Jonathan Barrett ist echt ein Netter: gut aussehend, ausgesucht höflich, gebildet und mit reicher Familie. Eine gute Partie also, und das, obwohl er andere, weniger begehrte Charaktereigenschaften besitzt. Jonathan ist nämlich ein Vampir, auch wenn er für seinen Zustand selbst keinen Namen hat. Er verschläft den Tag, trinkt das Blut seiner Haustiere, kann Menschen durch Hypnose beeinflussen und sich praktischerweise in Luft auflösen. Diesen Zustand verdankt er der Affäre mit der geheimnisvollen Nora Jones, die er während des Studiums in England kennen und lieben gelernt hat. Zurück in Long Island, wurde er jedoch während des Unabhängigkeitskriegs erschossen und stand eine Nacht später prompt als lebender Toter wieder auf. Nachdem er seine neue Existenzform ausgiebig erprobt und einige Abenteuer bestanden hat, will er nun unbedingt Nora Jones wiederfinden, damit er ihr all die Fragen stellen kann, die ihn zu seinem Zustand plagen.
So weit zu dem, was bisher geschah, „Der maskierte Tod“ ist nämlich schon der dritte Band um Jonathan Barrett (nach „Der rote Tod“ und „Der endlose Tod“) und schließt, wie man das mittlerweile von P. N. Elrod gewohnt ist, nahtlos an seine Vorgänger an. Jonathan ist mehr als frustriert mit seiner Suche nach Nora Jones. Sein in London wohnender Cousin Oliver kann die ehemalige Geliebte einfach nicht ausfindig machen, dazu kommt noch, dass die Post Monate braucht, um die Kolonien zu erreichen. Und so beschließt Jonathan, selbst nach London zu reisen, um dort Nachforschungen anzustellen.
Aber da Jonathan ein Familienmensch (Familienvampir) ist, reist er nicht allein. Seine Schwester Elizabeth besteht darauf, mitzukommen und auch sein Sklave Jericho darf natürlich nicht fehlen. Als auch noch eine stolze Anzahl Rinder als Blutration für die Überfahrt auf dem Schiff verstaut sind, ist die Reisegesellschaft komplett. Doch Jonathan hat nicht mit seinem Vampirismus gerechnet – fließendes Wasser hat Untoten nämlich noch nie gut getan. So wird er von einem bösen Anfall von Seekrankheit heimgesucht, der schlussendlich dazu führt, dass P. N. Elrod sich nicht lange mit der Überfahrt nach England aufhalten muss …
Dass das ein Vorteil ist, wird schnell klar. Wie auch schon im ersten Band, ist der in London spielende Teil der Höhepunkt des Romans. Im Gegensatz zum provinziellen und verschlafenen Long Island kann sich Autorin Elrod im großstädtischen London so richtig austoben und große Gesellschaften beschreiben. Darüberhinaus trifft Jonathan seinen Cousin Oliver wieder, der schon in „Der rote Tod“ ein großer Symapthieträger war.
Doch was wird aus der Suche nach Nora Jones? Die bleibt zunächst unerfolgreich, denn Jonathan wird bald mehr als abgelenkt. So hat die Londoner Gesellschaft offensichtlich beschlossen, dass es sich bei ihm und seiner Schwester um Heiratskandidaten erster Güteklasse handelt und darüberhinaus muss sich Jonathan bald mit so einigen Intrigen herumschlagen.
Nach dem etwas schwächelnden „Der endlose Tod“, ist P. N. Elrod in „Der maskierte Tod“ nun offensichtlich wieder in Hochform, was mit Sicherheit auch am veränderten Schauplatz der Handlung liegt. Auch kann sie nun einige neue Figuren einführen, die der Handlung mehr Esprit und Richtung geben. So hat der Leser bei der sich flott entwickelnden Handlung kaum Zeit, sich darüber zu wundern, dass Jonathan seine Suche nach Nora nur halbherzig zu verfolgen scheint. Bald schon ist er so in Duelle und alte Liebschaften und Auseinandersetzungen mit hysterischen Tanten verwickelt, dass es für Jonathan nur von Vorteil sein kann, dass er nicht zu atmen braucht – er hätte sowieso keinen Augenblick Muße, um Luft zu holen.
