Cobley, Michael – Schattenkönige

Michael Cobley ist ein junger britischer Fantasy-Autor, der sich auf der Insel einen Namen als Herausgeber verschiedener Magazine gemacht hat. Sein erster Roman „Schattenkönige“ scheint auf den ersten Blick dem üblichen, britischen Geschmack für düstere Fantasy zu entsprechen:

Vor sechzehn Jahren überrannten die wilden Horden der Mogaun das Kaiserreich Kathrimantine, das seit dieser Zeit ohne Kaiser und Militär von willkürlich und gewalttätig herrschenden Kriegsherren geplagt wird. In dieser chaotischen Zeit befreit die junge Schwertkämpferin Keren Asherol den jungen Tauric aus den Händen ihres immer brutaler und maßloser werdenden Anführers Byrnak. Damit setzt sie eine unheilvolle Kette von Ereignissen in Gang, denn der Junge ist der letzte Spross des gefallenen Kaisers. Lordkommandeur Ikarno Mazaret und seine Hand voll Rebellen benötigen ihn als Thronerben und Galionsfigur für den Kampf gegen die Legionen der Schattenkönige. Zu allem Überfluss gehört auch ihr ehemaliger Kommandant Byrnak zu den sagenumwobenen Fünf, deren erklärtes Ziel es ist, ihren Gott, den Herrscher des Zwielichts, in die Welt zu holen …

_Ein altbekanntes Schema_

Einen Innovationspreis erhält Cobley für diese Rahmenstory sicher nicht. Einzig die Ausführung dürfte von Interesse sein, der Rest ist altbekannt. Halt – einige Extras hat sich Cobley ausgedacht. Ich möchte sie nicht im Einzelnen aufzählen, im Wesentlichen handelt es sich um den Unterschied zwischen der destruktiven Natur der Magie des so genannten |BrunnQuells| der Schattenkönige im Gegensatz zu der heilenden Magie der |ErdenMutter|. Leider steigert das weder die Tiefe seines Götter-Pantheons noch ist die Umsetzung in irgendeiner anderen Weise gelungen. Für die Ausdrücke |ErdenMutter|, |VaterBaum| und |JägerKinder| kann man dem bekannten Übersetzer (Wolfgang Thon) nicht den schwarzen Peter zuschieben, ebenso wenig für die karge Sprache Cobleys.

Karg beschrieben und ausgesprochen blutleer präsentieren sich alle Charaktere dieses Romans. Am ehesten könnte man Keren Asherol, der Schwertkämpferin, einen Ansatz von Persönlichkeit zugestehen, nämlich den einer von der Schlechtigkeit der Welt angewiderten Kriegerin. Vom blassen Tauric, der urplötzlich Tausende begeistern kann, sowie Lordkommandeur Mazaret kann man sich kaum ein Bild machen. Am ehesten noch von dem Schattenlord Byrnak, der das Potenzial zu einem interessanten Antagonisten gehabt hätte. Doch Cobley verwendet weder sprachlich noch in sonstiger Weise viel Worte oder Mühe, seinen Figuren auch nur Ansätze von Tiefe oder Charakter zu geben.

Wendet man sich hoffnungsvoll dem Szenario zu, einer düsteren, apokalyptischen Welt, sieht es ähnlich aus: trostlos. Diese Welt ist genauso leer, wie ihre Charaktere unterentwickelt sind. Einzig die sich untereinander nicht ganz grünen Schattenkönige geben ihr ein wenig Würze. Über die Mogaun selbst erfährt man – außer dass sie dem Schamanismus huldigen – so gut wie nichts. Geschmackssache sind die jedem Kapitel vorangestellten Lieder und Zitate historischer Personen. Sie könnten dem Buch eine nicht vorhandene Tiefe geben, auf mich persönlich wirkten sie allerdings wie pseudointellektuelle Binsenweisheiten des Autors. Wer auf Schlachten oder Action hofft, sollte seine Erwartungen auch herunterschrauben: Wirre, dürftig beschriebene Scharmützel in dem unnachahmlich kargen Stil Cobleys können nicht einmal dem hartgesottensten „Swords & Sorcery“-Fan mehr als ein Stirnrunzeln entlocken.

_Fazit_

Ein auf ganzer Linie enttäuschendes Buch, von dem man nur abraten kann. Blasse Charaktere und Cobleys enervierend karger, geradezu lustloser Erzählstil versetzen dem zumindest vom Szenario her etwas mehr versprechenden Roman den Todesstoß. Wer auf einen neuen Gemmell, Stackpole, Salvatore oder Erikson gehofft hat, dem sei gesagt: Selbst ihre schlechtesten Werke übertreffen dieses noch bei weitem. Um so erstaunlicher ist es, dass „Schattenkönige“ der Auftakt einer Trilogie ist – im August erscheint die Fortsetzung „Schattengötter“, der abschließende Band „Schattenkrieger“ ist für März 2006 geplant. Wer Interesse an dieser Art der Fantasy hat, sollte besser den Klassiker „The Black Company“ von Glen Cook, David Gemmells Drenai-Saga oder James Barclays [„Chroniken des Raben“ 892 lesen.

Homepage des Autors:
http://www.michaelcobley.com/

C. V. Rock – Die Göttin des Todes

rock-goettin-cover-kleinEiner in Afrika geraubten Götzenfigur fallen in New Orleans Pechvögel gleich serienweise tot vor die Holzfüße. FBI-Agent Willard hegt den Verdacht, dass weltliche Schurkentücke im Spiel ist … – Neuauflage eines Heftkrimis, verfasst von einem Pionier des deutschen Trivialromans; die Story weist sämtliche Vorzüge (geradlinige Handlung, angstfreier Umgang mit dem einfach nur Spannenden) und Nachteile (stilistische Armut, staubige Klischees) dieser Gattung auf, kann aber unter Berücksichtigung des Nostalgiefaktors durchaus unterhalten.
C. V. Rock – Die Göttin des Todes weiterlesen

Merkel, Rainer – Gefühl am Morgen, Das

Mit „Das Gefühl am Morgen“ legt Rainer Merkel seinen zweiten Roman vor. Für sein Erstlingswerk „Das Jahr der Wunder“ erhielt er 2001 den Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung. Er hat sich also viel Zeit für den Nachfolger gelassen, der erstaunlicherweise mit 150 Seiten Umfang auch recht kurz ausfällt.

Auf dem Buchumschlag wird „Das Gefühl am Morgen“ als Liebesgeschichte, die zwischen „Rausch und Zögern schwankt“, angepriesen. Doch die Erzählung als bloße Liebesgeschichte abzutun, wäre leichtfertig, denn einerseits ist das hier keine normale Liebesgeschichte, von der man Leichtigkeit und Pathos erwartet. Zumdem steckt hier noch mehr drin: „Das Gefühl am Morgen“ ist, wie es in der neueren deutschen Literatur doch häufig vorkommt, eine Erzählung, die sich mit dem Thema der 68er Generation und deren Folgen auseinandersetzt. Der „Held“ der Geschichte, Lukas, ist wie seine Partnerin Laura Kind von Eltern eben jener Generation, wobei man über die Familienzustände Lauras nichts erfährt. Generell wird der Leser hier in vielen Dingen im Unklaren gelassen. Der auktoriale Erzähler heftet sich ganz an Lukas und gibt trotzdem nicht alles wieder. Lange Ausflüge in die Gedankenwelt gibt es ebenso wenig wie Beschreibungen von Äußerlichkeiten.

Kennen gelernt haben sich die zirka 20-Jährigen auf einem langen Gang im Westberliner (die Erzählung spielt in den Achtziern) Studentenwohnheim Schlachtensee. Er war fasziniert von dem seltsamen Rhythmus ihrer Bewegungen, sie trat daraufhin ohne Grund in sein Zimmer. Man verbrachte die Nacht zusammen und kam nicht mehr voneinander los. Doch etwas stimmt da nicht: Wer an Liebe denkt, der denkt an Leichtigkeit, nervöses Kribbeln und Albernheiten. Die fehlen hier. Träge wirken beide, sie geht nicht gern aus, denn „das ist doch Zeitverschwendung“, er versucht sie zu beeindrucken, doch die gestelzten und konstruierten Sätze wirken fehl am Platz.

Das im Titel verwendete Wort „Gefühl“ wirkt im Hinblick auf diese Beziehung fast schon zynisch. In seiner Trägheit wirken die beiden Charaktere taub; sich als Leser in die Protagonisten „einzufühlen“, ist fast eine Unmöglichkeit. In Merkels Bemühungen, das Ganze vage zu halten, wirkt die Geschichte doch etwas konstruiert und aufgesetzt. Die Flachheit der Charaktere und die ständige Unklarheit über die Situationen (ob Lebens- oder Liebessituation der Protagonisten) stört den Lesefluss zusätzlich. „Das Gefühl am Morgen“ ist ein anstrengendes Vergnügen. Doch wer sich müht, wird tatsächlich auch belohnt. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto klarer wird, dass Merkel hier mehr im Auge hatte als eine bloße Liebesgeschichte. Bald kommt Lukas` Vater, ein hoch angesehener Psychoanalytiker, hinzu. So wird dem Leser die Tür zu einer interessanten Familienwelt geöffnet, zumindest einen Spalt weit. Denn auch hier wird keine Klarheit gegeben. So heißt es, dass Lukas‘ Mutter in Kalifornien lebt, mit seinem Bruder. Der Kontakt zur Mutter ist jedoch nur sporadisch, auch das Verhältnis von Vater und Mutter wird nicht aufgelöst. So bekundet der Vater zwar seine Zuneigung, lebt aber in Berlin und scheint gelegentlichen Affären auch nicht abgeneigt zu sein. Zudem scheint die Mutter den in Kalifornien lebenden Bruder zu überfordern, sie reist umher, scheint gesundheitliche Probleme zu haben und verprasst ungehemmt Geld.

Die Beziehung zwischen Lukas und seinem Vater ist eine sehr interessante. Der Sohn scheint eine gewisse Abneigung zu haben, sagt zu Laura, dass er ihn nur analysiere und für eine „Idee“ halte. Was das zu bedeuten hat, bleibt ungewiss. Feststeht, dass der Sohn in absoluter Abhängigkeit zu seinem Geldgeber steht. Der ist auch ganz spendabel, gibt Geld und psychologische Ratschläge freigiebig, was nichts daran ändert, dass auch diese Beziehung kalt bleibt.

Es ist eine schemenhafte Welt, in die uns Merkel hier entführt. Die Achtzigerjahre, die in den letzten Jahren ein Comeback erlebten, wirken hier alles andere als berauschend. Einschläfernd, ermüdend und trist ist das Bild, das man von der Welt und den Protagonisten bekommt. Geradezu lethargisch lässt Merkel seinen Lukas durch diese Welt stolpern, ohne Ziel und Energie. Er studiert Ethologie, ohne zu wissen, welchen Sinn das hat. Er scheint auf etwas zu warten, doch letztendlich verpasst er auch die Gelegenheit zu schätzen, was er hat. So zerbricht die Beziehung schließlich an der ungeplanten Schwangerschaft Lauras. Die bemerkt während eines Spaziergangs: „Wir laufen in die falsche Richtung.“ Einen anderen Weg zu gehen, das fällt aber keinem von beiden ein.

„Das Gefühl am Morgen“ ist eine interessante Erzählung, die aber Geduld braucht und es leider auch verpasst, den Leser zu unterhalten. Dafür lässt sie ihn auch noch nach der letzten Seite lange nachdenken, und das nicht nur über die Liebe.

Jungstedt, Mari – Näher als du denkst

Seit der schwedische Autor Henning Mankell seinen Erfolgskommissar Kurt Wallander außer Dienst gestellt hat, ist so mancher Freund des so genannten „Schwedenkrimis“ auf der Suche nach einem Ersatz(anti)helden. Wallander hinterlässt nun einmal eine ziemlich große Lücke. Eine recht hoffnungsvolle Vertreterin des gleichen Genres ist die Schwedin Mari Jungstedt. Doch auch ihr ermittelnder Kommissar Anders Knutas ist kein Wallander-Ersatz. Das ist trotzdem kein Grund zur völligen Resignation, denn Knutas, den sie in ihrem mittlerweile zweiten Krimi „Näher als du denkst“ an die Spitze ihres Ermittlerteams stellt, macht keine allzu schlechte Figur.

Handlungsort von Jungstedts Krimiromanen ist das beschauliche Gotland vor der Küste Schwedens. Es ist November, der trostloseste und düsterste Monat des Jahres, als die Leiche von Henry Dahlström gefunden wird. Dahlström war ein stadtbekannter Säufer, der sich früher einmal als erfolgreicher Fotograf verdingt hatte, bis er dem Alkohol verfiel. Nun wird er mit eingeschlagenem Schädel in seiner Dunkelkammer gefunden. Ein Streit unter Alkoholikern? Oder steckt mehr hinter dem Mord?

Wenig später verschwindet die 14-jährige Fanny spurlos. Nicht nur Kommissar Anders Knutas muss sich mit seinem Team nun die Frage nach einem Zusammenhang zwischen beiden Fällen stellen. Auch der Journalist Johan Berg, der als Lokalreporter für das Fernsehen nach Gotland reist, stellt sich diese Frage. Berg kann mit seiner Arbeit ein wenig zum Voranschreiten der Ermittlungen beitragen, doch in welche Richtung sich die Ermittlungen entwickeln, ahnt auch Anders Knutas erst zu spät. Und plötzlich wird die Situation für den Kommissar brenzlig …

Das vollmundige Lob der |Hörzu| im Klappentext stimmt hoffnungsvoll. „Ein echter Schwedenkrimi: spannend, hart und doch einfühlsam“, heißt es dort. Das kann man größtenteils durchaus so stehen lassen, auch wenn diese Art der Lobpreisung bei näherer Betrachtung ein wenig dick aufgetragen erscheint. Dennoch, es ist ein solider Krimi, den Mari Jungstedt abgeliefert hat. Spannung ist da garantiert.

