Jinks, Catherine – Tod des Inquisitors, Der

Südfrankreich im Jahre des Herrn 1318. Sechs Jahrzehnte sind seit dem zweiten Kreuzzug gegen die Katharer oder Albigenser verstrichen. Diese Asketen-Sekte, deren Mitglieder die Bibel rigide auf eine Weise auslegten, die der offiziellen Deutung durch die katholische Kirche widersprach, wurde im Bund mit dem König von Frankreich erbarmungslos bekämpft und beinahe ausgerottet. Aber die Kirche vergisst nie jene, die es wagten, ihr die Stirn zu bieten. Das „Heilige Amt“, die Inquisition, ist stark in der Provinz Narbonne, einem Kernland der Albigenser, die hier länger als irgendwo sonst ausgehalten hatten, wo die nahen Pyrenäen Schutz und Flucht nach Spanien versprachen. Deshalb lebt die Häresie fort, heimlich zwar, doch hartnäckig.

Die kleine Stadt Lazet beherbergt in ihren Mauern die Priorei der Predigenden Brüder, eine Klostergründung des Dominikanerordens. 28 Mönche, 17 Laienbrüder und 12 Studenten leben, beten und arbeiten hier – und 178 Gefangene, verdächtig der Ketzerei, schmachten derzeit im Gefängnis des Heiligen Amtes. Der Papst – aktuell ist es Johannes XXII. – bedient sich gern der Bettelmönche als Inquisitoren; sie gelten als unbestechlich und streng in der Verfolgung der Glaubensfeinde. In Lazet ist gerade Jacques Vaquier, der oberste Inquisitor, gestorben. Sein Stellvertreter Bernard Peyre de Prouille fühlt sich der Nachfolge allein nicht gewachsen und bittet das Mutterhaus im fernen Paris, ihm einen Pater zu schicken.

Es erscheint Augustin Duese, ein fanatischer Ketzerfresser, der weder sich noch seine Mitbrüder schont, wenn es gilt, den Weisungen des Papstes Folge zu leisten. In Lazet hat sich im Laufe der Jahre ein gewisser Friede oder Waffenstillstand zwischen der Kirche, der einheimischen Bevölkerung und Roger Descalquencs, Seneschall König Philipps V. von Frankreich und Repräsentant der weltlichen Macht vor Ort, eingestellt. Duese fühlt sich nicht daran gebunden, wittert überall Ketzerei, Verderbnis und Verschwörung, ordnet Massenverhaftungen und -verhöre an, bringt die Menschen gegen sich auf, schürt geradezu vorsätzlich die Unruhe, die ihn nur noch bestätigt in seiner Mission. Doch zum Pulverfass wird die Situation erst, als Duese tatsächlich Hinweise auf heimliche Häresie, Korruption und politischen Verrat entdeckt. Schlimmer noch: Der verstorbene Inquisitor Vaquier war offensichtlich darin verwickelt. Nun gibt es für Duese kein Halten mehr: Die Inquisition kommt über Lazet!

Doch bevor sie richtig beginnen kann, werden Augustin Duese und vier Soldaten, die ihn begleiten und schützen sollten, auf einer Reise über Land überfallen, unweit des Dorfes Casseras getötet und in Stücke gehackt, die über den ganzen Landstrich verstreut werden. Die Täter verschwinden zunächst spurlos; Misstrauen und Furcht breiten sich aus. Der Schrecken eskaliert, als dem Fanatiker Duese als Inquisitor der engstirnige Pierre-Julien Fauré folgt, der überall nicht nur Ketzer, sondern Hexen und Teufel sieht und außerdem seit vielen Jahren Bernard Peyres Erzfeind ist. Gar zu gern würde Fauré ihm schaden – und die Gelegenheit ist günstig: Bernard, der zur Keuschheit verpflichtete Gottesmann, hat sich in die kluge und tapfere (und natürlich schöne) Edelfrau Johanna de Caussade verliebt, eine Beziehung, die beide in allerhöchste Lebensgefahr bringt …

„Der Inquisitor“/“Der Tod des Inquisitors“ (Taschenbuchtitel), ein Roman über das europäische Mittelalter, wurde verfasst von einer Autorin, die zumindest geografisch der Narbonne nicht ferner stehen könnte: Catherine Jinks wurde 1963 in Brisbane in der australischen Provinz Queensland geboren. Es wird noch exotischer: Ihre Jugendjahre verbrachte sie auf der Insel Neu-Guinea (deren Ostteil übrigens bis 1918 deutsche Kolonie war), bevor sie aufs Festland zurückkehrte, um an der Universität von Sydney Mittelalterliche Geschichte zu studieren. In dieser Stadt blieb sie und lebt hier mit ihrer Familie. Als Schriftstellerin wurde Jinks durch ihre Kinderbücher bekannt (und zweimal mit dem „Children’s Book Council Award“ ausgezeichnet), bevor sie sich 1996 mit „An Evening with the Messiah“ (dt. „Der Notar“) auch dem „erwachsenen“ Roman widmete.

Ob es wohl die Entfernung ist, die dem „Inquisitor“ eine erfreuliche Ausnahmestellung auf dem strapazierten Forum des Historien-Thrillers verschafft? Dieses Genre bietet nicht nur denen, die sich von Berufs wegen mit dem Mittelalter beschäftigen, immer wieder gute Gründe zu Zorn und Ärger. „Das Mittelalter“ scheint nach Ansicht gar zu vieler Schreiberlinge („Schriftsteller“ sollte als Berufsbezeichnung eigentlich gesetzlichem Schutz unterliegen!) ein Spielfeld zu sein, auf dem wie in der Science-Fiction oder im Horror grundsätzlich jeder Zug gestattet ist, da zwischen dem 11. Jahrhundert auf der Erde, dem 11. Jahrtausend irgendwo im Weltall oder dem 11. Kreis der Hölle nur marginale Unterschiede gemacht werden. Das Mittelalter verkommt zur exotischen Kulisse, in der sich Uralt-Allerweltskrimis abspielen, die zu allem Überfluss kräftig mit Seifenoper-Elementen versetzt werden. Selbst gut recherchierende Autoren repetieren oft seelenlos angelesenes Wissen, während ihnen ein echtes Verständnis des Mittelalters abgeht bzw. Normen und Geisteshaltungen der Gegenwart in die Vergangenheit projiziert werden.

So entsteht nur ein Disneyland-Mittelalter: Alles sieht halbwegs echt aus und ist doch nur Tand und Trug, wie St. Penetrantius, der Schutzheilige aller mönchischen Amateurdetektive vom Schlage eines Bruder Cadfael, wohl sagen würde. Auch Catherine Jinks hätte leicht in diese Falle tappen können. Sie lässt ihre Geschichte ausgerechnet im Umfeld der katholischen Inquisition spielen. Auf dieser Institution lastet eine Jahrhunderte dicke Schicht aus Legende, Missverständnis und wohlig übler Nachrede. Dumme, bornierte, fanatische, geile Pfaffen martern unschuldige, kluge, fortschrittlich denkende Frauen, Andersgläubige oder (mit weitem Abstand folgend) sogar männliche Gutmenschen: So könnte ein typischer Historien-Krimi um die Inquisition aussehen. Den Rest erledigt dann zuverlässig die politisch korrekte Empörung des klug gewordenen Lesers der Gegenwart über die gar schreckliche Vergangenheit.

Mit solchen billigen Tricks arbeitet Jinks nicht. Sie versteht es, das „Heilige Amt“ und jene, die ihm dienen, harmonisch in das historisierende Umfeld zu integrieren. Zwar übertreibe ich es jetzt, doch im zeitgenössischen Bewusstsein dürfte die Inquisition etwa dieselbe Präsenz wie heutzutage das Finanzamt besessen haben: unsichtbar über den Menschen schwebend und ihr Recht fordernd, aber doch nur selten auf sie herabstürzend, um einen Unglücklichen aus ihrer Mitte zu reißen. Das mittelalterliche Europa wurde keineswegs auf Jahrhunderte nachts von den Feuern der Inquisition erleuchtet, Ketzer und Hexen nicht wie Kaminholz verheizt. Unbestritten sind allzu viele scheußliche Verbrechen und Massenmorde im angeblichen Namen Gottes, aber objektiv fanden sie zeitlich und örtlich begrenzt statt.

Eine Zeitreise zurück ins Südfrankreich des 13. Jahrhunderts wünscht sich wohl allerdings kein denkender Mensch mit historischen Grundkenntnissen. Hier wurde über viele Jahre tatsächlich kein Pardon gegeben. Doch selbst hier ist 1318 wieder Ruhe eingekehrt. Die Inquisition gehört zum Alltag, Verhaftungen und Hinrichtungen kommen vor, aber das ist halt das Risiko der Ketzerei, die von der Mehrheit der Bevölkerung ohnehin nicht toleriert wird – und werden schließlich nicht Verrat, Mord und hundert andere Verbrechen von der weltlichen Gerichtsbarkeit mit Folter und Tod geahndet? Die Inquisitoren selbst sind keine Bestien in Menschengestalt, sondern fromme und hart arbeitende Männer (so fremd uns dies heute auch erscheinen mag). Bernard Peyre, unser Ich-Erzähler, ist sogar ein sehr sympathischer Zeitgenosse, freundlich, humorvoll, ein wenig schwach im Fleische – und doch ein sehr erfolgreicher Inquisitor, obwohl er brennende Scheiterhaufen nur schwer erträgt. Diesen Widerspruch löst Jinks nicht auf; sie überlässt es den Lesern, sich mit ihm auseinander zu setzen. Dabei fährt man am besten, wenn man akzeptiert, dass es ihn im Mittelalter so nicht gab.

Die differenzierte Figurenzeichnung hält Jinks bemerkenswert gut durch. Nicht einmal der düstere Augustin Duese oder sein unfähiger Nachfolger geraten ihr zur bloßen Karikatur, und ihre Frauengestalten stellt sie nie als präfeministische und lächerlich anachronistische Streiterinnen bloß, die anders als die Mönche, Ritter oder Patres (= die dummen Männer) nur Güte, Vernunft und menschliche Überlegenheit verstrahlen. Stattdessen findet Jinks die Nischen der nun einmal männlich bestimmten Gesellschaft des Mittelalters und platziert Frauen dort, wo sie sich nachweislich tatsächlich selbstständig entfalten konnten. Weil dies so stimmig ins Gesamtbild passt, merkt auch der historische Laie, dass ihm (oder ihr) hier nicht die nächste Schüssel des geschmacksneutralen Bruder-Katzenfell-Quarks vorgesetzt wird. Da kann er sich auch damit abfinden, dass die Auflösung des Krimiplots wie so häufig nicht halten kann, was zuvor versprochen wurde. Immerhin gibt’s nur ein gedämpftes Happy-End, was angesichts der in ihrer Vielfalt etwas konstruiert wirkenden Verwicklungen nur logisch scheint.

Bleibt noch die sorgfältige Übersetzung zu loben, die Catherine Jinks nie im Stich lässt. Sie hat sich überaus große Mühe gegeben, ihre Figuren nicht nur in eine mittelalterliche Welt zu versetzen, sondern bemüht sich, sie auch mittelalterlich denken und sprechen zu lassen. Da Bernard Peyre ein gelehrter Kleriker ist, führt dies zu einer Flut von Zitaten und Exkursen aus mehr oder weniger frommen Werken der Kirchengeschichte und bildhaft-biblischen Vergleichen. So etwas liest sich natürlich nicht so glatt herunter wie der aktuelle Ich-habe-nur-einen-Wortschatz-von-100-Wörtern-und-bin-stolz-darauf-Grisham-Reißer, besitzt aber seine ganz eigene Logik und seinen eigenen Reiz, der sich während der Lektüre rasch mitteilt. Dazu kommt ein fast unmerklicher, weil knochentrockener Humor, der gleichzeitig deutlich macht, dass auch die angeblich so vernagelten Menschen des Mittelalters sich der Widersprüche ihrer Zeit durchaus bewusst waren oder längst nicht in furchtsamer Ergebenheit vor der Obrigkeit ihr freudloses Dasein fristeten.

William Nicholson – Der Windsänger

Dieses Buch ist das erste von William Nicholson, doch kennt ihn vermutlich jeder… zumindest jeder Kinogänger. Nein? Nun: „Nell“? „Shadowland“? „Gladiator“? Zu diesen Filmen hat der Engländer die Drehbücher (mit-)geschrieben; ein Profi im Mediengeschäft also. Und man merkt auch seiner ersten Buchveröffentlichung an, dass er’s kann: diesem exzellent geschriebenen Fantasy-Roman „für Kinder“, den auch Erwachsene verschlingen werden. Ich habe knapp fünf Stunden gebraucht, um das Buch zu lesen, und fand hinterher nur schade, dass es schon zu Ende war.

William Nicholson – Der Windsänger weiterlesen

Stackpole, Michael A. – Weg des Richters, Der

„Vom Autor der besten BATTLETECH-Romane“ (Cover) ist in meinen Augen nicht unbedingt eine Empfehlung. Hätte mir meine Stammbuchhändlerin, eine große Fantasy-Kennerin, dieses Buch nicht wärmstens empfohlen, hätte ich wohl kaum einen Blick hineingeworfen – und einen hervorragenden Roman verpasst.

Stackpole führt uns in die Welt eines längst zerbrochenen Imperiums, auf dessen Trümmern sich neue Reiche gegründet haben. Doch eine Konstante gibt es nach wie vor: die Tahlion, Hüter des Gleichgewichts und des Rechts, ein Orden geradezu legendärer Kämpfer, Falkenreiter, Magier und Rechtsprecher, zu Hause in der uneinnehmbaren Stadt Tahlianna; von dort senden sie ihre Boten aus. Ihre Soldaten führen die Armeen aller Reiche, was meist eine Machtbalance garantiert. Geleitet werden die sieben Tahlion-Klassen von Hochwaltern, welche wiederum dem Meister unterstehen. Eine besondere Gruppe bilden die Dienstleister, angeführt von Seiner Exzellenz, einer Figur, die nur in wenigen Szenen auftritt, aber höchst zwiespältig und ebenso interessant ist. Die spektakulärste Klasse jedoch sind die Rechtsprecher. Ihr Training ist extrem hart, denn sie müssen praktisch alles können, selbst ein wenig Magie beherrschen. Als Einzelkämpfer durchstreifen sie das Land, um Verbrecher zu eliminieren und andere gefährliche Aufträge zu erfüllen; man schätzt ihre Dienste, aber man fürchtet sie auch, denn sie können ihre Feinde töten, indem sie ihnen die Seelen nehmen.

Nolan, Ich-Erzähler und Hauptfigur des Buches, ist einer von ihnen. Als er zwölf war, wurde seine Familie von Eroberern aus dem Reich Hamis getötet, und er machte sich allein auf den Weg nach Tahlianna, um Rechtsprecher zu werden und den Mord einmal zu rächen. Dank seines Mutes und seines Willens wird Nolan in den Orden aufgenommen. Er durchläuft eine doppelt harte Schule, denn eigentlich ist er für einen Novizen schon zu alt. Stackpole wechselt stets zwischen zwei Handlungssträngen: Ein Kapitel erzählt vom aktuellen Auftrag Nolans, das nächste von wichtigen Stationen seiner Ausbildung, und so fort. Allmählich entsteht ein intensives Bild des Haupthelden, eines nachdenklichen, mutigen und gerechten Mannes; zugleich lernt man die Tahlion-Gesellschaft als eine (spartanische) Utopie kennen. Der Autor schildert dabei auch Details wie die Einnahme des Essens und die Vergabe der Zimmer, doch gerade diese machen das Buch über die spannende Handlung hinaus interessant. Beeindruckend ist das Mysterium, das hinter den Tahlion steht und besonders die Rechtsprecher betrifft; stark angetan hat es mir das Reinigungsritual, das sie durchlaufen müssen, wenn sie eine Seele genommen haben. Hier erfährt man auch, wieso die Richter ihre Macht nicht missbrauchen können. Doch das Bild des Ordens ist kein ganz und gar lichtes – Stackpole zeigt auch, dass politisches Geschäft bisweilen nicht nur edle Mittel erfordert …

Die Handlung spitzt sich zu, als König Tirrell von Hamis von unbekannten Attentätern beseitigt werden soll. Nolan scheint der einzige geeignete Kandidat zu sein, um den König zu retten. Er besteht die erforderliche Prüfung, lehnt jedoch den Auftrag ab: Schließlich müsste er den Mann beschützen, dessen Soldaten seine Familie ausgelöscht haben. Aber Seine Exzellenz, der Politiker hinter den Kulissen, vermag ihn auf drastische Weise umzustimmen – und die Geschichte geht äußerst spannend weiter, mit unerwarteten Umschwüngen und Enthüllungen …

„Der Weg des Richters“ hat alles, was sehr gute Fantasy braucht: eine schlüssig und komplex konstruierte Welt, Kämpfe, Magie, den Weg eines Jungen zum Helden, Konflikte und Gefahren, Bestien in Menschen- und anderer Gestalt, Barden und Lieder, Liebe, Rivalität und Verrat … Stackpole schrieb das Buch 1986, vor Beginn seiner eigentlichen Karriere. Der Text wurde abgelehnt: Für den Erstling eines unbekannten Autors sei er zu lang. Doch verschaffte die Talentprobe dem Autor seinen ersten BATTLETECH-Auftrag. Es folgten STAR WARS-Romane, schließlich ein veröffentlichter Fantasy-Roman – und endlich konnte auch „Der Weg des Richters“ erscheinen.

Zum Glück!

_Peter Schünemann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|

Kirino, Natsuo – Umarmung des Todes, Die

Japanische Literatur fristet in Europa in gewissem Sinne ein Schattendasein. Nur wenige Autoren bringen es auch hier zu Erfolg, und wer mehr als einen oder zwei japanische Autoren in seinem Bücherregal vorweisen kann, der darf schon fast als weltoffen gelten. Haruki Murakami kennt man hierzulande noch, Banana Yoshimoto eventuell auch noch, aber Natsuo Kirino? Nie gehört. Dabei gehört sie in ihrer Heimat zu den angesehensten zeitgenössischen Autoren. Bereits für ihren Debütroman wurde Kirino mit dem angesehensten japanischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Mit „Die Umarmung des Todes“ (Originaltitel „OUT“) gelang ihr endgültig der ganz große Durchbruch.

Dabei verspricht die japanische Literatur durchaus verlockende Abwechslung. Bücher, die in einem gänzlich anderen Kulturkreis als dem eigenen spielen, haben schon aufgrund dessen einen ganz eigenen Reiz. Sie verändern den Blickwinkel und erweitern nicht zuletzt den Horizont. So verhält es sich auch mit Natsuo Kirinos Erfolgsroman „Die Umarmung des Todes“.

Die Handlung ist am Rande von Tokio angesiedelt. Vier Frauen arbeiten dort in der Nachtschicht einer Lunchpaketfabrik. Tagsüber schmeißen sie den Haushalt und kümmern sich um die Familie, nachts schuften sie in der Fabrik, um den Lebensunterhalt aufbringen zu können. So geht es auch Yayoi Yamamoto. Während sie sich in der Fabrik abrackert, um endlich das Geld für eine eigene bescheidene Wohnung aufbringen zu können, hat ihr nichtsnutziger Gatte Kenji nichts besseres zu tun, als das Geld mit beiden Händen wieder zum Fenster rauszuschmeißen. Als er eines Abends vor Yayoi tritt und ihr offenbart, dass er die gesamten Ersparnisse der vierköpfigen Familie verspielt hat, sieht Yayoi plötzlich rot und bringt Kenji im Affekt um.

Doch was macht sie nun, mit einer Leiche am Hals? Yayoi hat Glück, dass sie sich auf ihre drei Freundinnen aus der Lunchpaketfabrik so gut verlassen kann. Kollegin Masako bietet Yayoi gleich an, bei der möglichst spurlosen Beseitigung der Leiche zu helfen. Auch die stets zupackende Yoshië ist mit von der Partie und die geldgierige Kuniko ebenso. Zusammen zerlegen sie Kenjis Leiche in Masakos Badezimmer, packen sie handlich portioniert in Müllsäcke und entsorgen sie ganz galant mit dem Hausmüll.

