Die Rache treibt Tanner Mirabel, Ex-Soldat und Ex-Leibwächter, über eine Entfernung von 15 Lichtjahren auf der Jagd nach dem Aristokraten Reivich an. Auf |Sky’s Edge|, dem Heimatplaneten Tanners, haben Reivichs Leute seinen Auftraggeber, den Waffenhändler Cahuella und dessen Frau Gitta, in die Tanner heimlich verliebt war, getötet.
Nun verfolgt Tanner den reichen Aristokraten bis zum Planeten |Yellowstone| und dessen schillernder Hauptstadt |Chasm City|. Doch es läuft ganz anders als geplant: Nach dem Auftauen aus dem Kälteschlaf während der Reise von Sky’s Edge leidet Tanner unter einer Reanimationsamnesie. Als ob das nicht genug wäre, hat er sich einen Inkarnationsvirus der Sky-Haussmann-Kultisten eingefangen. Auf seiner rechten Hand trägt Tanner ein Stigma, gleich dem des gekreuzigten Religionsvaters Sky Haussmann – und in seinen Träumen schlüpft Tanner immer wieder in die Rolle Skys.
Auch Chasm City hat ihr goldenes Zeitalter hinter sich. Die Schmelzseuche, eine geheimnisvolle Krankheit, die alle komplizierteren Maschinen befällt und diese in ihrer Struktur vollkommen umorganisiert, hat das Antlitz der Stadt gewandelt. Die Nanotechnologie in den Gebäuden wurde von der Seuche befallen, die Häuser begannen zu wachsen, schnell ihre Form zu verändern, fraktale Verästelungen zu bilden. So entstand der „Baldachin“, in den sich die reichen Bürger zurückgezogen haben – nur nahe dem Boden, im „Mulch“, blieben die Häuser beinahe unverändert.
Viele Menschen sind ebenfalls von der Schmelzseuche betroffen, hatten sie doch mit verschiedenen Implantaten und Nanomaschinen im Blut nahezu Unsterblichkeit erreicht. Jetzt bleiben ihnen wenige Möglichkeiten gegen die Seuche: Flucht in hermetisch abgeschlossene Bereiche, Entfernen aller Nanos und Implantate – oder die Droge „Traumfeuer“, deren regelmäßiger Konsum scheinbare Immunität gegen die Seuche verleiht.
Etliche der nahezu Unsterblichen haben sich nach Entfernung der Implantate ihre Langlebigkeit bewahrt und greifen zu immer ausgefalleneren gefährlichen Spielen, um sich Nervenkitzel zu gönnen.
In diese fremde Welt dringt Tanner ein, wird zu einem Gejagten, findet aber auch Unterstützer. Seine Träume von Sky Haussmann werden immer intensiver, sie kommen jetzt sogar tagsüber – und auch seine anderen Träume verwirren ihn mehr, als dass sie die Ereignisse vor seiner überstürzten Abreise von Sky’s Edge erklären.
Alastair Reynolds kehrt mit seinem zweiten Roman in die Welt seines Erstlings [„Unendlichkeit“ 503 zurück, schafft aber ein in mancher Hinsicht ganz anderes Buch. War „Unendlichkeit“ eine breit angelegte Space-Opera, so ist „Chasm City“ ein düsterer SF-Thriller, dessen äußere Handlung wesentlich straffer ist. Man muss „Unendlichkeit“ nicht gelesen haben, um den Hintergrund verstehen zu können.
Reynolds vermag es, seine Leser gut zu unterhalten, sein Garn farbenprächtig auszuschmücken. Obschon es immer wieder Passagen gibt, in denen man sich etwas mehr Dynamik im Fortgang der äußeren Handlung wünschen würde, hat alles seinen wichtigen Platz in der aufwendigen Konstruktion. Es gibt einige wirklich beeindruckende Waffen, Action – sogar Außerirdische tauchen auf, und Tanner löst das Geheimnis um den Ursprung des „Traumfeuers“. Die Charaktere, oft recht eigenwillig und nicht unbedingt sympathisch, sind ordentlich herausgearbeitet.
Die Zutaten sind nicht eben neu, von „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ bis „Blade Runner“ bedient sich Reynolds recht ungeniert, es gibt zum Beispiel auch einen dampfmaschinenbetriebenen Zug (schönen Gruß an China Miévilles „Perdido Street Station“); aber irgendwie stört es nicht sonderlich. Die Mischung ist unterhaltsam und interessant. Gegen Ende werden sogar philosophische Fragen wie die, was einen Menschen ausmacht, inwiefern ihn seine Erinnerungen zu dem machen, was er ist, angeschnitten.
Fazit: Eine Menge gutes Lesefutter, das den stolzen Preis wert ist.
Der Erstlingsroman [„Grüner Reiter“ 174 von Kristen Britain war ein Bestseller. Anfang September erschien nun die Fortsetzung des Romans unter dem Titel „Spiegel des Mondes“.
_Karigan G’ladheon_ hat sich letztlich doch dazu „überreden“ lassen, sich den grünen Reitern anzuschließen. Ihre erste Mission führt sie zusammen mit einer ganzen Delegation in den grünen Gürtel. König Zacharias will Kontakt mit den Eletern aufnehmen. Die Delegation wird von Erdriesen angegriffen und beinahe aufgerieben. Aber das ist längst nicht das Schlimmste, was ihnen begegnet!
Zur gleichen Zeit trifft Karigans Freund Alton, ebenfalls ein grüner Reiter, am D’yer-Wall ein, dem magischen Bauwerk, welches das Böse im Schwarzschleierwald, Mornhavon, dort zurückhält. Alton stammt aus dem Geschlecht derer, die den Wall errichteten, und sein magisches Talent des Reiters befähigt ihn dazu, den Wall zu reparieren. Doch bevor er herausfinden kann, was zu tun ist, stürzt er ab …
In Sacor hat König Zacharias nicht nur mit der wachsenden Unruhe seiner Bevölkerung angesichts der Auswirkungen der Magie zu kämpfen, sondern auch mit einem Flüchtlingsproblem aus dem Norden und seinen widerspenstigen Lordstatthaltern, die drohen, ihm ihre Unterstützung zu entziehen!
Und in den verlassenen Gängen der riesigen Burg trifft sich unterdessen immer wieder heimlich eine Gruppe von Leuten. Sie sind voller Erwartung, denn immer mehr wilde Magie strömt durch die Bresche des Walls nach Sacoridien. Sie hoffen, dass der Wald endlich erwacht, warten auf Anweisungen ihres Herrn. Die Anweisung, die sie schließlich erhalten, lautet: Bringt Galadheon zu mir!
_Die Fortsetzung_ des „Grünen Reiters“ zeigt im Vergleich eine deutliche Verlagerung der Gewichte. Die Nettigkeiten, die im ersten Band noch zum Schmunzeln anregten, wie zum Beispiel die beiden verschrobenen alten Damen im Haus Siebenschlot, kommen hier nicht mehr vor. Dafür tauchen andere Gestalten auf, vornehmlich negative. Die gesamte Stimmung verschiebt sich wesentlich mehr ins Düstere, Bedrohliche. Selbst die Eleter, die im ersten Band noch so sanft und freundlich mit Karigan umgingen, bekommen einen zwiespältigeren Charakter. Shawdell ist plötzlich kein einzelner Abtrünniger mehr …
Gleichzeitig ist die Handlung komplexer geworden. Der erste Band bestand nur aus wenigen Handlungssträngen: Joy, Laren, gelegentlich Alton, und hauptsächlich Karigan. Diesmal sind es zusätzlich zu Karigan noch König Zacharias, Laren, Mara, Alton, Mornhavon, Spurlock, Lil Ambriodhe und, in die eigentliche Handlung eingestreut, noch Tagebucheinträge eines Hadriax el Fex. Die einzelnen Stränge haben eigene Überschriften, an denen man sie erkennt, sodass man der Handlung trotz allem folgen kann. Zusätzlich dazu spielt ein Teil der Handlung in anderen Zeiten, hauptsächlich in der Vergangenheit. Diese Exkurse sind jedoch in die gegenwärtige Handlung eingebettet und bilden keine eigenen Handlungsstränge. Trotzdem sollte man nicht zu müde oder überarbeitet sein, wenn man das Buch liest.
Leser, die den „Herr der Ringe“ kennen, werden sicherlich auch hier gelegentlich leise an ihn erinnert werden, zum Beispiel beim Auftritt von Varadgrim, trotzdem kann man auch von diesem Band sagen, dass seine neuen Ideen erfreulich eigenständig sind. Auch für diese gilt die oben erwähnte Verlagerung hin zum Düsteren. Lorbeerblatt und Steinbeerenblüte finden keine Verwendung mehr, das Hauptaugenmerk liegt, im Hinblick auf die Magie, eher in der Vergangenheit, wo Mornhavon an einer ungeheuerlichen Waffe arbeitet, dem Horn des ersten Grünen Reiters – nicht umsonst heißt der Originaltitel des Buches „First Riders Call“ – und den bisher unbekannten Fähigkeiten der Broschen.
Bereits im ersten Band kamen Geister vor, vorwiegend F’ryan Coblebay, von dem Karigan ihre Ausrüstung hat, diesmal sind sie noch stärker vertreten. Sie bilden ein zusätzliches Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart, und Lil Ambriodhe, der erste Reiter, hat massiven Anteil am Geschehen.
_Ich finde_ auch den zweiten Band äußerst gelungen. Die Charaktere sind wie bisher gut gezeichnet, auch die neu dazugekommenen sind glaubwürdig und lebendig, das allmähliche Erwachen Mornhavons ist geschickt gemacht. Die Gesamtstimmung ist etwas düsterer als vorher, aber auch wenn ich die Schmunzeleinlagen anfangs etwas vermisste, hat mich das Buch doch bald so sehr gefesselt, dass man darüber hinwegsehen kann. Das Tempo hat, besonders am Schluss, wo mehrere Handlungsstränge am selben Ort aufeinander treffen, etwas gelitten, weil die Gleichzeitigkeit die einzelnen Stränge zwangsläufig an manchen Stellen unterbricht, der Spannung hat das aber keinen Abbruch getan. Die gelegentlichen Ausflüge in die Vergangenheit haben der Erzählung eine eigene Geschichte und damit zusätzliche Tiefe verliehen. Durch das Tagebuch des Hadriax erhält auch Mornhavon eine Vergangenheit, was auch seine Person nachvollziehbarer macht. Vor allem hat die Autorin all die verschiedenen Aspekte gekonnt miteinander verbunden. Der Ablauf ist logisch aufgebaut und frei von holprigen Stellen.
Natürlich hat auch dieser Band keinen endgültigen Schluss. Das Ende ist sogar wesentlich offener als beim ersten Band und eindeutig auf eine Fortsetzung angelegt. Etwas, das sich so gut verkauft, beendet man nicht einfach. In diesem Fall muss ich sagen: Es verkauft sich zu Recht gut! Kristen Britain ist bisher die zweite mir bekannte Autorin, deren Fortsetzung die Klasse des Vorgängers mühelos gehalten hat. Ich bin jetzt schon auf den dritten Band gespannt.
_Kristen Britain_ ist hauptberuflich eigentlich Park-Rangerin, und das nach einem abgeschlossenen Studium in Filmproduktion. Das Schreiben, mit dem sie bereits im Alter von neun Jahren angefangen hat, hat sich letztlich aber nicht unterkriegen lassen. Außer ihren beiden Romanen gibt es noch weitere Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Cartoons.
1816 ereignete sich in der Villa Diodati am Genfer See ein Geschehen, das auch heute noch als literarische Anekdote in Vampiranthologien und Frankenstein-Nachwörtern regelmäßig Eingang findet. Damals nämlich verbrachte eine illustre Gesellschaft den verregneten Sommer in der Villa: Der englische Dichter Percy Shelley, seine spätere Frau Mary Wollstonecraft, deren Stiefschwester Claire (wohl die Einzige in der Runde ohne literarischen Nachruhm), der englische Dichter und Lebemann Lord Byron und dessen Leibarzt John William Polidori. Die Gruppe verbrachte einen angeregten Abend beim Lesen deutscher Gespenstergeschichten und aus einer Laune heraus schlug Byron vor, die Anwesenden sollten sich jeweils selbst an einer Geistergeschichte versuchen. Was aus Percy Shelleys Beitrag geworden ist, bleibt unbekannt. Mary Wollstonecraft jedoch begann ihre Arbeit am weltberühmten „Frankenstein“, Byron verfasste eine Fragment gebliebene Kurzgeschichte und Polidori, nicht nur Mediziner, sondern auch aspirierender Schriftsteller, trug sich mit einer Geschichte über eine Frau, der ein Totenkopf auf den Schultern sitzt.
Nun war die Beziehung zwischen dem exzentrischen Byron und seinem Leibarzt Polidori keineswegs eine harmonische. So kam es, dass Polidori bald aus Byrons Diensten entlassen wurde, doch die in der Villa Diodati geschriebenen Geistergeschichten ließen ihn scheinbar nicht in Ruhe. Er baute auf Byrons „Fragment“ auf und verfasste seine eigene Novelle: „The Vampyre, A Tale“ (dt. „Der Vampyr“). Sie erschien 1819 unter dem Namen Lord Byrons, der sofort die Urheberschaft bestritt. Doch der Siegeszug des „Vampyr“ war nicht mehr aufzuhalten, es folgten Übersetzungen, mehrere Auflagen und sogar Bühnenadaptionen. Mit „Der Vampyr“, so mittelmäßig die Novelle in ihrer literarischen Qualität auch sein mag, brach eine neue Ära für die Vampirliteratur an. Sicher, es hatte schon vorher Vampire in der Literatur gegeben (sogar große Namen wie Goethe waren sich nicht zu schade, sich mit den Untoten zu beschäftigen). Doch Polidoris Vampir, der aristokratische Lord Ruthven, war kein in Lumpen gehüllter Zombie mehr, der auf Friedhöfen lauerte. Stattdessen sucht er die Salons der Großstädte heim und macht sich an holde Jungfrauen heran, um sie ins Unglück zu stürzen. Er ist schön, blass, kaltherzig, reich, weltgewandt, grausam, aber auch charmant – das genaue Ebenbild Lord Byrons. Die Bedeutung von Polidoris Erfindung für spätere literarische Vampire lässt sich kaum unterschätzen, ist die Anziehungskraft des Byronschen Vampirs doch auch heute noch ungebrochen (man denke nur an Anne Rices Lestat oder Laurell K. Hamiltons Jean-Claude).
Mit „Der Vampyr“ hat |Ripper Records| in Zusammenarbeit mit |Lübbe Audio| nun ein liebevoll produziertes Hörspiel auf den Markt gebracht, das sich den Ereignissen am Genfer See widmet. Dass die beiden CDs den Titel von Polidoris Novelle tragen, zeigt gleich, wo die Sympathien von Frank Gustavus liegen, der für Buch und Regie zuständig war. Man folgt Polidoris Sicht der Dinge, wenn er am Totenbett einem namenlosen Journalisten seine Geschichte erzählt: Wie er von Byron angestellt wird und mit ihm auf den Kontinent reist. Wie er mit den anderen Schriftstellern in der Villa Diodati zusammentrifft und deren Spott über seine mittelmäßigen literarischen Werke ertragen muss. Wie er nur in Mary Shelley eine Freundin findet und schließlich den „Vampyr“ verfasst, nur um ihn unter Byrons Namen veröffentlicht zu sehen. Diese Katastrophe wird sich fatal auf sein Leben auswirken. Der Streit um die Urheberschaft ruiniert ihn, andere seiner Werke werden verrissen oder gar nicht erst verlegt. Desillusioniert nimmt er sich mit 26 das Leben, ohne je literarischen Ruhm erreicht zu haben. Ironischerweise hat sich sein im Hörspiel geäußerter Wunsch, seinen Namen einmal neben Byrons zu sehen, mittlerweile mehr als erfüllt. In Anthologien stehen die Erzählungen Byrons und Polidoris in der Regel nenebeneinander und literaturgeschichtlich markiert Polidoris Novelle die Geburt des modernen Vampirs.
Frank Gustavus verbindet gekonnt Teile der Erzählungen (man hört Auszüge aus Byrons „Fragment“, Polidoris „Der Vampyr“, Coleridges „Christabel“, aber auch Abschnitte aus Briefen und Tagebucheintragungen) mit überlieferten Tatsachen (so stimmt es tatsächlich, dass Shelley bei der Rezitation von „Christabel“ einen Nervenzusammenbruch erlitt) mit frei erfundenen Teilen (beispielsweise die Ausgangssituation des Hörspiels, in dem Polidori seine Geschichte einem Reporter erzählt). Sämtliche Sprecher erwecken ihre Charaktere überzeugend zum Leben, allen voran natürlich Andreas Fröhlich als Polidori und Joachim Tennstedt als Byron. Fröhlich, der seine Stimme auch schon Edward Norton lieh, lässt seinen Polidori zwischen dem jungen Naiven in der Gesellschaft von hochgebildeten Literaten und dem vom Leben enttäuschten und vollkommen desillusionierten Selbstmörder changieren. Joachim Tennstedt, der unter anderem auch John Malkovich synchronisiert, lässt Byron wie einen manischen Irren klingen und macht es dem Zuhörer damit leicht, diesen genialen, aber menschlich wohl unleidlichen Dichter leidenschaftlich zu hassen. Unterstützt werden beide von atmosphärischer Musik und überzeugenden Soundeffekten.
Wer die jeweiligen Erzählungen von Byron und Polidori kennt, der wird im Hörspiel von |Ripper Records| eine engagierte und lohnende Bearbeitung der Ereignisse um die Entstehung der Geschichten finden. Allen anderen wird „Der Vampyr“ garantiert Lust auf mehr machen: mehr Hörspiele, mehr Vampirgeschichten, vielleicht ein wenig „Frankenstein“. |Ripper Records| ist ein kleines Juwel mit hohem Unterhaltungswert gelungen, in dem eine bekannte Anekdote zu neuem Leben erweckt wird. Die Geschichte zieht den Hörer sofort in ihren Bann und man mag keine Sekunde von Polidoris Erzählung verpassen. Die Handlung ist spannend, unterhaltsam, gruselig, aber auch mit Witz aufgearbeitet worden, deswegen gibt es eine ganz klare Empfehlung: Kaufen, hören, genießen!
(p.s.: Falls nun jemand nach dem Hören auf die beiden Geschichten von Byron und Polidori neugierig geworden sein sollte, so kann demjenigen natürlich geholfen werden. Beide Erzählungen finden sich in einer hervorragenden Anthologie von Dieter Sturm und Klaus Völker, die sich bereits seit Jahrzehnten als Standardwerk behauptet: „Von denen Vampiren oder Menschensaugern“ enthält zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten, aber auch historische Dokumente. Im Dezember erscheinen übrigens bei |Ripper Records| die kompletten „Vampyr“-Erzählungen als Hörbuch, gelesen von A. Fröhlich und J. Tennstedt.)
Ein Hörspiel als DVD-Audio heraus zu bringen, ist auch heute nicht unbedingt üblich. Doch genau dies taten der MDR und RB bei ihrer Produktion der Jules Verne Klassikers „20.000 Meilen unter den Meeren“ bereits im Jahre 2003. Inzwischen ist dieses nicht mehr solo erhältlich, sondern nur noch als Teil der vertonte Verne-Trilogie „Phantastische Reisen“ im |Hörbuchverlag|. Dieses CD-Pack enthält zum fraglichen Titel zusätzlich auch noch „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ und „In 80 Tagen um die Welt“. Natürlich bleibt weiterhin der einschlägige Gebrauchtmarkt, um an den einzelnen, und überdies recht raren, 5.1 Surround DVD-Silberling mit erweiterter Laufzeit zu gelangen. Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der die Story nicht kennt. Oder doch? Ok, hier dann noch mal eine kleine Gedächtnisauffrischung:
_Zur Story_
Wir schreiben das Jahr 1866, genauer gesagt den 20. Juli 1866, als diese Geschichte beginnt. Seit geraumer Zeit macht ein seltsames Objekt von stattlichen Abmaßen die Schiffswege unsicher. Es wird allgemein angenommen, dass es sich um ein Seeungeheuer handelt und ein sehr schnelles noch dazu – es kann mehrere hundert Seemeilen scheinbar mühelos am Tag zurücklegen. Manche Überlebende der Attacken berichten auch von phosphoreszierenden Augen, was die Theorien, dass es sich lediglich um einen selten großen Narwal handelt nicht gerade stützt. Ebenso wenig, wie die Löcher, die dieses Objekt selbst in stählerne Schiffsrümpfe zu reißen vermag.
Der Pariser Meeresbiologe Professor Pierre Aronnax erhält in New York ein Jahr später – 1867 – das Angebot sich mit der Fregatte „Abraham Lincoln“ einzuschiffen und auf die Jagd nach dem mysteriösen Phänomen zu gehen. Das „Ungeheuer“ interessiert ihn aus wissenschaftlicher Sicht brennend. Tatsächlich stoßen sie nach wochenlanger, ergebnisloser Fahrt auch auf das geheimnisvolle Objekt, dass sie zunächst nur umkreist und seine Spielchen mit ihnen zu treiben scheint. Bis Kapitän Farragut es mit der Bordkanone unter Beschuss nimmt. Zwecklos – Die Kanonenkugel richtet keinen Schaden an. Auch die Harpune des kanadischen Meister-Harpuniers Ned Land zeigt keinerlei Wirkung, außer, dass es das vermeintliche Ungeheuer wohl soweit reizt, dass es zum Angriff übergeht und das Schiff rammt.
Professor Aronnax wird bei dem heftigen Stoß über Bord geschleudert, ihm hinterher springt sein treuer Diener Conseil. Freiwillig. Wassertretend müssen die beiden mit ansehen, wie sich die beschädigte Fregatte rasch von ihnen entfernt. Ned Land ist ebenfalls von Bord gefallen und fischt die beiden – wundersamerweise aufrecht stehend – aus dem Wasser. Bestürzt müssen sie feststellen, dass sie sich auf dem stählernen Rücken des Ungeheuers befinden, dass, wie ihnen nun schnell klar wird, eigentlich ein von Menschenhand erschaffenes Unterwasserschiff ist. Das schickt sich zudem gerade an abzutauchen. Ihre Hilferufe werden erhört und das bringt sie in die Hände des seltsamen Kapitän Nemo, auf dessen „Nautilus“ sie eine Reise in Gefangenschaft antreten, die 20.000 (französische) Meilen betragen wird… unter den Meeren.
_Eindrücke_
Die Story ist naiv aber zugleich auch sehr visionär. Als sie geschrieben wurde tickten die Uhren noch ganz anders und vieles von dem, was Verne schreibt, war zu dieser Zeit pure Zukunftsmusik und im wahrsten Sinne des Wortes Science Fiction. Es ist jedoch faszinierend, wie viel sich davon später aber als zutreffend herausstellen sollte – vor allem in technischer Hinsicht. Anderes hingegen erweist sich heute als überholt und falsch bzw. physikalisch nicht zutreffend. Doch vieles konnte er mit dem damaligen Kenntnisstand nicht wissen, sondern nur vermuten. Weniger fiktiv ist seine Gesellschaftskritik an der Menschheit selbst, auch hier beweist Verne sehr viel Voraussicht, denn bis in die Jetztzeit hat sich was das angeht nichts wirklich gravierend verändert.
Die Kernaussage: Macht korrumpiert und jedwede Technik kann zur Waffe pervertiert werden – unabhängig davon, welche (wenn auch eigentlich hehre) Motive und Ziele dahinter stecken. Gerade bei Nemo ist der Grat zwischen Genie und Wahnsinn extrem schmal, der selbst ernannte Racheengel hat nicht realisiert, dass er seinen damaligen Peinigern in seinen despotischen Methoden ähnlicher ist, als er es wahrhaben will. Dass Gewalt stets Gegengewalt erzeugt ist ihm in diesem Zusammenhang ebenfalls irgendwie entfallen. Eine Binsenweisheit, die damals wie heute uneingeschränkt gilt – und das bereits seit Menschengedenken.
Nach unseren heutigen Standards fällt die Charakterzeichnung sehr stereotyp und schablonenhaft aus, Verne legte wesentlich mehr Wert auf die Beschreibung der phantastischen Unterwasserwelt und die Technik der ‚Nautilus‘, als der detaillierten Ausarbeitung seiner Figuren. Zum Glück hat man diese ausufernden Ergüsse im Hörspiel weitgehend glatt gebügelt, ohne jedoch das alte, faszinierende Flair zu zerstören. Auch die aus heutiger Sicht unzutreffenden, wissenschaftlichen Halbwahrheiten und Spekulationen Vernes blieben unangetastet, sein unvergleichlicher Stil, sowie seine darin enthaltene Message, sind klar erkennbar geblieben, wenn auch an einigen Stellen gestrafft. Insbesondere dort, wo einige der Inkonsistenzen oder Kanten am Original vorsichtig abgeschliffen wurden.
Die Umsetzung des MDR kann sich also mehr als hören lassen, das gilt im Besonderen für die um 30 Minuten längere Version in DD 5.1 Mehrkanalton, welche die zuvor im Handel befindliche Doppel CD/MC-Variante in Stereo zwar nicht komplett ablöst, jedoch ergänzt. Beide Fassungen finden sich auf der DVD als getrennt anwählbare Hörspiele und gliedern sich jeweils in zwei Teile. Als Bonbon können bei der DVD zusätzlich die Original-Illustrationen von Edouard Riou und Alphonse de Neuville der französischen Erstausgabe auf dem Bildschirm dargestellt werden. Insgesamt sind es 110 Bilder, die wie bei einer Diashow jeweils passend zum Gehörten auf dem Bildschirm eingeblendet werden.
Wahlweise liegen die Bilder aber auch bequem im DVD-ROM Part vor, sodass man sie sich auch losgelöst vom Rest einzeln – mittels Windows Explorer/ Mac Finder oder auch jedem beliebigen Bildbearbeitungsprogramm – auf dem Computer anschauen kann. Apropos DVD-ROM: Das komplette Drehbuch/Manuskript, sowie ein Produktionstagebuch und ein Essay über Jules Verne hat man im Adobe PDF-Format ebenfalls mit drauf gepresst. Das Essay kann man sich als Lesefauler aber auch über die DVD-Features im Bonusmaterial geben, dieser 25 Minuten-Text wird da nämlich komplett vorgelesen.
Das restliche Bonusmaterial ist im Übrigen ziemlich karg, eine kleines Making Of und einige wenige Bilder aus dem Studio – mehr nicht. Es gefällt aber vor allem das vollständige Manuskript ausgesprochen gut, einige Sachen hätte der ewig nörgenlde Rezensent beispielsweise anders betont, als es die Sprecher tun. Schön, wenn man mal die seltene Gelegenheit eines Vergleichs hat, zwischen der Rohfassung und dem fertigen Hörspiel. Dieses Beispiel sollte unbedingt Schule machen. Damit wären wir über Umwege beim wichtigen Thema Sprecher angelangt.
Viele Sprechrollen gibt es ja nun nicht zu besetzen, man griff beim MDR auf gestandene Mimen zurück, die bereits eine lange Karriere sowohl beim öffentlich-rechtlichen, als auch beim privaten TV, oder Bühnenerfahrung beim Theater respektive als Synchronstimmen vorzuweisen haben. Eine kurze Biographie aller 4 Hauptsprecher ist im Bonusmaterial abrufbar, weswegen man darauf verzichten kann, hier eine ellenlange Liste herunter zu leiern. Urgestein Ernst Jacobi als Kapitän Nemo gefällt mir nicht ganz so gut, was nicht an seiner Leistung, als vielmehr an seiner – nach meinem Empfinden – zu hohen und leicht heiseren Stimme liegt.
Nemo sollte, so der subjektive Eindruck, gerne etwas volltönender und barscher klingen. Als Synchronstimme ist der ältliche Herr aus vielen Filmen positiv in Erinnerung, doch passt diese Figur nicht zu ihm. Vielleicht wäre es angebrachter gewesen mit Gottfried John zu tauschen, der größtenteils in der Ich-Form in Gestalt Professor Aronnax die Geschichte souverän erzählt und natürlich auch dessen Dialoge übernimmt. Sein Diener Conseil (Hermann Lause) und Ned Land (Peter Gavajda) sind vorzüglich getroffen, vor allem letzterer mit seinem tiefen, polterigen Organ kann in der Rolle des rebellischen Harpuniers vollends überzeugen.
Die Geräuschkulisse lebt in der Hauptsache vom wohldosierten Surround, der das Geschehen auch räumlich darstellt, die Effekte sind ansonsten aber eher dezent und nicht überzogen. Auch die spärliche musikalische Untermalung ordnet sich der Dialoglastigkeit unter, es sei denn natürlich Nemo greift in die Tasten seiner Orgel. Die Soundtechniker haben sich eine Menge einfallen lassen, um realistisch zu bleiben und den Bogen nicht zu überspannen, trotz des filigranen Hintergrundsounds, der ständig zu hören ist. Knalleffekte gibt es wenige, es geht recht beschaulich zu.
Einen Fauxpas hat man sich aber dennoch geleistet, obschon das ein Fehler der Regie ist: Der (sinngemäß korrekt dem Roman entnommene) Dialog am Ende des ersten Teils des Hörspiels zwischen Aronnax und Nemo, nachdem man ein Besatzungsmitglied der Nautilus auf dem Meeresgrund bestattet hat, findet hier an dessen Grab statt (Im Roman erst zurück an Bord der Nautilus), wie man an den Atemgeräuschen der Lungenautomaten der Taucheranzüge eindeutig hören kann, doch sind diese |nicht| mit Sprechgeräten ausgestattet. Ansonsten verständigt man sich durchweg auf allen Exkursionen außerhalb des Schiffes nämlich höchst umständlich mit Handzeichen und Gesten – auch hier im Hörspiel, mit Ausnahme dieses einen Dialogs.
_Die Produktion_
Originaltitel: „Vingt Mille Lieues sous les Mers“
Nach dem Roman von Jules Verne
basierend auf einer anonymen, deutschen Erstübersetzung von 1875
Produktion: Mitteldeutscher Rundfunk und Radio Bremen
DVD-Version: 2003 – Der Hörverlag / MDR
Tonformat: wahlweise DD 5.1 oder Stereo*
Bildformat: 4:3 (1:1,33) / Bild- und Videoteil
ISBN: 3-89940-286-3
|Bonusmaterial|
– 110 Illustrationen, plus Bilder von der Produktion
– Making Of Video-Sequenz
– Biografien und Essay über Jules Verne
– DVD-ROM Teil mit Manuskripten und Produktionsnotizen
_Fazit_
Die DVD ist ein gelungenes Beispiel, wie Mehrkanalton ein Hörspiel durch Räumlichkeit aufwerten kann und man buchstäblich in andere Klangwelten abtaucht. Im Gegensatz zur ebenfalls als Dreingabe enthaltenen Stereo-Version eine deutliche Verbesserung in der Atmosphäre dieses Meilensteins. Die Umsetzung hält sich streckenweise wortwörtlich an die Vorlage und verschweigt nur Nebenhandlungen und Details von eher geringem Interesse. Klar ist der Roman im Zweifelsfalle immer vorzuziehen, doch die MDR-Produktion ist schon verdammt nah dran. Näher als jedes andere Hörspiel oder die Verfilmung von Walt Disney aus dem Jahre 1954, dessen unvergessliches ‚Nautilus‘-Design das Cover ziert. Hätte man doch nur Nemos Stimme etwas besser ausgewählt, wäre es eine nahezu perfekte Umsetzung.
|DVD mit Laufzeit: 178 Minuten (Mehrkanal-) bzw. 141 Minuten (Stereo-Fassung)|
Washington, um 1970: Während sie in der Hauptstadt der USA Außenaufnahmen für einen neuen Film dreht, hat sich die erfolgreiche Schauspielerin Chris MacNeil in einem vornehmen alten Haus im ruhigen Stadtteil Georgetown eingemietet. Die geschiedene Frau und allein stehende Mutter bewohnt das weitläufige Anwesen mit ihrer zwölfjährigen Tochter Regan und einem Dienerpaar aus der Schweiz.
Die Karriere läuft gut für Chris MacNeil, doch privat gibt es einigen Ärger. Regan scheint ihren Vater zu vermissen, der sich nie um seine Tochter gekümmert hat. Außerdem kommt sie in die Pubertät, was mit ein Grund sein könnte, dass sie seit kurzem unruhig, übernervös und gleichzeitig verschlossen ist.
Das Haus der MacNeils liegt ganz in der Nähe der Universität von Georgetown. Außerdem gibt es ein Jesuitenkolleg, dessen Mitglieder zum Teil an der Hochschule lehren. Pater Damien Karras ist ein neues Gesicht in dieser Runde. Eigentlich ist er Psychiater und medizinischer Berater für die Angehörigen seines Ordens. Doch privates Unglück hat ihn aus der Bahn geworfen und an seiner Berufung zweifeln lassen. Seinen Vorgesetzten erscheint es ratsam, ihn einige Zeit „leichten Dienst“ verrichten zu lassen.
So kann Karras seinen jesuitischen Brüdern nicht zur Seite stehen, als diese von der Polizei um Hilfe angegangen werden. In Georgetown häufen sich neuerdings die Hinweise auf schwarze Messen! Kirchen des Stadtteils werden des Nachts blasphemisch geschändet. Was für die Polizei jedoch nur Auswüchse einer dekadenten „Mode“ sind, beunruhigt die Geistlichkeit naturgemäß stärker. Dennoch glaubt hoch im 20. Jahrhundert niemand mehr daran, dass hinter diesem Treiben der Teufel persönlich steckt – mit einer Ausnahme: Pater Merrin ist ein Kirchenmann von altem Schrot und Korn, der fest davon überzeugt ist, dass das Böse existiert und Dämonen durchaus |in persona| auf Erden wandeln können. Seit Jahrzehnten erforscht er überall auf der Welt alte Mythen und historische Überlieferungen und hat zahlreiche Beweise für seine Theorien gefunden, die von der aufgeklärten Wissenschaft, aber auch von seinen Vorgesetzten indes mit Skepsis aufgenommen werden.
Seit kurzem nun meint Merrin deutliche Hinweise auf die Wiederkehr eines ganz besonders höllischen Widersachers gefunden zu haben: Pazuzu, die Personifizierung des Süd-Westwindes und dämonischer Herr über Krankheit und Elend, steht schon in den Startlöchern, die Welt wieder einmal als biblische Heimsuchung zu plagen. Er fährt ausgerechnet in die kleine Regan MacNeil. Mit dem Erzeugen von Klopfgeräuschen, dem Verrücken von Möbeln und dem Verschwindenlassen von Kleidungsstücken läuft sich Pazuzu warm für größere Übeltaten, die alsbald folgen: Regan sprengt eine Party im Hause MacNeil, indem sie auf den Teppich pinkelt. Ihren Wortschatz hat sie mit bemerkenswerten Obszönitäten bereichert. Alles nur die Nerven, beruhigt der in Amerika stets fast zur Familie gehörende Psychiater, aber als Regan dann des Nachts über ihrem Bett zu schweben beginnt, kann Chris diese Erklärung nicht mehr zufrieden stellen. Die Ärzte – bald in Kohortenstärke um Regans Krankenlager versammelt – sind ratlos, bis einer zaghaft vorschlägt, man könne es doch mit einem Exorzisten versuchen … natürlich nur aus streng medizinischen Gründen, um Regans böser Hälfte ihrer gespaltenen Persönlichkeit einen tüchtigen Schrecken einzujagen.
In ihrer Not und obwohl Atheistin, wendet sich Chris MacNeil an Pater Karras, den sie vom Campus der Universität flüchtig kennt. Karras merkt bald, dass ihm alle Schulweisheit nicht helfen wird, Regan zu „heilen“. Die ständige Anwesenheit des penetranten Inspektors Kinderman von der Mordkommission erinnert zudem alle Mitwirkenden dieses Dramas daran, dass Regans Besessenheit möglicherweise bereits ein Todesopfer gefordert hat. Erst als Pater Merrin auf der Fährte Pazuzus nach Washington und ins Haus der MacNeils kommt, scheint sich das Blatt zu wenden. Gemeinsam machen sich die beiden Priester daran, Pazuzu auszutreiben – zu exorzieren – und zurück in die Hölle zu jagen. Aber der Dämon denkt gar nicht daran zu weichen, und die beiden Exorzisten sind ein wenig eingerostet. Als Pazuzu auch noch merkt, dass Pater Karras im Glauben schwankend geworden ist, bekommt er endgültig Oberwasser, und das alte Haus in Georgetown wird Schauplatz eines wahren Pandämoniums …
Was könnte man an dieser Stelle nicht alles schreiben über ein Buch, das vor über drei Jahrzehnten in aller Munde war und weltweit die Bestsellerlisten gestürmt hat! Erst heute wird deutlich, was die unheimliche Literatur und selbstverständlich der Film William Peter Blatty und seinem „Exorzisten“ verdanken! Nach drei Jahrzehnten ist in Vergessenheit geraten, wie viele mehr oder minder abgewandelte Gruselgeschichten auf dieses eine Buch zurückgehen. Das wäre wohl auch so geblieben, wenn nicht ein unerhörtes und so vorher noch nie da gewesenes Ereignis das Interesse am gedruckten „Exorzisten“ neu oder – bei den „Nachgeborenen“ – überhaupt zum ersten Mal belebt hätte: Der Film zum Buch, immerhin auch schon stolze 28 Jahre alt, kehrte – aufpoliert und durch eine Reihe niemals zuvor gesehener Szenen ergänzt – 2000 in die Kinos zurück – und stürmte erneut die Charts!
Das ist (um an dieser Stelle einmal kurz abzuschweifen) auch kein Wunder, denn unabhängig von der ulkigen Kleidung und den bescheuerten Frisuren der Darsteller ist „Der Exorzist“ zwar wahrlich keine große Kunst, aber ein fabelhaftes, zeitloses Stück Unterhaltung. In etwas eingeschränktem Maße trifft das auch auf die Romanvorlage zu, die ja nicht als „Buch zum Film“, sondern als selbstständige Geschichte konzipiert wurde.
William Peter Blatty, ein zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise unbekannter Autor, hatte sich große Mühe gegeben. Er war tief in die Materie eingestiegen, hatte über den Teufel in Geschichte und Religion, über Satanismus, die Kirche und den Exorzismus, über Besessenheit und Geisteskrankheiten recherchiert – kurz gesagt: Er hatte seine Geschichte ernst genommen, und das war höchst ungewöhnlich in einer Zeit, in der Horror (wie übrigens auch Science-Fiction) für albernen Kinderkram gehalten wurde. Blatty bewies, dass dem keineswegs so sein musste – mit durchschlagendem Erfolg. Ihm gelang ein Klassiker; mehr noch: Er schuf einen modernen Mythos, dessen Kultfaktor und Langlebigkeit irgendwo zwischen Bram Stokers „Dracula“ und Peter Benchleys „Der weiße Hai“ anzusiedeln sind.
Der Scherz liegt nahe und sei an dieser Stelle trotzdem nicht gemieden: Die Geister, die er rief, wurde Blatty nicht mehr los. Niemals wieder sollte ihm ein auch nur annähernder Erfolg beschieden sein. (Dasselbe Schicksal traf übrigens auch William Friedkin, den Regisseur des Kino-„Exorzisten“, oder Linda Blair, die Darstellerin der Regan MacNeil.) Vom „Exorzisten“ kam er aber auch nicht los. Wie wir aus den Medien erfahren können, trauerte er um „seinen“ Film, den Friedkin seiner Ansicht nach rüde verschnitten hatte, und piesackte den ohnehin gebeutelten Regisseur dreißig Jahre lang mit Hinweisen darauf, was er (Friedkin) versaubeutelt und er (Blatty) besser gemacht hätte.
Blatty bekam übrigens die seltene Chance, seine eigene Vision zu realisieren, nur ist das nur den hartgesottenen Freunden des Unheimlichen aufgefallen: Es gibt nicht nur e i n e Fortsetzung des „Exorzisten“ (ein eindeutig fluchbeladenes Unternehmen …), sondern noch eine weitere, deren Romanvorlage Blatty 1983 nicht nur verfasst hatte, sondern deren Verfilmung er sieben Jahre später höchstpersönlich inszenieren durfte! Hatte er sein angelesenes Wissen eingesetzt, um Hollywood in seinen Bann zu zwingen? Dann erreichte seine Macht allerdings nicht das zahlende Publikum. 1990 war definitiv kein besonders gutes Jahr für den Teufel (und Blatty kein übernatürlich talentierter Regisseur …), so dass „Der Exorzist III“ eher ein Schattendasein in Videotheken und später im Nachtprogramm des Fernsehens fristen musste.
Doch kehren wir zurück zur literarischen Teufelshatz von 1971. Wenn man „Der Exorzist“ heute aufmerksam liest, fällt durchaus auf, dass der Roman gealtert ist. Die moderne medizinischen Psychoanalyse war um 1970 sichtlich etwas Neues, und so reitet Blatty im Urteil seiner durch die Medien und besonders das Fernseher besser geschulten Lesern des 21. Jahrhunderts ein wenig zu ausführlich auf diesem Thema herum. Auch Pater Karras’ ausgiebiges Ringen mit seinen religiösen Zweifeln, die schließlich zu seinem Untergang führen, sind aus heutiger Sicht ein wenig langatmig geraten und dürften außerdem auf ein Publikum, das erleben konnte, wie Arnie Schwarzenegger den Fürsten der Finsternis mit seiner großkalibrigen Kanone Mores lehrte, nicht mehr überzeugend wirken.
Vieles, das noch unerhört oder wenigstens neu für Blattys Leser war, ist heute so selbstverständlich geworden, dass es bei der Lektüre gar nicht mehr zur Kenntnis genommen wird. Das betrifft nicht einmal unbedingt die Szenen, in der die besessene Regan ihre wahrhaft teuflische Vorstellung gibt – die haben es allerdings auch heute noch in sich! Aber Chris MacNeil ist beispielsweise nicht nur eine allein lebende Frau und allein erziehende Mutter, sondern eine beruflich und privat erfolgreiche Frau und Mutter, die auch der Teufelsspuk zwar biegen, aber nicht brechen kann – um 1970 beileibe noch keine Selbstverständlichkeit.
So darf man also froh sein, dass die Wiederaufführung des Kino-„Exorzisten“ auch das Buch zurückgebracht hat. Wer sich darüber hinaus dafür interessiert, wie Blatty die Geschichte später weiterentwickelt hat, sollte versuchen, sich die Romanvorlage zum weiter oben erwähnten dritten Teil antiquarisch zu beschaffen: Sie ist in Deutschland anno 1991 im Goldmann-Verlag unter dem (nichts sagenden) Titel „Das Zeichen“ (TB-Nr. 8088) erschienen.
Giordano Bruno (1548 – 1600) war einer der bedeutendsten Philosophen der Renaissance und ist neben den akademischen Geisteswissenschaften in vielen Szenen ein Begriff, denn sowohl die Mystiker als auch die Okkultisten ebenso wie die Heiden – wobei es sonst selten der Fall ist, dass diese sich für solche Denker interessieren – verehren heute Bruno als Genie, das seiner Zeit weit voraus war. Bruno wurde als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, da er nicht bereit war zu widerrufen. Er war zuerst Dominikaner, bevor er der Kirche den Rücken kehrte und zu einem pantheistischen kosmologischen Weltbild fand.
Das vorliegende Buch – in der |Philosophischen Bibliothek| erschienen – ist weitgehend unbekannt geblieben und für Philosophie auch sehr ungewöhnlich. Denn es handelt sich um ein Theaterstück, eine Komödie sogar. Bruno versuchte darin, sein Denken in einem neuen Gewand über die Bühne dem einfachen Volk vermitteln zu können. Natürlich ist es hinter der Komödie ein philosophisches Theaterstück, ein literarisches Bravourstück sondergleichen gar. Die Struktur des Stückes ergießt sich in eine kaleidoskopische Vielfalt und ist ständig äußerst zweideutig. Bereits der Titel „Der Kerzenzieher“ sorgt für konträre Assoziationen. Einerseits evoziert es den Lichtbringer Luzifer, andererseits ist es eine damals gängige Bezeichnung für einen passiven Homosexuellen (was in diesem Falle auch inhaltlich passt). Die Kerze fungiert dabei als Metapher für das männliche Geschlecht.
Aber es ist nicht nur eine Parodie, sondern ein Lehrstück in griechischen Mysterien, Philosophie, Alchemie und Religion überhaupt, wobei das Christentum in vielen Anspielungen natürlich kritisch persifliert wird. Ein wahrer Mikrokosmos pervertierter Ideale der Renaissance-Kultur wird hier in derber Sprache selbst dem heutigen Leser verständlich gemacht. Agrippa von Nettesheim hatte zu dieser Zeit gerade auch sein Kompendium magischer Traditionen, „De occulta philosophia“, veröffentlicht, auf die Bruno sehr viel Bezug nimmt.
Inhalt der Komödie ist die Kunst der Transmutation. Die Verwandlung aller Dinge und ihre Beeinflussung wird von den agierenden Personen mit unterschiedlichem Geschick betrieben: Bonifacio will durch die Kraft der Magie eine Transmutation im Objekte seiner Liebe, der Prostituierten, hervorrufen. Sie soll ihn wirklich lieben, damit er nicht bezahlen muss. Dazu lässt er eine Wachspuppe anfertigen, die in einer magischen Prozedur manipuliert wird. Bartolomeo bedient sich einer anderen Art von Alchemie, die aus Dreck Gold machen will. Dabei kommt es zu den häufig in dieser Arkandisziplin angewandten Trickbetrügereien. Es geht vor allem um sexuelle Energie, da Bruno diese auch als Zentrum der Schöpfungskraft begriff. Und da schreckt er vor Obszönitäten nicht zurück: „Warum hat die Möse keine Knöpfe? Weil der Schwanz keine Finger hat, um sie zu öffnen.“ Er versuchte sich mit dieser Komödie als Prophet einer neuen Philosophie und Religion zu inszenieren.
Dem Meiner-Verlag ein großes Lob, einen so ungewöhnlichen und lustvoll zu lesenden Text wieder zugänglich gemacht zu haben.
Die Göltzschtalbrücke im Vogtland erlangte in den letzten Jahren traurige Berühmtheit, da sie Schauplatz vieler Suizide war. Eines Tages wird dort auch die Leiche der erfolglosen Krimiautorin Cora Birkner gefunden. Auf ihrem Computer findet sich ein Abschiedsbrief – somit ist die Sache für die Polizei klar: Selbstmord. Der Fall wird zu den Akten gelegt. Doch der ermittelnde Kommissar Henning Lüders und der Ehemann der Verstorbenen haben ihre berechtigten Zweifel. Nach seiner Pensionierung ermittelt Lüders auf eigene Faust weiter und entdeckt unheimliche Details in Coras Vergangenheit. Vor über zwanzig Jahren wurde ihre Klassenkameradin auf bestialische Art ermordet. Der Mordfall gilt als aufgeklärt, doch offensichtlich handelte es sich bei dem Täter damals um den falschen Mann. Cora kannte die Identität des wahren Mörders und hatte dieses Geheimnis ihr Leben lang gehütet. Doch von Albträumen und Schuldgefühlen geplagt, entschloss sie sich, mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen – in Form eines Kriminalromans. Nachdem sie das Manuskript an einige Verlage geschickt hatte, starb sie. Lüders begibt sich auf die fieberhafte Suche nach dem Werk, als sich die Ereignisse überschlagen.
Maren Schwarz, Jahrgang 1964, lebt in einer kleinen Stadt im Vogtland und legt mit „Grabeskälte“ ihren zweiten Roman vor. Im Frühjahr 2005 wird ihr dritter Kriminalroman mit dem voraussichtlichen Titel „Dämonenspiel“ erscheinen.
„Grabeskälte“ wird auf dem schön gestalteten Buchumschlag des |Gmeiner|-Verlags als „Roman mit Psychothriller-Qualitäten“ angekündigt. Es handelt sich dabei um eine klassische Whodunnit-Geschichte, bei der der Leser den Kommissar bei seinen Ermittlungen begleitet und ihm hin und wieder einen Blick über die Schulter wirft. Die Grundidee des Romans, auch die Einbindung der Göltzschtalbrücke, ist sehr originell und hat sicherlich Spannungs-Potenzial. Dennoch weist das Werk einige Schwächen auf. Der Prolog ist sehr klischeebeladen und die Sprache mutet eher schwülstig an – weniger wäre sicher mehr gewesen. Danach geht es etwas besser weiter, doch die Sätze und Formulierungen kommen teilweise etwas holprig daher. Gewisse Abläufe und Situationen werden sehr naiv dargestellt und die handelnden Personen bedienen viele Klischees, so zum Beispiel der pensionierte, verwitwete Kommissar, der alle eigenen Interessen hinten anstellt, um den Fall aufzuklären. Dadurch erscheinen die Personen und ihre Handlungsweisen als leicht unglaubwürdig. Die vertrauten Menschen in Coras Umgebung, wie ihre Mutter oder ihr Ehemann Ralph, haben nie eines ihrer Manuskripte gelesen, obwohl Cora seit Jahren schrieb und sehr viel Wert auf die Meinung ihrer Familienmitglieder legte. Diese Tatsache wirkt daher sehr unglaubhaft und zu konstruiert. Trotzdem nimmt die Handlung während der zweiten Hälfte des Buches an Fahrt auf und es wird tatsächlich noch sehr spannend. Die Auflösung der Geschehnisse ist dabei mittelmäßig. Doch ungeachtet dieser Schwächen ist das Buch unterhaltend und stellenweise sehr reizvoll. Es ist sicherlich kein Meisterwerk des Kriminalromans und auch kein richtiger Psychothriller, aber für eine kleine Abwechslung im Wartezimmer oder am Strand durchaus geeignet. Dazu muss gesagt werden, dass aufgrund des geringen Umfangs (ca. 220 Seiten bei großer Schrift) nicht genügend Platz eingeräumt wurde, um die Hauptpersonen in einer adäquaten Art zu entwickeln und hinreichend glaubwürdig darzustellen.
In Los Angeles nimmt ein trickreicher Bomberleger die Männer und Frauen des hiesigen Entschärfungskommandos aufs Korn. Trotz diverser Neurosen ermittelt die beste Frau des Teams, woraus sich ein Wettstreit zwischen zwei von Dämonen getriebenen Gegnern entwickelt … – Routinierter Cop-Krimi aus USA. Die Handlung setzt sich bis ins Detail aus längst bekannten Thriller-Elementen zusammen, die Figuren kennen wir aus Film & Fernsehen. Weil der Autor sein Handwerk versteht, begleiten wir ihn trotzdem auf diesen turbulenten Tanz um die Höllenmaschine. Robert Crais – Feuerengel weiterlesen →
|Mord an einem 17-Jährigen. Dazu ein Keller voll wertvoller Weine. Doch leider kein Raubmord, wie Kommissar Waldmeister feststellt. Und leider kein gewöhnlicher Fall, denn der Junge ist Sohn eines einflussreichen Reeders. Außerdem ist da noch der alte Schlüssel in der Flasche … Wo ist das Motiv?|
_Der Autor_
Norbert Klugmann, Jahrgang 1951, ist Autor zahlreicher Kriminalromane, von denen „Beule oder wie man einen Tresor knackt“ und „Vorübergehend verstorben“ verfilmt wurden. Mit „Rebenblut“ hat der Hamburger seine Reihe „weinhaltiger“ Marchese-Krimis im |Gmeiner|-Verlag gestartet, „Schlüsselgewalt“ soll nicht der letzte sein …
_Inhalt_
Im Weinkeller des Weinliebhabers Grünfeldt wird die Leiche des jungen Felix von Oldenburg, Sohn eines bekannten Lübecker Reeders, gefunden. Zufällig wohnt der Marchese, ein sehr guter Freund von Grünfeldt und legendärer Weinkenner, derzeit bei seinem Freund in Lübeck. Als er morgens erwacht, findet er auf seinem Tisch eine Flasche Wein, in der sich ein alter Schlüssel befindet.
Auf der einen Seite die Polizei um Kommissar Waldmeister, der das öffentliche Interesse an Felix‘ Mord fürchtet, auf der anderen Seite der Marchese, der sich auf eigene Faust an die Ermittlungen macht und der Konkurrenz die Sache mit dem Schlüssel vorenthält. So scheint der Marchese schnell Oberwasser zu gewinnen und kommt auf die Spur eines uralten Hanse-Geheimnisses, zu dem vier gleich alte Schlüssel führen. Waldmeister verkriecht sich schnell in einer Affäre mit der Freundin von Phillip, der seit dem Mord an seinem Freund Felix verschwunden ist. Und irgendwo lauert ein Popstar, auf der Suche nach außergewöhnlichen Weinen.
Obwohl der Marchese schnell an den zweiten Schlüssel gerät, scheint es keine logische Verbindung zu dem brutalen Mord zu geben. Trotzdem gräbt er sich weiter in die Vergangenheit mit seinem untrüglichen Instinkt, dort die entscheidenden Hinweise zu finden. Und tatsächlich fördert er eine Geschichte zutage, die aus den letzten Tagen der Hanse nach der Gegenwart greift:
|»Kennt ihr diese blöden Krimis, wo sie bis zur letzten Seite nach einem Motiv suchen …?«|
Und das Motiv ist wirklich überzeugend …
_Kritik_
|»Heute stieß er sich nicht den Kopf. Daran erkannte er, dass er im Begriff war, sich im Keller wie zu Hause zu fühlen …«|
Ein guter Anfang ist schon die halbe Miete, hört man manchen sagen, der sich auskennt. Klugmann hat einen sehr fesselnden Anfang zustande gebracht – nicht unbedingt von Inhalt und Spannung her, sondern stilistisch. Und so geht es weiter, ständig reißt er den Leser mit seinen plötzlichen Orts-, Zeit- und Personenwechseln … nicht aus dem Lesefluss. Wenn man könnte, würde man lesen, bis die Geschichte endet. Leider machen hier andere Bedürfnisse manchmal ihre eigenen Gesetze. Nein, er reißt uns mit, tiefer in die Geschehnisse hinein, beleuchtet den roten Faden aus verschiedenen Blickwinkeln, mit Hilfe verschiedener Charaktere, die jeder für sich einzigartig und völlig glaubwürdig sind.
Manchmal, vor allem bei Absätzen und Szenenwechseln, die durch ihr perfektes Zusammentreffen mit dem Seitenwechsel gestalterisch unbemerkt kommen, ist es im ersten Moment verwirrend und erfordert höhere Konzentration: Wenn ähnliche Stimmungen gezeichnet werden oder aber gänzlich andersartige Ereignisse in den Vordergrund treten.
Schön ist die Darstellung von Charakterzügen und geschichtlichen Hintergründen zur Hanse, deren Hinterlassenschaften – ob von alten Familien verwaltet oder zeitweise verschollen – gerade in der heutigen Kommerzgesellschaft wieder Einfluss gewinnen könnten. Jahrhundertelange Pflege der Traditionen steht vor dem Ende, wenn die menschliche Gier geweckt wird.
Bei dieser sehr guten Leistung kommt es ein leider klischeehaft daher, wie Kommissar Waldmeister als Junggeselle erstens sich seiner Kollegin gegenüber wie ein Macho verhält und zweitens während der Ermittlungen mit der Freundin von Phillip anbandelt. Man erfährt in einigen Szenen aus Waldmeisters Gedanken, wo seine wahren Interessen liegen:
|»Da irrst du dich, Mädchen! Ich bin dazu da, dass du wach bleibst – die ganze Nacht!«|
So bleibt es auch nicht aus, dass Waldmeister über seine erotischen Fantasien die Ermittlungen aus den Augen verliert – bis sich herausstellt, dass Beheshta, seine kleine Gespielin, nicht ganz so harmlos ist, wie sie aussieht.
Die beiden alten Männer (Grünfeldt und der Marchese) haben nichts gegen den Tod einzuwenden. Nur ist es ihnen zuwider, dass ein Jugendlicher, der sein ganzes Leben vor sich hat, ermordet wurde. Vielleicht kann man so erklären, dass es in den letzten Kapiteln des Buches zu blutrünstigen Szenen kommt, dass es sogar brutale Folterungen – gerade auch im Zeichen des Guten – gibt. Eine Frage stellt sich mir in diesem Kontext: Der millionenschwere Popstar, von einem Profikiller attackiert und misshandelt, zieht mit einer Horde von Amateuren los – warum engagiert er keine Profis?
_Fazit_
Trotz mancher verwirrender Eingriffe ein hervorragend unterhaltender Roman mit nachvollziehbarer Handlung und realistischen Charakteren; der Autor bindet jeden wie hingeworfen erscheinenden Gedanken gekonnt in den Kontext ein, so dass sich alle handlungsrelevanten Fragen wie von selbst beantworten. Die oben erwähnten Mängel schmälern das Lesevergnügen nur marginal und sollten nicht als Kaufkriterien angesehen werden. Insgesamt ein sehr empfehlenswerter Roman, sowohl für hansegeschichtlich Interessierte und Krimifans als auch einfach zur Unterhaltung.
|Weitere Informationen unter http://www.gmeiner-verlag.de/ |
Sic transit gloria mundi – so vergeht der Ruhm der Welt …
Auf kein anderes Verkehrsmittel trifft dieses Zitat mehr zu als auf Transatlantik-Schiffe, denn ihre Zeit ist längst vorbei, dank des Aufkommens der Fliegerei sind diese Ozeanriesen immer mehr in den Hintergrund gedrängt und schließlich komplett obsolet geworden. Doch auch während ihrer Hochzeit war nicht immer alles zum Besten bestellt und spätestens seit dem Untergang der Titanic hat die Technikgläubigkeit der Menschheit einen schweren Schlag erlitten. Seereisen sind gefährlich, die Natur lässt sich selbst mit der ausgeklügelsten Technik nicht überlisten und allzu oft waren Schiffskatastrophen auch durch schlichtes menschliches Versagen gekennzeichnet. Ballard, Archbold und Marschall beleuchten in diesem Band die Geschichte der Passagier-Seefahrt und führen den Leser zu ausgewählten Wracks der einst stolzen und erhabenen Ozeanriesen – gemäß dem Untertitel: „Von der Titanic zur Andrea Doria – Glanz und Untergang der großen Luxusliner“
Bekanntlich treten sich auf der britischen Insel Geister und Gespenster heute noch auf die Lakensäume, und Graf Dracula höchstpersönlich ist im ehrwürdigen London (wieder-)geboren worden; literarisch jedenfalls. Da scheint es nur angemessen, dass sich ein Bürger dieses nebligen Eilandes der geliebten Spukgestalten annimmt und endlich einmal Ordnung in das ektoplasmatische Getümmel bringt!
Wer kann schon ahnen, dass sich hinter dem Schriftsteller mit dem urenglischen Namen „Matthew Bunson“ ein schnöder Kolonialbrite von jenseits des großen Teiches verbirgt? Den Amerikanern ist zweifelsohne ein Primat des Wissens zuzubilligen, wenn es um radioaktiv erzeugte Monster aus der Wüste von Nevada oder das Ungeheuer vom Amazonas geht. Sobald Vampire ins Spiel kommen, wird der Kenner jedoch skeptisch.
Und richtig – das „Buch der Vampire“, wie es im Deutschen (mit Absicht?) vorsichtig heißt (erst im zweiten Untertitel wird von einem „Lexikon“ gesprochen), entpuppt sich fast durchweg als Sammlung recht wahllos zusammengetragener Informationshäppchen, die sich nur einem einzigen Ordnungsprinzip unterordnen: dem alphabetischen nämlich. Das Vorwort gibt da einen ersten Vorgeschmack, denn man kann es wohlwollend als „knapp“, aber genauso gut als „nichts sagend“ bezeichnen.
Schlimmer noch: Bunsons Vampir-Enzyklopädie erreicht nur das Jahr 1993 – wen wundert’s, denn das ist das Veröffentlichungsdatum der Originalausgabe. Nun ist sogar die Welt der Untoten in den seither verstrichenen Jahren nicht stehen geblieben. Es sind auch nach Francis Ford Coppolas bahnbrechender „Dracula“-Verfilmung von 1992 wichtige Beiträge zum Genre erfolgt – und das betrifft nicht nur den Film! Was ist zum Beispiel von einem „Lexikon“ zu halten, das 2001 erscheint und sich über das „Dracula“-Jubiläum von 1997 völlig ausschweigt? Schließlich ist in diesem Jahr sogar die „offizielle“ Fortsetzung des 100-jährigen Kultschockers erschienen (von Freda Warrington; dieses Buch ist auch in Deutschland auf den Markt gekommen – glücklicherweise ziemlich unbemerkt, denn seine Lektüre kann leicht die Sehnsucht wecken, der Autorin mit Holzpfahl und Silberkugel – hilft auch gegen Vampire; Bunson, S. 246 – zu Leibe zu rücken …). In Maßen hätte eine Überarbeitung bzw. Aktualisierung des Bunson-Werkes daher Not getan; sie unterblieb – zweifellos aus Gründen falsch verstandener Sparsamkeit, aber nicht ohne berechtigte Hoffnung, der geblendete Vampirfan werde zumindest bis nach der Entrichtung der Kaufsumme die Rosstäuscherei nicht bemerken.
Bei näherer Betrachtung relativiert sich das düstere Bild glücklicherweise. Machen wir die Probe aufs Exempel – schlagen wir das „Lexikon“ beim Eintrag „Lee, Christopher“ auf. Muss nicht selbst dem Neuling auf dem Feld des Unheimlichen dieser Name wie Donner in den Ohren hallen? Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht. Also dann: Lee ist nach Max Schreck (Murnau! „Nosferatu“!) und Bela Lugosi wohl d e r Kinovampir der Filmgeschichte! (Außerdem hält Lee den Guiness-Rekord für den Schauspieler mit der umfangreichsten Filmografie eines noch lebenden Darstellers in der westlichen Hemisphäre – Nr. 250 rückt allmählich in Reichweite; womöglich hat Lee die Rolle des unsterblichen Blutsaugers also nicht nur gespielt …) Siehe da, Bunson gelingt es tatsächlich, Leben und Werk Lees auf gerade einer halben Seite ganz ordentlich in Worte zu fassen. (Seit 1947 ist Lee nonstop im Einsatz? Nun ja; siehe oben …)
Zugegeben: Über die Auswahl der präsentierten Stichwörter lässt sich streiten. Außerdem fallen dem etwas versierteren Leser nicht gerade selten ungenaue oder gar falsche Aussagen auf. Ein beliebig herausgegriffenes Beispiel: Wie um Himmels willen konnte Glenn Strange den „bekanntesten Horrorfilmstars“ zugeschlagen werden? Den zweifelhaften Höhepunkt seiner obskuren Karriere hat dieser Darsteller mit der Rolle des schmirgelpapiergesichtigen Barkeepers Sam in der Endlos-Fernseh-Western-Serie „Gunsmoke“/“Rauchende Colts“ (dessen Hauptdarsteller James Arness alias Matt Dillon allerdings mit der Hartnäckigkeit eines echten Vampirs immer wieder der TV-Gruft entsteigt; hier schließt sich der Kreis …) erreicht, während er unter der Schminke des Frankenstein-Monsters höchstens den echten Kennern des Horrorfilms bekannt geworden ist.
Absolut überflüssig; nein, sogar eindeutig dämlich ist eine ebenso endlose wie nichts sagende Liste deutscher Vampirfilm-Titel auf den Seiten 89-98. Was soll das denn dem Leser nützen, zumal Vampirfilme ihren Titel hierzulande sogar noch öfter wechseln als der Mond seine Phasen? Aber man kann auf diese Weise natürlich ein Menge Seiten schinden … (Eine Ausnahme bildet allerdings auf S. 287 die Liste der Maßnahmen, die man schon vorbeugend gegen das Auftreten von Vampiren treffen kann – damit lässt sich jede Beerdigungsfeier zu einem für alle Beteiligten garantiert unvergesslichen Erlebnis aufwerten!)
Aber das sind Nebensächlichkeiten, sobald man sich von der Erwartung frei machen konnte, Autor Bunson würde tatsächlich ein „Lexikon“ vorlegen. Selbst für den scheinbar ausgewiesenen Fachmann in Sachen Vampire gibt es hier nämlich einiges zu lernen. Wie entstehen beispielsweise überhaupt Untote? In Albanien glaubt(e) man beispielsweise, es reiche schon aus, dass ein wildes Tier über ein Grab springt (S. 11). Angesichts der akuten Karnickelplage auf deutschen Friedhöfen könnte man ob dieser Information leicht ins Schwitzen geraten …
Wer hätte gewusst, dass man nur eine Herde Gänse über einen Friedhof jagen muss, auf dem man einen Blutsauger vermutet? Schon vor den Toren des Gottesackers beginnt das Federvieh erbärmlich zu schnattern und verrät dem Van-Helsing-Jünger, was er wissen muss. (Es könnte natürlich auch sein, dass man statt auf einen Vampir auf eine Gruppe raublustiger Gallier trifft … Achtung: Dies ist ein Gag für Leser mit leicht klassischer Bildung.)
Ist der verdächtige Finsterling etwa bereits aus dem Grab heraus und macht sich während einer Party an die oder den Liebste/n heran? Bunsons Liste der Merkmale, die ihn verraten (S. 78f.), ist unfehlbar: Außer „Fangzähnen“ und „roten Augen“ lesen wir da u. a. von „haarigen Handflächen“, „Mundgeruch“ und „merkwürdiger Kleidung“ – mein Gott, die Welt steckt offensichtlich voller Vampire!
Und hat man den Bösewicht gestellt und in die Enge getrieben, versäume man es nicht, einen Blick auf seine Leber zu werfen – bei einem Vampir ist sie nämlich nicht rötlich-braun (oder säufer-gelb), sondern weiß!
So kann man schließlich doch einiges Vergnügen aus dem angeblichen „Lexikon“ ziehen. Übrigens ist es erstaunlich preisgünstig für ein großformatiges Paperback, das sogar mit einer ganzen Reihe qualitativ hochwertiger Schwarzweiß-Fotos aufwartet (selbst wenn die Auswahl – gelinde gesagt – beliebig ist). Deshalb ist es zu guter Letzt leicht, milde über dieses Werk zu urteilen, das nichts wirklich Neues bieten, aber durchaus unterhalten kann.
Ambrosio wurde als Säugling auf den Stufen des Klosters gefunden. Die Mönche erzogen ihn, und so war es nicht weiter verwunderlich, dass er selbst die Kutte ergriff. Inzwischen hat das einstige Findelkind sich zu einem Mönch gemausert, der in Madrid zu einer Berühmtheit avanciert, die heutzutage eigentlich nur Popstars genießen. Doch diese Berühmtheit hat einige Nebenwirkungen – unter anderem die, dass Luzifer persönlich auf den frommen Mann aufmerksam wird …
Die Fortsetzung von „A Hymn before Battle“ fängt zunächst weitaus weniger blutrünstig an, als der erste Teil ([„Der Aufmarsch“ 497 ) geendet hatte. Die gesamte erste Hälfte des Buches beschäftigt sich mit den Vorbereitungen auf die Invasion der blutrünstigen „Posleen“, die sich nach zig anderen bewohnten Planeten nun die Erde zum „Abernten“ ausgesucht haben. Im Gegensatz zum Rest der Galaxis sind die Menschen aber nicht als sanftmütiges Schlachtvieh geboren, und diesen Irrtum wollen sie die Angreifer auch spüren lassen! Schlachtpläne werden geschmiedet, Industrien umgepolt, ganze Staaten evakuiert, Millionen von Soldaten ausgebildet und alle übrigen Zivilpersonen im Guerillakrieg geschult.
Was neben viel Konfusion und schlechter Planung nicht ausbleiben kann, ist der Kampf der Politiker hinter den Kulissen. So werden gegen jede Vernunft einige amerikanische Gebiete unter dem Opfer von hunderttausenden Soldaten verteidigt, weil dort historische Stätten des Bürgerkriegs liegen, und deren Verlust Wählerstimmen kosten könnte.
Das gesamte Buch fokussiert sowieso rein auf das Gebiet der USA, der Rest der Welt ist Ringo kaum einer Erwähnung wert. Die Geschichte spielt in der Gegenwart (November 2003 bis Oktober 2004), die beschriebene Waffentechnik ist daher bis auf Ausnahmen weniger SF als blanke Realität. {Anm. d. Lektors: Offenbar wurden hier die Daten in der deutschen Ausgabe nachträglich etwas verschoben, da die Bände bei uns mit etwa drei Jahren Verzögerung veröffentlicht wurden und man den deutschen Leser nicht zu sehr irritieren wollte.}
Bevor es aber zur Landung der Invasoren kommt, werden einige der Hauptpersonen etwas breiter im beruflichen und privaten Umfeld dargestellt. Vor allem Mike O’Neil, den Helden von „A Hymn before Battle“, und seine Familie lernt man etwas näher kennen, als er einen letzten Urlaub an den bereits evakuierten Urlaubsstränden von Florida machen will.
Man erfährt auch andeutungsweise, dass mehrere Gruppen, Menschen und Außerirdische, unter der Oberfläche ihre eigenen Spielchen spielen, und dass wohl in dem ganzen Kriegsszenario noch einige Geheimnisse verborgen sind, die noch gelüftet werden müssen.
Da der Feind sich nicht an den Zeitplan hält und viel zu früh die Invasion der Erde beginnt, werden die amerikanischen Streitkräfte ziemlich unvorbereitet erwischt. Da in einem Amerikaner aber auch immer ein Kämpfer steckt, und zwar oft ein sehr einfallsreicher, müssen die Posleen bald erkennen, dass sie sich einen etwas zu harten Brocken zum Verschlingen ausgesucht haben.
Ringo bemüht sich, dem Leser auch einen Einblick in die Gemüts- und Gedankenwelt der Feinde zu geben, vermenschlicht diese dabei aber zu sehr. Hier passt der entworfene Hintergrund der Schlächterhorden, die bei 70 Planeten keinen nennenswerten Widerstand gespürt haben, nicht ganz zur geschilderten Denkweise, die eher zu erfahrenen Söldnerführern gehört, die ihre Beute z. B. in immer bessere Waffen investieren. Wozu bessere Waffen, wenn eh keiner zurückschießt?
Jedenfalls kommt es jetzt zur Schlacht, besser gesagt zum Schlachten! Ringo lebt seinen Hang zur Massenvernichtung, der auch in den Koproduktionen mit David Weber zu spüren ist, in der zweiten Hälfte des Buches aus. Wenn sich die Leichen so hoch türmen, dass man nicht mehr darüber hinaus schauen kann, werden sie eben von der Artillerie noch einmal durchgehäckselt! Da gibt es reichlich Platz zur Schilderung von Heldenmut und Opferbereitschaft. Sogar der verweichlichte Präsident bekommt kurz vor seinem Tod noch die Gelegenheit, sich als echter Mann zu zeigen!
Reichlich zwiespältig empfand ich die Schilderung der militärischen Führung. Da gibt es zum einen die Generäle, Sesselpfurzer, die laut Ringo meist keine Ahnung von der Wirklichkeit haben und Hunderttausende von Soldaten in den sicheren Tod schicken, weil sie nicht auf die richtigen Profis hören, und dann auf der anderen Seite die echten Helden, die einfach wissen, dass es so, wie sie es planen, richtig ist, und die sich auch nicht scheuen, der Besatzung von drei Panzern, die vor einer Million heranstürmender schwer bewaffneter Feinde fliehen wollen, etwas Rückgrat einzublasen, indem der Kopf eines dieser Feiglinge zwischen den Panzerhandschuhen zerdrückt wird, bis das Gehirn herausplatzt! Ja, da gibt es schon einige heftige Szenen in diesem Buch …
So z. B. auch die Stelle, wo O’Neils achtjährige Tochter einem unwillkommenen Besucher das Gehirn rausbläst, weil der Opa den Gast anscheinend nicht besonders leiden mag. Natürlich hat sie, im Rahmen des Romans, richtig gehandelt, aber bei mir bleibt bei solchen Beschreibungen doch ein starkes Unbehagen zurück. Vermutlich bin ich einfach ein Kind des „alten Europas“.
Das Buch liest sich ansonsten recht flott und spannend, wenn auch viel vom militärischen Jargon einfach an mir vorbei geht, wie auch manche kleine Anspielung, die bei Amerikanern wohl ein Schmunzeln auslösen wird.
Ich habe mir jedenfalls schon die Fortsetzung „When the Devil Dances“ (dt. „Invasion: Der Gegenschlag“, Dezember 2004) bestellt. Will doch wissen, wie das alles weitergeht!
Insgesamt aber nur für wirklich schnell lesende Anhänger militärischer SF geeignet.
Wolfgang Hohlbein, der selbsternannte Chronist Robert Cravens, liest „Auf der Spur des Hexers“. In dieser Erzählung, welche die Vorgeschichte seiner phantastischen |Hexer|-Saga schildert, dreht sich das Geschehen um Robert Cravens Vater, Roderick Andara.
_Überblick_
Wir schreiben den 9. Juli anno 1862. Seit mehr als zehn Jahren ist Roderick Andara schon auf der Flucht vor den grauenvollen Geschöpfen, die jenseits der Realität, in Nachtmahren und im Wahnsinn hausen – den |GROßEN ALTEN|.
Nun führt ihn sein Weg nach Colorado, in das verschlafene Nest Walnut Falls, um seinen dreijährigen Sohn einer Frau anzuvertrauen, die er nur aus ihren Briefen kennt. Nicht um ihn – wie sie glaubt – aus dem Weg zu haben, sondern um ihm das Leben zu ersparen, zu dem er, Roderick Andara, verdammt ist. Er klammert sich an die Hoffnung, seine Widersacher könnten dem Jungen hier nichts anhaben – viel zu spät erkennt er seinen Irrtum. Robert wird entführt …
Im weiteren Geschehen lernt Roderick Andara einen Mann kennen, der sich ihm als H. P. vorstellt – kein Geringerer als Howard Phillips Lovecraft höchstpersönlich. Doch das erste Zusammentreffen der beiden zukünftigen Kampfgefährten verläuft nicht so harmonisch, wie man es sich vielleicht vorstellen mag. Das Abenteuer, welches die beiden zusammen bestehen müssen, bringt Andara so nahe an seine Feinde heran, wie wohl noch nie einen Menschen zuvor – er kämpft den Kampf seines Lebens; doch kann er ihn auch gewinnen?
_Die Hörbuchserie_
Nachdem vor mittlerweile über 13 Jahren die beiden Hörspiele „Der Hexer von Salem“ (1990) und „Neues vom Hexer von Salem“ (1991) auf den Markt kamen, haben sich Wolfgang Hohlbein und Albert Böhne letztes Jahr dazu entschlossen, eine |Hexer|-Hörbuch-Serie in Angriff zu nehmen. Anlass dafür bot die Hexer-Sammler-Edition im |Weltbild|-Verlag, bei der erstmalig, zum zwanzigjährigen Jubiläum der Hexer-Reihe, alle Hexer-Heftromane komplett in der Originalfassung und von Wolfgang Hohlbein chronologisch geordnet als Hardcover veröffentlicht werden. Geplant ist, zu jedem Buch der Sammler-Edition ein Hörbuch herauszugeben.
Der erste Teil dieser Hörbuch-Reihe ist seit Anfang 2004 auch bei |Lübbe Audio| erhältlich. Wolfgang Hohlbein liest persönlich seinen 1990 erschienen Roman „Auf der Spur des Hexers – Wie der Horror begann“, welcher ursprünglich nicht aus der Heftroman-Serie stammt. Der Vollständigkeit halber erscheint er trotzdem in der Sammler-Edition als erster Band.
Leider gestehen Hohlbein und Böhne den Hörbüchern nur einen Umfang von drei Audio-CDs zu, was gewisse Kürzungen und Bearbeitungen voraussetzt. Sehen wir mal, was daraus geworden ist …
_Bearbeitung und Kürzungen_
Die überarbeitete Fassung beinhaltet zum Glück keinerlei Kürzungen, die dem Gesamtbild der Geschichte großartigen Schaden zufügen, allerdings gehen ein paar schöne Anspielungen auf H. P. Lovecrafts Originalwerke verloren, durch welche den belesenen Lovecraft-Kenner einige Vorahnungen ereilen könnten. Zudem wurde etwa in der Mitte der Geschichte ein kompletter Abschnitt mitsamt den daraus resultierenden Folgeszenen herausgestrichen. Dieser durchaus atmosphärische Teil ist zwar nicht lebensnotwendig für die Erzählung, erklärt aber zu einem Teil Andaras Gemütszustand gen Ende der Geschichte.
Einige Passagen sind, wie ich finde, sinnvoll gekürzt oder um ein paar erläuternde oder der Atmosphäre zuträgliche Sätze erweitert worden, so dass sich der Lesefluss dort durchaus verbessert hat. Glücklicherweise sind auch einige Fehlerteufelchen dem Korrekturstift zum Opfer gefallen, was zum Beispiel den zeitlichen Ablauf der Geschichte im Hörbuch durchaus ein wenig glaubwürdiger erscheinen lässt.
Was ich aber einfach nicht verstehen kann, ist, warum Roderick Andaras Frau im Hörbuch |Victoria| Price heißt, während ihr Name in meiner Ausgabe des Romans |Jennifer| Price lautet. Nicht, dass sie in der Geschichte auch nur einmal in persona aufträte, verstarb sie doch zwei Jahre zuvor, aber das macht das Ganze nicht weniger rätselhaft.
Es sei noch erwähnt, dass die letzten Seiten des Romans – Roberts kurzes Scharmützel mit drei abtrünnigen Templern – aus rein chronologischen Gründen unter den Tisch fallen mussten. Das lässt sich aber auch einigermaßen leicht begründen: Ursprünglich ist dieser Roman zwischen dem zweiten und dritten Hexer-TB erschienen, also zu einer Zeit, als die Hexer-Saga schon dementsprechend weit vorangeschritten war. Nun erscheint er als Vorgeschichte im allerersten Band der Sammler-Edition und von daher scheint es ratsam, die paar Seiten, die im Grunde nichts mit den eigentlichen Geschehnissen zu tun haben, entfallen zu lassen.
_Wenn der Autor selbst erzählt_
Zum Auftakt der Hexer-Hörbücher ließ Wolfgang Hohlbein es sich nicht nehmen, den Part des Erzählers persönlich zu übernehmen. Leider bringt das neben den klaren Vorteilen auch einige Nachteile mit sich. Sicherlich weiß er selbst am besten, welche Stimmungen er erzeugen und wie er die Geschichte gelesen bzw. verstanden wissen will, doch leider wirkt die Umsetzung anfangs eher holprig. Im Laufe der Erzählung wird die Akzentuierung der wörtlichen Rede wie auch der zu erzählenden Passagen immer besser, bis sich die Erzählung am Ende zu einem Hochgenuss steigert. Das Gesamtbild betrachtend, reichen seine Künste leider dennoch nicht an die eines Profis, wie zum Beispiel Joachim Kerzel, heran. Wirklich auffallend ist dies bei zwei Passagen im mittleren Teil der Geschichte – die |Traum-Sequenz| glänzt mit einer prächtig gelungenen sphärischen Hintergrundmusik, doch Hohlbeins kaum veränderte Stimme torpediert die musikalisch wunderbar aufgebaute Atmosphäre; beim Kampf mit dem |Tiefen Wesen| ist es allerdings am schlimmsten, denn da wirken sich sowohl die unpassenden Gitarrenriffs im Hintergrund als auch Hohlbeins Erzählstil sehr schädigend auf die Atmosphäre aus.
Ich muss leider noch etwas Unerfreuliches zur Sprache bringen, denn die Kapitelansagen, die alle zehn bis fünfzehn Minuten von Jürgen Hoppe beigesteuert werden, stören den Hörgenuss in ziemlich hohem Maße.
Neben diesen zum Teil weniger erfreulichen Begebenheiten gibt es aber noch etwas, das ich positiv hervorheben möchte – Roderick Andaras suggestiv verstärkte Befehle werden zweistimmig vorgetragen, dabei scheint die zweite Stimme stark verfremdet und wirkt somit düster und beschwörend. Ein wirklich gelungenes Stück tontechnischer Bearbeitung.
Einen kleinen Brückenschlag zu den alten Hörspielen vollführt Böhne mit Dirk Vogeley, der bereits 1991 dem Erzähler auf „Neues vom Hexer von Salem“ seine Stimme lieh. Auf dem vorliegenden Hörbuch übernimmt er die Stimme aus dem Kristall, die eine Botschaft aus der Vergangenheit zu verkünden weiß.
_Der Ton macht die Musik_
Für die musikalische und klangtechnische Verfeinerung des Hörbuches sorgen Albert Böhne und sein |ANDARA Project|. Die musikalische Begleitung ist im Gegensatz zu den früheren Hexer-Hörspielen zumeist rockig und wird nur in der Traumsequenz und der Botschaft aus der Vergangenheit durch düstere Sphärenklänge stilgerecht unterbrochen. Zudem bietet die CD zwei erstklassige Leckerbissen, aber dazu später.
Betrachten wir zunächst den Titelsong „Warlock“, der den Liebhabern der alten Hexer-Hörspiele im ersten Moment sehr wohl vertraut vorkommen dürfte. Das altbekannte |Hexer-Thema| erklingt genau einmal – auf den Saiten einer E-Gitarre – um dann auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung zu verschwinden. Der Song gleitet in ein orchestrales Thema mit akustischer Gitarre, Cello und Englisch-Horn-Klängen über, wird jedoch plötzlich von rockigen Gitarren und einem Schlagzeug dominiert. Alleine damit sollte allen altgedienten Hexer-Hörern klar sein, dass hier etwas gänzlich Neues seinen Anfang nimmt.
Sieht man einmal von den peinlichen Gitarrenriffs bei der oben erwähnten Kampfszene ab, trifft die musikalisch Untermalung allerorten den richtigen Ton und sorgt während der dramatischen Szenen für eine angenehm unbehagliche Atmosphäre.
Kommen wir nun zum ersten musikalischen Highlight. Für den Gesangspart von „Necron’s Song: Run!“ konnte Albert Böhne den Frontmann von |Accept| und |U.D.O.| verpflichten. Ja, liebe Freunde schwermetallischer Klänge, ihr lest richtig: Udo Dirkschneider bereichert mit seiner unvergleichbaren Stimme „Die Spur des Hexers“. Den Text zu [„Necron’s Song: Run!“]http://www.hohlbein.de/autor/audio/run.txt habe ich euch mal herausgesucht.
Bevor ich euch den zweiten Gaststar vorstelle, möchte ich noch ein paar Worte zur klanglichen Umsetzung des |Cthulhu|-Rituals verlieren. Hier hat sich Albert Böhne selbst übertroffen – durch den Einsatz vieler echter Trommeln und der stark verfremdeten Stimmen, mit denen die Beschwörungsformel zelebriert wird, kommt zum Ende des Hörbuches noch einmal richtige Gänsehaut-Stimmung auf.
Dieser Part hat mir ehrlich gesagt am besten gefallen, zumal ich jetzt auch endlich weiß, wie all ihre Namen ausgesprochen werden.
|“Sie – das waren die, DEREN NAMEN MAN NICHT AUSSPRECHEN SOLL, will man nicht Gefahr laufen, sie zu rufen und den Preis für ihr Kommen zu zahlen, der schrecklich ist.“|
Zu guter Letzt kommen wir zum zweiten musikalischen Höhepunkt, dem Schlusssong „The Age of Damnation“. Niemand anderer als Steve Whalley, der Sänger der altgedienten Hardrock-Formation SLADE, bringt den glorreichen Abschluss dieser drei CDs.
_Mitwirkende_
|Sprecher:|
Wolfgang Hohlbein – Erzähler
Dirk Vogeley – Stimme aus dem Kristall
Jürgen Hoppe – Einleitung und Kapitelansagen
|Gesang:|
Udo Dirkschneider – „Necron’s Song: Run!“
Steve Whalley – „The Age of Damnation“
Albert Böhne – „Ritual“
|Musiker:|
Albert Böhne – Klavier, Keyboards, Background Vocals
Bernie Adamkewitz – Gitarre
Stefan Kaufmann – Gitarre
Michael Dötsch – Gitarre
Ian Stewart – Bass
Karl Övermann – Schlagzeug, Percussion
|3 CDs, Spielzeit 222 Minuten|
_Schlusswort_
Und nun noch ein paar abschließende Worte zum ersten Teil der neuen Hörbuch-Reihe aus dem Hause Hohlbein. Ich muss leider sagen, dass diese Umsetzung meines Erachtens nicht mehr als befriedigend ausfällt. Es lässt sich zwar nicht leugnen, dass ich am Ende dieses Werkes ein gutes Gefühl verspürt habe, aber das Gesamtbild reflektierend, kann ich diverse Unstimmigkeiten einfach nicht ignorieren. Ich würde mich freuen, wenn Wolfgang Hohlbein auch die anderen Hörbücher dieser Reihe erzählt, aber bitte mit der erzählerischen Finesse der letzteren Szenen. Ich kann eigentlich nur empfehlen, sich die Taschenbücher oder die Sammler-Edition zu besorgen und zu lesen – dieses Hörbuch ist dann sicherlich eine Bereicherung, aber ersetzen kann es das geschrieben Wort Hohlbeins nicht.
Wer jetzt Lust bekommen hat, sich näher mit H. P. Lovecrafts |Cthulhu|-Mythos oder Wolfgang Hohlbeins Hexer-Saga zu beschäftigen, dem seinen zwei meiner Rezensionen ans Herz gelegt:
[„Der Schatten über Innsmouth“ 424 sowie
[„Der Hexer von Salem“. 249
Pünktlich zum dritten Jahrestag des Anschlags auf die Twin-Towers des WTC veröffentlicht der |Heyne|-Verlag das Buch „Der zensierte Tag“ von Christian C. Walther. Der Titel lässt es bereits vermuten, dass dieser von der offiziellen Darstellungsweise augenscheinlich nicht viel hält. Kritische Betrachtungsweisen zum 11. September 2001 gibt es mittlerweile zuhauf. Die meisten davon werden als Spinnerei von unter Paranoia leidenden Verschwörungstheoretikern geschmäht. Gelesen und diskutiert werden sie dennoch gern – wenn auch manchmal hinter vorgehaltener Hand. Fest steht: Die Vorgänge des denkwürdigen Tages sind noch nicht hinreichend erklärt, zu viele Lücken und Fragen tun sich weiterhin auf, daher ist der Untertitel „Wie man Menschen, Medien und Maschinen manipuliert“ recht passend gewählt.
Ein junger Mann reist in eine einsame Hafenstadt, die von Teufelsanbetern bewohnt wird. Die angeblichen Nachtmahre entpuppen sich als überaus handfeste und gar nicht übernatürliche Zeitgenossen … – Dieser (Kurz-) Roman von H. P. Lovecraft (1890-1937) ist ein Kernstück des Cthulhu-Mythos’, der die Erde als Spielball übel wollender kosmischer Mächte sieht. Er bietet eher atmosphärische als handlungsbetonte Phantastik, wirkt aber in diesem Rahmen wahrlich unheimlich und ist von beinahe dokumentarischer Überzeugungskraft. H. P. Lovecraft – Schatten über Innsmouth weiterlesen →
Ein neuer Stern leuchtet am Himmel der Cyberpunk-Literatur: Richard Morgan synthetisiert in seinem Debüt-Roman den guten alten Cyberpunk im Stile William Gibsons mit einer Detektivgeschichte, die aus der Feder Raymond Chandlers stammen könnte, zu einem exzellenten Cyberkrimi. „Das Unsterblichkeitsprogramm“ (Originaltitel: „Altered Carbon“, 2002) wurde mit dem |Phillip K. Dick Award| für den besten Roman des Jahres ausgezeichnet.
Im 26sten Jahrhundert – die Menschheit hat sich über die Galaxien ausgebreitet und ferne Planeten kolonialisiert – hat die Wissenschaft erreicht, was Religionen nur in Aussicht stellen konnten: |das ewige Leben|.
Zu den unrühmlichsten Kapiteln der katholischen Kirchengeschichte gehört das Schweigen des Papstes Pius XII. zur Judenverfolgung im so genannten Dritten Reich. Zwar gibt es auch Stimmen in der Forschung, die Pius zugute halten, dass er durch geheime Hilfsaktionen das Leben Tausender Juden gerettet habe. Doch die Frage bleibt: Warum hat der mächtigste Mann der katholischen Kirche nichts gegen den Rassenwahn der Nationalsozialisten unternommen? Der neuseeländische Historiker Peter Godman geht in seinem Anfang 2004 bei |Droemer| erschienenen Buch „Der Vatikan und Hitler“ dieser Frage nach.
Wie Hitler, der ja selbst katholisch getauft war, zur Kirche stand, war kein Geheimnis. Auch seine Vorhaben zur „Selektion der Rassen“ waren hinlänglich bekannt. Darüber hinaus gab es auch Warnungen von engagierten Katholiken, besonders deutlich die der Karmeliternonne Edith Stein, die später in Auschwitz umkam. Sie schrieb 1933 in einem Brief an den Vorgänger von Papst Pius XII., Pius XI.: „Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers …?“ Doch im Vatikan arbeiteten an den maßgeblichen Stellen kaum Männer, die der Nonne Gehör schenkten. Dies wird deutlich durch Godmans Skizzierung der theologisch-politischen Charaktere in der engsten Umgebung des Papstes. Ein latenter Antisemitismus bei den Vertretern der Kurie tat ein Übriges.
Bevor Eugenio Pacelli 1939 Papst Pius XII. wurde, war er Staatssekretär von Papst Pius XI., in dessen Regierungszeit das Reichskonkordat fiel. Dieses sollte die katholische Kirche in Deutschland vor dem Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Regimes bewahren. In seinen letzten Lebensmonaten verfasste Papst Pius XI. die Enzyklika „Mit brennender Sorge“, die bisher als klare Verurteilung des Nationalsozialismus durch Pius XI. galt, des Papstes, der früher gegen die Nationalsozialisten recht milde verfuhr. Peter Godman zeigt, dass diese Enzyklika schon vom Papst sehr behutsam formuliert war – von „Häresie“ oder „Ketzerei“ etwa ist überhaupt nicht die Rede – , doch sie wurde von seinen Beratern noch weiter abgeschwächt.
Pacelli, von Haus aus Jurist, hatte das Reichskonkordat ausgearbeitet und war auch sonst ideell seinem Vorgänger eng verbunden. Godman legt dar, dass Papst Pius XI. die wahren Feinde der katholischen Christenheit ganz woanders sah als nun gerade im nationalsozialistischen Deutschland. Da war zunächst der Bolschewismus in der Sowjetunion, gegen den das totalitäre Regime in Deutschland ein Bollwerk zu sein versprach. Dann gab es auch noch die Protestanten, die er als „zersetzende Kraft“ bezeichnete, daneben noch Freimaurer, Liberale und Sozialisten, die die klerikale Ordnung unterwanderten. Pacelli sollte als Pius XII. im Jahr 1949 für die Mitgliedschaft in einer kommunistischen Partei die Exkommunikation androhen.