Obwohl mir die Kenntnis ihres ersten Romans „Den du nicht siehst“ fehlt, ist es offensichtlich, dass Jungstedt ihre beiden Romane als sich fortsetzende Reihe aufbaut. Immer wieder nimmt sie Bezug auf Ereignisse, die vor den im Buch geschilderten liegen. Der Fall des ersten Romans findet hier und da immer mal wieder Erwähnung und auch die Figuren weisen eindeutig eine sich fortentwickelnde Geschichte auf. Da kann es durchaus ratsam sein, vor der Lektüre von „Näher als du denkst“ zum Erstlingswerk zu greifen, zumindest, wenn man sich die Spannung erhalten will. All denjenigen, die Mankells Wallander-Romane in der falschen Reihenfolge gelesen haben, dürfte diese Problematik bekannt vorkommen.

Der Romanaufbau hat es durchaus in sich. Jungstedt entwickelt viele Figuren und wechselt immer wieder die Perspektive. Das ergibt eine teils recht sprunghafte Erzählweise, bei der man zu Anfang erst einmal im Geiste die Figuren sortieren muss, zeigt aber auch sehr deutlich, dass Jungstedt ihre Charaktere sehr wichtig nimmt. Sie legt ein deutliches Gewicht auf zwischenmenschliche Dinge. Der eigentliche Fall wird dadurch immer mal wieder an den Rand gedrängt.

Besonders ausführlich wird der Journalist Johan Berg beleuchtet. Berg wird zwischendurch mehr oder weniger zur heimlichen Hauptfigur. Jungstedt legt zum Teil ein deutliches Gewicht auf die Arbeit der Presse in dem Fall, was kein Wunder ist, denn schließlich kann sie als Journalistin und Nachrichtensprecherin für das schwedische Fernsehen hier Erfahrungen aus erster Hand einfließen lassen. An der Authentizität des Geschilderten gibt es also gerade mit Blick auf die Pressearbeit keinen Zweifel, so dass der Roman eine durchweg glaubwürdige Note erhält.

Besonders intensiv betrachtet Jungstedt das Verhältnis zwischen Johan Berg und der Gotländerin Emma. Zwischen den beiden besteht eine schon im Vorgängerroman entstandene, reichlich verzwickte Liebesgeschichte, der sich Jungstedt sehr ausführlich widmet. Im Vergleich dazu kommt die eigentliche Hauptfigur Anders Knutas schon fast ein bisschen zu kurz. Knutas ist ein Mann mittleren Alters von ausgeglichenem Gemüt, pfeiferauchend und mit Familiensinn und somit ein ziemlicher Kontrast zum schwedischen Vorzeigekommissar Wallander.

Am Ende ist es dann allerdings der Spannungsaufbau, der unter der Sprunghaftigkeit der Erzählperspektiven ein wenig leidet. Man möchte als Leser am liebsten nur noch den weiteren Verlauf des Falls verfolgen, wird von Jungstedts Perspektivenwechseln aber immer wieder davon weggezerrt. Gerade in den Momenten, wo die Spannung drauf und dran ist, ihren Höhepunkt zu erreichen, sorgen die Perspektivenwechsel immer wieder für zwischenzeitliche radikale Spannungsabfälle.

Dabei baut Jungstedt den Roman ansonsten durchaus atmosphärisch auf. Sie erzeugt Stimmungen, macht die Gefühle der Protagonisten greifbar, baut ihre Figuren glaubwürdig auf und lässt vor dem Auge des Betrachters das kalte, ungemütliche Gotland im November aufleben. Die Atmosphäre ist dicht und mit steigender Seitenzahl wird auch die Spannung immer greifbarer. Jungstedts Erzählweise wirkt routiniert und gefällig, so dass sich das Buch recht flott und flüssig durchlesen lässt, sticht aus der Masse der Kriminalromane aber auch nicht sonderlich hervor.

Wenn man am Ende des Buches dann zurückblickt, fällt einem auf, dass der Fall an sich gar nicht so komplex ausfällt. Die eigentliche Kriminalgeschichte nimmt halt nur einen Teil des Buches ein, und so kann es logischerweise auch keine ganz so ausführlichen und komplexen Schilderungen der Ermittlungen geben. Die Spannung wird ganz gemächlich aufgebaut, was aber durchaus seinen Reiz hat. Auch die Auflösung des Falls ergibt sich fast aus dem Nichts, ohne von langer Hand herbeigeführt zu werden, und mag für den routinierten Krimileser nicht sonderlich überraschend sein.

Ob das nun positiv ist oder nicht, lässt sich schwer definieren und hängt gänzlich vom Blickwinkel des Lesers ab. Während dem einen der eigentliche Kriminalfall zu kurz kommen wird, wird der andere Jungstedts einfühlsame Erzählweise loben, ihren Blick für die Figuren und die Art, wie sie diese auch in ihrer weiteren Entwicklung verfolgt. Damit haben sicherlich beide Gruppen Recht. Betrachtet man „Näher als du denkst“ als Teil einer Krimireihe, so lässt sich dieser Balanceakt zwischen Figurenbetrachtung und Kriminalgeschichte durchaus positiv bewerten, denn so bekommen die Figuren eben mit jedem weiteren Roman mehr Tiefe. Das ist eben auch dann positiv zu sehen, wenn man bedenkt, dass charakterliche Entwicklungen in vielen Krimis oft zu kurz kommen. Und so gesehen, ist „Näher als du denkst“ dann sicherlich auch ein Roman, der nicht nur speziell Krimileser anspricht, sondern auch eine Leserschaft, die sonst eher auf allgemeine Belletristik festgelegt ist.

Kurzum: Mari Jungstedt hat mit „Näher als du denkst“ ein durchaus interessantes Stück Kriminalliteratur abgeliefert. Sie nimmt sich viel Zeit, um ihre Figuren zu entwickeln, Spannung aufzubauen und eine dichte Atmosphäre zu schaffen. Sie wechselt stetig die Perspektive und gibt der Geschichte dadurch mehr Tiefe, während sie mit fortschreitender Seitenzahl dadurch allerdings auch den Spannungsbogen immer wieder unterbricht. Das trübt am Ende ein wenig die Freude, dennoch bleibt „Näher als du denkst“ als durchaus solide Krimikost im Gedächtnis.

Brosnan, John – Anderwelt

Die beiden Romane von John Brosnan, die hier in einem Band erscheinen, wurden bereits 1997 unter den Titeln „Verflixt und zugehext“ und „Hokuspokus Hexenkuß“ in der |Allgemeinen Reihe| des |Heyne|-Verlags veröffentlicht. Neben der genialen Himmelsherren-Trilogie, die in der |Heyne|-SF-Reihe herauskam, sind diese beiden Bände leider die einzigen Werke Brosnans, die nach Wissen des Rezensenten auf Deutsch erschienen sind. Bedenkt man die Qualität dieser fünf Bücher, so ist dies um so bedauerlicher, denn vor allem die Trilogie um die Skylords gehörte wohl zum Besten, was die SF der 90er Jahre hervorgebracht hat.

Ganz so überragend sind die beiden hier in einem Band vorliegenden Fantasyromane zwar nicht, aber trotzdem stellen sie blendende Unterhaltungswerke dar, die sich durch frechen und despektierlichen Stil und süffisanten Humor auszeichnen. Im Gegensatz zu anderen Autoren satirischer Bücher gelingt es Brosnan aber, zudem noch eine spannende und wie aus einem Guss wirkende Geschichte zu erzählen und damit die arg dröge wirkenden Nummernrevuen mancher Kollegen zu vermeiden. Dabei pfeift der Autor völlig auf jedwede Political Correctness. Sein Held ist sogar dermaßen despektierlich, dass er sich bei einem Barbarenwettkampf, zu dem er sich gezwungen sieht, als „Travis der politisch nicht Korrekte“ anmelden will, was der Kampfrichter der primitiven Welt, in die es unseren Zeitgenosse Travis verschlagen hat, natürlich nicht versteht. Travis Begründung für seinen Namen: In seiner Welt müsse man schon verdammt heldenhaft sein, um sich als politisch nicht korrekt zu bezeichnen.

Auch sonst lässt der Protagonist verbal ganz schön die Sau raus, zumal er glaubt, sich in einer Computersimulation zu befinden. Dass ihn ein mächtiger Zauberer wirklich in die Parallelwelt namens Samella versetzt hat, will er zuerst nicht wahrhaben.

Denn eigentlich ist Travis Thompson Journalist und hatte einen Artikel über den mächtigen Gideon Leonard Prenderghast schreiben sollen. Bei Travis‘ Interview mit dem Magnaten hatte er diesen allerdings sehr undiplomatisch mit dessen dunklen Machenschaften und schmutzigen Geschäften konfrontiert, ohne zu ahnen, dass Prenderghast ein mächtiger Zauberer aus einer fernen Dimension ist.

Als Strafe findet sich der arme Travis schnell in einer barbarischen Welt voller Magie aber ohne Sanitäranlagen wieder, ausgestattet nur mit einem magischen Revolver, der ihm immerhin einige Macht verleiht. Zudem trifft er den Filmproduzenten Jack deSilva aus L. A., einen Spezialisten für trashige und manchmal auch schlüpfrige C-Filme, der es sich ebenfalls mit Prenderghast verscherzt hat und deshalb „verbannt“ wurde. Allerdings hat der mächtige Zauberer Jack zudem in einen kleinen, schmierigen, ewig Marlboro rauchenden Dämon verwandelt, was gut zu Jacks Charakter passt.

Und so steht der arme Travis plötzlich in einer fremden Welt da, die er zuerst für eine Computersimulation hält, und versucht verzweifelt den Schlüssel zu finden, der ihm die Wiederkehr in seine ursprüngliche Realität ermöglichen könnte, hat bald eine abgehalfterte Prinzessin am Bein, die ihm nur Ärger bringt und ist so richtig ratlos …

So weit, so trivial! Aber was Autor Brosnan aus dieser Ausgangssituation macht, ist aller Ehren wert. Eine schrillere Queste hat die Fantasy kaum je gesehen.

Egal, ob Travis von merkwürdigen Elfen angeschwuchtelt wird, er gegen eine Mischung aus Trollen und englischen Fußballhooligans kämpfen muss oder im zweiten Buch verzweifelt versucht, seine Heimatstadt London nach seiner Rückkehr vor der Verwüstung durch seine samellanischen Begleiter zu schützen – die beiden Romane sind durchgängig äußerst vergnüglich zu lesen.

Anderwelt ist sicherlich kein intellektueller Hochgenuss, aber spritzig und prickelnd wie eine Flasche Champagner ist die hier erzählte Geschichte zweifellos, voller Chuzpe und frech wie Oskar.

Da beginnt ein Kapitel auch schon mal mit der Einleitung: „Um genau 22 Uhr explodierte in einer Seitenstraße neben einem Platz im Londoner East End ein Huhn.“ (S. 300)

Wer sich also auf eine grelle Achterbahnfahrt einlassen möchte und wenigstens ein gerüttelt Maß Humor besitzt, dem sei das vorliegende Buch wärmstens empfohlen.

|Originaltitel: Damned and Fancy / Have Demon, Will Travel|

_Gunther Barnewald_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Wilson, Justine – Blood Angel

Kaum gelingt Nachwuchs-Maltalent Jessamy Shepard aus New York der künstlerische Durchbruch, da stellt sich gleich ein ungebetener „Fan“ ein, der sich einfach nicht abschütteln lässt. Aber Jessamy irrt; kein lästiger Lüstling ist dieser Kai Youngblood, sondern ein prominentes Mitglied der „Sajae“, jener Gruppe fast unsterblichen Wächter, die seit Urzeiten neben den Menschen leben und mit magischen Fähigkeiten die „Traumfelder“ bewachen. Übergänge zwischen diversen Dimensionen sind dies, die immer wieder gern von fiesen Dämonen genutzt werden, die sich auf die Erde schleichen und dort viel Flurschaden anrichten.

Die schlimmste dieser Kreaturen ist Bakal Ashika, genannt Asha. Einst war sie eine junge Sajae-Sklavin, die sich das Wissen ihrer Herren aneignete, dann einen besonders üblen Dämonen ins Hirn lud und die Sajae zu vernichten trachtete. Viele Jahre tobte der Kampf, bis er Anno 1399 mit der Niederlage Ashas endete. Doch sie starb nicht, sondern konnte nur verbannt werden. Jetzt ist sie wieder da und begieriger denn je, die Welt zu zerstören.

Dazu benötigt sie zwei Dinge: die geistige Energie der Nachfolgerin jenes Sajae, der ihr einst den Rest gab, und die Kraft des „Engels“, dessen dieser sich dabei bediente. Die eine schlummert in der ahnungslosen Jessamy, die andere überdauerte im Körper des gedächtnislosen Teenagers Ramsey Doe. Diese beiden Menschen will sich Asha fangen, aber zumindest Jess entkommt ihren Schergen und wird von Youngblood aufgenommen. Mit Unterstützung des „gezähmten“ Dämonen Delkor Lokk bildet er sie in einem Sajae-Crashkurs zum weiblichen Heiland aus, der gegen Asha antreten kann. Doch diese – obwohl wahrlich nicht die Hellste – nutzt die derzeitige Schwäche der Wächter, unter denen zudem ein Verräter wühlt. Trotz verzweifelter Gegenmaßnahmen (die auch die Rekrutierung einer Rotte von den Toten erweckter „Hell’s Angels“-Rocker einschließt) der Verteidiger gewinnt Asha die Oberhand und gibt den Startschuss zum Ende der Welt …

Unbefangenheit ist für einen debütierenden Schriftsteller ein feine Sache. Man schreibt den ersten Roman frech & frei und mit nur vagen Vorstellungen davon, was schief gehen könnte. Gut so, denn wie übel man sich blamieren kann, das lehrt uns die Lektüre von „Blood Angel“, einem Mystery-Thriller, bei dem so ziemlich alles misslungen ist, was misslingen konnte.