Doch als ganz so einfach stellt sich die Entsorgung einer Leiche eben doch nicht heraus. Glauben die vier Frauen anfangs noch, die Sache sei gut gelaufen, treten schon bald die ersten Komplikationen ein, die eine Kette von Ereignissen nach sich ziehen, die so niemand vermutet hätte. Immer tiefer geraten sie in den Sog des Verderbens, aus dem es kein Zurück mehr gibt …

Vier Frauen, die eine Leiche zerlegen und entsorgen. Das klingt zunächst einmal nach einer ziemlich krassen und blutigen Geschichte, die in Pulp-Fiction-Manier völlig überzogen sein muss. Stellenweise wirkt die Geschichte wirklich ein wenig so (insbesondere wenn es um das eigentliche, recht rational und in kühler Logik vollzogene Zerlegen des leblosen Kenji geht) und man fragt sich unweigerlich, was ein Quentin Tarantino wohl aus diesem Stoff machen würde. Den Roman aber auf diesen Aspekt zu reduzieren, würde einen gänzlich falschen Eindruck erwecken. Ich denke, Kirinos Intention ist auch eine ganz andere. Sie zeigt vielmehr vier Frauen, die aus ihrer ohnehin schon gesellschaftlich schwierigen Lage immer weiter an den Rand rücken. Sie lassen die Normalität hinter sich und überschreiten eine Grenze, ohne dass es für sie ein Zurück gäbe, und sie bereuen es nicht – zu keinem einzigen Zeitpunkt.

Um die Selbstverständlichkeit, mit der die vier Frauen die ausgetretenen Pfade ihres alten Lebens hinter sich lassen, verstehen zu können, setzt sich Kirino intensiv mit den Figuren und deren Psyche auseinander. Die Tat an sich ist nicht das eigentlich Schockierende, erschreckender sind die Konsequenzen, die sich daraus ergeben und die Art, wie die verschiedenen Personen damit umgehen.

Etwas hinterhältig ist dabei die Tatsache, dass man als Leser kaum umhin kommt, mit den Täterinnen mitzufiebern. Man drückt ihnen insgeheim die ganze Zeit über die Daumen, dass sie mit ihrer Tat davonkommen, was über kurz oder lang auch moralische Fragen aufwirft. Gut, Kenji war ein grauenvoller Ehemann und, um es ganz drastisch auszudrücken, er war ein richtiges Schwein. Aber sollte seine Frau deswegen mit einem Mord davonkommen dürfen?

Diese Fragen sind auch deswegen so interessant, weil Kirinos Täterinnen von Anfang bis Ende ziemlich naiv wirken. Besonders Yayoi neigt dazu, die Wirklichkeit auszuklammern, getreu dem Motto, dass Probleme schon verschwinden werden, wenn man sie nur lange genug ignoriert. Eine ähnlich verzerrte Wahrnehmung hat Kuniko. Sie lebt in einer Traumwelt und orientiert ihr Leben an den Fotos diverser Hochglanzmagazine. Sie ist oberflächlich und auf Äußerlichkeiten fixiert. Sobald sie auch nur ein paar Yen in der Tasche hat, gibt sie sie auch schon wieder für neue Klamotten aus. Wie sie ihre Rechnungen bezahlen soll, darüber macht sie sich erst Gedanken, wenn sie sie nicht mehr bezahlen kann.

Yoshië ist die Arbeitswütige der vier Frauen. Sie schleift die anderen bei der Arbeit mit durch, schuftet am Band für zwei und das, obwohl sie tagsüber noch die Pflege ihrer undankbaren, übel gelaunten Schwiegermutter am Hals hat. Masako ist von dem Quartett noch die Weltgewandteste. Als Yayoi sie anruft, weiß sie schnell, was zu tun ist und obwohl auch sie sich zunächst überwinden muss, steht sie zu ihrem Plan der Leichenbeseitigung. Logik und Rationalität siegen über den Ekel.

Jede der vier hat Probleme zu Hause, jede hat selbst schon genug Sorgen am Hals, auch ohne sich noch die möglichst spurlose Beseitigung einer Leiche aufzubürden. In gewisser Weise zeigen die Familien der vier Frauen einen recht bunten gesellschaftlichen Querschnitt. Als Teilzeitkräfte auf Nachtschicht nehmen sie alle eine gesellschaftliche Randstellung ein und haben es als Frauen und Mütter ohnehin schon schwerer als die Männer, wenn es um Anerkennung geht. Und so schlummert oft schon in den teils recht ausführlichen Beschreibungen der Figuren ein Ansatz von Kritik am spannungsreichen Kontrast Japans zwischen alten Traditionen und moderner, verwestlichter Konsumgesellschaft.

Vertieft wird Kirinos Sozialkritik durch weitere Nebenfiguren. Da wäre Kazuo, der Brasilianer japanischer Abstammung, der seinen Platz in der japanischen Gesellschaft nicht so recht findet und sie als Außenstehender betrachtet. Und dann wäre da noch die Figur des Kredithais Jumonji, der gleich zwei japanische Klischees gleichzeitig bestätigt. Er spielt sich gerne als Möchtegern-Yakuza auf und hat eine Schwäche für Oberschülerinnen. Kirino lässt ihren Figuren viel Raum zum Agieren, belebt die Handlung durch das Wechselspiel unterschiedlicher Charaktere und gibt der Geschichte trotz der Oberflächlichkeit und Naivität ihrer Hauptfiguren eine gewisse Tiefe.

Im Kern von Kirinos Geschichte steht nicht der Mord an sich und das Beseitigen der Leiche. Selbiges nimmt lediglich das erste Drittel des Buches ein. Interessanter und spannender sind die Verwicklungen und Folgen der Tat. Wie geht es danach weiter? Verraten sich die vier Frauen irgendwie, vielleicht sogar nur zufällig? Kirino zeigt, wie sich die Figuren unter dem Einfluss des Erlebten zu verändern beginnen und stellt damit die Psyche der Täterinnen und die Abgründe der menschlichen Seele in den Mittelpunkt. Die vier Frauen geraten durch die Tat in einen dunklen Sog, der sie immer weiter ins Verderben zieht. Die Geschichte nimmt dabei teils recht absurde und verrückte Züge an und wird mit jeder Wendung der Ereignisse schwärzer – „Nippon Noir“ eben.

Kirinos Erzählweise wirkt jederzeit souverän. Sie hält gekonnt alle Fäden zusammen, wechselt immer wieder die Perspektive, beleuchtet teilweise das gleiche Ereignis aus unterschiedlichen Blickwinkeln und baut einen kontinuierlich ansteigenden Spannungsbogen auf. Der Plot ist in sich stimmig und bis ins Detail ausgefeilt, die Sprache klar und gradlinig. Ohne, dass man es großartig merkt, fängt man beim Lesen mit der Zeit an, das Buch zu verschlingen. Man ist zunächst merkwürdig fasziniert und später mitgerissen von Handlungsverlauf und Figurenentwicklung. Kirino weiß den Leser um den Finger zu wickeln und verabschiedet sich am Ende mit einem furiosen Finale aus der Geschichte, über das man noch eine Weile nachsinnen kann.

Unterm Strich ist Natsuo Kirino mit „Die Umarmung des Todes“ ein wirklich gelungener Roman geglückt. Für den durchschnittlichen Europäer schon aufgrund des interessanten Einblicks in den japanischen Alltag interessant, aber darüber hinaus ein Roman, dem eine spannungsreiche Symbiose aus präziser, sozialkritischer Betrachtung und düsterer, psychologisch ausgefeilter Krimihandlung zugrunde liegt. Für Freunde düsterer, etwas ausgefallener Krimikost absolut zu empfehlen.

Lawhead, Stephen – Sohn der grünen Insel, Der

„Der Sohn der grünen Insel“ ist ein üppiger Historienroman aus der Zeit, in der auch der neuere „King Arthur“-Film spielt. Die Römer sind nur noch auf Abruf in Britannien, die Zeit der Römer geht ihrem Ende zu, die Völkerwanderung und die Missionierung mit dem christlichen Glauben gehören zu der Zeit, zu der dieser Roman von Stephen Lawhead spielt.

Dies ist die Geschichte von Succat, einem jungen Britannier aus römisch-patrizischem Hause. Der ist eigentlich ein ziemlich verwöhntes Etwas, säuft und hurt sich durch die Gegend, immer gesponsert von Papa. Aber das geht auf radikale Weise zu Ende: Iren überfallen die britische Küste, brandschatzen das Dorf in der Nähe seines Gutes und später auch dieses selbst. Succat gerät in Gefangenschaft und wird Sklave von König Milliucc. Einem alten Schäfer als Helfer zugeordnet, brennt der junge Mann aus gutem Hause dringend auf Flucht, doch gelingt diese gleich dreimal nicht, was jedes Mal mit üblen Prügeln endet. Vom Hirten Madog lernt er Irisch, die schöne Sionan erobert sein Herz und lange spricht er mit Cormac, einem jungen Barden und Druiden und Bruder von Sionan. Bald dient er dem örtlichen Druidenhaus, macht sich dort zwar auch einen Feind, überzeugt aber auch den Ollamh, den Oberdruiden Datho, davon, dass es sich lohnen würde, den jungen Römer zu einem Druiden zu machen.

Durch viel Trouble kommt Succat aber wieder von seinem Weg ab, kehrt zurück nach Britannien, findet seine Freunde der Jugendzeit wieder, wird Legionär und sogar Centurio, kommt nach Rom und wird Quästor, heiratet und zeugt eine Tochter, und doch wird er nach Irland zurückkehren, und dort soll er noch eine wichtige Rolle spielen.

Das ist schon eine komplexe Geschichte, die Lawhead aus Succats Perspektive erzählt. Und auch wenn dieser am Anfang ziemlich unsympathisch ist, fiebert man doch bald mit ihm mit. Wie sich das für einen Roman gehört, macht der Held eine Wandlung durch, und die ist ein paar Klassen heftiger, als das gewöhnlich der Fall ist. Auch die Nebencharaktere sind gut gezeichnet, nicht die üblichen Holzschnitttypen. Allerdings fehlt dann doch ein bisschen die Ansprache des Gefühls, der Gesamteindruck ist doch ein wenig kühl, was für einen Roman aus der Ego-Perspektive eher ungewöhnlich ist.

Das Buch atmet Tiefe; da wurde offenkundig richtig gut recherchiert, der Autor trumpft nicht nur mit ein bisschen Latein, sondern gleich mit einigem Altbritisch und Altirisch auf, beschreibt, was das Zeug hält, und ist mit dieser Welt völlig in seinem Element. Vielleicht hat er dann doch hier und da mehr recherchiert, als er hätte unterbringen sollen, vielleicht liegt es aber auch an seinem etwas trockenen Stil, dass dieses Buch nicht der ganz große Knaller ist. Auf der anderen Seite ist „Der Sohn der grünen Insel“ auch kein schlechtes Buch, Lawhead erschafft eben auch diese unglaubliche Welt, er hält eine brauchbare Spannung, die allerdings vom Klappentext übel torpediert wird, denn alle Wegpunkte sind dort vorgezeichnet. Da hat irgendwer bei |Lübbe| des Guten definitiv zu viel getan.

Der eigentliche Clou dürfte den meisten Lesern ein wenig abgehen. Succat wechselt auch seinen Namen immer wieder mal und am Ende nennt er sich Patricius. Das ist kein Clou? Richtig, aber im englischen Original heißt das Buch „Patrick – Son of Ireland“ – also ist Succat vermutlich der irische Nationalheilige St. Patrick – na, darauf ein Guinness.

Sehr schöne Aufmachung, üppige 684 Seiten und sogar ein Lesebändchen, diese gebundene Ausgabe lohnt ihren Preis von 24,50 Euro. Ein Buch für Fans von St. Patrick und überhaupt von historischen Romanen.

_Holger Hennig_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Sara Douglass – Der Herr des Traumreichs

Die Adern. Ein harmloser Name für eine unerträgliche Hölle. In Schmutz, Hitze und Gestank schuften hier zahllose Sträflinge, um Glomm abzubauen, einen teerhaltigen Rohstoff, auf dem der größte Teil des Wohlstands in diesem Land beruht. Sie sterben innerhalb weniger Jahre, entweder in einstürzenden Stollen, ertränkt vom hereindringenden Meerwasser, das direkt oberhalb der Stollen rastlos auf und ab wogt, an purer Erschöpfung oder an einer der vielen Krankheiten, die in den Minen grassieren. Jeder Heiler des Landes ist durch Edikt der Krone verpflichtet, drei Wochen im Jahr in diesen Bergwerken Dienst zu tun und Kranke zu behandeln.

Sara Douglass – Der Herr des Traumreichs weiterlesen

Baxter, Stephen – Orden, Der (Kinder des Schicksals 1)

Baxter ist einer dieser SF-Autoren, an denen sich die Geister der Kritiker scheiden. Das mag daran liegen, dass seine Bücher von so unterschiedlicher Art – oder Qualität – sind. Mir hat sein |Xeelee|-Zyklus recht gut gefallen, „Zeitschiffe“ wurde von anderen heftig kritisiert und auch für seine „Multiversum“-Trilogie konnte ich mich nicht so begeistern. Wenn er tatsächlich einer der „weltweit bedeutendsten Autoren naturwissenschaftlich-technisch orientierter Science Fiction“ ist, dann steht es um Letztere wohl ziemlich schlecht.

Das Buch „Der Orden“ (der Originaltitel „Coalescent“ war wohl zu gewagt fürs deutsche Publikum) ist zumindest zu neunzig Prozent keine naturwissenschaftlich-technisch orientierte Science-Fiction. Für etliche hundert Seiten schien es mir sogar, als hielte ich da seinen ersten Versuch in den Händen, Mainstream-Autor zu werden. Aber dann dringt das Phantastische doch noch durch, wenn auch zäh und wirr. Überhaupt ist der Gesamteindruck des Romans einer von Langeweile. Ich fürchte, die einzige Spannung, die sich bei mir einstellte, rührte von der Erwartung her, dass irgendwann doch mal irgend etwas Interessantes passieren müsse.

Die Haupthandlung um einen Mann namens George Poole findet in der Gegenwart oder ganz nahen Zukunft statt. Im Nachlass seines verstorbenen Vaters findet er ein Foto von sich mit einer Schwester, die er nicht kennt. Er beginnt ein wenig herumzuforschen, aber irgendwie halbherzig. Schließlich findet er heraus, dass seine Eltern seine Zwillingsschwester Rosa aus Geldnot zu einem christlichen Orden gaben, der in Rom sitzt. Seitdem hat er nie wieder etwas von ihr gehört. (Dass er ihre Existenz vergessen hat, obwohl sie bis zum 5. Lebensjahr in der Familie war, ist nur eine von vielen Ungereimtheiten.) Poole geht nach Rom und findet sie und den Orden sogar.

Eine zweite Handlung spielt in Britannien zum Ende der römischen Herrschaft. Und jawohl, Baxter kann sich natürlich nicht enthalten, König Artus einzuflechten, obwohl das für die Handlung vollkommen unnötig ist. Regina, eine Tochter aus gutem Hause, erlebt den Niedergang der Zivilisation in Britannien im Laufe ihres Lebens am eigenen Leib. Nachdem sie etliche Stationen hinter sich gebracht hat, darunter die der Geliebten von Artus, landet sie in Rom, wo sie „dank ihres starken Charakters“ – oder was immer – in einem Orden vestalischer Jungfrauen die Führungsrolle übernimmt.

George Pooles Familie stammt von dieser Regina ab, und dass sie es tatsächlich belegen kann, hängt mit der Besessenheit des geheimen Ordens zusammen, Aufzeichnungen anzulegen.

Wie sich zeigt, leben heutzutage Tausende weiblicher Ordensmitglieder tief unter Rom in der so genannten „Krypta“, ohne dass die Außenwelt davon weiß. Man handelt mit historischen Informationen, Genealogie usw., schließlich kann man auf 1600 Jahre alte lückenlose Aufzeichnungen zurückgreifen. Aber das ist nicht alles. Poole und sein Kumpel Peter, ein Verschwörungstheoretiker, finden heraus, dass die „Schwestern“ zu einer Art Mutanten geworden sind. Sie bilden einen „Schwarm“ (im Original vermutlich das übliche hive), existieren wie ein Ameisenhaufen nur zum Selbstzweck der Existenz des Ordens, eine Sache, die Regina damals in Gang gebracht hatte. Einige von ihnen sind dazu verdammt, als Gebärmaschinen zu fungieren, während andere ihr ganzes Leben lang nicht einmal geschlechtsreif werden können. Diese Mutation, die allem widerspricht, was man über die Geschwindigkeit der Evolution weiß, ist eine weitere Ungereimtheit des Buches.

Nebenbei erwähnt werden immer mal astronomische Entdeckungen, wenn man so will. Zu Reginas Zeiten erscheinen Lichter am Himmel – vielleicht Novae? Zu Pooles Zeiten entdeckt man weit außerhalb des Sonnensystems im Kuiper-Gürtel eine geometrische Formation, dann wird dunkle Materie beobachtet … aber was soll’s? Nichts davon hat irgendeine Bedeutung für die Handlung! Es erscheint wie belangloses Geplapper des Autors, wie übrigens so vieles in dem dicken Band.

Eine weitere Person, das Mädchen Lucia aus dem Orden, spielt für einige Kapitel eine Hauptrolle, sie versucht dort auszubrechen, aber das gelingt ihr letztlich nicht. Schließlich soll der Vollständigkeit halber noch die Handlungsebene 20000 Jahre in der Zukunft erwähnt werden, die gegen Schluss ein paarmal auftaucht und so brutal wie sinnlos ist.

Keine der handelnden Personen konnte mein Interesse oder meine Sympathie wecken. Ob in Vergangenheit oder Gegenwart, alles ist einfach nur scheußlich und abstoßend. Vielleicht soll das widerwärtige Leben im Frühmittelalter zeigen, wieso Regina schließlich dazu kam, den Orden so und nicht anders zu begründen. Was dabei herauskommt, sind menschliche Ameisen. Eine Gemeinschaft, die in Arbeitsdrohnen und Gebärmaschinen aufgeteilt ist und vollkommen unerklärlicherweise neben der normalen menschlichen Gesellschaft existieren konnte, ohne dass je etwas darüber bekannt wurde.

Für eine gewisse Zeit dachte ich, Baxters Buch sei feministisch, weil es zunächst wie etwas anmutete, das LeGuin, McCaffrey oder Zimmer-Bradley verzapft haben könnten. Sein Bild von den Frauen, die hier hauptsächlich auftreten, wurde dann aber eher zum Gegenteil. Er stellt sie wie geistlose Brüterinnen hin, die nur die Fortpflanzung um ihrer selbst willen im Kopf haben, instinktgeleitete Gruppenwesen, die von der Erhaltung von „Blutlinien“ faseln und alles und jeden für dieses Ziel opfern. Kein Wunder, dass der Verschwörungstheoretiker Peter sie als Bedrohung für die Menschheit ansieht.

Sicher hat Baxter seine historischen Hausaufgaben gemacht, ich kenne mich da nicht genug aus, um sagen zu können, ob alles korrekt ist, was er sehr ausführlich zur Zeit des Niederganges Roms zu sagen hat. Seine Einbindung eines sozusagen „historischen“ Artus finde ich überflüssig, außerdem haben andere das schon besser gekonnt. Wer sich für diese Zeit interessiert, wird jedoch echte historische Romane lesen, nicht Bücher, die durch Sprünge in die Gegenwart verwirren und mit esoterischen Philosophierereien nerven. Baxter beschreibt ohnehin nur die überaus bedrückende Atmosphäre des Verfalls von Kultur und Zivilisation.

Alles in allem, ein langatmiges, enttäuschendes Werk, das auf der fragwürdigen Idee aufbaut, dass sich Menschen am Rande des Existenzminimums zu „Schwärmen“ zusammenrotten, um zu überleben. Warum beobachten wir das dann eigentlich nicht heutzutage allerorten?

_Wilko Müller jr._
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|

Alpers, Hans J. / Fuchs, Werner / Hahn, M. Ronald / Munsonius, Jörg M. / Urbanek, Hermann – Lexikon der Fantasy-Literatur

Das „Lexikon der Fantasy-Literatur“ auspacken, heißt zuerst einmal: Gewicht stemmen! 1.600 Gramm lebendige Fantasy wuchtet das Autorenteam auf die Waage. Der erste Eindruck ist bekanntlich oft der gewichtigste, aber bei diesem Lexikon trifft das eben in besonderer Weise zu. Dagegen sehen Schmalschinken wie das selige „Lexikon der Science-Fiction-Literatur“, das anno dazumal im |Heyne|-Verlag erschien, auf den ersten Blick ein wenig schwach auf der Brust aus, doch ein zweiter Hingucker relativiert die Euphorie: Heynes Büchlein im Taschenformat umfasste knapp 1.300 Seiten. Na ja, behandelt werden 400 Autoren, dieses Fantasy-Lexikon dürfte numerisch mehr zu bieten haben (nein, ich zähle nicht nach, und einen Hinweis auf die Anzahl der Autoren habe ich nirgendwo entdecken können).