Wie wenig der deutsche Nationalsozialismus und sein Rassenwahn für die römische Kurie in den dreißiger Jahren zum Thema wurde, zeigt Godman am Beispiel des ehemaligen Kardinalstaatssekretärs Rafael Merry Del Val, der 1930 – wenige Monate vor seinem Tod – gegen „eine der abscheulichsten und bösartigsten Verirrungen unserer Zeit“ zu wüten begann. Gemeint waren weder Nationalsozialismus, Faschismus, noch Kommunismus, sondern – das Nacktbaden. Nach Merry Del Vals Tod wurde dessen „Vermächtnis“ eifrigst erfüllt. „Heiliges Offizium und Staatssekretariat begannen nun, mit einer Effizienz zusammenzuarbeiten, die ohne jeden Zweifel beweist, dass Kooperation durchaus möglich war“, schreibt Godman. Selbst in Berichten aus Deutschland, die Cesare Orsenigo, päpstlicher Nuntius in Berlin, an Rom sandte, wurde kein Thema häufiger behandelt als eben der Nudismus.
Godman zeigt die persönlichen, politischen und ideologischen Verflechtungen der Angehörigen der römischen Kurie und vor allem der beiden während des Faschismus und Nationalsozialismus herrschenden Päpste. Seine Recherchen belegen, dass es für Pius XI. und Pius XII. wenig Entschuldigungen für ihr Handeln gibt. Dennoch kommt Godman in seiner gut lesbaren und detailfreudigen Studie weitgehend ohne Häme aus. Ergänzt wird das Buch durch einen ausführlichen Anhang in Deutsch und Latein mit Auszügen aus vatikanischen Schriften jener Zeit. Godmans Werk ist ein für politisch und kirchengeschichtlich Interessierte unbedingt lesenswertes Buch.
„Rabenherz“ stellt den dritten Roman des |Rigante|-Zyklus von David Gemmell, einem der führenden Autoren der Heroic Fantasy, dar. Die Geschichte spielt im feudalen Mittelalter, nicht mehr zur Zeit des alten Roms und seiner Kaiser; ein gewaltiger Zeitsprung.
Seit Kelten-Hochkönig Connavar und sein Bastardsohn Bane in den beiden Vorgängern die Armeen von Stone (Rom) besiegten, sind 800 Jahre vergangen.
Nun ist ein Zeitpunkt gekommen, an dem ähnlich der realen Geschichte nicht mehr die Römer, sondern die Engländer, in diesem Falle die „Varlish“, über die Riganten herrschen. Eine Ironie des Schicksals … Die Riganten werden unterdrückt und ihrer eigenen Kultur beraubt, von den Besatzern wird aus ihrem legendären König Connavar „Con of the Vars“ gemacht, ein angeblich varlischer Prinz …
Die Kultur und Geschichte der besiegten Rigante wird systematisch absorbiert, verändert oder verleugnet. Die Keltoi, jetzt Highlander, werden als minderwertig angesehen, benachteiligt und unterdrückt.
Die druidische Religion der naturverbundenen Rigante wird vom Christentum, hier der „Quelle“, nach und nach verdrängt, die Magie des Landes geht zurück und nur wenige Rigante besitzen noch druidische Gaben.
So etwas schreit geradezu nach einem Aufstand à la Braveheart – der Kessel beginnt zu kochen …
_Der Rigante-Zyklus im Überblick_
Spätantike
Band 1: [Die Steinerne Armee 522 (Sword in the Storm)
Band 2: [Die Nacht des Falken 169 (Midnight Falcon)
Mittelalter
Band 3: Rabenherz (Ravenheart)
Band 4: Stormrider – noch nicht übersetzt
_Freiheitsliebende Highlander und gerissene Landlords_
Befreiten sich die Rigante, der führende Stamm der Highlander in Gemmells alternativem Britannien, im Vorgänger von den Römern, ist die Lage 800 Jahre später wesentlich düsterer:
Varlische (britische) Landlords herrschen über die Highlander-Stämme, ihre ruhmreiche Geschichte wird umgeschrieben oder verleugnet, die enge Verbindung der Highlander zu den „Sidhe“ genannten Naturgottheiten und ihrer Magie ist ebenfalls nicht mehr gegeben.
Der gewaltigste Unterschied ist jedoch: Es fehlt der große Nationalheld, es gibt keinen Connavar oder Bane, der die Highlander eint und die Invasoren vertreibt. Denn Lanovar, ein ferner Nachfahre der Linie Connavars, wurde von dem „Moidart“ genannten Landlord von Burg Eldacre verraten und ermordet, als er Frieden schließen wollte. Allerdings hatte dieser einen guten Grund zum Grollen: Lanovar hat den Moidart mit seiner Frau Rayena betrogen, und diese ist nun schwanger – ob vom Moidart oder Lanovar, das weiß keiner …
Lanovar stirbt, ohne seinen illegitimen Sohn jemals gesehen zu haben. Seinem zweiten Sohn, Kaelin, einem reinrassigen Rigante, gibt er den Seelennamen „Rabenherz“ und bittet seinen hünenhaften Freund Jaim Grymauch, für ihn zu sorgen.
Die Reiter des Moidart überfallen die Rigante, es kommt zu Blutvergießen, Kaelins Mutter wird getötet, er selbst von seiner Tante Maev gerettet. Derweil arrangiert der Moidart selbst ein Attentat auf seine eigene treulose Frau und tötet sie, schiebt die Schuld Rigante-Attentätern zu. Seinen Sohn bringt er nicht um – er hat zwar die grün-goldenen Augen Lanovars, jedoch hatte die Großmutter des Moidart ebenfalls solche Augen … ungewiss, ob der kleine Gaise sein Sohn ist, lässt er ihn leben.
Liebe oder Zuneigung wird er jedoch nicht erfahren, der Moidart wird ihn alleine aufwachsen lassen und ihm jegliche Anerkennung verwehren. An und für sich schon ein grausamer und kaltblütiger Mann, wird der Moidart zum Fluch für die Riganten, denen in den Städten das Tragen von Waffen und ihren Clanfarben verboten ist. Einzig die „Schwarzen Riganten“ in den nördlichen Highlands sind stark genug, die Durchsetzung des Gesetzes auf ihrem Gebiet durch die Truppen des Moidart zu verhindern.
Kaelin und Grymauch müssen bald Eldacre verlassen, denn Kaelin hat die Soldaten, die seine Freundin Chara vergewaltigten und ermordeten, getötet und verstümmelt, Jaim bei den Hochlandspielen den varlischen Box-Champion besiegt. So fliehen sie in die Highlands, zu den gesetzlosen Schwarzen Riganten, mit deren Anführer Call Jace Kaelin bald Bekanntschaft machen wird …
_Starke Charaktere, aber keine abgeschlossene Handlung_
Eine klassische Konfliktsituation, die geradezu nach einem Volksaufstand und einem Freiheitshelden schreit – auf diesen wird man jedoch vergeblich warten, denn im Gegensatz zu den in sich abgeschlossenen Vorgängern ist „Rabenherz“ nur in Verbindung mit dem zum Zeitpunkt dieser Rezension noch nicht übersetzten „Stormrider“ eine wirklich abgeschlossene Geschichte.
So schafft „Rabenherz“ vielmehr die Grundlagen und führt die wichtigsten Figuren wie den Moidart, Maev und Kaelin sowie Jaim Grymauch ein. Diese Figuren geben dem Buch auch weitgehend seinen Charme und Charakter. Jaim Grymauch zum Beispiel ist ein riesiger Highlander, hat ein Herz wie ein Bär und ist sowohl bei Rigante als auch einigen Varlish sehr beliebt, obwohl er ein Säufer, Viehdieb und Rumtreiber ist. Maev Ring ist Jaims heimliche Liebe, eine Highlander-Geschäftsfrau, die so erfolgreich ist, dass ihr Erfolg sie zum Objekt des Neids und der Willkür der Varlish machen wird – denn keinem Rigante ist viel Besitz erlaubt.
Die wohl faszinierendste Figur ist jedoch der „Moidart“ genannte Herr von Burg Eldacre: Der raffinierte und kaltblütige Landlord ist ein faszinierender Bösewicht. Hart, aber nicht ungerecht, grausam und zugleich ein begnadeter Künstler. Das klingt recht 08/15, nicht wahr? Ist es aber nicht, der Moidart offenbart viele Facetten im Laufe des Buches, und im abschließenden Band der Rigante-Saga legt er noch einmal zu, soviel sei vorab versprochen.
Kaelin Ring wird im Laufe des Romans einen „kleinen“ Aufstand starten. Wie er sich zum neuen Anführer der Rebellen aufschwingt und wie er seit frühester Jugend bereits in der Schule gegen die Varlish rebelliert, stellt den Kern der gerne in den Hintergrund tretenden Rahmenhandlung dar. Denn sein Halbbruder Gaise Macon, der uneheliche Sohn Rayenas und Lanovars, wird erst in „Stormrider“ zusammen mit ihm zum Kampf gegen den Moidart und neue Feinde blasen, die erst gegen Ende dieses Romans auftauchen werden. Die Saga nimmt hier einige überraschende und gelungene Wendungen, die man nach dem sehr linearen und relativ handlungsarmen „Rabenherz“ nicht erwarten würde.
_Nur die erste Hälfte der Geschichte_
Die Figuren und die Geschichte sind mitreißend, Spannung satt wird geboten. Mystische Elemente sind in „Rabenherz“ im Gegensatz zu den Vorgängern weniger vertreten. Interessant auch der erfrischende Zeitsprung, Ähnliches hat Gemmell im |Stones of Power|-Zyklus mit dem unerwarteten Wechsel vom arthurianischen Britannien zu einem postapokalyptischen Wilden Westen schon einmal getan. Mir persönlich gefiel das antike Szenario des Rigante-Zyklus besser, jedoch haben Gemmells mittelalterliche Riganten-Charaktere ihren eigenen Charme und sind, insbesondere der Moidart, differenzierter und interessanter gezeichnet. Der Freiheitskampf-Gedanke wird hier wesentlich deutlicher hervorgehoben, eine gewisse Anlehnung an „Braveheart“ ist gegeben, die jedoch in „Stormrider“ zu einer unerwarteten Wendung und einem völlig anderen Szenario und Finale führt, das mir gut gefiel.
Das große Problem von „Rabenherz“ ist: Der Roman ist nur ein Auftakt, zwar ein furioser, aber ohne „Stormrider“ nur halb so gut. Trotzdem ist der Roman so spannend, dass man ihn in einem Stück verschlingen kann, und mit „Stormrider“ wird noch einmal ein Scheit mehr in das Feuer geworfen. Zum Glück ist die Vater-Sohn-Beziehung zwischen dem Moidart und Gaise Macon keine Neuauflage der Probleme zwischen Connavar und Bane, wie ich befürchtete!
Die Übersetzung ist Irmhild Seeland wieder einmal sehr gut gelungen, einige schwer zu übersetzende Eigennamen, wie die der Landlords (Moidart, Pinance), wirkten jedoch stets ein wenig unpassend auf mich.
Der Roman ist emotional ausgesprochen mitreißend, kann so den Mangel an äußerer Handlung kompensieren und dafür mit hervorragenden Charakterisierungen glänzen und die Grundlage für ein packendes Finale des |Rigante|-Zyklus legen.
_Der Rigante-Zyklus im Überblick_
Band 1: [„Die Steinerne Armee“ 522
Band 2: [„Die Nacht des Falken“ 169
Band 3: [„Rabenherz“ 498
Band 4: [„Sturmreiter“ 2961
Es beginnt als Spiel unter Nachbarn und Freunden, die eine lahme Party in Gang bringen möchten: Tom Wallace, Mitarbeiter einer Werbeagentur, erklärt sich bereit, das Versuchskaninchen für Philip, den jüngeren Bruder seiner Ehefrau Anne, zu spielen. Der junge Psychologiestudent möchte seinen Schwager hypnotisieren. Wider Erwarten gelingt das Experiment, und Tom macht sich zur Belustigung der Gäste durch allerlei suggerierte Mätzchen lächerlich.
Tom hat längst vergessen, dass sein Großvater als Medium bekannt und gefürchtet war. Nun tritt der Enkel unfreiwillig in seine Fußstapfen und entwickelt sich zum Gedankenleser, was nicht nur Anne oder Söhnchen Richard missfällt. Tom leidet unter seiner Gabe, denn wer möchte schon wissen, was seine Mitmenschen wirklich denken; besonders, wenn diese in der Nachbarschaft wohnen und unsympathisch wirken wie Harry Sentas, der grobschlächtige Hausvermieter, oder Frank Wannamaker, der seine Ehefrau Elizabeth nicht nur betrügt, sondern wahrscheinlich auch schlägt. Richard Matheson – Echoes: Stimmen aus der Zwischenwelt weiterlesen →
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