Mit „Das indische Tuch“ beginnt eine Hörspielreihe von Titania Medien, die unter dem Titel „Krimi Klassiker“ mehrere Geschichten des britischen Krimialromans aufbietet. Neben einzelnen Erzählungen des berühmten Sherlock Holmes kommt auch Krimi-Legende Edgar Wallace im Laufe dieser Serie zu Hörspiel-Ehren, wobei die erste Episode, „Das indische Tuch“, sich gleich mit einer Geschichte jenes berühmten Schriftstellers befasst.
|Titania Medien| bzw. Drehbuchautor und Regisseur Marc Gruppe haben eigens für die Realisierung dieses Projekts bekannte Synchronsprecher verpflichtet, die ihren Job bei diesem ersten Teil überragend lösen. Hier eine kurze Auflistung der vertrenenen Schauspieler (in Klammern die Namen der ansonsten synchornisierten SchauspielerInnen):
Lord Willie Lebanon – Daniel Werner
Lady Lebanon – Dagmar von Kurmin
Isla Crane – Manja Doering (Natalie Portman)
Dr. Amersham – Christian Rode (Christopher Lee)
Gilder – Jürg Löw
John Tilling – Gero Wachholz
Joan Tilling – Dörte Lyssewski (Cate Blanchett)
Studd – Jens Hajek
_Story:_
Auf dem düsteren Schloss Marks Priory ist die Atmosphäre unter den dort lebenden Leuten hundsmiserabel. Jeder wettert gegen jeden, einzelne Bündnisse werden geschlossen, um die Gegner gegen einander auszuspielen und im Endeffekt traut man selbst seinen Nächsten nicht. Im Kreuzfeuer der Kritik steht dabei der fiese Dr. Amersham, Leibarzt der Adelsfamilie Lebanon, der vom Lord nicht mehr erwünscht wird, jedoch von Lady Lebanon weiter geduldet wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Chauffeur Studd, den Amersham als einen Spion bezeichnet und gegen den er daher auch Intrigen spinnt, die zur Entlassung Studds führen.
Als Studd sich bei seiner Entlassung ein letztes negatives Wort über Amersham äußert, zieht er den Zorn des Arztes auf sich. Kurze Zeit später wird Studd dann im Park tot aufgefunden; in seiner Nähe befindet sich ein indisches Halstuch, mit dem der ehemalige Chauffeur erdrosselt wurde. Auch wenn der Hauptverdacht auf Amersham fällt, so hat im Endeffekt jeder ein Tatmotiv.
Nach und nach finden die Officers von Scotland Yard unter der Leitung von Chief Inspector Tanner und Detective Seargent Totty heraus, wie die Bewohner und Angestellten zueinander stehen, und bestimmen nach Überprüfung sämtlicher Alibis und Tatmotive einen Hauptverdächtigen. Doch just in dem Moment, in dem Totty diesen festnehmen möchte, wird dieser ebenfalls tot aufgefunden.
Die beiden Polizeibeamten klären infolgedessen auf, welche Details ihnen bisher von den Leuten auf Marks Priory verschwiegen wurden, und kommen dem rätselhaften Mordkomplott Schritt für Schritt auf die Spur. Doch inzwischen geschehen weitere merkwürdige Dinge auf dem düsteren Schloss …
Das Hörspiel zu „Das indische Tuch“ hat im Jahre 2003 verschiedene Kritikerpreise gewonnen, unter anderem für das beste Einzelhörspiel, die beste Sprecherin (Dagmar von Kurmin) und die beste Musik (hier begleitend eingefügt von Manuel Rösler). All diese Preise sind meiner Meinung nach auch vollkommen gerechtfertigt und basieren vor allem auf der fabelhaften Leistung der beteiligten Sprecher. Die Emotionen der Betroffenen werden ausgezeichnet übertragen, die Geschichte wird überaus spannend erzählt und die musikalische Untermalung unterstreicht die mystische Atmosphäre immer wieder aufs Neue.
Dabei bietet die Geschichte ähnlich wie die Story bei [„Die blaue Hand“ 1266 wiederum sehr viele Verstrickungen, einen komplexen Handlungsstrang und einige unerwartete Wendungen. Lediglich zu Beginn schreitet die Story ein wenig schleppend voran, weil die Einführung der Hauptdarsteller ein wenig in die Länge gezogen wird. Andererseits scheint dies dann aber auch wieder nötig zu sein, um den zunächst ermordeten Chauffeur Studd und seine Beziehung zu den Angestellten auf Marks Priory vorzustellen. So richtig spannend wird die Geschichte jedoch erst nach dem ersten Mord, denn von dort an wird es zunächst richtig kompliziert. Neue Protagonisten kommen ins Bild, Alibis werden aufgebaut, kurze Zeit später aber auch wieder widerlegt, der Haupttatverdächtige wechselt alle paar Minuten und in dem Moment, in dem man sich sicher ist, den Richtigen identifiziert zu haben, wird man durch eine Umkehrung der Ereignisse wieder auf eine andere Fährte gelockt.
„Das indische Tuch“ bietet erstklassige Krimi-Unterhaltung mit exzellenten Sprechern und einer Top-Geschichte bester britischer Machart. Nicht nur Nostalgiker, sondern auch Neueinsteiger finden hier wirklich schmackhafte Genre-Kost, die man sich auch gerne mehrfach anhört. Im Doppelpack sind die beiden Geschichten von Edgar Wallace im Zuge der Serie „Krimi Klassiker“ ein echtes, abendfüllendes Erlebnis. Kann ich daher nur uneingeschränkt weiterempfehlen!
Austin und Dale sind Brüder, Armeeangehörige, die häufig ihre Fähigkeiten in Mech-Simulatoren messen. Leider sind Austins Chancen gegen seinen großen Bruder Dale meist nur gering, wenngleich er sich beständig verbessert. Die Zeit, in der sie leben, macht es jedoch beinahe unmöglich, dass sie jemals in einem echten Mech sitzen und gegen den Feind vorrücken werden.
Nachdem das HPG-Netz zusammengebrochen ist, jenes Nachrichtensystem, welches auch die am weitesten voneinander entfernten Planeten zum Austausch von Informationen befähigt, ist eine zur Planung nutzbare interplanetare Kommunikation zum Erliegen gekommen. Mirach, der Planet, auf dem Austin und Dale leben, kann keinen Kontakt mehr zu fernen Absatzmärkten aufnehmen und die Wirtschaft erlebt schwere Zeiten. In dieser Situation ist an die Beschaffung von neuen Mechs gar nicht zu denken.
Doch ihre Zukunft soll nicht im Militär liegen, sondern in der Politik. So will es Ihr Vater, Baron Sergio Ortega. Der politische Führer hat seit jeher die Diplomatie höher bewertet als den Kampf und will nun, dass seine Söhne in seine Fußstapfen treten. Aber es gibt Elemente in der Regierung, die dem Baron seinen politischen Ansatz als Schwäche auslegen. Sie wollen ihn dazu bewegen, seine Leibgarde in die regulären Milizen zu überführen. Dies würde Kosten einsparen, was es dem Baron ermöglichen würde, mit entsprechenden Nachrichten das Volk zu beschwichtigen, weil das eingesparte Geld der Bevölkerung zugute käme.
Seine Söhne indessen drängen ihn dazu, diesen Entschluss noch einmal zu überdenken. Im Falle von Gefahr für die Regierung wäre eine sofortige Hilfe durch das Militär nicht mehr denkbar. Und diese Gefahren sind keine Illusion. Demonstrationen und Aufstände durch die unzufriedene Bevölkerung mehren sich.
Es kommt ganz anders. Dale, der ältere Bruder, muss mit ansehen, wie seine Freundin Hanna durch ein gezieltes Attentat ums Leben kommt. Dale weiß zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die Befehle zu diesem feigen Mord von weit oben kommen. Während die Ortegas glauben, dass es kaum schlimmer werden kann, wird Dale während einer Gefechtsübung durch den Einsatz scharfer Granaten getötet.
Die Geschehnisse eskalieren, und die Dunkelmänner geben sich zu erkennen. Eine aussichtslose Lage, gäbe es da nicht Sergeant Death, einen ausgedienten Centurion-Mech, den Sergio Ortega in ferner Vergangenheit einmal steuerte und der nun ein Museumsstück ist. Trotzdem macht sich Austin verzweifelt daran, die Kampfmaschine zu reaktivieren.
Die Darstellung der Intrige, der treibenden Kraft hinter der Geschichte, nimmt einen großen Teil der Handlung ein. Dergleichen kennen erfahrene Battletech-Leser hauptsächlich aus den größeren Zwisten zwischen den einzelnen Häusern. Dies spielt hier überhaupt keine Rolle. Infolge des Zusammenbruchs der interplanetaren (schnellen) Kommunikation beschränkt sich die Handlung auf den Planeten und lässt übergreifende Handlungsbögen nicht zu.
Aber nach all den riesigen Schlachten, dem bekannten massigen Getümmel aus Mechs, Kröten und Artillerie, wirkt der geringere Umfang an technischen Finessen neuer und auch gut. Die Einschränkung auf wenige militärische Techniken macht es nicht notwendig, auch nur ein einziges Buch aus dem Battletech-Universum gelesen, noch das Spiel in irgendeiner Form gespielt zu haben.
Austin ist die Figur des jungen Mannes, der zwar über eine gewisse Ausbildung und Erfahrung bereits verfügt, doch dann durch die Umstände gezwungen wird, schnell erwachsen zu werden. Aus den Simulationen wird blutiger Ernst. Dieser Handlungsaufbau ist leider nicht besonders neu und Geschichten dieser Art müssen eine gute Variation des Themas bieten. Am besten funktioniert es, wenn die Geschichte filmisch gelesen wird, also man Bilder zur Hilfe nimmt, die durch die Erzählung im Kopf entstehen. Der junge Mann, der vor dem ausgemusterten Mech steht, den einst sein Vater steuerte, die Intrigen, die geheimen Treffen, das Übungsgefecht, das zum Fiasko gerät. Dann beginnt die Geschichte zunehmend Spaß zu machen und spannender zu werden.
Möglich, dass Fans des Battletech-Zyklus vom dritten Band des |Mechwarrior Dark Age|-Zyklus ein wenig enttäuscht sein werden. Aber ein Verlust an Techniken wegen des neuen Handlungsbogens schränkt natürlich auch die Möglichkeiten der Autoren in diesem Universum ein.
Neueinsteiger finden hier allerdings die Möglichkeit, sich langsam in dieses Universum einzulesen, weil es nicht zu den üblichen Begriffserschlagungen kommt, in denen eine Mech-Beschreibung der nächsten folgt und ein Waffensystemeinsatz an den folgenden gereiht wird. Entsprechend ist das angehängte Glossar zwar löblich, aber keine Voraussetzung, um der Geschichte folgen zu können.
Der Roman ist stilistisch |Battletech| angemessen, die Handlung jedoch eine Spur zu vorhersehbar, obgleich die Variation des zuvor erwähnten Themas des zum Kämpfen Gezwungenen hier und da Neues bietet.
Fazit: Nicht grundsätzlich originell, aber unterhaltsam geschrieben. Für neue Freunde des Battletech-Universums ein guter Einstiegsroman.
_Michael Nolden_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
In einer zeitlich nicht näher bestimmten Zukunft sind die Planeten und großen Monde des Sonnensystems von Menschen besiedelt. Auch der große Jupiter-Trabant Ganymed trägt diverse Kolonien, die hauptsächlich vom Verkauf seltener Kräuter und Pilze leben. Sunvalley ist eine davon, geleitet von Gouverneur Roger Simpson. Sein Sohn Paul wächst auf dem luftleeren Mond auf – ein latent gefährlicher Ort für einen Heranwachsenden. Dem 16-Jährigen wurde daher schon als Kind ein Roboter zugeteilt. „Rex“ ist ein komplexes Gerät, das nicht nur als sturer Beschützer, sondern auch als Begleiter konstruiert wurde. In dieser Eigenschaft wurde er seinem menschlichen Herrn zum Freund. Paul hat Rex tief ins Herz geschlossen und teilt seine Gedanken mit ihm; menschliche Freunde sind rar auf Ganymed.
Damit ist es nun vorbei, denn Vater Roger wird auf die Erde zurückversetzt. Die Freude ist groß, bis sich herausstellt, dass Rex aufgrund der hohen Frachtkosten zurückgelassen werden soll. Das erträgt Paul nicht und rückt aus. Er will den weiten Weg zur Erde nur zusammen mit Rex antreten. Dieser ist einverstanden: Rex hat ein Selbstbewusstsein entwickelt. Das macht ihn zum echten Partner, der seinem menschlichen Freund aus mancher Schwierigkeiten helfen kann. Lester Del Rey – Der unschuldige Roboter weiterlesen →
|“Intimacy“ (dt. „Rastlose Nähe“) unterstreicht Hanif Kureishis Abkehr von der postkolonialen Thematik, steht jedoch in Offenheit, Ehrlichkeit und Tiefe der Beschreibung von inner- und zwischenmenschlichen Vorgängen in der Tradition der Werke, für die er bekannt geworden ist („The Buddha of Suburbia“, „My Beautiful Laundrette“ u. a.).|
„It is the saddest night, for I am leaving and not coming back.“ (dt. etwa: „Es ist die traurigste Nacht, da ich weggehen und nicht zurückkommen werde.“), konstatiert der Ich-Erzähler zu Beginn von Hanif Kureishis kurzem Roman und macht den Leser damit zum Mitwisser seines Plans, Lebensgefährtin und Kinder zu verlassen. Beschrieben wird auf den 118 Seiten im Wesentlichen die letzte Nacht, in der Jay (ein erfolgreicher Drehbuchautor) die zurückliegenden Jahre seiner eheähnlichen Beziehung mit Susann resümiert. Liebe und Leidenschaft sind abgekühlt und einem Nebeneinanderherleben gewichen. Was die beiden Menschen noch verbindet ist die Liebe zu ihren Kindern. In Flashbacks erfährt man, dass sein Sexualleben inzwischen mit Nina stattfindet – einer jungen Frau, die gekennzeichnet wird durch ihr unbeständiges Leben, geprägt von Ziellosigkeit, wechselnden Sexualpartnern und Drogenkonsum. Die Affäre mit ihr ist zum Zeitpunkt der Überlegungen, Susann zu verlassen, bereits vorüber, hat jedoch durch das tabulose Ausleben von Erotik Wünsche in Jay geweckt, die er nicht mehr bereit ist, hintenanzustellen.
Der Leser erfährt weiterhin von einer erfolglosen Paartherapie, von anderen Lebensentwürfen – dem seines Freundes Viktor oder des Familienmenschen Asif („Wisdom is to know the value of what we have.“) – von dem Verhältnis des Erzählers zu seinen Eltern, die das „bürgerliche Glück“ einer aufrechterhaltenen Ehefassade der individuellen Selbstverwirklichung vorgezogen und zum Schluss doch zu einer neuen „intimacy“ gefunden haben. Er wird hineingezogen in eine Diskussion über Ehe, Liebe, Leidenschaft, Genderkonzepte – kurz: über das universelle Glück der Menschen. Damit sind in diesem Roman des gereiften Kureishis die Pakistanis zumindest auf ihrer Suche nach Selbstverwirklichung nicht länger anders als Engländer. Ihre Probleme, Wünsche und Träume gehen über die Identitätssuche einer hybriden Persönlichkeit hinaus.