Wo ich gerade von Format spreche, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass |FanPro| sich nicht hat lumpen lassen. Das Lexikon kommt in einer sehr stabilen, offensichtlich für dauerhaften Gebrauch konzipierten Gestaltung mit sehr schön aufbereiteten Cover und einer soliden Verarbeitung daher. Während eben Gebrauchsbücher wie das eben genannte SF-Lexikon rasch aus den Fugen geraten, spricht bei |FanPro|s Foliant vieles dafür, dass es bis zu einer möglichen Neuauflage seine ansehnliche Form beibehalten wird. Bei dem zu Recht verlangten Preis käme mir das sehr entgegen.

Gleich zum Preis, denn ob ich zu Anfang die Leut erschrecke oder zum Schluss: gesagt werden muss es. 60 Euronen sind kein Pappenstiel und schnell mal aus der Portokasse rausgeschüttelt. Umgerechnet sind das beinahe passgenau drei vom neuen Hohlbein („Anubis“ zu 19,90). Mal nachgedacht: auf den Hohlbein verzichtet, dann noch zwei andere Bücher in der selben Qualitätslage, die ich nach einmaligem Lesen vielleicht zufrieden, vielleicht auch nicht beiseite lege und für immer vergesse, stattdessen einen richtig spannenden Schmöker gekauft namens „Lexikon der Fantasy-Literatur“ … das lässt sich wahrlich überlegen. Mir jedenfalls fiele die Entscheidung förmlich in den Schoß, und sie wöge 1,6 Kilo …

Aber für einen solchen Kauf bedarf es guter Gründe. Einer wäre, |FanPro| für das lobenswerte Wagnis zu belohnen, in Zeiten des allgegenwärtigen Internets und der grassierenden Googlemanie, die den Bedürftigen mit Informationen zuschüttet, jedenfalls vieles zugänglich macht, was bislang verborgen oder nur schwer erreichbar war. Brauche ich das Lexikon als Interessierter dann überhaupt?

Ich bin mir sicher: ja! Ich recherchiere auch gerne und manchmal zu häufig via Internet. Es kommt – die Erfahrung macht ein jeder – sehr viel zusammen, was sich gar nett liest, ausgedruckt ergäbe das für einen x-beliebigen Autor beispielsweise, dem man einen Nachmittag über die ganze Welt hinterherjagt, gleich einen netten Stapel an Papier. Infos in Hülle und Fülle – aber ist das sinnvoll? Leider nicht immer, einerseits sind viele Informationen nicht verifiziert, jeder Hansel (Entschuldigung, wenn sich jemand angesprochen fühlt) kann nun geradewegs behaupten, Arnie Schwarzenegger sei der Autor der Conan-Geschichten über einem österreichischen Bauern-Barbaren, der gar nicht fiktiv ist, sondern lebt, und wer den sehen möchte, müsse nur das Fitness-Center am Fiaker-Markt frequentieren. Okay, deutlich gesagt: Wer gibt mir die Sicherheit, dass die Informationen von Hinz und Kunz zutreffen, echt sind, verlässlich? Niemand, und deshalb genügt eine schnelle (oder auch zeitraubende) Internet-Recherche nicht, um zuverlässig Details herauszuarbeiten.

Beim vorliegenden Print-Lexikon gehe ich davon aus, dass durch den profilierten Mitarbeiterstab eine gewissenhafte Aufarbeitung des Datenmaterials erfolgt ist, demzufolge alle Inhalte so weit stimmen und ich mich darauf verlassen kann, die Angaben auch zitieren zu können. Bei Internet-Informationen dünkt mir das eher ein Drahtseilakt zu sein, bei dem ich permanent ganz schön auf die Schnauze fallen kann.

Der profilierte Mitarbeiterstab bedarf einiger Worte, obwohl die Erwähnung von Alpers, Hahn und Urbanek jedem Kundigen den Pfad aufzeigt: da sind Urgesteine der phantastischen Sekundärliteratur (und darüber hinaus) am Werke, die sich im Genre auskennen und wissen, wo es langgeht. Sie werden begleitet von weiteren Mitarbeitern, die sich der Legion an Autoren angenommen haben: Dr. Florian F. Marzin, Heinz Jürgen Galle, Gustav Gaisbauer oder Dr. Franz Rottensteiner sind, wie die Mehrzahl der übrigen auch, so lange im Metier unterwegs, dass erstklassige Arbeit erwartet werden darf.

Diese Arbeit eröffnet sich dem Leser natürlich erwartungsgemäß. Die Autoren werden alphabetisch sortiert gelistet. Bei Pseudonymen erfolgt ein Verweis auf den Autor; unter Pseudonym geschriebene Titel werden entsprechend zugeordnet und benannt. Ein erläuternder Text befasst sich in unterschiedlichem Umfang mit den wichtigen Werken. Danach folgen die deutschen bibliographischen Einträge, wobei Serien gesondert aufgeführt werden. Fremdsprachige Veröffentlichungen eines Autors werden unter diesen Einträgen nicht gelistet (was auch wegen des Umfangs gar nicht möglich wäre), die Originalveröffentlichungen werden jedoch im biographischen Teil genannt. Sollte ein Autor Genre übergreifend tätig sein, werden nur seine Fantasytitel aufgeführt.

Sachbücher, die für die Fantasy-Literatur von Bedeutung sind (zum Beispiel Dr. Helmut Pesch: „Fantasy – Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung“), wurden als Ausnahmen ebenso eingebunden. Einige Autoren ohne deutsche Veröffentlichungen wurden wegen ihrer Bedeutung gleichfalls aufgenommen.

Im Anhang notiert wurden weiterhin wichtige Fantasy-Preise und ihre Preisträger („Deutscher Fantasy Preis“, „Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar“, „World Fantasy Award“) sowie eine Auflistung der Serien mit Fantasythema.

Den Einstieg in die Materie gewinnt der Leser durch vier Artikel von Florian F. Marzin und Rainer Nagel: „Quellen der Fantasy-Literatur“ (Marzin), „Die Geschichte der Fantasy-Literatur“, „Reiche und Welten der Fantasy-Literatur“ und „Die Artuslegende“ (jeweils Nagel).

Der Stoff reicht für nächtelanges Lesen! Und es macht wirklich Freude, einfach aufs Geradewohl durch die Seiten zu wandern, irgendwo springt einem doch wieder ein Fakt ins Auge, den man so nicht kannte oder nicht mehr in Erinnerung hatte. Zudem ist es erstaunlich, wie viele deutschsprachige Autoren Fantasyromane geschrieben haben – wobei ein Bonmot des Lexikons dabei augenscheinlich wird. Es wurden nicht bloß die großen Verlage wie |Heyne|, |Goldmann| oder |Klett-Cotta| mit Aufmerksamkeit bedacht, sondern auch die als „Book on Demand“ oder in Kleinverlagen erschienenen Bücher. Wer dabei desavouiert knurrt, dass die Leserschaft solcher Romane so überschaubar ist wie der Big-Brother-Zoo, der sei besänftigt: ich hab lieber ein wenig zu viel, als ein bisschen zu wenig. Autorenbeschreibungen, die mich nicht interessieren, die kann ich ignorieren. Autorennamen, die dagegen wichtig sind und fehlen, die würde ich schmerzlich vermissen. Nach meinem Dafürhalten ist das Lexikon wirklich umfassend, ich wäre aber nicht überrascht, wenn wegen der Unüberschaubarkeit des Genres nicht doch der eine oder die andere Autorin durchgerutscht wäre (aber davon wird der Verlag sicherlich schnell informiert, wie ich die sehr wissende Leserschaft einschätze).

Nach diesen lobenden Worten könnte vielleicht doch die Frage auftauchen, ob es nicht irgendetwas zu mäkeln geben würde. Na ja, es muss ja noch etwas zu verbessern geben …

Beispielsweise hätte ich mir mehr Ausführlichkeit bei den vier Artikeln gewünscht. Wenn schon sekundärliterarische Beiträge, dann ähnlich ausgiebig wie im zuvor erwähnten Science-Fiction-Lexikon, bei dem diese Kapitel knapp 140 Seiten aufs Papier bringen. Okay, da mag dann der Preis die entscheidende Rolle spielen, aber etwas dezidierter hätten die Ausführungen zu den einzelnen Subgenres „High Fantasy“, „Heroic Fantasy“, „Dark Fantasy“ und so weiter ausfallen können (wodurch zeichnet sich „Sword & Sorcery“ aus, welche Vertreter repräsentieren die Linie von ihren Anfängen bis heute), damit ein Nicht-Fantasy-Fachmann die einzelnen Autoren und ihre Werke eindeutig bewerten kann. Rainer Nagel pflegt dies in seinen Beitrag „Die Geschichte der Fantasy-Literatur“ zwar ein, überlässt aber dann die Definition beispielsweise von „epischer Fantasy“ dem Leser. Das sagte mir beim SF-Epigonen doch besser zu, bei dem Spielarten wie die „Space Opera“ durchaus eingehend begutachtet und auch in ihren Ausprägungen bewertet wurde.

Bewertungen der Romane sucht man im Übrigen meist vergebens, weil dies auch nicht unbedingt beabsichtigt war, wie die Herausgeber im Vorwort betonen: „Die Information steht dabei über der kritischen Bewertung.“ Das ist in Ordnung, aber andererseits auch schade. Ich hätte sehr gerne einige sicherlich nicht unsüffisante Bemerkungen von Ronald M. Hahn gelesen, bei dem ich eine eher kritische Haltung zur Fantasy erwarte. Wie amüsant etwas Derartiges sich dann liest, beweist „Das neue Lexikon des Horrorfilms“ …

Viele Portraits zieren Fotos der Autoren, aber nach meinem Geschmack hätten die besonders bei den zeitgenössischen Vertretern etwas reicher an Land gezogen werden können. Insbesondere bei den deutschen Autoren sollte dies doch möglich sein. Es lockert ja nicht nur auf, sondern untermalt auch das Bild vom Autor, das sich beim Leser aufbaut und das sich hinter der Biographie verbirgt.

Und warum Robert Jordan ein Schattendasein mit einer mageren Randnotiz fristet, obwohl seine „Wheel of Time“-Serie ohne Frage internationale Relevanz für die Fantasy besitzt (und wovon die unzähligen Internetseiten beredt Zeugnis ablegen, die sich speziell mit der Welt beschäftigen), Wolfgang Hohlbein dagegen 2 ½ Seiten in Beschlag nimmt, das ist eines der großen Mysterien der Fantasy-Literatur. Na ja, es veranschaulicht eben, dass manche Beiträge auch sehr von den Vorlieben oder Nachforschungen der Lexikon-Verfasser abhängig sind.

Und: Der Redaktionsschluss ist mir entweder durch die Lappen gegangen – oder er fehlt als Angabe doch tatsächlich. Der gehört aber in ein solches Werk, um den Stand der Aktualität erfassen zu können.

Natürlich sind das Peanuts, die unter den Tisch fallen, wenn das Lexikon in seiner Gesamtheit betrachtet wird. Und dabei gibt es nichts zu deuteln, das „Lexikon der Fantasy-Literatur“ ist ein bedeutendes Stück Sekundärliteratur, das sich zwischen Tolkien und Leiber so richtig wohl fühlt –am liebsten aber durchgeblättert werden will. Diejenigen Fantasy-Leser, die über das reine Konsumieren hinaus Interesse an der Literatur haben, etwas erfahren wollen über die Autoren und ihr Schaffenswerk, Nachschlagen möchten, wer wann welche Bücher beim Verlag publizierte, der wird bestens verköstigt. Ein dicker Prachtband, der rundum satt macht.

Und bitte keine Ausflüchte von wegen „teuer“: Dieses Lexikon gehört einfach in jeden Bücherschrank.

_Karl-Georg Müller_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Hill, Reginald – Wald des Vergessens, Der

Detective Superintendent (dieses Mal in der Übersetzung seltsamerweise & unnötig als „Kommissar“ betitelt) Andrew Dalziel, „der dicke Andy“ (auch „das Ekelpaket“, „der fette Bastard“ usw.) genannt, absolutistischer Herr der Kriminalpolizei von Mid-Yorkshire, muss zu seinem Ärger kurzfristig auf seinen besten Ermittler und Freund Peter Pascoe verzichten. Dem ist seine streitbare Oma Ada gestorben, um deren Bestattung und Nachlass er sich nun zu kümmern hat. Dabei fällt ihm aus einem Geheimfach des großmütterlichen Sekretärs ein altes Foto in die Hände. Es zeigt seinen Urgroßvater, der während des Ersten Weltkriegs in einer der vielen Schlachten bei Ypern 1917 gefallen ist.

Peter wird neugierig. Über ihren Vater hatte Ada nie reden wollen. Stattdessen stellte sie einen lebenslangen Hass auf alles Militärische zur Schau. Weil ihn das schlechte Gewissen plagt – mit der Großmutter hatte er sich vor Jahren zerstritten -, stellt er Nachforschungen über seinen Vorfahren an. Aus Interesse wird rasch Besessenheit, denn Peter stellt fest, dass ein düsteres Geheimnis das gar nicht so offizielle Ende des alten Soldaten umgibt.

In Mid Yorkshire lauert freilich schon Andy Dalziel auf seine Rückkehr. Militante Tierschützer haben ein versteckt im Wald gelegenes Pharmalabor überfallen. Es misslang ihnen, durch den Sperrgürtel ins Innere vorzudringen. Stattdessen fanden sie in einem Schlammloch ein menschliches Skelett. Dies lag dort wohl schon länger als das Labor existiert. Trotzdem ist Dalziel misstrauisch. Ihn irritiert der enorme Sicherheitsaufwand, der hier getrieben wird. Der Laborleiter ist auffallend nervös. Unter dem paramilitärisch gedrillten Wachpersonal erkennt Dalziel alte Bekannte, die manches Gefängnisjahr abgebrummt haben. Was geht also wirklich vor hinter diesen vorzüglich abgeschirmten Mauern – und hat Dalziels neue Liebe, die anarchistische Cap Marvell, etwas damit zu tun …?

Die Lektüre eines Dalziel/Pascoe-Romans von Reginald Hill bereitet dem vergnügten Leser jedes Mal eine Überraschung: Was hat sich der Verfasser nun wieder einfallen lassen, um sein Publikum zu unterhalten? Es gibt D/P-Krimis à la Agatha Christie, Politthriller, Noir-Parodien, Geister treten auf … Hills Fantasie sind offenbar keine Grenzen gesetzt. Mit Genreelementen treibt er sein intelligentes Spiel. Puristen mögen ihm das übel nehmen. Wagemutige Leser dagegen schätzen es, immer wieder intelligent aufs Glatteis geführt zu werden – nun mit einem Historien-Drama; einem halben jedenfalls, denn Hill vergisst auch jene nicht, die einen „richtigen“ Mordfall gelöst sehen möchten (um stattdessen doch wieder aufs Kreuz gelegt zu werden).

Der Erste Weltkrieg, den man in England immer noch den „Großen“ nennt, gehört in die Reihe der nationalen Triumphe und Tragödien der Inselnation. Der zeitlich nähere Kampf gegen Nazideutschland verdeckt manchmal die Erinnerung an die unmenschlichen Schützengrabenschlachten zwischen 1914 und 1918, denen 750.000 Engländer zum Opfer fielen.

Der Triumph bestand darin, dass Großbritannien 1918 zu den Siegernationen gehörte. Auf diese Seite wird vor allem von offizieller Seite gern und oft aufmerksam gemacht. Von der Tragödie spricht man dagegen weniger gern: Tatsache ist, dass dieser Sieg nicht wegen, sondern trotz militärischer Befehlshaber errungen wurde, die ihre Soldaten unzureichend ausgerüstet in völlig sinnlose Kämpfe schickten, wo sie nicht selten täglich zu Zehntausenden umkamen. Erst recht nur ansatzweise thematisiert wird das Schicksal von Kämpfern wie dem älteren Pascoe, die zwar überlebten, durch das erlebte Grauen in den Kraterlöchern und Schützengräben jedoch buchstäblich verrückt wurden. Sie verdarben das glanzvolle Siegesbild, befleckten es gar, denn manchmal taten sie das Undenkbare: Statt für das Vaterland in einem namenlosen Schlammloch zu verrecken, ergriffen sie die Flucht, wollten nur nach Hause. Die Konsequenz: der Tod durch ein Hinrichtungskommando, das aus den eigenen Kameraden bestand. Es braucht keinen Feind, um vom Krieg verschlungen zu werden. Diese bittere Lektion ist es, die Peter Pascoe lernen muss, der auf seiner Zeitreise seine schwierige Familiengeschichte bewältigt und erleidet.

Wem das zu schwermütig klingt, sei auf die Eskapaden des fidelen Falstaff-Kriminalisten Andy Dalziel hingewiesen. In regelmäßigen Abständen tritt er in seiner unnachahmlichen Art auf die Bühne. Als Polizist dieses Mal kaum gedämpft von seinem Partner, läuft er zu ganz großer Form auf. Wie ein Tornado fällt er über Freund und Feind, über Verdächtige, Kollegen und ignorante Amtsträger gleichermaßen her. Kein bisschen lässt er sich durch die ungeschriebenen Regeln des Establishments beeindrucken: Hilfst du mir, dann geb’ ich dir – und Maul gehalten vor dem dummen Pöbel! Nichtsdestotrotz kennt Dalziel sich aus im Gefüge der Macht. Er ist seinen Gegnern stets einen Schritt voraus und verwirrt sie mit unerwarteten Schachzügen. So dröselt er den rätselhaften Todesfall am Großlabor denn auch von hinten auf und schlägt bei den Ermittlungen erstaunliche Hasenhaken. Natürlich löst er den Fall – aber der Leser darf sich an einer wendungsreichen Jagd erfreuen.

„Fröhliches Mäandern“ ist ohnehin ein Markenzeichen der Dalziel/Pascoe-Romane. Viele Krimileser der alten Schule (Untat – Ermittlung – Überführung – Sühne) ärgern sich über die Abschweifungen, die den Verfasser manchmal den roten Faden aus den Augen verlieren lassen. Reginald Hill hält sich nicht daran. Wieso auch, ergänzt er den klassisch strengen Handlungsablauf doch durch unterhaltsame Episoden, die zudem eine Chronik von Mid-Yorkshire erkennen lassen, die über nun schon viele Bände fortgesetzt wird. Und Vorsicht: Es kann durchaus sein, dass eine scheinbare Nebensache an anderer Stelle oder gar in einem späteren Roman wieder aufgegriffen wird. Insofern ist es natürlich schade, dass die D/P-Serie in Deutschland völlig planlos erscheint.

Nebenbei streut Hill, der Literaturkenner, wieder reichlich Zitate aus alten, halb oder ganz vergessenen Buch- oder Theaterklassikern ein. Man muss sie nicht zur Kenntnis nehmen. Sie bieten ein zusätzliches (intellektuelles) Vergnügen, denn sie kommentieren das Geschehen und geben versteckte Hinweise auf den Fortgang der Handlung. Zum ersten Mal folgt dem Roman zudem ein Glossar, das jene Anspielungen auflöst, welche die Übersetzung nicht überstanden – Hill ist ein Meister des Wortspiels – oder zu schade zum Überlesen sind; ein hübscher Einfall.

Mehr Raum als sonst räumt Reginald Hill wie schon gesagt dem unvergleichlichen Dalziel ein. Normalerweise dosiert er dessen Auftritte klug, so dass man sich freut, ihn wirken und wüten zu sehen. Peter Pascoe und – auf seine eigene, stille Weise – Sergeant Wield puffern seine Einmannfeldzüge normalerweise ab. Wir lesen außerdem oft nur indirekt über Dalziels Eskapaden, die von ehrfürchtigen Kollegen, Freunden und den vom Dalziel-Blitz Getroffenen im Stile von Heiligenlegenden erzählt werden. So nutzt sich die Figur nicht ab und kann ihre Einzigartigkeit sichern.

Dieses Mal stellt Verfasser Hill seinen Helden vor eine sogar für ihn schwere Herausforderung: Dalziel verliebt sich. Das ist für einen Mann seines Charakters eine ernste Sache, zumal die Angebetete erstens ebenfalls über einen veritablen Dickkopf verfügt und zweitens als Verdächtige in mindestens einem Mordfall gilt, was den auf Freiersfüßen wandelnden (oder besser stampfenden) Dalziel zu einem aberwitzigen Eiertanz zwischen Balz- und Ermittlungsspielchen zwingt.

Peter Pascoe ist der zögerliche oder besser nachdenkliche Part des dynamischen Duos. Nur zu oft muss Dalziel darauf achten, dass aus Denken nicht Grübeln wird. Pascoe neigt dazu, die Welt sehr schwer zu nehmen. Ihm geht das Talent seines Vorgesetzten und Freundes ab, Unerfreuliches an sich abtropfen zu lassen wie eine Ente das Wasser. Die Suche nach dem getilgten Urgroßvater ist ein Beispiel für Pascoes Engagement sowie sein Talent, sich in eine Sache zu verrennen. Dazu kommt seine liberale Ader, die ihm manchen inneren Konflikt beschert. Pascoe ist nicht zufrieden mit dem System, das allzu viele Schlupflöcher für schlaue Strolche mit guten Beziehungen bietet, während mancher arme Tropf auf der Strecke bleibt. Forciert wird dieser Konflikt durch Peters Gattin Ellen, eine nur mühsam zu mäßigende Radikale, die um der guten Sache gern bereit ist, öffentlichen Ärger zu beschwören, was der Karriere ihres Ehemanns verständlicherweise nicht gerade förderlich ist.

Dieses Mal geht es also gegen die Pharmaindustrie bzw. ein Labor, in dem Präparate an Tieren getestet werden. Ein militantes „Rettungskommando“ Mid-Yorkshirer Aktivistenfrauen begibt sich auf einen nächtlichen Einsatz. Was mit den befreiten Kreaturen geschehen soll, die in der freien Natur schneller umkommen würden als im besagten Labor – darüber haben sie sich keine Gedanken gemacht. Das ist auch unwichtig, denn es geht primär um „die Sache“: Hier macht sich Hills ironischer Witz besonders deutlich bemerkbar. Die meisten seiner Figuren sind leicht überzeichnet. Den Dalziel/Pascoe-Romanen fehlt der seifenoperliche Grundton, der pseudodramatisch-kitschige Beziehungsdramen aus einem schwierigen Polizistenleben in den Kriminalplot zwingen will. Hill kann ernst, nachdenklich, traurig werden. Er stülpt dies der Handlung jedoch nicht über oder lässt es diese gar überwuchern. (Man lese nur einen Elizabeth-George-Thriller aus jüngerer Zeit, dann ist sogleich klar, was gemeint ist.)

Lässt Hill also den nötigen Ernst vermissen? Wer legt eigentlich fest, dass nur ein „ernster“ Krimi ein „guter“ Krimi ist? Genau diese Haltung räumt zumindest hierzulande einem Henning Mankell immer das Primat vor einem Reginald Hill, einem Ian Rankin, einem Carl Hiaasen ein, die wichtige Themen und kluge Gedanken mit Witz präsentieren. Das ist ausgesprochen ungerecht sowie falsch, und das scheint auch dem deutschen Publikum klar geworden zu sein, das inzwischen die D/P-Serie so aufmerksam zur Kenntnis nimmt, dass sich die Lücken zwischen den übersetzten Bänden allmählich schließen.

Reginald Hill wurde 1936 in Hartlepool im Nordosten Englands geboren. Drei Jahre später zog die Familie nach Cumbria, wo Reginald seine gesamte Kindheit verbrachte. Später studierte er an der University of Oxford und arbeitete bis 1980 als Lehrer in Yorkshire, wo er auch seine beliebte Reihe um die beiden ungleichen Polizisten Andrew Dalziel und Peter Pascoe ansiedelte.

Deren Abenteuer stellen nur eine Hälfte von Hills Werk dar. Der Schriftsteller ist fleißig und hat insgesamt mehr als 40 Bücher verfasst – längst nicht nur Krimis, sondern auch Historienromane und sogar Science-Fiction. Einige Thriller erschienen unter den Pseudonymen Dick Morland, Charles Underhill und Patrick Ruell. Erstaunlich ist das trotz solcher Produktivität über die Jahrzehnte gehaltene Qualitätsniveau der Hill-Geschichten. Das schlägt sich u. a. in einer wahren Flut von Preisen nieder. Für „Bones and Silence“ zeichnete die „Crime Writers‘ Association“ Hill mit dem begehrten „Gold Dagger Award“ für den besten Kriminalroman des Jahres 1990 aus. Fünf Jahre später folgte der „Diamond Dagger“ für seine Verdienste um das Genre. Reginald Hill lebt mit seiner Frau Pat in Cumbria.

In Deutschland erschienen die frühen Dalziel/Pascoe-Romane im Wilhelm-Goldmann-Verlag. Nach mehr als zehnjähriger (beklagenswerter) Pause nahm sich das Verlagshaus |Europa| der Serie an und veröffentlichte die neueren Episoden vorzüglich übersetzt und angemessen im Hardcover. Die Taschenbuch-Ausgaben erscheinen bei |Knaur|. Inzwischen hat der Erfolg wohl auch hierzulande Reginald Hill endlich gefunden: Der 20. D/P-Roman („Die Launen des Todes“) erscheint bei Droemer, zeitgleich bringt Europa den „Wald des Vergessens“ auf den Buchmarkt.

Die Dalziel/Pascoe-Serie:

01. A Clubbable Woman (1970, dt. „Eine Gasse für den Tod“) – Goldmann Krimi Nr. 4070
02. An Advancement of Learning (1971, noch kein dt. Titel)
03. Ruling Passion (1973, noch kein dt. Titel)
04. An April Shroud (1975, noch kein dt. Titel)
05. A Pinch of Snuff (1978, dt. „Der Calliope-Club“) – Goldmann Krimi Nr. 4836 u. 4991
06. A Killing Kindness (1980, dt. „Der Würger von Yorkshire“) – Goldmann Krimi Nr. 5230
07. Deadheads (1983, dt. „Welke Rosen muss man schneiden“) – Goldmann Krimi Nr. 4996
08. Exit Lines (1984, noch kein dt. Titel)
09. Child´s Play (1987, dt. „Kein Kinderspiel“) – Goldmann Krimi Nr. 5054
10. Under World (1988, dt. „Unter Tage“) – Goldmann Krimi Nr. 5108
11. One Small Step (1990, noch kein dt. Titel)
12. Bones and Silence (1990, dt. [„Die dunkle Lady meint es ernst“) 194 – Europa Verlag
13. Recalled to Life (1992, dt. [„Ins Leben zurückgerufen“) 350 – Europa Verlag
14. Asking for the Moon (1994, noch kein dt. Titel)
15. Pictures of Perfection (1994, dt. [„Der Schrei des Eisvogels“) 206 – Knaur TB Nr. 62441
16. The Wood Beyond (1996, dt. „Der Wald des Vergessens“)
17. On Beulah Height (1998, dt. „Das Dorf der verschwundenen Kinder“) – Europa Verlag (geb.)/Knaur TB Nr. 61984
18. Arms and the Women (1999, dt. [„Das Haus an der Klippe“) 633 – Europa Verlag (geb.)/Knaur TB Nr. 61983
19. Dialogues of the Dead (2001, dt. [„Die rätselhaften Worte“) 857 – Europa Verlag (geb.)/Knaur TB Nr. 62400
20. Death´s Jest-Book (2002, dt. „Die Launen des Todes“) – Droemer Verlag (geb.)
21. Good Morning, Midnight (2004, noch kein dt. Titel)
22. For Love nor Money (2005; noch kein dt. Titel)
23. Secrets of the Death (2005; noch kein dt. Titel)

Wir treffen unsere Helden außerdem in:

Pascoe´s Ghost and Other Brief Chronicles of Crime (1979, dt. „Das Rio-Papier und andere Kriminalgeschichten“) – Goldmann Krimi Nr. 5216

Arnaud Delalande – Das Vermächtnis von Mont Saint-Michel

Vor fast einem Jahrtausend verschwand eine bedeutende Reliquie. Sie könnte einem kriminellen Kirchenfürsten den Weg auf den Papststuhl bahnen, weshalb dieser zwei Wissenschaftler, die sich ihm idealistisch in den Weg stellen, die Mafia auf die Hälse hetzt … – Einer jener Munkel-Thriller, deren Autoren im Kielwasser von Dan Brown nach Lesern fischen, die den Vatikan gern als Brutstätte uralter Geheimnisse und Intrigen sehen. Der Plot ist – freundlich ausgedrückt – unkompliziert und die Figurenzeichnung flach wie die sprichwörtliche Briefmarke, was die unfreiwillige Komik des Werkes nicht ausgleichen kann. Arnaud Delalande – Das Vermächtnis von Mont Saint-Michel weiterlesen

Thomas Ligotti – Das Alptraum-Netzwerk (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek Band 2)

Wirtschafts-Horrorstorys?? Gut, der Job ist für viele Menschen oft Horror oder schlicht die Hölle, aber trotzdem lässt der Untertitel aufmerken: ein neues Subgenre? Oder muss es Wirtschaftshorror-Storys gelesen werden – das alltägliche Grauen in Geschichten dargestellt?

Oder kündigt die Etikettierung dunkle Ironie an?

Alles trifft zu. Die Wirtschaftsabläufe, deren Abbild den äußeren Rahmen für das Schicksal der Protagonisten Ligottis und zugleich für die philosophischen Betrachtungen des Autors liefert, sind eine der Manifestationen des absolut … Bösen(??). Bei aller Düsternis dieser Darstellung vermisst man aber auch den sprichwörtlichen schwarzen Humor nicht; und, ja, Ligotti zeigt Menschen, die unter ihrem Büro-Alltag leiden, Angehörige der Mittelklasse, die aufgefressen werden von Status- und Karrieredenken, vom täglichen Konkurrenzkampf und der täglichen Sinnlosigkeit.

Thomas Ligotti – Das Alptraum-Netzwerk (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek Band 2) weiterlesen

MacLachlan Gray, John – menschliche Dämon, Der

Recht mutig und reißerisch verkündet der Buchrücken von John MacLachlan Grays Debütroman ein Werk, das packend ist wie Caleb Carr und atmosphärisch wie Süskinds „Parfüm“ und hängt die Messlatte für den „menschlichen Dämon“ damit verdammt hoch. So zählt „Das Parfüm“ von Patrick Süskind für mich doch zu den spannendsten und erfreulichsten Schullektüren überhaupt, die den Leser in eine völlig fremde, geheimnisvolle und gefährliche Epoche versetzt. Zu Beginn kämpften bei mir daher die hohe Erwartung angesichts eines atmosphärisch überzeugenden Buches und eine gesunde Skepsis gegeneinander – wollen wir uns ansehen, welche Seite am Ende gewonnen hat …

John MacLachlan Gray versetzt seine Leser in das London des Jahres 1852, in welchem ein Frauenmörder umgeht, der seine Opfer zunächst mit einem teuren Schal erdrosselt und anschließend ihr Gesicht entstellt. Schon früh ist ein Verdächtiger gefunden, der sogleich ins berüchtigte Gefängnis Newgate gesteckt wird, um dort auf seine Hinrichtung zu warten. Der Korrespondent des „Falcon“ Edmund Whitty ist als Berichterstatter immer zugegen, wenn jemand hingerichtet wird und erzählt schließlich aus erster Hand von seinen Erlebnissen. Doch plagen ihn insgeheim große Sorgen, denn sein Alkohol- und Drogenkonsum haben erschreckende Ausmaße angenommen, sodass Whitty sich nur schwer seiner Gläubiger entziehen kann, die ihm an Geld und Wäsche wollen. Oftmals muss er darüber hinaus morgens feststellen, dass er sich nicht mehr an die Ereignisse des vergangenen Abends und der letzten Nacht erinnern kann.

In einem Zeitungsartikel greift Whitty offen und schonungslos den Schriftsteller Henry Owler an, der daraufhin beschließt, seinem Widersacher einen gehörigen Schrecken einzujagen, indem er ihn ins gefährliche Holy Land entführt, in welchem sich düstere Gestalten herumtreiben; außerdem will er Whitty beweisen, dass er mit seinen Vermutungen Recht behält. Gemeinsam suchen die beiden Männer das Newgate-Gefängnis auf, um dort William Ryan zu treffen, der als beschuldigter Frauenmörder im Gefängnis sitzt, jedoch seine Unschuld beteuert. Recht bald kommt Edmund Whitty zu dem Schluss, dass Ryan wohl doch richtig liegt und sich der wahre Mörder noch frei in London bewegt und weiterhin morden kann. Kurz nachdem Ryan schwer verletzt aus dem Gefängnis fliehen kann, wird eine weitere Frauenleiche gefunden, die aber zu einer Zeit ermordet wurde, als Ryan noch in Gefangenschaft war. Die Suche nach dem wahren Mörder geht also weiter.

Nebenbei begleitet der Leser einige weitere Figuren auf dem Weg durch ein düsteres London, wir erfahren etwas über die Liebesverstrickungen zweier Männer und lernen mehr über Whitty und Owler. Als Owlers schöne und lebenslustige Ziehtochter Dorcas ermordet wird, beschließt seine Tochter Phoebe, den Mörder zu suchen und ihm eine Falle zu stellen. Doch wird sie dem menschlichen Dämon entkommen können?

Schon von der ersten Seite an taucht der Leser in eine fremdartige und bedrohliche Welt ein; John MacLachlan Gray wählt hierbei den Zeitungsartikel über eine Hinrichtung als Einstieg in sein düsteres Buch. Auch der Hauptfigur Edmund Whitty, die im Zentrum des Buches steht, begegnet der Leser im ersten Kapitel. Die Eröffnung macht daher sofort klar, worum es geht, worauf der Leser sich einzustellen hat und dass man nicht allzu furchtsam sein sollte für die Lektüre dieses Buches. Lange dauert es allerdings, bis man erkennt, worauf die Erzählung abzielt. Gray eröffnet viele verschiedene Handlungsstränge und stellt immer mehr Figuren vor, von denen man anfangs nicht weiß, ob sie eine Rolle spielen werden und wenn ja, welche. Abwechselnd baut der Autor seine Handlungsebenen weiter aus und lässt einige Personen von einem Handlungsstrang in einen anderen wechseln, sodass manche Figuren als Bindeglied fungieren. Das Buch beginnt komplex, etwas schwerfällig und ohne einen rechten roten Faden. Erst ein Blick auf den Klappentext auf der Innenseite des Buchdeckels hilft hier etwas weiter und erklärt dem Leser, worauf dies alles hinauslaufen soll. Gerade zu Beginn lässt sich Gray viel Zeit, um seine Geschichte zu entwickeln und die handelnden Charaktere vorzustellen; hier hätte ich mir etwas mehr Tempo gewünscht und eine zielgerichtetere Erzählweise, die den Leser nicht so lange im Dunkeln hätte tappen lassen.

Bei der Betrachtung der Sprache und verwendeten Stilmittel ist zunächst der Einsatz von Zeitungsartikeln in dem ansonsten aus einer neutralen Beobachterperspektive geschriebenen Buch auffällig. Die Zeitungsberichte entstammen entweder der Feder Edmund Whittys oder der eines seiner Kollegen beziehungsweise Konkurrenten und sind durchweg in der Ich-Form geschrieben. Die Artikel sprechen dabei ihre Leser direkt an und berichten in offener Weise von den Erlebnissen des Korrespondenten und seinen Gefühlen und Meinungen. Recht deutlich wird hierbei Grays Versuch, seinen Roman in einer Sprache zu verfassen, die dem 19. Jahrhundert entstammen könnte. Die meisten Sätze sind lang, kompliziert und verschachtelt, Gray offenbart eine Liebe zum Komma und zum Nebensatz, wie man sie selten zu lesen bekommt. Sein Buch ist daher nicht wirklich leicht und flüssig zu lesen, sondern erfordert ein hohes Maß an Konzentration. Ursprünglich wollte ich den menschlichen Dämon auf einer Zugfahrt weiterlesen, habe mir dann allerdings doch bald überlegt, leichtere Kost einzupacken. Auch Metaphern und Adjektive werden in geradezu verschwenderischer Weise benutzt, sodass Grays Sätze regelrecht aufgebläht werden. An manchen Stellen spielt der Autor den Poeten und beschreibt den Nebel und seine Konsistenz in dermaßen übertriebenen Bildern, dass seine Worte leider schon schwafelig anmuten. Dem Leser wird es dabei unnötig erschwert, die wichtigen Informationen und die eigentliche Geschichte in diesem Wust an Sprache wiederzuentdecken.

Die Erzählung schleppt sich daher an vielen Stellen ziemlich dahin und als Leser wartet man auf entscheidende Ereignisse, die die Geschichte vorantreiben, doch wartet man oftmals vergebens. Gray beschreibt viele Begebenheiten und Situationen bis ins kleinste Detail und baut dabei wahrlich eine fantastische und glaubwürdige Atmosphäre auf, die es dem Leser kalt den Rücken herunterlaufen lässt, dennoch hält er sich mit derlei Beschreibungen oft zu lange auf. Unglücklicherweise hat John MacLachlan Gray nicht ganz die richtige Mischung aus veralteter Sprache, dichter Atmosphäre und einem packenden Spannungsaufbau gefunden, denn während die Sprache authentisch wirkt und ich keine historischen Patzer bemerken konnte und während Gray in der Tat eine Grundstimmung aufbaut, die an Schrecken dem „Parfüm“ nahe kommt, so leidet sein Spannungsaufbau nicht wenig. Nur selten wird es spannend und bis kurz vor Schluss gibt es keinen Punkt, an dem man das Buch nicht mehr aus der Hand legen könnte. Der eigentliche Kriminalfall wird fast schon lieblos weitergeführt, die Suche nach dem menschlichen Dämon geschieht irgendwie nur ganz am Rande. Außerdem wird es dem Leser arg schwer gemacht, Verdachtsmomente gegen den wahren Täter zu sammeln, weil derlei Informationen ebenfalls in den überladenen Sätzen untergehen. Selbst als der wahre Dämon präsentiert wird, konnte ich nicht feststellen, ob Gray in seinem Buch Hinweise auf den echten Täter versteckt hatte oder ob dieser vom Himmel fällt. Auch war ich noch etwas skeptisch, weil ich nicht recht wahrhaben wollte, dass dies nun schon das Ende gewesen sein sollte. In diesem Punkt enttäuscht der Autor schließlich doch nicht, denn am Ende denkt er sich eine Auflösung für sein Buch aus, die es in sich hat. Hier werden menschliche Abgründe deutlich, sodass der Vergleich mit Patrick Süskinds berühmtem Werk durchaus gerechtfertigt erscheint. Ohne mit Caleb Carr näher vertraut zu sein, möchte ich jedoch behaupten, dass „Der menschliche Dämon“ diesem zweiten Vergleich nicht standhalten kann, denn das Buch ist einfach nicht packend, es entführt seine Leser in eine unheimliche Welt und präsentiert diese wirklich überzeugend und bildgewaltig, doch fehlt oft die Spannung, die das Buch zu einem „Pageturner“ hätte machen können. Gray verspielt hier leider viel Potenzial, aus der Grundidee hätte man so viel mehr machen können, wenn man an einigen Stellen die Sätze und Rahmengeschichte vielleicht ein wenig abgespeckt und vereinfacht hätte; so wird man als Leser ein wenig von Grays ausufernden Beschreibungen überrollt.

Die Charakterzeichnungen haben mir dagegen sehr gut gefallen, besonders Edmund Whitty wurde dem Leser hier nahe gebracht. Schon in seiner allerersten Szene erwacht er nach einer durchzechten Nacht mit großen Gedächtnislücken und fragt sich verwirrt, ob er denn überhaupt seinen Artikel geschrieben und eingereicht hat oder ob er womöglich schon arbeitslos ist. Nur langsam kann er die zurückliegende Nacht rekonstruieren und kommt zu dem Schluss, dass er wohl doch noch in Lohn und Brot steht. Im weiteren Verlauf des Romans kommen immer weitere Steinchen hinzu, aus denen man sich ein gutes Mosaik des etwas konfusen Korrespondenten erschaffen kann. Bei all seinen Verfehlungen bleibt Edmund Whitty doch immer ein Sympathieträger, der gerade durch seine Vorliebe für ausschweifende Abendgestaltung sympathisch wirkt. Die Figur ist zwar etwas überzeichnet und nicht unbedingt glaubwürdig, doch fügt sie sich insgesamt perfekt in das entstehende Bild von London ein. Auch Owler und seine beiden Töchter und selbst der angeklagte Ryan bekommen den ihnen zustehenden Raum im Buch und werden entsprechend vorgestellt.

Insgesamt bleibt angesichts des gelungenen Endes ein positiver Gesamteindruck zurück, auch wenn das Buch nicht alle Erwartungen erfüllen konnte. John MacLachlan Gray zeichnet ein überaus eindrucksvolles und überzeugendes Bild von London und lässt eine Atmosphäre entstehen, die einem Schauer über den Rücken laufen lässt. Auch die Charaktere wirken sympathisch und gewinnen an Farbe, doch bleibt die Spannung oft auf der Strecke. Zu häufig verliert Gray sich in verschachtelten Sätzen, die der Leser nur schwer zu entwirren weiß. Die Sprache wirkt dadurch zwar authentisch und dem Zeitpunkt der Handlung angepasst, ist aber dermaßen überfrachtet, dass wichtige Informationen leicht untergehen und man einen recht langen Atem beim Lesen braucht. Das trübt den Gesamteindruck des Buches leider ein wenig, da man aus der Idee ein noch viel packenderes Buch hätte machen können. Wer sich aber von derlei komplizierten Satzkonstruktionen nicht abschrecken lässt, ist mit diesem Roman sicherlich gut bedient.

Diana Norman – An den Ufern der Dunkelheit

Schriftsteller Daniel Defoe gerät in ein Intrigengespinst, als er zusagt, nach einer verschollenen Frau zu suchen. „Anne Bonny“ ist womöglich eine Anwärterin auf den englischen Königsthron, weshalb sowohl die Regierung als auch die Opposition sie finden wollen, weshalb die Fahndung die gesamte bekannte Welt erfasst … – Ungemein spannendes, fabelhaft geplottetes und schnörkellos erzähltes Garn, das Geschichte und Thriller vorbildlich verknüpft sowie – noch erstaunlicher! – auf schaumige Liebesgeplänkel u. ä. Abschweifungen verzichtet: ein Pageturner! Diana Norman – An den Ufern der Dunkelheit weiterlesen

Foster, Robert / Pesch, Helmut W. – große Mittelerde-Lexikon, Das

Vielleicht eine mögliche Erklärung, warum das vorliegende Buch erst 22 Jahre nach der englischen Fassung auch bei uns erschien, ist wohl der Hype, den Peter Jackson dank seiner Verfilmung der „Herr der Ringe“-Trilogie losgetreten hat. Mittelerde ist aber viel mehr als nur der Ringkrieg, was sich in den vielen auf den Markt geschwemmten Publikationen zum Film nur zum Teil widerspiegelt. Fosters „Das große Mittelerde-Lexikon“ befasst sich jedoch nicht nur mit diesem kleinen Ausschnitt, sondern liefert interessante Backgrounds in Stichwortform über die gesamte Bandbreite von Tolkiens faszinierender Welt. Bemerkenswerterweise stammt das Werk diesmal nicht von |Klett-Cotta|, dem angestammten Tolkien’schen Haus- und Hof-Verlag in Deutschland, der sich sonst für die Publikationen hierzulande (fast) exklusiv verantwortlich zeichnet, sondern von |Bastei Lübbe|.

_Zum Inhalt_
Für diese aktuell gültige Fassung des Lexikons aus dem Jahre 1978 sind die Informationen aus vielen Quellen auch außerhalb des Herrn der Ringe zusammengetragen worden. Unter anderem: „Letters“ (dt.: „Briefe“), „Lost Tales of Middle-Earth“ (dt.: „Das Buch der verlorenen Geschichten Mittelerdes Band 1 und 2“), „The Silmaril“ (dt.: „Das Silmarillion“) und aus „The Hobbit“ sowie anderen Publikationen, wie „The History of Middle-Earth“ (dt.: „Nachrichten aus Mittelerde“) oder „The Adventures of Tom Bombadil“, um nur die Wichtigsten zu nennen. Zumindest letzteres Werk dürfte hierzulande kaum bekannt sein, da es auf Deutsch bislang noch nicht veröffentlicht wurde.

Bereits im Vorwort weist der Autor darauf hin, dass er lediglich „hofft“, ein vollständiges Werk abgeliefert zu haben, das frei von Fehlern ist – hierzu muss man wissen, dass die Geschichten von Tolkien (da über einen Zeitraum von Jahrzehnten verfasst und zusammengetragen) selbst immer wieder von ihm redigiert und angepasst wurden. Somit sind durchaus erkennbare Inkonsistenzen in der Logik oder Doppeldeutungen unausweichlich, für die Foster nichts kann und die in der Natur der Sache liegen. Wann immer Begriffe nicht eindeutig zuzuordnen sind, wird jedoch gesondert darauf hingewiesen.

Für die deutsche Version zeichnet sich Helmut W. Pesch verantwortlich, dem es oblag, sogar noch mehr Arbeit investieren zu müssen, da die deutschen Versionen, Nomenklaturen, Eigennamen etc. nicht nur teils stark von den Originalen Tolkiens abweichen, sondern zudem zwei verschiedene Übersetzungen in deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurden. Die Neueste stammt von Wolfgang Krege (2000) und gilt gegenüber der von Margaret Carroux und E. M. von Freymann (letzte Überarbeitung 1991) als die exaktere – wenn auch viele die Ur-Übersetzung für die stimmungsvollere halten. Dementsprechend musste für die Eindeutschung des Lexikons wesentlich mehr Aufwand betrieben werden.

Neben dem etwa 750 Seiten starken Hauptteil des alphabetisch sortierten Lexikons finden sich am Anfang das Vorwort des Autors, das Vorwort des deutschen Überarbeiters und Übersetzers und eine kurze Einführung, wie dieses Buch zu verwenden ist. So erhält der interessierte Leser einen kurzen Einblick hinter die Kulissen der wichtigsten Sprachen und Zeitrechnungen Mittelerdes, ihre Grammatik und Unterschiede der Deutungen. Im Anhang stehen noch einige Ahnentafeln und Zeitleisten zur Verfügung, an denen man ablesen kann, wann welche Kultur innerhalb der vier Zeitalter mit welcher Sprache gesprochen hat oder noch „heute“ (will heißen: zur Zeit des Ringkriegs) spricht.

Die meisten Begriffe, die uns in Tolkiens Werken begegnen, sind auf „Quenya“ (der Sprache der Hochelben, „Eldar“ genannt) oder auf „Sindarin“ (der Sprache der Grauelben, der „Sirdar“ und „Noldor“) basierend. Hinzu kommt die Gemeinsprache, der sich alle verschiedenen Völker untereinander bedienen: das „Westron“ (die Sprache der Westernis „Númenor“, die einen Teil von allem enthält), sowie spezielle lokale Dialekte, beispielsweise etwa die Sprachen der Hobbits, Rohirrim oder auch Mordors. Wann immer ein ethymologischer Zusammenhang besteht oder Mehrfachbedeutungen vorhanden sind, so ist meist ein Querverweis dazu vorhanden oder die Begriffe stehen (mehrfach) direkt untereinander mit unterschiedlichen Erklärungen nebst Quellenangaben.

_Meinung_
Der Stoff dürfte den meisten viel zu trocken daherkommen und richtet sich ausschließich an Hardcore-Fans und wirklich Interessierte, die tiefer in die komplexe Materie von Tolkiens Welt einzutauchen gedenken. Zwar sind die Querverweise und Erklärungen zu den Begriffen ganz nett zu lesen, verraten aber demjenigen, der nicht oder nur wenig mit der Geschichte Mittelerdes vertraut ist, sicherlich nicht viel. Um das Buch wirklich schätzen zu können, bedarf es der Kenntnis nicht nur der Filme und des Romans zum Herrn der Ringe und dem Hobbit. Die meisten, die sich dieses Buch eventuell zulegen möchten, werden sicherlich zumindest diese Teile der Story kennen und deshalb mehr erfahren wollen.

Leider setzt das Lexikon in einigen Passagen die Print-Versionen der Romanvorlagen und auch des Silmarillions voraus („leider“ ist hier als Relativ zu verstehen – diese Bücher gehören eh in jede Bibliothek). Auf das ihnen beigelegte Kartenmaterial wird oftmals verwiesen, doch dem Lexikon selbst hat man weder Illustrationen noch eigene Karten spendiert, was ich bedauerlich finde, denn „Fremde“ bekommen hier Orte um die Ohren gehauen, die als böhmische Dörfer gelten, wenn man zum Beispiel nur die Filme kennt oder aber den Herrn der Ringe zwar irgendwann mal gelesen, jedoch die Bücher nicht (mehr) zur Hand hat.

Über die Vollständigkeit der behandelten Begriffe kann man nicht meckern, bislang habe ich zu jedem Komplex, zu dem ich weitere Informationen suchte, auch tatsächlich Auskunft erhalten, wenn auch manchmal über Umwege, weil das entsprechende Wort zwar gelistet, aber eben an anderer Stelle erläutert wird. So springt man zuweilen von Querverweis zu Querverweis, bis man schlussendlich die gewünschte Information gefunden hat. Das ist bei Lexika aber nun wirklich nichts bahnbrechend Neues – schließlich ist es kein Roman, der eine Geschichte chronologisch erzählt, sondern ein Nachschlagewerk.

Ein interessanter Aspekt ist, dass man im Vorbeilesen ganz andere Dinge findet, als man explizit gesucht hat, und sich dann immer weiter festliest. Auf seiner Suche nach anderen Informationen stolpert man über diese fast automatisch, weil sie einem per Zufall ins Auge springen, wenn man sich von Schlagwort zu Schlagwort hangelt. Das Nachschlagewerk ist bestimmt kein Buch, das man von vorne nach hinten (quasi buchstäblich von A bis Z) durchackert und hinterher die Weisheit Mittelerdes mit Löffeln gefressen hat, vielmehr greift man dazu, wenn man bestimmte Namen, Orte oder Begebenheiten wieder in Erinnerung rufen und die Zusammenhänge besser verstehen lernen will. Nebenher nimmt man eine Menge der von Tolkien eigens für Mittelerde erfundenen Sprache(n) auf.

_Fazit_
Wer alleine nur die bisher erschienenen Verfilmungen gesehen hat, mag sich das fette Nachschlagewerk für recht günstige zehn Euro gerne zulegen. Es ist ein guter Anfang, um weiter ins faszinierende Thema Mittelerde einzudringen, wird aber dem Betreffenden höchstwahrscheinlich nicht sehr hilfreich sein, denn die Filme reißen das Gesamtbild allenfalls leicht an. Leser der Romane Mittelerdes kommen da schon etwas besser weg und werden eine ganze Menge bekannter Gestalten, Mythen und Begebenheiten wiederfinden, doch auch hier gibt es zu bedenken, dass der Ringkrieg zwar das umfassendste Werk ist und auch den Löwenanteil in diesem Lexikon einnimmt, doch nicht wenige der Begriffe und Personen sind aus den früheren Zeitaltern entlehnt.

Die Kenntnis (mindestens) des Silmarillions ist somit schon fast absolute Bürgerpflicht, von der restlichen als Quellen angegebenen Literatur mal ganz zu schweigen. Man muss schon den Willen mitbringen, sich auch auf eine vollkommen ausgestaltete, fiktive Sprache einzulassen, will man das Lexikon effektiv nutzen und vor allem verstehen. Trotzdem muss auch ich, als recht beschlagener Fan, das Fehlen von Kartenmaterial oder Illustrationen bemängeln. Neueinsteigern verwehrt das den Zugang zum ansonsten exzellenten Nachschlagewerk enorm. Im Gegensatz zu manch unnötigen 08/15-Publikationen, die im Kielwasser der Filme rausgehauen wurden, gehört das große Mittelerde-Lexikon fraglos zu den wirklich empfehlenswerten Veröffentlichungen aus dem Bereich der Sekundärliteratur über Mittelerde.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „The Complete Guide to Middle-Earth“
– Ein alphabetischer Führer zur Fantasy-Welt von JRR Tolkien –
Genre: Sekundärliteratur / Quellenliteratur
Ersterscheinung: 1971, überarbeitet 1978 – Ballantine / Random House
Deutsche Erstveröffentlichung: Dezember 2002 – Bastei Lübbe
Übersetzung und Überarbeitung: Helmut W. Pesch
Titelillustration: Arndt Drechsler
Seiten: 810 / Paperback
ISBN: 3-404-20453-0

Mary Logue – Totes Wasser

Das geschieht:

Pepin County ist abgelegener Landstrich im US-Staat Wisconsin. Farmer bilden die Mehrheit der Bevölkerung, die Umgebung wird von schier endlosen Getreidefeldern geprägt. Das Verbrechen blieb bisher durchschaubar. Auch der neue Fall der Polizistin Claire Watkins scheint Routine zu sein: Aus einer Scheune ist eine große Menge kostspieliger Pestizide verschwunden. Was nach einem simplen Diebstahl aussah, wird jedoch rasch bedrohlich Direkt vor dem Polizeirevier wird ein Blumenbeet vergiftet, dann eine Schar Hühner ausgerottet.

Dahinter steckt kein Kinderstreich. Vor Ort findet die Polizei jeweils einen menschlichen Fingerknochen. Die Drohung ist klar: Hier ‚übt‘ ein Wahnsinniger mit dem Gift und lernt es zu dosieren. Ebenso sicher sind sich Watkins und ihre Kollegen, dass sich der Dieb nicht mit Attentaten auf Grünzeug und Federvieh zufrieden geben wird. Tatsächlich hat der Rachefeldzug für eine ungesühnte Bluttat begonnen. Vor fünfzig Jahren wurde die gesamte Familie Schuler auf ihrer Farm niedergemetzelt. Sieben Personen fanden einen grausamen Tod. Jeder Leiche wurde ein Finger abgeschnitten. Das Verbrechen wurde niemals aufgeklärt. Vielleicht haben sich die braven Bürger und Nachbarn auch nicht besonders intensiv bemüht: Die Schulers stammten aus Deutschland und galten nach dem Ende des II. Weltkriegs als unerwünschte Zeitgenossen. Mary Logue – Totes Wasser weiterlesen

Gottesstaat Iran

Im Zuge der Globalisierung und der damit verbundenen weltweiten Informationsgesellschaft treffen Kulturen frontal aufeinander, weswegen der interkulturelle Dialog notwendiger ist als je zuvor. Dem gegenüber gibt es allerdings Kräfte, deren Interesse ein klares Feindbild „Gut“ gegen „Böse“ aufrechtzuerhalten versucht. Für die westliche Gesellschaft ist das „Böse“ das Schreckgespenst des Islams, jedenfalls in Form der Vorstellung der islamischen Utopien für einen „Gottesstaat“. Ungeachtet des pathologisch kranken Fundaments der islamischen Religionsvorstellung, welches aber genauso auch in den anderen monotheistischen Buchreligionen der Christen und Juden besteht, erscheint es viel zu einfach, den Islam auf eine bestimmte Ideologie festzulegen. Die Strömungen innerhalb dieser Religion sind genauso vielfältig, facettenreich und unterschiedlich zueinander wie in anderen Systemen auch.

Im Koran selbst findet sich keinerlei Hinweis auf die Gestaltung eines Gottesstaates, denn dieser gilt erst möglich, wenn der letzte Imam sich aus seiner Verborgenheit sichtbar manifestiert. Philosophisch steht dahinter der Gedanke, dass solches in einer weltlichen Realität überhaupt nicht möglich ist. Der heilige Krieg ist synonym mit der Rückkehr ins Paradies und der Erkenntnis, dass ein Paradies auf Erden nicht möglich sei. Im Grunde ist dies also dieselbe Idee wie der christliche augustinische Gottesstaat, der nur im Himmelreich verwirklicht werden kann. Dennoch gibt es die Bestrebungen, einen solchen Gottesstaat zu verwirklichen, und die Bemühungen dahingehend lassen sich am besten am Beispiel des Iran aufzeigen, da dieser das einzige islamische Land ist, wo dies versucht wurde zu verwirklichen. Dabei gehört die Staatsidee selbst schon zur Moderne, was vom Westen gerne ignoriert wurde.

Die Verfassung des Iran, die auf demokratischen Ideen beruht, ist nun bereits einhundert Jahre alt und war schon damals ein Zeichen dafür, dass Moderne und Tradition sich zu vermischen begannen. Angehalten wurde dieser Prozess durch den Staatsstreich 1921 von Reza Khan und die Einführung der Monarchie, was die Bevölkerung zwar unterdrückte, aber genauso auch mit westlichem Denken infiltrierte. Erst mit der Revolution 1979 wurde diese Diktatur beendet und die erste islamisch-klerokratische Staatsform unter Homeyni eingeführt. Der anfangs vom Westen zu Recht geächtete Fundamentalismus hat seitdem viele Entwicklungen durchlebt und sich längst wieder liberalisiert. Selbst unter dem „Revolutionsrat“ zu Homeynis Zeiten gab es aber – ähnlich vielleicht wie unter den vielfältigen unterschiedlichen Gruppierungen unserer NS-Zeit – völlig konträre Sichtweisen.

Diese zu kennen und differenzieren zu lernen, gehört eigentlich zur Pflicht, wenn man in der Gottesstaats-Debatte mitreden möchte. Denn es ist sehr profan zu glauben, dass die islamischen Geistlichen als Urheber solcher Visionen ins tiefste christliche Mittelalter zu rücken wären. Im Gegenteil handelt es sich um eine politische Philosophie auf höchstem Niveau, die sich sehr wohl auch fundierteste Kenntnisse der westlichen Philosophie angeeignet hat. Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit, Bürger- und Menschenrechte spielen in den religiösen Diskussionen eine große Rolle. Wie erwähnt, ist im Offenbarungstext des Koran auch keine Stelle zu finden, mit der ein politisches Mandat der Religion eindeutig begründet werden könnte. Natürlich gibt es schon seit dem frühislamischen Kalifat ein „dualistisches“ System mit Aufteilung politischer und religiöser Aufgaben, aber historisch ist das sowohl bei den Sunniten mit dem Tod des 4. Kalifen als auch bei den Schiiten mit dem Entschwinden des 12. Imam aufgehoben.

Das islamische Gesellschaftsbild ist utopisch und lässt sich nicht politisch, sondern nur weltanschaulich definieren. Die Schiiten erkennen außer den zwölf Imamen keine rechtmäßigen Herrscher an und auf Mohammed selbst kann sich mangels Äußerungen von ihm sowieso kein Mohammedaner beziehen. Die Meinungen gehen bereits seit seinem Tod erheblich auseinander, weswegen es eine große Vielzahl religiöser Gruppierungen und Richtungen gibt. Die Herrschaft des „einfachen“ Menschen wird – da er göttlichen Ursprungs ist – solange akzeptiert, bis irgendwann der zwölfte Imam als rechtmäßiger endzeitlicher Herrscher wieder erscheint. Auch im Islam es am naheliegendsten, deswegen den islamischen Staat auf freier Wahl und Volksherrschaft zu begründen.

Die Errichtung eines islamischen Staates ist eigentlich nur der Versuch, die kulturelle Eigenart bewahren zu können. Es handelt sich dabei um eine Sache der Vernunft. Eine islamische Identität der Muslime ist im Grunde ein Zeichen der Verwestlichung, um überhaupt eine gewisse Geschlossenheit der islamischen Welt in politisch und religiös-geistlicher Hinsicht präsentieren zu können. Obwohl die Grundrichtung dadurch schon immer antiwestlich ist, wurde die Notwendigkeit der Aneignung der modernen Wissenschaft und des westlichen Denkens auch immer als notwendig betrachtet. Die islamischen Philosophien gingen sogar so weit festzustellen, dass die Europäer mit der Praxis der Freiheit, der Gleichheit und der bürgerlichen Gesetze eher dem Islam folgten als die Muslime selbst. Seit der Verfassungsschaffung von 1906 im Iran setzten sich die religiösen Führer für modernes Bildungssystem, moderne Wissenschaft und politische Erneuerung ein, wobei sie aber den Parlamentarismus immer wieder ablehnten. Modernisierung und Verwestlichung wurden immer klar unterschieden, aber dessen, dass Modernisierung nicht vollkommen ohne Verwestlichung machbar ist, war man sich ebenso bewusst. Es gab jedoch keine Alternative zur Modernisierung, denn für den Fortschritt ist es unabdingbar, dass Armut und Elend im Volk beseitigt werden.

Schlüssig bleibt auch dabei die Bemühung, eigene Werte von denen der westlichen Zivilisation abzugrenzen. Soziale westliche Gedanken und deren Wissenschaften haben nichts mit Religion zu tun und stehen nicht in Widerspruch zu ihr. Vertreter des Gottesstaates sehen in ihrem Modell ein demokratisches und nicht-aristokratisches System. Die Schiiten sehen im Islam selbst eine revolutionäre Bewegung gegen die Schia der sunnitisch islamischen Mehrheit. Aber nie legten die Anhänger der 12-Imam-Lehre es auf einen Kampf gegen die so genannten unrechtmäßigen sunnitischen Herrscher an, wobei die schiitische Auffassung vom idealen Zweck der Religion im Kern die revolutionäre Aktion begünstigt, was 1978 auch zur Revolution von Homeyni führen konnte. Im Iran steht seitdem allerdings die Erneuerung der islamischen Gesellschaft auf der Tagesordnung, die ursprünglichen Ziele, diese Revolution zu exportieren, wurden fallen gelassen und die derzeitigen Reformbestrebungen sind auch nicht mehr radikal.

_Geschichtlicher Verlauf der religiösen Staatsentwicklung im Iran_

|1. Seyh Hadi Nagm`abandi (1834 – 1902)|

… befasste sich mit Vernunft und Glauben und entwickelte die „Kritik der religiösen Vernunft“, die in der Geschichte der iranischen „Erwachsenenbewegung“ maßgeblich war. Er stand in enger Beziehung zu den Freimaurern und somit Reformern. Seine Werke gelten als „neue spekulative Theologie“ mit dem Menschen als „vernünftigem Wesen“ im Mittelpunkt. Vor allem stellte er die Legitimation der Überlieferung in Frage, die ohne rationale Überprüfbarkeit nicht akzeptiert werden könne. Aus menschlicher Vernunft heraus betrachtet er den ersten Propheten. Mit ihm hätte ein authentischer islamischer Humanismus begründet werden können, wenn dies nicht nach Scheitern der späteren Staatsverfassung und Wiedereinführung der Monarchie verdrängt worden wäre.

|2. Seyyed Asadollah Harquani (1839 – 1936)|

Er befürwortete die Modernisierung im Land, aber bekämpfte die Kolonialmächte. Unter Moderne verstand er die technologische Modernisierung; die politischen, rechtlichen, ethischen und gesellschaftlichen Aspekte ließ er dem Islam vorbehalten. Die Moderne sollte sich dem Islam anpassen. Im Islam sah er den Geist der Freiheit, Gleichheit, Wohltätigkeit und Brüderlichkeit und da dies im islamischen Gesetz auch verankert ist, sah er die islamische Demokratie gegenüber der unvollkommenen, begrenzten Gleichheit westlicher Länder als die vollkommenere an. Aber in der Verbreitung der Demokratieversuche in der westlichen Welt sah er ein Indiz, dass die Erscheinung des verborgenen zwölften Imam näher rücke. Während der Verfassungsrevolution 1906 saß er im Revolutionskomitee und machte sich dort besonders für Re-Islamisierung stark. Herrschaftsgewalt war auch bei ihm nicht vererbbar, sondern von der islamischen Gemeinschaft gewählt.

|3. Mirza Mohammed Hoeyn Na´ini (1860 – 1906)|

Von ihm stammt der Entwurf zur Errichtung eines islamischen Staates nach westlichem Muster (1906), der sich zwar mit eigenen zivilgesellschaftlichen Strukturen und eigenen kulturellen und religiösen Werten von westlich fremden Werten abgrenzen sollte, aber nicht die Herrschaft der religiösen Rechtsgelehrten anstrebte. Eine Verfassung neben der Scharia war für einen Teil der schiitischen Herrscher eine menschliche Rechtsordnung neben der göttlichen Ordnung. Er konstruierte eine moderne religiös-politische Lehre, die einen Bruch mit der Tradition bedeutete und vom Revolutionskonzept Homenys wieder aufgegriffen wurde. Der Geistliche Na`ini sah keine Unvereinbarkeit zwischen Religion und Politik bzw. Islam und modernem Staatssystem. Religion und Staat bilden in der islamischen Gesellschaft eine Einheit, die Errichtung eines islamischen Staates ist aber eigentlich aufgrund der Abwesenheit des heiligen Imam nicht möglich. Aus rationalem Denken heraus erschien eine Staatsbildung trotz dieser Tatsache dennoch notwendig.

Na`ini war überzeugt, dass das abendländische Christentum die moderne Wissenschaft und Zivilisation der islamischen Kultur verdanke. Die europäische Gesellschaft habe zuvor in Barbarei und Wildnis gelebt und ihren unzivilisierten Zustand durch die Begegnung mit der islamischen Welt überwunden und bezieht sich dabei auf Ansichten Rosseaus. Zu seiner Zeit sah er das aber umgekehrt, dass nämlich inzwischen Barbarei und Unterdrückung den Islam ergriffen haben. Deswegen setzte er auf den Staat, der bis zur Rückkehr des Endzeit-Imams provisorische Natur ist, und den Despotismus der konservativen islamischen Rechtsgelehrten beenden solle. Diese vergleicht er mit dem Despotismus der Päpste des Mittelalters, die ebenfalls die Menschen ihrer Freiheit beraubten. Durch einen Staat bekämen die Menschen ihre Freiheit zurück. Na´ini propagierte die Autonomie des Volkes, eine Gleichberechtigung zwischen Volk und politischen Akteuren und ließ dabei die herrschende und politische und religiöse Hierarchie außer Acht. Die islamische Religion, die immer als Religion der Vernunft betrachtet wurde, muss sich der „modernen Vernunft“ der Aufklärung anpassen.

|4. Seyyed Mohammad Hoseyn Tabataba`i (1902 – 1982)|

Er ist der wichtigste Theologe der Schia im 20. Jahrhundert, dessen Koraninterpretationen heute die stärkste Beachtung finden. Auch er ist von westlicher Philosophie inspiriert, stellt die Vernunft über Emotionen und sieht eine Staatsgründung als zum Menschsein gehörende Entwicklung an, die ein friedliches Miteinander ermöglicht. In seiner Soziallehre lässt sich nur ein Unterschied zu Hobbes‘ Philosophie feststellen, nämlich, dass die so genannte „Machtlehre“ Hobbes den metaphysischen Aspekt nicht berücksichtigt. Tabataba`i ist überzeugt, dass nur religiöse Gemeinschaften die einzig wahren Gesellschaften seien, weil sie eine Diesseits- wie Jenseitsperspektive bieten.

Die Frage der Herrschaft kann nicht im Rahmen der islamisch-schiitischen Rechtswissenschaft gestellt werden, sondern nur im Rahmen eines sozialphilosophischen Prinzips im Islam. Herrschaft ist eine „vormundschaftliche Betreuung“. Solch eine Gesellschaft für die Zeit der Verborgenheit des Imams zu definieren, gelingt ihm aber ebenso wenig wie den übrigen Geistlichen. Ein Mehrheitsprinzip, das Vorgänger von ihm vertraten, lehnt er ab, denn für ihn muss die Wahrheit der Maßstab sein. Das Prinzip der Humanität gehört für ihn zum Wahrheitsgemäßen. Die von demokratischen Gesellschaften ausgehende Kolonialisierung und Ausbeutung, unter denen die islamische Welt gelitten hat, sind für ihn ein Zeichen dafür, dass die westlichen Werte zu Entfernungen von den von Gott gegebenen Prinzipien der Natur führen. Aber er distanziert sich genauso auch davon, die religiösen Rechtsgelehrten in der „Zeit der Verborgenheit“ explizit als höchste Instanz der durchführenden und gesetzgebenden Gewalt zu bezeichnen.

|5. Seyh Mortaza Motahhari (1920 – 1979)|

Der führende Ideologe und Wegbereiter der islamischen Revolution 1978/79 beschäftigte sich stark mit der marxistischen Philosophie und wandte diese auch an. Beim Aufstand Homeynis 1962 kam er kurzzeitig in Haft, stand aber bis zur Revolution 1978/79 in ständigem Kontakt zu Homeyni, den er ideologisch und finanziell unterstützte. Während der Revolution gehörte er dem geheimen Führungsrat an, der nach dem Sieg weiterhin die Führung der islamischen Republik innehatte. Kurz nach dem Sieg der Revolution wurde er von der religiösen Gruppe „Forqan“ ermordet. Als Schüler Tabataba`is stand er ganz auf dessen Linie, transportierte diese Ideen aber in die intellektuelle Öffentlichkeit. Er vermittelte eine theologische Weltsicht der Scharia, die sich nicht direkt einer traditionellen theologischen Schule zuordnen lässt. Als Reformer verfolgte er das Ziel, die islamische Lehre von jeglichen eklektizistischen Ansätzen zu säubern. Nach dem Motto „Zurück zu den Wurzeln“ versuchte er, den Glauben zu seinem Ursprung zurückzuführen. Dies geht mit einer „Entwestlichung“ einher.

Für ihn ist der Islam die Religion der Praxis und nicht der illusionären Bestrebungen und demnach vertritt er einen revolutionären Islam. Dieser ist eine politische neuplatonische Einheit-Vielheits-Lehre, aus welcher heraus die soziale Einheit postuliert wird. Die absolut klassenlose Gesellschaft erscheint ihm utopisch, da er Unterschiede zwischen den Menschen und ihren Fähigkeiten erkennt. Seine Gesellschaftsutopie ist eine, in welcher es keine Diskriminierung gibt. Herrschaft darf nicht durch Gewalt erlangt werden, aber auch nicht durch Wahlen. Der Herrschaft wird der göttliche Maßstab vorangestellt, und sie ist kein republikanische, sondern eine vormundschaftliche. Keine Herrschaft des Volkes über das Volk wie in westlichen Demokratien, sondern eine Herrschaft des Volkes für das Volk. Er betrachtet dabei den islamischen Staat nicht als einen von Geistlichen regierten Staat.

|6. Seyyed Ruholla Homeyni (1902 – 1989)|

Er strebte schon früh den Rang eines Großayatollahs an. 1962 wurde er wegen seiner öffentlichen Kritik an Mohammed Reza Schah und dessen Reformmaßnahmen verhaftet und nur durch Vermittlung Kazem Sari`at Madaris vor der Hinrichtung gerettet. Darauf ging er in die heilige schiitische Stadt Nagaf im Südirak ins Exil und setzte von dort aus seine Aktivitäten gegen das Schahregime fort und formulierte erneut seine politische Lehre von einer islamischen Regierung in der Zeit der Verborgenheit des Imams. Unter seinen Schülern gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Herrschaft der religiösen Rechtsgelehrten, größtenteils auch viel differenzierter betrachtet als durch ihn. Aber zu seiner Zeit hat niemand anderes diese Ideen mit solchem Nachdruck vertreten. Islam ist für ihn politisch, und allen Geistlichen, die das anders sahen, erklärte er: „Ihr könnt rituelle Gebete verrichten, so viel ihr wollt. Sie wollen euer Erdöl. Was kümmern sie eure rituellen Gebete? Sie wollen unsere Bodenschätze. Sie wollen, dass unser Land zu einem Absatzmarkt ihrer Ware wird. Deswegen verhindern ihre Handlanger die Industrialisierung unseres Landes“.

Der Monarchie, die im Iran von den religiösen Gelehrten über Jahrhunderte zum Teil geduldet, zum Teil als notwendig erklärt wurde, spricht er jede Legitimität ab. Dafür propagiert er den islamischen Staat, denn selbst wenn der Imam erst in hunderttausend Jahren erscheine, dürfe nicht das Chaos regieren. Er stellt die religiösen Gelehrten sowohl bezüglich ihrer politischen Verantwortung als auch bezüglich der Quelle ihrer Macht mit den heiligen Imamen gleich. Historisch hat aber keiner dieser Imame, außer dem dritten (dem unsterblichen Märtyrer, der bei Kerbala getötet wurde), ernsthaft ein solches „Führungsamt“ angestrebt. Alle Imame begnügten sich mit geistlicher Macht. In Homeynis Weltanschauung stehen dagegen gesellschaftliche, politische, ökonomische und kulturelle Fragen im Vordergrund, die gottesdienstlichen Handlungen sind nur als gering zu veranschlagen. Mit Homeyni hat die Anfangsphase der göttlichen Herrschaft und die Erscheinung eines Mahdi, des letzten Imams, begonnen.

Seiner Meinung nach bestand der schiitische Islam nur noch aus mythischen Ritualen und einem fanatischen Märtyrer-Kult. Dies versuchte er mit der Revolution 1978/79 und Gründung der islamischen Republik zu ändern, aber diese vollzog sich anders als die theokratische Herrschaft im „Goldenen Zeitalter“ des Frühislams. Das Volk ist an der Herrschaft beteiligt und die Struktur der islamistischen Republik trägt eklektische Züge: Traditionelle und dynamische religiöse Vernunft, schiitische, sunnitische und politische Einflüsse der Moderne sind enthalten. Zwar bekennt sich die Verfassung zur absoluten Souveränität Gottes, aber Begriffe wie Freiheit, Gleichheit, öffentliche Meinung, Volkswillen, Wahlprinzip, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, nationale Sicherheit, relative Religionsfreiheit, moderne Wissenschaft und Industrie sind ebenso enthalten. Es ist keine rein islamische Herrschaftsstruktur, sondern jeder ist vor dem Gesetz gleichgestellt und Gott und Volk sind gleichermaßen wichtig. Entschieden wird im Parlament, diese Entscheidungen aber vom Wächterrat der geistlichen Führer auf Übereinstimmung zur Scharia überprüft. Genauso kann die oberste religiöse Instanz durch den vom Volk gewählten „Expertenrat“ vorgeschlagen wie auch abgesetzt werden.

|7. Seyh Ali Tehrani (geb. 1925)|

Ein Anhänger Homeynis, der sich gleich nach der Revolution 1978/79 weigerte, sich der religiösen Elite zu unterwerfen. Schon vor der Revolution arbeitete er mit den gemäßigten und linksprogressiven religiösen Denkern und national-liberalen Politikern zusammen. Zwar war er einer der Lieblingsschüler Homeynis und Revolutionsrichter, aber 1981 flüchtete er in den Irak und kündigte seine Loyalität zur islamischen Republik. Zu der Zeit stand er den Volksmudschahedin nah und befürwortete deren bewaffneten Kampf gegen das System. Heute lebt er allerdings wieder in Teheran. Seine Kritik richtet sich allein ans Vetorecht der Geistlichen. Wie auch die Mehrheit der modernen religiösen Denker sieht er die Herrschaft in der Zeit der Verborgenheit des unteilbaren Imams als eine Volksherrschaft. Im Grunde sind seine Vorstellungen die der Demokratie, stark beeinflusst von Platon und Aristoteles, mit modernem sozialistischem Gedankengut. Der Unterschied zur westlichen Demokratie ist der, dass es keinen Despotismus der Mehrheits/Minderheitenverhältnisse gibt – da das islamische Gesetz dem übergeordnet steht – und Materialismus natürlich verurteilt bleibt. Er sieht im Islam einen „islamischen universalen Sozialismus“.

Mittlerweile ist der Iran wider sehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Manche haben Angst vor einem iranischen Atombombenprogramm, vor allem ist aber zu befürchten, dass die USA nun auch noch nach Afghanistan und Irak in den Iran einfallen werden. Auch wurden die letzten iranischen Wahlen kritisch beobachtet wegen des Ausschlusses oppositioneller Politiker. Was den antiwestlichen und antikolonialistischen Aspekt betrifft, besteht allerdings kein Unterschied zwischen iranischen linken und gemäßigten Politikern gegenüber der radikalen religiösen Elite. Dennoch lohnt es sich auch, abschließend noch die Vertreter des neues geistigen Potenzials vorzustellen, die einen neuen politischen und religiösen Diskurs begonnen haben. Wie bisher festgestellt wurde, vollzieht sich diese Entwicklung aber bereits über hundert Jahre hinweg.

|8. Aqa Mahdi Ha´eri Yazdi (1923 – 1999)|

Er studierte westliche Philosophie an den amerikanischen und kanadischen Universitäten Georgetown, Harvard, Michigan und Toronto und schloss mit dem Doktorgrad ab. Nach der Revolution 1979 kehrte er in den Iran zurück. Er legt eine systematische Staatslehre aus islam-philosophischer Sicht dar, was in der herkömmlichen Tradition der islamischen Philosophie selten ist. Die politischen Ideen richten sich nicht mehr nach dem antiken Staatsdenken, sondern stützen sich vor allem auf die moderne westliche politische Philosophie. Damit führt er neue Ansätze und Modelle in die islamische Philosophie ein, aber prinzipiell setzt er an die Blütezeit der islamischen Zivilisation um das 9. – 11. Jahrhundert an, die später im 17. Jahrhundert ebenfalls schon im Iran als „Lichtphilosophie“ („Schule des Illuminismus“) weit gepflegt worden war.

Ähnlich wie Kant stehen bei Ha`eri die Philosophie als höchste Wissenschaft, die Existenz des universalen Archetypus als wahre Natur der Dinge und die Einheit der Existenz im Mittelpunkt. Nicht ganz eindeutig ist bei ihm, ob man von einer islamischen Philosophie überhaupt noch sprechen kann, denn dem Islam als Religion kann dieses Philosophieverständnis nicht entnommen werden. Alle Philosophien sind im Grunde von indischem, chinesischem, altiranischem, platonischem, neuplatonischem und aristotelischem Gedankengut durchdrungen. Ha`eris Werk ist aber das einzige in der Philosophiegeschichte des Islams, das sich nicht explizit der Metaphysik zuwendet, sondern sich umfassend der politischen Philosophie widmet. Er zeigt die unversöhnliche Beziehung zwischen Philosophie und Theologie und macht deutlich, warum die Theologie mit all ihren religiösen Wissenschaftszweigen für die Herrschaftslehre nicht zuständig ist.

Da Politik respektive Herrschaft zu den erfahrbaren und erfassbaren Dingen gehören, dürfen sie nicht von der Theologie behandelt werden. Er spricht sich gegen jegliche Form der Diktatur, d. h. gegen Despotismus, Totalitarismus und Autoritarimus aus. Denn die ideale politische Lebensführung und das menschliche Zusammenleben sind nur möglich, wenn man sich der Vernunft verpflichtet. Dabei bezieht er sich auf Vers 38 der Sure 42 des Koran und den Begriff „Sura“ (Beratung), der auf das Recht der Bürger hinweist, über eigene Angelegenheiten selbstständig zu beraten und Lösungsvorschlägen zu unterbreiten: „D. h. die menschliche Angelegenheiten sollen durch gegenseitige Beratung und Abstimmung gelöst und geregelt werden, nicht jedoch durch Offenbarung und die göttliche Gesandtschaft“.

Nach Ha`eris Philosophie negieren sich im Iran das Prinzip der Herrschaftsgewalt der Rechtsgelehrten und das Wahlprinzip einander gegenseitig. Er meint, dass man sowohl das Volk im Iran als auch die internationale Öffentlichkeit in die Irre geführt habe. Die religiöse Herrschaftsgewalt werde im Sinne eines juristischen Aufsichtsorgans lediglich als „Wächteramt“ verstanden. Die tatsächliche Bedeutung dieses Konzepts sei nicht nur eine Okkupation des entmündigten Volkes, sie sei auch eine Okkupation der göttlichen Souveränität. Ha´eri trennt politische und religiöse Fragen. Aus dieser Trennung folgt, wie in modernen westlichen Demokratien üblich, dass keine politische und staatliche Entscheidung rechtskräftig werden darf, wenn das Volk nicht selbst beteiligt ist. Ha`eri glaubt jedoch, dass dieses säkulare Verhältnis in der islamischen Welt nicht notwendigerweise mit einer Angleichung an die säkulare westliche Welt gleichgesetzt werden kann. Er kritisiert diejenigen islamischen Denker, die beim Versuch, den Islam zu stützen, den Islam entweder mit der Demokratie in Einklang bringen wollen oder ihn in Gegensatz zu anderen politischen Systemen stellen. Denn dies führe entweder dazu, den Ideen anderer bedingungslos zuzustimmen oder sie von vornherein als subjektiv und irrational abzulehnen. Ha`eri zieht es deswegen vor, von zwei Formen des kulturellen und gesellschaftlichen Gefüges zu sprechen, anstatt islamische und demokratische Herrschaftsformen zu vergleichen.

Der Islam ist für ihn weder ein politischer Entwurf, noch hat er der Islam die Absicht, eine politische Herrschaft zu stiften, die dem Menschen die Mündigkeit entziehe. Ha`eri betont die „die Gottesebenbildlichkeit des Menschen“ im Koran, den Menschen als „Abbild und Gleichnis“ Gottes, eine Sicht, die auch in der christlichen Theologie besteht. Im Koran spricht Gott den Menschen als ein autonomes Individuum an. Deswegen kritisiert Ha`eri die moderne Gesellschaft, in der die Demokratie einerseits auf die Souveränität, Freiheit und Individualität seiner Bürger stolz ist, und andererseits seine Bürger als willenlose Mitglieder seiner Gesetze und seiner vereinbarten Anordnungen ansieht. Seine Staatstheorie ist ein Mittelweg zwischen Sozialismus und Kapitalismus auf der Basis, dass nur der freie Wille und die persönliche Freiheit zählen. In der islamischen Welt gibt es nicht nur den staatlichen Pluralismus, sondern auch eine individuelle Pflicht dazu. Der Mensch als Individuum ist im Islam gegenüber seinen Mitmenschen, seien es Ungläubige oder Glaubensbrüder, zu jeder Zeit und an jedem Ort in sozialen, ethischen, ökonomischen und menschlichen Beziehungen überhaupt in die Pflicht genommen.

|9. Mohammad Mogtahed Sabestari|

Er wurde in Täbris in der Hauptstadt der Provinz Aserbaidschan geboren. Nach einem theologischen Studium in der heiligen Stadt Qom, wo er sich auf Philosophie und spekulative Theologie spezialisierte, mit Doktorgrad abgeschlossen, leitete er vor der islamischen Revolution das schiitische islamische Zentrum in Hamburg. Dabei lernte er die deutsche Sprache und beschäftigte sich mit der christlichen Theologie. Heute unterrichtet er an der Universität in Teheran. Er sieht als wichtigsten gesellschaftlichen Faktor in der Weltpolitik nicht die Machtlosigkeit des Islams, sondern in den gegenwärtigen Kriegen und Feindseligkeiten sieht er als Ursache die „Ungleichheit“, die hauptsächlich auf materielle Verhältnisse zurückzuführen ist und nicht auf kulturelle Unterschiede. Das Problem der gegenwärtigen Menschheit sind Sklaverei, Feudalismus, religiöse Kriege, Nationalismus sowie der moderne Kapitalismus und Kolonialismus. Die Menschheit ist in eine schwache Mehrheit und eine starke Minderheit aufgeteilt.

Heute mobilisieren sich massiv die Kräfte der Menschen gegen diejenigen Minderheitsvertreter, die die Wächter von Diskriminierung und Kolonialisierung sind. Es wird der Ruf nach einer weltweiten Einheit der Menschen und nach Gleichheit unter den Menschen aus allen Ecken der Welt laut. Sabestari setzt dabei auf internationale Organisationen wie die UNO. Die westliche Welt hat bei der Verwirklichung von Einheit und Gleichheit versagt, da ihre Organisationen unfähig und krank sind. Was heute als Frieden bezeichnet wird, ist eine instabile und unsichere Gleichgewichtsstrategie, die auf der Basis des Schreckens beruht. Rüstungswettlauf, Ausbeutung der Entwicklungsländer, Vetorecht für die starken Länder, verschiedene Militär- und Verteidigungsbündnisse wie das nordatlantische, sowjetische und asiatische Bündnis, die zunehmende Armut, ungleiche Arbeits- und Einkommensverhältnisse, Rassendiskriminierung usw. sind Beweise für die Unfähigkeit der westlichen Mission.

Nächstenliebe ist für Sabestari die grundsätzliche Bedingung für das friedliche Zusammenleben zwischen den Nationen. Aber keine der Nationen ist mehr bereit, auf den geringsten ihrer Vorteile zu verzichten, auch in Angelegenheiten, die für andere als lebenswichtiges Thema zur Debatte stehen. Jegliche fundamentale Veränderung muss im Denken, in den Überzeugungen, den Ethiken und den Gesellschaftsnormen, eben allem, was die geistige Kultur einer Gesellschaft ausmacht, beginnen. Aus diesem Grund benötigt der Wandel der Welt hin zu einer Weltregierung fundamentale Veränderungen in den Kulturen aller Nationen der Welt.

Sabestari stellt einen Entwurf einer „Weltgesellschaft und Weltreligion“ aus islamischer Sicht vor. Dies nennt er das „islamische internationale Völkerrecht“. Die Art und Weise, wie er seine islamische Weltgemeinschaft konstruiert, hat einen besonderen Charakter, den man bei den meisten seiner Zeitgenossen nicht findet. Er verzichtet darauf, auf die Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit der islamischen Gebote mit einem zeitgemäßen Rechtsdenken bzw. einer zeitgemäßen Rechtspraxis einzugehen. Stattdessen konzentriert er sich auf die Fundamente des „islamischen Internationalismus“ nach dem Muster der französischen Menschenrechtserklärung und des sozialistischen Internationalismus. Aus seiner Charta: „1. Beseitigung jeder Form geistiger Unterdrückung, Kampf gegen die Ursachen der geistigen Versklavung der Menschen, Schaffung einer freien geistigen Atmosphäre für die Masse. 2. Befreiung der unterdrückten Gruppen und Individuen von erbärmlichen Ketten und Abhängigkeiten, welche sie immer unter der unterdrückenden und ausbeuterischen Herrschaft bestimmter Klassen oder Personen halten, Schaffung von Freiheit, damit diese Gruppen den richtigen Weg des Lebens aus freiem Willen heraus wählen können“.

Nach seiner Auffassung kann das ohne Gewalt und nur mit Hilfe der revolutionären Zielsetzung in der Welt durchgesetzt werden. Rassismus, der Missbrauch der religiösen Gefühle und der übertriebene Nationalismus sind die drei geistigen Missbildungen, die von der politischen und wirtschaftlichen Expansion des westlichen Imperialismus und Neokolonialismus geerbt wurden. Der Islam könne mit einem „revolutionären Humanismus“ dieses schwere westliche Erbe beseitigen. Das islamische Weltgemeinschaftskonzept orientiert sich nicht an der Machtfülle, sondern an der Veränderung. Das Konzept verfolgt vier Ziele: freie Glaubens- und Gewissensüberzeugung, freundliche und humane zwischenmenschliche Beziehungen, rationaler und logischer Umgang im Diskurs und Kampf gegen den Fanatismus.

Eine religiöse Gesellschaft kann nur dann einsichtig und rechtgeleitet sein, wenn sie vor den Gefahren der Erstarrung und des Aberglaubens bewahrt bleibt, so dass die religiöse Empirie in jener Gesellschaft überdies auf gnostischer und empirischer Grundlage in eine Denkform mündet, die analysierbar und kritisierbar ist. Sabestari kündigt die Geburt eines neuen Geistes der islamischen Theologie an. Politik soll „technisch“ und „eine Kunst“ sein, nämlich die Staatskunst. Ihr Ziel ist das Gemeinwohl. Dies bedeutet für ihn aber auch die Entmonopolisierung der religiösen Rechtswissenschaft in ihrer traditionellen Form. Er steht mit seinem Denken auch sehr dem „Ich-Du“-Verhältnis in der chassidischen Lehre Martin Bubers nahe. Ohne Freiheit kann es keinen Glauben geben. Das heißt, dass die Menschen durch die destruktiven Wahrheitsansprüche, die das Wissensmonopol erhoben hat, der tatsächlichen Wahrheit entfremdet wurden. Sabestari versucht, „Transzendenz“ und „Immanenz“ miteinander zu verbinden, um den Absolutheitsanspruch der religiösen Wahrheiten nicht verloren gehen zu lassen. Die Religion soll ihren Wahrheitskern bewahren, indem sie immer als Substanz der evolutionären Erkenntnis erhalten bleibt.

|10. Abdolkarim Sorus|

Er versucht eine neue Begegnung mit den religiösen Weltanschauungen hervorzurufen, widmet sich dabei den Ideen der vorrevolutionären religiösen Reformer wie Tabataba`i und Motahhari und versucht, einen „Entideologisierungsprozess“ voranzutreiben. Wenn die Religion zu einer Ideologie werden will, so hat sie sich zum Provisorium verurteilt und auf ihre Ewigkeit verzichtet. Er erinnert dabei an den Marxismus und seine Ideologiekrise. Dabei setzt er sich mit vielen modernen westlichen Gesellschaftstheoretikern wie Karl Marx, Emil Durkheim, Max Weber, Peter Winch, Karl Popper und Jürgen Habermas auseinander. Er kommt zu dem Schluss, dass die Ideologie ein Gedankengebilde ist, das entweder nicht begründet werden kann oder falsch ist, vor allem unter dem empirischen Aspekt des kritischen Rationalismus. Im Gegensatz zu Ideologien haben Religionen gar keinen Absolutheitsanspruch. Diese Behauptung stellt das genaue Gegenteil einer weit verbreiteten Auffassung von Religion dar. Sorus versucht damit, den Unterschied zwischen dem Absolutheitsanspruch der Religionen und dem der Ideologien zu kennzeichnen.

Sein Entideologisierungsprozess ist in Wirklichkeit eine Entideologisierung der religiösen Lehren, nicht jedoch der Religion selbst. Der Kern der Religion, der nach seinem Konzept in verschiedenen Bezeichnungen wie Religion, Scharia, Wahrheit und Offenbarung vorkommt, kann tatsächlich nicht interpretiert werden. Die Religion ist demzufolge schweigsam und stumm. Sie ist unabänderlich bzw. konstant. Die Unveränderbarkeit ihrer Fundamente setzt er mit Naturgesetzen gleich. Aufklärung kann positiv und negativ interpretiert werden. Nach der positiven Definition stellt sich die Aufklärung als eine an der „Diesseitsgestaltung orientierte Humanität“ dar, die unter anderem religiöse Toleranz fordert. Dies ist der Kern des intellektuell-religiösen Ziels von Sorus bei seinen Bemühungen, Religion und Demokratie zu verbinden. Er möchte in seiner neuen Staatsform beides vertreten sehen.

Toleriert wird in erster Linie nicht die Religion, sondern die Demokratie. Denn diese Staatsform bringt keine Enttheologisierung der Naturrechte mit sich. Diese Form der religiösen Demokratie steht für eine neue Theologisierung, welche die alte theologische Elite durch eine neue zu ersetzen versucht. Die wahre Demokratie braucht hohe ethische Maßstäbe. Die Ursachen für eine negative Entwicklung der Gesellschaft liegen in der „Unwissenheit“ der Menschen. Die Gesellschaft benötigt aber für ihre menschenwürdige Gestaltung Werte. Seine These ist letztendlich einfach: Die Gesellschaft Irans ist religiös. Jede Herrschaftsform ist Teil der jeweiligen Gesellschaft und stimmt daher mit ihr überein. Eine Herrschaft im Iran ist also zwangsläufig eine religiöse Herrschaft. Sollte im Iran die Herrschaft anderer Natur als religiös sein, so muss daraus der Schluss gezogen werden, dass die iranische Gesellschaft entweder eine areligiöse Gesellschaft oder die Herrschaft illegitim, d. h. undemokratisch ist.

Diese zehn Beispiele aus hundert Jahren schiitischer Theologie im Iran, welche natürlich nur sehr rudimentär dargestellt werden konnten, zeigen, dass sich im dortigen Islam eine „Glaubenswissenschaft“ zu entwickeln begann, die die Aufgabe hat, Freiheit und Glaube miteinander zu versöhnen. Trotz der homogenen religiösen Strukturen in Theorie und Praxis sind in der Gegenwart Veränderungen bezüglich der Religion zu beobachten, die unter der geistigen und politischen Übermacht der Moderne in Erscheinung treten. Die Moderne zwingt die Religion, zu neuen Fragen Stellung zu nehmen und ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, Verantwortung zu übernehmen, Probleme zu lösen. Die religiösen Bestrebungen im heutigen Iran werfen neue politischen Fragen auf. Zwar ist die „religiöse demokratische Regierung“ keine echte Innovation und hat auch noch kein politisches System. Mit ihrer Theorie bahnt sie sich aber den Weg zurück zur Tradition und macht gleichzeitig den Weg frei für eine Annäherung an die moderne Demokratie. Die Idee der religiösen Herrschaftsgewalt, die einen Bevormundungsstaat bevorzugt, wurde zunehmend als unzeitgemäß erkannt. Der Legitimationsanspruch der Theologenherrschaft wird nicht nur bezweifelt, sondern als unvereinbar mit dem Islam gewertet. Derzeit dominiert im Iran aber noch die Tradition. Die Zukunft kann aber nur einen Weg zeigen, den in die offene Gesellschaft. Es sei denn, die US-Amerikaner vereiteln mit einem Krieg gegen den Iran erneut alle unabhängigen Entwicklungen in ihrem eigenen Herrschaftsinteresse.

Berthold Röth

|Quelle:
Reza Hajatpour, Iranische Geistlichkeit zwischen Utopie und Realismus.
Zum Diskurs über Herrschafts- und Staatsdenken im 20. Jahrhundert,
387 S., geb., Reichert Verlag 2002, ISBN 3-89500-264-X |

|Weiterführende Informationen bei wikipedia:|
[Iran]http://de.wikipedia.org/wiki/Iran
[Islam]http://de.wikipedia.org/wiki/Islam
[Schari’a]http://de.wikipedia.org/wiki/Scharia
[Ruhollah Chomeini]http://de.wikipedia.org/wiki/Ruhollah__Chomeini

Tolstoi, Alexej K. / Gruppe, Marc – Familie des Vampirs, Die (Gruselkabinett 3)

1815 in Wien: Eine bunte Gesellschaft hat sich in der Weltstadt versammelt. Das politische Tauziehen des Wiener Kongresses ist beendet und nun trifft man sich in gemütlicher Runde, um Gruselgeschichten auszutauschen. Mit von der Partie ist Serge d’Urfé, der seinen Zuhörern eine Erzählung größter Unheimlichkeit verspricht, die dazu noch wahr ist – sie ist ihm selbst passiert.

In jungen Jahren unsterblich in die Fürstin Isabelle Grammont verliebt, beschließt er, in den Diplomatendienst zu gehen, da Isabelle seine Avancen offensichtlich nicht erwidert. Zum Abschied, erschüttert darüber, dass sich Serge ins gefährliche Osteuropa begeben wird, schenkt sie ihm ein Kreuz und warnt ihn eindringlich vor den Gefahren der bevorstehenden Reise.

Es verschlägt Serge in das kleine serbische Dorf Kisolova, wo er bei der Familie des Gortscha Unterkunft findet. Die Stimmung ist gedrückt, denn der alte Gortscha hatte sich aufgemacht, einem Räuber (und Schlimmerem) den Garaus zu machen. Kehre er innerhalb von zehn Tagen nicht zurück, solle man ihn für tot halten. Kehre er aber nach Ablauf der zehn Tage nach Hause zurück, so solle man ihn für einen Vampir halten und ihm eine Pflock durchs Herz treiben. Der Tag, an dem Serge bei der Familie eintrifft, markiert genau den Ablauf des gesetzten Frist. Und tatsächlich, mit dem Stundenschlag kehrt Gortscha heim. Doch niemand weiß, ob die zehn Tage nun abgelaufen sind oder nicht …

Der alte Gortscha ist plötzlich stark verändert, er fährt seine Familie an und ist ungewöhnlich aufbrausend. Zwar hat er den Räuber getötet, so wie er es sich vorgenommen hatte, doch scheinbar sind in den zehn Tagen noch andere Dinge von Bedeutung passiert: Gortscha hat sich in einen Wurdalak, einen Wiedergänger verwandelt, der Nachts um das Haus seiner Angehörigen schleicht und einen nach dem anderen zu sich holt.

Während sich Gortscha zunächst an seinen Enkel ranmacht, wirft Serge – selbst kein Kostverächter – ein Auge auf Zdenka, eine bezaubernde Landschönheit, in die er sich sofort Hals über Kopf verliebt. Er schwört ihr ewige Liebe, doch bevor er Zeuge der Eskalation der Vampirsituation in Kisolova werden kann, muss er die Weiterreise antreten.

Als er ein halbes Jahr später auf der Rückreise wieder durch Kisolova kommt, findet er das Dorf ausgestorben vor. Der Priester des nahe gelegenen Klosters warnt Serge, dass alle dem Wurdalak Gortscha zum Opfer gefallen wären … und Zdenka habe den Verstand verloren. Natürlich begibt sich Serge bei der Erwähnung dieses Namens in die Höhle des Löwen. Doch welche Schrecknisse werden ihn wohl erwarten, wenn er in Kisolova übernachtet?

Alexej K. Tolstois Erzählung „Die Familie des Vampirs“ (manchmal auch „Die Familie des Wurdalak“) von 1847 setzt dem osteuropäischen Volksglauben um den Wiedergänger ein literarisches Denkmal. Tatsächlich fand nämlich in dem durchaus realen Kisolova im 18. Jahrhundert eine Vampirplage statt, der ein Großteil der Dorfbevölkerung zum Opfer fiel. Die behördlichen Dokumente zu den Toden und den darauffolgenden Exhumierungen vermeintlicher Vampire unter der Aufsicht von Staatsbeamten sind noch heute klassische Texte der Vampirliteratur und erregten seinerzeit großes Interesse bei Wissenschaftlern und Theologen. Wie im Volksglauben ist auch Tolstois Wurdalak ein Vampir, der von den Toten wiederkehrt, um jedoch ausschließlich seine nahen Familienangehörigen mit in den Tod zu reißen. In manchen ländlichen Gebieten Südosteuropas hat sich der Glauben an Wiedergänger bis heute gehalten.

Tolstoi fügt solche Versatzstücke des serbokroatischen Volksglaubens immer wieder in die Erzählung ein und Marc Gruppe verstärkt diese Elemente noch in seiner Hörspielbearbeitung. Gruppe macht aus der Erzählung eine klassische Gruseltour, indem er den Originaltext an einigen Stellen durchaus auffällig verändert. So lässt er Serges Frauengeschichten, die sich bei Tolstoi ironisch durch den Text ziehen, zugunsten einer romantischen Liebe fallen und schreibt den Schluss von „Die Familie des Vampirs“ komplett um, um das Hörspiel mit einem Knalleffekt enden lassen zu können.

Mit seiner furiosen Schlussklimax kann das Hörspiel das etwas behäbige Ende von Tolstois Erzählung spannender gestalten. Gruppes Idee, den zentralen Konflikt zwischen Zdenka und Serge in die Rahmenhandlung hinüberzutragen und mit einem Cliffhanger enden zu lassen, trägt durchaus zum gesteigerten Unterhaltungswert bei. Um Serges Charakter als Frauenheld ist es allerdings irgendwie schade – diese Einschübe Tolstois geben der Erzählung Leichtigkeit und Verschnaufpausen zwischen den unheimlichen Elementen. Im Hörspiel wurden sie leider eliminiert, um nicht von der eigentlichen Handlung abzukommen.

|Titania Medien| konnte für seine Reihe „Gruselkabinett“ bekannte Namen verpflichten. So wird Serge d’Urfé von David Nathan gesprochen, den viele als die deutsche Stimme von Johnny Depp kennen werden. Er mimt die Hauptrolle in gewohnter Qualität, stimmliches Highlight des Hörspiels ist allerdings Jürg Löw als Gortscha, der so maskulin, furchteinfößend und ruppig durch die Laustsprecher kommt, dass es eine wahre Freude ist. Ebenfalls erwähnenswert ist die Musik von Manuel Rösler, dessen Untermalung wie eine Hommage an alte Horrorfilmklassiker klingt und damit an den Schlüsselstellen die gewohnten Gruselschauer beim Publikum hervorruft.

|Titania| arbeitet sich mit seinen Gruselhörspielen langsam aber sicher durch die klassischen Texte der Horrorliteratur. Man kann nur hoffen, dass die Macher auch weiterhin ein so glückliches Händchen bei Text- und Sprecherauswahl haben werden. Bisher zumindest ist es ein ungeteiltes Vergnügen, sich bei den Hörspielen von Marc Gruppe wohlige Schauer über den Rücken jagen zu lassen.

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Kellerman, Faye – Schwingen des Todes, Die

Obwohl Faye Kellerman mit den „Schwingen des Todes“ bereits den 14. Roman aus der Reihe um Hauptfigur Peter Decker und seine Ehefrau Rina Lazarus veröffentlicht hat, ist sie mir als Schriftstellerin erst letztes Weihnachten begegnet, als eines ihrer Bücher den Weg auf meinen Gabentisch fand. Bekannter ist allerdings ihr Mann, der Bestsellerautor Jonathan Kellerman, mit dem sie in Los Angeles wohnt.

_Die Schwingen des Todes_
Lieutenant Peter Decker erhält von seinem Halbbruder Jonathan aus New York einen Hilferuf: Sein Schwager Ephraim ist ermordet aufgefunden worden, dessen Nichte Shayndie wird seitdem vermisst. Obwohl Decker zunächst skeptisch ist und seinen Urlaub nicht für Privatermittlungen verschwenden möchte, reist er zusammen mit seiner Frau Rina und der gemeinsamen Tochter Hannah nach New York, um seinem Halbbruder und dessen Familie in dieser schweren Zeit beizustehen und sich nebenbei umzuhören.

In New York angekommen, besuchen Jonathan und Peter zunächst zusammen den jüdischen Staranwalt Hershfield, der Jonathans Familie juristisch beistehen soll, da schnell der Verdacht auf die Familie fällt. Die Tatumstände sind wirklich mysteriös: Der ehemals drogenabhängige Ephraim wurde häufig mit seiner noch minderjährigen Nichte Shayndie zusammen gesehen, sodass bald der Verdacht auftaucht, dass er sie missbraucht haben könnte. Decker nimmt Kontakt zur New Yorker Polizei auf und bekommt den Namen eines möglichen Verdächtigen genannt, den er bei seiner Polizeiarbeit in Los Angeles bereits gut kennen gelernt hat, nämlich Chris Donatti. Donatti besitzt einen mehr als fragwürdigen Ruf, wurde eines Mordes verdächtigt und schart immer wieder blutjunge Mädchen um sich, die er erotisch fotografiert, dabei aber immer genau darauf achtet, dass diese gerade volljährig geworden sind.