„Der maskierte Tod“ ist für einen Vampirroman schon recht außergewöhnlich. Jonathan ist vermutlich der humanistischste Vampir, den die literarische Welt je gesehen hat. Er ist so in seiner menschlichen Umwelt verankert, dass sein Vampirismus dahinter zurückstehen muss. Das wird noch verstärkt dadurch, dass er in einer durch und durch menschlichen Welt agiert: In London scheint es keine anderen Vampire zu geben. Daher kann man nur hoffen, dass er in absehbarer Zukunft auf andere Vampire (vielleicht sogar seine geliebte Nora Jones) trifft, die ihm ein wenig vampirisches Selbstbewusstsein verschaffen können. Denn wie auch schon im Vorgänger, kränkelt der Roman etwas an Jonathans tapsiger Natur. Er scheint eine Nase dafür zu haben, in brenzligen Situationen zu landen, aus denen er sich nur mit Not – und aus mehreren Wunden blutend – befreien kann. So schafft er es auch in diesem Roman wieder, zweimal fast um die Ecke gebracht zu werden. Natürlich nicht wirklich, schließlich ist er schon tot. Doch auch wenn er mittlerweile begriffen zu haben scheint, dass man ihn nicht einfach so töten kann, so ist er doch vor Panikattaken nicht gefeit, wenn ihm mal wieder ein Bösewicht an die Gurgel will. Dieses sich ständig wiederholende Schema wird für den Leser bald ermüdend (schließlich zieht es sich nun schon über drei Romane hin) und man kann nur hoffen, dass Jonathan bald Vertrauen zu seinem Zustand fasst.
Ansonsten ist „Der maskierte Tod“ ein uneingeschränktes Lesevergnügen: kurzweilig, unterhaltsam und mit vielen sympathischen Charakteren ausgestattet. Vor allem die gut ausgearbeiteten Nebencharaktere (Elizabeth, Jericho, Oliver) tragen viel dazu bei, dass man sich bei der Lektüre nie langweilt. Und doch hat Jonathan seine Nora wieder nicht gefunden; man hofft, P. N. Elrod spannt ihren Protagonisten und ihre Leser nicht mehr allzu lange auf die Folter und gestattet den beiden ihre lang verdiente Wiedervereinigung!
Auf Jonathans weitere Abenteuer muss man zumindest nicht mehr lange warten: Die Veröffentlichung des vierten Teils der Reihe, „Der tanzende Tod“, ist für Herbst 2005 geplant.
In vier Großkapiteln nähert sich Copper seinem komplexen Thema. „Der Vampir in der Legende“ ist in erster Linie ein durch zeitgenössische Quellen gestützter historischer Rückblick. Der Glaube an nächtlich auftauchende Blutsauger kommt nicht von ungefähr, sondern hat Wurzeln, die erstaunlich weit zurückreichen. Copper unternimmt den Versuch, ein wenig Licht in das mythische Dunkel zu bringen. Er erinnert an den Drang, für jene Dinge, die der Mensch nicht versteht, eine „Erklärung“ zu konstruieren. Seltsame Krankheiten, merkwürdige Umtriebe an Grabstätten, dazu Vorurteile, üble Nachrede, Dummheit und Furcht bildeten den Nährboden für den Glauben an „Wiedergänger“ und „Nachzehrer“, der in praktisch allen Kulturen präsent war, sich durch alle gesellschaftlichen Schichten zog und die „gebildeten“ Stände keineswegs ausschloss. Der Verfasser präsentiert außerdem „echte“ Vampire – kleine Fledermäuse aus Südamerika – und einen kuriosen Schmetterling, der sich ebenfalls von Blut ernährt. Basil Copper – Der Vampir in Legende, Kunst und Wirklichkeit weiterlesen →
Sam scheint als Lehrer ein bisher ziemlich gewöhnliches und langweiliges Leben geführt zu haben. Bis zu dem Abend, an dem seine Jugendliebe Cat plötzlich, nur mit einem blauen Bademantel bekleidet, vor seiner Tür steht. Dazu muss man wissen, dass Sam natürlich immer noch unsterblich in Cat verliebt ist, auch wenn er sie zehn Jahre nicht gesehen hat. Und so bedarf es auch fast keiner Überredungskünste ihrerseits, ihn zu einem Mord anzustiften.