Auch „Intimacy“ ist geprägt von Themen, die bei Kureishi immer wieder auftreten. Musik, Drogen und Fashion sind dem Leben seiner Figuren inhärent, wohl auch aus dem Grund, dass sie Kinder der 70er sind, die mit ihrer Lebensphilosophie hier durchaus kritisch betrachtet werden.
Natürlich nimmt der Autor wie üblich kein Blatt vor den Mund, wenn es um sexuelle Handlungen geht. Man erlebt den Erzähler beim Geschlechtsverkehr mit Nina und folgt ihm ins Bad, wo er sich selbst befriedigt. Freimütig und derb wird über die sexuelle Einstellung seiner Freunde geredet. „Sometimes he fucked five people in a day, shoving his arm up to the elbow into men whose faces he never saw.“
Den typisch ironischen Humor Kureishis muss man ebenfalls nicht missen, zum Beispiel wenn er beschreibt, wie verzweifelt in die Jahre gekommene Frauen versuchen, sich ihr Alter nicht anmerken zu lassen oder, wenn es statt der Frauen die Männer der 90er sind, die auf den Büropartys über nichts anderes als ihre Kinder sprechen. Doch im Wesentlichen übernimmt der Roman die Stimmung des ersten Satzes. Der Leser steht mit dem Ich-Erzähler vor den Scherben dessen Lebens und vor philosophischen Phrasen, die nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Familie zerbrechen wird. Zwei Personen müssen einsehen, dass ihre Beziehung gescheitert ist und dass sie unabhängig voneinander weiterleben müssen. Durch die Schilderung seiner Affäre mit Nina (und anderen Frauen) fühlt man sich als Leser eher bestätigt, dass es Jay vorrangig um die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse geht, obwohl er selbst meist von „Liebe“ spricht. Das Ende des Romans hebt diese Sicherheit jedoch wieder auf, denn er endet optimistisch mit einer Beschreibung eines Momentes des vollkommen Glücks, der während eines Spaziergangs erlebt wird.
|Faber und Faber| haben sich in ihrer generell relativ haltbaren Paperback-Aufmachung bei „Intimacy“ zusätzlich für einen (gelben) Schutzumschlag entschieden, der einem Buch in Fragen „Ansehnlichkeit in späteren Jahren“ durchaus zuträglich ist. Die Schrift ist weniger gedrängt als in anderen Ausgaben von Kureishis Werken. Es findet sich sogar ein üppiger Rand, auf den man seine Anmerkungen kritzeln kann.
Alles in allem – ein lesenswerter Kureishi, der mit der Neudefinierung der britischen Identität abgeschlossen hat; ein Buch, das die Qual und die Freuden von Menschen analysiert, die versuchen mit einem anderen Menschen zusammenzuleben.
_Corinna Hein_
http://www.corinnahein.net/
|Eine [deutsche Fassung]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499229005/powermetalde-21 erschien 2001 unter dem Titel „Rastlose Nähe“ bei Rowohlt.
Besonders lohnend ist sicherlich die Geschichtensammlung [„Intimacy“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/349923193X/powermetalde-21 die im Juni 2001 anlässlich des gleichnamigen Films von Patrice Chéreau ebenfalls bei Rowohlt erschien und neben „Rastlose Nähe“ weitere Kurzgeschichten enthält, zusammen mit einem Essay und Szenenfotos aus dem Film.|
Auch beim dritten Teil der Krimi-Klassiker aus dem |Titania Medien|-Verlag handelt es sich um eine klassische Erzählung, hier nach einer Vorlage von Edgar Wallace. Dieses Mal wird die Geschichte „Die blaue Hand“ erzählt, und das in einer Besetzung, die einem als Liebhaber des Hörspiels das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen sollte. Nachfolgend ein Überblick über die teilnehmenden Rollen bzw. ihre Sprecher (in Klammern der Name der ansonsten verkörperten Synchronstimme):
Wie man unschwer erkennen kann, ist dieser 70-minütige Krimi also bestens besetzt, und dementsprechend ist auch die Qualität der Erzählungen sehr hoch einzustufen. Vor allem David Nathan in der Hauptrolle des Anwalts Jim Stelle weiß zu überzeugen, aber dazu mehr nach dem Überblick über die eigentliche Geschichte.
_Story:_
Nachdem ein Millionenerbe entsprechend den Regeln des Testaments 20 Jahre ruhen musste, soll es nun nach dem Ablauf dieser Zeit in den Besitz der Groats, der einzigen Verwandten der verstorbenen Familie Danton, übergehen. Der engagierte Anwalt Jim Steele beschäftigt sich gerade mit dem Fall und stellt erste Ermittlungen an, denn ihm persönlich ist die Familie Groat, vor allem der junge Digby, nicht ganz geheuer. Gleichermaßen bandelt Steele gerade mit der jungen Eunice Weldon an, muss aber entsetzt feststellen, dass diese demnächst im Hause der Groats als Sekretärin eingestellt werden wird.
Schon in der ersten Nacht spielen sich merkwürdige Dinge im Hause Groat ab; jemand ist in Eunices Zimmer eingedrungen und hat eine geheimnisvolle Warnung hinterlassen: „Jemand, der dich liebt, bittet dich dringend, dieses Haus so schnell als möglich zu verlassen!“ Außerdem bleiben mehrere blaue Abdrücke einer Damenhand zurück.
Eunice ist die Sache nicht geheuer, doch trotzdem setzt sie ihre Arbeit bei der mysteriösen Familie fort. Steele indes untersucht auch die Vergangenheit von Mrs. Weldon genauer und stellt dabei fest, dass Eunice im selben Alter wie die einst verschollene Dorothy Danton sein muss. Jedoch gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass Zusammenhänge zwischen der Vermissten und der geliebten Sekretärin bestehen. Eines Tages jedoch bringt Steele diesbezüglich Licht ins Dunkle; er stellt fest, dass das Verhältnis zwischen Digby und seiner Mutter gar nicht so gut ist, wie es nach außen hin scheint, freundet sich mit der Wittwe Groat an und erfährt dabei auch wichtige Details über die Vergangenheit. Von nun an gilt es für Jim Steele zu verhindern, dass das Millionenerbe in die falschen Hände gerät …
Die Geschichte um die blaue Hand ist in ihrer Struktur gewohnt komplex und mit vielen Details gespickt. Oder um es kurz zu sagen: der typische Edgar-Wallace-Stoff. Spannung ist jedenfalls im gesamten Verlauf geboten, selbst in dem Moment, wo man glaubt, dass die eigentliche Geschichte schon aufgelöst ist – und genau diese Eigenart besitzen nur die ganz guten Krimis aus der alten britischen Schule. Wallace wählt die Charaktere dabei nach den üblichen Kriterien aus; ein hoffnungslos verliebter junger Mann, eine Dame, die sich der Gefahr, in der sie schwebt, nicht bewusst ist, und auf der anderen Seite ein kompromisloser Schurken, der zusammen mit seinem Handlanger seine gemeinen Pläne durchsetzen möchte, selbst wenn er dabei über Leichen gehen muss.
Die komplexen Verflechtungen lösen sich dabei im Laufe des Hörspiels auf, jedoch kann man anfangs keinesfalls vorausahnen, in welche Richtung sich die Erzählung entwickeln wird. So sind vor allem die Rollen der Eunice Weldon und die der Jane Groat unklar. Weiterhin stellt sich die Frage, zu wem der Butler der Familie schließlich halten wird. Oder aber welche Motivation Jim Steele abgesehen von seinen Gefühlen für die junge Mrs. Weldon beim Ermitteln im Falle Danton antreiben.
Marc Gruppe, der Mann hinter diesem Drehbuch, hat die Rollen sehr gut verteilt und sich hierfür prominente und überaus talentierte Synhcronsprecher ins Haus geholt, die allesamt einen fabelhaften Job erledigen. Das gilt für den fabelhaft und heimtückisch auftretenden David Nathan alias Jim Steele ebenso wie für die undurchschaubare Jane Groat, der Dagmar von Kurvin ihre Stimme leiht.
Im Krimisektor ist dieses Hörspiel daher definitiv eines der besten seiner Machart und macht nach der recht kurzen Spielzeit von 70 Minuten Lust auf einen weiteren Durchlauf. Eine Seltenheit in diesem Genre, aber gerade dieser Fakt macht „Die blaue Hand“ auch für diejenigen interessant, die mit Hörspielen bzw. Krimis im Normalfall nicht so viel anfangen können. In diesem Fall wird die Kombination aus erstklassig agierenden Sprechern, einer spannungsgeladenen und gut ausgeschmückten Story und natürlich der Tatsache, dass die Legende Edgar Wallace hierzu die Vorlage geliefert hat, jedenfalls zu einem echten Glücksfall.
„Verteufelter Heavy Metal“ gliedert sich in zwei Blöcke. Im Kapitel „Grundlagen und Geschichte“ bereitet Verfasser Wehrli die Bühne für seine Darstellung vor, indem er die allgemeine Entwicklung von Ross (= Musik) und Reiter (= Musikzensur) in ihrer (zwangs-) symbiotischen Beziehung seit dem II. Weltkrieg schildert.
Dann rekonstruiert Wehrli in „Ein Phoenix aus der Asche der Jugendkultur: Heavy Metal“ die Geschichte eines Musikgenres, das als solches erst wenige Jahrzehnte alt ist, wobei die Wurzeln weiter zurückreichen, als sich Fan & Feind es sich wahrscheinlich vorstellen können. „‚Stampfen, Toben, Fäusteschwingen‘ – Eskapismus als Lebensrealität“ geht dem Heavy Metal psychologisch auf den Grund und präpariert zwei grundsätzliche Richtungen heraus. Da ist die „dionysische“, deren Anhänger sich dem Rausch der Musik hingeben und dabei auf und vor der Bühne nicht selten völlig vorausgaben. Konträr dazu stehen jene Schwermetaller, die ‚ihre‘ Musik als (auch gelebten) Ausdruck des körperlichen und moralischen Zerfalls der Gesellschaft und des Individuums werten und sich entsprechend düster, manchmal geradezu ‚satanisch‘ geben. Reto Wehrli – Verteufelter Heavy Metal (Erweiterte Neuausgabe) weiterlesen →
Das Zeitalter der Wandlung:
Band 1: Nebelriss
Band 2: Flammenbucht
Band 3: Schattenbruch
Band 4: Splitternest
Wem beim Stichwort „Fantasy“ eine bunte Truppe aus Bäcker- oder Magierlehrling, rotnasigem Zwerg sowie ähnlichen Rollenbildern und Stereotypen vorschwebt, die verständlicherweise für Brechreiz und gepflegte Langweile sorgt, den kann man verstehen.
|Frage: Was haben blaue Stühle und ein Penis gemeinsam? Antwort: Sie erscheinen in Hanif Kureishis letzter Kurzgeschichtensammlung „Midnight all Day“, die dem Leser die bekannte Mischung aus Humor, Liebe, Sex, Drogen, Musik und Desillusion bietet, sowie ein kafkaeskes Schmankerl beinhaltet, das mir die Tränen in die Augen getrieben hat – vor Lachen.|
Hanif Kureishi wurde 1954 als Sohn einer weißen englischen Mutter und eines pakistanischen Vaters in London geboren. Solchermaßen prägten die Auseinandersetzung mit rassischen Vorurteilen und die Suche nach der Zugehörigkeit zu einer Nation seine Jugend. Und die frühen Werke (Theaterstücke wie „Outskirts“, 1989; Film-Skripts wie „My Beautiful Laundrette“, 1984; Romane wie „The Buddha of Suburbia“, 1990) zeigen den Autor als anglophone Stimme der asiatischen Erfahrungen in England.
In neuerer Zeit, insbesondere ab „Intimacy“ (1998), tritt die Auseinandersetzung mit Rassismus weiter in den Hintergrund seiner Werke. Seine Hauptfiguren sind zwar häufig Engländer pakistanischer/indischer Abstammung, aber sie werden nicht vordergründig in rassischen Konflikten gezeigt. Stattdessen rücken allgemein-menschliche Themen in den Vordergrund, die sich auch in „Midnight all Day“ wiederfinden lassen. „Ich glaube, es gibt Phasen im Leben eines Autors, wo er sich auf ein Thema konzentriert. Zurzeit interessiert mich die Leidenschaft zwischen Mann und Frau. Die Anziehung, die manchmal so groß ist, dass es wehtut. In festen Beziehungen ist alles gefährlich nah beieinander: Gefühle wie Liebe und Hass, Verbundenheit und Abhängigkeit, Begehren und Wut.“ meint der Autor zu seiner Abkehr vom literarischen Rebellentum der frühen Jahre, die ihm so mancher Kritiker vorwirft.
Die zehn Geschichten in diesem Buch drehen sich somit vordergründig um Liebe in ihren verschiedenen Ausprägungen. Die abgeklärte Haltung des fast 50-jährigen Autors ist dabei nicht zu übersehen. So handelt die Geschichte „Four Blue Chairs“ (dt. „Vier blaue Stühle“) von ebenjenen Stühlen, die sich ein Pärchen kauft, das kürzlich zusammengezogen ist. Beide Partner haben bereits andere Beziehungen hinter sich und sind sich nicht sicher, ob sich der neuerliche Versuch, das Leben mit einem anderen Menschen zu teilen, wirklich lohnt. Die Entscheidung für den Kauf der Stühle für die gemeinsame Wohnung fällt leicht, die Kaufhandlung ebenso. Erst der Transport der schweren unhandlichen Möbelstücke zeigt, dass dem Entscheiden und dem Tragen von Konsequenzen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade beizumessen sind. Solchermaßen wird der Stuhlkauf zu einer Metapher für das Führen von Beziehungen in unseren Tagen.
Erfreulich an dieser und anderen Geschichten des Bandes ist auch, dass Kureishis Helden fernab von idyllischer Romantik konstruiert sind: körperliche Unzulänglichkeiten paaren sich mit Hilflosigkeit, Unter- oder Überlegenheitsgefühlen und mit Angst vor Konflikten, die zum Ende der Beziehung führen könnten. Viele Protagonisten finden Erfüllung nur noch im Drogenrausch und stehen vor den Scherben ihres Lebens, wenn sie vom Trip zurück sind. Für andere wird Musik zur Ersatzreligion und zur Möglichkeit der Realitätsflucht in rauschhafte Zustände (vgl. „That was Then“, dt. „Das war früher“).
Und immer wieder – so z. B. in der Geschichte „Girl“ (dt. „Mädchen“) – werden Themen angeschnitten wie Gewalt in Familien sowie soziale Unterschiede zwischen den Menschen in der City Londons und den Vororten. Literarisch verpackt wird auch die Dekonstruktion von Mythen über die 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und die theoretische Auseinandersetzung mit der Schriftstellerei.