Wo soll man anfangen mit der Kritik? Der Rezensent dreht sich im Kreise, zumal dieser „Roman“ sich ihm quasi mit dargebotener Kehle präsentiert. Alle drei Teile von „God’s Army“ gesehen und vom „Exorzisten“ zumindest gehört: Ob das zum Beispiel das Ausmaß der Recherche beschreibt, die Wilson für dieses Machwerk getrieben hat? Statt Vampire und Werwölfe treiben dieses Mal also Engel und Dämonen ihr Unwesen. Ein biblischer Hintergrund kann unter der literarischen Herrschaft von König Dan Brown dem I. (und hoffentlich Einzigen) nie schaden. Das alte Buch der Bücher taugt prima als Steinbruch für pseudo-sakrales Gewese mit Ehrfurchts-Schauder-Garantie.

Aber auch der skeptische Leser will überzeugt werden. Also konstruiert Wilson ein „wissenschaftliches“ Gefüge aus parallelen Welten (Science-Fiction kann den Genremischmasch nur schärfer würzen), in denen besagte Engel, Dämonen und ähnliche Überwesen hausen. Um die Geschichte in Gang zu bringen, postuliert die Verfasserin „Übergänge“ zwischen den Sphären, was allerlei finsteres Gruselpack nutzt, die Erde zu besuchen.

Selbstverständlich gibt es einen uralten Wächterorden, der diese Passagen überwacht und sich dabei so plumpfüßig weihevoll gibt wie die uns bekannten Jedi-Ritter. Auch eine „Macht“ – hier „Maga“ genannt – darf nicht fehlen. Weitschweifig und mit inbrünstigem Eifer erläutert uns Wilson ihr Konzept, das es an Dummschwurbeligkeit mit jedem New-Age-Geschwafel locker aufnimmt. Jedes Blättchen, das die Autorin greifen konnte, wird vom Mythenbaum gepflückt und in den Plotbrei gerührt; es entstand eine fade, geschmacklose Masse mit dicken Klumpen geballter Einfältigkeit, die den Leser würgen lassen.

Die eigentliche „Story“ lässt sich in einem Satz erzählen. Auf mehr als 400 (großzügig bedruckten) Seiten wird sie gnadenlos und absolut ironiefrei breit getreten. Eindimensionale Traumsequenzen, schwafelige Prophezeiungen gar grausiger Ereignisse, die zu Lachstürmen reizen, jämmerlich verdruckste Einschübe „perverser“ Dämonendekadenz und andere Überflüssigkeiten lassen die Handlung zusätzlich immer wieder stocken. Muss hinzugefügt werden, dass Wilsons Finale zwar als beklemmende Vision des Weltendes geplant war, in der Umsetzung jedoch nur ein fundamentalistisches Höllengetöse auf Kasperletheater-Niveau gelang?

Selbstverständlich fehlt nicht das offene Ende: Die böse Asha beißt zwar ins Gras, aber ihr Statthalter entkommt. Auf der letzten Seite sehen wir ihn schon wieder zu neuen Ränken ansetzen. Ob das eine Fortsetzung bedeutet? Das wäre freilich eine Rache, die man der tumben Asha in dieser Grausamkeit nicht zugetraut hätte …

Dem ganz und gar ungeplant schaurigem Getümmel entspricht eine schauderhafte Figurenzeichnung. Da gibt es nur eine halbwegs interessante Person, und das ist ein schleimig-intriganter Dämon, der die ganze Mischpoke der „Guten“ mit Bedacht an der Nase herumführt. Eine Welt, die von blutleeren Langweilern wie den Sajae bewacht wird, hat ihren Untergang allemal verdient. Wenn der weise Kai Youngblood – „sprechende“ Namen, deren Bedeutung wie Zaunpfähle auf des Lesers Schädel niedersausen, sind eine Spezialität Wilsons; so heißt Jessamy, die Rettung der Welt, selbstverständlich „Shepard“ – wieder einmal in kryptischen Andeutungen von „Bestimmung“ und „Schicksal“ faselt, möchte man ihm tüchtig in den Hintern treten, damit er endlich auf den Punkt kommt. Geschieht dies endlich, schafft es auch keine Zufriedenheit, weil da nichts ist, das Geheimnistuerei rechtfertigen würde.

Aus dem Reich der Menschen stoßen als Identifikationsfiguren eine Frau (schön, jung, schön, maßvoll selbstbewusst, schön & “Mr. Right” – und nur ihm! – jederzeit aufgeschlossen) und ein Teenager (schnuckeliger Superskater, aber – oh Weh! – Vollwaise) zu den Sajae. Ausgerechnet in ihren Hinterköpfen rumort leise die Macht, welche der Dämonin den Hals brechen könnte, aber sie muss erst geweckt werden, was viele, viele, viele Diskussionen zwischen „Schüler“ und „Meister“ und endlose Trainingslektionen in Sachen Schweben & Feuerballwerfen zur Folge hat.

Oft tragen in solchen verquasten „New Testament Reloaded“-Storys wenigstens die Bösen zum Unterhaltungswert bei. Da sei hier Wilson vor, die mit Bakal Ashika eine grotesk spießige Weltenzerstörerin ins Feld schickt. Gar fürchterbar will die schöne, aber unerbittliche „Asha“ uraltes Unrecht rächen. Was hat sie dann vor mit der Welt, die sie an sich reißen will? Männer will sie kopfüber an Telegrafenmasten nageln, andere Pechvögel durch das Hinterteil verbluten lassen. So geht das weiter, eine Liste naiver Kinderbibel-Grausamkeiten, die deutlich verraten, dass Asha in den fünf Jahrhunderten ihres Exils rein gar nichts dazugelernt hat und weiter in ihrer infantilen Vorzeithölle haust. In der „Realität“ des 21. Jahrhunderts wirkt sie nicht Furcht erregend, sondern lächerlich, womit sie immerhin – hier schließt sich der Kreis – perfekt in das Ensemble und einen weiteren Schuss-in-den-Ofen-Bestseller passt.

Aus unerfindlichen Gründen erscheint die deutsche Ausgabe von „Blood Angel“ vier Monate vor der nordamerikanischen. Ob dies ein Indiz für die fortschreitende Globalisierung des Buchgeschäfts ist? Oder sollen rasch die europäischen Gruselfreunde abgezockt werden, bevor kritische Stimmen von jenseits des Atlantiks laut werden? Diese werden nicht ausbleiben – und vielleicht lösen sie auch das Rätsel, wieso die Verfasserin (über die weiter nichts bekannt ist oder sein müsste) hierzulande als „Justine Wilson“ verkauft wird, während in den USA „Justine Musk“ auf dem Cover steht. (Es gibt ein Online-„Interview“, das im Auftrag des |Knaur|-Verlags und zu Werbezwecken mit Musk-Wilson geführt wurde. Es lohnt jedoch nicht, einen entsprechenden Link zu legen, da hier mit vielen, vielen Worten rein gar nichts Relevantes berichtet wird außer der Tatsache, dass „Blood Angel“ das Erstlingswerk einer fleißigen Schreibwerkstattbesucherin ist.)

Karl-Heinz Ott – Endlich Stille

„Solange ich in den ersten Tagen noch hoffte, er werde mir spätestens abends für den nächsten Morgen seine Abreise ankündigen, versuchte ich mir einzureden, dass unsere Fahrten übers Land auch mir etwas bringen, doch je planloser sich dieses Einerlei aus Landgasthofaufenthalten und Kirchenbesichtigungen fortzusetzen und ich mich wie ein Fremdenführer zu fühlen begann, desto öfter hätte ich manchmal einfach schreien und davonlaufen mögen.“

Endlich einmal „nein“ sagen können, das ist es, wovon der Protagonist aus „Endlich Stille“ nur träumen kann. Kurioserweise kauft er sich in Amsterdam ein Buch, mit dessen Hilfe man lernen soll, das Nein aus seinem Sprachschatz zu streichen. Als ihn in Straßburg ein Unbekannter mit der so harmlos wirkenden Frage „Suchen Sie auch ein Hotel?“ anspricht, gerät der Protagonist in einen Strudel von Ereignissen, wie er ihn sich nie hätte ausmalen mögen …

Karl-Heinz Ott – Endlich Stille weiterlesen

Kim Småge – Ein kerngesunder Tod [Anne-kin Halvorsen 3]

Im norwegischen Trondheim werden Nachwuchssportler per Doping zu Höchstleistungen gebracht – oder zu Tode, weshalb Kommissarin Anne-kin Halvorsen in ihrem dritten Fall gegen eine Mafia antritt, gegen die sich ihr klassisches Vorbild als geradezu schwatzhaft erweist … – Schon angejahrter aber inhaltlich keineswegs veralteter Krimi, dessen Autorin erfreulich zügig und ohne allzu ausgeprägten skandinavischen Weltschmerz ihr Garn spinnt.
Kim Småge – Ein kerngesunder Tod [Anne-kin Halvorsen 3] weiterlesen

Kureishi, Hanif – Gabriel\’s Gift

|Hanif Kureishis Roman „Gabriel’s Gift“ (dt. „Gabriels Gabe“) erinnert in vielem und viel zu sehr an seinen Debütroman „The Buddha of Suburbia“ (dt. „Der Buddha aus der Vorstadt“, 1990) und dessen Nachfolger „The Black Album“ (dt. „Das schwarze Album“, 1995), kann deren Tiefe und Originalität jedoch nicht erreichen.|

Die Handlung ist schnell erzählt: Der Vater des 15-jährigen Gabriel verlässt seine Familie, um ziellos durch London zu streunen und in einer billigen Absteige dahinzuleben. Er zehrt von den Erinnerungen an die guten, alten 70er, in denen er umgeben von Sex, Drugs und Rock ’n‘ Roll mit der Rockband um Lester Jones tourte, bis er während eines Konzerts von seinen Plateauschuhen kippte und nach dem Ausheilen der Verletzung nicht wieder in die Band aufgenommen wurde. Gabriels Mutter ist mit ihrem Geschäft pleite gegangen und versucht nun, ihren Sohn und sich mit einem Kellnerjob über Wasser zu halten. Gabriel selbst hat eine Gabe, wie bereits der Titelt verrät: ein Zeichentalent. Indem er dieses entwickelt, arbeitet er an der Erfüllung seines Traumes, findet sein Lebensziel und seinen Platz in der Erwachsenenwelt. Der Originaltitel ist doppeldeutig – handelt es sich bei dem „gift“ nicht nur um die „Gabe“, zeichnen zu können, sondern auch um ein „Geschenk“, das für einige Verwirrungen sorgt.

Wäre da nicht Kureishis spezieller Humor (Ironie, Satire, groteske Begebenheiten), gäbe es keinen Grund, diesen Roman zu lesen, denn es scheint, als seien dem Autor die Ideen ausgegangen. „Gabriel’s Gift“ liest sich wie eine Variation der Themen, die bereits im „Buddha of Suburbia“ oder in „The Black Album“ ausgearbeitet wurden. Wieder hat Kureishi einen Initiationsroman vorgelegt, in dem ein künstlerisch begabter Jugendlicher in einer verwirrenden, rassistischen Welt, bestehend aus unterschiedlichsten Typen (Homosexuellen, Künstlern, Menschen am Rande der Existenz), seinen Platz finden und am Erreichen seines persönlichen Traumes arbeiten muss.

Wie Karim („The Black Album“) und Shahid („The Buddha of Suburbia“) kommt der Held in diesem Roman aus einem wenig intakten Elternhaus der englischen Mittelklasse. Sein Vater ist – gelinde gesagt – ein Träumer, ein Spinner, ein ewig Gestriger oder, um es mit Gabriel zu sagen: „Had he been a woman, he might have been called hysterical. Instead he was deemed ‚moody‘, which, because of its ‚artistic‘ overtones (…) suited him.“ (dt. etwa: „Wäre er eine Frau gewesen, würde man ihn als hysterisch bezeichnet haben. Stattdessen hielt man ihn für „launisch“, was ihm der ‚künstlerischen‘ Untertöne wegen genehm war.“) Seine Mutter hingegen steht mit beiden Beinen im Leben und fürchtet nichts mehr, als dass der Sohn sich wie sein Vater zum Künstler berufen fühlen und dessen Ende nehmen könnte. Dementsprechend erzählt Gabriel ihr nichts von seinem ersten Job, bei dem er ein Aktportrait des homosexuellen Barbesitzers Speedy anfertigt, wobei der Leser die gleichen Ängste ausstehen muss, die Gabriels Eltern ausstehen würden, wüssten sie, dass er so engen Kontakt mit einem von Kureishis „love vampires“ pflegt. Man erwartet förmlich, dass Speedy den blutjungen Gabriel auf der Stelle verführt, doch hier reicht die Phantasie eines Kureishi-erfahrenen Lesers über die des Autors hinaus (oder er hat sich diesen Tabubruch nicht getraut).

Interessant an der Figur das Gabriel ist dessen tiefe Verbundenheit mit seinem verstorbenen Zwillingsbruder Archie. Wohl jeder, der bereits einen lieben Menschen verloren hat, kennt das Phänomen, dass man sich hin und wieder bei einem inneren Zwiegespräch mit dieser Person ertappt. Für Gabriel ist Archie der engste Vertraute, da ihm die Eltern aufgrund eigener Probleme oft nicht zur Seite stehen können/wollen. Mit Archies Augen gelingt es ihm, seine Situation objektiver zu betrachten. In Entscheidungssituationen wird der verstorbene Bruder so zu Gabriels rationaler innerer Stimme.

Amüsieren kann sich der Leser über die Figur des „Kindermädchens“ aus dem Ostblock, das zum Glücklichsein nichts weiter braucht als ausreichende Mengen an Nahrungsmitteln und die Seifenopern im Fernsehen. Zum Schmunzeln verleitet den Leser ebenso das altkluge und dennoch pointierte Reden Zaks (Gabriels bestem Freund), dessen Vater seine Familie überraschend für einen Liebhaber verlassen hat. Witzig sind auch Szenen, in denen mit Hilfe von Musik oder Anspielungen auf Musiker über das Leben philosophiert wird.

Sein ganz persönliches fiktionales Universum unterstützt Kureishi in „Gabriel’s Gift“ mit einem „Gastauftritt“ des Charlie Hero aus „The Buddha of Suburbia“, der immer noch ein populärer Rockstar ist, mit der Erwähnung von Deedee Osgood aus „The Black Album“ und mit der Enthüllung, dass Charlies Mutter und Karims Vater dazumal eine Affaire hatten. Dadurch wirkt „Gabriel’s Gift“, obwohl es eine Fiktion ist, authentischer.