Cat hat es nämlich faustdick hinter den Ohren. Ihren Ehemann hat sie schon vor ein paar Jahren beseitigen lassen, doch nun macht ihr der damals angeheuerte Killer zu schaffen. Der ist nämlich ein Vampir und besucht sie alle paar Nächte, um ihr das Blut auszusaugen. Drum will Cat den Kerl, Elliot ist sein Name, loswerden und braucht dazu Sams Hilfe.
Sam schlägt sich auch ganz gut als gedungener Mörder, doch stehen er und Cat nun vor einem Problem: Denn obwohl Vampire in Filmen immer sehr praktisch und zeitsparend zu Staub zerfallen, passiert mit Elliot gar nichts. Er blutet den Teppich voll und ist ansonsten eine ziemlich durchschnittliche Leiche. So machen sich Cat und Sam also mitten in der Nacht auf, um die Leiche in einem tiefen Loch weit weg von L.A. zu verscharren …
So einfach, wie die beiden sich diese Aktion vorstellen, ist sie aber lange nicht. Denn „Elliots Fluch“, wie sie ihr schlechtes Karma schon bald nennen werden, macht sich bald bemerkbar. Die beiden sind einfach vom Pech verfolgt. Zuerst kommen sie durch einen geplatzten Reifen von der Straße ab, dann geraten sie in die Fänge eines ziemlich zwielichtigen Bikers und von da an geht es rapide abwärts für Cat und Sam …
Man sollte es gleich zu Anfang sagen: Ein Vampirroman ist Richard Laymons „Vampirjäger“ wohl kaum. Elliot der Vampir ist eine wenig eindrucksvolle Gestalt mit seinen Fängen aus Stahl und seinem lächerlichen Cape. Und so wird er dankbarerweise auch relativ schnell ins Jenseits befördert. Seine reichlich seltsame Erscheinung und die Tatsache, dass er weder zu Staub zerfällt noch übermäßig auf Sonnenlicht reagiert, lässt beim Leser darüberhinaus die Vermutung aufkommen, dass Elliot nur ein Spinner ist; ein Außenseiter, der hinter der Maske des Vampirs seine brutale Sexualität auslebt. Auch Cat und Sam sind sich nie so ganz sicher, ob sie mit Elliot nun einen wahren Blutsauger um die Ecke gebracht haben. Doch sicherheitshalber befolgen sie die ungeschriebenen Regeln für Vampirjäger genau – man kann ja nie wissen!
Aber wie gesagt, Elliot ist für den Hauptteil des Romans tot und im Kofferraum von Cats Wagen verstaut. Statt eines Vampirromans bekommt der Leser also eine Art Horror-Road-Movie (als Buch, versteht sich) mit einer starken Prise Erotik und Sex. Denn natürlich bleiben Sams Gefühle für Cat nicht lange unerwidert. Nach einigen zaghaften Annäherungsversuchen fallen die beiden, im Angesicht der Todesgefahr, förmlich übereinander her – was macht es schon, dass sie gerade einen Autounfall hinter sich haben und beide ziemlich lädiert sind?
Laymon beschreibt auf stolzen 440 Seiten gerade mal einen Tag im Leben von Cat und Sam. Zugegeben, an diesem Tag passiert außergewöhnlich viel und außergewöhnlich Seltsames. Trotzdem erklärt Laymon mit akribischer Genauigkeit, was seinen Protagonisten gerade widerfährt. Dies kann zu Ermüdungseerscheinungen beim Leser führen. Wenn man nachts um zwei ins Bad geht, ist es relativ logisch, dass man das Licht anmacht. Solche Dinge müssen nicht extra erzählt werden. Sie hemmen das Vorankommen der Handlung und verlängern das
Buch unnötig.