Die Protagonisten sind jedoch trotz ihrer komplizierten Vergangenheiten, von denen sie immer wieder eingeholt werden, gezwungen, ihrer Leben vorwärtsgewandt auszurichten. „Sucking Stones“ – nennt Marcia in der gleichnamigen Geschichte den sinnlosen Zustand der Stagnation, der sonst eintritt: „We look to the old things and to the old places. […] Even when there’s nothing there we go on. But we have to find new things, otherwise we are sucking stones.“ (dt. etwa: „Wir halten an den alten Plätzen und Dingen fest. […] Selbst wenn dort nichts mehr zu holen ist, machen wir damit weiter. Aber wir müssen neue Dinge finden, sonst sind wir verdammte Steine.“)
Die Geschichte „The Penis“ (dt. „Der Penis“) sticht ähnlich wie im ersten Kurzgeschichtenband „Love in a Blue Time“ (1997) die Geschichte „The Flies“ (dt. „Die Fliegen“) durch ihre Absurdität heraus. Der Einstieg dürfte manchem Zeitgenossen aus eigener Erfahrung bekannt vorkommen: Ein Mann kehrt eines Abends sturzbetrunken von einer Party nach Hause zurück und kann sich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern. Grotesk wird es erst, als seine Ehefrau ihn mit einem „penis – complete with balls and pubic hair“ („ein Penis – komplett mit Hoden und Schamhaar“) konfrontiert, den sie in seiner Manteltasche gefunden haben will. Einer Erklärung nicht mächtig, ist der Mann nur bestrebt, diesen Penis so schnell wie möglich loszuwerden; was ihm erst gelingt, als er ihn in mehrere Lagen Papier eingewickelt von einer Brücke wirft, wo er statt im Wasser auf einem Ausflugsdampfer landet.
Unweit von dieser Brücke entfernt wacht an ebenjenem Morgen Pornostar Doug auf und muss erschrocken feststellen, dass ihm sein bestes Stück abhanden gekommen ist. Somit seiner Erwerbsgrundlage entzogen, begibt er sich verzweifelt auf eine Kneipentour; teils um sich vollaufen zu lassen, teils um zu schauen, ob irgendwo (s)ein Penis abgegeben wurde. Schließlich entdeckt er den Flüchtigen „tall, erected and wearing dark glasses and a fine black jacket“ („groß, erigiert und mit Sonnenbrille und einer schicken schwarzen Jacke bekleidet“) in Begleitung einer Frau auf der Straße. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt, an dessen Ende Doug seinen Penis stellen kann. Wie die anschließende Diskussion über Ausbeutung und darüber, wer ohne wen ein Nichts ist, ausgeht und, ob Doug seinen Penis zur Rückkehr bewegen kann, erfährt man in Kureishis Kurzgeschichtensammlung „Midnight all Day“.
_Corinna Hein_
http://www.corinnahein.net
|Eine [deutsche Fassung]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499231247/powermetalde-21 ist als „Dunkel wie der Tag“ bei Rowohlt erhältlich.|
In einem verschlafenen irischen Fischerdorf erwacht Duane Fitzgerald – blind und bewegungsunfähig bis auf seinen Arm. Obwohl er mit einem Kantholz auf sich einprügelt – eine bisher oft erfolgreiche Methode – bleibt er hilflos. Glücklicherweise berührt er zufällig ein bisher unbekanntes Implantat unter seiner Bauchdecke und ein Zucken lässt seinen Körper erbeben. Dieses ihm neue Implantat (obwohl er doch eigentlich seinen Bauplan auswendig kennt) scheint den Stromausfall zu bewirken, also greift Duane nach dem erreichbaren Taschenmesser, klappt die Ahle heraus (was sich in seinem Zustand als besonders kompliziert erweist) und durchstößt die Bauchdecke. Normalerweise würde ein internes System Enzyme ausschütten, die für Schmerzunempfindlichkeit gesorgt hätten, aber leider ist dieses ja derzeit inaktiv. Duane bleibt nichts anderes übrig, als sich unter Schmerzen mit der Ahle in den Eingeweiden herumzuwühlen, um den Wackelkontakt am Implantat zu beseitigen.
Andreas Eschbach
Geboren am 15.9.1959 in Ulm. Verheiratet, ein Sohn.
Studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, wechselte aber noch vor dem Abschluss in die EDV-Branche, arbeitete zunächst als Softwareentwickler und war von 1993 bis 1996 geschäftsführender Gesellschafter einer EDV-Beratungsfirma. Nach fast genau 25 Jahren in Stuttgart lebt er seit September 2003 mit seiner Frau in der Bretagne. Quelle: http://www.andreaseschbach.de/
Klar ist Duane Fitzgerald, der Ich-Erzähler des Romans, ein Cyborg – eine kybernetisch-organische Mixtur, fabriziert und entwickelt von amerikanischen Militärs, um als unbesiegbarer Steel-Man mit einigen Gleichartigen eine Sondereingreiftruppe zu bilden. Eschbach verknüpft intelligent die Zeitgeschehnisse mit seiner Geschichte. So wurde der erste Golfkrieg durch die USA nur so in die Länge gezogen, um die Steelmen rechtzeitig einsatzbereit zu machen – bis dato waren sie lediglich gut ausgebildete Marines mit einem künstlichen Arm. Erst als offensichtlich wurde, dass das Projekt nicht mit der nötigen Geschwindigkeit voranschritt, ging die Army zu der bekannten letzten Phase des Krieges über – ohne Steelmen.
Es ist ein absolut geheimes Projekt, über Jahre und mehrere Präsidentenlegislaturen hinweg in der Entwicklung. Ist es vorstellbar, dass sich so etwas – als Projekt, unabhängig vom Detail – durchführen lassen könnte bei den kleinlichen Differenzen verschiedener Machthaber? Eschbach stellt es dar, als habe das Militär seine eigene Forschung betrieben, bis schließlich Clinton die Einstellung anordnete.
Aus der Ich-Perspektive des Cyborgs, der mit Verschleißerscheinungen zu kämpfen hat, erhält die Geschichte trotz der typischen Verschwörung und der Horrorvision von unbesiegbaren Übermenschen einen humorvollen Schlag, denn seine Gedanken sind manchmal so natürlich und sprunghaft, dass man über seine Menschlichkeit lächelt und seinen Charakter sofort akzeptiert.
[…] stand da, wippte auf den Fersen und sah straßauf, straßab. Ich wurde unruhig, je länger es dauerte. Wie lange kann man schon an seinen Schuhen herumfummeln, ehe die Umwelt anfängt, das merkwürdig zu finden? […] Die Frau kam näher. […] Mit etwas Glück waren ihre Augen schlecht genug, dass ihr entging, dass ich Slipper trug […]
-Auszug aus „Der Letzte seiner Art“, S. 58
Es ist auch eine Art von Galgenhumor, die zwischen den Zeilen von Duanes Erzählung durchklingt. Eigentlich ist er natürlich völlig unzufrieden mit seinem Leben, andererseits fühlt er sich an seine Eide gebunden. Er sieht sich als menschliches Wrack, und durch den Verschleiß seines Systems erhält dieser Blickwinkel eine ganz neue, erschreckend reale Bedeutung. Die Geschichte nimmt eine Wendung, die für ihn entweder das endgültige Ende oder einen Neuanfang bedeuten könnte, doch damit einher gehen plötzlich auftretende Gefahren, die selbst für einen Steelman tödlich sein können – sind die Attentäter jetzt von den eigenen Leuten angeheuert oder vom Feind, der in den Besitz der Cyborgtechnik kommen will? Auf jeden Fall ist er gut über das Innenleben und die Möglichkeiten der Cyborgs informiert, so dass Duane nach und nach erfährt, wie seine Gleichartigen unauffällig ausgeschaltet wurden.
Zu diesem Zeitpunkt wird ihm klar, was wir schon länger befürchten: dass es um sein Leben geht, nicht nur um gewisse Annehmlichkeiten wie den frei gewählten Wohnort. Trotzdem wirken seine Gedanken (die eigentlich eine aufgeschriebene Erzählung darstellen, aber das erfahren wir erst später) manchmal in ihrer Analyse wie von einer außenstehenden Person, um dann wieder in das Innerste vorzudringen. Eschbach beginnt jedes Kapitel mit einem Zitat von Seneca, dessen Philosophie für Fitzgerald die einzige Möglichkeit darstellt, sein Schicksal zu ertragen. Er versucht, nach dieser Philosophie zu handeln und betrachtet dabei sein Bemühen skeptisch. Vor allem die Totalität des Endes fasziniert ihn, und so ist nicht verwunderlich, dass sich daraus eine Lösung für ihn selbst entwickelt.
„Der Letzte seiner Art“ ist eine Charakterstudie, die sich mit der ausweglosen Tragik eines Übermenschen befasst und in diesem Gewand ein heikles, gleichwohl sehr oft behandeltes Thema aufgreift. Was kann der Bürger schon von den Machenschaften und Projekten solcher Regierungen oder Militärs wissen? Auf der anderen Seite: Schürt man mit diesen Spekulationen nicht eine gewisse Furcht? In diesen Tagen vielleicht gar nicht so unsinnig.
Der Roman fließt ruhig dahin, unter einer stetigen Spannungssteigerung. Aber Eschbach zeigt trotzdem seine vielfältigen Künste, denn das Tempo erhöht sich schlagartig um ein Vielfaches, als der Cyborg sein System voll aktiviert (und damit schneller als jede menschliche Reaktion agieren kann). Danach fällt es wieder ab und lässt uns unseren Herzschlag beruhigen, um weiter dem Finale entgegenzustreben. Ein düsterer, philosophischer, sehr unterhaltsamer und eindringlicher Roman.
Natürlich ist die Geschichte nach den Geschehnissen um [„Das Elfenportal“ 313 noch nicht vorbei: Zwar sind die Portale zur Hölle (nach |Hael|) geschlossen, der Staatsstreich der Nachtelfen unter Lord Hairstreak abgewehrt und die wichtigsten Personen (bis auf Hairstreak selbst) gefangen oder untergetaucht, aber es ist klar, dass der Lord diese Niederlage nicht akzeptieren wird.
So ist die Krönung Pyrgus‘ ein besonderer Grund zur Vorsicht, denn in den zu erwartenden Massenaufläufen kann schnell mal dies oder jenes unbemerkt geschehen. Außerdem scheint alles an Holly Blue zu hängen, Pyrgus scheint sich nicht für den bevorstehenden Staatsakt zu interessieren. Henry als menschlischer Freund des designierten Purpurkaisers soll auch erscheinen und natürlich wird der neue Torhüter dabei sein: Mr Forgarty.
Aber dann entsteht ein Gerücht, das alles ändert: Der alte Kaiser ist nicht tot! Hairstreak macht sich die Lage zunutze; sein Neffe Comma, jüngster Sohn des alten Purpurkaisers, spielt ihm in die Hände und schickt Pyrgus, Blue und Forgarty ins Exil.
_Herbie Brennan_ schrieb seinen ersten Roman mit Mitte zwanzig. Seitdem hat er unzählige Bücher für Kinder und Erwachsene veröffentlicht, die in mehr als fünfzig Ländern und in einer Gesamtauflage von über 7,5 Millionen Exemplaren erschienen sind. Neben dem Schreiben entwickelt er Spiele und Computer-Software und arbeitet für das Radio. Er lebt in County Carlow, Irland. |(Verlagsinfo)|
Mittlerweile dürfte klar sein, dass diese Geschichte keine Erzählung für Jugendliche ist – zumindest nicht hauptsächlich. Eher ein Jugendroman für Erwachsene. Eigentlich merkt man kaum noch, dass von Jugendlichen die Rede ist – Pläne und ihre Ausführung stammen meist von ihnen, die Erwachsenen sind, bis auf die Bösewichte und wenige Ausnahmen, Nebenfiguren.
Brennan gelingt es wunderbar, an den Vorgänger anzuschließen, so dass erneut eine farbenprächtige und facettenreiche Welt entsteht, in der es von lustigen Geschöpfen wie dem „fliegenden Teppich“ – Entschuldigung: |Endolg| Flapwazzle oder dem enddarmbewohnenden Wangaramas-Wurm Cyril nur so wimmelt. Er verpasst Henry sogar eine regenbogenfarbene Ersatzhaut aus Spinnenseide, so dass davon ausgegangen werden kann, dass es zwischen ihm und den anderen Menschen der „Gegenwelt“ (also unserer Welt), vorzugsweise seiner Schwester Aisling, zu interessanten Begegnungen kommen wird – denn Brennan bastelt weiter an dieser Geschichte! Übrigens hat Aisling die tragbare Portalfernbedienung an sich gebracht und dürfte wohl auch über kurz oder lang ihren Besuch im Elfenreich machen.
Faszinierend ist die Betrachtung der elfischen Magie und ihrer Beziehung zur irdischen (hier auch als „Technik“ bekannt): Während dort ein Zauber normalerweise am Geruch zu erkennen ist und Beschwörungsformeln in der Luft sichtbar sind, bedarf es bei uns manchmal nur einer Kreditkarte oder eines Scheins Bargeld, um die elfischen Wesen zu verwirren. Das mächtigste Zauberbuch dunkler Magie hierzulande wurde schließlich von Papst Honorius III. geschrieben; mit seiner Hilfe lässt sich sogar ein Portal nach Hael öffnen.
Mit Blick auf die Charaktere wird deutlich, dass sich die Interessen der pubertierenden Jugendlichen zwischendurch regelmäßig dem anderen Geschlecht widmen, glücklicherweise beruht das Interesse jeweils auf Gegenseitigkeit. Henry hat seit seiner Begegnung mit Blue im Elfenportal eigentlich nichts anderes mehr im Kopf, Blue ihrerseits ist ihr Interesse an Henry auch deutlich anzumerken; Pyrgus trifft zufällig auf Nymph, die Tochter der Waldelfenkönigin |Kleopatra|, und ist sofort verschossen, während Nymph natürlich auch ein Lächeln für ihn übrig hat. Eine rückläufige Entwicklung macht quasi der alte Forgarty bewusst durch, als er heftiges Herzklopfen beim Anblick der ebenso alten Madame Cardui bekommt und plötzlich darauf brennt, sich persönlich an den Kämpfen zu beteiligen – anders als in seiner Jugend, wo er Kämpfen möglichst fern blieb. Außen vor steht nur Comma, der ja auch noch etwas jung ist (obwohl: der Oberkörper seiner nachthemdlichen Halbschwester Blue schien ihn durchaus zu interessieren). Er verbirgt aber noch ein paar Geheimnisse, die auch seinen Geschwistern zu schaffen machen.
Die Stimmung zu beschreiben ist schwer, am ehesten passt wohl: positiv, lebensfroh, scherzhaft – ohne aber lächerlich zu werden. Brennan überrascht wieder mit kreativen Details, die die Lektüre zu einem echten Genuss werden lassen. Wenn der Mann so gut gelaunt durchs Leben geht, wie er seine Geschichten erzählt, ist er ein glücklicher Mensch.
Der Drachenmagier Krasus, die „humanoide“ Manifestation des uralten Drachen Korialstrasz, fühlt es als Erster: Etwas Unheilvolles greift nach der Wirklichkeit. Während er seinem Schüler, dem menschlichen Magier Rhonin, eine telepathische Botschaft schickt, um mit ihm gemeinsam der Bedrohung auf den Grund zu gehen, spüren auch die Orks das Nahen einer großen Gefahr und schicken den erfahrenen Veteranen Broxigar auf die Suche.
Als die Helden der Störung nahe kommen, werden sie durch einen dimensionalen Riss in die ferne Vergangenheit Kalimdors geschleudert, in eine Zeit, als die Quelle der Magie noch existierte und die Nachtelfen ein starkes Volk waren, als es weder Menschen noch Orks gab und die fünf machtvollen Aspekt-Drachen wohlwollend und kraftvoll der Schöpfung gegenüberstanden, sie noch nicht versklavt worden waren und „Neltharion, der Wächter der Erde“, noch nicht „Deathwing, der Zerstörer“ genannt wurde, in eine Zeit, kurz bevor die Brennende Legion zum ersten Mal über Kalimdor hereinbrach.
Broxigar gerät in die Gefangenschaft der Nachtelfen, für die der Ork nicht mehr als ein unbekanntes Tier ist, während Krasus und Rhonin unfreiwillige Gäste des weisen Waldgottes Cenarius werden.
Die junge elfische Priesterin Tyrande erkennt in Broxigar ein intelligentes Wesen und befreit ihn mit Hilfe ihres Freundes Malfurion Stormrage, eines Nachtelfen, der – von seinem Volk belächelt und verachtet – den „Weg des Druiden“ einschlug und zum Schüler Cenarius‘ wurde. Unterstützung erfahren die beiden durch Malfurions Zwillingsbruder, den Kriegsmagier Illidian, welcher selbst nach einer Prophezeiung eine wichtige Rolle in der Geschichte der Nachtelfen spielen wird.
Unterdessen weben in der Hauptstadt der Elfen Magier unter Führung Xavius‘, des korrupten, bösen Beraters der eitlen Königin Azshara, an einem Zauber, der ein Portal zur dämonischen Sphäre der Brennenden Legion öffnet, damit der Herr der Legion seine todbringenden Boten nach Kalimdor entsenden kann, auf dass sie sein Kommen der Welt offenbaren. Gleichzeitig werden die in ihrem Wesen magischen Nachtelfen in Folge des Rituals von der Quelle ihrer Macht und Magie abgeschnitten.
Krasus, der in der Vergangenheit nicht in der Lage ist, sich in seine Dracoform zu transformieren, macht sich auf die Suche nach den anderen Drachen, um sie eindringlich vor der Gefahr, die der Welt durch die Verzerrung der Wirklichkeit und die Ankunft der Brennenden Legion droht, zu warnen, während Rhonin, Tyrande und die beiden Brüder ihren Kampf gegen die Vorhut der Dämonen und den verschlagenen Xavius organisieren.
Dass der Autor sein Metier beherrscht, konnte er in zahlreichen Büchern unter Beweis stellen. „Die Quelle der Ewigkeit“ ist ein klassischer Sword-&-Sorcery-Roman. Mächtige Magier, Drachen, Dämonen und starke Krieger liefern sich Schlachten um eine exotische Welt, die sich nicht hinter den „Vergessenen Reichen“ Ed Greenwoods und R. A. Salvatores oder dem „Drachenlanze“-Zyklus von Margaret Weis und Tracy Hickman – zu welchem Knaak übrigens seinen Teil beiträgt – verstecken muss. Zwar fehlt Kalimdor hinsichtlich der politischen und kulturellen Gegebenheiten sowie der Fülle an Wesen, Unwesen und Gegenden noch die Komplexität Faerûns oder Krynns, aber die Welt von WarCraft ist jung und der Anfang vielversprechend.
Allerdings sind die Anlehnungen an die beiden großen Dungeons&Dragons-Settings unverkennbar. Auch wenn sich die Nachtelfen und Drachen im Detail von ihren Vorbildern mehr oder weniger deutlich unterscheiden, so hält sich die Originalität daher insgesamt in Grenzen. Dieses gilt auch für die Konstellationen der Protagonisten: zwei Brüder, die sich im Wettbewerb um die Gunst einer Frau zu entfremden scheinen, oder ein Lehrer-Schüler-Verhältnis, wie es Krasus und Rhonin bzw. Cenarius und Malfurion repräsentieren, wurden schon zu oft bemüht, um den Leser vollkommen zu überzeugen.
Das actionorientierte Buch gewinnt eher durch die interessanten Charaktere und den epischen Handlungsbogen denn durch die explizite Ausarbeitung eines eigenständigen Rassen-Backgrounds. Die herausragenden Protagonisten sind dabei eindeutig Malfurion, sein Bruder Illidian und der Drachenmagier Krasus: Malfurion wegen seines rebellischen, unangepassten Wesens, Illidian, weil er an einem Scheideweg angekommen scheint, der ihn von seinem Bruder wegführen könnte, und Krasus wegen seiner relativen Machtlosigkeit in Verbindung mit der bevorstehenden Konfrontation mit Neltharion, dem späteren Deathwing. Der Rest des Ensembles – einschließlich Rhonin – spielt zumindest in diesem ersten Band der Trilogie noch keine nennenswerte Rolle bzw. geht über Fantasystereotypen kaum hinaus, wobei insbesondere Tyrande ob ihrer Gut-Elflichkeit sogar ein erhöhtes Nervpotenzial aufweist. Alles in allem kann man konstatieren, dass die Nachtelfen – um ein altes Rollenspiel-Phänomen zu bemühen – mehr wie Menschen mit spitzen Ohren erscheinen, als ein fremdartiges, nichtmenschliches Volk.
Rein stilistisch gibt es an Knaaks Text nichts auszusetzen, so dass die Lesefreude von dieser Seite nicht getrübt wird. Hinsichtlich der Handlung bleibt abzuwarten, ob der Autor in den Folgebänden die Logikprobleme, die Zeitreisegeschichten in der Regel mit sich bringen, umschiffen kann.
Fazit: Ein kurzweiliger, solider „Sword & Sorcery“-Roman, der in guter „Dungeon & Dragons“-Tradition die Welt von WarCraft mit Leben erfüllt. Interessante, vielschichtige Figuren und der Beginn eines Handlungsbogens, der eine wahrhaft epische Story erwarten lässt, machen diesen ersten Teil der „Krieg der Ahnen“-Trilogie zu einem Vergnügen nicht nur für PC-Spiele-Fans.
|Originaltitel: Warcraft: War of the Ancients Trilogy Book 1 – The Well of Eternity
Übersetzung: Claudia Kern|
_Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|
Hanif Kureishis Script des Films „My Beautiful Laundrette“ (dt. „Mein wunderbarer Waschsalon“) modernisierte in den Achtzigerjahren das englische Kino, indem es beispielsweise soziale Randgruppen in den Mittelpunkt der Handlung und Szenen ohne fließende Übergänge nebeneinander stellt, oder indem es aufzeigt, dass sich die englische und pakistanische Identität neu definieren müssen.
Schon im Alter von nur 15 Jahren schrieb Christopher Paolini seinen ersten Roman, nämlich „Eragon“, der zunächst im Verlag seiner Eltern veröffentlicht wurde. Erst eine lange Tour mit Buchlesungen und Signierstunden machte das Buch allgemein bekannt. Inzwischen ist der Autor, der laut Verlagsangaben nie eine öffentliche Schule besuchte, 21 Jahre jung und schreibt in Montana an seinem zweiten Roman, der im Herbst bei uns auf den Markt kommen und die Geschichte um Eragon und Saphira fortsetzen wird.
_Ein Drachenreiter wird geboren_
Bei einem Streifzug durch den gefürchteten Buckel kann der 15-jährige Eragon zwar keine Beute erlegen, die seine Familie als Nahrung dringend benötigt hätte, doch entdeckt er einen großen blauen Stein, dessen Oberfläche vollkommen eben ist. Eragon hofft, den wundersamen Stein in Carvahall gegen Fleisch eintauschen zu können, aber als der Fleischer erfährt, wo der junge Mann den Stein gefunden hat, will er ihn nicht annehmen. Somit ist Eragon auf ein Almosen angewiesen, damit seine Familie überhaupt Nahrung bekommt.
Als aus dem Ei plötzlich ein kleiner blauer Drache schlüpft, wird Eragons Plan, den Stein zu verkaufen, hinfällig. Drachen gehören in Carvahall allerdings nicht zum üblichen Stadtbild, sodass Eragon den Drachen mühsam verstecken muss. In der Stadt lauscht er dem Geschichtenerzähler Brom, der sich offensichtlich mit Drachen auskennt. Ihn fragt er zu dem Thema aus, um nebenbei einen passenden Namen für seinen neuen Freund zu finden. Eragons Drache aber ist eigen, denn kein Name scheint ihm zu gefallen, erst als Eragon auffällt, dass es sich um eine Drachendame handeln muss und ihm der schöne Name Saphira in den Sinn kommt, ist diese zufrieden. Fortan freunden die beiden sich immer besser miteinander an. Kommunizieren können sie dabei ganz einfach durch ihre Gedanken, wenn sie nicht zu weit voneinander entfernt sind.
Aber bald droht Gefahr, denn böse Wesen, die Ra’zac, erkundigen sich in Carvahall nach dem blauen Stein. Leider verraten einige geschwätzige Menschen den Ra’zac, wer den Stein gefunden hat, sodass ihre Spur zur Hütte von Eragons Onkel Garrow führt. Weil sie dort das Drachenei nicht finden können, brennen sie das Haus nieder und ermorden Eragons Onkel. Dieser kann sich gerade noch vor den Ra’zac retten, indem er Carvahall verlässt. Ihm zur Seite stehen Saphira und Brom, der den jungen Mann nicht alleine ziehen lassen will und der Eragon später in der Magie der Drachenreiter unterweist. Zunächst wollen die Drei Rache an den Ra’zac verüben, doch verändern sich auf der gefahrvollen Verfolgungsjagd ihre Pläne, da sie merken, dass der böse König Galbatorix Jagd auf den neuen Drachenreiter macht. Dunkle Mächte haben sich zusammengeschlossen, um die Herrschaft an sich zu reißen …
_Träume nicht dein Leben …_
… sondern schreibe deinen Traum auf. Christopher Paolini hat dieses Buch im Alter von nur 15 Jahren geschrieben und an zahlreichen Stellen vermutet man als Leser, dass er allerlei eigene Kindheitsträume mit in die Geschichte eingebaut hat, denn der Drache Saphira wird in so prächtigen Farben geschildert, dass Paolini viel Mühe darauf verwendet haben muss, diese Figur zu erschaffen. Die Abenteuer um den gerade 15-jährigen Eragon offenbaren eine lebhafte Phantasie des Autors, aber vielleicht auch den Hang zum Träumen und dazu, diese Träume zu Papier zu bringen. Die Beschreibungen der Szenerie und der handelnden Figuren sind größtenteils so detailreich, dass Paolini ein lebhaftes Bild seiner Romanhandlung vor Augen gehabt haben muss, damit er es uns in so schillernden Farben beschreiben kann. Beachtlich finde ich sein durchblitzendes Talent, denn auch wenn er sich natürlich nicht mit dem großen Literaturprofessor J. R. R. Tolkien messen kann – was besonders an der einen Stelle deutlich wird, als Paolini uns ein Gedicht präsentiert – so wird doch deutlich, dass viel Potenzial ihn ihm steckt. Nur an manchen Stellen erscheint uns seine Sprache ein wenig unausgereift, größtenteils erstaunt er aber durch seine treffenden Formulierungen und liebevollen Szeneriebeschreibungen.
S. 405: |“Eine riesige Dünenlandschaft erstreckte sich bis zum Horizont wie ein wogendes Meer. Windböen wirbelten den rötlich goldenen Sand auf. Knorrige Bäume wuchsen auf vereinzelten Inseln mit festem Untergrund – ein Boden, den jeder Bauer als unfruchtbar bezeichnet hätte. In der Ferne ragten mehrere purpurrote Felsklippen zum Himmel empor. Bis auf einen Vogel, der auf den Südwestwinden dahinglitt, war in der allumfassenden Einöde kein einziges Lebewesen zu sehen.“|
Derlei ausführliche und fast schon poetische Darstellungen der Situation finden sich an vielen Stellen des Buches; Paolini versucht immer wieder, seinem Leser genau zu erklären, wo die Protagonisten sich momentan befinden und wodurch die Landschaft sich auszeichnet. Gerade in einem Buch, in welchem man sich in einer Phantasiewelt bewegt, finde ich solche Beschreibungen äußerst wichtig, denn sie erst sorgen für den gewissen Reiz, den Fantasy mit sich bringt. Ich möchte beim Lesen vollständig in die fremde Welt eintauchen, und genau das gelingt bei „Eragon“, weil uns der Autor an die Hand nimmt und in seine Romanwelt entführt. Dies ist es auch, was den Leser über die gesamte Länge des Buches bei Laune hält, denn Spannung wird nur wenig aufgebaut, aber die Welt, die Paolini uns zeigt, ist so faszinierend und interessant, dass man einfach weiterlesen muss.
Trotz der stimmungsvollen Bilder schafft Paolini es leider nicht, seiner Handlung die nötige Spannung zu verleihen, denn obwohl Eragons Reise sehr gefährlich ist, kommt keine düstere und bedrohliche Atmosphäre auf, wie beispielsweise in Tolkiens „Herr der Ringe“, als die neun Gefährten in Richtung Mordor aufbrechen. Das führt beim Leser auch ein wenig zu einer gleichgültigen Haltung, weil man sich sicher ist, dass alles gut ausgeht.
_Drachendamen haben ihren Stolz_
Auf etwa 600 Seiten entfaltet Christopher Paolini eine farbenfrohe und fantastische Welt, in der der junge Eragon zusammen mit seiner stolzen Drachendame und dem alten Brom viele Gefahren zu überstehen hat. Während der langen Reise lernen wir die drei Hauptprotagonisten in ganz unterschiedlichen Situationen und aus verschiedenen Blickwinkeln kennen. Ganz nebenbei setzt sich dadurch ein detailliertes Bild der handelnden Figuren zusammen. Im Mittelpunkt stehen selbstverständlich Eragon und Saphira, die ganz eng zusammengehören, da Saphira Eragon bewusst als neuen Drachenreiter auserwählt hat. Eragon macht dadurch im Laufe der Geschichte eine unglaubliche Entwicklung durch. Zu Beginn des Buches treffen wir ihn noch als rastlosen kleinen Jungen, der sich zwar unbeschadet durch den sagenumwobenen Buckel bewegen kann, der aber ansonsten ein ganz normaler Junge zu sein scheint. Doch dann fällt ihm das blaue Drachenei in die Hände und Saphira kennzeichnet Eragon mit dem silbernen Drachenmal Gedwey Ignasia. Von nun an muss Eragon viele Gefahren bestehen und wichtige Dinge lernen. Er probiert die ersten magischen Sprüche aus und übernimmt sich dabei sehr schnell, außerdem tritt er im Schwertkampf gegen Brom an. Seine Kindheit findet also ein abruptes Ende, bricht aber später immer wieder durch. So erwachsen, wie Eragon in vielen Situationen gezwungenermaßen agieren muss, so kindlich wirkt er besonders in seinen Gesprächen mit Saphira, in denen er oftmals ihren Rat sucht, weil er selbst Unsicherheit verspürt. Gerade durch diese Sorgen, die ihn plagen, wird er zu einem jugendlichen Helden mit Ecken und Kanten und gewinnt wieder an Glaubwürdigkeit, die er leider auch ein wenig einbüßen muss, wenn es ihm gelingt, in einigen wenigen Tagen das Lesen zu erlernen.
Sehr gut gefällt auch die Vorstellung Saphiras als edle und stolze Drachendame, die sich lediglich per Gedankenaustausch mit Eragon unterhalten kann. Sie ist der starke Drache, der sich bei drohender Gefahr immer wieder ins Getümmel stürzt, um Eragon zu helfen. Oft genug geigt sie ihm aber auch deutlich ihre Meinung, wenn er wieder einmal unüberlegt gehandelt hat. So erscheint uns Saphira als mächtiges und auch intelligentes Wesen, das seine Kraft mit jener Eragons verschmelzen kann, um die Macht gemeinsam zu vergrößern. Die beiden bilden eine Einheit und ergänzen sich dabei hervorragend, da der eine Stärken zeigt, wo der andere Schwächen aufweist. Mit Eragon und Saphira präsentiert uns Paolini wirklich zwei überaus sympathische Figuren, die besonders jugendliche Leser begeistern dürften, da diese sich in Eragons Alltagssorgen im Erwachsenwerden gut einfühlen können.
An dritter Stelle ist der alte Brom zu nennen, hinter dem mehr steckt als nur der Geschichtenerzähler. Seine Weisheit ist es, die Eragon aus einigen Schwierigkeiten retten kann und die er seinem jungen Schüler gern weitergeben möchte. Mit seinem Unterricht formt er Eragon zu einem Drachenreiter, der mächtige Magie einzusetzen weiß. Auch Brom überzeugt in seiner Darstellung sehr gut.
_Fremde Anleihen_
Vergleiche mit anderen bekannten Werken der Literatur zaubern einige Ähnlichkeiten hervor, die dem Leser schnell ins Auge springen dürften. Besonders zwei Werke sind es, die hier offensichtlich Pate für einige Ideen gestanden haben. Eines der beiden Werke ist „Star Wars“, denn gerade die Unterrichtsstunden zwischen Eragon und Brom erinnern an den Unterricht, den Yoda Luke Skywalker erteilt hat. Auch Eragon lernt es, mit seinen Gedanken Gegenstände zu bewegen und scheitert an einem Stein, während sein weiser Lehrer mächtigere Dinge zu vollbringen weiß. Auch das Zitat „Mögen eure Klingen scharf bleiben“, welches Paolini verwendet, erinnert an den berühmten Ausspruch aus Star Wars „Möge die Macht mit euch sein“. Darüber hinaus sind weitere Wortanleihen zu erkennen, denn im Zentrum von „Eragon“ steht ebenfalls ein Kampf gegen das Imperium, in dessen Mitte sich Eragon unverhofft wiederfindet und dabei eine ganz entscheidende Rolle zu spielen hat.
Auch aus dem „Herr der Ringe“ scheint Paolini sich einige Ideen abgeschaut zu haben. Vor allem die Namensähnlichkeit zwischen den Monstern aus „Eragon“, den Urgals, und den Orks bzw. Uruk-Hais aus Tolkiens Trilogie fallen auf. So tauchen in „Eragon“ im Übrigen auch übermannsgroße Urgals auf, die ohne Rast tagsüber wie nachts die Verfolgung ihrer Gegner aufnehmen können und erinnern wiederum an die Uruk-Hai. Die Ra’zac übernehmen in „Eragon“ die Rolle der Nazgul, die ausgeschickt werden, um in diesem Fall den Drachen ausfindig zu machen und dabei Schrecken über Land und Leute verbreiten.
Vielleicht muss man Christopher Paolini diese Anleihen aber auch nachsehen, da sich im Grunde genommen jedes Fantasybuch am „Herr der Ringe“ messen muss und unweigerlich immer damit verglichen wird. Erfreulicherweise baut der Autor genug eigene Elemente ein, sodass „Eragon“ überaus lesenswert wird und sich schließlich deutlich von den beiden oben genannten Büchern abzugrenzen versteht.
_Unterm Strich_
„Eragon“ ist ein gelungenes Debütwerk eines noch sehr jungen Autors, der sicherlich noch weitere Bücher veröffentlichen wird, die von den Erlebnissen und Taten des jungen Drachenreiters berichten werden. Besonders die gelungenen Szeneriebeschreibungen und Figurenzeichnungen tragen zur Unterhaltung bei und sorgen dafür, dass der Leser vollkommen in dieser fremden Welt versinken kann. Hier offenbart Paolini ein großes Talent, das er hoffentlich in den kommenden Jahren noch ausbauen wird. Dann wird er sich vielleicht nicht mehr von anderen Werken inspirieren lassen müssen und vielleicht überrascht er uns dann auch mit gelungeneren Gedichten in seinen Romanen; in dieser Hinsicht bleibt durchaus noch genug Spielraum für eine Weiterentwicklung.
Kleine Unstimmigkeiten trüben ein wenig den Lesegenuss. So erscheint mir der Zeitverlauf nicht vollkommen klar, denn wenn man Eragons Weg auf der gezeichneten Karte im Buch verfolgt, so bemerkt man, dass sein Reisetempo sehr stark variieren muss, für manche Streckenabschnitte braucht er nämlich so gut wie gar keine Zeit, für andere umso länger. Auch dürfte Eragon unter Wasser nicht wirklich meterweit schauen können, da das Wasser für eine starke Fehlsichtigkeit sorgt und dies verhindern müsste. Ebenso würde ich heftige Anzeichen von Höhenkrankheit erwarten, wenn Eragon mit Saphira so weit in die Lüfte aufsteigt, dass er aufgrund von Sauerstoffmangel ohnmächtig wird, aber in einem Fantasybuch mag das vielleicht alles möglich sein.
Insgesamt bleibt ein positiver Gesamteindruck zurück, das Buch war leicht und flüssig zu lesen, unterhielt äußerst gut und animiert durchaus dazu, den zweiten Teil von „Eragon“, der im Herbst erscheinen wird, ebenfalls zu lesen, schließlich wollen wir doch wissen, wie Eragons Abenteuer im Kampf gegen Galbatorix weitergehen.
Näheres zum Buch unter http://www.eragon.de.
[Buchwurm.info-Rezension zu „Eragon – Der Auftrag des Ältesten“ 1975
Michael Liberty ist ein guter Reporter der UNN, Universe Network News. Auf dem Planeten Tarsonis ist er bekannt für seine fundierte Berichterstattung, dafür, dass er auch noch nachbohrt, wenn es gefährlich wird. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass er sich den Unmut einiger hochgestellter Familien zugezogen hat. Sein Chef legt ihm nahe, dem Planeten Tarsonis für geraume Zeit den Rücken zu kehren.
Eine gute Gelegenheit dazu wäre eine längere Berichterstattung über die konförderierten Streitkräfte, denn Lobgesang auf die Armee ist in diesen Tagen immer gern gesehen.
Ehe sich Liberty versieht, befindet er sich an Bord der Norad II. Der Schlachtkreuzer befindet sich unter dem Kommando von Colonel Duke und Liberty verlebt eine höchst langweilige Zeit zwischen Soldaten, die zu einem großen Teil aus Schwerkriminellen bestehen, denen per Gehirnwäsche eine neue Konditionierung verpasst wurde. Die Frau, Emily Swallow, die Liberty als Verbindungsoffizier zugewiesen wird, ist gar eine Serienmörderin gewesen und erinnert sich an nichts mehr aus ihrer Vergangenheit. Liberty vermeidet es trotzdem, die Konditionierung auf die Probe zu stellen.
Eigentlich sollte die Norad II überholt werden, doch eine Meldung über eine furchtbare Katastrophe, ruft das Schiff ins Sara-System. Einer der beiden bewohnten Planeten, Chau Sara, wurde komplett ausgelöscht. Da, wo einst eine lebensfreundliche Oberfläche war, ist nur noch eine geschwärzte, glasähnliche Struktur übrig. Alles Leben wurde vernichtet. Seltsamerweise ahnt man bei der Konförderation, dass eine Fremdrasse namens Protoss hinter dieser Zerstörung steckt. Liberty ist sofort misstrauisch. Angeblich hatten die Menschen noch nie zuvor Kontakt zu anderen Völkern und nun kennt man sogar schon den Namen der anderen. Die Norad II wird beauftragt, den anderen Siedlungsplaneten, Mar Sara, zu evakuieren, denn mit der Rückkehr der Protoss wird gerechnet.
Auf Mar Sara angekommen zeigt es sich, dass die Evakuierungspläne eine reine Lüge sind. Die Siedler werden zusammengepfercht. Und sie sind nicht alleine auf dem Planeten. Ein Ekel erregendes Volk namens Zerg hat bereits einige kleine Außenposten übernommen. Liberty muss miterleben, wie Emily Swallow auf furchtbare Art ihr Leben verliert.
Schneller, als ihm lieb ist, überrollen den Nachrichtenmann die Ereignisse. Die Zerg sollten als Biowaffen eingesetzt werden. Doch hat die Konförderation die Rechnung ohne die Protoss gemacht, die ihrerseits die Zerg wie eine Seuche jagen und auslöschen. Liberty schließt sich zwangsweise einer Rebellengruppe unter der Führung von Arcturus Mengsk an, der es schließlich gelingt, die Zerg als Waffe gegen die Konförderation zu benutzen.
Das ist er also, der Roman zum Strategiespiel-Knaller von |Blizzard Entertainment|. Das Grundspiel „StarCraft“ und sein Expansion Set „Broodwar“ beeindruckten nicht nur durch ein gut durchdachtes Spielsystem, sondern auch durch eine spannende Handlung.
All diese aus dem Spiel bekannten Elemente finden sich im ersten Roman der „StarCraft“-Reihe. Allen voran jene Figuren wie Jim Raynor und Sarah Kerrigan, die Ghost, die in zahlreichen Missionen des Spiels eine wichtige Rolle spielen. Besonders Kerrigan, dem später in „Broodwar“ eine besondere Rolle zukommt, wird hier gut vorgestellt.
Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um einen spannenden SF-Abenteuerroman, der zuerst sorgsam die Handlung aufbaut, ehe er in die Missionen einsteigt. Wer das Spiel gezockt hat, wird viele Szenarien wiedererkennen. Rettungs- und Erkundungsmissionen, vom Kriecher verseuchte Stationen und Landstriche, sogar jene Missionen, bei der Emitter in Feindesland platziert werden müssen, um die Zerg anzulocken.
Neben dem Wiedererkennungseffekt ist es erfreulich, dass der Autor nicht auf Leser setzt, die mit dem „StarCraft“-Universum bereits vertraut sind. Alles, was man wissen muss, erfährt man aus der Geschichte. Diese ist solide geschrieben und hält gerade, wenn man das Spiel nicht kennt, so manche Überraschung offen. Liberty schildert die Vorkommnisse aus seiner Sicht, stets mit einem einleitenden Kommentar zu jedem Kapitel und umreißt so den Hintergrund des „StarCraft“-Universums.
Die Erfindung der Zerg kann nicht verleugnen, gewisse Anleihen bei den allseits bekannten Aliens gemacht zu haben. Aber die Zerg setzen durch ihre Vielfalt noch eins drauf. Diese Ähnlichkeit zu den Aliens könnte den Roman auch für Alien-Fans interessant machen, vor allem für jene, die von der grottenschlechten Qualität der letzten Alien-Bände enttäuscht waren. Denn „Libertys Kreuzzug“ ist so, wie ein guter Alien-Roman hätte sein können.
Das Einzige, was wirklich schade an diesem Roman ist, ist, dass die Umsetzung für den deutschsprachigen Markt drei Jahre brauchte.
_Michael Nolden_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Professor Guido Knopp, seines Zeichens der Haus-Historiker des ZDF, ist durch seine zahlreichen Fernsehdokumentationen zur deutschen NS-Zeit ein feststehender Begriff in der TV-Landschaft geworden. Zu nahezu allen Dokus sind auch aber auch jeweils Printausgaben als Begleitbücher erschienen, und das ist mittlerweile eine erkleckliche Menge. Mit Filmen wie „Der Untergang“ und nicht zuletzt wegen des kürzlich stattgefundenen 60. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs hat der NS-Themenkomplex spürbar wieder Konjunktur in der Öffentlichkeit und den Medien.
Der Fokus liegt bei diesem Buch nicht – nimmt man Speer mal aus – auf den prominenten, immer schon im Rampenlicht stehenden und bekannten Galleonsfiguren, wie etwa Himmler, Goebbels oder Göring, sondern zielt eher in Richtung der zweiten Garnitur, eine subtile Ebene darunter. Nichtsdestoweniger handelt es sich um ebenso wichtige Gestalten und Gestalter hinter den Kulissen des „Dritten Reichs“. Verblendete Mitläufer oder gar willige Werkzeuge? Dieser Frage geht Knopp im vorliegenden Buch nach.
_Albert Speer – Der Architekt_
„Wenn Hitler einen Freund gehabt hätte, dann wäre ich es gewesen“. So lautet eins seiner berühmten Zitate. Sein Architekt Speer sollte sie bauen, seine Vision einer neuen Welt. Der Workaholic ergreift die Chance, die ihm Hitler bietet, seine Träume von monumentalen und gigantomanischen Bauten auszuleben, als sehr junger Mann. Der eifrige Günstling ist die eigentliche unangefochtene Nummer Zwei im Staat und kann bis zum Ende des Regimes – neben seiner Haupttätigkeit als Architekt – auf ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet zurückblicken. Er war Rüstungsminister und später – ab 1942 – auch für das Ressort „Bewaffnung und Munition“ verantwortlich. An dieser Position ist er federführend für die Arbeitseinteilung von KZ- Häftlingen und Zwangsarbeitern aktiv, um den kriegszehrenden Moloch kräftig weiter zu füttern. Dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen konnte, dürfte dem als intelligent bekannten Speer jederzeit bewusst gewesen sein.
Als er 1946 von den Allierten zu 20 Jahren Haft verdonnert wird, ist er grade mal 41 Jahre alt. Er bekennt sich in Nürnberg für schuldig und kommt vergleichsweise billig weg. 1966 wird er wieder auf freien Fuß gesetzt und hat in der Zwischenzeit seine Memoiren geschrieben, worin er zwar von einer „Gesamtschuld“ spricht, seine persönliche Rolle jedoch Zeit seines Lebens relativiert und herunterspielt. Die Mär vom „guten“ Nazi setzt sich fest. Eine Litanei, die Knopp im Gegensatz zur Mehrzahl Speers weiterer Biographen nicht nachbetet. Sein berechtigter Vorwurf: Als zentrale Figur in der Schaltstelle der Macht, und eingedenk der Tatsache, dass Speer alles andere als auf den Kopf gefallen war, wusste er stets genau, was er tat – und nahm alles billigend in Kauf, was seiner und seines „Führers“ Sache nützte. Sein freimütiges Geständnis entsprang wohl vielmehr Kalkül und/oder einem verzerrten Selbstbild. Wirkliche Reue oder gar Verantwortung hat Speer auch später nie gezeigt
_Alfred Jodl – Der Militär_
Hitlers Stabschef war ein Offizier der alten Schule, der noch im kaiserlichen Heer groß geworden ist – eine mögliche Erklärung dafür, warum General Jodl vielleicht aus falsch verstandenem, soldatischem Ehrgefühl heraus dem Diktator die Treue hielt. Auch wenn dieser seine Stabschefs – auch Jodl – immer wieder lautstark entließ, sobald sie seine verschrobenen Taktikeinschätzungen nicht teilten oder sogar wagten, dem „GröFaZ“ zu widersprechen. Nach den Hire-and-Fire-Prinzip wurden die Befehlshaber dann wieder generös reaktiviert, wenn es dem Choleriker erneut in den Kram passte. Jodl, der Mitläufer, machte dieses Spielchen bis zum Showdown im Führerbunker nicht gänzlich kritiklos mit. Doch Befehl ist nun mal Befehl. Sein krampfhaftes Ignorieren der Realität und Festhalten an Hitler hat ihm schlussendlich den Tod gebracht. Er wurde in den Nürnberger Prozessen verurteilt und hingerichtet.
_Wernher von Braun – Der Raketenmann_
Der Koryphäe im Bereich der Strahltriebwerkstechnik wird auch immer ein Saubermann-Image attestiert. Immerhin adelte ihn die USA mit der Einbürgerung, was ja für sich genommen schon einem generellen Persilschein gleichkommt. Zum Dank dafür brachte Professor Braun die Amis auf den Mond und gerne schmückte sich auch Nachkriegsdeutschland mit den Lorbeeren, dass es ein Deutscher war, der den Wettlauf mit den Russen entschied. Braun behauptete immer, höchst unpolitisch gewesen zu sein und nur seine Arbeit gemacht zu haben. Es trifft zu, dass Braun weder ein NS-Parteibuch besaß noch sich von Himmler vor den nationalsozialistischen Karren spannen und als Ehrenmitglied in die SS integrieren lassen wollte (weswegen er vom derart Düppierten sogar zeitweise inhaftiert wurde). Das spricht für ihn und wird gerne als weiterer Beweis herangezogen, dass Braun nichts mit den Nazis zu tun haben wollte. Doch ganz so rein ist seine Weste nicht.
Man darf nicht vergessen, dass der geniale Tüftler für tausendfachen Tod allein durch seine in Peenemünde entwickelten V1- und V2-Raketen verantwortlich ist. Dies ließe sich vielleicht noch mit der obligatorischen „Es war Krieg“-Phrase halbwegs glaubhaft entschuldigen. Übersehen werden dafür die unwürdigen Umstände, unter denen die Raketenanlage errichtet, ausgebaut und betrieben wurde. Hier kamen auch verstärkt Zwangsarbeiter und Häftlinge zum Einsatz, deren kalkulierter Tod durch Arbeit und grausige Hygienezustände niemanden zu stören schien. Alles geschah mit Brauns Wissen und seiner Billigung, wie Knopps Quellen belegen. Braun hat die Zustände demnach nicht nur gekannt, nach Methode Zweck-heiligt-die-Mittel hat er seine Animositäten mit Himmler zurückgestellt und sogar explizite Unterstützung bei diesem angefordert. Und der war der Herr über die Konzentrationslager, sprich: die Quelle für Brauns Arbeitskräfte. Ein Pakt mit dem Teufel.
_Ferdinand Porsche – Der Ingenieur_
So wie Wernher von Braun der Vater des Raketentriebwerks ist, so ist Porsche der Vater des Volkswagen-Konzerns. Die Vision des Autonarren aus Österreich, nämlich nach dem Vorbild von Ford hochqualitative und für die „Volksgenossen“ erschwingliche Autos in Massen herzustellen, war Triebfeder für den Autobahnbau. Doch in dem in Wolfsburg aus dem Boden gestampften Industriekomplex lief der berühmt gewordene „Käfer“ erst nach Kriegsende in nennenswerten Stückzahlen vom Band. Vorher wurden die Produktionsstätten – natürlich, muss man fast sagen – für non-zivile Gimmicks missbraucht. Porsche entwickelte so einige kriegerische Gerätschaften, darunter den berüchtigten „Tiger“-Panzer, aber auch eine ganze Latte Fehlkonstruktionen. Dem Tüftler waren keine Grenzen gesetzt, Hitler unterstützte seinen Landsmann nach Kräften. Unnötig zu erwähnen, dass auch hier verstärkt Zwangsarbeiter aus KZ und Kriegsgefangenschaft tüchtig verheizt wurden, sowohl beim Ausbau des Werkes als auch beim Flugzeugmotorenbau und der Munitionsherstellung.
_Alfried Krupp zu Bohlen und Halbach – Der Industrielle_
Der Millionen schwere Erbe und Gründer des Thyssen-Konzerns leitete die Waffenschmiede des Nazi-Reiches, mitten im deutschen Kernland – dem Ruhrgebiet. Kohle und vor allem Stahl waren sein Geschäft. Bei ihm gewinnt man den Eindruck, als lebte er die ganze Zeit in seiner eigenen schönen Feudalwelt, fernab von den Sorgen und Nöten der damaligen „Normalos“. Er wurde aber spätestens bei Kriegsende in die Realität zurückgeholt, als ihn die GIs straight away vor seiner noblen Essener „Villa Hügel“ verhafteten, um ihn in Nürnberg vors Tribunal zu schleifen. Da fiel er geradezu aus allen Wolken, denn als praktizierenden Nazi hat er sich nicht gesehen. War er auch nicht, wenngleich er aus Profitgründen der NSDAP angehörte und als Förderer der SS auftrat.
Hitlers Avancen, sich mit dem Adligen zu schmücken, wich er jedoch meist geschickt aus und beschränkte Kontakte auf das Nötigste. Dennoch hielt ihn das nicht ab, lukrative Geschäfte mit dem Regime zu machen, denn ohne seinen Stahl und die Produkte, wie Kanonenrohre oder Panzerplatten sowie diverse Maschinenteile, wäre die deutsche Kriegsmaschinerie letztlich nicht sehr erfolgreich gewesen. Seine Maxime, dass Politik vor dem Werkstor ende, erwies sich als sehr blauäugig – spätestens als auch er auf die billigen menschlichen Ressourcen aus KZs und Kriegsgefangenenlagern angewiesen war, um die geforderte Produktion aufrecht erhalten zu können. Krupp kam mit einer geringen Haftstrafe noch verhältnismäßig glimpflich davon.
_Hjalmar Schacht – Der Banker_
Schacht ist der Einzige aus dieser Riege, der den Absprung irgendwie doch schaffte, wenn auch nicht aus ideologischen Gründen. Dabei haben die Finanzkünste des heute wenig bekannten Finanzministers mit dem auffälligen Vornamen (seine Familie stammt aus Skandinavien) den Aufstieg des „Dritten Reiches“ erst möglich gemacht. Hätte er nicht so gekonnt mit den so genannten MEFO-Wechseln jongliert, wäre die Kriegskasse schon weit vor dessen Ausbruch nicht mehr so prall gefüllt gewesen. Der Freimaurer Schacht hat mit allerlei Buchungstricks die schwarzen Konten prächtig gefüllt und das Wiedererstarken des Militärs finanziell auf stabile Beine gestellt – ohne dass die Alliierten davon Wind bekamen, denn eigentlich war es Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg durch horrende Reparationszahlungen theoretisch unmöglich, genug Mittel für solche Eskapaden aufzubringen, selbst wenn man es gewollt hätte.
So hatten es sich die Siegermächte damals jedenfalls gedacht. Ein Irrtum, dank Schachts Finanzgenie. So kam es, dass sich Hitlerdeutschland klammheimlich wieder aufrüsten konnte und sich schließlich über das verhängte Verbot, schwere Waffensysteme zu besitzen, eigenmächtig hinwegsetzte. Als Schacht dann später realisierte, dass Hitler überhaupt nicht vorhatte, die faulen Wechsel rückzuführen, zog er die Konsequenz und trat zurück. Da sich das Regime jedoch keinen so hochrangigen Mitwisser erlauben konnte, landete Schacht unvermittelt dort, wo man unliebsame Zeitgenossen für gewöhnlich entsorgte: im KZ. Dieser Umstand wusch ihn später zwar nicht vollständig rein, erleichterte ihm allerdings die Phase der Entnazifizierung ungemein. Als ehemaliger KZ-Häftling konnte er glaubhaft machen, dass er mit den Machenschaften in dieser Form nichts zu tun haben wollte.
_Zwischenbilanz_
Eher unauffällige Männer, die aber aufgrund ihrer teils willigen Mitarbeit das braune Regime erst möglich machten. Sie sind Hitlers mächtige Manager aus der zweiten Reihe, vielfach ohne aktive nationalsozialistische Vita, zum Teil sogar gänzlich ohne Parteibuch. Und doch waren sie höchst wichtige Rädchen im Getriebe. Sechs ganz unterschiedliche Charaktere mit ebenso unterschiedlichen Hintergründen, Motivationen und Visionen. Mancher glaubte sich nach eigenem Bekunden in den Nürnberger Prozessen (und auch danach) unwissend und unschuldig an den Verbrechen, die im Dritten Reich verübt wurden. Mitgefangen – mitgehangen.
Doch so ahnungslos waren sie alle nicht, spätestens als zum Ausgleich für die schwindenden Arbeitskräfte KZ-Häftlinge unter erbärmlichen Verhältnissen für den „Endsieg“ vor ihren Augen durch Arbeit systematisch vernichtet wurden, hätten die Industriellen wach werden müssen. Für Jodl gilt im übertragenen Sinne das Gleiche, als das militärische Fiasko und Hitlers Wahnsinn immer deutlicher zu Tage traten. Zum Teil regte sich auch halbherziger Widerstand, doch schien es den meisten von ihnen opportun, weiter mitzuschwimmen – der eine mehr, der andere weniger. Das untere Ende der Sechs markiert Hjalmar Schacht, der die Notbremse zog. Das obere Ende der Skala besiedelt Albert Speer als Hitlers bestes Pferd im Stall. Auch wenn dieser seine Rolle zeitlebens gern verharmloste und herunterspielte.
_Das Buch_
Gegliedert ist das knapp 416 Seiten starke Werk aus dem Hause |Bertelsmann| in sechs Kapitel, entsprechend den Hauptakteuren, auf die hier eingegangen wird. Auflockerung erfährt der Leser durch Bilder und eine Vielzahl gesondert ausgeklinkter Originalzitate aus unterschiedlichen Quellen, entweder von den Protagonisten selbst oder ihnen nahe stehenden Personen über sie. Das stört den Lesefluss zuweilen, da es bei dem kompakten Layout des Textes schwer fällt, abzusetzen, die Aufmerksamkeit auf ein Zitat zu richten, das eventuell nicht mal unbedingt etwas mit dem soeben Gelesenen zu tun hat, und hernach wieder den Faden aufzunehmen. Interessant sind die Statements aber, ZU interessant, um sie gegebenenfalls einfach zu ignorieren.
Für den Stoff muss man schon ein wirkliches Interesse mitbringen, und selbst dann handelt es sich großteils um recht trockene Materie. Zum Glück ist das Werk in recht lockerer und verständlicher Sprache – ja beinahe Plauderton – geschrieben und doziert nicht auch noch. Das wäre auch zu viel des Guten gewesen, wo das Thema an sich bereits ziemlich zäh ist. Knopp bereitet die Lebensläufe der Protagonisten auf und versucht zu ergründen, ab welchem Zeitpunkt jeder von ihnen den |point of no return| erreichte und warum die Zivilcourage dann doch nicht ausreichte gegenzusteuern. Natürlich erscheint es von der heutigen Warte aus einfach, ein Urteil zu fällen, doch so leicht macht Knopp es sich nicht. Zu groß ist die Gefahr, in eine gewisse Apologetik abzurutschen oder – dem Gegenteil – sie allesamt in Bausch und Bogen zu verdammen.
Die Mischung aus sachlicher Kritik und Fürsprache ist Knopp gelungen, dabei handelt es sich bei den Kapiteln allenfalls um Streiflichter und nicht um vollständige Biographien, die jeden Aspekt der entsprechenden Charaktere aufs i-Tüpfelchen auszuleuchten vermögen. Das ist auch gar nicht nötig, um eine nüchterne Analyse anzustellen, was genau die Beweggründe jedes Einzelnen gewesen sein könnten. Selbstverständlich eignen sich die Angesprochenen nicht gerade als Sympathieträgern und dennoch haben sie (wie jeder Mensch) nicht nur schlechte Seiten gehabt. Trotzdem verwundert es, diese Menschlichkeit auch tatsächlich so zu lesen zu bekommen – eben differenziert und nicht pauschalisiert. Der Grundton ist verständlicherweise kritisch gefärbt, wenn auch nach menschlichem Ermessen einiges klarer wird über die unterschiedlichen Motivationen, die Hitlers Manager umtrieben haben mögen.
_Fazit_
Lesenswert und weit entfernt vom um Aufmerksamkeit heischenden Boulevard- und Sensationsjournalismus, der dieser Tage ja gern mit allerlei „neuen“ Enthüllungen und ebenso „neuen Farbbildern“ um die Gunst der Leser bzw. Zuschauer buhlt, kommt Guido Knopps Analyse der Männer aus der zweiten Reihe angenehm sachlich daher, so wie wir es aus dem ZDF bereits kennen. Ohne viel Firlefanz, dafür aber für manchen sicherlich noch zu trocken. Kein Buch für Gelegenheitsleser und nur schwach am Thema Interessierte, so viel ist sicher, denn mit einem recht satten Preis von 24,90 Euro überlegt man es sich in diesem Personenkreis sicherlich zweimal, ob sich die Investition tatsächlich lohnt; da sind die TV-Reportagen wesentlich verdaulicher und kosten lediglich die GEZ-Gebühren, die man ohnehin (gezwungenermaßen) entrichten muss.
Ramsey Campbell: „Schriftlich“ („Cold Print“, 1969), S. 11-30: Ein prügelfreudiger & pornografischer Lehrer findet in einem Hinterhof-Buchladen einen schmuddeligen Schatz – und den großen Cthulhu, der seinen neuen und unfreiwilligen Jünger freudig in die Tentakeln schließt …
Christian von Aster: „Yamasai“ (1999), S. 31-46: Auf Neuguinea hütet ein steinzeitlicher Stamm das düstere Geheimnis eines Urzeitwesens, das weitaus Schlimmeres treibt als Menschen umzubringen …
Kim Newman: „Der große Fisch“ („The Big Fish“, 1993), S. 47-86: Privatdetektiv Philip Marlow fahndet nach einem verschwundenen Vater und seinem Söhnchen, die er ausgerechnet im Kreise froschköpfiger Cthulhu-Anhänger findet …
Thomas Ligotti: „Harlekins letzte Feier“ („The Last Feast of Harlequin“, 1991), S. 87-134: In einem abgelegenen Ort haben die Bürger ihren eigenen Weg gefunden, die allzu nahe Nachbarschaft unliebsamer Mitbewohner zu verdrängen; ein neugieriger Forscher von „draußen“ schaut hinter die Tarnung und lernt mehr, als er verkraften kann …
Jens Schumacher: „Der Hügel von Vhth“ (1996/99), S. 135-178: In einer verfallenen Hafenstadt sucht der Historiker ein altes Zauberbuch. Er findet es – und im eisigen Meereswasser das unfreundliche Subjekt, über das da geschrieben wurde …
F. Paul Wilson: „Hinter dem Schleier“ („The Barrens“, 1990), S. 179-248: In einem abgelegenen Winkel des US-Staates New Jersey finden ein Privatforscher und seine allzu hilfsbereite Gefährtin einen „Nexus“, der diese Erde mit einer anderen, ebenso faszinierenden wie furchtbaren Welt verbindet, welche neugierige Besucher buchstäblich mit offenen Tentakelarmen empfängt …
Brian McNaughton: „Das Verderben, das über Innsmouth kam“ („The Doom That Came to Innsmouth“, 1999), S. 249-284: Vor sieben Jahrzehnten hat die US-Regierung versucht, die Cthulhu-Hochburg Innsmouth vom Erdboden zu tilgen. Es misslang, und nun sammeln sich die Nachfahren der damals vertriebenen Bürger mit dem typischen „Froschlook“, um uralte Traditionen aufleben zu lassen …
H. P. Lovecraft (1890-1937) gehört zu den wenigen Schriftstellern, denen die Erschaffung eines echten Kultes gelang. Die Cthulhu-Mär begann sich schon zu seinen Lebzeiten zu verselbstständigen. Ihren Schöpfer überlebte sie leicht, begann stattdessen zu wachsen, Seitentriebe auszubilden, sich zu verzweigen – oder anders ausgedrückt: Zahllose Lovecraft-Kollegen eiferten dem Meister nach und dachten sich neue Cthulhu-Untaten aus. Dabei half ihnen Lovecrafts ureigener, altertümlicher, von Fremdwörtern und Adjektiven überwucherter Schreibstil, der ihn gleichzeitig unverwechselbar und leicht imitierbar macht.
Wie Herausgeber Frank Festa in seinem knappen aber kundigen Vorwort erläutert, gliedern sich Lovecrafts Epigonen in drei Kategorien. Da ist der reine Kopist, der seinen Ehrgeiz daran setzt, das Vorbild in Handlung, Wortwahl und vor allem Stimmung zu „klonen“. Zur zweiten Gruppe zählen jene, die sich noch eng an Lovecraft halten, mit seinen Vorgaben jedoch zu „spielen“ beginnen. Noch einen Schritt weiter gehen die Angehörigen von Gruppe 3; sie lösen sich völlig vom Original, führen Cthulhu aus seiner urzeitlich-unterseeischen Abgeschiedenheit heraus und integrieren ihn in das reale Grausen der wirklichen, modernen Welt.
Herausgeber [Festa]http://www.festa-verlag.de/ nimmt für sich in Anspruch, nur Repräsentanten der Gruppen 2 und 3 in seine Sammlung aufgenommen zu haben. Die Übergänge sind indes fließend, das muss man ihm jedoch zugestehen. Tatsächlich sprechen die sieben hier vorgestellten Autoren mehr (Campbell, Ligotti, McNaughton) oder weniger (von Aster, Schumacher) mit eigenen Stimmen. (Newman und Wilson könnte man dagegen eher als „neutral“ bezeichnen.)
Ramsey Campbell (geb. 1946) legt eine der für ihn typischen Kurzgeschichten vor, in denen sich das Grauen fast unmerklich in den Alltag einschleicht. Da dieser meisterhaft so grau und öde dargestellt wird, wie dies kaum einem anderen Autoren gelingt, müsste der Tod im Grunde eine Erlösung für den Campbell-typisch seelisch verkümmerten und beschädigten „Helden“ bedeuten – dem ist ganz und gar nicht so, stattdessen ist sein Ende bitter und schmutzig; das Leben kennt halt keine Gewinner. Herausgeber Festa weist in seiner Einleitung zu dieser Story auf den sexuellen Aspekt des schleimig-fischigen Cthulhu-Monstrums mit den vielen bezahnten Körperöffnungen hin; der alte Lovecraft hatte offensichtlich einige Zwangsvorstellungen literarisch zu verarbeiten …
Kim Newman (geb. 1959), der Schöpfer der genialen [„Anno Dracula“-Parallelwelt, 1184 weiß dieses Mal kaum zu überzeugen. Während die Verknüpfung der Story mit dem Lovecraft-Werk akkurat gelungen ist, passen die typischen sarkastischen Schnüffler-Sprüche gar nicht ins eher gruselsteife Cthulhuversum. Übler ist dem Verfasser allerdings das abrupte Ende der Handlung anzukreiden, welches diese Story eher als Entwurf oder Kapitel eines größeren Werkes erscheinen lassen.
An einer modernisierten Wiederbelebung des alten Lovecraft-Szenarios vom allzu neugierigen Forscher, der in unheimlicher Umgebung mehr erfährt als er wissen wollte, versucht sich F. Paul Wilson (geb. 1946) mit „Hinter dem Schleier“. Der Verfasser ist durch seine Romane um den „Repairman Jack“ bekannt geworden, der sich ebenfalls in einer Welt sieht, die mit dem Übernatürlichen in Kontakt steht. Seine hier präsentierte Story fesselt nicht durch originelle Ideen, sondern durch die gelungene Umsetzung. Die Pine Barrens – eine Art weißer Fleck auf der Landkarte der USA – bilden eine eindrucksvolle, von Wilson behutsam und farbig in Szene gesetzte Kulisse mit kauzigen, aber nicht als tumbe Hinterwäldler bloßgestellten Bewohnern. Das Grauen entwickelt sich stimmungsvoll und endet in einem turbulenten Finale, dem sich ein lovecraftscher Schlussgag anschließt: Cthulhu lässt nicht mehr locker, hat er dich erst einmal am Schlafittchen.
Eine eigene Erwähnung verdienen die beiden deutschen Autoren, die in dieser Sammlung vertreten sind. Es ist dem regelmäßigen Lovecraft-Leser sicherlich, dem reinen Fan aber vielleicht weniger bekannt, dass der Meister und sein Geschöpf auch hierzulande manchen Autoren veranlasst, seinen Beitrag zum Cthulhu-Mythos zu leisten (oder es wenigstens zu versuchen). Christian von Aster (geb. 1973), der als Geheimtipp der hiesigen Phantastik-Szene gehandelt wird, legt mit „Yamasai“ eine handwerklich sehr schön geschriebene, aber letztlich auf den Schlusseffekt konstruierte Story vor, den man überzeugend finden kann, jedoch keineswegs muss, worauf die Geschichte förmlich versandet.
Auch Jens Schumacher (geb. 1974) nimmt sehr durch sein handwerkliches Geschick ein, das so viele Autoren, die sich in der (deutschen) Phantastik tummeln, schmerzlich vermissen lassen. Die ausgetüftelste Story muss verenden, wo blinder schriftstellerischer Eifer mit stilistischem Unvermögen und grammatikalischer Ignoranz zusammenfließen – eine Kombination, die längst nicht nur bei fannischen Feierabendproduktionen zu beobachten und dort entschuldbar ist, sondern vermehrt auch „richtige“ Buch- und Heftromane brandmarkt.
„Der Hügel von Vhth“ ist als Geschichte zwar hart an der Grenze zur Imitation – die Handlung folgt ausgesprochen eng dem Lovecraft-Novellenklassiker „The Shadow Over Innsmouth“ (1936; dt. [„Schatten über Innsmouth“) 506 -, kann aber durch die ebenso behutsam wie gelungen nachempfundene Atmosphäre einer klassischen Cthulhu-Story bis zum (typischen) Finale fesseln.
Gleich im Anschluss zeigt uns Brian McNaughton (1936-2004), wie man es wirklich gut macht. Auch er wählt sich „The Shadow Over Innsmouth“, doch er variiert nicht, sondern schreibt eine „Fortsetzung“. 1928 ließ Lovecraft die US-Regierung das Pestloch Innsmouth ausräuchern, die Bewohner austilgen, einsperren, vertreiben. Wie hätte es weitergehen können? Was geschah mit denen, die der großen Abrechnung entkamen? McNaughton beschreibt es ebenso spannend wie witzig aus der Sicht eines Betroffenen. Für Lovecraft waren Cthulhus Diener stets degenerierte, von Verdammnis gezeichnete Kreaturen. Hier lernen wir den Monsterjünger von nebenan kennen, in dessen Froschschädel recht profane Gedanken gewälzt werden. McNaughtons witzige Einfälle runden die Story perfekt ab. Wer hätte gedacht, dass US-Präsident John F. Kennedy sich für den „Innsmouth-Zwischenfall“ in einer (glänzend zitierten, natürlich fiktiven) Rede entschuldigt hat oder mit markanten Gesichtszügen ausgestattete historische Prominenz wie Gloria Swanson, die Geliebte des Kennedy-Vaters, der Schauspieler Edward G. Robinson („Der kleine Cäsar“) und FBI-Chef J. Edgar Hoover zu den Innsmouth-Leuten gehörten? „Das Verderben, das über Innsmouth kam“ ist in der Mischung aus Lovecraft & McNaughton die beste Geschichte dieser fabelhaften, endlich wieder aufgelegten Sammlung. (Nebenbei: Kommt denn das Verderben „nach“ oder „über“ Innsmouth? Inhaltsverzeichnis und Haupttext sind sich da uneinig …)
„Club Dead“ ist mittlerweile schon der dritte auf Deutsch erschienene Roman von Charlaine Harris um die Kellnerin Sookie Stackhouse (in den USA sind bereits fünf Bände der Serie zu haben). Sookie ist eigentlich ein Durchschnittstyp. Okay, sie ist offensichtlich recht attraktiv und weiß ihre langen blonden Haare und ihre gute Figur zu ihrem Vorteil einzusetzen, doch ansonsten gibt es eher wenig, was sie für den Leser auf Anhieb interessant macht: Sie hat nur eine minimale Schulbildung, lernt neue Vokabeln aus einem Abreißkalender und verdient ihr Geld als Kellnerin in einer Bar in dem Pronvinzkaff Bon Temps. Doch Sookie hat auch ihre faszinierende Seite: Sie kann nämlich Gedanken lesen und ihr Freund ist ein Vampir. In den beiden vorangegangenen Bänden, [„Vorübergehend tot“ 788 und „Untot in Dallas“, durfte die geneigte Leserin erfahren, wie Bill – nämlicher Vampir – und Sookie sich kennen lernten, sich näher und schließlich zusammenkamen, wie Sookies Gedankenleserei funktioniert und dass Vampire ganz normale Bürger in den USA sind. Hier im dritten Band hat sich also Harris‘ mit Vampiren und anderem übernatürlichem Getier bevölkerte Welt schon etabliert und so kann sich die Autorin voll und ganz auf ihre Charaktere und die Handlung konzentrieren.
In [„Untot in Dallas“ 939 verließen wir Sookie und Bill in trauter Zweisamkeit. Doch in „Club Dead“ ziehen die ersten Regenwolken am Horizont auf. Der biedere Bill, der Sookie bisher mit Liebesbeweisen überschüttet hat und eigentlich schon viel zu aufmerksam für einen heterosexuellen Mann in einer festen Beziehung ist, entwickelt sich nun schlagartig zum typischen Boyfriend: Er sitzt nur noch zu Hause, starrt auf seinen Computer und würdigt Sookie kaum noch eines Blickes. Die ist ziemlich angenervt und auch seine Erklärung, dass er von der Vampirkönigin mit einem Spezialauftrag bedacht wurde, kann sie nicht vertrösten. Dann muss Bill auch noch die Stadt verlassen und hinterlässt Sookie seltsame Anordnungen für den Fall seines Ablebens.
Es kommt, wie es kommen muss. Ein paar Wochen später taucht Eric bei Sookie auf – in der Vampirhierarchie Bills direkter Vorgesetzter – um ihr zu erklären, dass Bill vermisst wird. Sookie, die sich nicht ganz sicher ist, ob sie auf Bill sauer oder um ihn besorgt sein soll, beschließt, ihn ausfindig zu machen und dazu ihre Gedankenleserei einzusetzen. So schickt Eric sie nach Jackson in den Club Dead, damit sie sich dort in den Gedanken der Besucher umhören und vielleicht einen Hinweis auf Bills Verbleib erhaschen kann. Natürlich geht dieser Plan schon bei der erstbesten Gelegenheit schief und Sookie muss sich, wie immer, mit Untoten, Irren, Leichen und Werwölfen rumschlagen. Und als sie Bill dann endlich gegenübersteht, muss sie erst einmal herausfinden, ob sie ihn überhaupt noch will …
Wer am Ende von „Untot in Dallas“ dachte, Sookies und Bills Beziehung würde nun immer so idyllisch weitergehen, der hat aufs falsche Pferd gesetzt. Und mal ehrlich, so zuckersüß, wie es bei den beiden zuging, hätte der Durchschnittsleser nach vier Bänden Diabetis entwickelt. Dass sie jetzt wie jedes andere Paar auch mit dem Fluch des Alltags kämpfen müssen, bringt Schwung in ihre überirdische Beziehung und macht gleichzeitig Platz für andere Charaktere, die um Sookie buhlen dürfen. Da wäre zunächst der Vampir Eric, der schon in den letzten beiden Romanen auftauchte und mit seinen selbstbewussten Flirtversuchen und großem Sexappeal jedes Leserinnenherz höher schlagen lassen dürfte. Eric darf in „Club Dead“ viel mehr Zeit mit Sookie verbringen, und auch wenn diese seine Avancen immer wieder unterbinden will, spürt man in diesen Szenen ganz besonders das erotische Knistern zwischen den beiden. Und zum anderen wäre da noch der Werwolf Alcide, der sie in Jacksons Szene einführen soll. Nun erinnert Alcide zwar mit seiner grundsoliden, überaus netten Art sehr an einen ganz ähnlich angelegten Werwolf aus der Romanserie von Laurell K. Hamilton, doch bleibt Sookie ihrem Bill treu, selbst wenn sie stinkwütend auf ihn ist. So hält sich der erotische Overkill in Grenzen, auch wenn Alcide und Sookie in Jackson als Pärchen auftreten, um möglichst unverdächtig zu wirken.
Nun, es ist ziemlich klar, dass Sookie Bill am Ende der Geschichte finden und retten muss. Viel interessanter ist also, wie sie ihren Lover tatsächlich ausfindig macht und ihn aus den Fängen seiner Ex-Geliebten rettet. Wie immer gibt es viele Einblicke in die sozialen Vampirstrukturen und als Bonus kommt natürlich auch Bubba wieder vor (Leser der Serie werden wissen, wer hier gemeint ist – schließlich reagiert er auf seinen wahren Namen recht allergisch). „Club Dead“ erreicht zwar nicht den Grad an Action, den Harris noch in „Untot in Dallas“ aufgefahren hat, doch bietet der Roman eine ausgewogene Mischung aus Action, Mystery, Krimi, Horror und Erotik.
Die Übersetzung verbessert sich mit jedem neuen Roman aus der Serie merklich, was das Lesevergnügen ungemein steigert. Überhaupt, das Lesevergnügen: „Club Dead“ ist ein unterhaltsamer Schmöker, ein wunderbares Buch zum Abschalten mit genau dem Genremix, der besonders weibliche Leser ansprechen wird. Leider sieht man diesmal recht wenig von Bill, doch kann Eric den Verlust mit seiner lässigen Art mehr als wettmachen. Besonders Fans seines Charakters werden diesmal also auf ihre Kosten kommen.
Kurzum: „Club Dead“ wird Fans der Serie nicht enttäuschen!
|Originaltitel: Club Dead
Aus dem Englischen übertragen von: Dorothee Danzmann|
1997 veröffentlichte Hanif Kureishi seine erste Sammlung von Kurzgeschichten „Love in a Blue Time“ (dt. „Blau ist die Liebe“, eigentlich: „Liebe in einer traurigen Zeit“) und zeigte, dass er auch die kurze Prosaform auf seine witzige, freizügige und moderne Weise beherrscht und eine sehr abgeklärte Einstellung zur Liebe hat.
Ein erotischer Akt schemenhaft im Hintergrund des blauen Buchcovers, übergroß der Name des Autors und karminrot der Buchtitel – auf den ersten Blick möchte man meinen, dass eine Mogelpackung verkauft werden soll, sich die Texte vielleicht hinter dem inzwischen „bestsellenden“ Autorennamen verstecken müssen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt bereits das Inhaltsverzeichnis mit Titeln wie „My Son the Fanatic“ (dt. „Mein Sohn der Fanatiker“) oder „Nightlight“ (dt. „Nachtlicht“), dass hier wichtige Stationen in der Entwicklung Kureishis als Autor versammelt sind.
Pünktlich zum Kinostart der dritten Episode der Star-Wars-Saga kommen auch schon die verschiedensten Merchandise-Artikel auf den Markt. Neben allerhand Action-Figürchen, Raumschiffen und sonstigem, beinahe unverzichtbarem, Fan-Nippes (wie blinkenden und dudelnden Plastik-Laserschwertern, Vader-Masken mit Vocoder etc.) natürlich auch diverse Druckerzeugnisse. Eines davon ist ein Buch, welches sich als illustrierte Enzyklopädie zu „Rache der Sith“ verstanden wissen will. So lautet jedenfalls der hochtrabende, deutsche Titel des von James Luceno zusammengestellten und von |Lucas Books| vertriebenen Werkes. Die deutsche Ausgabe der auf Hochglanz getrimmten Publikation übernahm die |vgs|, wo man das „visual dictionary“ werbewirksam eben mal zur „Enzyklopädie“ erhob. Ob man diesem Anspruch gerecht werden kann, erscheint schon auf den ersten Blick hinsichtlich des arg dürren Buchs fraglich.
_Corpus Galacti_
„Aufregende Fotos und umfassende Erläuterungen verraten alles über Charaktere, Kreaturen, Droiden und Ausrüstungsgegenstände […]“ verspricht der Teaser-Text auf der Rückseite, neben einigen anderen, vermeintlichen Segnungen, mit denen man dem potenziellen Sternen-Fanatiker Appetit auf vergleichsweise magere 64 (in Worten: „vierundsechzig“) Seiten |Star Wars| machen möchte. Zugegeben, die Optik ist ziemlich edel. Großformat und hochwertiges Papier machen schon mal was her, doch wie das immer so ist im Leben, kommt es ja nicht nur auf die Verpackung, sondern vielmehr auf den Inhalt an. Besonders dann, wenn dem nach jedem Informationsschnipsel gierendem Klientel dafür 15,90 € aus der abgewetzten Jedi-Kutte geleiert werden sollen. Hervorgehoben sei hier explizit das Attribut „alles“ aus dem oben wiedergegebenen Teaser – man darf zu Recht gespannt sein, wie dies auf den paar Seiten zu bewerkstelligen sein soll.
Von der geradezu verschwenderischen Seitenzahl muss man nämlich schon mal fünf Seiten für Vorsatzseiten, Inhaltsangabe und Einleitung abziehen. Erst auf Seite sechs wird der Leser in das Setup von Episode III auf einer Doppelseite eingeführt, inklusive eines kurzen Rückblicks auf das, was bisher geschah. Dem großen galaktischen Krieg und dem, was in dieser Episode auf welchen Planeten zu erwarten steht. Nach dieser knappen Orientierungshilfe geht es dann mit 33 Themenkomplexen, welchen (mit wenigen Ausnahmen) wiederum je eine Doppelseite gewidmet ist, weiter. Dabei ist „komplex“ leider nicht wörtlich zu nehmen, denn dominiert werden die jeweiligen Abschnitte von Illustrationen und Abbildungen. Der Begleittext nimmt sich dagegen kümmerlich aus. Zudem beanspruchen allein Anakin/Darth Vader, Die Klonkrieger, die Wookies und Palpatine/Darth Sideous gleich mehrere Kapitel für sich, die man ohne weiteres hätte zusammenfassen können
Verständlich, dass für den Rest der behandelten Themen auf den verbliebenen (wenigen) Seiten nicht mehr viel Raum für erschöpfende Informationen bleibt. Allerdings muss man zugute halten, dass auch Randfiguren und Ausrüstungsgegenstände und gelegentlich kleine (fiktive) Anekdoten immerhin Erwähnung finden und in den Kontext zur Geschichte gesetzt werden. Interessant sind insbesondere die Schnittzeichnungen etwa des Wookie-Bowcasters und auch der Abschnitt über General Grievous, einem Cyborg – halb Lebewesen, halb Droide. Leider verliert sich der simpel gestrickte Text durchgängig in oft absolut nebensächlichem Klimbim ohne geistigen Nährwert und Tiefe. Selbstverständlich ist irgendwie alles, was mit Star Wars (oder einer beliebigen anderen, erfundenen Geschichte) zu tun hat, streng genommen als „needless knowledge“ einzustufen, doch so needless muss es dann doch bitteschön nicht sein.
Besonders lächerlich, um nicht zu sagen kindisch-kitschig, sind aber die Beschriftungen zu Hinweispfeilen, die auf „Besonderheiten“ eines Gegenstands oder einer Person zeigen. Etwa „Ungewöhnlich ernster Gesichtsausdruck“ oder „Stoff wirkt schwerer, als er ist“ bei Obi-Wan, sind nicht die einzigen, sinnfrei-eleganten Einlassungen, die entweder zu Lachmuskelkatarrh oder wahlweise verständnislosem Kopfschütteln reizen. Es sind einige richtige Knaller darunter; der Autor sollte vielleicht eine Karriere als interstellarer Comedian anstreben, ich fürchte jedoch, er meint es vollkommen ernst. Mir ist nicht ganz klar, an welche Leserschaft sich das Buch richtet, der erwachsene Fan (zu welchen auch ich mich zähle) kommt sich etwas veralbert vor. Und dabei gehöre ich noch nicht mal zu den Dogmatikern, welche |Star Wars| als bierernst betrachten und jeden Anflug flockiger Schreibe als pure Ketzerei verschreien.
_Fazit_
Trivial und zu bildlastig. Die nette Aufmachung ist zwar nicht zu beanstanden, doch hapert’s am Gehalt. Schöne Bilder, aber wenig erhellender, oberflächlicher Text, der streckenweise geradezu peinlich kindisch ist. Unter einer Enzyklopädie versteht man für gewöhnlich eher einen fetten Wälzer mit Stichwortverzeichnis und Index. Idealerweise einen, der thematisch wirklich in die Tiefe geht und nicht etwas, das irgendwie den Flair und Charme eines Hochglanz-Werbeflyers versprüht. Aber bestimmt kein besseres Bilderbuch – fehlen eigentlich nur noch mitgelieferte Buntstifte, damit man sich seine Klonkrieger und Droiden selbst ausmalen kann. Scheinbar hält man die Fans für eine Bande Grenzdebiler. Die – für effektiv 60 Seiten – recht unverschämten 16 Euro sind für zwei Kinokarten, den (übrigens erstaunlich guten) [Roman 1163 oder schon mal als Anzahlung für die zukünftig erscheinende DVD wesentlich besser angelegt. Hol’s der Rancor.
_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „Star Wars Episode III – The Visual Dictionary“
Ersterscheinung: 2005, Lucas Books / DK / VGS
Seiten: 64 mit zahlreichen Abbildungen
Ausgabe: 1. Auflage / Hardcover
ISBN: 3-8025-3441-7
Englische Midlands im Jahre 1386:
Catherine Rowe ist die junge Ehefrau des alten Brillenmachers Elias. Ganz gegen seine Wünsche kann sie die Finger nicht von seinem Handwerk lassen und findet die richtige Brille für seinen Kunden Sir Thomas Latimer. Kurz darauf wird ihr Ehemann ermordet und das Haus der Rowes angezündet. Und dann stellt sie auch noch fest, dass sie ein Kind erwartet. Auch ihrem Bruder Alan ergeht es schlecht: Die Hand des Mädchens, das er liebt, wird ihm von ihrem Vater, Sir William Nevilles Vogt, verwehrt, sein Pachthof wird niedergebrannt und sein Pferd gestolen. Die Geschwister glauben nicht an einen Zufall und beklagen sich bei William Courtenay, dem Erzbischof von Canterbury, über Sir William Nevilles Ungerechtigkeit. Und der Erzbischof formt die beiden zu seinen Werkzeugen im Kampf gegen die „Bedeckten Ritter“, die einen Professor dabei unterstützen, die Bibel ins Englische zu übersetzen – ein Prozess, der die bestehende katholische Kirche in ihren Grundfesten zu erschüttern droht. So werden Catherine und Alan in ein Netz aus Intrigen verwickelt und zu Spielbällen der großen kirchlichen Gegner.
Als jedoch Catherine die Bedeckten Ritter und ihre Auftraggeber besser kennen lernt und schließlich auch den Mörder ihres Mannes erkennt, ist sie sich nicht mehr sicher, ob sie auf der richtigen Seite kämpft und sie gerät mit ihrem Säugling in ein gefährliches Doppelspiel zwischen den Fronten …
_Unter die Lupe genommen_
Als Story klang das für mich vielversprechend und ist es auch. Der 1977 in Leipzig geborene Autor Titus Müller, der in Berlin nicht nur Neuere Deutsche Literatur sondern auch Mittelalterliche Geschichte studiert hat, zeigt hier eine trotz des Verwirrspiels politischer und religiöser Intrigen nachvollziehbare, gut aufgebaute Handlung, die zudem für den Leser spannend umgesetzt ist. Die sich langsam entwickelnde, stetig ansteigende Spannung, welche durch die Ermordung des Brillenmachers und die verschiedenen Loyalitäten Catherines gegenüber Bruder, Ehemann, Kind, Courtenay und Latimers entsteht, hält bis zum Ende des Buches an. Dennoch ist der Titel des Buchs irreführend – man sollte hier keinen im Handwerks-Milieu angesiedelten Mittelalterroman erwarten; das Brillenmacherhandwerk ist nicht Mittelpunkt des Romans, sondern bleibt eine relativ unbedeutende Nebensache. Auch der Klappentext lässt hier den Leser eine andere Art Geschichte vermuten, als er dann serviert bekommt. Stattdessen handelt es sich um eine Mischung aus historischem Roman und historischem Krimi.
Die Sprache ist im Wesentlichen angenehm zurückhaltend eingesetzt, aber ein wenig an die historische Handlung angepasst. Gemessen an dem doch eher schwierigen, relativ kirchlichen Thema gibt es jedoch nur wenige unerklärte Begriffe. Typisch für Müllers Schreibstil schien mir hier zu sein, dass er seine sehr kurz gehaltenen Kapitel gerne langsam mit einer poetisch anmutenden Landschaftsbeschreibung von ausgezeichneter Atmosphäre einleitet. Wenn die Handlung der einzelnen Kapitel sich entfaltet, hält sich die Sprache dann eher zurück. Die Erzählweise ist komplett in der dritten Person gehalten, die Erzählperspektive wechselt aber zwischen den einzelnen Protagonisten hin und her.
Die Charakterisierungen, insbesondere die der Hauptperson Catherine, stechen vor allem durch ihre Ambivalenz hervor. Müller folgt hier nicht den klischeehaften Vorstellungen der guten Heldin und des bösen Gegenspielers. Seine Catherine ist zwar im Grunde ihres Herzens sicherlich ein guter Mensch, begeht aber im Verlauf der Geschichte Fehler und zeigt Schwächen, die ihren Charakter menschlich und glaubhaft machen. Auch die Bösewichte folgen hier – zumindest zum Teil – nicht dem sonst leider oft so üblichen Schwarz-Weiß-Schema, sondern stellen ihr eigenes Handeln in Frage. Es handelt sich auch nicht um vollständig moderne Personen in einer historischen Umgebung. Insbesondere Catherine ist trotz ihres Wunsches, als Brillenmacherin zu arbeiten, eine Frau ihrer Zeit, keine übermächtige, immer starke Superwoman, die dem Gegner ordentlich zusetzt, sondern eine Frau voller Selbstzweifel, die ihre Taten zumeist aus einer verzweifelten Lage heraus oder durch die Intrigen der beiden gegenerischen Parteien bestimmt.
Zu bemängeln gibt es hier allerdings für mich, dass der Leser stellenweise nicht tief genug Einblick in die Hauptpersonen erhält und einige Handlungen nicht nur völlig überraschend kommen, sondern auch nicht erläutert werden. Dies verhindert nicht nur eine vollständige Glaubwürdigkeit der Geschichte, sondern kostet die Protagonisten auch einige sonst mögliche Sympathiepunkte. Auch einige Szenen setzen solcherart zu abrupt ein, ohne dass der Leser versteht, was hier vor sich geht und wie es seit dem Ende des letzten Kapitels hierzu gekommen ist.
Auch die Entdeckungen, die Catherine im Brillenhandwerk macht, erschließen sich dem Leser nicht vollständig. Hier hätte man sich generell eine deutlichere Herausarbeitung der Arbeit der mittelalterlichen Brillenmacher gewünscht. Stattdessen zeigt uns Müller eine unausgebildete junge Frau, die an einem einzigen Nachmittag Entdeckungen macht, die ihrem erfahrenen und angesehenen Mann während seiner gesamten Berufslaufbahn nicht eingefallen sind. Dass sie dann gegen Ende des Buches noch die Erfindung der „Laterna Magica“ aus der hohlen Hand zaubert, trägt auch nicht zu ihrer Glaubwürdigkeit bei.
Der kriminalistische Anteil der Geschichte ist aber gut in Szene gesetzt und spannend beschrieben. Und auch die Zeit und die religiösen Hintergründe hat Müller sehr gut herausgearbeitet und, ohne Langweile aufkommen zu lassen, in seine Geschichte eingebunden.
Einen weiteren angenehmen Ausbruch aus bestehenden Allgemeinvorgaben zeigt „Die Brillenmacherin“ und selbst die integrierte, obligatorische Liebesgeschichte aber im Bezug auf das Ende. Es gibt kein kitschiges Happy-End mit Hochzeit und Babys, kein edler Ritter in schimmernder Rüstung durchbohrt den Anführer der Bösewichte mit seinem Schwert und führt ihn seinem verdienten Ende zu. Die Liebesgeschichte ist für mich zwar nicht komplett nachvollziehbar aufgezeichnet, ist aber sehr unaufdringlich dargestellt, ohne Plattheiten und ohne die stets als nächstes erwarteten Wendungen. Insgesamt bleibt sie so (ganz anders als der Klappentext des Buches vermuten lässt, der eine komplett andere Geschichte suggeriert) eine Nebensache, die sich in die Geschichte integriert, ohne der eigentlichen Handlung den Rang abzulaufen. Die Lösung vom gegebenen Schema und die Nicht-Erfüllung einer unterschwelligen Erwartungshandlung diesbezüglich halte ich für einen der besten Punkte des Buches. Titus Müller hat es hier wirklich verstanden, mich durch seine Integrität zu überraschen und das ist mir allemal lieber als ein Friede-Freude-Eierkuchen-Ende. Zugleich suggeriert dieses Buchende, das dadurch etwas abseits der allgemeinen Erwartungshandlung liegt, aber auch, dass die Geschichte noch nicht ganz abgeschlossen sein könnte und ließ mich sofort an eine mögliche Fortsetzung des Buches denken. Und tatsächlich soll die Geschichte um Catherine Rowe fortgesetzt werden. Vielleicht kommt das von den Klischees vorgeschriebene Happy-End also doch noch.
Insgesamt hat mir „Die Brillenmacherin“ von Titus Müller gut gefallen. Die Handlung und Spannung sind gekonnt dargestellt, einige Schwächen zeigt das Buch vor allem bei den insgesamt etwas zu oberflächlich gehaltenen Charakteren. Aber ich werde den Nachfolgeroman bestimmt ebenfalls lesen.
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