Als jedoch für den Protagonisten in „Gabriel’s Gift“ zum Schluss der gemeinhin schwer zu erfüllende Traum vom Erfolg mit der Erfüllung des Traums von einer intakten Familie zusammenfällt, gibt der Autor seine ironisch distanzierte Haltung zugunsten einer märchenhaft irrealen Zusammenführung der Elternteile auf. Möglich, dass Kureishi damit den Lesern, die ein Happyend brauchen, entgegenkommen wollte. Möglich auch, dass der Autor genug hat von offenen Enden und traurigen Geschichten wie in „Love in a Blue Time“ oder „Intimacy“ (dt. „Blau ist die Liebe“, 1997; „Rastlose Nähe“, 1998). Objektiv betrachtet, stört dieser Schluss jedoch, weil er nicht zum realistischen Stil Kureishis passt. Auch dadurch überzeugt der Roman trotz guter Figurenanlagen und witziger Dialoge nicht. Man sollte in Mußestunden lieber zu einem der anderen Werke Kureishis greifen.

_Corinna Hein_
http://www.corinnahein.net

|Eine [deutsche Broschurausgabe]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499233118/powermetalde-21 erschien im März 2003 bei Rowohlt.|

Cohen, Rich – Murder Inc. oder Nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn

Dies ist erneut eine dieser Geschichten, die so abenteuerlich klingen, dass sie nur erfunden sein können. Doch es ist die reine Wahrheit: In den 1930er Jahren existierte in New York ein lockerer Verbund mehr oder weniger begabter, aber entschlossener Killer, die im Auftrag der großen Unterweltbosse unerwünschte Konkurrenten, Spitzel und Verräter aus dem Weg räumten. „Murder Inc.“ nannte man sich selbst mit gewissem Stolz, und selbstverständlich wurde dieser Name von der Presse dankbar aufgegriffen. In den etwa zehn Jahren ihres Bestehens war „Murder Inc.“ verantwortlich für den Tod mehrerer Dutzend Personen; die genaue Anzahl der Opfer konnte nie festgestellt werden – aus leicht nachvollziehbaren Gründen wurde kein Buch geführt …

Die Geschichte von „Murder Inc.“ wurde in der Vergangenheit schon mehrfach erzählt. Zu bizarr ist der Gedanke an eine organisierte Mördertruppe, einer Firma quasi, deren Mitglieder nach Dienstplan töteten, als dass sich nicht zahllose Legenden darum ranken würden. Auch Rick Cohen ist weniger an den nackten Fakten interessiert. Ihn fasziniert die Tatsache, dass in der „Murder Inc.“ fast ausschließlich Juden zusammenfanden.

Die Existenz einer jüdischen Mörderbande stellt ein unerwartetes Problem dar. Spätestens nach den Gräueln des „Dritten Reiches“ sieht die (schuldbewusste) Welt die Juden mehrheitlich in einer Opferrolle. „Böse Juden“ gibt es daher nicht, hat es nie gegeben, darf es nicht geben! Besonders in den USA, wo die Anhänger des „politisch Korrekten“ gern regelrechte Feldzüge gegen jene führen, die in ihren Augen ethnische, religiöse oder andere Minderheiten unterdrücken oder mindestens beleidigen, ist es nicht ungefährlich, sich diesem kollektiven Zwang entziehen zu wollen.

Nun ist Rich Cohen selbst Jude und damit über solche Kritik erhaben – sollte man meinen, aber wie er schlüssig darlegt, ist dem keineswegs so! Fakt ist, dass selbst den amerikanischen Juden die Existenz von „Murder Inc.“ großes Unbehagen bereitet. In den USA war die Mehrheit der Juden der Meinung, dass sie, die wegen ihres Glaubens in Europa verfolgt und in Amerika diskriminiert wurden, sich das Wohlwollen ihrer nichtjüdischen Nachbarn am besten durch Gesetzestreue und einen unauffälligen Lebensstil bewahren könnten. Doch „Murder Inc.“ ist der unwiderlegbare Beweis dafür, dass es Juden gab, für die Ruhe eben nicht die erste Bürgerpflicht war. Die vielleicht einzigen Juden, die wirklich emanzipiert waren im Amerika vor dem Zweiten Weltkrieg, waren ausgerechnet Berufsmörder – Juden, die sich nichts gefallen ließen.

So lässt sich leicht nachvollziehen, wieso Rich Cohen das Thema fasziniert hat. Er befragte während der Recherchen für dieses Buch zahlreiche jüdische Zeitgenossen der „Murder Inc.“ und machte dabei immer wieder die Erfahrung, dass diese das Wissen um die Existenz eines organisierten jüdischen Verbrechens schlichtweg abstritten. Dieses Leugnen objektiv historischer Fakten interessierte Cohen mindestens so sehr wie die eigentliche Geschichte der „Murder Inc.“, und zwischen diesen beiden Polen entwickelte er sein gleichnamiges Buch.

„Murder Inc.“ ist auf mehreren Ebenen provokant. Cohen entreißt nicht nur eine für viele Juden peinliche Episode ihrer Geschichte der Vergangenheit – er macht auch keinen Hehl aus seiner persönlichen Bewunderung für Männer wie Louis Lepke, Abe Reles, Pep Strauss oder Buggsy Goldstein. „Murder Inc.“ ist keine historische Darstellung; die Geschichte ist für Rich Cohen in erster Linie eine Kulisse, in der er die Requisiten nach seinen Vorstellungen, die mit der Realität nicht zwingend übereinstimmen müssen, auf- und umstellt. Immer wieder füllt Cohen blinde Flecken in der Chronologie der „Murder Inc.“ mit fiktivem Material auf, das sich spannend liest, ohne den Anspruch auf Wahrhaftigkeit erheben zu können. Manchmal ist es schwierig, Wahrheit und Legende voneinander zu trennen, obgleich die Eckdaten natürlich stimmen.

„Murder Inc.“ ist schließlich eine weitere Etappe auf Rich Cohens Weg, sich seiner großen und nicht unkomplizierten Familie schreibend zu nähern. Seit Jahren schon beschäftigt er sich immer wieder mit dem Cohen-Clan, besonders aber mit seinem Vater Herbie, einem wahrlich farbigen Charakter, der es in New York auch ohne Mitwirkung seines Sohn zu Wohlstand und Prominenz gebracht hat. Herbie und seine Eltern lebten in Brooklyn und in einer Zeit, in der dort die großen Gangster das Sagen hatten, und obwohl sie sich der Unterwelt fern hielten, hat sie das nach Cohens Ansicht nachhaltig geprägt. In einem ausführlichen und sehr persönlichen Epilog, der in seinem Buch dem eigentlichen Ende der „Murder Inc.“ folgt, geht der Autor dem nach.

So beschreibt der Originaltitel „Harte Juden, Väter, Söhne und Gangsterträume“ Cohens eigentümliche Mischung aus Wahrem, Erfundenem und Reflektiertem wesentlich treffender als der dümmliche deutsche Untertitel „Nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn“. Auch hierzulande scheint es heute nicht opportun (oder verkaufsförderlich) zu sein, die Worte „Jude“ oder „jüdisch“ im Titel eines Werkes erscheinen zu lassen, das kein Sachbuch ist und wissenschaftlichen Anspruch erheben kann. Das ist schade, denn „Murder Inc.“ wurde ansonsten hervorragend übersetzt; der Autor bestätigt es selbst und dankt Bernhard Robben im Nachwort für seine „wunderbare“ Arbeit.

Ergänzt wird der Text durch eine Reihe gut ausgesuchter Bilder, die ihrerseits noch einmal bestätigen, was Cohen im Laufe seiner Nachforschungen klar geworden ist: Zwischen den Gangstern der „Murder Inc.“, seinem Großvater, Vater und dessen zahlreichen Freunden gibt es im Grunde keine echten Unterschiede. Ein kleiner Anstoß hätte womöglich genügt, einen der männlichen Cohens in die Reihen der jüdischen Banden zu bringen – und auf den schmutzigen Boden eines Frisörsalons oder einer düsteren Bar, wo viele endeten, die sich auf diese einträgliche, aber in der Regel kurze Laufbahn begaben.

Joel McIver – Justice For All – Die Wahrheit über Metallica

Über den Status, den METALLICA im Laufe ihrer nunmehr fast zweieinhalb Dekaden andauernden Geschichte im Metal-Business eingenommen haben, braucht man wohl kaum noch Worte zu verlieren. Nach wie vor ist das dänisch-amerikanische Quartett eines der wichtigsten, kontroversesten und meist diskutierten Themen in der gesamten Szene, was nicht nur an musikalischen Neuorientierungen und damit unzufrieden erscheinenden Fans festzumachen ist, sondern vor allem an der Art und Weise, wie die Mitglieder von METALLICA auf all diese Reaktionen und streckenweise auch Anfeindungen seitens der Presse offenbar ziemlich emotionslos reagieren.

Joel McIver – Justice For All – Die Wahrheit über Metallica weiterlesen

Robert K. Tanenbaum – Kennedys Kopf [Roger Karp 7]

Ende der 1970er Jahre wird das Attentat auf US-Präsident John F. Kennedy neu aufgerollt. Die Untersuchung stört alte Verschwörer auf, die sich in Sicherheit wiegen und längst hohe politische Ämter innehaben. Der Killer wird erneut ausgeschickt, um den lästigen Ermittler auszuschalten … – Zwar unter Nutzung alter Verschwörungs-Klischees aber höllisch spannend entwickelt der Verfasser eine ‚logische‘ Version des JFK-Rätsels und ringt dem Mythos vom Mordkomplott eine tolle Story ab.
Robert K. Tanenbaum – Kennedys Kopf [Roger Karp 7] weiterlesen

Gerber, Michael – Barry Trotter und die schamlose Parodie

Gerade im phantastischen Bereich gibt es kaum ein erfolgreiches Buch oder eine Bestseller-Buchreihe mit Medienpräsenz, die nicht schon ihr Fett abgekriegt hat: J.R.R. Tolkiens Werke wurde ihn mehreren Parodien wie „Der Herr der Augenringe“ oder [„Der kleine Hobbnix“ 477 und selbst die „Unendliche Geschichte“ wurde in einer – wenn auch kurzlebigen – Parodie verwurstet. So war es nur eine Frage der Zeit, bis auch „Harry Potter“ davon betroffen sein würde.

Michael Gerbers Roman „Barry Trotter und die schamlose Parodie“ erschien in Amerika zu einem Zeitpunkt, da die Begeisterung für den Zyklus von J. K. Rowling wohl am größten war. Der vierte Roman war erschienen oder stand gerade vor einer Veröffentlichung, ähnlich verhielt es sich mit dem ersten Kinofilm …

Barry Trotter befindet sich bereits in seinem elften Jahr auf der Zaubererschule Hogwash, da er durch die Romane der schamlosen Autorin J. G. zu einer Berühmtheit geworden ist. Die Lehrerschaft und auch der Schulleiter haben keine Probleme damit, ihn weiter durchzuziehen, da die Plätze auf der Zaubererschule mehr als begehrt sind, egal wie hoch die Schulgebühren werden. Barry greift dem maroden Institut in Geldnöten gerne unter die Arme, da er so sein Leben genießen kann und selber kaum Verantwortung übernehmen muss.

Nur manchmal ist seine Berühmtheit doch ein wenig lästig, vor allem, wenn ihm all zu viele Muddel-Verehrer auf die Pelle rücken. Dann kann er sich zu seinen Freunden zurückziehen, dem debilen Lon Measly, dem nach einem Zauberunfall ein Hundehirn eingesetzt werden musste, und seiner nun als Lehrerin unterrichtenden Freundin Hermeline, die es auch jetzt mit ihrer Art nicht immer leicht hat. Oder er hält ein Pläuschchen mit der Lehrerschaft, auch wenn ihm der eine oder andere grollt, weil er nicht in den Romanen verewigt wurde.

Doch mit der Ruhe ist es schlagartig vorbei, als bekannt wird, dass Wagner Bros. aus Amerika die Romane um Barry Trotter verfilmen will und die Muddel-Verehrer bald Hogwash einrennen und Stein und Stein abzutragen drohen, weil sie ein Souvenir wollen.
Um schlimmere Auswirkungen auf sein Leben zu verhindern, beschließt Barry Trotter, mit seinen Freunden nach Amerika zu reisen und den Dreh des Films im Keim zu ersticken. Dazu muss er als Erstes die Autorin J. G. aus den Klauen der Filmbosse retten. Wo diese sie verstecken, weiß er noch nicht, doch wozu hat man Freunde und Leidensgenossen, die einem helfen?

Auch wenn es der Name nicht vermuten lässt, Michael Gerber ist gebürtiger Amerikaner. So kann die Parodie neben dem schrägen, schrillen Humor à la Monty Python auch nicht eine gewisse Überdreht- und Albernheit verleugnen. Nicht jeder Gag zündet oder ist auch allgemein verständlich, vor allem wenn er sich auf amerikanische Romane und Eigenheiten bezieht, die hier nur wenigen Lesern bekannt sein dürften, aber diese Witze sind in der Minderzahl.

Indem er keinen der bis dato erschienenen Romane nacherzählt, sondern die Geschichte quasi weiterführt und die Auswirkungen der Berühmtheit des Helden schildert, Gerber die einzelnen Elemente von J. K. Rowlings Romanen besser und unabhängiger zu parodieren – Fans wissen sehr schnell, wen und was er nun wieder auf die Schippe nimmt, wenn sein Held etwa dem abgewrackten Lord Valumart begegnet oder in ein ganz bestimmtes Klo gerät, das einem fast den Atem nimmt.

„Barry Trotter“ ist damit keine Parodie allein auf die Bücher, wie so viele andere Satiren, sondern auf den ganzen Hype drumherum, in dem sogar die Autorin und die Leser selbst eine Rolle spielen und sich wiedererkennen können.
Vielleicht ist einiges zu albern und dick aufgetragen und anderes wirkt unverständlich, aber insgesamt ist „Barry Trotter und die schamlose Parodie“ eine vergnügliche Persiflage auf eines der erfolgreichsten Medienereignisse unserer Zeit, die ich vor allem Harry-Potter-Fans ans Herz legen kann, die alles nicht ganz so eng sehen …

_Christel Scheja_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Hillerman, Tony – Labyrinth der Geister, Das

„Das Labyrinth der Geister“ ist bereits 1978 unter dem Originaltitel „Listening Woman“ erschienen und war der insgesamt dritte Kurzroman von Anthony C. Hillerman. In Deutschland wurde das Buch allerdings erst elf Jahre später zum ersten Mal aufgelegt, nämlich 1989 im |Rowohlt|-Verlag. In diesem Jahr folgt nun eine Neuauflage dieses Titels, der für mich auch die erste Begegnung mit dem Autor darstellte.

_Der Autor_

Tony Hillerman wurde 1925 als Farmerssohn in Sacred Heart, Oklahoma, geboren und besuchte als Tagesschüler acht Jahre lang ein Internat für Indianer. Hier entwickelten sich auch erste Themenschwerpunkte für seine späteren Romane. Neben seinen Tätigkeiten als Journalist und Dozent an der University of New Mexico begann er Ende der Sechziger Kriminalromane zu schreiben. Für seine Ethno-Thriller um die Navajo-Cops Jim Chee und Joe Leaphorn wurden ihm unter anderem der |Edgar Allen Poe Award| und der |Grandmaster Award| der |Mystery Writers of America| verliehen sowie der |Center for the American Indian’s Friend Award| und der |Navajo Tribe’s Special Friend Award|. Hillermans Romane wurden in 17 Sprachen übersetzt. Der sechsfache Vater lebt mit seiner Frau in Albuquerque, New Mexico. Eine Übersicht seiner Romane kann man [hier]http://www.rororo.de finden.

_Inhalt_

Der Navajo-Indianer Hosteen Tso ahnt Schlimmes; sein Gefühl sagt ihm, dass etwas Schreckliches geschehen wird. Daher fragt er Magaret Cigaret, besser bekannt als „Listening Woman“ (eine weise Frau, die die Stimmen der Götter und Geister hören und verstehen kann), um Rat. Doch ihre Hilfe nutzt Tso nicht mehr viel – kurze Zeit später wird der alte Mann zusammen mit der jungen Anna Atcitty tot aufgefunden, brutal erschlagen und von unbekannten Tätern ermordet.

Ein halbes Jahr lang wird der Fall bearbeitet, jedoch kann die lokale Polizeistation keine Fortschritte machen. Joe Leaphorn, seines Zeichens Lieutenant bei den örtlichen Cops, interessiert sich für den Fall und lässt dabei seine eigentliche Aufgabe, sich bei einem Pfadfindercamp als Sicherheitskraft zu engagieren, fallen. In diesem Entschluss wird er noch bestärkt, als er von einem zuvor angehaltenen Raser angefahren wird und dieser nachfolgend nicht mehr ausfindig zu machen ist.

Leaphorn möchte dem Sträfling auf die Schliche kommen und wird so auch immer wieder mit dem Mord an Tso konfrontiert, denn der geflüchtete Raser muss irgendwo in der Nähe von Hosteens Hogan untergetaucht sein.

Doch dies sind nicht die einzigen mysteriösen Vorfälle im Gebiet der Navajos. Seit einigen Monaten wird ein Hubschrauber vermisst, der Zeugenaussagen zufolge sogar im Lake Powell versunken sein soll, dort aber nie entdeckt werden konnte. Außerdem tauchen nach und nach Personen auf, die in irgendeiner Weise mehr zu wissen scheinen, als sie eigentlich preisgeben. Darunter befindet sich neben der leicht hysterischen Theodora Adams auch der mittlerweihe zum Priester ausgerufene Sohn Tsos, Benjamin Tso, dessen Rückkehr ebenfalls unter unerklärlichen Umständen vor sich ging.

Was haben all diese Leute mit dem Mord am Navajo-Weisen zu tun? Welche Rolle spielt der untergetauchte Raser, der eine Brille mit breitem Goldrand trägt? Was weiß „Listening Woman“ Magaret Cigaret wirklich? Und in welchem Zusammenhang stehen diese Vorfälle mit dem Verschwinden des Hubschraubers? Joe Leaphorn macht sich auf einen langen Weg in die Tiefen der Canyons, um Antworten auf diese Fragen zu finden, erkennt jedoch viel zu spät, in welche Gefahr er sich da begeben hat …

_Betrachtungen_

Eines bleibt direkt mal festzuhalten: Von der gesamten Erzählweise her ist „Das Labyrinth der Geister“ wirklich einzigartig. Hillerman verschafft uns Einblicke in eine ganz andere Welt, in für uns schwer zu verstehende Bräuche und Traditionen, in eine Welt, in der Liebe und Hass oft miteinander einhergehen – und in eine Welt, die vor aktuellen Problemen und dem Verbrechen nicht geschützt ist.

Dabei gefällt Hillermans einfacher und doch aussagekräftiger Schreibstil von Anfang an. Jedoch braucht man schon ein paar Seiten, bis man sich mit den ersten Fakten so richtig vertraut machen kann. Der Autor beginnt seine Erzählung nämlich direkt mitten im Geschehen, erspart sich also eine Vorstellung der Charaktere und eine dementsprechende Einleitung voll und ganz. Dies geschieht indes im weiteren Verlauf, und genau dies erschwert manchmal auch den Zugang zur Geschichte. Das eigentliche, dann aber auch einzige Problem ist, dass wichtige Charaktere, die quasi die Handlung prägen und schlussendlich auch entscheiden, erst sehr spät ins Geschehen eingreifen, wohingegen manche anfänglichen Dialoge rückblickend betrachtet vollkommen unwichtig erscheinen. So kommt Hillerman gerade zur Mitte hin ein wenig ins Schwanken, denn auf einmal stehen völlig neue Handlungsträger im Mittelpunkt, und sie alle plus die Zusammenhänge mit gewisssen Vorfällen werden auf engem Raum vorgestellt. Hier hätte Hillerman sich besser mehr Zeit, sprich mehr Seiten gegönnt, denn es wirkt zwischendurch schon einmal ein wenig hektisch.

Die Idee an sich, die Charaktere nach und nach vorzustellen, finde ich hingegen gar nicht schlecht, und es stellt sich für den spannungsvollen Verlauf im Endeffekt sogar als wertvoll heraus, genau so vorzugehen, nur hätte ein wenig Ausschmückung der Sache gut getan.
Davon abgesehen ist „Das Labyrinth der Geister“ ein echter Glücksfall von einem Griff ins Buchregal. Die Story nimmt wirklich sehr breit gefächerte Ausmaße an, von denen man selbst nach hundert Seiten noch nicht viel erahnen könnte. Hier spielen so viele Einzelheiten und Vertrickungen zusammen, dass man die komplexe Handlung erst nach und nach versteht, doch Hillerman gelingt es durch seine wirklich spannende Erzählweise, den Hörer bei der Stange zu halten, so dass man die Hände einfach nicht von diesem Buch lassen kann. Besonders zum Ende hin, als sich die Sache dann aufklärt (?) – ich will nicht zu viel verraten – kommt man gar nicht mehr vom „Labyrinth der Geister“ los und liest die letzten hundert Seiten mit absoluter Hingabe.

Lediglich die Tatsache, dass Hillerman in seinen Beschreibungen ab und zu ein wenig zu übertreiben gedenkt und manchmal einfach zu viele Zufälle gleichzeitig auftreten, wirkt seltsam, fällt aber auch nicht wirklich negativ ins Gewicht. Stattdessen überwiegt der Eindruck, eine sehr gut durchdachte, erst zum Ende voll überschaubare und einfach mitreißende Geschichte gelesen zu haben, die man sich zum Taschenbuch-Preis von knapp neun €uronen ruhigen Gewissens zulegen darf. Ich jedenfalls habe in Sachen Krimi selten eine so gute Geschichte aufgesogen.

Wilkinson, Paul – Pompeji: Der letzte Tag

Ein Blick in die Alltagsgeschichte der beiden kampanisch-antikrömischen Hafenstädte Pompeji und Herculaneum, ermöglicht nach deren Konservierung durch eine viele Meter dicke Schicht aus Lava, Geröll und Staub, ausgeschüttet vom Vulkan Vesuv. Die Zeit blieb buchstäblich stehen am 24. August des Jahres 79 n. Chr., Straßen, Gebäude, Inneneinrichtungen, sogar die Bewohner erstarrten im Augenblick des Endes: eine Momentaufnahme der Vergangenheit, eine archäologische Schatzkammer, die schier unergründlich ist.

„Einführung“ (S. 7-21): Pompeji und Herculaneum blickten vor der Katastrophe auf eine mehrhundertjährige Geschichte zurück. Gegründet schon lange vor Entstehung des Römischen Reiches, hatten sie sich – günstig am Golf von Neapel gelegen – zu Drehscheiben im Handel zwischen Italien, Griechenland und Ägypten entwickelt. Um 62 n. Chr. lebten in Pompeji etwa 10.000 bis 15.000 Menschen. In diesem Jahr wurde die Region von einem Erdbeben heimgesucht, das Herculaneum vollständig und Pompeji teilweise zerstörte: eine erste, freilich unverstandene Warnung der Natur, dass man hier auf schwankendem Grund gebaut hatte.

„Kapitel Eins: Das Leben vor dem Tode“ (S. 22-51): Der letzte Tag vom Pompeji – ein minuziöses Protokoll der letzten Stunden, zugleich eine Schilderung typischer Tagesabläufe in einer römischen Provinzstadt. Aufstehen nach der Nachtruhe, Toilette, Frühstück; Hausarbeit, Berufsalltag, Markthandel, Verwaltung, Justiz, Politik; emsiges Schuften der Sklaven, fleißiges Arbeiten der Handwerker, Händler und sonstigen Dienstleister, müßiges Repräsentieren der Oberschicht; in ihrer Kaserne trainieren die Gladiatoren für ihren Kampf in der Arena, Schauspieler proben für den abendlichen Theaterauftritt, in diversen Tempeln leisten Priester Gottesdienste: Der Verfasser schildert das Funktionieren einer alten, aber gar nicht so fremden, sichtlich in sich ruhenden, lebendigen und stabilen Welt.

„Kapitel Zwei: Göttergewalten“ ‚(S. 52-73): In den Mittagsstunden des 24. August 79 n. Chr. kommt es zur Apokalypse. Der Vulkan Vesuv liegt zehn Kilometer von Pompeji und sieben Kilometer von Herculaneum entfernt. So lange die Bewohner zurückdenken können, ist er ruhig geblieben; man hält ihn für erloschen. Doch nun bricht er urplötzlich und mit vernichtender Gewalt aus. Plinius der Ältere, Admiral der römischen Flotte im Hafen von Misenum und der berühmteste Naturwissenschaftler seiner Zeit, lässt sich bis ins Zentrum des Geschehens bringen. Er wird zum Opfer seiner Wissbegier, aber sein gleichnamiger Neffe, der ihn begleitet hat, kann entkommen und liefert einen eindrucksvollen und präzisen Augenzeugenbericht, der inzwischen durch Forschungen ergänzt wurde. Sechs vulkanische Feuer- und Schuttwalzen ebnen Herculaneum völlig ein und begraben Pompeji. Die Bürger haben keine Chance zu entkommen.

„Kapitel Drei: Die Freilegung der versunkenen Städte“ (S. 74-97): Fast ein Dreivierteljahrtausend lagen Pompeji und Herculaneum in ihrem grotesken Dornröschenschlaf und gerieten in Vergessenheit. Kurz nacheinander wurden sie im frühen 18. Jahrhundert „wiederentdeckt“ – und zunächst grob ausgeplündert. Erst allmählich und parallel zur Entwicklung der Archäologie als Wissenschaft bildete sich ein Bewusstsein für den historischen Wert der beiden Städte, der den finanziellen weit übertraf. Allein der Bestand bisher unbekannter Buchwerke der Antike ist eine einmalige Bereicherung des Wissens über diese Zeit. Bis heute werden die systematischen Ausgrabungen fortgesetzt, während die Verfeinerungen der archäologischen Methoden den Erkenntnisstand sprunghaft anwachsen lassen. Pompeji überstand inzwischen auch eine dritte Katastrophe: 1943 wurden seine Ruinen von der US-Luftwaffe bombardiert, die hier deutsche Soldaten verschanzt wähnten …

„Kapitel Vier: Die öffentlichen Gebäude“ (S. 98-139): Etwa sechzig Prozent der sechzig Hektar umfassenden Stadtfläche von Pompeji sind inzwischen freigelegt. Während sich die Ausgräber früher auf die Einzelfunde konzentrierten, weitet sich heute der Blick auf Pompeji in seiner Gesamtheit. Dieses Kapitel beschreibt das Stadtbild mit seinen Straßen, Toren, der Stadtmauer, dem Bewässerungs- und Abwassersystem, informiert über das verwendete Baumaterial, um sich dann den wichtigsten öffentlichen Bauten – Forum, die Tempel des Jupiter, des Apollon, des Vespasian, das Handelshaus der Oberpriesterin Eumachia, der Fisch- und Fleischmarkt, die Thermen (nicht zu vergessen über dreizig Bordelle …) usw. – zu widmen.

„Kapitel Fünf: Die Wohnhäuser“ (S. 140-159): Selten ist es möglich, sich so gut wie in Pompeji oder Herculaneum ein Bild darüber zu machen, wie der „Privatmensch“ in antiken Zeiten wohnte und lebte. In den versunkenen Städten blieben die Innenausstattung – Möbel, Haushaltsgegenstände, Schmuck etc. – und die wunderbaren Wandmosaiken sowie –malereien bewahrt. Für viele Wohnhäuser und Villen ließen sich sogar die Namen ihrer Bewohner ermitteln. Ebenfalls erhalten haben sich eindrucksvolle Gartenanlagen mit Zierbassins und Springbrunnen.

„Kapitel Sechs: Ein Rundgang durch Pompeji“ (S. 160-184): Noch einmal greift der Autor die besonders bedeutenden, schönsten und tragischen Stätten Pompejis auf. Mit kurzen Kommentaren versehen, stellt er sie zu einem Rundgang zusammen, der den heutigen Besucher mit allen Aspekten der antiken Stadtgemeinde vertraut macht. Dazu gibt es einen doppelseitigen Plan, der ein Bild der Topografie insgesamt vermittelt. Abschließend macht ein Glossar mit wichtigen römischen Fachtermini der römischen Stadtgeschichte vertraut. Wer sich intensiver informieren möchte, kann dies mit Hilfe einer Bibliografie tun. Ein Register erleichtert es, bestimmte Namen, Orte und Sachverhalten noch einmal nachzuschlagen.

„Pompeji – The Last Day“ ist das Buch zur gleichnamigen [BBC-Fernsehreihe]http://www.bbc.co.uk/history/programmes/pompeii von 2003, einem jener bemerkenswerten TV-Sachspektakel, die dieser Sender ebenso publikumswirksam wie themenbezogen immer wieder zu entfesseln weiß. Während die Sendung mit perfekter Tricktechnik und enormem Schauspielereinsatz „Geschichte live“ zu bieten versucht, geht das Buch einen anderen Weg: Es beschränkt sich auf die echten Relikte von Pompeji, die sich sehen und anfassen lassen.

Die sind so reich an Zahl, Form und Farbe, dass sich mit ihnen problemlos ein Buch wie dieses nicht nur illustrieren lässt. Stattdessen wird das antike Pompeji wieder lebendig – und zwar als Ort, an dem Menschen lebten, arbeiteten, sich amüsierten. Normalerweise wirken Relikte aus alter Zeit steril, weil sie nur schmale Ausschnitte der Vergangenheit rekonstruierbar machen. In Pompeji ist jedoch jeder Aspekt noch fassbar, wird das (allzu) Menschliche offenkundig.

Auf den Hauswänden stehen Namen, Warnungen („Hüte dich vor dem Hund!“) Wahlkampfparolen, Werbesprüche, anzügliche Graffitis („Netzkämpfer Crescens ist der Herr, der den Mädchen ihre Medizin für die Nacht verabreicht.“), in den Tavernen stehen Trinkgefäße und Knabberzeug noch auf den Tischen – und überall liegen die erschlagenen, verbrannten, erstickten Menschen: Asche und Schutt haben die Hohlformen ihrer verwesten Körper so perfekt erhalten, dass man diese mit eingefülltem Gips dreidimensional im Moment ihres Todes neu erstehen lassen kann; ein beklemmender Anblick, Männer, Frauen und Kinder nach zwei Jahrtausenden noch mit dem letzten Stück Brot, dem Geldbeutel oder dem Enkelkind in den Händen zu erblicken.

„Pompeji – Der letzte Tag“ ist ein hervorragender Einstieg in die Materie. Auf 192 Seiten wird Kompaktwissen vermittelt, ohne dass sich der Leser überfordert fühlt. Dazu trägt die sichtbare Einheit von Wort und Bild bei: Die Abbildungen sind fotografisch und in der Wiedergabe großartig; das gesamte Buch besteht aus qualitätvollen Kunstdruckpapier. Der Verfasser befleißigt sich jenes leichten Erzähltons, der allgemein verständlich ist, ohne darüber die grundsätzlichen Infos jemals vermissen zu lassen. Für veranschaulichende Episoden und Anekdoten ist immer Raum. Aktuell ist das Werk natürlich auch. Es berücksichtigt den derzeitigen Forschungsstand.

(Dr.) Paul Wilkinson ist Klassischer Archäologe. Nach seiner Promotion ging er zwei Jahre nach Pompeji und Herculaneum, um an den dortigen Ausgrabungen und Forschungen teilzunehmen. Da es mit den Berufsaussichten „im Fach“ nicht zum Besten stand, machte sich Wilkinson selbstständig. Er leitet die [Kent Archaelogical Field School]http://www.sedwards.demon.co.uk/kafs/index.html und führt archäologische Reisen und Kurse durch, wobei sich Letztere vor allem mit der praktischen Seite der Archäologie beschäftigen. Ansonsten schreibt Wilkinson für das „BBC History Magazine“, „History Today“ oder die „Sunday Times“ und ist Redakteur von BBC-TV-Serien wie „Time Team“ oder „Pompeji – The Last Day“.

Szerb, Antal – Reise im Mondlicht

|“Ich mag Menschen nicht, die nicht so sind wie andere Menschen. Schon die anderen Menschen sind widerlich genug. Und erst noch die, die nicht so sind.“|

_Honeymoon_

Schon auf ihrer Hochzeitsreise tun sich die ersten Abgründe zwischen Mihály und Erzsi auf: In einer Nacht in Venedig verläuft Mihály sich so lange in den Gässchen der Lagunenstadt, dass er erst morgens zu seiner frisch angetrauten Frau zurückkehren kann, und in Ravenna schließlich wird Mihály von seiner Vergangenheit eingeholt. Die byzantinischen Mosaiken rufen nämlich Erinnerungen an seine Jugendfreunde Tamás und Éva Ulpius wach, die ihn sehr verwirren. Kurz darauf taucht János Szepetneki auf, der ebenfalls zum früheren Freundeskreis gehört hat.

Nach dem Zusammentreffen mit János erzählt Mihály seiner Frau einiges über seine ehemaligen Freunde aus dem Ulpius-Haus, zu denen neben Tamás, Éva und János auch Ervin gehört hat, der damals vom Judentum zum Katholizismus übergetreten war. János glaubt nun, dass Ervin als Mönch in Umbrien oder der Toskana lebt, Tamás dagegen hatte sich damals selbst umgebracht, bevor er richtig erwachsen werden konnte.

Nach einem Brief von Erzsis erstem Ehemann Zoltán, in welchem dieser seinem Nachfolger Tipps für das Zusammenleben mit Erzsi gibt, fürchtet Mihály, seine Frau zu verlieren, da er ihr nicht den Luxus und die Sicherheit geben kann, die sie von Zoltán gewöhnt ist. Auf der Zugfahrt nach Rom beschließt Mihály, während eines Zwischenstopps einen Kaffee zu trinken. Als er den Zug weiterfahren sieht, springt er noch schnell auf, stellt allerdings zu spät fest, dass er sich im falschen Zug befindet. Dieser bringt ihn nach Perugia, wo Mihály eine ganz andere Reise antreten wird – eine, die ihn in seine eigene Vergangenheit und zu sich selbst führen wird …

_Eine Reise ins Ich_

„Reise im Mondlicht“ überzeugt in erster Linie, weil dieses Buch von ganz alltäglichen Dingen berichtet, von Selbstzweifeln eines fehlerhaften Helden, der nicht erwachsen werden mag und immer noch seinen Jugendfreunden und -erinnerungen hinterhertrauert. Antal Szerb erzählt in wunderbaren Worten eine einfache Geschichte, die großartig zu unterhalten weiß, weil man sich auf den Seiten wiederfinden kann und Szerb die Sorgen des Helden so darzustellen weiß, dass man sich mit ihnen identifizieren und sie miterleiden kann.

Schon auf der ersten Seite wird der Abgrund deutlich, der sich unweigerlich zwischen Mihály und Erzsi auftun muss, denn Mihály ist noch gar nicht reif, um die Verantwortung für seine Ehefrau und ihre Lebensgemeinschaft zu übernehmen. Von Kleinigkeiten und winzigen Gedanken lässt er sich ablenken; so benötigt es nur die kleinen Gässchen Venedigs, um ihn eine ganze Nacht lang während der Flitterwochen von Erzsi fernzuhalten. Schon Zoltáns Brief weckt solch starke Zweifel in Mihály, dass er praktisch das Ende seiner Ehe vorhersieht. Eine starke Bindung kann der Leser zwischen den beiden kaum erkennen, auch wenn Erzsi an der Ehe festhalten möchte, selbst nachdem Mihály nicht gedenkt, ihr nach Rom nachzureisen und die Zeit und Gelegenheit lieber nutzt, um eine Entdeckungsreise auf eigene Faust zu unternehmen.

Szerb erzählt auf großartige Weise eine Geschichte, die man einfach lieb gewinnen muss. Feine Ironie und gute Beobachtungsgabe zeichnen diesen Roman ebenso aus wie elegante Sprache und kuriose Begebenheiten, die die Erzählung scheinbar zufällig in eine bestimmte Richtung lenken. So lässt Szerb immer wieder Kleinigkeiten passieren, die dem Geschehen eine ganz neue Wendung geben und Mihály manchmal wie eine Schachfigur wirken lassen, die in einem größeren Spiel eingesetzt wird, welches andere Mächte für ihn entscheiden werden. Die Situationen entlocken uns dabei häufig ein Lächeln, wenn Mihály beispielsweise schusselig auf den falschen Zug aufspringt, sich aber schnell damit anfreundet, alleine Perugia zu erkunden und seine Ehe erst einmal auf Eis zu legen.

Derlei Dinge mögen einem vielleicht unwahrscheinlich erscheinen, sicherlich sind sie etwas überspitzt, aber hegen wir ähnliche Gedanken nicht zwischendurch alle einmal? Ist der Gedanke daran, sein altes Leben hinter sich zu lassen und neu zu beginnen, nicht völlig normal? Mihály lebt ihn schließlich für uns aus, weil er anders nicht sein Glück finden kann, und wir befinden uns in der glücklichen Lage, ihn auf dieser Reise begleiten zu dürfen. So tauchen wir in eine Welt ein, in der vieles möglich wird, und wir müssen sehen, welche Konsequenzen das Abwenden vom gewohnten Leben mit sich bringen kann. Auf diese Weise können wir von Mihály und seinen Fehlern vielleicht sogar noch lernen.

Aber dieses Buch hat noch mehr zu bieten, denn die gesamte Handlung spielt sich an traumhaft schönen Schauplätzen zunächst in Italien und später auch in Paris ab, die ihren ganz eigenen Reiz haben und ebenfalls zum Lesegenuss beitragen. Hierbei und auch bei den nostalgisch gefärbten Jugenderinnerungen Mihálys umschifft Szerb jedoch gekonnt jegliche kitschigen Klischees, die bei derlei Ausführungen so leicht auftauchen könnten.

_Alltagshelden_

In dieser Geschichte liegt einiges im Argen; jeder der Protagonisten offenbart seine guten wie auch schlechten Eigenschaften, Gut und Böse werden jedoch nie schwarz-weiß gezeichnet, die Grenzen dazwischen bleiben verwaschen. Im Zentrum steht natürlich Mihály, den wir auf seiner Reise begleiten. Auf den ersten Blick scheint er ziellos umherzuirren und lediglich vor seinem Leben und seiner Ehe zu fliehen, doch unweigerlich läuft alles auf eine Begegnung mit der eigenen Vergangenheit hinaus. So erahnt Mihály bald Ervins Aufenthaltsort und trifft ihn tatsächlich wieder. Die beiden unterhalten sich und Mihály muss erkennen, wie sehr sein alter Freund sich durch den Klosteralltag verändert hat, dennoch scheint er mit sich im Reinen zu liegen, wovon Mihály weit entfernt ist. Ervin kann seinem Freund noch einen guten Rat auf den Weg geben, doch wird es bei dieser einen Begegnung der beiden Jugendfreunde bleiben.

Mihály begibt sich nach Rom, um dort dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Immer hofft er auf ein zufälliges Zusammentreffen mit Éva, das selbstverständlich eintreten wird. Während seiner Wartezeit muss Mihály erkennen, wie wenig er doch seine eigene Vergangenheit verarbeitet hat, die er für abgeschlossen hielt. Unser Romanheld wird von kräftigen Schicksalsschlägen getroffen; schnell geht ihm das Geld aus, von seinem Bruder aus Ungarn erhält er einen Brief, der seine baldige Rückkehr einfordern will, und auch einen schweren Zusammenbruch mit anschließendem Krankenhausaufenthalt muss Mihály überstehen. Mihály ist alles andere als perfekt, und obwohl er seine Frau frühzeitig sitzen gelassen hat, obwohl sie ihm zuliebe doch ihren ersten Ehemann verlassen hat, wächst er uns ans Herz, sodass wir ihm wünschen, dass er endlich seinen Weg findet und glücklich werden möge.

Derweil sucht Erzsi alleine in Rom ihr Glück und trifft bald János Szepetneki wieder, der schließlich den Vermittler für Zoltán spielen wird. Zunächst hofft Erzsi noch auf Mihálys Rückkehr, doch muss sie bald einsehen, dass damit nicht zu rechnen ist. Dennoch will sie die Hoffnung auf eine Versöhnung nicht aufgeben. In der notwendigen Sparsamkeit geht sie vorerst völlig auf, da sie diese in der Ehe mit Zoltán so vermisst hat, aber schließlich sind es dann die Männer, die Erzsi lenken und ihre Geschicke für sie leiten. Solcherart erscheint uns Erzsi ein wenig als Spielball der Geschichte, dennoch verleiht Szerb natürlich auch ihr Merkmale, die sie liebenswert machen und stark erscheinen lassen können.

Zoltán erhält die Rolle des liebeskranken verlassenen Ehemanns, der zwar in Mihály keine bedrohliche Konkurrenz gesehen hat, jedoch in allen Männern, die Erzsi in Rom und später auch in Paris treffen würde. Um Erzsi zurückzugewinnen, erniedrigt sich Zoltán und will alles in seiner Macht Stehende tun, allerdings kommen dem Leser auch Zweifel, ob es wirklich um die Liebe geht oder einfach nur um den dabei zu erringenden Sieg?!

Antal Szerb zeichnet durchweg glaubwürdige Charaktere, die von vielen Seiten beleuchtet werden, um sie menschlich wirken zu lassen und eine Identifikation zu ermöglichen. Die Sympathien sind jedoch klar verteilt, denn als Leser hängt man sein Herz an Mihály, der kurz vor dem Abgrund zu stehen scheint.

_Traumwelten und Schuldzuweisungen_

Schon die Erlebnisse im Ulpius-Haus entscheiden über Mihálys Zukunft, in den Flitterwochen schließlich wird er von seinen Erinnerungen überrollt. Mit den Ulpius-Geschwistern konnte Mihály beim Theaterspiel viele Träume ausleben und Dinge geschehen machen, die im wirklichen Leben nicht möglich erschienen. Mit großer Hingabe sind die damaligen Freunde in unterschiedliche Rollen geschlüpft, die sicherlich charakteristisch für die Schauspieler waren. Mit Tamás und Éva war nichts unmöglich und in dieses Bild passt auch Tamás’ Selbstmord, der ihn vor einer Zukunft bewahrt hat, in der er sich unweigerlich von seinen Traumvorstellungen hätte lösen und Verantwortung für sich und andere hätte übernehmen müssen.

In etwas naiver Manier schafft Mihály es, sämtliche Schuld von sich zu weisen, immer sind es die kleinen Momente, die für ihn entschieden haben. In Venedig sind es die unübersichtlichen Gassen, in denen er sich verläuft, auf der Fahrt nach Rom ist der Zug schuld, der zu früh abfährt, und später ist es Ervin, der die Entscheidung für Mihály trifft und ihn nach Rom schickt. Nur selten scheint Mihály bewusst Entscheidungen für sein Leben zu treffen und so passt besonders das gelungene Buchende perfekt in das Gesamtbild.

_Klein, aber fein_

Antal Szerb benötigt weder Mord noch Totschlag und auch keine perfekten Charaktere, um eine absolut gelungene Geschichte zu präsentieren. Gerade die Fehler des Romanhelden sind es, die den Leser schmunzeln lassen und eine Identifikation ermöglichen. Auf jeder Seite fiebert man mit und wünscht Mihály so sehr, dass er endlich sein Glück finden möge, doch geschehen immer wieder Dinge, die seine Geschicke für ihn lenken. Auch sprachlich ist „Reise im Mondlicht“ eine erfreuliche Abwechslung vom oft anzutreffenden literarischen Einheitsbrei der „Massenschreiber“; jeder Zeile merkt man an, dass ein Literaturprofessor am Werke war, der die Sprache liebt – so macht das Lesen richtig Spaß. „Reise im Mondlicht“ ist ein Muss für jeden Buchliebhaber, der sich an den Kleinigkeiten erfreuen kann, an feiner Ironie und wunderbaren Sätzen, die eine liebevolle Geschichte von Alltagsmenschen erzählen. Dieses Buch ist einfach großartig!

http://www.dtv.de

|Ergänzend dazu: Michael Matzers [Rezension der Hörbuchfassung 2724

Hoffmann, Markolf – Flammenbucht (Das Zeitalter der Wandlung 2)

Das |Zeitalter der Wandlung|:
Band 1: [Nebelriss 473
Band 2: _Flammenbucht_
Band 3: [Schattenbruch 2288
Band 4: [Splitternest 4027

Mit „Nebelriss“ präsentierte der deutsche Autor Markolf Hoffmann den ersten Band seiner Tetralogie „Das Zeitalter der Wandlung“. In der „Flammenbucht“ der Insel Fareghi geht die spannende Geschichte weiter, die durch lebensechte Charaktere mit nachvollziehbaren Motivationen und die Sprachgewandtheit des Autors glänzen kann. Freunde von George R. R. Martin und seinem „Lied von Eis und Feuer“ werden den recht ähnlichen Stil der komplexen Geschichte mit ihren zahlreichen Charakteren schätzen.

_Das Zeitalter der Wandlung_

Die Welt Gharax wird im Norden von mehreren Königreichen, unter ihnen das Großreich Arphat, beherrscht, während im Süden das Kaiserreich Sithar sich in jahrhundertelangen Konflikten immer wieder der Herrschaftsansprüche Arphats erwehren musste. Doch diese kleinlichen Konflikte verblassen angesichts der Bedrohung durch die Goldéi, eine in Magie und Kriegskunst fortschrittliche Rasse, deren Überlegenheit so groß ist, dass sich ihnen sogar der stolze König Eshandrom von Kathyga unterworfen hat.

Das Ziel der Goldéi scheint nicht Reichtum oder weltliche Macht zu sein, denn sie erobern gezielt die Quellen der Magie, die einst von dem legendären Zauberer Durta Slargin gebändigt und nutzbar gemacht wurden. Diese sorgen für Regen, gute Ernte, lenken Meeresströme und ermöglichen alle bekannten Formen der Magie auf Gharax. Der Magierschüler Laghanos gerät in die Hände der Goldéi, die sein Gesicht mit einer goldenen Maske verunstalten, die ihm Schmerzen bereitet, aber auch eine ihm selbst noch nicht vollständig bekannte Macht über die Quellen gibt. Zwar wird er befreit, aber er gerät über die zersplitterten Magierlogen, die ihm weniger helfen denn sich seine Macht zunutze machen wollen, in die Hände einer Sekte, die „Mondschlund“, einen als Blender und Verräter verschrienen ehemaligen Weggefährten Durta Slargins, verehrt.

Währendessen gelingt es Fürst Baniter Geneder, den schwachen Kaiser Akendor zu einem Bündnis mit Arphat gegen diese seltsamen Wesen zu überreden. Was weder der Kaiser noch der „Silberne Kreis“, sein Thronrat bestehend aus den Fürsten Sithars, der die wahre Regierungsmacht darstellt, wissen, ist dass Baniter Königin Inthara von Arphat eine Hochzeit mit Akendor und damit eine Vereinigung beider Reiche schmackhaft gemacht hat. Doch während Baniter in Arphat seine nicht uneigennützigen Ränke spinnt, die zudem von Erfolg gekrönt scheinen, ändert sich in Sithar die Lage dramatisch: Kaiser Akendor wird ironischerweise infolge eines Nebenaspekts von Baniters Plan abgesetzt und für tot erklärt, obwohl er in Wahrheit aus dem Kerker entkommen kann. Sein Sohn Uliman wird aus Troublinien zurückgeholt und neuer Kaiser von Sithar. Doch dieser lässt sich nicht so leicht vom „Silbernen Kreis“ bevormunden, schlimmer noch, er wurde in der Magie ausgebildet und steht unter dem Einfluss der Magier.

Während es in Sithar zu Glaubenskriegen kommt und Nhordukael als Hohepriester der Aufständigen erfolgreich die Macht der nun gespaltenen Kirche des Tathril zerschlägt und auch dem kaiserlichen Heer Verluste zufügt, setzen die Goldéi ihren Eroberungsfeldzug fort und erobern Städte in Arphat.

An ganz anderer Stelle erkunden der troublinische Großmerkant Aelarian Truarc und sein Diener Cornbrunn die Lage: Der Leuchtturm von Fareghi, ebenfalls eine Quelle der Magie, ist unter die Kontrolle von Goldéi-Verbündeten geraten. Ohne ihn kann das Silbermeer nicht sicher befahren werden – eine Katastrophe für die gesamte Menschheit. Doch die beiden finden die Hintergründe der Invasion der Goldéi heraus und geraten unter den Einfluss von Mondschlund …

_Komplex, aber leider auch verzettelt_

Markolf Hoffmanns Markenzeichen ist seine sprachliche Finesse. Seine Figuren werden bereits durch ihre Sprachweise treffend charakterisiert; so merkt man Fürst Baniter seine Gerissenheit an, nicht umsonst wird er der „Luchs von Ganata“ genannt, während sich Laghanos Zweifel und Furcht sowie seine jugendliche Unerfahrenheit in diesem großen Ränkespiel auch in seinen Worten niederschlagen. Dabei verfällt er nicht in die bombastische und künstliche Phrasendrescherei, die man so oft als Wortgewandtheit verkauft bekommt.

Die Geschichte ist sehr komplex, es gibt zahllose Charaktere anstelle einer einzelnen dominanten Hauptfigur. Dies erinnert stark an George R. R. Martin, der einen ähnlichen Ansatz für sein „Lied von Eis und Feuer“ wählte. Dieser Ansatz gewährleistet glaubhafte, lebensechte Figuren und eine weniger märchenhafte, sondern real erscheinende Handlung.

Doch leider hat diese Methode er auch einen Nachteil, der sich in „Flammenbucht“ leider bemerkbar macht: Die Handlung ist so komplex, dass sie nur schleppend vorankommt, die häufigen Orts- und Personenwechsel sorgen zwar für Abwechslung, aber die Einflechtung neuer Handlungsstränge, die oft in keinen Zusammenhang zu den Ereignissen zu stehen scheinen, kann verwirren und stören. Zumal mir die Nebenhandlung um die blonde Meuchlerin und Leibwächterin Ashnada nicht gerade gefiel, sie war geradezu trivial, ein Gegensatz zu der sonst so ausgefeilten Welt. Ebenso ist der eher hilflose Laghanos bedingt durch diese Hilflosigkeit ein echter Langweiler; dabei kann man davon ausgehen, dass er in Zukunft eine der wichtigsten Figuren sein wird – in diesem Buch kommt er nur selten zum Zug. Während die Handlung im Kaiserreich nach wie vor auf hohem Niveau bleibt, wird mit den so genannten „Südseglern“ – einem Haufen in seltsamen Reimen redender Seefahrer, die einen vermuteten Südkontinent suchen – ein neuer Handlungsstrang eröffnet, über dessen Bedeutung man leider nur spekulieren kann. Hier lässt sich Hoffmann leider auf eine klischeehafte Mystifizierung durch Geheimnistuerei und die erwähnten lächerlichen Reime ein, ein geradezu fantasytypisches Klischee, das in meinen Augen eher eine ideenlose Lösung darstellt. Warum hat er sich diese Südsegler nicht einfach erspart, denn wirklich aktiv werden sie in diesem Buch ohnehin nicht, und ihr gesamtes künstliches Gehabe wäre überflüssig geworden.

Gelungen hingegen ist das Duo Aelarian Truarc und Cornbrunn. Der Großmerkant und sein Diener bringen den nötigen Humor in die Handlung, der in „Nebelriss“ fehlte. Ihre beiden Kieselfresser Grimm und Knauf entwickeln sich mitsamt ihren Herrchen zu echten Sympathieträgern. Sie bringen auch Licht in die dunklen Hintergründe der Goldéi-Invasion und lösen so manches Geheimnis auf. Doch leider wird die Geschichte von Durta Slargin und Mondschlund sowie der Verbindung zu den Goldéi etwas platt erzählt – eben einfach nur nacherzählt anstelle von erfahren.

Erwähnenswert ist ein im Prolog der Geschichte erwähnter Leitgedanke: Ist jede Stadt, die von Menschenhand errichtet wurde, dem Untergang geweiht? Diesen Gedanken verfolgt Hoffmann durch die Geschichte anhand legendärer Städte, über die das Unglück durch ihre eigenen Bewohner heraufbeschworen wurde – ein Schicksal, das einige große Städte Arphats und Sithars in diesem Buch teilen werden. Ein Gedanke, der im weiteren Handlungsverlauf auch hinsichtlich der Goldéi-Invasion eine tragische Wahrheit darstellt …

_Fazit:_ „Flammenbucht“ kann mit sprachlicher Gewandtheit, starken Charakteren, einer faszinierenden, komplexen Story und Welt weit abseits bekannter Klischees glänzen. Im Gegensatz zu „Nebelriss“ kommt auch der Humor nicht zu kurz. Leider hat sich Hoffmann mit den vielen Handlungssträngen verzettelt, dafür kamen wichtige zu kurz. Die Handlung wird immer komplexer und vielschichtiger, doch sie tritt leider auch auf der Stelle. Aber die Geschichte ist einfach zu gut, um lange darüber zu hadern. Auch dieses Buch endet wie bereits „Nebelriss“ mit einem Cliffhanger; der Folgeband „Schattenbruch“ wird vermutlich in zwei Bände aufgeteilt und schließt die Saga somit als Tetralogie ab. Wer G. R. R. Martin liebt, wird auch Markolf Hoffmanns „Zeitalter der Wandlung“ schätzen.

Auf der [Homepage]http://www.nebelriss.de/ von Markolf Hoffmann kann man Probekapitel von „Nebelriss“ und „Flammenbucht“ lesen, ebenso findet man weitere Informationen über die Welt Gharax und den Autor selbst.

Calvo Poyato, José – Geheimnis der Schwarzen Bibel, Das

Eine Geschichte, die einem alten Menschheitswunsch nachjagt. Ein Geheimnis, das über Jahrhunderte gehütet wurde. Ein rätselhaftes Buch, das ein mysteriöses Geheimnis trägt, das die Weltordnung bedroht. Das sind die vielversprechenden Zutaten des spanischen Bestsellers „Das Geheimnis der Schwarzen Bibel“.

Die Geschichte beginnt im 15. Jahrhundert in Toledo. Ein Fremder betritt den Laden des Amtschreibers und Buchhändlers Santiago Díaz und verkauft ihm ein Buch mit einem sonderbaren Messingeinband. Wenig später wird der Fremde ermordet aufgefunden. Santiago Díaz ahnt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Tod und dem Buch besteht und stellt zusammen mit Freunden Nachforschungen an. Wenig später ist auch der Buchhändler tot. Doch einem Freund gelingt es, das Buch zu verstecken und sein Geheimnis zu entschlüsseln: Es enthält eine hochkomplizierte Anleitung, die erklärt, wie sich aus einfachem Blei reinstes Gold herstellen lässt.

Das Geheimnis wird innerhalb der Familie weitergereicht, von einer Generation zur nächsten, bis im 17. Jahrhundert die Inquisition darauf aufmerksam wird. Die Familie wird zum Tode verurteilt, doch das Buch bleibt verschollen, bis es fünf Jahrhunderte später bei den Bauarbeiten zu einer Tiefgarage in Toledo wieder auftaucht. Ein spektakulärer Fund, auf den schon bald Geheimdienste und Mafia aufmerksam werden. Jeder jagt dem Buch hinterher und einige sind sogar bereit, dafür über Leichen zu gehen …

Die Rahmenhandlung klingt zunächst ausgesprochen vielversprechend und scheint alle Zutaten zu enthalten, die es für einen spannenden Roman braucht. Ein näherer Blick relativiert das Ganze dann allerdings schon wieder ein wenig. Ein Aspekt, der im ersten Moment noch recht reizvoll erscheint, nämlich das Ausdehnen der Handlung über mehrere Jahrhunderte, sorgt in der Praxis für einen etwas unangenehmen Nebeneffekt. Es gibt haufenweise Figuren, die sich über unterschiedliche Handlungsebenen verteilen.