Laymon schreibt eindeutig für ein männliches Publikum, das garantiert den meisten Spaß an seiner erotisch aufgeladenen Atmosphäre haben wird. Sams Fixierung auf Cats Busen und das allgemeine Fehlen jeglicher Unterwäsche im Roman wird Frauen schnell langweilen. Laymon kann ganze Seiten damit zubringen zu beschreiben, wie Cats Bluse über ihre Haut rutscht und ein Stück Brust freilegt. Hochrutschende Kleider, freigelegte Schenkel und schweißnasse Haut sind ein wichtiger Bestandteil von Laymons Romanwelt.
Die andere wichtige Zutat ist Gewalt. Nachdem Cat und Sam ihre (ohnehin nur minimal vorhandene) Moral abgeschüttelt haben, haben sie kein Problem mit Mord, Gewalt, Brechstangen, Waffen und einem guten Schuss Folter. Mit zunehmendem Genuss lassen sie sich in die Halbwelt von Kleinkriminellen und Verbrechern hinab und teilen so gut aus, wie sie einstecken müssen.
Für zarte Gemüter ist Richard Laymon also nichts. Auch klassische Horrorelemente findet man nur spärlich, stattdessen setzt er auf Brutalität und Gewalt und lässt das Blut genüsslich spritzen. Cat und Sam unternehmen eine wilde Reise hinab in den Sumpf menschlicher Abgründe – wem „Kalifornia“ gefallen hat, der wird auch „Vampirjäger“ lieben!
Wer härtere Gangarten mag, der greift mit „Vampirjäger“ zum richtigen Buch. Zusammen mit Cat und Sam darf man sich als Leser genussvoll dem Blutrausch aus zweiter Hand ergeben und den Bösen ordentlich eins auf die Mütze geben. Und auch wenn es klischeehaft und kaum überraschend ist, so freut man sich doch, dass der Held wider Willen am Ende die wunderschöne und tapfere Frau gewinnt und sie beide bis ans Ende ihrer Tage glücklich leben … Oder zumindest so lange, bis der nächste Unruhestifter vorbeikommt.
Kathy wird von allen nur Zero genannt, denn sie ist nichts und sie hat nichts. Drogensüchtig und pleite, verkauft sie ihren Körper, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Für einen Schuss H würde sie alles tun – auch töten, wie sich herausstellen soll. So wird sie von einem anonymen Auftraggeber von New York nach Manchester geschickt, um dort einen vermeintlichen Vampir zu vernichten. Doch high wie sie ist, muss ihr kläglicher Versuch scheitern und sie gelangt in die Fänge des Blut saugenden Untoten.
Aber halt, würde der Blut saugende Untote das einzig Logische tun und Zero aussaugen oder ihr das Genick brechen oder ihr auf andere meisterliche Art das Lebenslicht auspusten, so hätte er sich und dem Leser viele Unannehmlichkeiten erspart. Doch David, so heißt der Vampir, ist ein Gentleman alter Schule: ein Dichter und Romantiker, der es nicht übers Herz bringt, seine Opfer zu töten und sich stattdessen in die Abgeschiedenheit seines englischen Landsitzes zurückgezogen hat – woher kommt einem das nur bekannt vor?
David also schnappt sich Zero, fesselt sie ans Bett und wartet erst einmal ihren kalten Entzug ab. Sodann machen sich die beiden auf nach Amerika, um herauszufinden, wer eigentlich hinter dem Attentat auf David steckt. Als sie New York erreichen, passiert, was der Leser schon seit Seite zehn befürchtet: David und Zero verlieben sich unsterblich ineinander; natürlich ohne wirklich etwas voneinander zu wissen oder je ein tiefgründiges Gespräch geführt zu haben. Das steht heißen Sexszenen selbstverständlich nicht im Wege und so springen die beiden bevorzugt miteinander ins Bett, während David hochdramatisch Byron deklamiert.
200 Seiten später sind David und Zero immer noch dem ursprünglichen Attentäter auf der Spur, haben sowohl Amerika als auch Kanada durchquert, den ersten Streit ihrer Beziehung hinter sich und es fertig gebracht, David per Sonnenlicht schwer anzukokeln. Des Rätsels Lösung kann nach etlichen abstrusen Wendungen der Handlung auch nur überraschen, wenn man noch nie einen Kriminalroman gelesen hat. Und so mag es kaum überraschen, dass sich das Ende des Romans in Friede, Freude, Eierkuchen auflöst und David und Zero gemeinsam in den sprichwörtlichen Sonnenuntergang reiten – rhetorisch gesehen, versteht sich.
Nancy Kilpatricks „Todessehnsucht“ erschien in Amerika erstmals 1994 und ist Teil einer mehrbändigen Reihe von lose verbundenen Geschichten um eine Gruppe von Vampiren (engl. Titel „The Power of the Blood Series“). Kilpatrick versucht, leider erfolglos, eine Milieustudie (die drogenabhängige Zero, das abgerissene Hotel, in dem sie in New York wohnen) mit ein paar Vampiren und einem guten Schuss Sex zu kombinieren. Eine solche Mischung könnte durchaus funktionieren, wäre sie rein stilistisch und erzählerisch mit einiger Meisterschaft zu Papier gebracht. Doch Kilpatrick bedient so ungefähr jedes Klischee, das ihr in den Weg kommt und hält ihre Geschichte damit in so vorhersehbaren Bahnen, dass beim Leser kaum Spannung aufkommen mag.
Da wäre zunächst ihr Vampir David, offensichtlich die zentrale Figur für die angestrebte weibliche Leserschaft. Natürlich war er mal Aristokrat, sieht vermutlich gut aus (doch hält sich Kilpatrick in der Regel nicht lange mit Äußerlichkeiten auf) und ist von so romantischem Gemüt, dass dem durchschnittlichen postmodernen Leser ganz schwarz vor Augen wird. Als ultimativen Beweis für seine sentimentale Grundhaltung und seine literarische Bildung lässt Kilpatrick ihn zu den unmöglichsten Momenten Lord Byron zitieren. Dies führt zwangsläufig zu Abnutzungserscheinungen, ganz abgesehen davon, dass Byron nicht der einzige romantische Dichter ist, der das Zitieren lohnt. Doch David besitzt scheinbar nur diesen einen Band Poesie …
Besser als gar nichts, denn Zero dagegen ist eine drogenvernebelte Schlampe ohne jegliche Bildung (bei ihr also nicht mal Byron), die sogar erfragen muss, was oder wo Montréal ist. Für einen Großteil der Handlung drehen sich ihre Gedanken um Heroin, danach obsessiert sie bevorzugt über David. Auf welcher Grundlage die beiden nun eigentlich zusammenfinden, lässt Kilpatrick stillschweigend offen und so bleibt ihre Liebesbeziehung oberflächlich und wenig überzeugend.
Überhaupt die Liebe. Gerade in diesen Szenen läuft Kilpatrick zu pathetischer Hochform auf und der Schwulstfaktor steigt in unerträgliche Höhen. Doch spätestens wenn David seiner Zero per Brief mitteilen lässt, „Kathy, süße Kathy, unschuldiges Kind, leidenschaftliche Frau, Wesen von azurnem Feuer, blauer Diamant mit unzähligen Facetten“, dann ist die Geduld des Lesers einfach erschöpft. Da ist es doch gut, dass David nur Gedichte von Byron zitiert anstatt eigener Poesie. Man wagt gar nicht daran zu denken, was in dem Fall rausgekommen wäre.
