gerechtigkeit und gegenüber wem? An Ungerechtigkeiten besteht zumindest kein Mangel: der zu Skorbut führende Vitaminmangel, die brutalen Kriegsgesetze, die zerfallenden Schiffe, das erbarmungslose Wetter am Kap Hoorn und vieles mehr.
Wenn es Gerechtigkeit geben soll, dann auch mindestens ein oder zwei Helden. Bulkeley, der tiefgläubige Stückmeister, böte sich als Held an, denn ihm gelingt es, einen Teil der Besatzung – mehrere Dutzend Männer – bis ins neutrale Brasilien zu navigieren, rund 5000 Kilometer. Doch Moment mal: Er ist ein Meuterer und hat sich damit selbst als Held disqualifiziert. Und Byron ebenso, der sich ihm erst anschließt, dann aber zu Cheap zurückkehrt. Kann wenigstens Cheap ein Held sein? Als Mörder wohl eher nicht. Wo man auch sucht, Helden sind hier nirgendwo zu finden. Und Humor schon gleich gar nicht, dafür ist die Erzählung viel zu grimmig.
Die Übersetzung
Das Buch erscheint auch bei uns in hochwertiger Ausstattung mit einer Bildstrecke aus farbigen Abbildungen, mit fünf Karten und einem Lesebändchen. Quellenangaben, eine Bibliographie und Unmengen von Anmerkungen sind enthalten, aber bedauerlicherweise keine einzige Personenliste. Die Übersetzung ist erstklassig.
Der Originaltitel ist übrigens ein doppeldeutiges Wortspiel. Mit „wager“ ist nicht bloß das titelgebende Schiff gemeint, sondern auch eine Wette.
S. 56: „ist ein[e] irrige Vorstellung“: Das E fehlt.
S. 128: „aus einer zwölf Meter lange[n] Spiere“ Das N fehlt.
S. 229: „stimmte er zu, dürfte er weiterhin Kapitän bleiben“: Statt „dürfte“ sollte es besser „mochte“ heißen.
S. 266 + 274: „die Strömung, die mit bis zu acht Knoten setzt“: Dieses ungewohnte „Setzen“ einer Strömung ist wohl korrekt, zumindest in der nautischen Sprache. Nautische Begriffe durchtränken die gesamte Sprache des Buches. Wer, wie ich, eine Rah nicht von einer Spiere oder einem Rigg unterscheiden kann, der muss alles in der Wikipedia oder auf Google nachschlagen. Eine Risszeichnung wäre hilfreich gewesen
Unterm Strich
Ich habe – mit Pausen – Monate gebraucht, um dieses Buch bewältigen. Selber schuld: Ich machte in der Passage, die auf Cozens „Ermordung“ und Bulkeleys Meuterei folgt, eine Pause von mehreren Monaten. Die restlichen gut hundert Seiten schaffte ich dann in zwei Tagen. Dramaturgisch gesehen fällt meine Pause mit dem Tiefpunkt der Entwicklung des Dramas überein. Wie soll da nun Hoffnung auf eine Besserung aufkommen, fragte sich wohl mein Unterbewusstsein und sah sich nach packenderem Stoff um: Drei Actionthriller von David Baldacci waren ratzfatz weggelesen.
Das letzte, relativ interessante Stück der Geschichte findet in England statt. Vor dem Prozess veröffentlichen Bulkeley und Co. ihre jeweiligen Versionen der Wahrheit. Der Stückmeister ist völlig abgebrannt, bekommt keine Heuer mehr gezahlt und braucht dringend Kleingeld. Da er der einzige mit einem intakten Logbuch ist, kann er alsbald den „Schreiberlingen“ in der Verlagspresse – die nach verkauften Stückzahlen bezahlt werden – ein schier lückenloses Bild von der „Meuterei“, dem „Mord“ und vielem anderen zeichnen. Andere ziehen nach, so dass die Erwartung besteht, dass Prozess alles klärt und Schuldige bestraft werden. Die Überraschung ist – außer bei Sir Anson – groß, als nichts dergleichen passiert… Mehr darf nicht verraten werden.
Alles in allem hat sich die Lektüre doch noch gelohnt. Ein Abenteuergarn à la „Master & Commander“ kann man sich jedoch bei dieser Dokufiction dennoch nicht erwarten. Es gibt nur eine Seeschlacht, aber sehr viel Leid und Elend.
Gebunden: 430 Seiten.
O-Titel: The Wager, 2023
Aus dem Englischen von Rudolf Mast.
ISBN-13: 978-3570105467
Der Autor vergibt: