Korb, Markus K. – Grausame Städte (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek Band 1)

Wenn jemand sich mit seiner schlafenden Liebsten in ein Zimmer eingeschlossen hat und einen recht einseitigen Dialog mit ihr hält, weiß der versierte Leser von Horrorstorys: Besagte Liebste ist tot, der angebliche Geliebte hat sie umgebracht und erklärt nun sich selbst und dem Publikum, wie es dazu kommen konnte. Man findet diese Konstellation immer wieder in immer neuen Variationen. Interessant an diesen ist nicht mehr das Was, sondern das Wie – Schafft es der Autor, dem Leser die Zerrissenheit des Protagonisten nahe zu bringen, die Welt außerhalb des gestörten Geistes von diesem verfremdet darzustellen und so das eigentliche Grauen zu erzeugen, das nicht den äußeren Zutaten (der Liebsten entnommene Eingeweide, eine Badewanne mit Natron etc.) entfließt? Markus K. Korb gelingt es, in „Concetta“, der ersten Geschichte des Venedig-Zyklus seines Buches – mit dem zugleich eine neue Reihe von [BLITZ]http://www.blitz-verlag.de startete: Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek (Herausgeber: gleichfalls Markus K. Korb).

Das Buch, von Gustav Wölkl wirklich schön illustriert, besteht aus zwei Zyklen zu je 4 Geschichten, die in den grausamen Städten Venedig und Berlin spielen. Es ließe sich an dieser Stelle viel Kluges über Parallelitäten innerhalb der Zyklen und zwischen diesen sagen, doch da dies bereits Eddie M. Angerhuber in ihrem fundierten Nachwort tut, seien alle Interessenten an eben dieses verwiesen. Hier kommt im Folgenden vor allem der Leser zu Wort, der sich von der Atmosphäre hat anrühren lassen oder keinen Zugang zu einer Geschichte gewann.

Insgesamt erst einmal: Mir erscheint dieser Einstieg in eine neue Reihe gelungen. Der „innere Bezug zu Poes Ideenwelt“, den Herausgeber Korb in einem kurzen Vorspruch beschwört, ist zweifelsohne gegeben, ebenso das Aufgreifen Poe’scher Motive und der Anspruch, sich nicht „in bloßen Nachahmungen“ zu erschöpfen, sondern „Eigenständigkeit und Originalität“ zu besitzen. Freilich ist in diesem Kontext „Originalität“ ein sehr hohes Wort, genau wie die Bemerkung, die in der Reihe erscheinenden Werke sollten innovativ sein und die Phantastische Literatur fortentwickeln. Leiser Zweifel: Wird diese Latte nicht – wenigstens gelegentlich – gerissen werden? Welchem Autor kann man schon bescheinigen, im Phantastischen innovativ und ein Fortentwickler zu sein? Mir fallen Namen wie Hoffmann, Poe, Kafka, Ligotti ein, aber schon bei Lovecraft komme ich ins Grübeln, denn in Sprache und Komposition ist er nicht innovativ, man könnte allenfalls seine Kosmogonie in die Waagschale werfen. Auch fragt man sich natürlich, ob Autor Korb einlösen kann, was Herausgeber Korb verspricht. Es wäre schon viel, finde ich, wenn einem gute Geschichten erzählt würden oder wenn man, wie im Nachwort beschworen, hier ein Forum schafft für die vorhandenen deutschen Talente, die Chancen brauchen, veröffentlicht und gelesen zu werden. Bei derlei Ankündigungen wäre mir ehrlich gesagt wohler. Denn so gut mir z. B. „Concetta“ auch gefallen hat – innovativ ist die Story nicht.

Es gibt in diesem Buch auch andere Texte, die mir eher wie Versuche vorkommen. „Carnevale a Venezia“, ein weiterer innerer Monolog, schickt einen Professor der Kunstgeschichte mitten im Karneval einer seltsamen Maske hinterher – zuerst scheint es sein Schwager zu sein, dann ein Privatdetektiv, den seine Frau auf ihn angesetzt hat, dann die Frau selbst. Am Ende fragt der Ich-Erzähler, ob er einem Phantom gefolgt ist, um dann fortzusetzen: „… tat ich das nicht schon seit Jahren? Habe ich nicht stets eine Idee, eine menschliche Vorstellung von Unsterblichkeit verfolgt? Kann es sein, dass diese Idee für eine kurze Zeit in der magisch aufgeladenen Luft des venezianischen Karnevals Gestalt angenommen hat?“ So leitet der Autor zum eigentlichen Thema des Textes hin, das in einer Vision gipfelt, die dem Protagonisten den Verfall der „ewigen“ Kunst und des Menschenwerkes zeigt: Venedig wird versinken, die Touristen werden mit U-Booten durch seine unterseeischen Kanäle fahren, in nicht allzu ferner Zeit. Nun gewinnen auch die relativ langen Ausführungen des Professors zu den Kunstwerken der Stadt ihren Sinn, aber mir scheint, dass dieser Text nicht organisch gewachsen ist, dass der Umschwung „Schwager / Detektiv / Frau – Idee“ doch allzu krass und unmotiviert erfolgt.

„Das Ikarus-Prinzip“ hingegen ist eine gelungene Geschichte über einen Einbrecher, der den Dionysos-Rubin aus dem Palazzo Dario stehlen will und dabei ein mysteriöses Erlebnis hat. Korb hält bis zum Schluss alles offen, es gibt mehrere Erklärungen für das Geschehen, erst das Ende deutet an, welche Lesart den Vorzug gewinnt. Der Reiz resultiert hier aus gekonnt inszenierter Unbestimmtheit, die schließlich gebührend aufgelöst wird.

Es folgt mit „Insel der Gräber“ – die Friedhofsinsel San Michele fasziniert Korb – eine Geschichte, zu der ich ein zwiespältiges Verhältnis habe. Ich finde sie gut, denn sie greift das Sujet des ahnungslosen Protagonisten auf, der ungewollt und plötzlich aus dem normalen Alltag in das Grauen hinübertritt. Der Ministrant Paulo wollte ja nur einmal sehen, wo auf San Michele die Toten ruhen, ein Jungenstreich, nichts weiter … Was daraus wird, ist bis hin zum wahrhaft monströsen Ende gut erzählt. Der Autor findet für die venezianische Sage vom Lagunengott oder -unhold eine originelle (ja, hier passt das Wort!) und natürlich grauen-volle Erklärung. Ich habe nur das Gefühl, dass die Bezüge zu Lovecrafts Kosmos die Originalität des Werkes schmälern; wenn das Wort „Shub-Niggurath!“ fällt, ist eigentlich (fast) alles klar. Ein wenig schade!

Auch in „Tief unten“, der abschließenden Geschichte des Berlin-Zyklus, verarbeitet Korb Mythologisches. Diesmal ist es die germanische Saga vom Ende der Welt, von den Ragnarök, denen ein langer Winter vorausgeht, an dessen Ende die letzte Schlacht geschlagen wird, aus welchem Anlass der Fenris-Wolf von seiner Fessel loskommt. Korb verlegt die Handlung in das Berlin einer nicht allzu fernen dystopischen Zukunft: Russland/China und die USA bedrohen einander wieder einmal mit Atomraketen, und in Deutschland feiern Faschos blutige Urständ. Wer kann, zieht sich zurück, zum Beispiel in die Welt der Bunker unter der Stadt, wo schräge Endzeit-Partys steigen. Auf einer solchen erhält der Caver Woffo von einem zwielichtigen Ungarn eine Karte mit dem Weg zu einem noch unentdeckten Nazi-Bunker. Er sucht ihn auf und findet dort einerseits eine V3, deren Zählwerk gegen Null rast, andererseits geht ihm auf, dass der unterirdische See in der Nähe des Bunkers etwas viel Monströseres beherbergt, nämlich Fenris, der nur noch ein Opfer braucht, um loszukommen … Bei allem Respekt vor dem Engagement dieses Warntextes: Ich halte ihn für den schlechtesten des Buches. Die Mischung zweier Handlungsstränge – Nazis provozieren den Dritten Weltkrieg und leiten zugleich die Ragnarök ein – überspannt den Bogen völlig, zumal die Vorstellung, Fenris hause unter Berlin und steige als riesiges Monster aus dem See empor, den Mythos ins Banale hinüberzieht. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen.

„Wir sehen alle besser aus in Schwarz und Weiß“, der dritte Text des Zyklus, variiert abermals das Concetta-Motiv: innerer Monolog, gestörter Geist, umgebrachte Eltern, stumme Zwiesprache mit der Mutter, die der verlorene Sohn auf den richtigen Weg bringen wollte, schließlich wiederum (wie im „Ikarus-Prinzip“) ein Sprung in die Tiefe. Doch was mir hier gefällt, was die Geschichte auch besser als „Concetta“ macht, ist die Wahnidee hinter dem Ganzen: Der Erzähler meint, dass die Farben lügen; nur eine Welt in Schwarz-Weiß wie die der alten Filme scheint ihm ehrlich zu sein, und es ist seine Mission, dies allen Leuten zu verkünden – was er konsequent bis zum Ende tut. Ein schöner, dichter Text, der das Prädikat „originell“ zumindest im Fach „Wahnvorstellung“ verdient.

Besessen ist auch der Künstler, der in „Insomnia“ Werke der Weltkunst nachschafft – in einer brodelnden Atmosphäre des Berlin der Zwanziger, in der alles möglich scheint. Zum wirklich gelungenen Sujet, zum rasanten Erzählton kommt hier noch das, na ja, morbid Reizvolle des Ratespiels hinzu: Welches Kunstwerk ist gemeint? Und: Korb spielt in diesem Text seine Stärke der atmosphärisch dicht und detailgetreu gezeichneten Milieus voll aus. Die übrigens belebt auch die schwächeren Texte. Die grausame Stadt, nicht der einzelne Mensch, ist jeweils das Üble, Böse – die menschlichen Täter lassen sich von ihr nur infizieren und setzen handelnd um, was sie vorzeichnet.

Genaues Milieu schildert auch „Der Schlafgänger“ – für mich der Höhepunkt des Buches, eine Geschichte, die den hohen Anspruch wirklich einlöst. Mit brutaler Präzision stellt Korb den alltäglichen Horror des Lebens einer Arbeiterfamilie um 1892 dar. Bei dieser mietet sich täglich von sieben bis drei ein Schlafgast ein – das hilft der Familie, ihr mageres Budget aufzubessern. Details werden sparsam, aber gezielt und daher äußerst effektiv eingesetzt – allein die Überlegung, nach drei dann noch einen zweiten Gast aus einer anderen Schicht aufzunehmen, spricht Bände! Der Ich-Erzähler, der sich als Erwachsener an alles erinnert, beobachtet nun, wie der mysteriöse, Furcht erregende Fremde sich allnächtlich seinem kleinen Bruder nähert, der von Tag zu Tag schwächer wird. Der Junge findet bei den Erwachsenen kein Gehör für seine Befürchtungen und beschließt, selbst zu handeln … Das klassische Vampir-Sujet? Nicht wirklich. Beeindruckend: die Darstellung der schließlich enthüllten Gestalt des Fremden, noch beeindruckender aber: wie der Autor die scheinbar klare Geschichte am Ende umkippen lässt. Wieder arbeitet Korb mit der Unbestimmtheit – aber was in „Carnevale a Venezia“ leicht enttäuscht und in „Das Ikarus-Prinzip“ nicht übers Bekannte hinausgeht, lenkt hier den Blick unerwartet in die Abgründe der Seele, des Vorurteils und der Schuld. Der Leser wird gleich mit hineingelockt … So ist „Der Schlafgänger“ auch ein Spiel mit Versatzstücken und Erwartungen. Ich bin von dieser Geschichte schlichtweg begeistert.

Sie zeigt auch, was Eddie M. Angerhuber im Nachwort beschwört und was der Vorspruch programmatisch deklariert: Es gibt Talente in der deutschen Phantastik, die ihre Wurzeln in der internationalen, aber auch in der großen nationalen Tradition des Genres haben. Man muss ihnen nur die Gelegenheit geben, öffentlich wahrgenommen zu werden. Freilich wird nicht jeder Text – des Buches und, denke ich, auch der Reihe – als innovativer Geniestreich gelten können, aber Perlen finden sich hier und anderswo unstreitig. Man muss sie nur aus der Tiefe holen. Das ist freilich ein riskantes Unterfangen – aber Verleger, die kein Risiko eingehen, verdienen den Namen nicht.

Leser übrigens auch nicht …

_Peter Schünemann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|

Bauer, Ines; Luger, Sabina; Ott, Judith – Schatten über Byzantium (Demonwright)

Die Dämonen des |Demonwright| sind erwacht und greifen erneut nach Byzantium. Fast das ganze Land ist schon von ihren orkischen Dienern unter Kontrolle gebracht, nur die Stadt Palvecia und die zugehörigen Landstriche erfreuen sich noch einer zweifelhaften Freiheit und Unabhängigkeit. Die Kaufleute murren, denn die Straßen sind unsicher im Land, und der Herzog Mortak von Palvecia ist nicht in der Lage, sie zu schützen. Das Volk darbt und hungert, und erstmals seit ewigen Jahren vereist der Hafen in der Winterkälte.

Herzog Mortak befragt das Orakel des Eldir, des weisen Gottes mit seherischer Kraft. Durch den Mund des Oberpriesters Egil erfährt Mortak von der einzigen Hoffnung für Byzantium: Die drei Artefakte, die schon vor undenklichen Zeiten aus der Schale in der Hand der Eldirstatue im Tempel verschwanden, müssen gefunden und wiederbeschafft werden, dann würde die dunkle Macht zurückgedrängt. Aber nicht irgendjemand soll die Suche antreten, auch nicht Mortak selbst, sondern seine Kinder!

Der faule Sohn, Arifes, der schon immer alle Verantwortung auf seine Schwester Sefira abgewälzt hat, will sich auch jetzt hinter ihr verstecken und schiebt ihre Schutzlosigkeit als Frau vor, um dem Auftrag zu entgehen. Da ereilt den herzoglichen Sitz die Kunde, dass Sefiras Verlobter von Orks brutal getötet wurde, und Sefira sieht keinen Grund mehr, den Auftrag abzulehnen, ganz zu schweigen von ihrem Verantwortungsgefühl für Land und Volk. Also brechen sie auf, geschützt von drei Kristallen, die ihnen in höchster Not auf der Suche Rettung verheißen sollen.

Unglücklicherweise werden sie getrennt, und Afires flieht in die Stadt zurück, wo er im Suff von der Diebin Nantalin überrumpelt und von seinem Kristall befreit wird. Nantalin wurde von einem unbekannten Mann beauftragt, den Geschwistern zu folgen und sie um die Kristalle zu erleichtern, bevor sie die Artefakte würden bergen können. Nun verfolgt sie Sefira, die unterdessen auf Plünderer gestoßen ist und sich in ihrer Unterkunft erholt. Auch Arifes hat von ihrem Aufenthaltsort erfahren. Als er mit seiner Schwester die weiteren Pläne erörtert (unter anderem wollen sie den Zwerg Oolith suchen, der durch sein Alter etwas von den Artefakten gehört haben könnte), werden sie von Nantalin belauscht, die sich alsbald auf den Weg zu Oolith macht.

Die orkische Schamanin Chahfkrish und der Orkführer Kherr stehen mit den dämonischen Xul in Verbindung und trachten ebenfalls nach den Kristallen, die die Schlüssel zu den Artefakten darstellen. Unter Chahfkrishs Führung nähert sich das Heer Palvecia, Kherr verfolgt die Geschwister und kommt ihnen immer näher. Es scheint, als könnte die Rückkehr der Artefakte in die Schale bis zum Vollmond verhindert werden, was den Untergang Byzantiums bedeuten würde …

Obwohl das Buch nicht besonders dick ist, lässt sich die Geschichte nicht in wenigen Worten umreißen, so komplex und vielschichtig ist sie erzählt. Die Entwicklung des feigen und faulen Arifes, dem sogar das Schicksal seiner Schwester im Moment der Gefahr egal ist, zum Orkschlächter und führsorglichen Beschützer dauert über die gesamte Handlungszeit und geht fast unmerklich vonstatten. Zwar erahnt man Einzelheiten wie das Schicksal Nantalins und den Hintergrund des höfischen Verrats, das tut aber weder der Spannung noch dem Lesefluss Abbruch, weil die hinweisenden Sätze zur richtigen Zeit kommen.

Einzig die schnelle Zuneigung Sefiras zu diesem Schönling Sid kurz nach dem Tod ihres Verlobten erscheint etwas unnatürlich und führt zu Widerwillen. Glücklicherweise wird dazu ein passender Ausweg gefunden, denn die Eisschmelze setzt pünktlich ein.

Byzantium selbst erscheint nicht sonderlich groß, wenn die Helden etwa ein Drittel der Insel in knapp einem Monat bewandern können. Darum erstaunt auch nicht die gute Ortskenntnis des alten Zwergs Oolith, der noch andere Einblicke in die Geschehnisse zu haben scheint, da er aufopfernd sowohl Arifes als auch seiner Konkurrentin Nantalin hilft und sie vor dem schnellen Zugriff des Orks Kherr bewahrt. Schade, dass wir nicht mehr über ihn erfahren konnten.

Trotz des dichten Handlungverlaufs gelingt es den Autorinnen vorzüglich, auf den Hintergrund der Götterwelt und der Landesgeschichte einzugehen; dadurch gewinnt die Geschichte an Substanz und Glaubwürdigkeit. Man leidet mit Arifes, als er seinem Pferd die Qualen erspart, gleichzeitig muss man sich das Lachen verkneifen, denn die in hohem Bogen über die Deckung fliegenden Bröckchen des Unwohlseins wirken in Anbetracht der ernsten Situation erfrischend. Überhaupt bildet sich um Arifes und Nantalin ein ungreifbares Feld der Komik. Außer Frage steht, dass zwischen ihnen ein gewisses Knistern besteht, und umso erheiternder kommen Augenblicke wie das nackte Im-Schnee-wälzen oder die pragmatische Sicht der Dinge, als ihr verhinderter Führer, der weiße Rabe, seinen Weg erst in den und dann wieder aus dem Magen von Arifes findet – und damit seinen Zweck doch noch erfüllt.

Natürlich ist das Anagramm des Namens der Geschwister augenfällig. Dass dies ein wichtiges Element der Geschichte ist, glaube ich nicht, eher handelt es sich wohl um eine kleine Neckerei der Autorinnen. Insgesamt gefällt mir der Roman ausgesprochen gut, er ist spannend, tiefgründig und so unterhaltsam, dass ich ihn erst um zwei Uhr morgens zur Seite legen konnte – als er ausgelesen war. Dabei lässt sich nicht feststellen, ob wirklich drei Autorinnen mitwirkten oder doch nur eine Person (aber nach direkter Bekräftigung von Ines Bauer ist es tatsächlich Teamarbeit), das lässt auf ein hervorragendes Zusammenspiel schließen. Es ist ein Buch geworden, das Beachtung verdient. Apropos verdient: Beruhigend, dass auch Nargol sein Fett wegkriegt!

Verlagsseite: http://www.wurdackverlag.de

Lustbader, Eric Van – dunkle Orden, der

Mit „Der dunkle Orden“ schließt Eric Van Lustbader seinen dreiteiligen Fantasyzyklus um die magische Welt Kundala ab, die von den hochtechnisierten V’ornn überfallen und unterjocht wurde.

Lustbader hat eine komplexe Welt voller Gegensätze geschaffen; was im ersten Band [„Der Ring der Drachen“ 254 noch ein stark an Herberts |Dune|-Zyklus angelehntes Werk war, entwickelt sich im Folgeband „Das Tor der Tränen“ zu einem Kampf der Kontrahenten innerhalb der eigenen Reihen. Mit den Dämonen Kundalas, die in die Welt drängen, kommt noch eine weitere Partei ins Spiel.

So brodelt es in den Reihen der V’ornn, als die niedere Kriegerkaste der Khagggun von den neuen Machthabern, der Familie Stogggul, in den Rang einer Hohen Kaste erhoben wird. Die Flottengeneräle bekämpfen sich untereinander, während der Widerstand der Kundalan zersplittert und uneinig ist. Doch auch in religiöser Hinsicht ist Konfliktstoff gegeben, die Ramahan (Priester/Zauberer) der Göttin Miina sind bereits kurz nach der Invasion der V’ornn von ihrem Glauben abgefallen und geben sich der Schwarztraumzauberei Kyofu hin.

Doch wie passt die höchste Kaste der V’ornn – die geheimnisvollen Gyrgonen, mit Technologie ausgestattet, deren Möglichkeiten weit über der normaler V’ornn steht und an Magie grenzt – in dieses Bild? Sie sehen in der Magie Kundalas den letzten Weg, um der drohenden Vernichtung durch die ominösen „Centophennni“ zu entgehen. Magie ist ihnen unbegreiflich, aber vielleicht der einzige Weg, um die Geheimnisse der Goronenpartikel zu meistern, die als Waffe verwendet mächtiger sind als alles, was die V’ornn zur Verteidigung aufbieten können.

Gleichberechtigung und Emanzipation spielen ebenfalls eine große Rolle; so laufen viele V’ornn-Frauen aus der niederen Kaste der Tuskugggun (Heim, Kinder und Herd …) zum kundalanischen Widerstand über, unter ihnen auch Marethyn, die Schwester des neuen, besonders grausamen Herrschers der V’ornn auf Kundala, Kurgan Stogggul. Seine Sippe hat die gegenüber den Kundalan allzu freundliche Familie Ashera abgelöst und ausgelöscht. Bis auf seinen Jugendfreund Annon …

Dieser ist ein V’ornn/Kundalan-Mischling, Sohn des ermordeten Königs Eleusis Ashera und seiner kundalanischen Konkubine Giyan. Bei ihm drängt sich die Assoziation zu „Dune“ geradezu auf, denn ähnlich wie Paul Atreides ist er der ersehnte Messias, Retter Kundalas. Als der Dar Sala-at soll er Miinas heiligen Drachen Seelin befreien, die „Perle“ Miinas in seinen Besitz bringen und die V’ornn von Kundala vertreiben. Zum besseren Verständnis sei erwähnt: Annon wurde bereits im ersten Band umgebracht und gilt als tot – sein Geist teilt sich den Körper mit dem der Kundalan Riane, er wurde also körperlich in eine Frau umgewandelt. Das schafft eine ganze Menge Probleme, denn er liebt die Kundalan Eleana, die zudem sein grausamer „Freund“ Kurgan bereits im ersten Band vergewaltigt und geschwängert hat.

Auf eine Aufzählung der zahlreichen, schillernden Nebencharaktere, wie den später zum Nawatir, Kämpfer der Göttin Miina, umfunktionierten Truppkommandeur Rekkk Hacilar, der auch Annon zuerst einmal getötet hat (dies erinnert ein wenig an die Geschichte um Jesus und den Legionär, der ihm den Speer in die Seite rammte), möchte ich hier verzichten. Die von Lustbader geschaffene Welt ist unheimlich komplex, bevölkert von zahllosen interessanten Charakteren und spielt mit den gelungenen Kontrasten zwischen verschiedenen Arten der Magie bis hin zur Nekromantie, Genetik und modernster Technologie.

Daraus kann man eine eindeutige Empfehlung ableiten: Obwohl es ein Glossar gibt, ist dieses wenig hilfreich, zu komplex sind die Zusammenhänge, zudem ist es lieblos und unvollständig – ein Einstieg muss zwingender denn in vielen anderen Serien mit dem ersten Band „Der Ring der Drachen“ erfolgen.

Was bietet nun der letzte, abschließende Band dieses wilden Mixes aus Horror, Fantasy und SciFi?

Zuerst kommt die Erkenntnis, dass das anfänglich so sehr an Dune angelehnte Szenario sich vollständig eigenständig entwickelt hat und innovative neue Ideen bietet; die lebhafte Welt Kundala ist Lustbader ob und gerade wegen ihrer Gegensätze einfach perfekt gelungen. Die Chance, bei einem Mix dreier Genres literarischen Schiffbruch zu erleiden, ist nicht gerade gering, und an einigen Untiefen kommt auch Lustbader nicht vorbei: Er fordert einen für Neues offenen Leser, der konzentriert liest. Denn einfach zu konsumieren ist sein Zyklus nicht.

Die Vielfalt hat auch ihren Preis. So wimmelt es nur so von ständig neuen Handlungssträngen und Nebenhandlungen, die leider oft nicht abgeschlossen oder abgewürgt werden. Das hohe Erzähltempo und häufige Wechsel der Bezugsperson der Erzählung führen oft auch zu einer sehr subjektiven Sicht der Welt, in der Charaktere hervorgehoben werden, die Umgebung aber bestenfalls skizziert wird, was ich allerdings nicht als negativ empfunden habe.

Leider verliert sich so auch ein wenig der Faden, es gibt keine eigentliche Hauptfigur, wie man es ob der Rolle Annons/Rianes annehmen könnte. Der abschließende Band tröpfelt anfangs vor sich hin, man weiß nicht im Geringsten wie es weitergehen soll, plötzliche Sprünge eröffnen dann neue Perspektiven. Dies ist ähnlich ärgerlich wie die bereits im zweiten Band aufgetretenen „Deus ex Machina“-Effekte. Lustbaders Handlungsführung weist hier erhebliche Defizite auf, die erste Hälfte des Buches ist dadurch ein zäher, orientierungsloser Brocken, der nicht gefallen kann.

Das letzte Drittel ist dafür actionreich und spannend – leider ist das Ende bitter enttäuschend. Vieles bleibt ungelöst, es gibt keinen krönenden Abschluss, man glaubt kaum, dass das Buch hier endet. Ob man hier Lustbader zu einer Trilogie genötigt hat? Komplexe Serien haben oft Schwierigkeiten, zu einem guten Ende zu kommen … hier aber drängt sich der Eindruck einer erzwungenen Raffung auf. Das würde auch die zunehmenden Sprünge und Unglaubwürdigkeiten besser erklären. So scheint die Dreiecksaffäre zwischen dem Nawatir, der ihn verschmähenden Giyan und der ihn liebenden Inggres arg gekürzt worden zu sein, sie ist oberflächlich und endet plötzlich. Dasselbe gilt für die Dämonen, die den zweiten Band dominierten und sich seitdem wohl nicht mehr aus der Hölle getraut haben.

Annon/Rianes und Eleanas Beziehung sowie die in diesem Band erfolgende Metamorphose Kurgans haben allesamt einen Ende-offen-Charakter, noch wird Kundala befreit im klassischen Sinne.

_Fazit:_ Es ist schade, wie dieser faszinierende Zyklus endet. Ist er am Ende an seiner überbordenden Komplexität gescheitert oder auf Drängen des Verlages, der die Saga in drei statt fünf Bänden abgeschlossen sehen wollte? Zumindest wurden diese drei Bände in der sehr gut gelungenen deutschen Übersetzung nicht wie so oft üblich gesplittet.

Dieser Zyklus ist faszinierend – aber die wunderschöne Welt, die Lustbader geschaffen hat, leidet am Ende unter zu vielen offenen Handlungssträngen, zu vielen Charakteren und fehlendem roten Faden. Schade! Diese Fantasywelt hatte so viel Potenzial, leider enttäuscht und verärgert sie mit diesem Finale. Wer von Standard-Fantasy oder SciFi gelangweilt ist, wird sie dennoch lieben. Allen anderen kann ich aufgrund der genannten Defizite nur abraten.

Hoffnung besteht dennoch: Das kann nicht das Ende sein – vielleicht folgt ja eine zweite Trilogie, welche die Handlung fortführt, die vielen offenen Fragen klärt und einem nicht das Gefühl gibt, mittendrin aufzuhören!

Thomas Ziegler – Die letzten Tage Lemurias (Perry Rhodan. Lemuria 5)

Auf einer abgelegenen Welt des 87. Tamaniums – so etwas wie Staaten im lemurischen Imperium, dem Großen Tamanium – soll sich die geheime Temporalforschungsstation des lemurischen Suen-Clans befinden, protegiert durch den Tamrat Markam. Zwar wurden diese Forschungen verboten, doch jetzt, kurz vor der endgültigen Niederlage der Lemurer gegen die Bestien, greift man zum letzten Ausweg: Ein kleiner Kreuzerverband mit dem lemurischen Chefwissenschaftler an Bord soll diese Welt aufsuchen und die Gerüchte um eine Zeitmaschine überprüfen – um im Falle ihres Zutreffens eine Flotte in die Vergangenheit zu schicken, die den Heimatplaneten der Bestien vor deren Aufbruch ins All vernichten soll. Ein unglaubliches Zeitparadoxon.

Der kleine Verband wird unterwegs von Raumschiffen der Bestien aufgehalten und fast aufgerieben, ehe ein größerer Verband eingreift. Der Befehlshaber weiß nichts von dem Geheimauftrag und beordert die Überreste des Verbands zur Abwehr über einen bedrohten Planeten. Zufällig ist Levian Paronn oberster Technad des Planeten und erhält als solcher Einblick in die Berichte der Offiziere. Er erfährt von dem geplanten Zeitexperiment und erkennt, dass hier seine Bestimmung liegt, die ihm vor wenigen Jahren von einem Überwesen prophezeiht wurde. Er übernimmt den Auftrag und fliegt den bewussten Planeten an.

Icho Tolot, der halutische Freund Perry Rhodans und später Nachkomme der Bestien, erscheint in eben dieser Zeitstation auf dem Planeten aus dem Zeittransmitter und versetzt unwillentlich die Besatzung in Angst und Schrecken, die ja in ihm eine Bestie sehen muss. Um seine Loyalität zu beweisen, greift Tolot persönlich in einen Angriff der Bestien ein, die auf dem Planeten ein Blutbad anrichten. Er tötet einige seiner Vorfahren und hofft ständig, kein Zeitparadoxon zu verursachen.

Levian Paronn taucht auf und versucht, Tolot als letzten vermeintlichen Überlebenden der Bestien zu töten, dieser kann sich aber entziehen und gestikuliert wild, um Paronn auf den Atombrand aufmerksam zu machen, der, von den Bestien gelegt, die Welt vernichten wird. Paronn lässt den Zeittransmitter abbauen, doch bevor er ihn von der Welt transportieren kann, vernichtet ein weiteres Schiff der Bestien seinen Raumer. Auf der einen Seite der wütende Atombrand, auf der anderen Seite die gelandeten Bestien, scheint es für Paronn und seine Mission keine Zukunft zu geben. Es sei denn, die Fremde Bestie (damit denkt er an Tolot) griffe nochmals zu seinen Gunsten ein …

Thomas Ziegler wurde 1956 in der Nähe von Uelzen als Rainer Zubeil geboren, zog nach Wuppertal und Köln und verfasste phantastische Romane, in denen er immer wieder auf grundlegende Motive zurückkam: Seine Warnung vor rechtsradikalen Bewegungen, Kritik an von demokratischer Kontrolle entzogener Wirtschaft, seine Skepsis den Medien gegenüber und seine Betrachtungen von Natur, Umwelt, Ökologie. Ziegler sprudelte über vor Fantasie, was auch von seinem Autorenkollegen und späteren Rhodan-Autor Uwe Anton belegt wurde, mit dem er einige Romane in Kooperation schrieb. Zwischenzeitlich, nach seiner kurzen Einlage als Exposéautor bei Perry Rhodan, zog sich Ziegler aus der Phantastik zurück und widmete sich anderer Literatur, in der immer wieder Köln zum Schauplatz wurde. Erst in den letzten Jahren kehrte er zu seinen Wurzeln zurück und es war sogar ein Wiedereinstieg bei Perry Rhodan geplant. Kurz nach Fertigstellung des Manuskripts zum vorliegenden Roman verstarb Rainer Zubeil/Thomas Ziegler viel zu früh am 11. September 2004.

Mit seinem letzten Roman hat Ziegler seinen Beitrag zu neuen Einblicken in die lemurische Geschichte geleistet und gleichzeitig zur Lösung der letzten Fragen in diesem Minizyklus beigetragen. Levian Paronn, dessen Herkunft bisher im Dunkeln lag, kommt aus der Epoche des Niedergangs der lemurischen Zivilisation, vom Ende des Kriegs gegen die Bestien. Er ist Wissenschaftler und Technad; die mysteriöse Übergabe des Zellaktivators wird von Tolot so interpretiert, dass ES seine Finger im Spiel hat. Anscheinend hat ES noch etwas vor mit den Lemurern, oder es hätte ihnen nicht durch Paronn und die Zeitschleife um Tolot eine zweite Chance, die Überbrückung der Jahrtausende mit Generationsschiffen in die Gegenwart, gewährt. Also taucht ein neues Rätsel auf: Was bezweckt die Superintelligenz ES mit diesem Vorgehen? Allzu schwerwiegende Auswirkungen dürfte es nicht haben, oder im nächsten und letzten Band des Zyklus schlägt die Mission doch noch endgültig fehl, denn meines Wissens tauchen diese neuen Lemurer in der Heftserie bisher nicht auf.

Ziegler verarbeitet die bei Zeitreisegeschichten immer auftauchenden Fragen nach Paradoxa und der logischen Probleme sehr zufriedenstellend (auch dieses Themas nahm er sich oft und gern an in seinen Werken): Während man in den letzten Zyklen der Heftserie zu einer wenig erbaulichen Logik kam, nach der die Protagonisten bei Zeitreisen machen können, was sie wollen, ohne Paradoxa hervorzurufen, da „alles geschieht, weil es bereits geschah“, lässt Ziegler seinen Protagonisten Tolot viel über diese Problematik nachdenken und kommt eben nicht überzeugt zu diesem Ergebnis. Tolot ist der Meinung, man müsse sich durchaus vorsehen als Zeitreisender, um keine schwerwiegenden Fehler zu machen. Er zum Beispiel könnte in der Epoche durchaus doppelt existieren und es wäre fatal, seinem anderen Ich zu begegnen. Oder wenn er die Zerstörung des Zeittransmitters nicht verhindert hätte, wäre Paronn nicht in die Frühzeit der Lemurer gelangt, um dort die Sternenarchen auf die Reise zu schicken. Durch sein Wissen um die Zukunft (aus seiner Sicht eigentlich der Gegenwart) versucht Tolot, Veränderungen der Vergangenheit zu verhindern oder die Vorraussetzungen für eben die bekannte Zukunft zu schaffen. Paronn dagegen arbeitet bekanntlich darauf hin, über den langen Weg einer Jahrtausende währenden Zeitschleife doch noch das große Paradoxon hervorzurufen, um die Bestien seiner Zeit zu vernichten. Dass er damit die Nachfahren der Lemurer, die Terraner und so weiter auslöschen würde, interessiert ihn nicht, denn aus seiner Sicht sind sie nur eine mögliche Zukunft, die nicht eintreten muss (Ziegler beschreibt Paronn als Entwickler einer Multiversumstheorie, und nach diesen Gesichtspunkten ist Paronns Einstellung sogar nachvollziehbar – bis zu dem Punkt, dass er über die Zeitschleife die Zukunft ja erleben wird und sie dann nicht mehr eine Möglichkeit ist, sondern eben Realität).

Man sieht, Ziegler schafft mit diesem Roman eine befriedigerende Ansicht der Zeitproblematik als seine Kollegen in der Hauptserie, obwohl er sich schwerpunktmäßig auf die Erzählung seiner Geschichte konzentriert und so ein spannendes, sehr unterhaltsames Abenteuer um Icho Tolot entstehen lässt. Dabei hatte er eine denkbar schwierige Aufgabe, denn durch die vorhergehenden Romane ist in groben Zügen klar, wie Tolot in der Vergangenheit eingreifen muss.

Insgesamt kann Ziegler an das hohe Niveau von Andreas Brandhorst anknüpfen und dem Zyklus eine weitere Facette verleihen, die ihn über die Vorgänger „Odyssee“ und „Andromeda“ erhebt. Bleibt zu hoffen, dass Zieglers Ansichten über die Zeit von seinen Kollegen aufgegriffen werden und er damit dem unbefriedigenden „es geschieht, weil es geschah“ ein Ende setzt, denn eindeutig lässt sich so eine spannendere Geschichte erzählen. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, und damit bewahre ich Rainer Zubeil in bestem Andenken.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (7 Stimmen, Durchschnitt: 2,43 von 5)

Taylor, G. P. – Schattenbeschwörer, Der

Eigentlich ist es sehr schade, dass nur die wenigsten Fantasy-Epen es auch schaffen, als auditives Erlebnis vermarktet zu werden, soll heißen: Hörbücher gibt es zwar schon einige, aber für meinen Geschmack viel zu wenige in diesem Genre. Dabei gibt es in dieser Sparte eine Menge empfehlenswerten Materials, auch wenn man selbst im Bereich der Audiobooks wirklich jeden neuen Release mit dem „Herr der Ringe“ messen lassen muss.
Eine etwas modernere Variante ist nun mit dem vierteiligen CD-Hörbuch „Der Schattenbeschwörer“ gelungen, welches basierend auf der Vorlage von G. P. Taylor die Geschichte des jungen Thomas erzählt, der sich gegen die Mächte der Finsternis behaupten muss und dabei auf allerhand Widerstand trifft.

Seit der dreizehnjährige Waise Thomas denken kann, leben er und die anderen Bewohner des kleinen Dorfes Thorpe unter dem Einfluss des düsteren Pfarrers Demural. Demural, Vikar von Thorpe, kontrolliert den Ort mit eiserner Hand und versucht in seinem Größenwahnsinn durch die Beschwörung dunkler Mächte seine Macht auszudehnen.
Zunächst scheint sich ihm niemand in den Weg stellen zu wollen, bis Thomas den geheimnisvollen Fremden Raphah trifft. Gemeinsam mit ihrer Freundin Kate lassen sie sich auf Gefahren ein, welche weit über ihre Vorstellungskraft hinausgehen.
Ein Kampf gegen finstere Mächte und Dämonen beginnt, der den drei Freunden beinahe zum Verhängnis wird. In dem Moment, in dem die Situation dann zu eskalieren droht und keine Hoffnung mehr zu erwarten ist, bekommen Thomas und seine Gefährten unerwartete Hilfe.

Die Handlung der Geschichte ist eigentlich sehr gut und auch sehr interessant gestaltet, was ich vor allem daran festmache, dass hier einige Rollen vertauscht werden, die in der Realität sicher nicht so aussehen, aber dazu beitragen, dass die Erzählung nicht vorhersehbar wird und die Spannung über die gesamte Zeit erhalten bleibt. So übernimmt zum Beispiel ein Pirat die Rolle des Verteidigers der Guten, während der heilige Priester von Thorpe wider seine Aufgabe die Macht an sich reißt und sein Volk unterwirft. Außerdem treten viele religiöse Themen in den Vordergrund, wobei ich jedoch nicht auf einen Bezug zu aktuellen soziokulturellen Kritikpunkten schließen möchte, auch wenn der Machtmissbrauch des fanatischen Priesters ein zentrales Thema der Geschichte ist.

Für Anhänger von Magie innerhalb des Fantasy-Bereiches wird auch hier eine Menge geboten, denn an manchen Stellen hagelt es nur so Zaubersprüche, aber das war bei einem solchen Titel auch zu erwarten. Insgesamt ist so eine sehr ausgewogene Mischung aus abenteuerlichen Grundstrukturen, religiösem Fanatismus und phantastischem Traumdenken kombiniert worden, welche im Rahmen der Fantasy-Literatur alle wichtigen Gesichtspunkte erfüllt, um als Story empfohlen werden zu können.

Leider hat man sich auf der Hörbuchversion von „Der Schattenbeschwörer“ nicht genügend Zeit gelassen, um die Sache noch ausführlicher auszuschmücken, denn an manchen Stellen wirkt das Ganze doch sehr hektisch, bzw. zu viele Inhalte werden in einen viel zu kurzen Zeitrahmen gepackt, was im Endeffekt sicher schade ist, denn die Story an sich hat einiges an interessantem Inhalt zu bieten. Da ich den Vergleich zur Romanvorlage (|Arena|, Februar 2004) mangels Unterlagen nicht bemühen kann, möchte ich mir auch kein Urteil über diese und die auditive Umsetzung erlauben, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Taylor Stoff für mehr als diese 305 Minuten aus der Geschichte herausgeholt hat (immerhin 400 Seiten umfasst die gebundene Ausgabe).

Dafür fällt aber der Erzähler Wolfgang Rüter wiederum sehr positiv auf, der von Anfang an die Geschichte mitlebt und die Intrigen, Konflikte und Abenteuererzählungen mit vollem Herzblut interpretiert. Das wertet „Der Schattenbeschwörer“ wieder ungemein auf, auch wenn die relaxte Stimmung so mancher anderer Hörbuchumsetzungen dem hier Gebotenen abgeht. Trotzdem: Fans düsterer Fantasy-Literatur, und dabei vor allem die jüngere Generation – „Der Schattenbeschwörer“ ist nicht nur wegen des jungen Hauptdarstellers, sondern auch wegen der einfachen und leicht verständlichen Erzählweise ganz klar auf den jungen Leser eingestellt – dürfte aber schnell Gefallen an der Geschichte um Thomas, Kate und Demural finden. Ich für meinen Teil muss jedenfalls ganz klar sagen, dass ich mich in den fünf Stunden des Hörspiels prima unterhalten gefühlt habe.

George Baxt – Mordfall für Tallulah Bankhead

Baxt Bankhead Cover kleinDas geschieht:

New York, 1952: Die Hexenjagd des paranoiden US-Senators Joseph McCarthy ist auf ihrem Höhepunkt. Sie richtet sich gegen „Kommunisten“, echte oder eingebildete, die sich vor dem „House Committee on Unamerican Activities“ (HUAC) zu ihren „unamerikanischen Aktivitäten“ äußern müssen. Befindet sie dieses Tribunal für schuldig, werden sie bestraft, finden sich auf einer Schwarzen Liste wieder und erhalten praktisch Berufsverbot.

Die Künstlerwelt ist dem HUAC schon lange ein Dorn im Auge. Sie gilt als Stall allzu freidenkender Salon-Kommunisten, den es endlich auszumisten gilt. Um ihre Pfründen bangend schlagen sich die großen Filmstudios in Hollywood, aber auch Radiostationen, Theater und sogar Nachtclubs im ganzen Land auf die Seite der Hexenjäger. Diese zwingen ihre Opfer unter Androhung hoher Strafen dazu, Namen von „Kommunisten“ zu nennen. Die Folge: ein blühendes Denunziantentum. George Baxt – Mordfall für Tallulah Bankhead weiterlesen

Morgan, Fidelis – Rival Queens, The

Meine neueste Entdeckung heißt Fidelis Morgan. Über ihren ersten historischen Kriminalroman [„Unnatural Fire“ 1006 habe ich bereits berichtet. Dieses Mal soll es um die Fortsetzung „The Rival Queens“ gehen.

_Theater, Theater …_

London, 1699: Die Hauptfiguren Countess Anastasia Ashby de la Zouche, ihre Helferin Alpiew sowie den grummeligen Diener Godfrey kennen wir bereits aus dem ersten Band. Wer diesen nicht gelesen hat: Die drei stehen ständig kurz vorm Schuldturm, wohnen zu dritt in der Küche eines ehemals vornehmen, jetzt aber fast nur noch von Tauben bewohnten Stadthauses. Und ähnlich heruntergekommen wie ihre Residenz sind auch die drei ungewöhnlichen Protagonisten. Die Countess ist eine alte Schachtel, ein gutes Stück jenseits der Sechzig, der ständig die Perücke vom Kopf rutscht und das Make-up vom Gesicht bröselt. Alpiew ist im mittleren Alter und mit einem prächtigen Vorbau ausgestattet. Godfrey ist der Älteste, mit gebücktem Greisengang, zahnlos und zudem noch ein puritanischer Kostverächter, der trotz seiner untergebenen Stellung immer etwas zum Meckern findet – besonders an den beiden Frauen.

Dieses Mal also stolpern Alpiew und die Countess über den Mord an einer Schauspielerin. Verdächtige bieten sich zuhauf an, der schmierige Kollege, die rivalisierende Schauspielerin Rebecca Montagu, mit der sich die Ermordete häufig öffentlich gestritten hat, der geldgierige Theatermanager Mr. Rich, ein Lebkuchenverkäufer und der Anführer einer adligen Bande von Taugenichtsen sind da nur die wichtigsten, die zu nennen wären. Unsere beiden Hobby-Detektivinnen werden von der Bühnen-Rivalin Rebecca Montagu angeheuert, den Mord zu lösen. Und wenn sie nicht (schon wieder) im Schuldturm landen wollen, müssen sie den Auftrag auch annehmen – allerdings scheint ihnen Rebecca selbst die wahrscheinlichste Täterin zu sein. Und wie kommt eigentlich eine Schauspielerin an derartige finanzielle Rücklagen, dass sie sich eine ganze Kiste Gunpowder-Tee leisten kann? Doch dann kommt es zu einem zweiten Mord. Und langsam erahnen die Countess und Alpiew, dass in der Welt des Theaters das offensichtlich Erscheinende nicht immer der Wahrheit entsprechen muss und ein Blick hinter die Kulissen und Masken eine ganz andere Wahrheit zu Tage fördern kann.

_Barock unplugged_

Dieses Buch ist alles andere als gewöhnlich. Vergeblich sucht der Leser hier die hübsche, jugendliche Hobbydetektivin. Stattdessen finden wir eine alte Dame und ihre auch nicht mehr ganz taufrische Gefährtin sowie einen Diener, der auf bemalte Holzzähne zurückgreifen muss. Vergeblich sucht man auch die fast unvermeidlich gewordene Liebesgeschichte und findet stattdessen einen fesselnden historischen Krimi mit Schmunzeleffekten, was ich für eine sehr angenehme Abwechslung halte. Auch die Nebenfiguren – von der temperamentvollen, fußstampfenden Schauspielerin bis zum stotternden und etwas trotteligen Gefängniswärter – sind allesamt voller Detailfreude gezeichnet, dabei aber doch in Zeit und Plot eingepasst und insgesamt sehr glaubhaft.

Die Autorin Fidelis Morgan ist selbst eine in Großbritannien gefeierte Schauspielerin und hat darüberhinaus einige Sachbücher zur Geschichte des Theaters besonders in der Zeit der Reformation veröffentlicht. Sie hat einen Abschluss in „Drama and Theatre Arts“ von der Birmingham University. Dort hat auch ihr Interesse an der Restaurationsperiode und insbesondere ihrer Theaterkultur seinen Ursprung genommen. Heute ist Fidelis Morgan eine erfolgreiche Schauspielerin. Obwohl sie auch in britischen Fernsehproduktionen wie u. a. „Jeeves & Wooster“, „Big Women“, „Mr. Majeika“, „As Time Goes by“ und „Dead Gorgeous“ aufgetreten ist, liegt ihr Erfolg doch hauptsächlich am Theater. Besonders gerühmt wurde ihre Arbeit am Glasgow Citizens Theater. Neben der Schauspielerei hat sie auch an der Adaption von Romanen für die Bühne mitgearbeitet. Bevor sie begann, historische Romane zu schreiben, hatte sie bereits fachliche Abhandlungen über Theater und Schauspieler der Geschichte, insbesondere der Restaurations-Periode veröffentlicht.
[„Unnatural Fire“ 1006 war Fidelis Morgan erster Roman und zugleich ist er der erste Band einer Serie von vier historischen Kriminalromanen um die beiden eher ungewöhnlichen Detektivinnen. Nach dem hier behandelten zweiten Band „The Rival Queens“ sind also noch zwei weitere Bände der Serie erschienen.

Ihr Fachwissen bringt Fidelis Morgan in dieses Buch ausgezeichnet ein und schafft es so, einen lebendig und dreidimensional erscheinenden historischen Hintergrund zu zeichnen, ohne jemals langweilig oder gar schulmeisterhaft zu klingen. Ganz im Gegenteil, auch in diesem Buch behält sie ihre Eigenart bei, historische Persönlichkeiten von ihrem hohen Ross zu heben. Letztes Mal hatten wir Isaac Newton als etwas wirren Nachbarn der Countess, dieses Mal ist der heute insbesondere noch durch seine mehrfach veröffentlichten Tagebücher bekannte Samuel Pepys an der Reihe, der kurzerhand zum Wohle der Auflösung der Geschichte mit der Countess bekannt ist. Doch der ehrwürdige Pepys erscheint in einem ganz neuen Licht, nämlich als ältlicher Spinner, dessen einzige Konversationsthemen Sex und Schiffe sind und der unserer Heldin Alpiew penetrant an die Wäsche will.

Auch London, Schauplatz unserer Geschichte, erscheint mir historisch glaubhaft und dabei sehr eindringlich geschildert, wobei die Autorin sehr gut den Unterschied zwischen den ärmeren Vierteln und den Wohngegenden der besser situierten Reichen und Adligen herausgearbeitet hat. So folgen wir den Protagonisten an die unterschiedlichsten Schauplätze, vom Londoner Tower über einen barocken Sexshop bis hinter die Kulissen der Theater.

Der kriminalistische Teil der Geschichte ist eher noch spannender als im ersten Band. Die Spannung setzt eigentlich sofort ein und hält über das gesamte Buch hinweg an. Und wenn es mir auch gelungen ist, einzelne Teile des gesamten Puzzles vor den beiden älteren Damen zu lösen, so erlebt der Plot dann doch einige überraschende Wendungen, doch nicht so übertrieben, dass ich mich von der Autorin hinters Licht geführt fühle.

Die Sprache ist üppig, von ein paar Kraftausdrücken durchsetzt und dem barocken Zeitalter hervorragend angepasst; dadurch fügt sie sich nahtlos in das Gesamterscheinungsbild ein. Dennoch ist sie durch ihre stärkere historische Prägung nichts für Anfänger im Lesen englischer Originale, und die eine oder andere Redewendung, die selbst dem durchschnittlichen englischen Muttersprachler nicht vertraut sein wird, muss in Kauf genommen werden. Die Bedeutung lässt sich stets auch ohne spezielle Wörterbücher aus dem Kontext entnehmen.

Ganz ohne Frage: Die Countess und Alpiew haben sich mit ihrem zweiten Fall endgültig einen Stammplatz in meinen Bücherregalen erarbeitet. Ihre Bücher sind Fans ungewöhnlicher historischer Kriminalromane uneingeschränkt zu empfehlen und mein abschließendes Urteil lautet: „Encore!“

Monaldi, Rita / Sorti, Francesco – Imprimatur

11. bis 25. September 1683: zwei Wochen im heißen römischen Spätsommer, welche die Weltgeschichte verändern könnten. In der Locanda del Donzello, einer der zahllosen kleinen Herbergen der Ewigen Stadt, stirbt ein Gast, der alte französische Edelmann de Mourai. Die Umstände weisen auf einen Pestfall hin, was die Stadtverwaltung umgehend und rigoros handeln lässt: Die Herberge wird mit Brettern vernagelt und bewacht, ihre Bewohner unter Quarantäne gestellt.

Diese sind empört und voller Furcht. Dabei schließt Cristofano, ein berühmter Arzt aus Siena, die Seuche als Todesursache aus. Er tippt vielmehr auf Gift. Dass sich ein Mörder unter ihnen befinden könnte, kann die Gruppe ganz und gar nicht beruhigen. Aber die Theorie scheint sich zu bewahrheiten, als Pellogrino des Grandis, der Wirt der Herberge, einen mysteriösen Unfall erleidet und schwer verletzt aufgefunden wird.

Der Abbé Atto Melani aus Pistoia beschließt, sich als Detektiv zu versuchen. Ihm zur Seite steht der Hausbursche der Locanda del Donzello. Der junge Mann, ein Waisenkind, das eine gute Ausbildung erfuhr, begrüßt begeistert die Möglichkeit, die Grenzen seiner engen Welt zu erweitern. Die Schar der Verdächtigen ist bunt. Roberto Devizé, Musiker aus Paris, gehört zu ihnen, dazu gesellen sich Pater Juan des Robleda, Jesuit aus dem spanischen Granada; Domenico Stilone Priàso, Dichter aus Neapel; Angélo Brenozzi, Glasbläser aus Venedig; Pompeo Dulcibeni aus Fermo, des Verstorbenen de Mourais Reisebegleiter; Eduardus Bedfordi, ein Engländer – und Clorida, die wunderschöne Kurtisane.

Sie alle, so erfahren die Detektive rasch, sind nicht jene, für die sie sich ausgeben. Alle hüten sie ein düsteres Geheimnis, scheinen verwickelt in ein mörderisches Intrigenspiel, das ganz Europa umspannt. Es geht um nichts weniger als die Verteidigung Europas gegen die Türken, deren offenbar unüberwindlichen Heere Wien, das letzte Bollwerk des Abendlandes, belagern. Der habsburgische Kaiser ist geflohen. Papst Innozenz XI. will sich statt seiner zum Haupt des Widerstands aufschwingen. Die Könige Europas hören auf ihn – mit einer Ausnahme: Louis XIV., Frankreichs „Sonnenkönig“, missgönnt Innozenz den politischen Machtzuwachs. Wie es scheint, ist der machtgierige Souverän sogar bereit, sich mit den Türken zu verbünden.

Alle Parteien setzen Geheimagenten ein. Ausgerechnet in der Locanda del Donzello scheinen sich einige der berühmtesten Vertreter ihrer geheimnisvollen Zunft versammelt zu haben. Ihre Aktivititäten setzen sie trotz der Quarantäne fort. Dabei gehen sie durch düstere Geheimgänge – und über Leichen. Der Größte unter diesen Spionen ist – der Hausbursche erkennt es mit Schrecken – Atto Melani, der „Ratgeber“ des Sonnenkönigs. Den übrigen „Gästen“ traut er noch weniger. Wohl oder übel hält er sich deshalb an Melani. Der hat aber noch eine private Rechnung offen, die zu tilgen ihn und alle, die sich in seinem Umfeld bewegen, in Lebensgefahr bringen wird …

Die Welt des Jahres 1683, eine für den Menschen der Moderne fremdartige, exotische Ära, projiziert in die kleine, überschaubare Locanda del Donzello, die gleichzeitig Schauplatz eines „locked room“-Mysteriums des klassischen Kriminalromans wird. Grundsätzlich lassen beide Aspekte kaum Wünsche offen. Zehn Jahre haben die beiden Autoren (laut Klappentext) an ihrem Opus gearbeitet; man glaubt es gern, denn die Fülle der Fakten, die vor dem Leser ausgebreitet werden, ist beeindruckend. Politik, Religion, Medizin, Handwerk, Architektur, Kochkunst, Alchemie, Musik – Das Große, Wichtige mischt sich mit dem Alltäglichen. Dies entfaltet durchaus seine Wirkung, wirkt über weite Passagen freilich wie angelesenes Wissen, das um jeden Preis Eingang in die Handlung finden musste.

Solche gelehrten Vorträge und Diskussionen blähen die Geschichte auf, bis man sie nur mehr in ein backsteindickes Buch pressen kann, das sich fabelhaft als „Bestseller“ auch für „anspruchsvolle Leserschichten“ vermarkten lässt. Dabei ist das Schielen nach dem großem Vorbild mehr als offensichtlich: Umberto Eco verzwirbelte 1980 in „Der Name der Rose“ kongenial Historie und Thriller. Dieses Werk brachte eine quasi industrielle Fertigung von Romanen in Gang, die in und mit der Vergangenheit spielen. Um die meisten schlage man besser einen weiten Bogen. „Imprimatur“ spielt in einer höheren Liga. Die unnachahmliche Leichtigkeit, mit der Eco zwischen Wissenschaft und Unterhaltung wandelte, geht Monaldi & Sorti allerdings ab.

Sie streben wie gesagt allzu deutlich – wenn nicht nach dem „Meisterwerk“, so sicherlich nach dem „Bestseller“. Letzteres mag gelingen, zu Ersterem fehlt eine Menge. So ist es keine gute Idee, die Protagonisten über viele hundert Seiten in der abgeriegelten Locanda festzuhalten. Die Mär von der Europa überspannenden Verschwörung lässt sich partout nicht mit dem klassischen „Mord im verschlossenen Raum“ kombinieren. Folgerichtig kommt erst dann Schwung in die Handlung, als sie durch unzählige Geheimgänge die Herberge verlässt. In den Straßen und Gassen Roms gewinnt die Geschichte sogleich Dynamik, es wird weniger geredet als gehandelt.

Es wurde auch Zeit, denn die Story verdient die Aufmerksamkeit, die ihr endlich zuteil wird. Das Autorenduo hat sich viel Mühe gegeben, ein zentrales Kapitel der europäischen Geschichte auf ungewöhnliche Weise zu „rekonstruieren“. Nie sollte sich der Leser sicher sein, hinter das „Imprimatur“-Mysterium zu blicken – es verwandelt sich ständig, enthüllt neue Seltsamkeiten, mündet in deduktiven Sackgassen, ändert die logische Richtung, schließt Irrtümer und Fehlinterpretationen der Handelnden niemals aus. Die Autoren haben zu jedem Zeitpunkt die Nasen vorn. Noch besser: Die unzähligen Rätsel, die bis dato aufgeworfen wurden, finden im wahrlich großen Finale nicht nur ihre Auflösung. Diese kann ihrer gewaltigen Vorgeschichte standhalten, ohne durch allzu läppische, womöglich aus dem Hut gezogene „Lösungen“ zu verärgern. Die Autoren haben unzählige historische Puzzleteile famos zusammengesetzt. So muss es auch sein am Ende eines Romans, in den man immerhin die Zeit für die Lektüre von mehr als 700 Seiten investiert hat!

Zehn Jahre Arbeit haben Monaldi & Sorti in ihr Werk investiert. Sie möchten offenbaren, welche Mühe sie sich gegeben haben. Viel Staub haben sie in zahlreichen Archiven geschluckt, sich durch meterdicke Stapel staubiger Uralt-Quellen gewühlt, obskure Hinweise kreuz und quer durch Europa verfolgt. Was sie teilweise herausgefunden, teilweise neu entdeckt haben, fließt beeindruckend in „Imprimatur“ ein. Dem eigentlichen Roman folgt indes eine fünfzigseitige wissenschaftliche Abhandlung, die das gerade Geschriebene noch einmal aufgreift und vertieft: Dem Autorenduo gönnt man seinen Triumph, aber es ist zu fürchten, dass die meisten historischen Laien diesen Abschnitt großzügig überspringen. Der skeptische Fachmann wiederum wird sich – die Autoren erwarten nichts anderes – wohl kaum dem Schluss anschließen, das letzte Wort zum Reizthema „Innozenz XI. – Held der Geschichte oder infamer Intrigant“ sei nunmehr gesprochen.

Was die Handlung lange an Wünschen offen lässt, kann die Figurenzeichnung jederzeit ausgleichen. Natürlich gehen die Autoren auch hier an sich schematisch vor: Cristofano ist nicht e i n Arzt, sondern d e r Arzt, d. h. der Modellmediziner für seine Epoche, der immer eine Gelegenheit findet, seine Zuhörer und damit uns, die Leser, über den Stand seiner Wissenschaft (die arg an mittelalterliche Magie erinnert) in Kenntnis zu setzen. Ähnliches gilt für die anderen Protagonisten; sie stellen Repräsentanten weiterer Schichten des ausgehenden 17. Jahrhunderts: Kleriker, Adliger, Künstler, Handwerker, Kurtisane etc. Was sie zu sagen haben, ist wie bereits erwähnt oftmals interessant, nicht selten jedoch abschweifend und langweilig. Vor allem trägt es kaum zur Handlung bei.

Das Schema durchbricht der (stets anonym) bleibende Hausbursche. Die Autoren formen ihn zum Wanderer zwischen den Welten bzw. Ständen, deren Grenzen er als Diener vieler Gäste und nun in der Quarantäne überschreiten kann. Dumm ist er keineswegs, sondern naiv und unerfahren. Das muss er auch sein, denn er mimt nach dem Willen des Autorenduos den „reinen Toren“, der staunend und ohne eigenes Verschulden in ein Abenteuer oder eine Krise gerät. Der Hausbursche vertritt den Leser/die Leserin, die in der Regel wenig Ahnung haben von der Welt des Jahres 1683. Gemeinsam mit ihm werden wir vom Autorenduo durch die übrigen Figuren informiert. Das funktioniert gut, nur manchmal wird dieses Muster ein wenig zu offensichtlich.

Gleichzeitig ist der Hausbursche der „Watson“ in einer Kriminalgeschichte. Von der Kriminalistik bzw. der Unterwelt der zeitgenössischen Geheimdienste versteht er ebenfalls nichts. Deshalb stellt er die dummen Fragen, die auch uns Lesern ständig auf der Zunge liegen. Geduldig werden sie beantwortet vom „Holmes“, hier verkörpert durch den Abbé Melani, der wie alle genialen Schnüffler gern und ausgiebig über seine Arbeit spricht. Auch hier ist Monaldi/Sorti ein farbenfroher Charakter geglückt – Melani ist nicht nur ein mit allen Wassern gewaschener Agent, dem man besser nicht zu viel Vertrauen schenkt, sondern auch ein genialer Sänger, den man zur „Konservierung“ seiner Singstimme in jungen Jahren entmannt hat; auch so eine seltsame Sitte der Vergangenheit, die uns die Autoren nahe bringen …

Der ständigen Unsicherheit darüber, welchem Bewohner/Insasse der Locanda eigentlich zu trauen ist (keinem nämlich), verdankt „Imprimatur“ einen Gutteil seines Unterhaltungswerks. Hier haben die Verfasser wirklich gute Arbeit geleistet. Die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß verschwimmen ständig. Die Bösen sind oft tragisch, ehrlich, witzig, die Guten berechnend, durchtrieben, undurchschaubar. Wie der arme Hausbursche bekommen wir einfach keinen festen Boden unter die Füße und reihen uns in die lange Reihe der „Besiegten“ ein, denen der Hausbursche seine Erinnerungen widmet.

Stets präsent, obwohl nur in wenigen Sätzen anwesend, ist Papst Innozenz, der letztlich alle seine Widersacher niederwirft oder schlicht überlebt. Er ist der wahre Bösewicht in diesem Spiel – ein hochintelligenter, aber skrupelloser Mann, der sein Amt um des eigenen Vorteils willen als Instrument seiner Macht- und Geldgier missbraucht und die Spuren seiner Schandtaten so perfekt zu verwischen weiß, dass spätere Generationen seine Heiligsprechung verlangen.

In diesem Zusammenhang stoßen Monaldi & Sorti selbstverständlich in das Horn der „Alles Böse kommt vom Vatikan“-Fraktion, das in den letzten Jahren von vielen anderen Unterhaltungsschriftstellern mehr oder weniger perfekt gespielt wird. Böse Päpste und uralte katholische Geheimbünde zur Unterdrückung biblischer „Wahrheiten“, die der Amtskirche missfallen, tummeln sich jederzeit in den Bestsellerlisten dieser Welt. Nie wird dieses Motiv freilich so perfekt mit historischen „Wahrheiten“ unterfüttert wie in „Imprimatur“. Diese Intrige ist wahrlich fast zu schön, um nicht wahr zu sein – eine bemerkenswerte Leistung, die den Verdruss über Längen in den ersten beiden Dritteln rasch und nachdrücklich vergessen macht!

Rita Monaldi und Francesco Sorti haben sich – thematisch angemessen ein wenig dramatisierend – in der Rahmenhandlung zu „Imprimatur“ selbst porträtiert: Ehemalige Studenten diverser Geisteswissenschaften sind sie, die sich irgendwann einen Brotjob gesucht haben und als Journalisten arbeiteten. Da die echte Liebe zur Geschichte freilich eine hartnäckige ist, haben sie ihre Forschungen in die Freizeit verlegt und schließlich mit dem Beruf verknüpft. Das Ergebnis angeblich zehnjähriger Aktivitäten in vielen Archiven und Bibliotheken (so der Klappentext) ist eben dieses „Imprimatur“ (sowie – eine so lange Zeit investiert man ungern für nur ein Buch – ein weiterer historischer Kriminalroman – „Secretum“, der sicherlich auch hierzulande bald erscheinen wird).

Clemens, James – Buch der Rache, Das (Alasea / Banned and the Banished 3)

Elena soll sich ans Meer gewöhnen. Das muss sie, denn A’loatal und das Buch sind nur über das Meer zu erreichen. Doch kaum ist sie zu einer dieser Übungen an Bord des kleinen Schiffes gegangen, werden sie von Meerkobolden angegriffen. Elena wird von einem Giftstachel getroffen, doch ihre Magie verhindert, dass sie stirbt. Stattdessen beschert ihr die Nähe des Todes eine neue Form von Magie, mit deren Hilfe sie den Stab ihres Bruders in eine magische Waffe umwandelt. Sie haben die Meerkobolde kaum zurückgeschlagen, da geraten sie in eine erneute, größere Gefahr, an die sie Er’ril verlieren …

Währenddessen ist Mikela unterwegs zur Hafenstadt Port Raul, wo sie, wenn alles planmäßig geklappt hat, ihre in Schattenbach zurückgelassenen Gefährten finden soll. Sie findet sie tatsächlich, spürt jedoch nicht, dass einer von ihnen inzwischen ein Bösewächter geworden ist. Von der Sumpfhexe Cassa Dar gewarnt und von Tol’chuks Herzstern geführt, wollen sie Elena zu Hilfe eilen. Eine weitere Prophezeiung spaltet die Gruppe jedoch erneut. Während Tol’chuk, Merik und Mama Freda mit einer kleinen Gruppe von Zo’ol aufs Meer hinaussegeln, folgen Mikela, Kral und die beiden Gestaltwandler aufgrund einer weiteren Prophezeiung dem obersten Piraten der Stadt zurück in seine Heimat, zum Nordwall, wo die Zwerge drohen, nach Süden zu marschieren.

Saag-wan und Kast sind inzwischen unterwegs, um das Seefahrervolk der De’rendi zu suchen und sie als Verbündete für die Schlacht um A’loatal zu gewinnen. Die De’rendi dagegen sind den Mer’ai aufgrund ihrer Vergangenheit nicht unbedingt wohlgesonnen, und es wird ein schweres Stück Arbeit, sie inmitten eines tobenden Sturmes zu überzeugen, dass sie sich zum geplanten Angriffstermin am vereinbarten Treffpunkt einfinden.

Abgesehen davon wird die Zeit knapp. Denn der oberste Dunkelmagier hat beschlossen, das Buch des Blutes zu zerstören, damit es der Hexe nicht in die Hände fallen kann …

Der dritte Band des Zyklus arbeitet mit den bisher meisten Handlungssträngen. Clemens ist jedoch klug genug, nicht alle gleichzeitig nebeneinander herzuführen, sondern sich – wie bisher auch – immer auf zwei zu beschränken, die einander abwechseln: das Geschehen um Elena wechselt mit dem um Mikela und pausiert nach den ersten dreihundert Seiten, um den Handlungsfaden um die Mer’ai und die De’rendi weiterzuführen. An dem Punkt, wo die vereinigten Seetruppen zu Elena und ihren Gefährten stoßen, wird der Handlungsfaden um den verschwundenen Er’ril in den Wechsel eingeflochten. Das dient nicht nur der Übersichtlichkeit, sondern auch der Spannung, denn es ist klar, dass Clemens den Handlungsfaden um Elena nicht still legt, ohne vorher eine bedrohliche Aussicht auf das weitere Geschehen anzudeuten.

Die Gruppe um Mikela taucht erst am Ende des Buches wieder auf. Da für das Bestehen eines Abenteuers jedoch immer eine bestimmte Kombination von Fähigkeiten erforderlich ist, müssen die entstandenen Lücken irgendwie ersetzt werden, Rollenspiel lässt grüßen. Wie im [„Buch des Sturms“ 996 angedeutet, wird Joachs Rolle weiter ausgebaut. Abgesehen von der Waffe, die Elenas Magie im formt, spielt sein Traum eine wichtige Rolle in den Ereignissen, die mit dem Buch in Zusammenhang stehen, und gibt dem Leser Stoff zum Rätseln. Außerdem freundet er sich mit einem der Zo’ol an. Wer diese Männer genau sind und woher sie kommen, wird in diesem Band nicht verraten, vielleicht tauchen sie später noch einmal auf. Mama Freda, die in Port Raul zur Gruppe stößt, stammt aus dem Dschungel im Süden, einem Landstrich, der bisher zwar auf der Landkarte angedeutet war, aber jetzt zum ersten Mal auftaucht. Die alte Frau ist eine Heilerin. Zwar ist sie blind, kann aber durch die Augen ihres Haustieres sehen. Das kleine äffchenartige Tier eignet sich dadurch gut als Spion und Kundschafter.

Während der Ausbau der Gruppe durch die Zo’ol und Mama Freda ein weiteres Steinchen im geographischen Mosaik darstellt, liefert der Handlungsstrang um die Mer’ai und De’rendi eines für die Historie der Welt Alasea. Einer der Ältesten des Rates erzählt Saag-wan und Kast die Geschichte ihrer Völker. Auch das Auftauchen der Elv’en bedeutet ein solches Mosaiksteinchen, wobei deren Charakter bisher keine Spekulationen darüber zulässt, welche Rolle sie im weiteren Verlauf spielen werden.

Was mich an diesem Band erstaunt hat, war der frühe Zeitpunkt, zu dem Clemens dem Leser verrät, hinter welchem der Gefährten sich der Bösewächter verbirgt. Ich hatte damit gerechnet, dass Clemens dies als Spannungselement einer unbekannten Bedrohung benutzen würde. Letztlich hat es sich allerdings gezeigt, dass dieser Aspekt für den Kampf um A’loatal überhaupt keine Rolle gespielt hat. Die Gewichtung lag eindeutig auf den Kriegsvorbereitungen und dem Ausbruch des Krieges, für mehr war wohl auch kein Platz.
Der Krieg selbst nahm nur die letzten zweihundert Seiten in Anspruch, und davon drehte sich das meiste um Elenas Suche nach dem Buch. Die Schlacht war lediglich eine Randerscheinung, die befürchteten Szenen blutigen Gemetzels blieben aus. Worauf der Autor aber nicht verzichten wollte, war das Ungeziefer des Bösen, wenngleich man sagen muss, dass auch das etwas in den Hintergrund getreten ist. Es tauchen weniger neue auf, die Beschreibungen sind weniger detailliert, die damit befasste Handlung ist kürzer.
Der Wyvern, das dunkle Wesen aus Joachs Traum, fällt dabei völlig aus dem Rahmen. Er wird als eines von vier Toren bezeichnet, wobei komplett offen gelassen wird, wohin diese führen und worum genau es sich dabei handelt. Sie scheinen jedoch ziemlich unmittelbar mit dem Bösen verbunden zu sein, werden also sicherlich noch an Bedeutung gewinnen.

Bereits in den ersten beiden Bänden [„Das Buch des Feuers“ 969 und „Das Buch des Sturms“ hat der Autor, nachdem der jeweilige Endkampf ausgefochten und der Höhepunkt damit überschritten war, bereits durch Andeutungen den Folgeband vorbereitet. Das verhindert ein völliges Abflauen der Spannung, weckt die Neugier und hält den Leser bei der Stange. In diesem Fall halten beide Szenen auch noch eine überraschende Wendung bereit. Überhaupt steht „Das Buch der Rache“ seinen Vorgängern in nichts nach, im Gegenteil. Die Handlung und die Welt werden komplexer und vielfältiger. Trotz der stets gleichen Methode, nach der Clemens seine Erzählungen aufbaut, gelingen ihm immer wieder überraschende Wendungen, und er versteht es jedes Mal aufs Neue, den Leser gefangen zu nehmen und die Spannung immer weiter anzufachen. Man kann einfach nicht anders als weiterlesen.

Warum der Verlag, der sich bei den Titeln der Vorgängerbände einigermaßen an die Bedeutung gehalten hat, jetzt auf einmal „Wit’ch war“ als „Das Buch der Rache“ überträgt, ist mir leider unverständlich. Die kurzen Rachedrohungen der beiden Dunkelmagier gegen Er’ril, Joach und gegeneinander gehen bei der Gewichtung der eigentlichen Handlung im Krieg völlig unter und dürften also kaum ein ausreichender Grund für eine solche Abweichung darstellen. Ob es am Wechsel des Übersetzers liegt …? Vielleicht werden das die folgenden Bände zeigen.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.

Homepage des Autors: http://www.jamesclemens.com

Morgan, Fidelis – Unnatural Fire

_Die Autorin_

Fidelis Morgan wurde durch einen Streich des Schicksals in einem roten Zigeunerwagen in der Nähe von Amesbury geboren. Wann dieses denkwürdige Ereignis exakt vor sich gegangen ist, ist anscheinend ein gut gehütetes Geheimnis, doch es muss wohl in den 50er Jahren gewesen sein. Sie ist als Tochter eines Zahnarzts im Raum Liverpool aufgewachsen und hat einen Abschluss in „Drama and Theatre Arts“ von der Birmingham University. Dort hat auch ihr Interesse an der Restaurationsperiode und insbesondere ihrem Theater seinen Ursprung genommen. Heute ist Fidelis Morgan eine recht erfolgreiche Schauspielerin. Obwohl sie auch in britischen Fernsehproduktionen wie u.a. „Jeeves & Wooster“, „Big Women“, „Mr. Majeika“, „As Time Goes by“ und „Dead Gorgeous“ aufgetreten ist, liegt ihr Erfolg doch hauptsächlich am Theater. Besonders gerühmt wurde ihre Arbeit am Glasgow Citizens Theater. Neben der Schauspielerei hat sie auch an der Adaption von Romanen für die Bühne mitgearbeitet. Bevor sie begann, historische Romane zu schreiben, hat sie bereits fachliche Abhandlungen über Theater und Schauspieler der Geschichte, insbesondere der Restaurations-Periode, veröffentlicht.

„Unnatural Fire“ war Fidelis Morgans erster Roman und zugleich ist er der erste Band einer Serie von vier historischen Kriminalromanen um zwei eher ungewöhnliche Detektivinnen. Die nachfolgenden drei sind: „The Rival Queens“, „The Ambitious Stepmother“ und „Fortunes Slave“. Weitere Bücher dieser Reihe scheinen momentan nicht geplant zu sein. Für alle, die sich nicht an die englische Originalausgabe trauen, ist unter dem Titel „Die Alchemie der Wünsche“ eine deutsche Übersetzung des hier behandelten ersten Teils erschienen (siehe unten).

_Alchemie und Mord_

Unsere Geschichte spielt im London des Jahres 1699: Anastasia Ashby de la Zouche, Baroness Penge und Countess of Clapham, eine ehemalige Geliebte von Charles II., durchlebt schwere Zeiten: Nicht nur, dass ihr betrügerischer Ehemann ihr mitsamt des Familiensilbers nach Amerika entwischt ist, außerdem plagen die Gräfin auch akute Geldsorgen. Fast alle versetzbaren Möbel ihres Hauses sind bereits verhökert und von den ehemals zahlreichen Dienern ist ihr nur noch der eher exzentrische, alte Godfrey geblieben. Dem Schuldturm entkommt sie nur noch, in dem sie ihre Gabe, Skandale auszuschnüffeln, einem Zeitungsverleger anbietet. Gemeinsam mit Alpiew, ihrer einstmaligen Kammerzofe, will sie nun für die Zeitung die Schmutzwäsche der Reichen und Bedeutsamen durchsuchen.

Doch eines Tages erscheint eine Dame, die Alpiew und die Gräfin anheuert, ihrem eigenen Mann nachzuspionieren, den sie verdächtigt, eine Geliebte zu haben. Die beiden folgen dem vermeintlich betrügerischen Ehemann Beau Wilson einen Tag lang und werden Zeuge, wie der Mann im übelsten Viertel der Stadt entführt wird, nur um am nächsten Tag vergnügt pfeifend wieder vor seiner eigenen Haustür zu stehen, als sei nichts passiert. Als sie ihm am zweiten Tag nachspionieren, trifft er tatsächlich mit einer Frau zusammen, von einem zärtlichen Stelldichein kann aber keine Rede sein, denn die Gräfin stolpert kurz darauf über seine Leiche und die Frau entkommt in das Dunkel der Nacht.

Als die Behörden die Ehefrau des Ermordeten festnehmen, bietet diese dem weiblichen Spürnasenteam eine reiche Entlohnung, wenn es Beweise ihrer Unschuld oder – noch besser – den wahren Mörder finden könnte.
Und damit beginnt die Schnitzeljagd der beiden unwahrscheinlichen „Detektivinnen“ durch das historische London, durch alchimistische Labore, Theater, französische Restaurants, Gefängnisse und dunkle Spelunken. Während für Mrs. Wilson im Gefängnis die Zeit immer knapper wird, können die Countess und Alpiew einige Ungereimheiten in Beau Wilsons Leben entdecken, und in einem alchimistischen Labor finden sie bald darauf das Hausmädchen Betty tot auf, deren Leiche im Dunkeln leuchtet. Und Bettys letzter Hinweis auf ihren Mörder ist die Zahl 33.

_Zwei alte Schachteln räumen auf_

Selten sind mir zwei außergewöhnlichere Hauptfiguren in einem historischen Roman untergekommen. Wer liest, die Hauptfiguren eines historischen Kriminalromans seien eine Gräfin und ihre Ex-Zofe, hat vermutlich – genau wie ich – instinktiv gewisse Vorstellungen von den beiden: jung, vermutlich ziemlich hübsch, aber keineswegs auf den Kopf gefallen. Nun, zumindest mit den ersten beiden Vermutung hat man weit gefehlt. Die Countess, die die 60 bereits seit einer geraumen Zeit überschritten hat, hat ein etwas heruntergekommenes Äußeres, ein faltiges Gesicht und die zerzauste rote Perücke rutscht ihr dauernd vom Kopf. Alpiew ist mit circa 40 auch nicht mehr taufrisch und ihr bestechendstes äußerliches Merkmal ist ihre im wahrsten Sinne des Wortes „herausragende“ Oberweite. Aber auf den Kopf gefallen sind sie denn nun wirklich nicht, und wenn sie auch nicht alles wissen, so beweisen sie doch immer wieder einen gesunden Verstand und zeigen sich vor allem stets aufs Neue „bauernschlau“.

Auch die sonst fast schon unvermeidlich erscheinende Liebesgeschichte, die schon so manchen guten Krimi auf Barbara-Cartland-Niveau heruntergezogen hat, hat sich Fidelis Morgan klugerweise gleich ganz gespart. Und Liebe beschränkt sich hier auf einen eher derben Quickie in einer Amtsstube. Allzu zimperlich sollte man als Leser nicht sein, und den einen oder anderen Kraftausdruck muss man hinnehmen, was mir aber für Zeit und Handlung eher realistisch erscheint.

Gräfin Anastasia und ihre Ex-Zofe Alpiew in ihrem etwas heruntergekommenen Zustand lassen sich in keine mir bekannte Schublade pressen. Fidelis Morgan hat hier wirklich etwas ganz Eigenes geschaffen, quasi eine völlig neues Romangenre, die barocke Krimikomödie. Das allein ist unbedingt bereits ein ungeheurer Verdienst, darüber hinaus fand ich aber auch den Schreibstil überaus lobenswert. Denn das Buch ist zwar sehr humorvoll, dabei aber kein bisschen flach. Die Personen sind allesamt tief gezeichnet und von hoher Originalität. Obwohl ich viel in diesem Genre lese, kann ich keinerlei Anleihen bei anderen Autoren feststellen.

Das verwendete Englisch lässt sich gut lesen und die Satzkonstruktionen sind nicht ausufernd, doch durch das historische Setting und die Thematik kommen schon mal ein paar Wörter vor, die dem Nicht-Muttersprachler vielleicht nicht bekannt sind und sich auch nicht im nächsten Taschenwörterbuch werden finden lassen, die Bedeutung ist aber stets durch den Kontext ersichtlich.

Der historische Hintergrund ist außergewöhnlich gut recherchiert und Frau Morgan hat ihr spezifisches Theater-Fachwissen an einigen Stellen sehr gut eingebracht, ohne auch nur ein einziges Mal schulmeisterlich zu wirken oder durch die dargestellte historische Detailliertheit die Geschichte selbst einzuengen.
Dies ist für mich eine eher ungewöhnliche historische Periode und hebt sich sehr angenehm von der Masse der sonstigen historischen Settings für Kriminalromane ab. Den sehr „barock“ wirkenden Hintergrund mit seinen gepuderten Perücken, Schönheitspflästerchen und den lockeren Sitten hinter einer oft steif wirkenden Fassade sowie die dieser Zeit angepasste Sprache von Fidelis Morgan muss man aber schon mögen, um diesem Buch etwas abgewinnen zu können. Da sie den historischen Hintergrund aber so lebendig zeichnet, dass er fast schon dreidimensional auf mich wirkt, fiel mir das erstaunlich leicht, auch wenn das nicht mein bevorzugtes Zeitalter ist.

Der Titel der deutschen Übersetzung „Die Alchemie der Wünsche“ ist etwas irreführend, denn wenn der alchimistische Wissensstand dieser Zeit auch Erwähnung findet, so bleibt dies doch eher eine Nebensache. Erwähnenswert ist es auch, dass der Nachbar der Gräfin, Isaac Newton, in dem Buch einen Gastauftritt hat und durch sein Wissen zur Lösung des Rätsels beitragen kann. Fraglich bleibt für mich aber, ob die deutsche Übersetzung es wohl geschafft hat, den sehr eigenen Humor des Buches angemessen rüberzubringen – auf alle Fälle eine Herausforderung für den Übersetzer.

Ein winziger Kritikpunkt findet sich vielleicht in dem kriminalistischen Plot, denn bei so viel Humor und Geschichte hat der Leser zu Beginn Mühe, auch noch Spannung zu empfinden. Nach Wilsons Mord, allerspätestens aber als Alpiew die leuchtende Leiche Bettys findet, ist es mit diesem Kritikpunkt vorbei und die Geschichte wird so spannend, wie sie als Krimi ja auch sein sollte. Dass am Ende zwei, drei kleinere Fäden der Geschichte ungelöst bleiben, ist ein Schönheitsfehler, den man dann gut verschmerzen kann. Auch gibt die Autorin dem Leser meiner Meinung nach an manchen Stellen zu viele Lösungshinweise, so dass wir Alpiew und der Gräfin hin und wieder bei der Lösung des Mordes einen halben Schritt voraus sind. Das nimmt dem Ganzen ein Quentchen Spannung, es passiert aber nicht allzu häufig.

_Fazit_

Endlich kann ich mal wieder ein Buch uneingeschränkt weiterempfehlen. Zwar ist „Unnatural Fire“ durch den späten Spannungseinsatz und eine begrenzte Vorhersehbarkeit nicht perfekt, aber diese kleineren Mängel werden für mich durch die sehr orginellen und sehr gut gezeichneten Protagonisten, einen interessanten Plot, ein ausgezeichnetes historisches Setting, den dicht gewobenen Schreibstil und die lobenswerte Recherchearbeit mehr als aufgewogen. Als historischer Krimi-Erstling ein wundervolles Buch, das neugierig auf die weiteren Bände dieser kleinen Serie macht.

Homepage der Autorin: http://www.fidelismorgan.com

_Deutsche Fassung als:_

[„Die Alchemie der Wünsche“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499233371/powermetalde-21
ISBN: 3499233371
|rororo| Dezember 2002
Erstausgabe bei |Wunderlich im Rowohlt| 2001

Louis L’Amour – Man nennt mich Hondo

LAmour Hondo Cover kleinDas geschieht:

Im Südwesten der Vereinigten Staaten ist das Leben der wenigen Siedler auf ihren einsamen Farmen hart. 1874 bricht der Große Weiße Vater in Washington wieder einmal einen Vertrag mit den Apachen. Unter ihrem Häuptling, dem charismatischen Vittorio, erheben sie sich. Die US-Kavallerie bekämpft sie, der Konflikt weitet sich zum Krieg aus. Wichtige Informationen transportiert Hondo Lane, ein Kurierreiter, als er auf dem Rückweg zum Stützpunkt von Indianern attackiert und verletzt wird.

Hondo flüchtet sich auf die Farm der Angie Lowe, die dort mit dem sechsjährigen Sohn ausharrt, nachdem sie von ihrem Ehemann, dem Spieler Ed, verlassen wurde. Zwischen Angie und ihrem Gast ist es Liebe auf den ersten Blick, doch selbst ein feiger Gatte rechtfertigt in dieser Zeit keinen Ehebruch. So reitet Hondo mit seinem Kampfhund Sam davon, um sich zurück ins Kampfgetümmel zu stürzen.

Angie lernt inzwischen Vittorio kennen, den die Tapferkeit von Mutter und Sohn beeindruckt. Er stellt Angie und Johnny unter seinen persönlichen Schutz; dies sehr zum Missfallen des grausamen Kriegers Silva, der Angie gern in sein Tipi zwingen würde. Er lauert auf seine Chance.

Hondo kann Angie nicht vergessen. Deshalb macht er sich auf den Weg zur Farm. Er wird verfolgt von Ed Lowe, der ihn zu töten gedenkt, um zu vertuschen, dass er seine Familie im Stich ließ. Hondo kann Lowe töten, wird dabei jedoch von den Indianern gefangen. Sie wollen ihn foltern und umbringen, aber Vittorio entdeckt, dass Hondo Angie und Johnny kennt. Er will den Gefangenen freilassen, doch Silva protestiert und fordert ein Duell auf Leben und Tod. Hondo kann es für sich entscheiden und schont Silvas Leben, der ihm nun ewige Rache schwört.

Auf der Lowe-Farm kann Hondo Angie überreden, mit ihm zu ziehen. Silva gedenkt nicht, seine Feinde entkommen zu lassen. Nachdem Vittorio im Kampf mit den Soldaten fällt, wird Silva Häuptling der Apachen und hat nun freie Hand. Im der Wildnis kommt es zum großen Entscheidungskampf …

Klassisches Dreieck im Wilden Westen

Ein großes Drama in kleinen Worten: „Hondo“ ist eine echte Überraschung; kein „Western“ im eigentlichen Sinn, sondern ein historischer Roman, der zufällig im Wilden Westen spielt. Die Handlung zieht den Leser sogleich in ihren Bann. Es gibt kaum pathetisches Gefasel („Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“ o. ä.), keine dauerrauchenden Colts, mordlüsternen „Rothäute“, heldischen Cowboys oder hilflosen Frauen, die ständig gerettet werden müssen. Ein hartes Land lässt nüchterne, selbstbewusste Menschen entstehen, weil nur solche überleben können, so L‘Amours Fazit. Geschlecht oder Hautfarbe sind dabei nebensächlich. Indianer und Weiße sind sich ähnlicher, als ihnen das oft selbst bewusst ist. Hondo Lane weiß es: er ist die Schnittstelle zwischen Rot und Weiß, denn er kennt beide Seiten aus eigener Erfahrung.

„Hondo“ ist in einer trügerisch einfachen Sprache gehalten. Die Sätze sind kurz und prägnant, großartige Wortakrobatik bleibt außen vor. Das funktioniert in diesem Handlungsumfeld außerordentlich gut. L‘Amours Landschaftsbeschreibungen sind großartig und erinnern an die Bilder des Western-Regisseurs John Ford: Poesie ohne Furcht vor Sentimentalität. Dies blieb in der außerordentlich stimmigen deutschen Übersetzung (der Erstausgabe) erhalten. Über ein halbes Jahrhundert ist sie inzwischen alt und liest sich weiterhin ausgezeichnet.

Das Land und seine Leute

Die typischen L‘Amour-Helden sind rechtschaffen aber wehrhaft, die Frauen stolz und schön, die Schurken böse und garantiert spätestens im Finale tot, zürnt die strenge Kritik. Mag sein, dass sich der Verfasser im Laufe seiner langen Karriere ein wenig zu schwer auf vertraute Muster und Klischees gestützt hat. In „Hondo“ macht sich das nicht negativ bemerkbar, zumal vermutlich die meisten (deutschen) Leser heutzutage gar keine anderen L‘Amour-Werke mehr kennen.

Außerdem irritieren angesichts der oben erwähnten Kritik immer wieder erstaunlich ‚menschliche‘ Anwandlungen, die sogar den ehrlosen Ed Lowe regelmäßig befallen. Ihn treibt nicht nur der Hass auf Hondo, sondern auch die Angst, als Feigling erkannt zu werden – ein Schlag, der seinen Ruf ruinieren würde. Als Spieler, der darüber hinaus seine Familie im Stich ließ, muss Lowe zwar moralisch Federn lassen, kann sich aber noch blicken lassen. Doch Feigheit hat Ehrverlust zur Folge und ist ein gesellschaftliches Todesurteil. Um dies zu vermeiden, will Lowe sogar zum Mörder werden.

Hinzu kommt Selbsthass, denn natürlich vergleicht nicht nur Angie zwischen dem gleichermaßen engagierten wie pflichtbewussten Hondo und dem ihr angetrauten Ed. Lowe weiß, dass er schlecht abschneidet, was seinen Zorn noch steigert. Solche Ambivalenz, die dem menschlichen Wesen eigen ist, würde man in einem Unterhaltungs-Western eigentlich nicht erwarten.

Die zerstörerische Kraft der Tradition

L’Amour geht noch mehr als einen Schritt weiter: In den 1950er Jahren lag die filmische ‚Rehabilitierung‘ der US-amerikanischen Ureinwohner in der Zukunft. (Man durfte sie sogar noch „Indianer“ nennen.) Weiterhin galten sie neben Staubstürmen oder Dürren als Katastrophe, mit der die Natur den wackeren weißen Mann = Pionier prüfte. Meist blieben sie namen- und gesichtslose Horden, die reihenweise von ihren Pferden geschossen wurden; ansonsten galt es, weiße Frauen vor „einem Schicksal schlimmer als der Tod“ zu retten; das zeitgenössische Publikum, wusste, was gemeint war, und konnte es sich nach eigenem Belieben ausmalen.

Auch das ähnlich verfälschende Gegenbild war schon bekannt: Auf den „edlen Wilden“, eine Ausnahmegestalt unter seinesgleichen, wurde projiziert, was der weiße Gutmensch in Sachen unverfälschter Natürlichkeit vermisste. Tatsächlich waren die Ureinwohner Menschen in einer Umwelt, an die sie sich angepasst hatten. Das machte sie weder ‚besser‘ noch ‚schlechter‘ als die ins Land drängenden Siedler. Der kluge Blick in eine (womöglich gemeinsame) Zukunft oder guter Wille waren auf beiden Seiten ebenso verbreitet wie Vorurteile oder Gewaltlust.

Diese Eigenschaften lässt L’Amour durch seine Hauptfiguren verkörpern, wobei Hondo und Vittorio für die Versöhnung über Grenzen, Ed Lowe und Silva für den kleinlichen Hass stehen. Ebenso klug wie nüchtern entscheidet Angie für sich und ihren Sohn: Sie wird Hondo folgen und an seiner Seite nicht nur überleben, sondern mit einiger Wahrscheinlichkeit ihr Glück finden. Was nach einem typischen Happy-end klingt, wird bei L’Amour ohne Seifenoper-Sentimentalität geschildert und rundet eine bemerkenswerte Geschichte nachdrücklich ab.

„Hondo“ – der Film

„Hondo“ ist die Romanfassung der Kurzgeschichte „The Gift of Cochise“, die L‘Amour 1953 veröffentlichte. Sie erregte das Interesse Hollywoods und wurde noch im selben Jahr verfilmt. Die Titelrolle spielte niemand Geringerer als John Wayne. Unter der Regie von John Farrow bot er – sogar in 3D – eine der vielen Glanzleistungen seiner Karriere. „Hondo“, der Film, wurde ein Klassiker des Western-Kinos. Louis L‘Amour schrieb (nach dem Drehbuch von James Edward Grant) den Roman dazu selbst und schuf einen der ganz großen Erfolge seiner eindrucksvollen Karriere.

1967 entstand die erfolglose, nach 17 Episoden eingestellte TV-Serie „Hondo“ mit Ralph Taeger in der Titelrolle. Für den internationalen Markt wurde daraus ein Film („Hondo und die Apatchen“) montiert, der im Kino ausgewertet werden konnte.

Autor

Louis L’Amour (1908-1988) wurde in Jamestown, North Dakota, als Louis Dearborn LaMoore geboren. Seine Eltern lasen gern und viel und hielten auch ihren Sohn dazu an. Der junge Louis begeisterte sich für Geschichten über die frühen Siedler und Pioniere, aber auch über die indianischen Ureinwohner.

L‘Amours Lebensgeschichte klingt fast zu schön, um wahr zu sein, ist aber belegt. Er versuchte sich als Boxer, Seemann, Elefantenhändler usw. und bereiste die ganze Welt. In den 1930er Jahren kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück. An der „University of Oklahoma“ belegte er Kurse für kreatives Schreiben. 1935 veröffentlichte er sein erstes Werk, eine Gangstergeschichte, 1939 „Smoke from This Altar“, eine Gedichtsammlung (!).

Im II. Weltkrieg kämpfte L‘Amour als Panzerfahrer in Frankreich und Deutschland. Nach seiner Rückkehr in die USA siedelte er nach Los Angeles um und schrieb ab 1946 Western-Stories für Magazine. 1950 folgte mit „Westward the Tide“ ein erster Roman, der allerdings nur in Großbritannien erschien. Im folgenden Jahr kam in den USA L‘Amours US-Debüt mit einem Band der „Hopalong Cassidy“-Serie („H. C. and the Riders of High Rock“); dies allerdings unter dem Pseudonym Tex Burns.

L‘Amour war nicht nur ein fleißiger (er veröffentlichte auch unter dem Pseudonym Jim Mayo), sondern auch ein beliebter Autor, der keineswegs nur Western, sondern auch Seefahrergeschichten („Sitka“, 1957), Thriller („The Last of the Breed“, 1986), Historien-Spektakel („The Walking Drum“, 1984) oder Sachbücher („Frontier“, 1984) schrieb. Angeblich verkaufte er 225 Millionen Exemplare seiner mehr als 100 Bücher, was ihn zum dritterfolgreichsten Schriftsteller aller Zeiten machen würde. Sicher ist, dass L‘Amour-Bücher die Vorlage für etwa 30 Filme lieferten, die meist der B-Kategorie zuzuordnen sind.

Taschenbuch: 206 Seiten
Originaltitel: Hondo (New York : Fawcett Publications, Inc. 1953)
Übersetzung: Hansheinz Werner (bearbeitet von Werner Gronwald)

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (5 Stimmen, Durchschnitt: 1,60 von 5)

Heidrun Jänchen, Christian Savoy, Andrea Tillmanns – Der eiserne Thron

Ernst Wurdack, der Begründer und Inhaber des Wurdack-Verlags, initialisierte vor einigen Jahren einen Wettbewerb für Amateurautoren der Phantastik, den er auch immer noch durchführt. Unter http://www.storyolympiade.de findet man im Internet die Ausschreibungen der mittlerweile zweijährig stattfindenden Olympiade, die von ihren Teilnehmern stets ein breites Thema in origineller Weise bearbeiten lässt. Und den Gewinnern winken ansehnliche Preise: Jeder Autor, dessen Geschichte in der Wettbewerbsanthologie veröffentlicht wird, erhält ein Belegexemplar des Buches; die drei Erstplatzierten erhalten die Möglichkeit, einen Roman zu schreiben. Ursprünglich sollten diese Romane im Fantasy-Universum des Rollenspiels „Demonwright“ angesiedelt sein, und aus dieser Zeit resultiert der Roman „Der eiserne Thron“.

Herzog Rogvald, dessen Onkel König der Südermark und damit Inhaber des Eisernen Throns ist, fühlt sich abgeschoben auf der in entlegenen Sümpfen trotzenden Burg Kalderstein. Im letzten Scharmützel gegen die Goblins ist er als Held hervorgegangen und kann seinen jetzigen Status nicht verstehen.

Bei einem Besuch der Stadt Isenborg, Sitz der königlichen Feste, tötet er den südermarkschen Prinzen im Streit um eine Frau – nur seinem Freund Frett ist es zu verdanken, dass Rogvald nicht gefasst wird. Nun kommt ein Stein ins Rollen: Rogvald wird auf der Totenfeier von dem neuen Thronerben beleidigt und sinnt auf dessen Tod, um selbst auf den Thron zu gelangen. Mit Fretts Hilfe lockt er den jungen Prinzen bei widrigem Winterwetter in ein Moor, wo er vor einem soldatischen Zeugen versinkt. Rogvald kann nichts nachgewiesen werden, aber die Schwester der Prinzen ist misstrauisch.

Bald schon verunglückt der König tödlich auf der Jagd, und Rogvald sieht sich seinem Ziel nahe. In einem letzten Aufbäumen spinnt die Prinzessin Walrike eine Intrige, der Rogvald zum Opfer fallen soll. Doch sie fliegt auf, und damit stellt sich das Volk hinter Rogvald. Walrike flüchtet. Als Rogvald sich auf den Thron setzt, blickt ihm sein eigenes Gesicht entgegen, das spöttisch sagt: „Du hast es geschafft.“

Im zweiten Teil erfährt die zwergische Heilerin Thania von dem Unheil, das über die Stadt Isenborg hereingebrochen ist, und von dem dunklen Geheimnis, das den König Rogvald umgibt. Auf der Suche nach Prinzessin Walrike findet sie in einem Kobold einen treuen Freund, der ihr vor ihren Häschern hilft und sie aus der Südermark herausführt.

Ein Soldat der südermarkschen Garde greift selbst nach dem Thron, denn mit seiner vorgeblichen Tochter, die er unterdrückt und benutzt, hat er einen nicht zu unterschätzenden Trumpf in der Hand: Sie ist eine Wandlerin. In Gestalt einer Goblinführerin führt sie das dunkle Volk nach Isenborg, doch sucht sie nach einem Weg, sich gegen ihren Vater aufzulehnen. Der Kampf um den Thron ist noch nicht zu Ende …

Der Roman ist dreigeteilt: Im ersten Teil schildert Heidrun Jänchen mit hintergründigem Humor und Raffinesse den Weg Rogvalds nach Isenborg. Sie vermeidet so gut es geht blutige Schlachten und Tote, allerdings kommt sie um die tragenden Morde an der Königsfamilie nicht herum. Das Problem löst sie elegant, so dass man wie in einem guten Film nie die grausige Tat an sich „sehen“ kann. Andrea Tillmanns lässt ihre Heilerin alles tun, damit niemand zu Schaden kommt. Nur um den Tod der Zwergin abzuwenden, muss ein – zugegeben mordlustiger – Soldat sein Leben lassen. Christian Savoy ist da kaltblütiger. „Seine“ Orks, Goblins und Menschen zeigen sich von ihrer rauhesten Seite. Wo es Konflikte gibt, hält Yakh, der Gott des Todes, reiche Ernte.

In ihrer sprachlichen Gewandtheit nehmen sich die drei Autoren nichts und müssen sich auch hinter „Profis“ nicht verstecken. Stilistisch einwandfrei entführen sie den Leser in das karg anmutende Land der Südermark und bieten ihm ein unterhaltsames Schauspiel höfischer Ränke und grausamer Hinterlist. Nur der offenherzigen Zwergin sind das Töten und Kämpfen und das Heldentum zuwider, sie nimmt uns lieber mit auf eine Wanderung in das wundersame Reich der Kobolde, die in ihren Bäumen weit entfernt von Hirnlosigkeit und Primitivität sind, sondern mit ausgeklügelten Systemen überraschen.

Andrea Tillmanns und Christian Savoy bringen solide Arbeit ohne große Überraschungen, aber spannend und unterhaltsam geschrieben. Der Weg der Zwergin Thania ist vorgezeichnet, kann nur im Erfolg münden, der allerdings der Zwergin nicht völlig zusagt: Sie bekämpft nur das größere Übel. Savoys Protagonist Belrador ist schnell zu erkennen als tragische Figur, der ihre eigene Hinterlist zum Verhängnis zu werden droht. Trotzdem findet man Zugang zu ihm und weiß nicht so recht, ob man ihm den Sieg nicht doch gönnen könnte, denn auch Walrike macht keinen sympathischen Eindruck. Allerdings fällt hier im letzten Teil ein kleiner Schwachpunkt auf: Savoy wechselt sehr oft und unvermittelt, oft auch mitten im Absatz, die Perspektive, springt von einer Person zur nächsten und offenbart ihre Gedanken.

Heidrun Jänchen ist es gelungen, ihr Kapitel mit einer Überraschung abzuschließen. Schließlich haben wir ihren Held Rogvald und dessen Freund Frett über neunzig Seiten gebannt begleitet, nicht unbedingt wohlwollend, aber seiner Tragik des Genötigten doch bewusst, und seine Handlungen führten stets auf irgendeine Weise zum Erfolg, so dass die Begegnung mit seinem Doppelgänger äußerst unerwartet kam. Immerhin wissen wir jetzt, wie Yakh aussieht.

„Der eiserne Thron“ ist ein spannendes, hintergründiges, unterhaltsames Buch, das man in Nullkommanichts durchliest. Seine Platzierung beim Deutschen Phantastik Preis – 3. Platz in der Kategorie Roman-Debüt-National – spiegelt das hohe Niveau der jungen Autoren wider, die hier ihr Romandebüt gaben. Für 2006 hat der Wurdack-Verlag einen Folgeroman von Jänchen angekündigt, in dem es auch für einige der Protagonisten aus dem „Thron“ heißt: Nach Norden!

ISSN 1612-0566 Band 1
Erhältlich über den Wurdackverlag!

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)

Peter Straub – Haus der blinden Fenster

Das geschieht:

Zum zweiten Mal kehrt Tim Underhill, Erfolgsschriftsteller aus Manhattan, in seine Heimatstadt Millhaven zurück, der er vor vielen Jahren den Rücken gekehrt hat. Erst hatte sich Nancy, die Gattin seines ungeliebten Bruders Philip, auf grausame Weise umgebracht. Wenig später verschwindet Mark, ihr Sohn, Tims Neffe, mit dem er sich gut versteht. Er ist nicht der erste Jugendliche, der vermisst wird. In Millhaven treibt ein Serienmörder sein Unwesen, der offenbar die Kontrolle über sich zu verlieren beginnt und die Taktfrequenz seiner Attacken steigert.

Marks tatsächliches Schicksal ist wesentlich bizarrer. Ein verlassenes Haus auf einem Nachbargrundstück hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Es zog ihn an und stieß ihn gleichzeitig ab: Hier ist spürbar Furchtbares geschehen, das die Wände des Gebäudes wie eine Batterie aufgeladen hat. Michigan Street 3323 war vor vielen Jahren die Adresse von Joseph Kalendar, der als Psychopath und Serienmörder in die US-amerikanische Kriminalgeschichte einging. Man hatte ihn erst nach Jahren des Foltern und Mordens erwischt. In einer Anstalt für geistesgestörte Verbrecher wurde er 1985 von einem Mithäftling umgebracht.

Was Mark nicht wusste: Kalendar war ein Cousin seiner Mutter. Es gibt eine seltsame Verbindung zwischen ihr und dem toten Mörder. Dies war der Grund für Nancys Selbstmord. Sie hatte eine alte Schuld nicht länger ertragen: Einst hätte sie dem üblen Treiben ihres Cousins vorzeitig ein Ende machen können, war aber furchtsam zurückgewichen. Mark ist stärker, er wollte es mit Kalendar aufnehmen, zumal er entdeckte, dass dieser seine ebenfalls ermordete Tochter noch immer in den Folterhöhlen des Hauses Nr. 3323 gefangen hält und quält. Immer tiefer drang Mark in die schrecklichen Geheimnisse des alten Hauses ein. Aber dort ist es nicht Kalendar, der ihn vor jene Entscheidung stellt, die zu seinem Verschwinden führt …

Geschichte mit offenen Enden

„Haus der blinden Fenster“ – der Originaltitel „Lost Boy Lost Girl“ wird der Geschichte wesentlich gerechter – ist eine bemerkenswert gelungene Mischung aus Thriller und Gruselgeschichte. Wo man die Grenze zieht, bleibt dem Leser überlassen. Die phantastischen Elemente sind eindeutig, sie lassen sich nicht rational auflösen. Auf der anderen Seite spielt sich vieles von dem, was sich scheinbar ereignet, wohl nur in den Köpfen der Figuren ab.

„Haus der blinden Fenster“ ist wie so oft bei Peter Straub ein Roman, der um die Themen Schuld, Sühne & das Böse an sich kreist und dabei auf Genregrenzen keine Rücksicht nimmt. Darin gleicht er dem Schriftsteller Henry James (1843-1916), mit dem Straub – auch was die literarische Qualität angeht – oft verglichen wird. „The Turn of the Screw“ (1898; dt. „Die Drehung der Schraube“) weist in der Tat dieselbe unwirkliche Atmosphäre realer und übernatürlicher Bedrohung auf wie „Haus der blinden Fenster”.

Viele Fragen wirft Straub auf. Manche beantwortet er, andere können wir uns selbst zusammenreimen. Nicht wenige bleiben jedoch offen. Ist der Sherman-Park-Killer der wiedergeborene Joseph Kalendar? Ist er ein Mensch, der von dessen Geist besessen ist? Wird Nancy Underhill wirklich vom Geist der Kalendar-Tochter, die sie einst feige im Stich ließ, in den Tod getrieben? Bildet sie sich das in nur ein? Wird auf dem privaten Friedhof des Sherman-Park-Killers doch die Leiche Marks zum Vorschein kommen, den sein Onkel in der „anderen Welt“ wähnt? Worum handelt es sich bei dieser “anderen Welt” eigentlich? Ist sie das Jenseits, eine fremde Dimension, eine parallele Erde?

Geschichte ohne sicheren Boden

Straubs komplexer Schreibstil verstärkt geschickt die Unsicherheit, die der Leser mit den Figuren teilt. Wir erleben Zeitsprünge in Vergangenheit und Zukunft. Die Perspektive wechselt; manchmal erzählt Tim Underhill, dann wird er vom (unsichtbaren) Verfasser beobachtet, der im Mittelteil die Handlung fast gänzlich Mark Underhill überlässt. Manche Ereignisse werden parallel geschildert, wobei die Interpretation sehr unterschiedlich ausfallen kann: Tim und Mark sehen die Welt nicht mit denselben Augen.

Das verwunschene Haus, in dem es aufgrund eines lange in der Vergangenheit liegenden Unrechts umgeht, ist längst ein Klischee der Phantastik. Auf jeden Fall ist es schwierig, ihm heutzutage neues Leben einzuhauchen. Auch hier leistet Straub gute Arbeit. Auf dem Grundstück Nr. 3323 lastet wahrlich ein Haus gewordener Alptraum.

Wiederum wurzelt das Grauen ausschließlich in der menschlichen Seele; für Außerirdische, Trolle, Vampire und andere Ausgeburten des klassischen und halbwegs gemütlichen Horrors ist kein Platz in Straubs Welt/en. Auch das Paradies, in dem Mark und seine Lucy sich wiederfinden, entpuppt sich als Stätte zwar ungewöhnlicher aber deshalb nicht weniger bedrohlicher Gefahren.

Kontrollverlust und Seelennöte

Timothy Underhill ist Peter Straubs anderes Ich, sein fiktiver Stellvertreter, den er gegen allerlei eingebildete und echte Dämonen kämpfen lässt, seit er ihn 1988 zum ersten Mal mit dem „Blue-Rose“-Mörder konfrontierte („Koko“), dessen Geheimnis erst 1993 in „The Goat“ (dt. „Der Schlund“) gelüftet wurde. Seither hielt sich Underhill verständlicherweise Millhaven (das Spiegelbild Milwaukees im US-Staat Wisconsin, der realen Heimatstadt Straubs) fern, weil sich für ihn viele unerfreuliche Erinnerungen an diesen Ort knüpfen.

Zu schaffen macht ihm auch die provinzielle Enge der kleinen Stadt, die vortrefflich verkörpert wird durch seinen Bruder Philip. Der hat sich scheinbar im biederen Establishment etabliert und ist doch die personifizierte Unzufriedenheit. Seiner Familie bereitet Philip wenig Freude, er ist gefühlskalt, egoistisch, unsensibel, untauglich als Ehemann und als Vater.

Mark, sein Sohn, ist eher nach Onkel Tim geraten. Mit seinen fünfzehn Jahren steckt er tief in der Pubertät, was seinen Alltag nicht einfacher macht. Seine Gefühle sind außer Kontrolle, seine Hormone laufen Amok. So wird er zum idealen Opfer für das Haus an der Madison Street. Zunächst voller Furcht über das, was er dort entdeckt, wird Mark zum jungen Ritter, der seine Prinzessin Lucy vor dem Drachen Kalendar retten will. Dafür zahlt er einen hohen Preis. Andererseits ist sein Schicksal angesichts der trüben Zukunft, die ihm sein reales Leben bietet, womöglich eine Verbesserung. Wie schon gesagt muss Mark jedoch feststellen, dass auch die „andere Seite“ keineswegs frei von Bedrohungen ist.

Geist oder nicht Geist?

Stets bleibt unklar, ob es wirklich Joseph Kalendar ist, dessen Geist noch immer nicht ablassen will von seiner krankhaften Menschenquälerei. Womöglich ist es der reale Sherman-Park-Killer, der sich mit dem berühmten ‚Kollegen‘ identifiziert und in dessen Haut schlüpft. Weil er uns niemals direkt unter die Augen tritt, ist Kalendar jemand, der für Angst und Schrecken sorgt – ein Schreckgespenst, das viel von dem verkörpert, was man sich unter einem Serienmörder vorstellt: eine schattenhafte Gestalt, die wie ein Mensch aussieht, aber eigentlich keiner mehr ist, sondern etwas Atavistisches, Düsteres, ein Wolf unter Schafen, aber ein gut getarnter, der Jagd auf seine ahnungs- und hilflosen Mitbürger macht.

Atmosphäre und interessante, eindringliche gezeichnete Figuren: Diese beiden Aspekte sind Straub deutlich ebenso wichtig wie die Handlung. Das Ergebnis mag den notorischen Mainstream-Horror-Leser irritieren oder womöglich abschrecken, aber wer sich auf “Haus der blinden Fenster” einlässt, erlebt einen Peter Straub in Hochform.

Autor

Peter Francis Straub wurde am 2. März 1943 in Milwaukee im US-Staat Wisconsin geboren. Der Schulzeit folgte ein Studium der Anglistik an der „University of Wisconsin“, das Straub an der „Columbia University“ fortsetzte und abschloss. Er heiratete, arbeitete als Englischlehrer, begann Gedichte zu schreiben. 1969 ging Straub nach Dublin in Irland, wo er einerseits an seiner Doktorarbeit schrieb und sich andererseits als ‚ernsthafter‘ Schriftsteller versuchte. Während die Dissertation misslang, etablierte sich Straub als Dichter. Geldnot veranlasste ihn 1972 zur Niederschrift eines ersten Romans („Marriages“; dt. „Die fremde Frau“), den er (mit Recht) als „nicht gut“ bezeichnet.

1979 kehrte Straub in die USA zurück. Zunächst in Westport, Connecticut, ansässig, zog er mit der inzwischen gegründeten die Familie nach New York. Ein Verleger riet Straub, es mit Unterhaltungsliteratur zu versuchen. Straub schrieb „Ghost Story“ (1979; dt. „Geisterstunde“), seine Interpretation einer klassischen Rache aus dem Reich der Toten. Der Erfolg dieses Buches (das auch verfilmt wurde), brachte Straub den Durchbruch. Mit „Shadowland“ (1980; dt. „Schattenland“) und „Floating Dragon“ (1983; dt. „Der Hauch des Drachens“) festigte er seinen Ruf – und erregte die Aufmerksamkeit von Stephen King, mit dem er sich bald anfreundete. Die beiden Schriftsteller verfassten 1984 gemeinsam den Bestseller „The Talisman“ (dt. „Der Talisman“), dem sie 2001 mit „Black House“ (dt. „Das schwarze Haus“) eine ebenso erfolgreiche Fortsetzung folgen ließen.

Straubs Werke wurden vielfach preisgekrönt; akademisch penibel zählt der Autor seine Meriten hier auf. Diese Website ist ebenso informativ wie kurios und verrät einen intellektuellen Geist, der über einen gesunden Sinn für hintergründigen Humor verfügt.

Taschenbuch: 379 Seiten
Originaltitel: Lost Boy Lost Girl (New York : Random House, USA 2003)
Übersetzung: Uschi Gnade
http://www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 1,33 von 5)

Helga Glaesener – Die Safranhändlerin

Trier im frühen Mittelalter:

Wir schreiben das Jahr 1327. Marcella Bonifaz, Nichte des Trierer Schöffenmeisters ist eine junge Frau, die sich von niemandem etwas vormachen lässt. Sie ist Krämerin und handelt mit Gewürzen und Farbstoffen – und das in einer Zeit, in welcher der Handel eine Männerdomäne ist. Als sie günstig an toskanischen Safran kommt, schlägt sie zu und investiert fast ihr ganzes Vermögen. Doch der Wagenzug, der den kostbaren Safran liefern soll, wird überfallen und Marcella steht beinahe vor dem finanziellen Ruin. Eine Möglichkeit, allen Sorgen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, wäre es, endlich den Heiratsantrag des reichen Händlers Jacob Wolff anzunehmen. Doch Marcella will nicht heiraten – nicht nur Jacob nicht, sondern überhaupt nicht.

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Charles Stross – Singularität

„Einer der originellsten Science-Fiction-Romane, die je geschrieben wurden!“

„Wie einst William Gibson haucht Charles Stross der Science Fiction neues Leben ein!“

Mit diesen flammenden Zitaten heischt der Roman im Regal um Aufmerksamkeit. Charles Stross? Nie gehört! Aber wen die New York Times als neuen Superstar bezeichnet, muss der Aufmerksamkeit doch wert sein, oder?

Charles Stross, geboren 1964 in Leeds, England. „Singularität“ ist sein erster Roman und wurde gleich ein großer Erfolg.

In der Zukunft der Menschheit wird mit Singularität jenes Ereignis bezeichnet, bei dem die Erdbevölkerung um zwei Drittel geschrumpft wurde und fast alle Regierungen zerbrachen, da der Rückhalt, vor allem der steuerliche Rückhalt durch die Bevölkerung fehlte. Ein mächtiges Wesen (oder Volk?) sortierte die Menschen nach Ideologie und Wesensart, um verschiedene Kolonien in der Galaxis zu gründen. Die neuen Kolonien wie auch die zurückbleibende Erde rüstete das Wesen, das sich „Eschaton“ nennt, mit so genannten „Füllhörnern“ aus: Geräte, die jede nur vorstellbare Ware herstellen können und zur Selbstreplikation befähigt sind. Damit verlor die Wirtschaft ihren Sinn, eigentlich brach das Chaos aus.

Das Eschaton auferlegte den Menschen, „in seinem Zeitkegel“ keinerlei Manipulationen der Zeit vorzunehmen, um seine Existenz nicht zu gefährden. Man einigte sich darauf, dieser Forderung zu entsprechen, denn das Eschaton konnte jegliche Missachtung mit Vernichtung strafen. Auf der Erde blieben als einzige Organisation die UN bestehen, allerdings mit sich oft verschiebenden Zielen und Ansprüchen. Die anderen Planeten entwickelten je nach Zusammenstellung der Bevölkerung verschiedene Regierungssysteme, immer auf der Grundlage der neuen Möglichkeiten. Nur in der „Neuen Republik“ wurden die Füllhörner vernichtet, Information und Technik dem Volk vorenthalten, so dass sich eine feudale Herrscherklasse entwickeln konnte.

Das ist in groben Zügen der Hintergrund, vor dem Charles Stross seine Geschichte spielen lässt. Durchaus originell. Aber es kommt noch besser: Über einer abgelegenen Kolonie der Neuen Republik erscheint das „Festival“ und stiftet Unruhe. Es lässt Telefone vom Himmel regnen, in einer kommunikationsarmen Gesellschaft ein Unding. Durch diese Geräte nimmt es Kontakt zu den Menschen auf und fordert: „Unterhaltet uns!“

Das Festival ist auf Informationen aus, es tauscht seine Dienste gegen die Geschichten und das Wissen der Bevölkerung. Jeder, der ihren Forderungen nachkommt, darf sich etwas wünschen. Das System auf dem Planeten bricht zusammen. Revolutionäre erhalten Füllhörner, jemand lässt Geld regnen, was unbeachtet bleibt, da jeder alles hat, was er will. Ein Hilferuf ist die letzte Hoffnung für das ansässige Herzogtum.

Aus gesellschaftlichen Gründen muss der Kaiser den dienstältesten Admiral mit dieser schwierigen Lage betrauen, unglücklicherweise altern auch Admirale in Friedenszeiten normal, und da der Rückzug in den Ruhestand nicht vorgesehen ist, muss dem senilen Admiral Kurtz zumindest das Angebot gemacht werden. Der ist natürlich Feuer und Flamme, aber noch geistig klar genug, um einen fähigen Geschwaderkommandeur mitzunehmen. Geplant ist eine Fast-Verletzung der Kausalität, indem man mit neuartigen Triebwerkszusätzen erst in die Zukunft vordringt, um sich dort über Nachrichtensonden Informationen über den Gegner zu holen, und dann in die Vergangenheit zurückkehrt, aber nicht so weit, dass man vor Eintreffen des Festivals im Zielsystem anlangt, sondern sehr kurz danach – also einfach eine enorm schnelle Reaktion vortäuscht.

Um der Geschichte zu beweisen, man habe die Kausalität nicht verletzt, wird die UN-Inspektorin Rachel Mansour als Beobachterin eingeladen. Und noch ein Fremder ist mit von der Partie: Maschineningenieur Martin Springfield von der Erde, der durch sein republikwidriges Verhalten die Spionageabwehr auf sich zieht.

Die Lord Vanek ist das Flaggschiff der Operation. Und während sich in den Wochen der Anreise Rachel und Martin nahe kommen, intrigieren verschiedene Parteien in verschiedenen Punkten; so verbindet der republikanische Spion Wassily die Überwachung von Martin mit seinem Unbehagen einer selbstständigen Frau gegenüber, indem er auch Rachel nachspioniert. Das kommt dem Sicherheitsbeauftragten der Vanek gelegen, der Rachels diplomatische Immunität umgehen und sie kriegsgerichtlich erledigen will (aus ähnlich missgünstigen Gründen wie denen von Wassily). Nebenbei arbeitet Martin für eine höhere Instanz an der Sabotage der Fast-Kausalitätsverletzung, und Rachel spielt ihre diplomatischen Beziehungen aus, um die Flottenführung von der Sinnlosigkeit eines bewaffneten Angriffs auf das Festival zu überzeugen.

Derweil breitet sich das Festival auf dem okkupierten Planeten „Rochards Welt“ aus und bereitet seine Wiedergeburt vor. Es ist fremdartiger, als sich (fast) alle Beteiligten je ausmalen können …

Rachel Mansour ist die typische starke Frauenpersönlichkeit mit einem komplizierten Lebenslauf, der über verschiedene Stationen zur Waffeninspektorin der Vereinten Nationen führt. Natürlich nutzt sie die fortschrittlichen Möglichkeiten der Zukunft für ihre körperliche Aufwertung, so ist sie gespickt mit technischen Verstärkern und Beschleunigern, die sie jedem normalen Nahkämpfer überlegen machen. Zusätzlich trainiert sie (nackt) asiatische Kampfkünste und unterzog sich diversen Verjüngungskuren, die ihr die körperliche Leistungsfähigkeit und das Aussehen einer Endzwanzigerin bei einem tatsächlichem Alter von über einhundert Jahren bescheren. In ihrer Vergangenheit gibt es einige böse Erfahrungen, die sie zu einer energischen Atomwaffengegnerin machen. Und eigentlich hat sie sich fest vorgenommen, keinerlei persönliche Beziehung zu einem Mann einzugehen. Wie es der Zufall will, hat sie ihre Rechnung ohne Martin gemacht.

Martin Springfield hütet ein kurioses Geheimnis (kurios für die Menschen seiner Umgebung): Eigentlich arbeitet er für eine irdische Raumschiffswerft als Vertragsingenieur und gelangt als solcher an Bord der Lord Vanek, hintergründig verfolgt er Ziele, die denen von Rachel weit voraus sind. Es geht ihm nicht um die Abwendung eines Krieges, sondern um die Einhaltung der Kausalitätsabkommen mit dem Eschaton. Sein Auftraggeber, Herrmann, tritt nicht direkt in Erscheinung, verfügt aber über scheinbar unbegrenzte Machtmittel. Dass Martin so vorbehaltlos sein Leben aufs Spiel zu setzen bereit ist, fällt dem Leser gar nicht weiter auf, denn Herrmann versichert ihm, alles Mögliche für seine Rettung zu tun. Und außerdem steht er in hohem Sold bei Herrmanns Organisation.

Burija Rubenstein leitet die organisierte Revolution auf Rochards Welt. Er scheint ein wenig der idealisierte Kommunist zu sein, dem die Füllhörner endlich die Gelegenheit geben, seine Ideen durchzusetzen. Durch die KRITIKERIN, eine Begleiterin des Festival, erhält er Einblicke in die tief greifenden Veränderungen, die das Festival bewirkt. Dass ihn diese Erlebnisse mit Realität gewordenen Aspekten russischer Märchen konfrontieren, lässt ihn abstumpfen und etwas von seinem unruhigen, drängenden Revolutionsgehabe verlieren. So transportiert ihn die KRITIKERIN zum Beispiel in ihrem wandelnden Haus auf drei Hühnerbeinen, sie selbst hat allerdings kaum Ähnlichkeiten mit der Baba Jaga. Im Mittelteil des Buches wirkt diese Erzählebene so irrwitzig, dass sie dem Ganzen einen überdrehten Charakter verleiht. Von dem Wesen des Festivals erfährt man dadurch wenig, was schade ist, denn so bleiben die Informationen auf die wie nebensächlich eingeworfenen Dialoge zwischen Martin und Rachel beschränkt.

Obwohl auch einige der anderen im Buch erwähnten Figuren wichtige Rollen spielen (wie der Kommandant des Flaggschiffs, der eine Art intelligenten Patriotismus darstellt), bleiben diese drei Personen die Hauptakteure und Bezugspunkte der Erzählebenen. Die Ebene der Flotte im Anflug auf den Gegner birgt wenig Neues, allzu sehr geht der Autor auf die Abläufe in einer Befehlszentrale während der Manöver ein und überhäuft den Leser mit der undurchsichtigen Befehls- und Meldungssprache zwischen Soldaten – wie realitätsnah das ist, lässt sich aus meiner Sicht nicht beurteilen. Es liefert eine oberflächliche Stimmung an Bord, stört aber die durchaus interessanten Aspekte der Beziehungen zum Beispiel zwischen dem Admiral und seinem Stab. Dadurch kann Stross ein starkes Augenmerk auf die Abläufe der kämpferischen Begegnung zwischen Republik und Festival bieten, und man ist erstaunt, wie der Kommandant dieses und jenes aus nicht vorhandenen Schiffsbewegungen schließen kann, obwohl er doch keinerlei Erfahrung mit einem Raumkampf und keine Vorstellung vom Festival hat.

Die abgedrehte Schilderung der Vorgänge auf Rochards Welt vereinfacht nicht gerade das Verständnis des Festivals oder auch der Geschichte an sich, hier hat der Autor wie schon erwähnt etwas zu dick aufgetragen in dem Bemühen, eine originelle Form der Invasion zu entwickeln. Bleibt also nur die Beziehung zwischen Rachel und Martin, und tatsächlich erfährt man in diesem Zusammenhang die meisten Details, die das Geschehen begreiflich machen oder der Geschichte als Hintergrund dienen. Komischer Zufall bleibt, dass Wassily, der Spion der Republik, einen Unfall im Weltraum übersteht und auch noch auf Burija trifft, der sich als sein verschwundener Vater entpuppt und von ihm umgebracht werden soll. Dabei stellt sich heraus, dass Wassily programmiert auf diesen Moment ist und seine Spionage nur als Vorwand diente, ihn auf das Flaggschiff zu bringen. Unglaubwürdig, denn auf Rochards Welt hätte die Republik viel erfolgversprechendere Möglichkeiten gehabt, den Revolutionär auszuschalten, als über einen Agenten durch eine Raumschlacht mit ungewissem Ausgang.

Mit „Singularität“ hat Charles Stross ein durchaus interessantes und ausbaufähiges Universum entworfen, in dem noch viele Geheimnisse schlummern. Die Wesenheit des Eschaton ist eines dieser Rätsel und scheint mir ein Aufhängepunkt weiterer Romane zu sein – immerhin ist mit „Supernova“ ein weiteres Buch angekündigt, und das Schicksal von Martin und Rachel lässt erahnen, dass wir hier die Geburt eines neuen Agentenpärchens miterlebt haben. Insgesamt ist „Singularität“ gut und unterhaltsam lesbar, auch wenn mich die sehr häufigen Anmerkungen des Übersetzers gestört haben, da sie sich größtenteils mit physikalsichen Gesetzen beschäftigen oder Anspielungen des Autors erklären sollen. Das bringt auch gleich die negative Seite der Geschichte auf den Punkt. Der Autor brachte zu viele Bezüge zu unserer Realität, die entweder nur ausgebildete Physiker oder seine Landsleute verstehen können (da werden zum Beispiel Anspielungen auf Fernsehserien oder neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gebracht, die auch durch die Übersetzung oder die ausführlichen Erläuterungen des Übersetzers nicht zum Lesegenuss beitragen).
Lässt man all diese kleinen schmälernden Punkte außer Acht, ergibt sich eine interessante Geschichte, die Lust auf mehr macht. Allerdings kann man über die Zitate des Buchumschlags nur lächeln.

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (7 Stimmen, Durchschnitt: 2,14 von 5)

Clemens, James – Buch des Sturms, Das (Alasea / Banned and the Banished 2)

Elena und ihre Gefährten sind nach dem grausamen Kampf mit den finsteren Geschöpfen Gul’gothas in die Berge zu Krals Stamm geflüchtet, wo sie den Winter verbracht haben. Jetzt ist der Frühling da, und die Gruppe bricht auf, um Elena nach A’loatal zu bringen, wo das Buch des Blutes verborgen ist. Doch das Böse wartet bereits auf sie und hat tückische Fallen aufgestellt. In dem kleinen Städtchen Schattenbach kommt ihnen Merik abhanden, und Elena wird von einer Sumpfschlingpflanze befallen. Die Gruppe ist gezwungen, sich zu teilen. Kral, Tol’chuk und Mogwied bleiben in Schattenbach, um Merik zu suchen, und Elena macht sich in Begleitung von Er’ril, Mikela und Ferndal auf den Weg in die Sümpfe, um die dort lebende Hexe aufzusuchen, damit sie sie von dem Gewächs befreit, das sich bei jedem Einsatz von Elenas Magie weiter auf ihrem Körper ausbreitet.

Während Elena und ihre Gefährten quer durch Alasea unterwegs sind, vegetiert ihr Bruder Joach unter dem Bann des Dunkelmagiers, der ihn gefangen genommen hat, in A’loatal dahin. Sein Geist ist ungetrübt, doch er hat keinerlei Gewalt über seinen Körper, der den Befehlen des Dunkelmagiers unterworfen ist. Bis er eines Tages in die Nähe des großen Koa’kona-Baumes im großen Innenhof gelangt, dem Zentrum der alten Magie des Chi, die hier früher herrschte. Danach ist er plötzlich wieder sein eigener Herr. Er verbirgt dies vor seinem Entführer und beginnt heimlich, die alten Gemäuer zu erkunden auf der Suche nach einem Fluchtweg. Was er schließlich findet, ist viel mehr als das …

Gleich mit Beginn des zweiten Bandes treibt Clemens den Handlungsverlauf um Elena wieder zügig voran. Bedrohung folgt auf Bedrohung, Kampf auf Kampf, beinahe ohne Unterlass, denn die ereignislose Zeitspanne zwischen der erfolgreichen Überquerung des Gebirgspasses bis nach Schattenbach überspringt er einfach. Die einzige ruhigere Phase bietet der Handlungsstrang in A’loatal, mit dem sich die Handlung um Elena abwechselt. Allerdings zieht auch hier das Erzähltempo nach hinten zu dramatisch an.
Die Spannung, schon von Anfang an relativ hoch angesetzt, steigert sich zum Ende hin dramatisch, wohingegen der Endkampf selbst sich als zwar spektakulär aber nicht unbedingt nervenzerreißend erweist. Die dunklen Wesen, die diesmal die Gefährten bedrohen, sind nicht weniger widerlich und abstoßend wie bisher. Die größere Spannung aber erzeugt der im Vergleich zu den übrigen Ungeheuern geradezu gewöhnlich wirkende Zwerg, der Elena bis ins Sumpfland verfolgt, allein durch seine ungeheure Bosheit wie die Unverletzlichkeit des Steins, aus dem er gemacht ist. Gegen diese unaufhaltsam näher kommende Bedrohung und das damit einhergehende Warten wirkt der eigentliche Kampf letztlich wie eine Erlösung. Die Ruhe vor dem Sturm ist eben doch oft unangenehmer als der Sturm selbst.

Clemens ist generell gnadenloser in seiner Erzählart als viele andere Autoren. Er scheut auch nicht davor zurück, Mitglieder der Gruppe um seine Heldin zu opfern, während in den meisten anderen Fällen der enge Kreis um die Hauptperson von Verlusten verschont bleibt. Wobei „zum Opfer fallen“ nicht unbedingt den Tod bedeuten muss. Andere Arten von Verlusten wie Verrat oder Manipulation kommen genauso vor. Dass dem Leser die Identität der Opfer nicht jedes Mal verraten wird, steigert wiederum die Spannung.
Andererseits kommen auch neue Mitglieder dazu. Mikela, die Schwertkämpferin, erweist sich als wertvolle Verbündete, denn sie ist eine Sucherin und in der Lage, Elementarmagie in anderen zu erkennen. Und auch in den Sümpfen finden die Gefährten Verbündete. Was sich dadurch nicht verändert, ist dieser Hauch von Rollenspiel, der der Gruppe anhaftet. Auch zeigen sich erste deutliche Tendenzen dahingehend, dass Beschützer und Schutzbefohlene dabei sind, sich ineinander zu verlieben. Ein immer wieder gern verwendetes Mosaiksteinchen der Literatur, dem wohl keiner auf Dauer entkommen kann. Aber man kann eben nicht alles haben, und der Punkt stört weit weniger als die bereits im Zusammenhang mit dem ersten Band erwähnte Bezeichnung von Magie als Magik!

Abgesehen vom eigentlichen Handlungsverlauf baut Clemens auch seine Welt weiter aus. Je mehr die Geschichte fortschreitet, desto vielgestaltiger und detaillierter wird Alasea. Meervolk und Seedrachen tauchen auf, die ein Gegengewicht zu den üblen Kreaturen des Bösen bilden, und selbst der Sumpf ist ein auf seine eigene Weise faszinierender Ort. Außerdem wird durch die Erzählungen der Sumpfhexe die Vorgeschichte der Eroberung Alaseas eingehender beleuchtet. Puzzleteil für Puzzleteil setzt sich ein Bild zusammen, das jetzt schon die Vermutung aufkommen lässt, es könnte den Wesenskern des Bösen aufdecken und damit für den endgültigen letzten Kampf entscheidend sein.
Der liegt allerdings noch in weiter Ferne, jenseits zweier weiterer Bände, und die Bände werden dicker. Vorerst steht der Kampf um A’loatal an, denn dort befindet sich das Buch. Nur ist A’loatal inzwischen in schwarzen Händen …

„Das Buch des Sturms“, im Original „Wit’ch Storm“, ist eine furiose Fortsetzung des ersten Bandes [„Das Buch des Feuers“. 969 Es erscheint kaum möglich, die Spannung noch weiter zu erhöhen. Wahrscheinlich ist zu befürchten, dass die bevorstehenden Szenen des Krieges eine Menge Unangenehmes beinhalten werden. Wenn man allerdings vom zweiten Band auf den dritten schließen kann, dann hat jeder, der sich von blutigen Details und diversen Scheußlichkeiten nicht abgeschreckt fühlt, mit ziemlicher Sicherheit eine ganze Reihe von starken Adrenalinschüben vor sich.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch Fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| herauskommen unter dem Titel „Shadowfall“.

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Evans, Jon – Tödlicher Pfad

Es ist schon ein beachtenswertes Debüt, das der Kanadier Jon Evans mit seinem Thriller „Tödlicher Pfad“ abgeliefert hat. Evans ist ein in San Fransisco lebender IT-Consultant mit Hang zum Globetrotter, genau wie Paul Wood, der Held seines Romans. Man kann Evans nur wünschen, dass dies dann auch schon alle Gemeinsamkeiten gewesen sind, denn was Paul Wood im Laufe der Geschichte so alles durchmachen darf, ist nicht gerade ohne.

Der Klappentext preist Evans‘ Roman als |brillanten Backpacker-Thriller in der Tradition von Alex Garlands „Der Strand“| an und legt damit in Sachen Erwartungshaltung die Latte sehr hoch. „Der Strand“ war schließlich ein atmosphärisch dicht inszenierter Roman, der mit dem knallharten Gegensatz einer paradiesischen Landschaft und den dunklen Abgründen der menschlichen Seele geschickt zu spielen wusste. Ein Pfad, dem auch Evans ein Stück weit folgt, aber ganz ohne dabei Gefahr zu laufen, als billiger Garland-Abklatsch zu enden.

Auch „Tödlicher Pfad“ ist also im Backpackermilieu angesiedelt. Paul Wood befindet sich auf einer Trekkingtour in Südasien, als er in einem verlassenen Dorf am Annapurna-Massiv die Leiche eines brutal ermordeten Trekkers entdeckt, dem, offenbar als makabere Dekoration gedacht, zwei Schweizer Taschenmesser in die Augen gesteckt wurden. Die nepalesische Polizei geht der Sache gar nicht erst großartig nach. Wirbelt man Staub auf, verschreckt das schließlich höchstens die Touristen.

Doch Paul Wood geht der Anblick der Leiche aus einem anderen Grund nicht mehr aus dem Kopf. Zwei Jahre zuvor wurde seine Freundin bei einer Trekkingtour in Kamerun auf genau die gleiche Art umgebracht. Ist er innerhalb von zwei Jahren an zwei weit voneinander entfernt liegenden Punkten auf dem Globus zweimal demselben Killer begegnet? Ein eigenartiger Zufall. Da die Polizei jedoch nichts weiter unternimmt, entscheidet sich Paul, wenigstens in einem Internetforum für Backpacker eine entsprechende Notiz über den Fall zu hinterlassen. Prompt erhält er Antwort von einem User, der sich „Der Stier“ nennt und sich zu den Taten bekennt. Durch sein „Geständnis“ scheint er ein Gerücht zu bestätigen, das unter Backpackern schon seit längerem kursiert: Ein Serienkiller, der es speziell auf Rucksacktouristen in der Dritten Welt abgesehen hat.

Paul als versierter Computerspezialist verfolgt zurück, von wo aus „Der Stier“ seine Nachricht im Forum abgeschickt hat und versucht ihm auf die Schliche zu kommen. Ein riskantes Unterfangen, denn plötzlich wird der Jäger zum Gejagten …

„Ein rasanter Thriller für das 21. Jahrhundert“, lautet die etwas nüchterne Kritik der |Times| im Klappentext und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Evans ist mit „Tödlicher Pfad“ ein moderner Thriller gelungen, der die in den letzten Jahren veränderten Rahmenbedingungen der modernen, technisierten Gesellschaft aufgreift. Das Internet spielt dabei eine wichtige Rolle.

Der Satz „Die Welt ist ein Dorf“ spiegelt sich in verschiedenen Facetten in Evans‘ Roman wider. Zum einen ist die Welt aus der Sicht des viel reisenden Backpackers natürlich eine kleinere. Auch Paul Wood, Evans‘ Hauptfigur, kann sich ein paar Begebenheiten in Erinnerung rufen, in denen er die gleichen Rucksacktouristen in unterschiedlichen Winkeln des Globus rein zufällig wiedergetroffen hat. Ist da die Vorstellung, dass er auch zweimal die Wege des gleichen Killers kreuzt, immer noch so abwegig?

Auch das Internet ist natürlich ein Medium, das den Globus gewissermaßen schrumpfen lässt. Evans‘ Geschichte beruht auf der modernen globalisierten Welt, in der räumliche Distanzen kaum noch ein Hindernis sind. Die Sehnsucht nach zivilisationsfernen Abenteuern und das hochtechnisierte Datennetz des Internets, das dafür sorgt, dass man, selbst wenn man im entferntesten Winkel der Welt hockt, noch mitten im Geschehen ist, ergänzen sich zu einem spannenden Kontrast, der ein Produkt der modernen Gesellschaft ist. Dies ist neben der ausgeklügelten Thrillerkomponente der zweite wichtige Aspekt, der „Tödlicher Pfad“ zu einer interessanten Lektüre macht.

Evans versetzt seine Handlung in ein Setting, das bislang noch unverbraucht und frisch erscheint und inszeniert vor diesem Hintergrund eine Geschichte, die er mit sehr vielen eigenen Erfahrungen zu würzen versteht. Die Gemeinsamkeiten zwischen Autor und Hauptfigur sind absolut offensichtlich und sie sorgen auch dafür, dass die ganze Geschichte einen realitätsnahen Anstrich bekommt. Wenn sich jemand in die Lage eines technisch versierten Backpackers hineinversetzen kann, dann ist das Jon Evans.

Beim Anblick der auf seiner Website dokumentierten Reisestationen kann einen schon das Fernweh packen. Evans ist selbst viel herumgekommen und kann somit Erfahrungen aus erster Hand in seine Beschreibungen des Backpackerlebens einfließen lassen. So verwundert es auch kaum, dass Evans die im Buch immer wieder aufgegriffene Trekkingtour mit dem Overland Truck durch Afrika selbst gemacht hat – ein Verdacht, der mir schon beim Lesen des Buches kam und der sich beim Blick auf Evans‘ Website bestätigt hat. Evans‘ Beschreibungen des Lebens auf Reisen wirken bis ins Mark glaubwürdig und realistisch. Kein Wunder. Der Leser lernt die verschiedensten Winkel der Welt aus Rucksacktouristensicht kennen. Eine Sache, die durchaus ihren Reiz hat.

Teilweise lebt der Roman von diesen lebhaften Beschreibungen des Backpackeralltags, teilweise auch von der Spannung, die mit den Ereignissen einhergeht, in die Paul Wood eher zufällig hineinstolpert. Er betrachtet den Mord an dem Backpacker im Himalaja zunächst eher mit Neugier und will die Parallelen zum Tod seiner Freundin in Kamerun als Zufälligkeit abtun. Doch so ganz kann er das Bedürfnis, die Wahrheit herauszufinden, nicht abschütteln.

Er wird bei seinen Nachforschungen nicht über Nacht zum mutigen Helden, vielmehr vollzieht Evans an seiner Hauptfigur eine sehr glaubwürdige, sich konsequent fortsetzende Entwicklung. Paul bleibt stets auf dem Sprung, scheut trotz aller Neugier und allen Durstes nach Gewissheit die Konfrontation mit dem Killer. Die Angst bleibt sein Begleiter und es ist kein heldenhaftes über sich Hinauswachsen, das Paul mit der Zeit packt, sondern ein schrittweises Herantasten an die Wahrheit, die nach und nach einen Sog entwickelt, der Paul nicht mehr loslässt. Für die Persönlichkeitszeichnung des Paul ist das ein Vorteil. Er bleibt dadurch über die gesamte Romanlänge glaubhaft und nachvollziehbar. Es hat eben doch gewisse Vorteile, wenn eine Romanfigur eng an die Persönlichkeit des Autors angelehnt ist.

Die Thrillerhandlung mutet auch vor diesem Hintergrund durchaus nachvollziehbar an. Der Plot wirkt nicht übermäßig konstruiert, aber genauso wenig abgedroschen. So wie die Rahmenhandlung noch frisch und unverbraucht erscheint, wirkt auch der Thrillerplot. Die einfallsreiche Idee, die Evans dem zugrunde legt, führt zu einem glaubwürdigen und nervenaufreibenden Katz-und-Maus-Spiel mit ungewissem Ausgang. Evans streift dabei Gedankengänge, die durchaus eine gewisse Brisanz enthalten – eine zusätzliche positive Facette des Romans.

Was „Tödlicher Pfad“ letztendlich zu einem wahren „Page-Turner“ macht, ist Evans‘ packender Stil. Er schreibt nüchtern und klar, trägt nicht dick auf und betreibt keine großartige verbale Effekthascherei. Dennoch ist der Roman absolut mitreißend. Evans hat einfach ein Gespür dafür, einen Draht zum Leser zu finden, spricht ihn an manchen Stellen sogar direkt an und zieht ihn damit tief ins Geschehen. Der Leser wird direkt und ganz unmittelbar in die Handlung gestoßen. Stimmung und Figuren entfalten sich schon nach wenigen Seiten, so dass man für „Tödlicher Pfad“ nur wenig Anlauf braucht, um mit dem Buch warm zu werden.

Ein Übriges tut der Spannungsbogen. Paul ist an vielen Punkten bereit, aus der Geschichte auszusteigen, sobald er etwas herausgefunden hat. Er will auch sich selbst nicht unnötig in Gefahr bringen und versucht sich auf diese Weise zu beruhigen. Der Leser fällt darauf natürlich nicht herein. Man ahnt, dass Paul bis zum bitteren Ende weitergehen muss, weil er in der ganzen Geschichte schon viel zu tief drin steckt. Die Spannung wird auf diese Weise angeheizt.

Ein wenig variiert der Spannungsbogen mit den Orten. Zu Hause, wo Paul sich vergleichsweise sicher fühlen kann, kann auch der Leser verschnaufen. In der Ferne exotischer Länder überschlagen sich aber teilweise die Ereignisse. Kurz vor dem Ende der Geschichte nimmt Evans noch einmal ein bisschen Tempo aus der Handlung, um zum Schlusspunkt erneut richtig Gas zu geben, und spätestens dann kann man das Buch garantiert nicht mehr aus der Hand legen. Evans inszeniert den Spannungsbogen abwechslungsreich und geschickt. Mal nimmt er etwas Tempo raus, blendet zurück auf Erlebnisse aus Pauls Backpackerleben, mal gibt er richtig Vollgas. Den Leser muss er mit diesem rasanten Katz-und-Maus-Spiel einfach mitreißen.

Jon Evans ist mit „Tödlicher Pfad“ ein spannender und temporeicher Thriller geglückt, der schlicht aber mitreißend erzählt wird. Die Figuren wirken glaubwürdig, der Plot ist einfallsreich und erfrischend, das Setting der internationalen Backpackerszene noch unverbraucht und reizvoll. Alles in allem ein absolut lohnenswerter, moderner Thriller, der zu fesseln weiß. Freunde spannender, moderner Lektüre sollten unbedingt zugreifen.

Im Sommer erscheint dann übrigens zumindest im englischsprachigen Raum Jon Evans‘ zweiter Roman namens „Blood Prize“. Die Hauptfigur ist wieder Evans‘ Alter-Ego Paul Wood. Handlungsort ist der Balkan. Dass Evans höchstpersönlich die Handlungsorte vorher ausgiebig mit dem Rucksack erkundet hat, versteht sich von selbst …

Autorenhomepage: http://www.rezendi.com

Hohlbein, Wolfgang – Siegel, Das

„Das Siegel“ behandelt die Geschichte des vierzehnjährigen Ulrich von Wolfenstein, letzter Nachfahre aus einem verarmten Adelsgeschlecht, der sich den Kreuzfahrern anschließt, das heilige Land dann jedoch als Sklave betritt. Er wird verkauft an die Haschischin, die Anhänger des Hasan as-Sabbah, und zum Spielball der Intrigen zwischen diesen, den Tempelrittern und Saladin. Schließlich wird er zum Zeugen der Niederlage des christlichen Heeres bei Hattin, wo ihm der höchste Tempelherr das machtverleihende Siegel der Tempelritter anvertraut, auf dass er es in Sicherheit bringen möge. Stets scheint das Schicksal ihm trotz seiner unbedeutenden Geburt und seines unreifen Alters in Positionen zu zwingen, in denen das Schicksal vieler allein von seiner Entscheidung abhängt. Und letztlich fällt ihm die schwerste aller Entscheidungen zu: die Wahl zwischen dem Siegel und dem Freund, zwischen Verantwortung und Treue.

Das klang so weit für mich noch ganz spannend, doch bereits auf den ersten Seiten hat mich die Hohlbeinsche Wirklichkeit eingeholt und ich musste angesichts des extrem einfachen, dabei aber mit einem geradezu pubertären Pathos angefüllten Schreibstils bei zeitgleichem Agieren eines Vierzehnjährigen doch nochmals einen zweiten Blick auf die bibliographischen Angaben werfen. Nein, dies war kein Kinder- oder Jugendbuch. Das Buch ist erschienen als Möchtegern-historischer-Roman in der |Allgemeinen Reihe| des |Heyne|-Verlags. Schade eigentlich, denn als Jugendbuch hätte man hier doch einiges vergeben können, so aber wetze ich jetzt ungeniert meine kritischen Seziermesser. Dabei hat Hohlbein eine fast identische Geschichte auch als Jugendbuch unter dem Titel „Der Ritter von Alexandria“ veröffentlicht.

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist seit 1982 hauptberuflicher Schriftsteller. Seitdem hat er 256 Bücher entweder selbst geschrieben, veröffentlicht oder sonstwie an ihnen mitgewirkt. Er gehört heute zu Deutschlands erfolgreichsten und meistgelesenen Autoren – dennoch sind ihm bisher maximal eine Handvoll Bücher gelungen, die von den Kritikern nicht komplett zerrissen wurden. Und man merkt auch sofort, warum das der Fall ist: Der Stil ist einfach so grauenvoll, dass mir manche Formulierungen regelrechtes literarisches Sodbrennen verursachen. Dermaßen schlecht kenne ich die handwerkliche Umsetzung sonst eigentlich nur noch von Barbara Cartland. Hohlbein spaltet die Nation eindeutig in ihre Lesestoff-Geschmäcker.

Dazu handeln die Protagonisten nicht in einem Rahmen, den ein Erwachsener nachvollziehen kann. Selbst die älteren Männer in Hohlbeins Büchern wie diesem scheinen sich geistig noch im Stimmbruch zu befinden. Die Charaktere sind flach gezeichnet und nicht im Geringsten glaubhaft.
Dabei hätte alles so schön sein können, denn im Grunde hat Hohlbein ein Gespür für Geschichten, die sich zu erzählen lohnen. So ist denn auch der historische Hintergrund, wenn schon nicht detailgetreu gezeichnet, so doch grundsätzlich interessant, und aus den Grundzügen der Geschichte hätte ein anderer Autor einen spannenden Abenteuerroman vor faszinierendem historischem Hintergrund machen können. Nun will ich gar nicht mal besonders auf historischer Korrektheit herumreiten, denn Hohlbein selbst warnt uns schon vor Buchbeginn, dass er sich „einige geschichtliche Freiheiten erlaubt“. Im Grunde erscheint das ganze Buch als eine geschichtliche Freiheit, wenn nicht gar eine Frechheit, wenn man dies wirklich als historischen Roman bezeichnen möchte. Selbst einige Fantasy-Elemente wie Zauberei, Auferstehung von den Toten etc. finden sich hier wieder und werden munter mit historischen Persönlichkeiten und Fakten vermischt. Doch dies nur nebenbei, schwerer wiegen für mich die beinahe fehlende Spannung und die flachen, absurd erscheinenden, klischeebeladenen Charakterisierungen.

Denn da wäre zunächst mal Ulrich: reinen Herzens, 14, nach zwei Wochen Ausbildung bereits in der Lage, erfahrene Ritter im Schwertkampf zu schlagen, doch seine Texte stottert er mit kindlicher Unsicherheit runter. Und … seine wörtliche Rede … ist häufig von … ermüdenden … Sprechpausen aus … drei Punkten … unterbrochen.
Hasan as-Sabbah, der verschlagene, alte Mann, dem jedes Mittel recht ist und der sich auch der finsteren Mächte des Bösen bedient, um an sein Ziel zu gelangen.
Sultan Saladin, der edle Heide. Ein ehrenvoller Feind.
Sarim de Laurec, der treue Freund, der noch in der größten Not zu ihm hält. Und so weiter …

Und dann, wie gesagt, die fehlende Spannung. Die gesamte Story ist von vorn bis hinten entweder vorhersehbar oder zusammenhanglos und wirr. Selbst mitten im Schlachtgetümmel und kurz vor Ende fiel es mir nicht schwer, eine Lesepause einzulegen. Das mitreißende Element fehlt völlig. Die Charaktere folgen keiner durchgezeichneten Handlungslinie, sondern scheinen von einem trüben Geschichtsstrom dahingeschwemmt zu werden. Erst im letzten Viertel des Buchs taucht plötzlich das titelgebende Siegel auf und die eigentliche Geschichte (oder eine weitere) beginnt, hat aber mit der langen, für diesen Plot nicht relevanten Vorgeschichte so gut wie nichts zu tun. Das Ende ist ebenso vorhersehbar und dabei doch planlos und trieft nur so von pubertären Hormonen und übertriebenem Pathos.
Das Allerschlimmste aber war, dass mir „Das Siegel“ als eines von Hohlbeins besseren Büchern empfohlen worden war. Eine Empfehlung, die ich garantiert nicht weitergeben werde. Es gibt wirklich bessere historische Romane zum Thema Tempelritter – selbst von Wolfgang Hohlbein.

http://www.hohlbein.de/

James Munro – Eine Karte aus Kutsk

munro-kutsk-cover-kleinEin britischer Geheimagent wird in die Türkei geschickt, um dort einem sowjetischen Wissenschaftler die Flucht durch den Eisernen Vorhang zu ermöglichen. Leider weiß der Feind längst Bescheid und bereitet dem Agenten einen mehr als heißen Empfang, bis dieser zu ahnen beginnt, dass ihn zudem seine eigenen Leute verraten und verkauft haben … – Harter Thriller in James Bond-Manier, keine billige Kopie, sondern durchaus eigenständig, besetzt mit einem interessant gebrochenen Helden, dazu unterhaltsam und flott geschrieben.
James Munro – Eine Karte aus Kutsk weiterlesen

Le Fanu, Joseph Thomas Sheridan – Carmilla, der Vampir (Gruselkabinett 1)

Laura ist jung und schön, doch leider nützt ihr das wenig, da sie einsam, nur mit ihrem Vater und zwei Gouvernanten, im Familienschloss in der Steiermark des 19. Jahrhunderts lebt. Sie leidet unter der Abgeschiedenheit ihres Wohnsitzes und freut sich daher besonders auf die ebenfalls junge Bertha, die sich als Sommergast angesagt hat. Doch ihr Vater muss ihre Hoffnungen zerstören: Bertha ist plötzlich verstorben. Laura hat jedoch Glück im Unglück, wie es zunächst scheint, denn kurz darauf verunfallt eine Kutsche genau vor dem Schloss und die geheimnisvolle Insassin lässt ihre bewusstlose Tochter in der Obhut Lauras und ihres Vaters, da sie sofort weiterreisen muss.

Carmilla, so heißt der überraschende Gast, erobert schnell die Herzen ihrer Retter. Laura, immer noch auf der Suche nach einer vertrauten Freundin, ergreift die Chance und lässt sich von Carmillas reizendem Charme einwickeln. Nach kurzer Zeit schwören sich die beiden ewige Freundschaft und gestehen sich ihre gegenseitige Hingabe. Doch Carmilla hat auch ihre dunkle Seite. Nie verlässt sie vor dem Mittag ihr Zimmer, nie nimmt sie mit der Familie ihre Mahlzeiten ein und nie lässt sie etwas über ihre Herkunft oder Familie verlauten. Laura ist zwar frustriert über Carmillas Verschwiegenheit, aber sie dringt nicht weiter in sie, um die neu gewonnene Freundschaft nicht zu gefährden.

Bald nach Carmillas Ankunft fängt Laura an, seltsame Dinge an sich zu beobachten. Sie träumt schlecht und meint des Nachts eine große schwarze Katze in ihrem Zimmer zu sehen. Sie verspürt einen Schmerz wie von zwei Nadelstichen am Halse und fühlt sich tagsüber zunehmend matter und müder. Der hinzugezogene Arzt vermutet den Angriff eines Vampirs, denn seit kurzem scheint in der Gegend ein Untoter sein Unwesen zu treiben.

Der irische Autor Sheridan Le Fanu veröffentlichte seine Novelle „Carmilla“ erstmals 1872 in seinem Erzählband „In a Glass Darkly“. Die darin geschilderte lesbische Vampirin Carmilla dominierte die Erzählung mit ihrem Charisma dermaßen, dass sie auch noch heute literarischen Einfluss auf Autoren von Vampirgeschichten ausübt. Selbst Bram Stoker, gemeinhin als der Urvater des Vampirgenres bekannt, verneigte sich vor Le Fanus Vampirin, indem er seinen „Dracula“ ursprünglich in der Steiermark spielen lassen wollte – dem Ort, an dem auch „Carmilla“ spielt.

Der Originaltext ist geprägt von einer für den heutigen Leser kaum zu übersehenden sexuellen Spannung zwischen Laura und Carmilla. Die Vampirin, die es ausschließlich auf Frauen abgesehen hat (in Liebes- und Ernährungsfragen gleichermaßen) überschüttet Laura mit den bekannten Formen der Liebeswerbung und das geht so weit, dass sich Laura an einer Stelle gar fragt, ob es sich bei Carmilla vielleicht um einen Mann in Frauenkleidern handelt. So gibt es Tête-á-têtes im Garten, leidenschaftliche Blicke und zarte Küsse. Laura schwankt ob dieser Aufmerksamkeit zwischen Erregung und Entsetzen, macht aber nie den entscheidenen Schritt, Carmillas Verhalten als sexuelles Interesse zu werten. Begehren wird immer nur männlich gedacht, die Unmöglichkeit von Carmillas Annäherungen kann Laura daher nur verwirren.

Das Hörspiel aus der Feder von Marc Gruppe schwächt die homoerotischen Elemente etwas ab, eliminiert sie jedoch nicht ganz. So wandert zwar der ursprüngliche Vampirbiss vom Busen hoch zum keuschen Hals, doch gibt es auch im Hörspiel eine Liebeserklärung zwischen den beiden. Gruppe setzt hier also den Schwerpunkt nicht auf das sexuelle Innuendo zwischen den Hauptfiguren, sondern konzentriert die Handlung auf die Ambivalenz in Carmillas Charakter, die zwischen echter Freundin und kaltblütiger Vampirin schwankt. Dass man Carmilla die Infiltration von Lauras Leben ohne Zögern abnimmt, liegt auch an der Sprecherin Daniela Hoffmann, die viele als deutsche Stimme von „Ally McBeal“ kennen. Sie klingt über weite Strecken so süß, unschuldig und ungefährlich, dass die raren Momente, in denen die Maske fällt und sie stimmlich zur Furie mutiert, besonders schockierend anmuten.

Doch auch sonst ist das Hörspiel hochkarätig besetzt: Manja Doering als Laura ist wunderbar naiv und jugendlich und Regina Lemnitz und Arianne Borbach als Lauras Gouvernanten herrlich abergläubisch und schwärmerisch. In den männlichen Rollen sind besonders der sehr fürsorgliche Heinz Ostermann als Lauras Vater und ein wunderbar maskulin klingender Christian Rode als General Spielsdorf zu nennen.

Marc Gruppes Hörspiel hält sich auffallend dicht an den Text von Sheridan Le Fanu. Natürlich, es gibt einige Änderungen, besonders die Träume und die schließliche Vernichtung Carmillas betreffend. Doch davon abgesehen kann man alles wiederfinden, was auch Le Fanu in seiner Novelle beschreibt. Selbst Laura als Erzählerin wurde beibehalten und so folgt der Hörer ihrer (naiven) Sicht der Dinge. Was man allerdings im Hörspiel nicht erfährt (im Gegensatz zum Text), ist die Tatsache, dass Laura einige Jahre nach den Begebenheiten um Carmilla verstirbt. Die Vampirin triumphiert am Ende also doch!

Man sollte sich daher nicht vom recht trashigen Cover der CD (in der ersten Fassung, die Cover wurden mittlerweile neu gestaltet) abschrecken lassen, denn wie heißt es so treffend: „Don’t judge a book by its cover.“ Im Innern findet sich nämlich ein wirklich hochwertiges Hörspiel, das unterhält und gleichzeitig einen klassischen Text der Vampirliteratur einem Publikum zugänglich macht, das eine so alte Novelle freiwillig vielleicht nicht in die Hand genommen hätte. Die 78 Minuten Spieldauer der CD sind in keinem Fall verschenkte Zeit!

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)