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H. P. Lovecraft – Chronik des Cthulhu-Mythos I

Kommentierte Werkausgabe: geballte Ladung Cthulhu & Konsorten

Diese Chronik in zwei Bänden vereint erstmals die vollständigen Werke Lovecrafts zum Cthulhu-Mythos neben allen Kurzgeschichten auch die Novellen. Band 1 der Chronik enthält die Novelle DER FALL CHARLES DEXTER WARD sowie bekannte Kurzgeschichten wie „Das Grauen von Dunwich“ und „Der Flüsterer im Dunkeln“. Mit einer Einleitung und ausführlichen Erläuterungen zu den einzelnen Werken von Dr. Marco Frenschkowski. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen.

Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman „Der Flüsterer im Dunkeln“.

PD Dr. Marco Frenschkowski, Jahrgang 1960, ist evangelischer Theologe und Religionswissenschaftler. Seine Forschungsschwerpunkte: Antike und moderne Religionsgeschichte sowie das Verhältnis von Religion und Kultur.

_|DIE ERZÄHLUNGEN|_

_1) Dagon_

Ein entkommener Kriegsgefangener des Ersten Weltkrieg strandet nach Irrfahrt auf einer ungastlichen Insel im Südpazifik. Der Strand besteht aus einem schwarzen, toten, schleimigen und ekligen Sumpf, auf dem nichts lebt. Er schleppt sich vier Tage lang (ohne Wasser!) zu einem Hügel hoch, der sich als Vulkankrater entpuppt. Ist dies der Eingang zur Unterwelt, fragt er sich. Sein Blick fällt auf einen weißen Monolithen auf der gegenüberliegenden Felswand. Er ist bedeckt mit Sinnbildern, Flachreliefs und Schriftzeichen: Zu sehen sind humanoide Fischwesen, die aber so groß wie Wale sind.

Eines dieser Wesen taucht aus dem Kratersee auf, um den Monolithen, einen Altar, zu verehren. Der Gestrandete wird wahnsinnig. Er findet heraus, dass es bei den Philistern der Antike einen Fischgott namens Dagon gab und fragt sich, wann Dagons Geschlecht die im Großen Krieg untergehende Welt übernehmen werde.

Da ertönt ein Klopfen an seiner Tür, und eine schuppige Hand zeigt sich. Der Erzähler springt aus dem Fenster seiner Mansardenwohnung.

|Mein Eindruck|

„Dagon“ ist der Prototyp zu dem viel besser erzählten „Der Ruf des Cthulhu“ und schildert die Entdeckung jenes Monster der Tiefes, das von den Großen Alten übriggeblieben ist, die einst von den Sternen kamen, um die Erde zu unterwerfen. (Zu dieser Mythologie siehe meine Berichte zu Lovecrafts Werken.) Um mehr von diesem „antiken Fischgott“ Dagon zu erfahren, lese man auch den erstklassigen Kurzroman „Der Schatten über Innsmouth“, in dem die Fischmonster Neu-England heimsuchen.

Dagon und Co. sind eine Verkörperung des Grauens, das die moderne Wissenschaft sowie der Große Krieg 1914-1918 über den Menschen gebracht hat. Seit Gott und seine Vasallen abgeschafft worden sind, starren die Sterne kalt und erbarmungslos auf uns hernieder. Schutzlos und unbehaust sind wir dem Grauen ausgesetzt. Alte grausame Götter aus uralter Zeit, so Lovecraft, wollen sich unserer bemächtigen. „Das ist nicht tot, was ewig schläft“, raunt es vielfach in seinen Erzählungen.

Bezeichnenderweise geht es immer um Verehrung an Altären, seien sie modern, klassisch oder antik und apokryph. Auf diese Weise wird sinnfällig, dass das Vakuum des abgeschafften Glaube durch Götzenkulte gefüllt werden kann, und dass diese Götzen durchaus von schaurigster, menschenfeindlichster Natur sein können. Sektentode wie in Jonestown und anderswo belegen die reale Gefahr.

_2) Nyarlathotep_

In Neuengland taucht eines Wintertages eine Art Wunderprediger auf, der sich Nyarlathotep nennt und von wundersamen orten erzählt, während er elektrische Tricks praktiziert. Der Ich-Erzähler, der von seinem Freund eingeladen wird, ist von dieser billigen Show nicht gerade angetan und schmäht den Fremden.

Doch das soll er bereuen, denn immer mehr sieht er sich mit seinen Begleitern von einer finsteren Schlucht angezogen, die in der Nähe seines Heimatortes liegt. Es ist schrecklich kalt unter den blanken Sternen, und der Eingang ist mit Schneewehen beinahe blockiert. Kaum haben seine Vorgänger die Schlucht betreten, sind klagende Rufe zu hören. Und auch der Erzähler kann sich dem Ruf von den Sternen nicht verschließen, wie sein wahnsinniges Gestammel am Schluss bezeugt …

|Mein Eindruck|

Der titelgebende Wanderprediger stammt aus Ägypten, erinnert aber an den ebenfalls sensationsheischenden Erfinder Nikola Tesla (vgl. den Film „Prestige“). Der psychologische Vorgang, der zwischen das Gestammel des Chronisten eingebettet ist, lässt sich durchaus nachvollziehen. Nyarlathotep bringt echte Erleuchtung, allerdings von der zwielichtigen Art: eine Wahrheit, die keiner hören will. Denn sie führt direkt zum kriechenden Chaos, das da Azathoth heißt und im Zentrum des Kosmos auf seine Chance lauert …

Der Kommentator Frenschkowski nennt den kurzen, nur vier Seiten langen und ca. 1920 entstandenen Text ein „Prosagedicht“, aber das trifft eigentlich nur auf den Anfang und den Schluss zu. Der Mittelteil schildert Nyarlathoteps Auftritt, die Schmähung und seine Rache.

_3) Stadt ohne Namen_

Der Ich-Erzähler ist entweder ein Abenteurer oder ein archäologischer Forschungsreisender. Er hat sich in die tiefste arabische Wüste begeben, um jene Stadt ohne Namen zu suchen, die den Arabern solche Furcht einjagt. Er stößt zunächst auf harmlose Hausruinen, aber dann auch auf tempelartige Artefakte. Als er am Abend das Heulen eines Windes hört, das nicht aus der Umgebung, sondern aus einer Tempelöffnung hervordringt, begibt er sich sogleich mit einer Fackel dorthin und dringt in den höhlenartigen Tunnel ein.

Die Tunnel, durch die er kriecht, sind seltsam niedrig und eng. Sollten hier wirklich menschliche Bewohner gelebt haben? Gerade, als er in einer Halle anlangt, geht seine Fackel aus. Er gerät jedoch nicht in Panik, sondern setzt auf seinen Tastsinn. Nach einer Weile glimmt ein Leuchten auf, so dass er besser sehen kann. Da sind Massen von Kästen aufgestapelt, in denen reptilienköpfige Wesen in prächtigen Gewändern ruhen. Auf den Wandmalereien erblickt er die Geschichte einer vorsintflutlichen Zivilisation, ihren Aufstieg und Untergang. Auf dem letzten (jüngsten?) Bild ist dargestellt, wie ein Mann von den Reptilienwesen zerrissen wird.

Hinter dieser Freskenhalle führt ein Tor zu einer Treppe, die hinunterführt zu einer Ebene leuchtender Unendlichkeit. Doch die Treppenstufen sind wie die engen Tunnel offenbar nicht für Menschenfüße ausgelegt, sondern für jene Wesen, die er nun am Fuß der Treppe knurren hört. Da hebt der Wind wieder an, heulend und kreischend fährt er in jenen leuchtenden Schlund hinunter. Die Morgendämmerung hat begonnen. Die Wesen klettern die Treppe herauf. Sie tragen Reptilienköpfe …

|Mein Eindruck|

1921 veröffentlicht, ist die Geschichte zwar noch im Geiste Lord Dunsanys, HPLs erstem Lehrmeister, geschrieben, weist aber schon klare Einflüsse anderer Vorbilder auf, so etwa von Lost-race-Autoren wie Henry Rider Haggard („Sie“) und Abraham Merritt („Das Volk der Fata Morgana“, „Das Gesicht im Abgrund“, „The ship of Ishtar“ und viele weitere), die alle in jener Zeit reüssierten. Auch ein gewisser Edgar Rice Burroughs, der Schöpfer von „Tarzan“, war sich nicht zu schade für zwei solche Serien: „Pellucidar“ und die Marsianer, die nach Fantasyregeln leben.

Der typische HPL-Sound unterschiedet diese Story ganz beträchtlich aber von den Machwerken jener Konkurrenten. Erst einmal geht es sehr unheimlich, menschenleer und klaustrophobisch zu, zweitens ist der typische Schauplatz eine versunkene Stadt, die tief ins Erdinnere reicht und drittens sind am Höhepunkt der Story die vermuteten Kreaturen jener angeblich versunkenen Zivilisation immer noch quicklebendig. (Was die Frage nach dem Überlebenden des Chronisten aufwirft, aber die Antwort soll hier nicht verraten werden.)

_4) Die Musik des Erich Zann_

Die erste Geschichte spielt in Paris, und der „Student der Metaphysik“, der uns berichtet, findet die bewusste enge Straße nicht mehr, in der er in einem Mietshaus zum ersten Mal die Musik jenes stummen deutschen Geigers gehört hatte, den er als Erich Zann kennenlernte.

Die Musik, die Zann ihm vorspielte, wenn sein Besucher im Zimmer war, war zunächst ganz normal: Bach’sche Fugen. Doch sobald er gegangen war, spielte er so unheimliche Melodien, dass es den Studenten grauste. Bis zu jenem Tag, da der Besucher den Vorhang vor dem Fenster entfernte und in die gähnende Schwärze des gierigen Kosmos dahinter schaute – und von dort eine Antwort erklang …

|Mein Eindruck|

Diese kurze Geschichte ist sehr stimmungsvoll und detailliert erzählt, so dass wir einen realistischen Eindruck davon erhalten, wie es im Haus des Erich Zann zugeht. Ganz allmählich werden wir zum Geheimnis geführt, das dessen Musik umgibt. Warum bearbeitet der Deutsche seine Geige derart wild und unheimlich – und vor allem beschäftigt uns die Frage: Für wen spielt er eigentlich? Die Entdeckungen, die unser Student der „metaphysischen Wissenschaften“ macht, sind in der Tat schauerlich und gemahnen zunächst an das unheimliche Geigenspiel des Roderick Usher, den Poe unsterblich machte. Doch Lovecraft geht noch einen Schritt weiter: Das Geigenspiel ist keine Beschwörung, sondern eine Art Beschwichtigung oder Abwehrzauber, um etwas fernzuhalten …

_5) Das Fest_

Unser Chronist ist ein junger Mann, der zur Stadt seiner Väter am Ostmeer (= Providence an der US-Ostküste) gereist ist, von der er nur aus seinen Träumen weiß, aber wohin man ihn gerufen hat. Es ist die Zeit des Julfestes, das unter Christenmenschen als „Weihnachten“ bekannt ist. Nur ist unser Berichterstatter alles andere als ein Christenmensch. Das Land wurde vor 300 Jahren besiedelt, doch sein Volk ist weit älter und kam aus dem Meer, weshalb es noch die alten Riten ehrt.

Er trifft in Kingsport ein, der uralten, verwinkelten Stadt unter dem kirchengekrönten Berggipfel, wo der Friedhof noch viele alte Grabsteine beherbergt, darunter auch die von vier Verwandten, die im Jahr 1692 wegen Hexerei hingerichtet wurden. Er findet das Haus an der Green Lane, das noch vor dem Jahr 1650 erbaut worden ist.

Auf sein Klopfen öffnet ein alter Mann, doch weil der stumm ist, schreibt er dem Besucher seinen Willkommensgruß auf ein Stück Papier. Sein Gesicht ist so wächsern bleich, dass es aussieht, als trage er eine Maske. Zwischen Möbeln aus dem 17. Jahrhundert sitzt eine Alte an einem Spinnrad, die ihm zunickt. Nach der Lektüre bekannter Bücher wie dem verbotenen „Necronomicon“ schließt sich der junge Mann seinen Gastgebern an. In Kapuzenmäntel gehüllt, machen sich die drei auf den Weg, um am Julfest teilzunehmen. Er wundert sich, dass er und seine Begleiter im Schnee keine Fußabdrücke hinterlassen…

|Mein Eindruck|

Die Erzählung ist auf sehr spezifische Weise Teil des Lovecraft-Mythos, wonach in der Gegend von Providence und dem nahe gelegenen Salem im 17. Jahrhundert – historisch belegte – Hexenprozesse stattgefunden haben. Dabei habe es sich um echte Hexer und echte Hexen gehandelt, die und deren Verwandte jedoch überlebt haben. Und wenn nicht in Fleisch und Blut, so doch als Gespenst: als untote Erinnerung.

Geister versammeln sich zum Julfest, um unheilige Riten in den Tiefen der Hügel Neuenglands etc. zu feiern. Neuengland ist bei HPL der Hort von Dimensionstoren, aus denen die Großen Alten, die einst von Göttern vertrieben wurden, wieder in unsere Welt einbrechen, manchmal um unheiligen Nachwuchs zu zeugen („Das Grauen von Dunwich“), manchmal um Menschen zu ihren Jüngern zu machen („Der Fall Charles Dexter Ward“). Dass die alten Salem-Hexer („Das Ding auf der Schwelle“) ihnen helfen, dürfte klar sein. Und dass Cthulhus Nachkommen hier ihre Feste feiern, ebenfalls.

Das alles kann aber nicht verhindern, dass dieser Story irgendwie die Pointe abhanden kommt. Denn was ganz am Schluss folgt, ist viel zu schwach in der Wirkung, um aus der Story viel mehr als eine stimmungsvolle Studie in Horrorphantasien zu schmieden.

_6) Der Ruf des Cthulhu_

Der Erzähler untersucht die Hintergründe des unerklärlichen Todes seines Großonkels Angell, eines Gelehrten für semitische Sprachen, der mit 92 starb. Angel hatte Kontakt zu einem jungen Bildhauer namens Wilcox, der ein Flachrelief sowie Statuen erschuf, die einen hockenden augenlosen Oktopus mit Drachenflügeln zeigten.

Wie sich aus anderen Quellen ergibt, ist dies der träumende Gott Cthulhu (sprich: k’tulu), einem der Großen Alten. Er wird in Westgrönland ebenso wie in den Sümpfen Louisianas verehrt, wo man ihm Menschenopfer darbringt. Am wichtigsten aber ist der Bericht eines norwegischen Matrosen, der im Südteil des Pazifiks auf eine Insel stieß, wo der grässliche Gott inmitten außerirdischer Architektur hervortrat und die Menschen verfolgte – genau zu jenem Zeitpunkt, als Angells junger Bildhauer (und viele weitere Kreative) verrückt wurden.

Der Chronist hat alle Beweise zusammen: Cthulhu und seine Brüder warten darauf, die Erde zu übernehmen, alle Gesetze beiseite zu fegen und eine Herrschaft totaler Gewalt und Lust zu errichten. Man brauche sie nur zu rufen, und sie würden in unseren Träumen zu uns sprechen …

|Mein Eindruck|

Dies ist die grundlegende Erzählung, die jeder kennen muss, der sich mit dem Cthulhu-Mythos und den Großen Alten, die von den Sternen kamen, beschäftigt. Die Geschichte ist trotz ihres recht verschachtelten Aufbaus durchaus dazu angetan, die Phantasie des Lesers anzuregen und ihn schaudern zu lassen.

Das Erzählverfahren ist überzeugend, denn zuerst werden mehrere Berichte eingesammelt und überprüft, bevor im Hauptstück, dem Augenzeugenbericht eines Matrosen, das Monster endlich selbst auftreten darf, um seinen langen Schatten durch die Geschichte/Historie zu werfen.

_7) Die Farbe aus dem All_

Es gibt eine Gegend am Miskatonic westlich von Arkham, wo die Berge steil emporsteigen, die man die „Verfluchte Heide“ nennt. Die früheren Bewohner sind fortgezogen, und Fremde werden hier nicht heimisch, weil schlechte Träume sie heimsuchen. Nur der alte Ammi Pierce, der unweit Arkham lebt, spricht über das, was hier einst blühte und gedieh, an der alten Straße, wo die Farm von Nahum Gardner lag. Die neue Straße macht einen großen Bogen nach Süden um dieses Gebiet herum.

Möge der geplante Stausee bald die verfluchte Heide bedecken und die seltsam unnatürlichen Farben auslöschen, in denen sie funkelt. Aber ob man vom Wasser dieses Sees trinken sollte, fragt sich der Landvermesser, der diese Gegend zuerst besucht hat. Die Heide mit ihrem stinkenden Moder, den verkrüppelten Bäumen und dem verdorrten Gras breitet sich jedes Jahr weiter aus.

Folgendes erfuhr er von Ammi Pierce, dem besten Freund der Familie Gardner: Dort, wo einst die florierende Farm von Nahum Gardner stand, umgeben von fruchtbarem Weideland und Obstanbau, existiert nur noch toter Staub, der das Sonnenlicht in merkwürdigen, unirdischen Farben reflektiert.

Alles begann, nachdem 1882 der Meteorit sich in der Nähe von Nahums Brunnen in die Erde gegraben hatte. Ammi ist überzeugt: Eine fremde Macht aus dem All versank in der Erde, kurz darauf setzten rätselhafte Veränderungen bei Tieren und Pflanzen ein. Die Natur schien aus dem Gleichgewicht, die armen Menschen – zuerst Mrs Gardner – wurden von einem Wahnsinn ergriffen oder verschwanden spurlos, und alle Dinge weit und breit begannen, in unbeschreiblichen, widerwärtigen Farben zu leuchten – bis heute…

|Mein Eindruck|

Dies ist eine der besten Geschichten des Meisters aus Providence. Sie besticht den Leser bzw. Hörer durch ihre reportagehafte Genauigkeit, die Kühlheit ihrer genauen Beschreibungen, die trotz des horriblen Inhalts dennoch von der Vernunft gesteuert werden, als habe Edgar Allan Poe selbst die Feder des Schreibers geführt. Auch die „Einheit der Wirkung“, eine zentrale Forderung Poes von der Kurzgeschichte, ist vollständig und vorbildlich erfüllt.

Diese Geschichte steigert sich in Stufen und mit Verschnaufpausen bis zu einem solch phantasmagorischen Moment kosmischen Schreckens, dass es ein Wunder wäre, wenn der Leser bzw. Hörer nicht davon ergriffen würde. Zuerst zeigen sich nur leise Andeutungen, die sich zunehmend verdichten, je schwerer die Beeinträchtigung von Nahum Gardners Farm wird. Ammi Pierce ruft auch Wissenschaftler der Miskatonic Universität herbei, die aber auch nicht allzu viel ausrichten können. Sie finden allerdings Kugeln in einer unirdischen Farbe, und es ist anzunehmen, dass diese Substanzen ihren Weg in den Brunnen und somit ins Trinkwasser der Gardners finden.

Schon bald ändert sich der Geisteszustand von Mrs Gardner. Ihr Mann sperrt sie auf den Dachboden, ihr folgen ihre drei Söhne. Das menschliche Drama nimmt seinen Lauf, bis selbst der Alte vom Wahnsinn ergriffen wird. Erst als Ammie Pierce Nachbarn und besorgte Bücher mobilisiert, um nach ihm zu sehen, erreicht der Horror seinen Höhepunkt. Sie blicken aus dem Farmhaus hinaus auf eine Vision der Hölle. Denn nun wächst das Grauen um eine weitere Dimension: das Grauen wird kosmisch. Es kommt von den Sternen und es kehrt zu den Sternen zurück, allerdings nicht ohne ein sinistres Erbe zu hinterlassen: die sich ausbreitende „verfluchte Heide“.

Diese Heide birgt etwas, das nicht nur physisch existiert, sondern auch die Träume des Heidebesuchers heimsucht. Wie schon Nahum Gardner sagte: „Es zieht einen an, man kommt nicht weg.“ Und deswegen blieb er auf seiner Farm bis zum bitteren Ende, ähnlich wie Ammi Pierce. Und ob der Landvermesser je davon loskommt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

_8) Geschichte des Necronomicons_

Ein kurzer Abriss über die Biografie Abdul Alhazreds, dem Autor von „Al Azif“, dem späteren „Necronomicon“. Der Araber habe es angeblich um 730 n.Chr. geschrieben. Eine Chronologie listet die allesamt unterdrückten Ausgaben auf. Aber nirgendwo steht, warum Alhazred das verfluchte Buch schrieb, noch, was darin steht. Eine Andeutung liefert lediglich der Umstand, dass der Autor angeblich von einem selbst beschworenen Dämon verschlungen worden sei. Motto: Caveat auctor!

|Mein Eindruck|

Eine pseudo-literaturhistorische Abhandlung, die zentrale Fragen außer Acht lässt. Nur für HPL-Anhänger interessant.

_9) Handlung von DER FALL CHARLES DEXTER WARD_

Im Rückblick erscheint es dem Beobachter sonderbar, dass aus einem freundlichen Jungen ein Wahnsinniger in der Psychiatrie wurde, und das binnen weniger Jahre. Man hätte nicht gedacht, dass aus ihm ein Erwecker widernatürlicher außerirdischer Mächte werden würde.

Charles Dexter Ward wächst Anfang des 20. Jahrhunderts als Sohn eines wohlhabenden und anständigen Mannes im schönen Hafenstädtchen Providence in Rhode Island auf. Zu gern streunt er durch die verwinkelten Gassen, die sich von seinem Elternhaus auf dem Hügel bis zu den Hafenkais hinabziehen. Das geht so, bis er im vorletzten Jahr seiner Schule ist. Da entdeckt er seine Vorliebe für Ahnenkunde und Geschichtsforschung.

Ward dringt immer weiter in die Vergangenheit seiner Familie ein und stößt 1918 auf ein von den Stadtvätern seit 150 Jahren unterdrücktes Geheimnis. Wards Ururugroßvater ist ein gewisser Joseph Curwen, der im Jahr 1692 aus Salem, Massachusetts, nach den dortigen Hexenprozessen, ins friedliche, liberale Providence floh. Merkwürdig war nur, das Curwen selbst im hohen Alter, also etwa 1770, keinen Tag älter als 30 Jahre aussah. Ward stößt in Curwens altem Stadthaus auf ein verborgenes Gemälde: Curwen sieht fast aufs Haar genauso aus wie Ward aus, bis auf eine kleine Narbe über dem Auge.

Mit der Verpflanzung dieses Gemäldes scheint das Unheil begonnen zu haben, erinnert sich der engste Freund der Familie, Dr. Marinus Willet. Denn Joseph Curwen ist in der Stadtgeschichte mit einer großen Aktion gegen ihn und seine Machenschaften verknüpft: Auf Curwens Bauernhof in der Vorstadt Pawtuxet wurden unheilige Riten abgehalten, Lichter stiegen gen Himmel auf und einmal wurden im nahen Bach Knochen und eine sonderbare Leiche gefunden, vom grässlichen Gestank, der dort herrschte, ganz zu schweigen.

Die Stadtväter sahen sich gezwungen, mit hundert Mann gegen Curwen vorzugehen und sein Nest auszuräuchern. Sie waren so erbost über das, was sie vorfanden, dass sie Curwen auf der Stelle töteten. Es ist bemerkenswert, dass niemand über die Geschehnisse dort redete. Curwens Grabstein wurde unkenntlich gemacht, sein Name getilgt.

Deshalb versetzt es die Verwaltung ab ca. 1924 in Alarmzustand, als man mehrmals Leute auf dem Friedhof beobachtet, die sich an Grabsteinen zu schaffen machen. Wards Vater und Dr. Willet sind alarmiert, als sich der junge Charles gegen das College entscheidet und sich 1924 lieber nach Europa aufmacht, um dort seine „Studien“ zu vertiefen. Wie sich später zeigt, besucht er frühere Kollegen des „Hexenmeisters“ Curwen, die ebenso wenig gealtert sind: einer in Prag und einer in Transsilvanien. Es sind Freunde aus der Salemer Zeit vor den Hexenprozessen. Und sie alle haben ein bestimmtes Interesse: Nekromantie – die Beschwörung von Toten.

Nach seiner Rückkehr richtet sich Charles ein chemisches Labor ein und beginnt sowohl zu experimentieren als auch Anrufungen und Riten zu vollziehen, dass es seinen Mitbewohnern und selbst den Haustieren graust. Er schlägt den gleichen Werdegang ein, den Joseph Curwen seinerzeit gegangen war – und der kann nur ins Verderben führen. Er findet den Sarg und stiehlt Curwens Leiche, doch hat er sich verrechnet: Curwen bemächtigt sich als Wiedergänger des Geistes und der Gestalt seines jungen Nachfahren und geht wieder seinen alten Umtrieben nach.

Als Dr. Willet am Höhepunkt der schauderhaften Vorgänge um den armen Charles dessen „Bungalow“ untersucht, der auf dem gleichen Grundstück steht wie vor 150 Jahren Curwens Bauernhof, stößt er auf unfassbare Gräuel, die sich in den untersten Gewölben abgespielt haben müssen: Geisterbeschwörungen und Leichenschändungen – Nekromantie.

Leider beschwört Willet aus Versehen einen alten Feind der Menschen: den Großen Alten namens Yog-Sothoth, den „Wächter des Tores“…

|Mein Eindruck|

Im Gegensatz zu dem Verfahren von Edgar Allan Poe ist H. P. Lovecraft nicht am Innenleben seiner Hauptfigur interessiert. Vielmehr bekommen wir Leser immer nur die Perspektive von Berichterstattern und Zeugen vorgesetzt, die beglaubigen sollen, wie furchtbar das Schicksal des jungen Ward doch sei. Dies dient dazu, die Schrecken, die beschworen werden, auch realistisch wirken zu lassen. Die Zeugen – allen voran Dr. Willet – stellen ihre Vermutungen darüber an, was Ward zur Nekromantie bewogen haben mag.

|Locations|

Alle liebevoll geschilderten Schauplätze wie die Stadt Providence, Wards Elternhaus, aber besonders das frühere Stadthaus Curwens und sein abgelegener Bauernhof (eine bevorzugte „location“ aller Cthulhu-Autoren) belegen, wie realistisch der Werdegang des jungen Ward ist. Denn dies ist die Historie, in der er aufwächst – eine redigierte Historie, wie er selbst herausfindet, in der der schwarze Fleck des J. Curwen fast vollkommen getilgt worden ist. Doch eben nur fast. Aus kleinen Hinweisen erschließt sich Ward wie ein Detektiv à la Poe die Vorgeschichte seines eigenen Geschlechts und somit auch seiner Heimatstadt (die für Amerika allgemein steht).

|Wahnsinn – auch in HPLs Familie|

Doktor Willet ist überzeugt, dass bis zu diesem Punkt Ward völlig zurechnungsfähig gewesen sei. Doch an welchem Punkt begann Wards Wahnsinn? In diesem Punkt gehen die Meinungen von Dr. Willet und den Irrenärzten aus Providence und Boston stark auseinander.

Lovecraft ist auch hierfür Experte: Sein Vater kam 1892 in die Psychiatrie und starb dort, als Howard gerade mal sieben Jahre alt war. Man kann sich vielleicht seinen Schrecken ausmalen, als auch seine Mutter begann, geistige Verwirrung und Psychosen an den Tag zu legen. Sie starb 1921 in der gleichen Nervenheilanstalt wie HPLs Vater. (HPL konnte seine Freiheit mit seiner Frau Sonia Greene, einer New Yorker Schauspielerin, nicht genießen: Seine beiden Tanten Annie und Edna wachten nun ebenso streng über ihn wie vormals seine Mutter.)

An welchem Punkt kann man noch von chemischen Experimenten sprechen und wann von Okkultismus? Lovecraft war ein Experte in Sachen Geheimlehren, Okkultismus, Hexenglaube usw. Er hatte als Wunderkind schon mit sechs Jahren begonnen, die ersten Geschichten zu schreiben und verschlang Bücher geradezu: Die Bibliothek seines Vaters umfasste an die 2000 Bände. Ständig tauchen in seinen Geschichten Bibliotheken und Museen als Hort des Wissens – auch verbotenen Wissens – auf. Auf dieser Grundlage beschäftigte er sich, wie sein Held Ward, mit der Geschichte seiner Heimatstadt und der Umgebung, insbesondere Salems – und aufgrund der dortigen Hexenprozesse natürlich mit Hexenwahn usw.. So weist Curwen beispielsweise ein schwarzes Hexenmal auf. Es dient dazu, ihn von Ward zu unterscheiden, der lediglich ein Muttermal hat.

|Entgleisung, Verdrängung|

Wie konnte es zu Wards Persönlichkeitsverdrängung durch Curwen kommen? Im Roman wird es durch eine mittelalterliche Geheimlehre eines gewissen Borellus erklärt. Doch in modernen Begriffen formuliert, könnte man vom übermächtigen Einfluss der Vergangenheit auf die gegenwärtige seelische und geistige Entwicklung des einsamen aufwachsenden, rückgratlosen jungen Ward sprechen. Der Einfluss der Mutter ist völlig ausgeschaltet – sie wird sogar aus Sicherheitsgründen nach Atlantic City in die Kur geschickt. Bleiben also nur standhafte Männer wie Dr. Willet, um Wards Entgleisung zu protokollieren und schließlich zu stoppen.

Was mir leider nicht ganz klar wurde, ist der finstere Drang, der Ward dazu bringt, Curwen auszubuddeln, dessen Forschungen weiterzutreiben, ihn zurück ins Leben zu bringen und so den eigenen Untergang heraufzubeschwören. Einmal verdrängt, ist Ward eine Sache der Vergangenheit. Ich kann es mir nur damit erklären, dass Ward von Curwen Hilfe erwartete, als er Nekromantie und Dämonenbeschwörung ausüben wollte – in dem frevlerischen Bemühen, immer mehr Wissen von den Toten zu erlangen. Ward ging also einen faustischen Pakt mit seinem Vorfahren ein und verlor.

|Spannung bis zur letzten Seite|

Hätte Lovecraft seinen gelungenen „magischen“ Roman wie einen „normalen“ Bildungsroman aufgebaut, so wäre das Thema in Langeweile untergegangen. Lovecraft geht ganz anders vor: Er beginnt mit dem Ende. Ward ist aus der Irrenanstalt ausgebrochen, heißt es, man muss mit dem Schlimmsten rechnen. Doch wie konnte es dazu kommen? Nun beginnt mit dem zweiten Kapitel nicht Wards Geschichte, sondern die von Joseph Curwen, ebenfalls wieder berichtet nach Zeugenaussagen und Briefen, wie sie später Ward zur Verfügung standen.

Das Curwen-Geschehen steigert sich bis zu seinem tödlichen Finale. Als dann endlich der im Prolog erwähnte junge Held auf die Bühne tritt, ahnt der Leser schon den düsteren Schatten der Vergangenheit, der über Wards Haupt schwebt. Und so steigert sich auch diese Hälfte der Romanhandlung zu ihrem Finale.

Auftritt Dr. Willet: Er spürt dem Geheimnis unter dem Grundstück in Pawtuxet nach – und fällt von einem Grauen in den nächsten Schrecken – bis endlich ein oder sogar zwei Finali mehr nötig werden. Wie auch in „Schatten über Innsmouth“ erzeugen die späten Wendungen des Plots eine weitere, kaum für möglich gehaltene Steigerung des Grauens. Allerdings kommt für Kenner dieses Ende nicht sonderlich überraschend. Aber für Spannung ist immerhin gesorgt. Und der obligate Schreck fährt dem Leser denn auch noch in der letzten Zeile in die Glieder.

_10) Das Grauen von Dunwich_

In der ländlichen Gegend der Aylesbury-Hügel Neuenglands soll es mehrere Opferstätten gegeben haben, mit stehenden Steinen und Felsplatten, auf denen satanische Riten vollzogen wurden. Die Wichtigste davon ist der Sentinel Hill: Hier stinkt es, und der Berg grollt – besonders zu Walpurgis (30.4.) und Halloween (31.10.).

Die Menschen, die hier siedeln, sind einfache Bauern – mit zwei Ausnahmen: den bessergestellten Sippen der Whateleys und der Bishops, die beide aus Salem stammen, wo im 17. Jahrhundert die berühmten Hexenprozesse stattfanden. Es geht um einen Sippenzweig, den man allgemein die Hexen-Whateleys nennt und der abgelegen wohnt.

Am 2.2.1913 kommt Wilbur Whateley zur Welt, und sein Vater ist unbekannt. Seine Mutter ist die albinoweiße und entstellte Lavinia, die im Haus ihres Vaters, des Alten, lebt. Wilbur wächst rasend schnell, nicht nur körperlich, sondern auch geistig, und sieht aus wie ein Ziegenbock. Er versetzt alle Hunde in Wut und erschießt auch den einen oder anderen. Schon mit vier Jahren ist er so groß wie ein 15-jähriger. Sein Vater lehrt ihn die Geheimnisse der Großen Alten. Im Obergeschoss lebt aber noch ein weiteres Wesen, das man nie zu Gesicht bekommt, sondern nur hören und – leider – riechen kann.

Als der Alte stirbt, bekommt der junge Wilbur, inzwischen über 2,10 Meter groß, ein Problem: Er muss die Verbindung zwischen dem Wesen im Obergeschoss und dessen Vater Yog-Sothoth herstellen, damit es gelenkt werden kann. Leider fehlt ihm dazu die korrekte Beschwörungsformel in seiner Ausgabe des verbotenen Buches „Necronomicon“. Durch seinen (vergeblichen) Besuch in der Uni-Bibliothek von Arkham alarmiert er die dortigen Gelehrten, der sofort alle anderen Bibliotheken verständigt. Daher versucht Wilbur eines Nachts, das Buch aus der Uni zu rauben – und der Anblick, der sich den Gelehrten bietet, ist nicht abdruckfähig.

Während der Bibliotheksleiter Dr. Henry Armitage fieberhaft das Tagebuch Wilbur zu entschlüsseln versucht, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, bricht das Wesen in Dunwich aus und verbreitet Angst und Schrecken: Durch Unsichtbarkeit unangreifbar, frisst es nicht nur Viehherden, sondern auch deren Besitzer.

Doch dann findet Armitage eine Gegenbeschwörung, und zusammen mit zwei Kollegen sowie den Bauern der Gegend ziehen die Ghostbuster aus, dem dämonischen Ungeheuer, das bislang niemand gesehen hat, aber groß wie ein Haus sein muss, den Garaus zu machen.

|Mein Eindruck|

Dieser fast 70 Seiten lange Kurzroman ist in zehn Kapitel eingeteilt und konsequent auf die Erzielung eines bestimmten Effektes – kosmischen Grauens – ausgerichtet. Der Horror kommt in sich steigernden Stufen, eine unheilvoller als die vorangegangene – bis zum Finale und einer Pointe, die auf den Anfang verweist, wodurch sich die schauderhafte Wirkung noch einmal potenziert (also nichts für zarte Gemüter). Man beachte: Nahe dem englischen Aylesbury befindet sich Stonehenge, und die Novelle kann als Kommentar auf englische Verhältnisse gedeutet werden um 1930 gedeutet werden, als auch dort der Faschismus aufkam.

_11) Der Flüsterer im Dunkeln_

Man schreibt das Jahr 1927, als große Hochwasser die Flüsse des bergigen US-Bundesstaates Vermont anschwellen lassen. Dabei werden merkwürdige Kadaver angeschwemmt, die vage an Krebse mit Schwingen erinnern. Die Zeitungen sind voll von Spekulationen, doch der Ich-Erzähler Albert Wilmarth, seines Zeichens Uni-Dozent in Arkham, will sich diesen Spinnereien nicht anschließen. Dennoch zählt er gewissenhaft all die einheimischen Legenden sowohl der Kolonisten wie auch der Indianer auf. Demnach haben sich in den unzugänglichen Bergen Außerirdische niedergelassen, um nach Metall zu schürfen, dass sie sonst nirgendwo bekommen.

Im April 1928 erhält Wilmarth den ersten Brief von Henry Wentworth Akeley, einem geachteten Privatgelehrten aus uralter angesehener Familie. Er bestätigt, dass diese Berichte und Legenden einen Funken Wahrheit enthielten. In einem zweiten Brief schickt er Dokumente wie etwa Fotos sowie einen schwarzen Stein mit einer unbekannten Inschrift mit. Der Höhepunkt ist jedoch ein Tondokument, das eines der Phänomene dokumentiert, die in jener Gegend am Dark Mountain wahrzunehmen waren: Eine menschliche Stimme und eine summende, nichtmenschliche Stimme preisen ein Wesen namens Shub-Niggurath, die „Schwarze Ziege aus den Wäldern mit den tausend Jungen“.

Wilmarth läuft ein kalter Schauder den Rücken hinunter und ein namenloses Grauen erfasst sein Herz. Soll er den Phänomenen auf den Grund gehen? Der immer ausgedehnter werdende Briefwechsel mit Akeley drängt ihn dazu, sich in größte Lebensgefahr zu begeben. In den Bergen um den Dark Mountain wartet man bereits auf sein Erscheinen, und es wird denn auch durch Akeleys seltsamen letzten Brief ausgelöst.

Akeley äußert sich darin voller Verständnis und keineswegs mehr grauenerfüllt gegenüber den Außerirdischen, verrät sogar einige ihrer Geheimnisse: Sie hätten eine Operationsbasis auf dem Planeten Yuggoth errichtet, der jenseits des Neptun seine Kreisbahn ziehe und von irdischen Astronomen erst in Kürze entdeckt werde (der Pluto). Akeley drängt Wilmarth, schnellstens zu kommen und dabei keinesfalls sämtliche Beweisstücke zu vergessen. Diese würden noch gebraucht. Wilmarth nimmt den Zug und wird am Zielbahnhof von einem schweigsamen jungen Mann abgeholt.

Um Akeleys Haus herrscht zwar eine Grabesstille – keine Spur von Vieh oder Wachhunden – doch der Mann selbst lebt noch, wenn er auch unter einem asthmatischen Fieber leidet und so stark vermummt ist, dass nur sein Gesicht aus dem Halbdunkel hervorschaut, in das das Zimmer getaucht ist.

Mit wachsender Verwunderung lauscht Wilmarth dem halb gesummten Monolog Akeleys, während eine seltsame Vibration sein Gehirn erfüllt. Dann schlägt die Verwunderung in wachsendes Grauen um.

|Mein Eindruck|

Der Übergang von der Horrorstory zur Science-Fiction-Erzählung ist – wie in „Die Farbe aus dem All“ – fließend. Wie schon oben erwähnt, handelt sich bei den Monstren auf Akeleys Grundstück und in den Bergen ringsum tatsächlich um Außerirdische. Sie haben, so erfährt Wilmarth aus dem letzten merkwürdigen Brief Akeleys, eine Basis auf dem Planeten Pluto errichtet, den sie Yuggoth nennen.

Und sie haben eine Technik entwickelt, um das Gehirn vom restlichen Körper abzutrennen und auf Reisen schicken zu können. Tatsächlich begegnet Wilmarth in Akeleys Haus einem dieser mobilen Gehirne, das mittels dreier Schaltungen zu sprechen, zu sehen und zu riechen in der Lage ist. Akeley offeriert Wilmarth, sein Gehirn auf diese Weise zu mobilisieren und zu unbekannten, immens weit entfernten Welten mitzunehmen. Wilmarth fasst dies als Drohung auf: Will man ihn erst seines Körpers und dann seiner Menschlichkeit berauben?

Die Story ist so ungemein geschickt erzählt, dass die Pointe erst ganz am Schluss, im letzten Satz, gesetzt wird, so dass sie den Leser mit voller Wucht trifft. Allerdings ist die Erzählweise nicht kunstvoll genug, um den Leser daran zu hindern, nicht schon frühzeitig die richtigen Schlüsse ziehen zu lassen. Der Schluss kommt also für den gewieften Leser nicht allzu überraschend.

Es gibt auch einen kleinen Insiderwitz, den ich meinem Leser nicht vorenthalten möchte. Im letzten Drittel erwähnt Akeley einen „Hohepriester Klarkash-ton“. Damit ist kein anderer als Clark Ashton-Smith gemeint, einer der engsten Schriftstellerfreunde von H.P. Lovecraft.

Die Erzählung ist einer der Höhepunkte im Zyklus um den „Cthulhu-Mythos“, auch wenn sie meiner Ansicht nach schwächer ist als etwa „Schatten über Innsmouth“. Das liegt zum Teil daran, dass Wilmarth nicht vorbelastet, sondern im Gegenteil geradezu ein Saubermann ist. So bleibt die Grenzlinie zwischen Uns (Wilmarth & Co.) und Denen (Aliens & Handlanger) durchweg aufrechterhalten, wohingegen sie in „Schatten über Innsmouth“ komplett zusammenbricht, was doch einen beträchtlich größeren Horroreffekt auf den Leser ausübt.

Während „Innsmouth“ den Alien IN UNS aufspürt, zeigt uns Akeley den Alien da DRAUSSEN. Dort draußen, das ist Yuggoth alias Pluto, wo die Aliens ihren Stützpunkt errichtet haben, quasi einen Umsteigebahnhof für reisende Gehirne, aber auch Umschlagplatz für auf Erden abgebautes Eisenerz. Deshalb ist der Science-Fiction-Aspekt in dieser Erzählung viel gewichtiger als in den anderen Cthulhu-Stories. Wie bei den mobilen Hirnen (vgl. Stanislaw Lem) nimmt auch die Idee einer Alien-Operationsbasis viele spätere Space Operas vorweg.

_12) Vorwort von Marco Frenschkowski_

In seinem Vorwort stellt der Theologe den Autor vor und grenzt dessen Art von übernatürlichen Erzählungen ganz deutlich von der Fantasy ab. Während die Fantasy das Vertraute in verschiedenen Masken des Ich sucht und somit stets menschliche Themen findet, wird Lovecraft in seinen fiktionalen Erkundungen stets beim Fremdartigen fündig. Seine Götter sind echte Aliens, also andersartige Fremde.In diesem Sinne sind seine Erzählungen auch religiös, aber auf eine ganz eigene Weise. HPL leugnet nicht die Existenz von Göttern, sondern den Glauben an sie, daher nennt ihn Frenschkowski einen Atheisten statt einen Agnostiker.

Der Theologe wirkt etwas widersprüchlich. Erst spricht er dem Cthulhu-Mythos die Merkmale eines Mythos ab, dann fragt er, ob diese Mythologie eine religiöse Bedeutung habe. Ich pflichte ihm allerdings bei, wenn er sagt, dass die Erzählungen HPLs, in denen die Großen Alten vorkommen, noch längst keinen zusammenhängenden Kosmos ergeben. Deshalb lässt sich eher von einem Legendarium à la Tolkien sprechen als von einem erzählerischen Kosmos mit einer eigenen Geschichte. Cthulhu & Co. dienen lediglich als Roter Faden.

_Unterm Strich_

Dieser erste Band aus der „Chronik des Cthulhu-Mythos“ präsentiert mit „Der Ruf des Cthulhu“ und „Der Fall Charles Dexter Ward“ bereits zwei zentrale Texte des sogenannten „Mythos“. Man sollte sie kennen. Doch der nur auf schnellen Konsum bedachte Interessent sei gewarnt: Die Kurzgeschichten mögen schnell zu lesen sein und schnellen Genuss ermöglichen, doch „Der Fall Charles Dexter Ward“ verweigert sich diesem Ansinnen beharrlich (ebenso übrigens wie die anderen Romane HPLs). Dessen Handlung läuft auf mehreren Zeitebenen und mit zwei Hauptfiguren (Ward und Curwen) in einer sehr detailliert geschilderten Lokation ab, nämlich dem freigeistigen Providence, Rhode Island. Hier heißt es „mitdenken und den Überblick behalten“!

Der Theologe Marco Frenschkowski liefert in dieser Ausgabe sehr aufschlussreiche Einleitungen zu den einzelnen Erzählungen, zu ihrer Bedeutung in HPLs Leben und Werk, zu ihrer Entstehungs- und Publikationsgeschichte und zu ihren literarischen Folgen.

Ganz besonders umfangreich widmet er sich dem Roman „Der Fall Charles Dexter Ward“, der zu Lovecrafts ausgefeiltesten Texten gehört. Der Autor widmete sich laut Frenschkowski deshalb so ausführlich der Geschichte, weil er Providence, den Schauplatz der Handlung, wo er ja selbst zeit seines Lebens – bis auf zwei jahre in New York City – lebte, innig liebte. Die Hauptstadt von Rhode Island spielt nicht nur eine zentrale Rolle, sondern ist selbst ein Charakter in der Story. Warum das so ist, wie sich dies äußert, wie es sich belegen lässt und was dies für Folgen in der Story für Ward und Curwen hatte, kann Frenschkowski mit einer Fülle von Forschungsergebnissen und sogar eigenen Erlebnissen vor Ort veranschaulichen.

Hilfreich sind auch seine Hinweise zu „Das Grauen von Dunwich“. Er sagt, dass sich die Geschichte vollständig verstehen lasse, wenn man Arthur Machens Erzählungen „Der große Gott Pan“ (1893) und „Das weiße Volk“ (1899) kenne. Das mag durchaus plausibel sein, denn Lovecraft schrieb nicht für die allgemeine Öffentlichkeit, sondern für einen engen Freundes- und Bekanntenkreis Gleichgesinnter. Bei diesen könnte er solche intertextuellen Bezüge als bekannt voraussetzen. Ja, dabei ging er soweit, dass er augenzwinkernd andere Autoren wie Clark Ashton Smith in seine Text einbaute und von ihnen Namen und Motive borgte. Über seine bekannte Verehrung für Poe und Dunsany braucht man kein Wort mehr zu verlieren.

Dass der Kommentator Theologe ist, erweist sich immer wieder als von großem Vorteil. So ist es ihm möglich, die alchimistischen bzw. magischen Rituale Curwens bis ins kleinste Detail zu entschlüsseln – und sogar HPLs Irrtümer und Fehler aufzuspüren und zu korrigieren.

Obwohl es sich also um keine historisch-kritische Werkausgabe im wissenschaftlichen Sinne handelt (ein Index fehlt ebenso wie eine Bibliografie), erhält man doch für ein geringes Entgelt einen hochwertigen Kommentar, der zum Verständnis der Texte beiträgt, sich aber jeder inhaltlichen Kritik enthält (im Unterschied etwa zu S. T. Joshis HPL-kritischen Arbeiten). Damit steht dem Vergnügen an den Texten nichts mehr im Wege.

Taschenbuch: 499 Seiten
Aus dem US-Englischen von diversen Übersetzern
ISBN-13: 978-3865521446
www.festa-verlag.de

H. P. Lovecraft – Chronik des Cthulhu-Mythos II

Kommentierte Werkausgabe Teil 2: Kosmischer Horror

Diese Chronik in zwei Bänden vereint erstmals die vollständigen Werke Lovecrafts zum Cthulhu-Mythos. In Band 2 sind die Novellen BERGE DES WAHNSINNS, DER SCHATTEN ÜBER INNSMOUTH und die Kurzgeschichten „Träume im Hexenhaus“, „Das Ding auf der Schwelle“, „Der Schatten aus der Zeit“ und „Jäger der Finsternis“ enthalten. Mit einer Einleitung und ausführlichen Erläuterungen zu den einzelnen Werken von Dr. Marco Frenschkowski. (erweiterte Verlagsinfo)

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

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Lumley, Brian – Necroscope 5 – Totenwache (Lesung)

_Das Ende des Wartens: vier Action-Höhepunkte_

In den bewaldeten Berghängen Rumäniens schlummert eine tödlich vergessene Gefahr ihrem Erwachen entgegen. Währenddessen wird sich Vampir Yulian Bodescu in seinem englischen Landhaus seiner unglaublichen Kräfte bewusst. Das britische E-Dezernat stürmt den Ort bizarren Schreckens. Doch Totenhorcher Harry Keogh braucht die schonungslose Hilfe seiner toten Freunde, um den Vampir auszuschalten!

_Der Autor_

Brian Lumley wurde 1937 in England geboren. 1981 beendete er seine Militär-Karriere. Seither arbeitet er als freier Schriftsteller. Seine ersten Veröffentlichungen standen ganz unter dem Einfluss von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos. 1986 schuf Brian Lumley mit seiner Vampyr-Saga »Necroscope« eine der erfolgreichsten Horror-Serien der Welt.

Alleine in den USA haben sich seine Bücher weit über zwei Millionen Mal verkauft. So wie Brian Lumley den Vampyr darstellt, hat es noch kein Autor zuvor gewagt. Mittlerweile hat Brian Lumley mehr als 50 Bücher veröffentlicht und schreibt fleißig weiter. Er und seine Frau Barbara Ann leben in Devon im südwestlichen England. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Lutz Riedel, geboren 1947, ist ein hochkarätiger Synchron-Regisseur und die deutsche Stimmbandvertretung von „James Bond“ Timothy Dalton. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie. Ich schätze besonders seine Interpretation von H. P. Lovecrafts Schauergeschichten wie etwa [„Das Ding auf der Schwelle“. 589 Er zeigt hier seine herausragenden Sprecher-Qualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern.

Der Berliner Schauspieler hat u. a. Timothy Dalton (James Bond) und Richard Hatch (Kampfstern Galactica) synchronisiert. Auch Richard Gere, Samuel L. Jackson und Christopher Walken hat er schon gesprochen. Lutz Riedel ist mit seiner Kollegin Marianne Groß verheiratet.

Riedel liest einen von Frank Festa bearbeiteten und gekürzten Text. Für Regie, Produktion und Dramaturgie zeichnet Lars Peter Lueg verantwortlich, für Schnitt, Musik und Tontechnik Andy Matern.

_Der Regisseur Lars Peter Lueg_

Der Verlag LPL in eigenen Worten: „Nach 10 erfolgreichen Jahren in der Musik- und Medienbranche als Musikproduzent, Künstlermanager, Leiter von Multimediaprojekten und Tontechniker in verschiedenen Tonstudios war es an der Zeit, die vorhandenen Kontakte und Erfahrungen zu nutzen, um eine vollkommen neue und andersartige Firma zu gründen.

Ein kompetentes Netzwerk von ca. 20 spezialisierten Unternehmen lässt LPL sehr effektiv und unabhängig arbeiten. Durch eine Passion für Filme, (Hör)Bücher und (Hör)Spiele, die sich dem Thema Horror verschrieben haben, sind Lars Peter Lueg und seine Partner mit viel Herzblut dabei. LPL stellt ausschließlich Produkte her, hinter denen der Verlagsleiter auch zu 100 % steht.“

_Der Komponist_

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde „Der Cthulhu-Mythos“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Für seine Arbeiten an den Hörbüchrn zu „Illuminati“ und „Sakrileg“ erhielt er ebenfalls Gold und Platin. Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

_Handlung_

Anno 1977. In Devonshire beginnt der finale Angriff auf das Gutshaus, in dem sich der Vampyr Yulian Bodescu, der letzte Spross von Thibor Ferenczy, aufhält. Er hat drei Frauen ebenfalls zu Vampyren gemacht, so dass sie ihm zu Willen sind. Als die Agenten des ESP-Dezernats des britischen Geheimdienstes, bewaffnet mit Armbrust und Flammenwerfer, anrücken, werfen sich die Frauen, mit einer Ausnahme, den Agenten entgegen und es kommt zu grausigen Szenen. Einer der Agenten muss geopfert werden, um Schlimmeres zu verhüten. Nur Georgina Bodescu, die Mutter des Vampyrs, verbrennt in der Ruine des gesprengten Hauses.

Doch haben sie den Blutsauger wirklich erwischt, fragen sich die Agenten zu Recht, oder ist er ihnen entwischt? Guy Roberts erlebt in der Einsatzbesprechung eine handfeste Überraschung. Newton hat nicht nur den schwarzen Schäferhund Vlad gesehen, den sie erwischt haben, sondern noch einen zweiten Hund. Und jetzt, wo er daran denkt, kommt ihm dessen halb aufrechte Bewegungsweise merkwürdig vor. Für Roberts ist der Fall klar: Bodescu ist entkommen und sucht als nächstes den alten Widersacher seines Vaters: den Agenten und Necroscopen Harry Keogh.

Sofort setzt Roberts zwei Agenten, darunter Newton, nach York in Marsch und folgt selbst im Zug. Brenda Keogh ist inzwischen gewarnt. In ihrem Haus logieren bereits zwei anderen Agenten und sogar zwei lokale Polizisten. Sollten sie ihr und ihrem Baby Harry Keogh jr. nicht ausreichend Schutz bieten, fragt sie sich. Wie sich herausstellt, ist dies beileibe nicht der Fall, und so sehen sich Roberts und seine Mannen fast hilflos einer unheimlichen Kreatur gegenüber, die sich nach Belieben in Mensch, Wolf oder Fledermaus verwandeln kann. Doch Junior hat für das Monster eine Überraschung parat.

Unterdessen haben in den Karpaten die britischen und russischen ESP-Agenten ganze Arbeit geleistet. Die Gruft des alten Obervampyrs Thibor Ferenczy wurde ausgebrannt und gesprengt. Nun befinden sie sich auf der Fahrt zu der Burg Fetor Ferenczys, der Thibor vor tausend Jahren zu einem Vampyr gemacht hatte. Dort soll es in den Ruinen noch Überreste von infizierten Wesen geben, die sie beseitigen wollen.

Aber der neue Leiter des russischen E-Dezernats, Ivan Girenko, hat hochfliegende Machtpläne und möchte die Vampyre keineswegs vernichten, sondern sie vielmehr als Waffe gegen seine Gegner einsetzen. Er kann einen ersten Erfolg verbuchen. Er hat den britischen Chef der ESPer, Andy Kyle, geschnappt und nach Moskau entführen lassen. Die ostdeutsche Telepathin Zakyntha durchforstet das weitreichende Wissen in Kyles betäubtem Gehirn, doch Girenkos Techniker gehen viel weiter: Mit ihren Methoden zerstören sie Kyles mentale Essenz so weit, bis der Mann hirntot ist. Doch nun ist Zak die Einzige, die Kyles Geheimnisse über Harry Keogh und sein Treiben kennt. Das macht sie zu einer gefährlichen Widersacherin Girenkos, als sich ihr Gewissen regt.

Für die Vampyrjäger in den Karpaten wird die Zeit knapp, denn Girenko hat einen Top-Killer des KGB auf sie angesetzt. Theo Dogyk hat bereits einen Briten auf dem Gewissen, der ihm in Genua übel mitgespielt hat. Und Dolgyk macht das Töten von Menschen wirklich Vergnügen. Aber er hat nicht mit dem Erscheinen Harry Keoghs gerechnet.

_Mein Eindruck_

Nachdem der Autor die Vorgeschichte Harry Keoghs und der zwei Urvampyre Fetor und Thibor Ferenczys des Langen und Breiten erzählt hat, kommt er nun endlich zur Sache. Diese Episode der inzwischen über zwanzigbändigen Serie ist prallvoll mit Action, Drama und Spannung. Die Kampfszenen sind keineswegs für zartbesaitete Gemüter geeignet, aber diese Warnung gilt für die gesamte Serie. Insgesamt gibt es vier Actionhöhepunkte, und einer ist besser als der vorhergehende. Nur der letzte, der in den Karpaten stattfindet, dauert eine halbe Ewigkeit, bis es den bösen Buben endlich erwischt.

Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht so viele Abschlüsse erwartet, sondern die übliche Taktik des Autors, Enden offenzulassen und bewährte Figuren für eine weitere Episode aufzusparen. Diese Salamitaktik scheint Lumley endlich aufzugeben und alle losen Fäden zu einem Ende zu bringen. Auch sämtliche Keoghs sind in Sicherheit. Deshalb lautet am Schluss die einzige entscheidende Frage: Woher stammen eigentliche diese merkwürdig außerirdisch anmutenden Vampyri? Sie können einen völlig normalen Menschen wie eine Amöbe übernehmen und sich in ihm ausbreiten, fügen ihm dadurch aber keinen Schaden zu, sondern verleihen ihm im Gegenteil übermenschliche Fähigkeiten – siehe Yulian Bodescu. Die Antwort soll in dem Band „Das Dämonentor“ gegeben werden. Ich erwarte jedoch den Beginn eines erneuten Binnenzyklus innerhalb der Reihe.

Nur an einer Stelle machten mich die Kürzungen stutzig: Dass der britische Top-Agent Andy Kyle von den Russen geschnappt wird, wird mit keiner Silbe erzählt und auch nicht im Nachhinein geschildert. Dramaturgisch gesehen, ist das völlig gerechtfertigt, aber der Hörer reibt sich doch etwas verwundert die Ohren: Wo kommt denn Kyle plötzlich her?

|Die Übersetzung|

… könnte auch etwas besser sein. Mit Bedauern vernahm ich, dass englische „authorities“ nicht deutsche „Behörden“ sind, sondern nebulöse „Autoritäten“, was auch immer das sein mag. Die eins-zu-eins übernommenen Bezeichnungen für Agenten mit speziellen Fähigheiten finde ich ebenfalls überdenkenswert. Was hat man sich unter einem „Lokator“ vorzustellen? Nun, es ist ein simpler Aufspürer. Und ein „Deflektor“ ist ein Abwehrspezialist. Fremdsprache kann pompöses Brimborium sein und manchmal gibt es ausgezeichnet geeignete Entsprechungen. Nicht immer, aber immer wieder.

|Übrigens …|

Lustig ist auch immer wieder der ominöse „Möbius-Raum“ bzw. das „Möbius-Universum“, in das Harry Keogh in seiner Geistform vordringen kann, um sich von A nach B zu bewegen. Das Konzept, das der Autor schon frühzeitig eingeführt hat, beantwortet auf anschauliche Weise die Frage, wo die Geister hingehen, wenn man sie nicht zu Gesicht bekommt. Im Möbius-Universum scheint es wie auf einer Rennbahn zuzugehen, denn Harry entdeckt die Lebenslinien von lebenden und postmortalen Existenzen in diesem virtuellen Raum. Die Guten sind blau, die „bad guys“ wie die Vampyre sind, wie es sich beim Militär von jeher schickt, rot gezeichnet. Wie schön, dass es auch nach dem Ableben eine Moral gibt.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel liefert auch hier eine tolle Leistung ab. Sein modulationsreicher, dramatischer Vortrag hat mich ziemlich beeindruckt. Wer mit dem Geist zu sehen vermag, kann sich das Entsetzen der entsprechenden Szenen lebhaft und geradezu wie einen Film vorstellen. Einfach fabelhaft. Geradezu unheimlich ist mir die sehr tiefe, schleimig-böse Darstellung von Obervampyr Fetor Ferenczy im Gedächtnis. Gelungen finde ich auch, wie Riedel Frauen intoniert, allerdings hat er hier seine Taktik geändert. Statt eine Art Fistelstimme einzusetzen, lässt er Frauen wie Zakyntha ganz normal klingen, also mit seiner typischen männlichen Stimme, wenn auch wenig weicher. Die Wirkung ist wesentlich natürlicher als in den ersten Hörbüchern.

|Die Musik|

Geräusche gibt es keine, aber dafür eine Menge Musik. Diese ist nicht in den Hintergrund verbannt, sondern dient (außer als Intro und Extro) der Abgrenzung der einzelnen Kapitel wie auch deren Unterabschnitte. Diese Abschnitte sind aufgrund der nichtlinearen Erzählstruktur oftmals mit Rückblenden durchsetzt. Man kann ja auch die beiden Binnenhandlungen als sehr umfangreiche Rückblenden auffassen.

In meinen Notizen habe ich überall das Auftreten von Pausenmusik eingetragen, und dabei stellt sich ein deutliches Muster heraus. Sobald eine Szene ihren Höhepunkt erreicht hat, wird sie oftmals abgebrochen, damit sie sich in der Vorstellung des Lesers bzw. Hörers fortspinnen lässt. Sofort setzt Musik ein, die diesen Vorgang auf emotionaler Ebene steuert und stützt. Auf einer geistigen Ebene tritt hier allerdings eine kleine Verschnaufpause ein …

Man sollte auch bedenken, dass wir es diesmal mit einer stark gekürzten Fassung zu tun haben. Statt der vorherigen sechs CDs sind es diesmal nur noch vier. Abgebrochene Szenen sind zwar mitunter sehr wirkungsvoll, aber wer weiß, was dabei alles verschwiegen wird. Mir war es jedenfalls genug.

_Unterm Strich_

Der Ausdruck „Non-stop-Action“ wäre zu hoch gegriffen, denn zwischen vier dramatischen Höhepunkten sind immer wieder ruhigere Sequenzen eingeschoben, die den nächsten Höhepunkt vorbereiten. Aber endlich bringt der Autor eine Menge Handlungsfäden zu einem befriedigenden Abschluss, so dass sich diese Episode der Serie erheblich von ihren Vorgängern unterscheidet. Ich konnte sie in einem Durchgang ohne Pause anhören und fühlte mich lediglich im endlos hinausgezögerten Finale etwas gelangweilt.

Der Sprecher Lutz Riedel stellt wieder einmal seine Engagiertheit für die Horrorliteratur unter Beweis, ebenso wie die Flexibilität seines Sprechorgans und seiner Darstellungskraft. Dies trägt dem Hörbuch einen dicken Pluspunkt ein.

|313 Minuten auf 4 CDs|
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Simmons, Dan – Hard Freeze

Joe Kurtz ist ein entlassener Sträfling und ehemaliger Privatdetektiv, der versucht, ein ehrliches Leben zu führen. Das ist aber in einer Stadt wie Buffalo, New York State, gar nicht so einfach. Er gerät nicht nur zwischen die Fronten zweier verfeindeter Mafiafamilien, sondern kommt auch einem psychopathischen Serienkiller in die Quere, der momentan auf der „richtigen“ Seite des Gesetzes arbeitet.

|Der Autor|

Dan Simmons ist bekannt geworden mit dem Horror-Roman „Sommer der Nacht“, der auch für „A winter haunting“ den Hintergrund bildet. Noch erfolgreicher wurde er allerdings mit Science-Fiction-Romanen: „Hyperion“ und „Der Sturz von Hyperions“ (auch: „Das Ende von Hyperion“) sowie „Endymion – Pforten der Zeit“ und „Endymion – Die Auferstehung“ fanden ein großes Publikum. Diese Tradition setzte er im Herbst 2003 mit seinem Roman [„Ilium“ 346 fort, in dem griechische Götter eine wichtige Rolle spielen. (Die Fortsetzung trägt den Titel „Olympos“ und kommt Mitte 2005 auf den Markt.)

Außerdem ist Dan Simmons ein Verfasser exzellenter Kriminalthriller (z. B. „Darwin’s Blade/Das Schlangenhaupt“ bei Goldmann) und Kurzgeschichten (z. B. „Styx“ bei Heyne).

Mit [„Hardcase“ 789 hat er eine Krimireihe um den „gefallenen“ Privatdetektiv Joe Kurtz gestartet, die mit „Hard Freeze“ und „Hard as Nails“ fortgesetzt wird. Simmons lebt in Colorado, wuchs aber in Buffalo, dem Schauplatz der Kurtz-Romane, auf.

_Handlung_

Joe Kurtz, die Hauptfigur des Romans, ist ein harter Brocken. Er hat kein einfaches Leben als früherer Privatdetektiv und langjähriger Gefängnisinsasse, der sich nun mit einer Webfirma für Datenrecherche über Wasser halten will. Nun plagt ihn chronischer Geldmangel, und so nimmt er doch wieder ein paar Fälle an. Leider sitzt ihm die Polizei genauso im Nacken wie die Mafia. Im eisigen Winter auf Buffalos Straßen entkommt er den Kontraktkillern um Haaresbreite.

Doch wer hat den Kontrakt für ihn ausgeschrieben? Ist es Angelina Farino Ferrara, die aus Italien zurückgekehrte Mafiaerbin des in Attica einsitzenden Bosses Stephen „Little Skag“ Farino, den Kurtz bestens in schlechter Erinnerung hat? Oder ist es ihr Gegenspieler, der schmierige Drogenschieber Emilio Gonzaga mit dem miserablen Geschmack und dem noch übleren Mundgeruch, mit dem sie sich zum Schein arrangieren muss?

Als sei dies noch nicht genug Kummer, bekommt Kurtz auch noch Besuch von einem relativ betuchten, aber todkranken Schwarzen namens John Wellington Frears, der nach Jahren endlich den immer noch frei herumlaufenden Mörder seiner Tochter Crystal finden will. Da hat sich Kurtz auf was eingelassen: Der berechnende Mädchenserienkiller, ein Meister der Verkleidung, hat nun eine Rechnung mit Kurtz offen und alle Trümpfe in der Hand: James B. Hansen arbeitet im Augenblick unter falscher Identität auf der Seite der Gesetzeshüter, hat eine respektable Familie und ein respektables Haus in einem vornehmen Viertel. Sein finsteres Geheimnis bewahrt er in einer Titanschachtel in einem Safe seines stets abgesperrten Arbeitszimmers auf. Zumindest so lange, bis Joe Kurtz es dort aufspürt.

So oder so wird es für Joe Kurtz ein heißer Winter in Buffalo, der kältesten Stadt im Bundestaat New York, gleich neben den Niagara-Fällen. Der Showdown findet folgerichtig während eines Schneesturms am totesten und kältesten Ort der Stadt statt: in den verfallenen dunklen Gewölben des alten verfallenen Hauptbahnhofs.

_Mein Eindruck_

Manchmal erinnert der schweigsame und kaltblütige Joe Kurtz an Mike Hammer, den ebenso kaltblütigen und gewaltbereiten Serienhelden, den Stacy Keach kongenial verkörperte. Dann aber erweist sich, dass Kurtz keineswegs aus Stein besteht, der die Schurken gnadenlos zur Strecke bringt, sondern dass er auch ein Herz besitzt – er kann es nur nicht zeigen.

Kurtz hat eine Tochter namens Rachel, die er wegen seiner 12-jährigen Haft nie kennen lernen durfte. Samantha, ihre Mutter, war Kurtz‘ Geliebte und berufliche Partnerin. Emilio Gonzaga hat sie auf dem Gewissen. Kurtz‘ Feldzug gegen Gonzaga entspringt also seinem Wunsch nach Vergeltung. Rachel hat inzwischen einen Pflegevater namens Donald Rafferty, doch der stellt sich als saufender und hurender Taugenichts heraus. Als er auch Rachel an die Wäsche will, läuft sie davon. Kurtz hat Abhörgeräte in Raffertys Haus angebracht, doch die neueste Entwicklung überrascht auch ihn. Plötzlich sind seine Qualitäten als Vater gefragt. Und wie sich zeigt, ist dies für Donnie Rafferty äußerst ungesund.

Auch gegenüber Frauen zeigt sich Kurtz souverän. Während er mit seiner Berufspartnerin Arlene DiMarco hervorragend auskommt, ohne zu persönlich zu werden, handhabt er die Mafiaerbin Angelina Farino Ferrara, wie es sich gebührt: eiskalt, vorsichtig und geschäftsmäßig. Für jeden muss etwas dabei herausspringen, wenn man etwas erreichen will. Ferrara will Gonzaga ebenso aus dem Weg haben wie ihren „kleinen Bruder“ Little Skag, der vom Bundesgefängnis in Attica weiterhin die Familiengeschäfte leitet. Als Angelina merkt, dass Kurtz imstande sein könnte, es mit den beiden aufzunehmen, will sie ihn benutzen. Dummerweise hat er eine Tonbandaufnahme von ihr, auf der sie gesteht, ihr Baby, das sie von Emilio Gonzaga gegen ihren Willen bekommen hatte, getötet zu haben …

In einer Welt der Psychopathen, Bodyguards, eiskalten Drogenschieber und Kindermörder nimmt sich ein Killer wie Joe Kurtz dennoch recht normal aus. Für einen Killer ist er sogar außerordentlich belesen und gebildet. In Attica hatte er zwölf Jahre Zeit fürs Lesen. Er liebt Shakespeare, und der Showdown im Hauptbahnhof gemahnt ihn an den Schlussakt von Shakespeares „Titus Andronicus“: eine wahre Schlachtplatte (inzwischen verfilmt mit Sir Anthony Hopkins).

Ungewöhnlich für einen Hardboiled-Thriller: Kurtz‘ geistiger Mentor, ein Ex-Professor in Princeton, wartet mit einer Theorie der moralischen Entwicklung auf. Wie Jean Piaget bewiesen hat, dass sich jeder Mensch in einer geistigen und sozialen Entwicklung befindet und es verschiedene Entwicklungsphasen gibt, so postuliert der Ex-Professor sieben Entwicklungsstufen des moralischen Empfindens und Bewusstseins. Ein Kinderschänder und Mahatma Gandhi mögen zwar beide der Spezies Mensch angehören, stehen aber wohl kaum auf der gleichen sittlichen Stufe. Kurtz‘ Beitrag zu dieser Theorie: Es gibt eine Nullstufe, und er kenne einige Vertreter dieser Stufe persönlich. Der Ex-Prof muss ihm widerwillig zustimmen. Ein solcher Vertreter hat gerade kalblütig seinen Doppelgänger erschossen. Man nennt diese Leute gemeinhin „Monster“.

Buffalo eignet sich nicht von ungefähr hervorragend für die Serie der Kurtz-Thriller. Die Stadt liegt an den Niagara-Fällen, einem mächtigen Symbol. Außerdem ist die kanadische Grenze gleich um die Ecke, was Buffalo für Drogen- und andere Schmuggler sehr interessant macht. Zu guter Letzt sind hier nicht nur die Winter besonders hart und lang, sondern es gibt am Lake Erie ein spezielles Wetterphänomen: einen extrem starken Schneesturm, der von Westen über die Weite des Sees heranbraust, bis er die Stadt mit ungeheurer Wucht trifft. Keine Frage, dass dies genau dann eintritt, als der Showdown des Buches stattfindet. Daher auch der Titel.

_Unterm Strich_

„Hard Freeze“ ist als zweiter Band der Kurtz-Serie vielleicht nicht so gewalttätig wie der erste, auf dessen Ereignisse ständig verwiesen wird. Aber „Hard Freeze“ entwickelt eine unaufhaltsam wirkende Wucht, die wie der sich zusammenbrauende Sturm irgendwann zum Ausbruch kommen muss.

Wie in jedem Hardboiled-Thriller seit Dashiel Hammett und Mickey Spillane („Mike Hammer“) wird auch hier nicht lange philosophiert und gequasselt, sondern gehandelt. Wo gehobelt wird, fallen Späne, und wo wie hier grob gehobelt wird, fallen die Späne reihenweise.

Dies bedeutet nicht, dass Gewalt Selbstzweck ist. Im Gegenteil. Jeder der Schurken wird nicht nur in seinem Handeln, Reden und Denken dargestellt, sondern auch anhand der Konsequenzen seines Tuns. James B. Hansen, den wir wie keine andere Figur im Buch kennen lernen, ist beispielsweise ein vorbildliches Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft und Polizei, doch die Tatsache, dass er bereits über zwei Dutzend zwölfjährige Mädchen vergewaltigt und brutal umgebracht hat, macht ihn zum Monster.

Sobald eine seiner vielen Identitäten ausgedient hat, bringt er seine Gastfamilie um und hinterlässt die Leiche eines Unschuldigen im brennenden Haus, so dass man Hansen für tot hält. Eine Spur der Vernichtung kennzeichnet seinen Lebensweg. Kurtz‘ Tochter könnte sein nächstes Opfer sein.

Dan Simmons ist ein erprobter und gewiefter Autor. Er kennt alle Tricks des Erzählens, und so ist auch „Hard Freeze“ gespickt mit Überraschungen, die die Spannung gehörig anheizen. Dass Simmons sich nach Themen aus dem Bereich des Futuristischen, Mystischen und Übernatürlichen nun dem Krimi zugewandt hat, tut dem Genre gut und nützt dem Leser. Das war schon in dem genialen „Schlangenhaupt“ festzustellen, das hoffentlich bald verfilmt wird.

Zwar gehorchen im Vergleich dazu die Kurtz-Romane allen Vermarktungsregeln des Genres, doch hier und da blitzen typisch Simmons’sche Elemente auf, wie etwa philosophische Killer, diebische Mafiaprinzessinnen und als Penner lebende Princeton-Professoren.

Der ironische Humor ist extrem trocken und unterkühlt. Das dürfte so manchem Leser gar nicht auffallen, und wenn doch, muss es ihm nicht mal gefallen. Aber wie die Klingonen zu sagen pflegen: „Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert.“

|Verlagsseite: http://www.minotaurbooks.com
Homepage des Autors: http://www.dansimmons.com |

George R. R. Martin – In der Haut des Wolfes. Kurzroman

Das geschieht:

Randi Wade besitzt in der Großstadt Chicago ein genretypisch schlechtgehendes Detektivbüro. Die Tochter eines hoch gerühmten Polizisten wurde aus dem Gleis geworfen, als ihr Vater vor Jahren bei einem Einsatz auf mysteriöse Weise ums Leben kam: Obwohl er seinen Angreifer mit sechs Revolverkugeln getroffen hatte, wurde Wade senior in Stücke gerissen sowie zum Teil aufgefressen – ein Fall, der nie gelöst wurde.

Willie Flambeaux könnte seine beste Freundin zwar aufklären, hat darauf aber mit gutem Grund bisher verzichtet: Während der schwächliche, von Asthma geplagte Mann tagsüber ein Inkasso-Unternehmen führt, streift er seine Haut in manchen Nächten buchstäblich ab und verwandelt sich in einen Werwolf. Diese Kreaturen der Nacht sind schon lange Teil der Gesellschaft. Sie haben sich ihr angepasst und verzichten auf die Menschenjagd, um den inzwischen eingekehrten Frieden nicht zu gefährden. Dabei kontrollieren sich die Mitglieder jedes „Rudels“ gegenseitig. In Chicago ist Jonathan Harmon, Spross einer uralten, steinreichen und mächtigen Familie, der Anführer. George R. R. Martin – In der Haut des Wolfes. Kurzroman weiterlesen

Simmons, Dan – Welten und Zeit genug

Diese Storysammlung des bekannten Krimi- und Science-Fiction-Autors Dan Simmons umfasst fünf längere Erzählungen. Zwei davon sind von einschlägigen Science-Fiction-Gremien oder Publikationen mit angesehenen Preisen ausgezeichnet worden.

Nach einem tief schürfenden Vorwort folgt vor jeder Novelle jeweils eine Einleitung, in der der Autor auf ihre besonderen Entstehungsumstände eingeht. Das ist manchmal sehr komisch zu lesen, so etwa dann, als „Helix“ für eine Star-Trek-Voyager-Folge vorgesehen war und der Producer am Schluss von Simmons‘ ideensprühender Brainstorming-Sitzung fragte: „Und was, bitte schön, ist ein Doppelsternsystem?“ Just like Hollywood, man!

|Der Autor|

Dan Simmons ist bekannt geworden mit dem Horror-Roman „Sommer der Nacht“, der auch für „A winter haunting“ den Hintergrund bildet. Noch erfolgreicher wurde er allerdings mit Science-Fiction-Romanen: „Hyperion“ und “ Der Sturz von Hyperion“ (auch: „Das Ende von Hyperion“) sowie „Endymion – Pforten der Zeit“ und „Endymion – Die Auferstehung“ fanden ein großes Publikum. Diese Tradition setzte er im Herbst 2003 mit seinem Roman [„Ilium“ 346 fort, in dem griechische Götter eine wichtige Rolle spielen. (Die Fortsetzung trägt den Titel „Olympos“ und kommt Mitte 2005 auf den Markt.)

Außerdem ist Dan Simmons ein Verfasser exzellenter Kriminalthriller (z. B. „Darwin’s Blade/Schlangenhaupt“) und Kurzgeschichten (z.B. „Styx“ bei Heyne). Mit [„Hardcase“ 789 hat er eine Krimireihe um den „gefallenen“ Privatdetektiv Joe Kurtz gestartet, die mit „Hard Freeze“ und „Hard as Nails“ fortgesetzt wurde. Simmons wuchs selbst in Buffalo, dem Schauplatz der drei Kurtz-Romane, auf, bevor er 1974 nach Boulder in Colorado umzog.

_Die Erzählungen_

_1. Auf der Suche nach Kelly Dahl_

Gibt es eine Kelly Dahl wirklich? Diese Frage stellen sich alle Leser, die diese Geschichte kennen.

Roland Jakes ist um die 50 Jahre alt und hat sich dem Teufel Alkohol ergeben. Seitdem man ihn kurz vor der Pensionsberechtigung von seiner Schule, wo er Dutzende von Jahren Kinder unterrichtet hat, geworfen hat, ist ihm nichts mehr gelungen. Er hat Frau und Tochter verloren – ein gebrochener Mann. Also fährt er seinen Jeep in die nahen Berge von Colorado und in die Gegend, wo früher nach Gold und anderen Erzen geschürft wurde. Zielstrebig steuert er den Jeep in den Schacht einer aufgelassenen Mine. Es geht steil abwärts …

Er erwacht im Wald, in der Nähe steht Kelly Dahl, eine frühere Schülerin. Mit ihrem Irokesenschnitt sieht sie wie die Rebellin aus, die sie schon immer war. Sie fordert ihn zu einer Jagd auf Leben und Tod heraus. Sie führt einen modernen Bogen mit sich und feuert einen Pfeil auf ihn. Jakes ist ziemlich überrumpelt. Zu blöd, dass er sein Remington-Gewehr nicht dabei hat. Allmählich fallen ihm die Lehren ein, die ihn die Wildnis von Colorado gelehrt hat.

Auf seiner Jagd nach Kelly Dahl, einem recht flüchtigen Wild, das ihn immer wieder kalt erwischt und verwundet, durchstreift er eine menschenleere Welt. Als er in seine Stadt zurückwill, tut sich dort ein Graben auf, den er nicht überwinden kann. Offensichtlich zwingt ihn Kelly Dahl dazu, sich ihr zu stellen.

Merkwürdig: Die Prärie ist von einem Urmeer bedeckt, aus dem sich wie eine Vision der Mont Saint Michel erhebt. Als er Kelly dort sieht, ist auch sie wie eine Vision. Und als er sie endlich zur Strecke bringt, verläuft die Begegnung ganz anders als erwartet.

|Mein Eindruck|

„Dies ist eine Geschichte über Liebe, Verlust, Betrug, Besessenheit und die Ängste im mittleren Lebensabschnitt“, schreibt der Autor. „Eine ganz normale romantische Komödie“? Das fand ich hingegen nicht. Das mag für die ersten zwei Drittel zutreffen, doch je mehr wir Jakes kennen lernen, desto deutlicher wird die Tragödie, die ihn getroffen und nun in eine Fantasie um ein Mädchen getrieben hat, das es offenbar nie gab, jedenfalls nicht an seiner Schule. Aber das es vielleicht gegeben haben müsste, wäre seine Tochter groß geworden. Doch die Geschichte, so anrührend und mitunter bitter sie auch sein mag, geht gut aus.

_2. Die verlorenen Kinder der Helix (preisgekrönt)_

Diese Novelle spielt im Universum, das Simmons in seinem vierteiligen Roman „Hyperion“, „Der Sturz von Hyperion“, [„Endymion: Pforten der Zeit“ 651 und „Endymion: Die Auferstehung“ (1989-1997) entworfen hat*. 684.300 Menschen befinden sich im Tiefkühlschlaf an Bord des Raumschiffes „Spectrum Helix“, als es von seinen fünf KIs aus dem Hyper- in den Realraum gesteuert wird. Es ist in einem Doppelsternsystem angekommen, und neun Menschen werden geweckt, um das weitere Vorgehen zu beschließen.

Der Grund für das Aufwecken, so erklärt eine der KIs, besteht in einem Notsignal, das aus dem System kommt. Die dortige Ouster-Zivilisation, die in einem Orbitalwald – die Idee stammt von Larry Niven – angesiedelt ist, besteht aus etwa einer Milliarde leuchtender Schmetterlinge, die jeder eine Flügelspannweite von mehreren hundert Kilometern haben. Sie sehen sich durch ein tausend Kilometer langes, nachtschwarzes Raumschiff bedroht, das ebenfalls ihr System ansteuert, aber eher wie eine „Mähmaschine aus der Hölle“ aussieht und nichts Gutes verheißt.

Der Umstand, dass es sich um Ousters handelt, die 1500 Jahre zuvor aus den erdnahen Systemen ausgewandert waren, veranlasst den Waffenoffizier, Abwehrmaßnahmen vorzuschlagen. Die Chefin Dem Lia will davon noch nichts wissen. Sie gibt den Ousters einen Friedens-Bonus. Sie hat Recht: Die drei Abgesandten der „Schmetterlinge“ wollen lediglich Hilfe gegen den „Zerstörer“, der alle 57 Jahre von der anderen Sonne des Systems kommt und ihren Wald aberntet, wobei er zahlreiche Leben und Ressourcen vernichtet.

Dem Lia ist bereit zur Hilfe, zumal der „Zerstörer“ nur ein dummes Werkzeug zu sein scheint. Doch wie kann sie sicher sein, dass sie durch dessen Beseitigung nicht die Zivilisation, die das Ding regelmäßig ausschickt, zum Untergang verurteilt? Um dies herauszufinden, muss sie die „Helix“ und deren kostbare Fracht aufs Spiel setzen.

|Mein Eindruck|

Die Story funktioniert auf zwei Ebenen. Das ist einmal der stinknormale Star-Trek-Plot, in dem Kultur A die Besucher bittet, ihnen gegen eine Bedrohung beizustehen, die Kultur B geschickt hat – falls es diese gibt. Die Besucher, die „Helix“, muss gemäß ihren Maximen handeln und alle Faktoren abwägen. Schon tausendmal gesehen. Funktioniert immer als spannender Aufhänger.

Die zweite Ebene ist originärer Simmons. Und um sie zu erklären, müsste ich jetzt eigentlich die Handlung der zwei „Endymion“-Romane zusammenfassen. Kein Platz, aber muss es auch ohne gehen. Wie sich herausstellt, befindet sich auf der „Helix“ eine Verwandte jener Religionsgründerin der „Aeneaner“, die über Empathie und spezielle, „heilige“ DNS verfügt. Dass die KIs das nicht wussten, ist offenbar auf Datenmanipulation zurückzuführen.

Jedenfalls sind die Ousters und befreundeten „Tempelritter“ völlig aus dem Häuschen ob der Vision, mit Hilfe aeneanischer DNS künftig über Empathie und Freecasting-Fähigkeit zu verfügen. Freecasting wurde bei Alfred Bester noch „Jaunten“ genannt: Teleportation aus eigenem Willen und ohne Hilfsmittel – ziemlich cool. Doch was würde dann aus den Ousters und ihrer Welt? Würden die meisten so Aufgerüsteten nicht zur Alten Erde und Hyperion wollen?

Man sieht schon: Diese Story macht erst Spaß, wenn man die vier Hyperion/Endymion-Bücher gelesen hat. Bei wem das nicht der Fall ist, der guckt etwas in die Röhre und kann nur die Star-Trek-Ebene genießen. Was bei einer Simmons-Erzählung doch etwas mager ist.

_3. Der neunte Av_

Im Jahr 3001 ist die Bevölkerung der Menschen auf gerade mal 9000 geschrumpft. Doch nicht nur Kriege, die Rubikon-Epidemie und der Treibhauseffekt, durch den Küsten und Tiefländer versanken, haben ihre Zahl dezimiert. 600 bis 700 Millionen leben inzwischen in zwei Ringen von Orbitalstädten in einer Kreisbahn um die Erde. Dorthin führt aber kein anderer Weg als das Quantenfax, mit dessen Hilfe die Altmenschen in eine Kopie umgewandelt und als Nachmenschen zu den Endstationen „gefaxt“ werden. Diese Technik stammt von den so genannten Voynixen, über die die letzten Altmenschen nicht besonders viel wissen. Die Voynixe haben ihnen mitgeteilt, dass am neunten Av, einem vergessenen jüdischen Fest- oder Gedenktag, das letzte Fax abgeht.

Pinchas und Petra feiern wie alle anderen Abschied von der Erde, bevor sie sich beim Jerusalemer Tempelberg einfinden sollen. Doch sie vermissen ihre Freundin Savi. Die Historikerin hat sich in der abschmelzenden Antarktis auf die Spuren der unglücklichen Scott-Epedition von 1912 begeben und findet in einem Eisberg deren letztes Zelt. Als alle ihre Geräte ausfallen, ist sie von der Außenwelt abgeschnitten. Sie hat ihren Freunden auf einem antiken Pergament eine verschlüsselte Botschaft hinterlassen, die sich leider als Prophezeiung erweist: Pinchas und Petra erleben am neunten Av eine böse Überraschung.

|Mein Eindruck|

Diese Erzählung ist erstens spannend erzählt und zweitens macht sie wirklich betroffen. Die ganze Zeit fallen Andeutungen, wie etwa in Savis Botschaft, welcher Art die Nachmenschen wirklich sind: steril, ausschließlich Frauen und alles Araber. Ob das wohl wahr sein kann? Moira, die Hohepriesterin des Faxgeräts, verrät natürlich nichts auf Pinchas‘ und Petras Fragen. Vielleicht lügt sie auch. Vielleicht sind die Voynixe alles Aliens, und sie steht in einem Dienstverhältnis zu ihnen. Aber eigentlich sollte es Pinchas und Petra warnen, dass alle Altmenschen Juden sind und das Faxgerät ausgerechnet auf dem Tempelberg steht … Es die Pointe, die wirklich betroffen macht, und die darf ich nicht verraten. Deshalb warne ich auch eindringlich davor, zuerst Simmons‘ Einleitung zu lesen, denn darin verrät er die Pointe.

Was hat nun Savi mit all dem zu tun?, fragte ich mich beim Lesen. Während ihre Freunde und die letzten Überlebenden der Menschheit feiern, ist sie in einem schwimmenden Eisberg gestrandet. Sie wird der Umarmung des Eises nicht entkommen, sondern sich in das Zelt zu den erfrorenen Körpern von Wilson, Scott und Bowers legen … Ihr Körper wird das einzige Original eines Menschenkörpers sein, der auf der Erde zurückbleibt. Doch was geschieht mit den Originalkörpern der anderen 8999 Juden? (Anm. d. Ed.: Diese Geschichte nimmt starken Bezug auf die Handlung in „Ilium“ und kann besonders gut nach der Lektüre dieses Romans als Intermezzo bis zum Nachfolger „Olympos“ genossen werden.)

Etwas ungereimt fand ich Folgendes: Die Wolkenkratzer von New York ist schon fast im Ozean versunken, aber Partys auf den Atollen des australischen Barriereriffs sind immer noch möglich. Sind in Amerika auch die Wellen größer als anderswo?

_4. Mit Kanakaredes auf dem K2 (preisgekrönt)_

Gary, Paul und Jake (unser Erzähler) sind drei gestandene amerikanische Bergkraxler. Als Krönung ihres Lebenswerkes haben sie sich den K2 als Ziel vorgenommen, den zweithöchsten Berg der Erde (über 8600 m hoch). Er erhebt sich nicht im Himalaja, sondern im Karakorum-Gebirge. Für die Akklimatisierung an die extreme Höhe (ab 8000 m beginnt die Todeszone) haben sie sich dummerweise den Südsattel des Mount Everest auserkoren, und das hätten sie besser bleiben lassen sollen.

Denn das gibt mächtigen Ärger mit der Vertreterin der Vereinten Nationen, die den Berg als Weltkulturerbe schützen. Ein Witz, schreit Gary, der Wortführer. Recht hat er, denn auf dem Gipfel dreht sich ein Aussichtsrestaurant. Doch die amerikanische Außenministerin (wie kam das wieder zustande?!) kennt kein Erbarmen: Sie kriegen keine US-Ausreisegenehmigungen mehr, wenn sie nicht kooperieren. Und wie?

Sie besteigen den K2 und nehmen dabei den Sohn des Sprechers der Mantispa-Aliens mit. Der Name des jungen Aliens ist Kanakaredes. Wenn sie es schaffen, dürfen sie zur Belohnung als Erste den Olympus Mons auf dem Mars besteigen. Wenn sie es vermasseln – na ja, dann haben sie ausgesorgt, denn in diesem Fall liegen sie mausetot am Fuß des K2. Ach ja, eine Kleinigkeit: Bitte verhört doch den Alien ein bisschen, ja? Na, klasse! Trotzdem sagt Jake als Erster ja.

Kanakaredes zeigt sich entgegen aller Vorurteile als fähiger, starker und umsichtiger Bergsteiger. Er hat nur einen Fehler: Er will die drei Menschen bekehren. Sie sollen dem Lied ihrer Welt lauschen. Na, toll! Wovon redet die Wanze überhaupt?

|Mein Eindruck|

Simmons hat diese actionreiche Story in nur zwei Wochen geschrieben, wie er in seiner Einleitung schreibt. Und dennoch liest sie sich wie ein spannend erzählter Bergthriller, als ob er selbst schon dort oben in der Todeszone gewesen wäre. Er hat gut recherchiert, das kann ich als Leser diverser Everest- und K2-Bücher bestätigen. Hier wird nichts beschönigt und heroisiert. Die Todeszone, nein, der ganze Berg ist ganz einfach tödlich, basta.

Wodurch die Story herausragt, ist natürlich die Verlegung in die Zukunft: Mit den Aliens kamen diverse technische Neuerungen wie etwa Antigrav-Schweber, aber auch politische Umwälzungen wie etwa der Zerfall Chinas. Doch die ganze (Tor)Tour hat auch ihr Gutes: Die Aliens schenken der ganzen Menschheit etwas Wunderbares: eben das Lied der Welt. Aber das muss man selber lesen. Denn erklären lässt es sich nicht.

_5. Das Ende der Schwerkraft_

Diese Erzählung beruht auf dem Drehbuch für einen Film des russischen Regisseurs Andrei Ujica. Der wollte einen philosophischen Film à la „Solaris“ oder „2001“ an Bord der Internationalen Weltraumstation ISS spielen lassen. Ob aus dem Projekt noch etwas wurde, sagt Simmons nicht. Seine Einleitung schweift in ganz andere Richtungen ab. Immerhin findet er die Filmfassung von „Der englische Patient“ besser als den Roman von Michael Ondaatje. –

Der rund 50-jährige amerikanische Journalist und Romancier Norman Roth ist von der „New York Times“ nach Moskau geschickt worden, um über die Überreste des russischen Raumfahrtprogramms einen größeren Beitrag zu schreiben. Einem Pulitzerpreisträger kann man so eine Story schon mal anvertrauen. Roth macht sich Sorgen, dass die Russen etwas gegen einen jüdischen Atheisten aus dem kapitalistischen Westen einzuwenden hätten.

Haben sie nicht. Im Gegenteil: Sie erhoffen sich Werbung für ihre Beteiligung an der ISS. Und außerdem bieten sie als bislang Einzige Raumflüge für Privatpersonen an (für ca. 20 Mio. Dollar das Ticket). Da kann man jedes bisschen Werbung gut gebrauchen. Von seiner Reiseführerin und Dolmetscherin Vasilisa lässt sich Norman gern nach Baikonur fliegen, dem mittlerweile ziemlich desolat aussehenden Weltraumbahnhof in der kasachischen Steppe.

Um die menschlichen Hintergründe zu kapieren, erbittet Norman ein Gespräch mit einem Philosophen. Dieser findet sich um kaum beheizten Keller eines Bunkers unter einer verlassenen Startrampe. „Nitschewo“ (= Nichts) war schon 1960 beim Raumfahrtprogramm dabei. Als Busfahrer erlebte er die gigantische Explosion der ersten Marsrakete, bei der die komplette Führungsebene der Kosmonautik zu Asche vebrannte. Er vermittelt Norman ein paar wirkliche Einsichten, die dieser aber einfach nicht glauben will. Vasilisa beginnt sich über den Gesundheitszustand ihres Gastes Sorgen zu machen: Norman hat einen Bypass.

Damit dies geschehen kann, besucht Norman die Silvesterparty eines gefeierten, echten Kosmonauten. „Der Start ist wie eine Geburt“, meint dessen Kollege. Nein, es ist wie Sex, meint der zweite. Nein, es ist wie Sterben, meint der Gastgeber. Als Norman in den Schnee hinausgeht, um einen alten Mann, der durch die Kälte stolpert, hereinzubitten, erleidet er einen Zusammenbruch – der ihm eine transzendentale Erfahrung schenkt.

|Mein Eindruck|

Neben „Kelly Dahl“ und „Kanakaredes“ ist dies die schönste Geschichte des Bandes. Ihr Schauplatz ist nicht im Weltraum, wie der Titel vielleicht nahe legt, sondern stets auf Mutter Erde. Denn es geht nicht um die physische Erfahrung des Weltraumflugs, sondern um die psychologische Erfahrung und die philosophische Bedeutung der Weltraumfahrt für den Menschen an sich. Ähnlich wie in Lems und Tarkovskijs „Solaris“.

Ganz nebenbei erfährt der Leser, dass die Russen gar nicht so atheistisch sind, wie sie manchmal tun, sondern im Gegenteil eher abergläubisch, pardon: spirituell veranlagt sind, wie Norman herausfindet. Der Oberheilige des Raumfahrtprogramms hat sogar seinen eigenen Schrein, in dessen Logbuch sich alle Kosmonauten vor dem Start eintragen: Juri Gagarin.

Warum diese Reise auch für die amerikanischen Leser Dan Simmons‘ von Interesse sein könnte, liegt eigentlich auf der Hand. Das US-Raumfahrtprogramm muss ja ebenfalls seine riesige Ausgaben, die vom Geld der Steuerzahler bestritten werden, rechtfertigen. Warum nicht mit einer philosophischen Mission, die für die ganze Menschheit relevant ist?

Und vielleicht geht Simmons nicht zu weit, wenn er an Norman aufzeigt, dass die Hoffnung, die dieser Mann bereits aufgegeben hat, sich in den Dimensionen des Weltraums erfüllt, die für das nackte Auge zwar nicht sichtbar sind, aber durchaus Wunder bereithalten: Röntgenstrahlen, Sonnenwinde, Magnetfelder, Gravitationswellen, Chaosstrukturen. Hier sei doch noch etwas zu lernen, das für uns alle und für jeden Einzelnen wichtig ist. (Die Warteliste für die privaten Shuttleflüge von Virgin wird länger, mit gutem Grund.)

_Unterm Strich_

Jedem Leser werden die fünf Erzählungen unterschiedlich zusagen. So werden Fans von „Hyperion“ und „Endymion“ von „Helix“ begeistert sein. Ich hingegen fand den Plot simpel à la Star Trek und die zweite Ebene nichts sagend und verwirrend, weil ich eben nur die „Hyperion“-Romane kenne. „Der neunte Av“ ist eine erschreckende Warnung vor einem ewig gültigen Problem, ist aber nicht besonders kohärent erzählt, wenn man „Ilium“ nicht kennt. (Und, ja, ich weigere mich weiterhin, die Pointe zu verraten.)

Daher fand ich die Novellen „Kelly Dahl“, „Das Ende der Schwerkraft“ und „Kanakaredes“ am zugänglichsten und überzeugendsten. Nicht, weil hier simpel gestrickte Plots umgesetzt würden. Das ist wohl noch am ehesten bei „Kanakaredes“ der Fall (den Berg K2 rauf und runter, fertig). Nein, es ist vielmehr eine spirituelle Botschaft der Hoffnung, die Simmons darin versteckt hat. In „Kelly Dahl“ und „Schwerkraft“ erzählen fünfzigjährige Männer, die in der Krise stecken, von ihrer spirituellen Erlösung. Nicht mehr und nicht weniger. Und in „Kanakaredes“ bringen die Aliens die Erlösung, nicht nur für einen Menschen, den Erzähler, sondern für die gesamte Menschheit. „One World“ ist kein Slogan mehr, sondern Realität.

In „Helix“ ist dieser wichtige Schritt bereits Vergangenheit, nämlich in den „Endymion“-Romane erzählt. Daher ist die Story weitaus weniger befriedigend. Und „Der neunte Av“ ist im Grunde eine Horror-Story und funktioniert auch als solche.

In jedem Fall ist diese Kollektion äußerst lesenswert und lohnt jede Seite.

Mehr Infos unter: http://www.Festa-Verlag.de.

|Originaltitel: Worlds Enough & Time: Five Tales of Speculative Fiction, 2002
Aus dem US-Englischen übersetzt von Jürgen Langowski.|

*: Eine Zusammenfassung der Handlung aller vier Bände von Hyperion 1 bis Endymion 2 findet der Leser in der englischsprachigen Ausgabe von „Helix“ in der Anthologie „Far Horizons“, die Robert Silverberg 1999 herausgab. Die Anthologie gehört in das Regal jedes ernsthaften Science-Fiction-Sammlers. In ihr sind neuere Erzählungen wichtiger Science-Fiction-Autoren versammelt.

Ich könnte die Zusammenfassung übersetzen, aber nur auf begründeten, dringlichen Wunsch hin. Es sind immerhin vier Druckseiten!

Festa, Frank [Hg.] – Kannibalen – Menschenfleisch, sittlich und moralisch tabu

WARNUNG: Dieses Buch widmet sich der kulinarischen Lust am Fleische, und zwar einer sehr speziellen Variante solcher Wonne: Menschenfleisch. Sittlich und moralisch ist das Thema ein Tabu und nicht für zartbesaitete Gemüter geeignet. Dies ist die erste Anthologie dieser Art weltweit. Falls Sie zugreifen, dann tun sie es auf Ihre eigene Verantwortung! 13 Leckerbissen von H. P. Lovecraft, E. T. A. Hoffmann, Greg F. Gifune, Tim Curran, Edgar Allan Poe, Robert Bloch, David Case, Graham Masterton, Harlan Ellison, Anthony Boucher u. a. (Verlagsinfo)
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Robert J. Sawyer – Die Neanderthal-Parallaxe (Neanderthal 1)

Parallelwelt-SF: Besuch vom haarigen Vetter

Neutrinos sind nahezu unendlich kleine atomare Teilchen, die alles durchdringen und sich daher extrem schwer nachweisen lassen. Um sie überhaupt feststellen zu können, muss die superempfindliche Messvorrichtung selbst vor allen möglichen Störfaktoren wie etwa elektromagnetischer Strahlung abgeschirmt werden. Deshalb liegt das Neutrino-Observatorium im kanadischen Sudbury unter zwei Kilometern solidem Fels. Der Zugang zum Neutrino-Detektor, einem Tank mit schwerem Wasser (Deuterium) ist natürlich ebenfalls streng reglementiert.

Deshalb staunt die Wissenschaftlerin Louise Benoit nicht schlecht, als sie eines Tages einen ausgewachsenen Mann in eben diesem Tank vorfindet. Wie um Himmels willen ist er da hineingeraten? Nicht ganz freiwillig, wie sich herausstellt. Liegt ein Verbrechen vor?

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Ramsey Campbell – Die Offenbarungen des Glaaki

Inhalt:

Der britische Schriftsteller Ramsey Campbell begann seine Karriere mit ‚Nachschöpfungen‘ der Cthulhu-Storys seines Lieblingsautoren H. P. Lovecraft (1890-1937): erster von zwei Sammelbänden mit Kurzgeschichten, die alle Freunde des klassischen Horrors begrüßen dürf(t)en.

Lovecraft: Eine Einführung (Lovecraft: An Introduction; 1990), S. 9-17:

Die Kammer im Schloss (The Room in the Castle; 1964), S. 19-44: Die Fahndung nach dem Vermächtnis eines Hexenmeisters endet erfolgreicher, als es dem Sucher lieb sein kann.

Das Grauen von der Brücke (The Horror from the Bridge; 1964), S. 45-80: Ein Schwarzkünstler überschätzt seine Fähigkeiten und beschwört eine Kreatur herauf, die noch viele Jahre später nach Opfern sucht.

Der die Schleier zerreißt (The Render of the Veils; 1964), S. 81-96: Privatforscher Fisher entdeckt nicht nur, wie man hinter die Kulissen der nur gefiltert wahrgenommenen Realität blicken kann, sondern auch, weshalb man dies tunlichst unterlassen sollte.

Die Insekten aus Shaggai (The Insects from Shaggai; 1964), S. 97-132: Raumschiffbrüchige Fremdwesen üben in einem verrufenen Waldstück ihr Schreckensregiment aus.

Der Bewohner des Sees (The Inhabitant of the Lake; 1964), S. 133-182: Was unter der Wasseroberfläche haust, schickt nachts seine Schergen aus, um eines neugierigen Besuchers habhaft zu werden.

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Vince Flynn – Der Feind (Mitch Rapp Thriller 08)

Auge in Auge mit dem Feind

Jahrelang hat CIA-Agent Mitch Rapp sein Land gegen die Terroristen verteidigt und sich damit nicht nur Freunde gemacht. Doch als in Saudi-Arabien jemand einen Preis auf seinen Kopf aussetzt und seine Frau einem Attentat zum Opfer fällt, eskaliert die Lage. Zwischen Wut und tiefster Verzweiflung schwankend, macht sich Rapp schließlich auf, die Schuldigen zu finden. Die Spur führt nach Europa … (Verlagsinfo)

In den Zeiten des globalen Terrorismus verfolgen die Geheimdienste der Länder ihre ganze eigenen Interessen und operieren umso mehr in einer Grauzone der Gesetzgebung. Die Männer und Frauen der Geheimdienste leisten oftmals gefährliche Arbeit und tragen ein enormes Risiko für Leib und Leben, aber auch ihre nächsten Angehörigen, ihre Freunde, Bekannten und Verwandten und nicht zuletzt die Ehepartner und Kinder sind gefährdet, sollte jemals irgendeine feindliche Fraktion die eigentliche Identität aufdeckt.

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Montague Rhodes James – Dreizehn Geistergeschichten

Der vielleicht beste Verfasser englischer Geistergeschichten, M.R. James, legt 13 meisterhafte Erzählungen vor: Notorisch bösartige Spukgestalten attackieren allzu neugierige Zeitgenossen; was zunächst in trügerisch leichtem Ton präsentiert wird, entwickelt sich mit großartigem Gespür für Stimmung und Atmosphäre zum spannenden und schauerlichen Höhepunkt: ein Fest für die Freunde des gepflegten klassischen Grusels!

Inhalt

Der Kupferstich| („The Mezzotint“, 1904), S. 7-18: Ein altes Bild wird zum Fenster in die Vergangenheit und lüftet ein düsteres Rätsel um Tod und Rache …

|Nummer 13| („Number 13“, 1904), S. 19-34: Zwischen zwei Hotelzimmer schiebt sich um Mitternacht ein dritter Raum, und er steht keineswegs leer, wie ein unvorsichtiger Gast erfährt …

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Orson Scott Card – Enders Schatten (Shadow 1)

„Enders Schatten“ ist die parallel geführte Geschichte zu „Ender: Das große Spiel“, das demnächst von Wolfgang Petersen verfilmt wird (siehe Imdb.com). Der vierjährige Junge Bean ist mit außergewöhnlicher Intelligenz ausgestattet und kann dadurch auf den gefährlichen Straßen überleben. Eine Ordenschwester macht das Militär auf ihn aufmerksam, und er darf an der Kampfschule an Bord einer Raumstation das Privileg genießen, zum Soldaten ausgebildet zu werden. Allerdings nicht gegen Menschen, sondern gegen im Weltraum lebende Aliens, die Schaben.

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John Barnes – Der Himmel, so weit und schwarz. SF-Roman

Marsroman aus der Oberliga, mit Schwächen

Man schreibt das Ende des 21. Jahrhunderts. Der Mars ist schon weit fortgeschritten in seiner Terraformung. Es gibt Oberflächengewässer und eine dünne Atmosphäre. Ökospektoren suchen immer weitere Quellen für Methan, Wasser und dergleichen. Schon gibt es die ersten für den Mars genetisch angepassten Menschen, die Froyks. Als Tel-Mel Murray und ihr Vater auf eine Methanquelle stoßen, sind sie schlagartig reich. Doch als sie ohne ihn vom Äquator nach Wells City zurückkehrt, ereignet sich eine Katastrophe, die ihr Leben ebenso umkrempeln wird: Eine gewaltige Sonneneruption legt sämtliche Technik lahm. Das Leben auf dem Mars ist akut bedroht – auch von der Erde …
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Dan Simmons – Hardcase (Joe Kurtz 01)

Hart, härter, Kurtz

Joe Kurtz ist ein entlassener Sträfling und ehemaliger Privatdetektiv, der versucht, ein halbwegs ehrliches Leben zu führen. Das ist aber in einer Stadt wie Buffalo im Bundesstaat New York gar nicht so einfach. Denn nur die Mafia kann Joe einen lukrativen Job geben. Und die hat bekanntlich eine Menge Feinde.

„Hardcase“ ist der erste Roman der Kurtz-Trilogie:
Hardcase;
Hard Freeze;
Hard as Nails.

Der Autor
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Bryan Smith – Verkommen

Monster aus der Stadt bei den Teufeln vom Lande

Jessica möchte einen günstigen Gebrauchtwagen kaufen. Als sie mit dem Besitzer alleine in dessen Wohnung ist, fällt er über sie her und vergewaltigt sie. Jessica will nur noch eines: Rache. Deshalb entführt sie den Mistkerl in die einsame Wildnis. Sie will ihn erschießen, er soll sterben.

Aber die beiden befinden sich an einem bösen Ort. Die inzüchtigen Einwohner des Städtchens Hopkins Bend hüten seit Generationen ein grauenvolles Geheimnis – und Jessica kommt ihnen für ihre perversen Spiele gerade recht. (Verlagsinfo)

Der Autor

Bryan Smith lebt in Murfreesboro, Tennesee/USA. Er schreibt mit einer explosiven Kraft. In Rekordzeit hat er sich an die Seite von Richard Laymon, Edward Lee und Jack Ketchum gekämpft, in die Riege der Kultautoren brutaler Thriller. Mehr Info: http://thehorrorofbryansmith.blogspot.de/(Verlagsinfo)

Weitere Werke bei Festa:

Bryan Smith – Verkommen weiterlesen

Brian Lumley – Necroscope 2 – Vampirblut

Dramatische Schlacht der Totenbeschwörer

Die Wege von Harry Keogh, dem Nekroskopen, und Boris Dragosani, dem Nekromanten, kreuzen sich in diesem zweiten Band der über ein Dutzend Romane umfassenden „Necroscope“-Serie, die hierzulande exklusiv bei |Festa| erscheint. Die Konfrontation der beiden ist unausweichlich. Doch beide kämpfen nicht alleine, sondern mit Unterstützung (un)heimlicher Verbündeter.

_Der Autor_

Brian Lumley – Necroscope 2 – Vampirblut weiterlesen

Stephen Hunter – Der 47. Samurai (Bob Lee Swagger 4)

Ex-Scharfschütze Bob Lee Swagger möchte in Japan ein Schwert aus dem Zweiten Weltkrieg abliefern. Als die Unterwelt erfährt, dass es sich um ein altes und sagenhaftes Samurai-Schwert handelt, bringt sie es gewaltsam an sich, was Swaggers Gerechtigkeitssinn weckt; bald tobt ein blutiger Krieg, in dessen Verlauf die Opferzahl rasant in die Höhe schnellt … – Der vierte Band der Serie führt Bob Lee Swagger nach Japan, wo er ein wenig zu seitenstark in die Samurai-Mythologie abtaucht, wodurch ausführlich geschilderte Mord- und Metzel-Szenen aber nicht zu kurz kommen: erneut sehr unterhaltsam für eine hartgesottene Leserschaft. Stephen Hunter – Der 47. Samurai (Bob Lee Swagger 4) weiterlesen

Edward Lee – Golem

Ende des 19. Jahrhunderts sollten magisch belebte Lehm-Menschen („Golems“) die jüdische Gemeinde von Lowensport schützen. Das misslang bzw. gipfelte in einem Massaker. Während die Tragödie in Vergessenheit geriet, blieb das Wissen um die Golems erhalten; sie sollen nun Gangstern helfen, den lokalen Drogenmarkt zu übernehmen … – Verfasseruntypisch, d. h. nicht auf die bloße Reihung ekliger Sex-Szenen beschränkt, erzählt Edward Lee auf zwei Zeitebenen eine Geschichte, die sich in der Gegenwart verzahnt; dies buchstäblich, denn Lees Golems sind Mord-Monster, die für Horror der simplen, aber unterhaltsamen Art sorgen.
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Nate Southard – Down

Als das Flugzeug einer Rockgruppe abstürzt, landet es nicht nur in einem menschenleeren Einöd-Wald, sondern auch im Territorium eines Bigfoot-Monsters, das umgehend mit der Jagd auf die Eindringlinge beginnt … – Handwerklich solider, über weite Strecken geradezu altmodischer Horrorroman, der das oben skizzierte Szenario leichenreich durchdekliniert, sich abschweifungsarm auf das Wesentliche konzentriert einen unerwarteten Verlauf nimmt, jedoch unter einem schwachen Finale leidet: Futter für blutrünstige Monster und Leser, die solches Wüten lieben.
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Edward Lee – Gewürm

Ahnungslose Forscher, geile Teenies und mörderische Rednecks geraten auf eine Tropeninsel, die von mutierten Würmern heimgesucht wird, die ihre menschlichen Wirtskörper kontrollieren und nach neuen Opfern gieren … – Typischer Trash-Horror, der auf vordergründigen Ekel, Schmuddel-Sex und Brachial-Gewalt setzt, was auf die Spitze (und darüber hinaus) getrieben wird, sodass es durch die Übertreibung klamaukhaften Unterhaltungswert gewinnt: Hier ist richtig, wer gern lacht, weil unsympathische Zeitgenossen geschreddert werden!
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