Drei verschiedene Epochen mit jeweils unterschiedlichen Handelnden, da entsteht natürlich leider auch kaum eine Bindung zwischen Figuren und Leser, auch wenn sich mit Blick auf die Zeitebenen durchaus ein Schwerpunkt ausmachen lässt. Der größte Teil der Geschichte spielt in der Gegenwart, Handlungen aus der Vergangenheit werden eher in Form von ausgiebigen Rückblenden eingeschoben. Dennoch bleiben die unterschiedlichen Handlungsebenen auch eine leichte Schwäche. Bevor man die Figuren richtig kennen lernt, ist die Handlung auch schon eine Epoche weitergewandert, die vermeintliche Hauptfigur aus dem Blickfeld des Lesers verschwunden. Das geht ein wenig zu Lasten der Spannung, denn mit den Figuren mitfiebern kann man auf diese Art nicht so sehr, wie es bei einem richtigen Spannungsroman vielleicht sein sollte.

Der Reiz des Buches liegt sicherlich in seiner Thematik. Man kann sich durchaus lebhaft vorstellen, was passieren würde, wenn irgendwo auf der Welt eine Anleitung auftauchen würde, mit deren Hilfe sich (ohne teure und energiefressende Druck-Hitze-Apparaturen) aus Blei Gold herstellen ließe. Es geht letztendlich um einen der Kernpunkte der Alchimie und José Calvo Poyato spinnt daraus eine Geschichte, die (mal abgesehen von der Möglichkeit, Blei wirklich zu Gold werden zu lassen) gar nicht so unwahrscheinlich klingt.

Er setzt nicht auf übertriebene Action, sondern inszeniert seinen Plot so, dass man sich vorstellen kann, dass die Verhaltsweisen der Figuren und die Entwicklung der Geschichte durchaus im Rahmen des Möglichen liegen. Weder Handlung noch Figuren wirken überzeichnet. Dem entspricht auch die Auflösung der Geschichte. Der ganz große Knalleffekt bleibt aus, aber eben zugunsten eines durchaus zufriedenstellenden und glaubwürdigen Endes.

Dennoch gibt der Plot auch Anlass zur Kritik. Insgesamt wirkt die Geschichte, bzw. wirken die Verwicklungen zwischen den Figuren ein wenig zu einfach gestrickt. Dementsprechend gibt es nur wenige Überraschungen. Einiges lässt sich vorausahnen und man vermutet fast schon intuitiv, wer welche Rolle spielt. Das geht natürlich ebenfalls ein wenig zu Lasten der Spannung. Es ist durchaus interessant, den Verlauf der Geschichte weiterzuverfolgen, aber dennoch fehlt mit Blick auf den Spannungsbogen immer wieder das gewisse Etwas. Durch die vielen Figuren und die Einfachheit des Plots steckt man als Leser letztlich nicht so tief in der Geschichte drin. Man ist nicht so sehr gefesselt, auch wenn es gerade zum Ende hin natürlich schon recht spannend wird.

Sprachlich betrachtet, wird „Das Geheimnis der Schwarzen Bibel“ durchaus den Erwartungen gerecht. Es zählt eindeutig in die Kategorie leichter Unterhaltungsliteratur und lässt sich flott durchlesen. José Calvo Poyato hält es in sprachlichen Dingen recht einfach und nüchtern, zeigt aber eine Schwäche im Schildern von Emotionen. Manchmal neigt er zu einer etwas abgedroschenen Bildhaftigkeit und zu etwas übertriebenen Steigerungen, wenn seine Figuren emotional werden. Aber da der Roman ziemlich eindeutig zur Kost der leichten Sorte zu zählen ist, kann man das halbwegs verschmerzen.

Was ebenfalls hier und da negativ auffällt, ist die Übersetzung. Alchimie und Alchemie sind zwar zwei zulässige Schreibweisen für ein und dasselbe Wort, aber deswegen sollte man sie vielleicht trotzdem nicht abwechselnd benutzen. Auch Redewendungen wie „eilig herbeigeeilt“ klingen etwas ungeschickt. Glücklicherweise tauchen solche stilistischen Patzer nicht allzu oft auf.

Was bleibt, ist ein durchwachsener Eindruck. Einerseits eine interessante und vielversprechende Thematik, die Neugier weckt, andererseits ein Buch, das die Erwartungen nicht in jeder Hinsicht erfüllen kann. Der Spannungsbogen fällt stellenweise etwas flach aus und durch die zeitlichen Sprünge und die wechselnden Figuren fehlt es ein wenig an Potenzial zum Mitfiebern.

José Calvo Poyatos Geschichte liest sich zwar locker und das Weiterspinnen der Gedanken und Fragen, die das Buch aufwirft, hat durchaus seinen Reiz, dennoch fehlt aufgrund der Einfachheit des Plots irgendwie das gewisse Etwas. Alles in allem ein solider Unterhaltungsroman. Für Freunde historisch angehauchter Spannungsliteratur sicherlich nicht ohne Reiz, dennoch kein Buch, das man so ohne weiteres reinen Gewissens uneingeschränkt empfehlen mag. Ein Buch, das man gerne lesen kann, aber ganz bestimmt nicht unbedingt lesen muss.

Disher, Garry – Willkür

Manche Pechsträhne will einfach nicht abreißen … Vor zehn Monaten haben die Mesics, ein Familienbetrieb in Sachen Kapitalverbrechen, den Berufsverbrecher Wyatt um viel Geld geprellt. Seither ist es stetig abwärts mit ihm gegangen; pleite und wurzellos zieht Wyatt durch das Land. Zu allem Überfluss wird er auch noch von den Killern eines mächtigen Gangstersyndikats aufgespürt, denen er ebenfalls in die Quere gekommen ist.

Jetzt will Wyatt sein Geld zurück – und Rache nehmen! In Melbourne späht er das Anwesen der Mesics aus. Er weiß noch nicht, dass diese selbst in Schwierigkeiten stecken. Der alte Karl, das besonnene Oberhaupt, ist gestorben. Seine Söhne können ihm geistig nicht das Wasser reichen und streiten um die künftige Ausrichtung der „Geschäfte“. Konkurrierende Banden wissen um die Turbulenzen und lauern bereits auf ihre Chance, das Mesic-Territorium zu übernehmen. Die Polizei hält ebenfalls die Augen weit offen; der ehrgeizige Inspector Coulthart will die Mesics hochnehmen.

Nichts kann Wyatt aufhalten; es ist es satt zu flüchten. Dieser Coup muss ihm glücken, koste es was es wolle! Mit einigen ehemaligen Diebeskumpanen heckt er einen riskanten Plan aus, einigt sich sogar mit dem Syndikat. Dass dieses ihn anschließend erst recht umbringen lassen wird, ist ihm klar und wird in seine Überlegungen einbezogen. Freilich kann auch Wyatt nicht die Tücke des Objekts einkalkulieren, das in diesem Fall in Gestalt der korrupten Polizisten Bax und Napper, diverser verräterischer „Kollegen“ und eines blutdurstigen Kampfhunds auftritt …

Kein Polizist egal welchen Geschlechts mit Beziehungsproblemen? Kein genial-irrer Serienkiller, der seine Häscher mit kriminell kriminalistischen Rätselspielchen herausfordert? Keine Pathologin, die ausgetüftelt gemeuchelte Kadaver zerlegt und in ihrer Freizeit auf Täterfang gehen muss, weil die chronisch dämliche Polizei entlarvende Indizien nicht erkennt? Keine mutigen Amateurwissenschaftler, welche die Autobiografie Jesu Christi den Fängen der Vatikan-Mafia entreißen? Ist das wirklich ein Kriminalroman, den wir hier lesen? Ist es, wenn auch keiner, der in den Bestsellerlisten aufscheinen dürfte, wo gepflegte Langeweile in Thrillern von der Stange dargeboten wird.

„Willkür“ ist stattdessen ein Gangstergarn der guten, alten Art. Wyatts Unterwelt ist ein düsteres Spiegelbild des „normalen“ Alltags. Auch Verbrecher müssen sich nach der Decke strecken, leiden unter Stress im Job und Selbstzweifeln, werden gemobbt, ärgern sich mit unfähigen Chefs oder unbotmäßigen Untergebenen herum. Ergaunertes Geld will mühsam verdient werden, wobei erschwerend hinzukommt, dass bei Versagen nicht Bankrott und Hartz-IV-Knechtschaft drohen, sondern Gefängnis oder eine Kugel in den Kopf.

Die von seifenoperlichen Alltagsärgernissen geprägte Gangsterwelt weiß Garry Disher mit jener lakonischen Meisterschaft in seine Geschichten einzupassen, die auch die Autoren der TV-Serie „Die Sopranos“ ihren Mafiafiguren angedeihen lassen. Hier gibt es keine genialen Coups, keine eleganten Überfälle, kein witziges Linken des Gesetzes. Rau und schmutzig geht es zu, jede/r ist sich selbst der oder die Nächste. Von Moral oder wenigstens Ganovenehre keine Spur; für ein paar Scheine verrät man seine besten Verbrecherfreunde, seine Familie, seine Lebensgefährten.

Dabei spielt die Polizei ihre eigene Rolle. Da ist Inspector Coulthart, den sein Verlangen, die Mesics zu erwischen, zu ungesetzlichen Methoden greifen lässt. Sein Stellvertreter ist gänzlich „zum Feind“ übergelaufen. Bax sorgt dafür, dass polizeiliche Aktionen in der Unterwelt die Mesics aussparen. Napper wiederum ist ein armes Schwein, das aus purer Not zum Gangster wurde und immer ein Verlierer bleiben wird; der sarkastische Schlussgag geht denn auch ganz auf seine Kosten.

Gewalt und Mord sind Teil des Geschäfts. Gestandene Kriminelle fürchten jene nur brutalen, aber sonst beschränkten Figuren, die voller Vergnügen foltern und töten; sie erregen Aufmerksamkeit, und das ist schlecht in einem Gewerbe, das von der Unauffälligkeit lebt. Ein Mord ist emotionslos, rasch und möglichst spurenfrei zu erledigen. Professionell werden auch sonstige Kapitalverbrechen geplant und durchgeführt; Ärger durch die Polizei, schlecht ausgeschaltete Opfer oder Zeugen sind zu vermeiden.

Aber zum Alltag gehört in Garry Dishers Unterwelt immer auch die Tücke des Objekts. Wyatt, der so kontrolliert und konzentriert vorgeht, bleibt davon nie ausgeschlossen. Auch dieses Mal meint er alle Eventualitäten einkalkuliert zu haben. Wieder sind es die dummen, gierigen Nebenfiguren, die ihm einen Strich durch die Rechnung machen – ihm, den Mesics, dem Syndikat, der Polizei. Das ganze kriminelle Kartenhaus lässt Disher kunst- und effektvoll zusammenstürzen – im Gegensatz zum modernen Mainstream-Thriller sind seine Gewaltdarstellungen weder plakativ noch bleiben sie in Vermeidung böser Kritikerstimmen ausgespart. Das Chaos naht, als Leser kann man verfolgen, wie das Geschehen Schritt für Schritt aus dem Ruder läuft. In einem großen Finale stehen sich die Figuren dann gegenüber, eine Begegnung, die immer übel ausgeht und ganz sicher nicht „die Gerechtigkeit“ siegen lässt. Wenn sich nach Disher Verbrechen nicht lohnt, dann höchstens, weil nicht sorgfältig genug geplant oder bei der Umsetzung gepatzt wurde. Bußfertig oder gar geläutert verlässt kein Gauner die Handlung.

Garry Disher (geb. 1949) kennt die Szenerie seiner Romane aus eigenem Erleben. In Südaustralien dort aufgewachsen, wo es überwiegend ländlich-landwirtschaftlich zugeht, unternahm er im Anschluss an ein Universitätsstudium ausgedehnte Reisen, die ihn Anfang der 70er Jahre durch Europa, Israel und Afrika führten. Seine Schriftsteller-Laufbahn begann ebenfalls im Ausland: an der Stanford University im US-Staat Kalifornien, wo ihm ein Stipendium das Erlernen dieses Handwerks ermöglichte. Seither hat Disher mehr als 30 Bücher veröffentlicht. Interessanterweise ist der Verfasser harter Thriller (und historischer Romane) auch ein renommierter Kinderbuch-Autor, der für seine Werke zahlreiche Preise gewann – ein weiterer Beweis für Dishers schriftstellerische Bandbreite. Sein Wissen hütet er übrigens nicht als persönliches Geheimnis, sondern bemüht sich, es an den schreibenden Nachwuchs weiterzugeben. Schließlich ist Disher sehr aktiv als Herausgeber der „Personal Best“-Anthologien.

In seiner australischen Heimat – aber inzwischen nicht mehr nur dort – weiß man sehr genau, was man an Garry Disher hat. Dementsprechend zahlreich sind die Websites, die sein Leben und Werk feiern. Die wohl beste, weil aktuelle, informative und zudem vorbildlich layoutete ist http://ehlt.flinders.edu.au/english/GarryDisher/GarryDisher.html. Sie geizt auch nicht mit Links auf weitere Sites.

Die Wyatt-Romane von Gary Disher erscheinen im Maas-Verlag und werden neu aufgelegt im Knaur-Verlag:

1. Kickback (1991, dt. „Gier“) – Maas-Pulp Master 7/Knaur TB Nr. 61887
2. Paydirt (1992, dt. „Dreck“) – Pulp Master 11/ Knaur TB Nr. 62301
3. Deathdeal (1993, dt. „Hinterhalt“) – Pulp Master 12/ Knaur TB Nr. 62302
4. Crosskill (1994, dt. „Willkür“) – Pulp Master 15/Knaur-TB Nr. 62303 (angekündigt für Dezember 2005)
5. Port Vila Blues (1996, dt. „Porta Vila Blues“) – Pulp Master 18 (angekündigt für 2005)
6. The Fallout (1997, dt. „Niederschlag“) – Pulp Master 21 (noch nicht erschienen)