Donatti ist allerdings nicht gut auf Decker zu sprechen, sodass er keine Informationen preisgeben möchte, doch Decker spürt, dass Donatti mehr über den Fall weiß, als er zugeben will. Bald gibt Chris Donatti jedoch zu, dass er Shayndies Aufenthaltsort kennt. Doch daraufhin geschieht ein weiterer Mord …

Aus der Feder von Faye Kellerman erschienen bereits zahlreiche andere Romane über Peter Decker und seine Frau Rina Lazarus, bei den „Schwingen des Todes“ handelt es sich um ihren neuesten Roman, der erst im Januar 2005 als Taschenbuch erschienen ist. Nun kenne ich leider bisher nur dieses eine Buch, sodass ich nicht weiß, wie die Geschichte um Peter Decker und seine komplizierten Familienverhältnisse bereits entwickelt wurde und wie viele Hintergrundinformationen man aus früheren Büchern mitbringen kann, doch ist dieses Buch auch ohne Kenntnis der anderen Teile durchaus gut lesbar. Der Kriminalfall ist in sich abgeschlossen und wird auch aufgeklärt, dennoch denke ich, dass man beispielweise mehr über die Vorgeschichte zwischen Decker und Donatti aus anderen Büchern kennen wird. Auch über Deckers Familie wird man sicherlich mehr gelesen haben, denn seine Familie ist groß und kompliziert, da Decker in früher Kindheit adoptiert wurde und somit den Adoptivbruder Randy hat, aber auch den Halbbruder Jonathan, der bei ihrer leiblichen Mutter aufgewachsen ist. Auch war Decker bereits einmal verheiratet und hat neben der Tochter Hannah zwei weitere Söhne. Derlei Informationen werden sämtlich in diesem einen Buch eingestreut, sodass man sich schon ein recht gutes Bild von der Hauptfigur machen kann. Andere Charaktere müssen allerdings unter dieser guten Vorstellung des „Helden Decker“ etwas leiden; so bleibt seine Frau Rina eher im Hintergrund, obwohl die Krimireihe von Faye Kellerman auf dem Ehepaar aufgebaut ist und nicht nur auf Peter. Speziell die Verhältnisse zwischen Rina und Chris Donatti bleiben arg im Dunkeln, sodass es mich schon reizen würde, weitere Decker-Romane zu lesen, um hierüber mehr zu erfahren.

Neben der gelungenen Personencharakterisierung ist auch der Einstieg in das Buch sehr interessant. Schon auf den ersten Seiten erfährt der Leser von der Familientragödie in New York und wird gleich mitgerissen, da er natürlich wissen möchte, was mit der fünfzehnjährigen Shayndie geschehen wird. In New York angekommen, wird Decker gleich mit der Trauer in seiner Familie konfrontiert, jedoch fürchtet er auch schnell, dass diese etwas zu verbergen hat und mehr über die Sache weiß, als sie ihm gegenüber zugeben möchte. So dauert es auch nicht lange, bis Peter das Misstrauen ihm gegenüber spürt und bis ihm Jonathans Verwandte zu verstehen geben, dass Decker schnellstmöglich abreisen solle. Doch Peter bleibt, er möchte hinter die Fassade blicken und Shayndie retten. Außerdem hat er Blut geleckt und einen Deal mit Chris Donatti gemacht; er muss einfach wissen, wer Ephraim getötet hat und was hinter dieser Tat steckt.

Leider verfranst sich Kellerman schnell in ihrer teils ausschweifenden Erzählung. Wo es der Charakterisierung zugute kommt, behindert es den Spannungsaufbau, denn die Autorin hält sich mit zu vielen Details auf. In jeder Situation beschreibt sie neue familiäre Verstrickungen, auch manche Dialoge dauern einfach zu lange. Kleinigkeiten, die die Geschichte eigentlich nur umrahmen sollten, nehmen den Hauptteil der Erzählung ein und bremsen deutlich den Lesefluss. Darüber hinaus setzt Kellerman viele jüdische Fachvokabeln voraus, die nirgends erklärt sind. In manchen Zusammenhängen ist die Bedeutung der Worte erschließbar, manchmal fragt man sich dann aber doch, warum es kein Glossar gibt, in welchem solche Ausdrücke erklärt werden. Das gesamte Umfeld Deckers ist jüdisch, sodass viele Traditionen und Bräuche beschrieben werden, die mich persönlich nicht sonderlich interessiert haben. Solche Informationen sind teilweise nettes Beiwerk, meist allerdings langweilten sie mich recht schnell.

Auch in der Mitte des Buches wusste ich immer noch nicht, worauf Kellerman hinaus will, kein Verdächtiger zeichnete sich ab, denn Donatti konnte schnell aus dem Kreis der Hauptverdächtigen ausgeschlossen werden; auch haben die Ermittlungen kein konkretes Ziel, sondern plätschern einfach vor sich hin. Der rote Faden fehlte dadurch in diesem Roman, der es mir einfacher gemacht hätte, Kellermans Gedankensträngen zu folgen.

Sprachlich hat mir das Buch dagegen sehr gut gefallen. Faye Kellerman schreibt abgesehen vom jüdischen Fachvokabular sehr verständlich, versteht es allerdings, sich gewählt auszudrücken und die Situationen zu beschreiben. Im Thrillergenre ist sie mit dieser Fähigkeit aber vielleicht ein wenig fehl am Platze?! Auffällig waren die ausführlichen Personenbeschreibungen bei ihrem ersten Erscheinen, so bekam der Leser beim Auftauchen einer neuen Person zunächst immer erst eine kurze Umschreibung über Statur und Besonderheiten der Person zu lesen. Diese Eigenart fand ich etwas merkwürdig, sie passt aber wohl auch zum ausschweifenden Schreibstil der Autorin.

S. 30: |“Aber der Mensch hinter dem Schreibtisch war definitiv keine Frau. Seine Wangen waren so eingefallen, dass die Backenknochen förmlich durch die dünne Haut stachen. Die dünnen dunklen Haare, die sich an der hohen Stirn lichteten, trug er glatt nach hinten gekämmt. Zwei dünne Linien bildeten die Lippen, und die Augen verschwanden unter dichten Augenbrauen, funkelten aber übermütig. Der Mann war perfekt gekleidet: schwarzes Wollsakko, weißes Hemd mit Doppelmanschetten und eine gemusterte Krawatte mit Pferden und Gladiatoren – wahrscheinlich ein zweihundert Dollar teures Stück von Leonard.“|

Auch wenn das Thema an sich sehr spannend war, als dubiose Kreise in New York aufgedeckt werden konnten, wurde ich mit dem Buch nicht recht warm. Die Geschichte riss mich nicht mit, begeisterte mich nicht und wurde auch nie so spannend, dass ich zwangsläufig weiterlesen musste. So fällt mir die Beurteilung des Romans schwer wie selten, da mir der Schreibstil der Autorin sehr zugesagt hat, aber trotzdem ein packender Spannungsaufbau fehlte, der das Buch zu einem besonderen Leseerlebnis machte. Positiv aufgefallen ist mir die Tatsache, dass der Roman prima lesbar war ohne Kenntnis der anderen Bände aus der Decker/Lazarus-Reihe, die bislang unbemerkt an mir vorbeigegangen war. Interesse an den anderen Büchern ist bei mir aber definitiv geweckt worden, da ich gerne mehr über Peter Decker und seine Familie erfahren möchte, dennoch bin ich nicht überzeugt davon, dass Kellerman dies in einem Thrillerrahmen überzeugend gelingen kann.

_Die Reihe um Peter Decker und Rina Lazarus:_
Denn rein soll deine Seele sein
Das Hohelied des Todes
Abschied von Eden
Tag der Buße
Du sollst nicht lügen
Die reinen Herzens sind
Weder Tag noch Stunde
Doch jeder tötet, was er liebt
Totengebet
Der Schlange List
Der wird euch mit Feuer taufen
Die Rache ist dein
Der Väter Fluch
Die Schwingen des Todes

Peinkofer, Michael – Bruderschaft der Runen, Die

Verschwörungen und Geheimnisse aus der Vergangenheit schon waren schon immer ein beliebter Stoff mit vermeintlicher Erfolgsgarantie. Doch nicht jedes Buch mit einem spannend klingenden Thema ist auch wirklich ein packender Roman. Wie es um Michael Peinkofers Werk „Die Bruderschaft der Runen“ bestellt ist, wollen wir hier einmal genauer untersuchen.

_Das Geheimnis der Schwertrune_
Als der geschichtsbesessene Gehilfe Sir Walter Scotts in der Kloster-Bibliothek von Kelso unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, fühlt sich der bekannte Schriftsteller mitverantwortlich für dessen Tod und versucht, die Umstände zu erforschen. Schon bald sieht er seine Befürchtung, dass es sich nicht – wie offiziell angegeben – um einen Unfall handelt, bestätigt. Stattdessen glaubt er an einen Mord. Durch seine Untersuchungen, bei denen ihm sein junger Neffe Quentin Hay zur Seite steht, stößt er auf ein fehlendes Buch und eine verbotene Rune für das Wort „Schwert“, die ein Hinweis zu einer alten schottischen Druiden-Sekte, einer Art Geheimbund, sein könnte. Kurz darauf wird die Bibliothek durch Brandstiftung zerstört.
Der von Scott hinzugezogene englische Inspektor Dellard nimmt Scotts Hinweise und Untersuchungsergebnisse allerdings nicht ernst. Stattdessen scheint er in dem Fall eigene Interessen zu verfolgen. Der befreundete Abt des Prämonstratenser-Ordens, der die Bibliothek verwaltete, warnt Scott vor jeder weiteren Einmischung, hüllt sich aber, seine Gründe hierfür betreffend, in Schweigen. Und wirklich werden Sir Walter Scott und sein Neffe zur nächsten Zielscheibe der Täter, was den bekannten Dichter aber nur noch verbissener nach der Wahrheit um die geheime Bruderschaft suchen lässt.

Währendessen reist die englische Adlige Lady Mary of Egton in die Highlands, um eine arrangierte Hochzeit mit dem Laird of Ruthven zu schließen. Doch sie wird von mysteriösen Träumen über ein schottisches Mädchen geplagt, das – wie sie herausfinden muss – 500 Jahre vor ihrer Zeit auf Burg Ruthven gelebt hat. Währenddessen eskalieren tagsüber ihre Beziehungen zu ihrem zukünftigen Bräutigam und seiner Mutter schnell bis zu einem Punkt, an dem Mary um ihr Leben fürchtet.

_Idee und Wirklichkeit_
Ein verschwörerischer Geheimbund, alte Runen und ein Rätsel aus der Vergangenheit. Für mich klang das nach absolut vielversprechenden Zutaten für eine Art von historischem Dan Brown. Und das Gerüst der Geschichte ist auch in der Tat sehr gelungen aufgebaut. Alleine schon die Idee, Sir Walter Scott als Detektiv fungieren zu lassen, gefällt mir sehr gut. An dem gesamten kriminellen Plot gibt es – sofern man sich nicht gegen mystische Elemente und Unerklärliches sträubt – nichts zu meckern. Die Spannung setzt bereits früh ein und für ein Buch dieses Umfangs muss man nur sehr wenige Längen in Kauf nehmen. Eigentlich also eine ideale Grundlage, die einen spannenden historischen Krimi abgeben sollte. Und spannend ist das Buch auch durchaus, dennoch hatte ich mir von diesem Buch mehr versprochen.

Denn der Teufel steckt hier im Detail. So ist zwar beispielsweise die Charakterisierung Scotts als meisterhafter Beobachter und Anhänger der Logik gut gelungen, einige der anderen Personen sind jedoch völlig überzeichnet und auch das Ende des Buchs entzieht sich jeder nachvollziehbaren Logik.

Allen voran stößt mir die Person der Mary of Egton unangenehm auf. Sie ist wunderschön, fremd im Land, versteht die Menschen aber besser als die bösen Lairds, speist mit Dienern und Bauern an einem Tisch und kämpft selbstlos gegen die kleinste Ungerechtigkeit. Kurz: Sie ist einfach nicht glaubhaft. Auch ihr Handeln in diesem Buch ist an einigen Stellen nicht nachzuvollziehen. Ein extremes Beispiel ist hier, dass sie in einer gefährlichen Situation gegen Ende des Buches plötzlich – und für mich als Leser völlig unerwartet – ihre Liebe zu Quentin in die Welt hinausruft. Dabei hat sie nicht nur mit dem angeblichen Mann ihrer Träume vorher kaum drei Sätze gewechselt, sondern auch während der nachfolgenden Zeit keinen für den Leser erkennbaren Gedanken an ihn verschwendet – von Anzeichen des Verliebtseins gar nicht zu reden.

Quentin hingegen ist natürlich auf den ersten Anblick Mary verfallen. Es wird uns gesagt, dass er von ihr so angetan sei, da er zuvor nur Bauernmädchen und Bürgerstöchter kannte, nie jedoch eine Lady von Geblüt, Geburt und mit dieser Erziehung und zumal noch von solch lieblichem Anblick. Nun, denn. Das klingt für mich nicht nach Liebe sondern nach pubertären Hormonwallungen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass er sie erblickt und fortan zufrieden sein soll, und „für den Rest seines Lebens auf der Schwelle ihres Zimmers stehen und in ihrer Nähe sein zu dürfen“ (S. 167) soll für ihn die ultimative Glücksvorstellung sein. Nicht gerade nachvollziehbar für mich. Und darüberhinaus auch etwas kitschig, was hier auch noch durch den etwas schwülstigen Schreibstil unterstrichen wird.

Denn obwohl ich Herrn Peinkofer nicht generell jegliche Schreibkunst absprechen will, muss ich doch feststellen, dass mir sein Stil nicht liegt. Die Formulierungen sind überdramatisch und die Sätze brechen vor allem unter der Last der etwas klischeehaft eingesetzten Adjektive zusammen. Dies trifft insbesondere für alle Beschreibungen und Handlungen der Bösewichte zu. Hier scheint Peinkofers Phantasie derart mit ihm davonzugaloppieren, dass er ein Klischee nach dem anderen aufkommen lässt. Ein „… schneidender Befehl gellt über der Dorfplatz …“ S. 203, „… sagte er mit einer Kälte, die sie erschauern ließ“ (S. 221), „unheimliche Gestalten in flatternden Roben und auf schimmernden Pferden“ (S. 235). Je weiter das Buch fortschreitet, desto mehr fallen mir solche Formulierungen wieder und wieder auf und stören mein Leseempfinden beharrlich.

Auch was die mystischen Elemente betrifft, die Peinkofer in diesem Buch einsetzt, so stehe ich diesen gespalten gegenüber. Denn einerseits habe ich nichts gegen Übersinnliches und Fantasy-Elemente, die meiner Meinung nach einem spannenden, historischen Roman eine schön gruselige Horrornote verleihen können. Das muss ja kein Nachteil sein. Doch gemischt mit Peinkofers überdramatischem Schreibstil und seinen zum Teil klischeehaften und unglaubwürdigen Charakterisierungen, wirken solche Mittel sehr künstlich. Die alte Kala, über die wir nur Andeutungen erhalten, und die über Jahrhunderte hinweg in die Geschichte eingreift. Der Graf, ihr dunkler Gegenspieler. Die Visionen der Vergangenheit, die Marys Träume prägen. All das hätte vielleicht von der grundsätzlichen Idee her noch gepasst, ist aber in überzeichneter Weise in die Geschichte eingefügt, so dass es nicht wirklich dazu beiträgt, das Buch zu einem gelungenen historischen Roman zu formen, sondern es stattdessen stellenweise verkitschen lässt.

Auf historische Korrektheit sollte man bei „Die Bruderschaft der Runen“ ebenfalls keinen allzugroßen Wert legen, was einem spätestens beim Auftauchen der diversen Fantasy-Elmente klar sein sollte. Aber auch was grundlegende historische Fakten angeht, hat sich Herr Peinkofer ganz seiner überschäumenden Phantasie hingegeben: Weder ging William Wallaces Schwert nach seinem Tod in den Besitz von Robert the Bruce über, noch war Robert the Bruces Schwert, das er in der Schlacht von Bannockburn benutzte, über Jahrhunderte hinweg verloren. (Es befindet sich seit rund 700 Jahren im Besitz der Familie des Earl of Elgin, der ein direkter Nachfahre von Robert the Bruce ist). Und schon gar nicht wurde das Schwert etwa von Sir Walter Scott wiederentdeckt. Etwas missverständlich ist dies nämlich im Epilog dargestellt, der noch zur fiktiven Geschichte gehört, aber den Eindruck eines Nachwortes des Autors vermittelt und so einen leichtgläubigen Leser mit falschem historischem Eindruck zurücklassen kann.
Dennoch denke ich, dass man solche historische Hirngespinste insgesamt verzeihen kann, da es sich hier schließlich um ein Werk der Unterhaltungsliteratur handelt. Umso mehr zudem, als der Autor selbst auch im Nachwort zugibt, sich einige historische Freiheiten erlaubt zu haben. Zwar spricht Peinkofer da von der Person des Sir Walter Scott und die übrigen historischen Freiheiten werden nicht explizit erwähnt, doch dem halbwegs aufgeschlossenen Leser sollte schon klar werden, dass es sich hier nicht gerade um eine Quellenlektüre handelt.

„Die Bruderschaft der Runen“ hat mich insgesamt eher enttäuscht. Obwohl das Buch über gute Ansätze verfügt, wie zunächst einmal die Idee, Sir Walter Scott als Detektiv agieren zu lassen, als auch der durchaus gelungene Spannungsaufbau, so rutscht die Geschichte, je weiter sie voranschreitet, insbesondere durch den schwülstigen, überdramatisierenden Schreibstil und die klischeehaften, überzeichneten Charakterisierungen auf ein Niveau herab, auf dem ich das Buch allenfalls noch eingefleischten Fans schottischer Geschichte empfehlen kann.

_Historische Fakten_
Sir Walter Scott wurde am 15. August 1771 in Edinburgh geboren. Als einer der ersten Autoren, die auch Personen außerhalb des Adelsstandes und sogar Andersgläubige als günstig portraitierte Hauptrollen in ihren Werken auftreten ließen, gilt er als Verfechter des Prinzips, dass alle Menschen, egal in welchen Stand oder Glauben sie geboren wurden, zunächst gut sind. Seine zumeist historisch ausgerichteten Werke behandeln häufig das Aufeinandertreffen verschiedener Glaubensrichtungen oder Kulturen, wie beispielsweise die Reibungen zwischen Angelsachsen und Normannen in seiner vermutlich bekanntesten Schöpfung „Ivanhoe“.

_Zum Autor_
Michael Peinkofer wurde 1969 geboren, hat Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaft studiert und arbeitet unter anderem als Journalist, zum Beispiel als Fernsehjournalistfür das Magazin |Moviestar|. Er hat nach Verlagsangaben unter diversen Pseudonymen (die der Verlag aber nicht nennt) anscheinend schon etwa 180 Bücher verfasst. Unter dem Namen Michael Peinkofer ist vor seinem ersten historischen Roman „Die Bruderschaft der Runen“ aber bisher nur „Das große Star Trek Buch“ erschienen, das unter seiner Mitautorschaft entstanden ist. Er lebt in Kempten im Allgäu.

Dan Simmons – Das Schlangenhaupt

Das geschieht:

Darwin Minor ist ein Mann mit Vergangenheit; ein Vietnam-Veteran mit typischem Trauma, was ihn aber nicht hinderte, zum Doktor der Physik zu promovieren. Im Zivilleben verdient sich Minor seine Brötchen als Spezialist für die Rekonstruktion von Unfallursachen. Seit er nicht mehr für den Öffentlichen Dienst arbeitet, sondern bei einer kleinen für Schadenregulierungen angeheuert hat, die vom grantigen Lawrence Stewart und seiner Gattin Trudy geleitet wird, bereiten ihm seine Schwierigkeiten im Umgang mit Vorgesetzten und Respektspersonen keine gravierenden Probleme mehr. Minor gilt als As und wird gern bei allen möglichen und vor allem unmöglichen Zwischenfällen zu Rate gezogen, die Menschenleben kosten und versicherte Sachschäden verursachen.

Obwohl sich darunter delikate Fälle befanden, hatte Minor bisher mit dem organisierten Verbrechen wenig zu tun. Das ändert sich, als ihn eines Tages russische Mafiakiller auf offener Straße mit Maschinengewehren beschießen. Der Anschlag misslingt, und Minor bringt die Strolche zur Strecke. Um die Hintermänner zu fassen, arbeitet er unwillig mit der Polizei und dem Geheimdienst zusammen. Dan Simmons – Das Schlangenhaupt weiterlesen