Abgesehen von den stilistischen Schwächen, kann aber auch der Plot selbst kaum überzeugen. Er ist abwechselnd zu durchsichtig oder zu abwegig. Natürlich, wenn man einem Kind eben noch sagt, dass ihm nichts passieren wird, dann ist es nur logisch, dass es auf der nächsten Seite prompt entführt wird. Solche erzählerischen Zaunpfähle sorgen nicht gerade dafür, dass man von der Handlung positiv überrascht wird. Viel zu unmotiviert erscheint auch das Ende. Zwar ist der Roman Teil einer Serie, doch ist es nicht nötig, für den Showdown ein ganzes Dutzend neuer Vampire einzuführen, die keine andere Funktion haben, als die Vampirarmee des Bösewichts mathematisch aufzuwiegen. All diese Charaktere bleiben schablonenhaft und austauschbar und Kilpatrick hätte sie am besten ganz weggelassen.
Die Rückseite des Romans bewirbt „Todessehnsucht“ als „gewagten Erotik-Horror“. Gewagt ist höchstens die unterdurchschnittlich schlechte Prosa. Horror wird der Liebhaber kaum finden und die Erotik ist wohl nur was für die wirklich seicht Veranlagten. Wer gern gefühlsduselig im Schwulst schwimmt, der mag bei Nancy Kilpatrick fündig werden. Für alle anderen gilt: Lieber ein anderes Buch zur Hand nehmen!
Die Freunde Gerald Sternbruck (der Ich-Erzähler) und Ernst Carlsberg verbringen ihren Urlaub an einem Stausee in Neuengland. Dort sticht ihnen ein merkwürdiges Phänomen buchstäblich in die Augen: Des Nachts beginnen Wasser und Ufervegetation in einer Farbe zu schimmern, die auf dieser Erde unbekannt ist.
In dem See lebt ein außerirdisches Wesen, das sich just anschickt, seinen Einflussbereich zu erweitern. Dazu gibt es seine bisher geübte Zurückhaltung auf und überfällt in der Dunkelheit ahnungslose Camper, Jäger und Wanderer, denen es einerseits wie ein Vampir das Blut aussaugt und andererseits die Seele raubt, denn die Kreatur nährt sich auch von der Angst seiner Opfer. Michael Shea – Die Farbe aus der Zeit weiterlesen →
„Untot in Dallas“ ist bereits das zweite Abenteuer um die telepathisch begabte Kellnerin Sookie Stackhouse aus der Feder von Charlaine Harris. Im Erstling [„Vorübergehend tot“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=788 stellte sich die Mittzwanzigerin Sookie aus dem provinziellen Bon Temps als schüchterne, naive Romantikerin vor, die explosionsartig aufblüht, als der Vampir Bill ins Städtchen zieht. Dazu muss man wissen, dass Vampire im Amerika von Charlaine Harris normal und legal sind, also auch ein bürgerliches Leben führen können. Das führt zu Touristenattraktionen wie der Vampirbar im nahe gelegenen Shreveport oder einer so praktischen Erfindung wie synthetischem Blut. Sookie schätzt an ihrem ungewöhnlichen Liebhaber vor allem dessen geistige Funkstille – die Gedanken von Vampiren kann sie nämlich nicht lesen, wie sie erfreut feststellt – und seine sexuelle Unermüdlichkeit. Frau hat schließlich einiges nachzuholen, wenn sie 25 Jahre ohne Sex auskommen musste. Doch mussten Bill und Sookie neben der trauten Zweisamkeit und den wilden Liebesspielen im Whirlpool auch noch einen Kriminalfall lösen, der Sookie fast das Leben gekostet hätte. Doch was einen nicht umbringt …
„Untot in Dallas“ verläuft entlang derselben Linien, die Charlaine Harris im ersten Band gezogen hat. Bill ist immer noch bevorzugt mit Sookies Haarpflege beschäftigt und berät sie mit Leichtigkeit in allen täglichen Fragen des Stils (und das, obwohl er noch nie einen Tanga in seinem natürlichen Lebensraum gesehen hat). Die beiden können nicht voneinander lassen, auch wenn Sookies Bezeichnung, dass sie „fest miteinander gehen“ eher nach Highschool-Romantik klingt denn nach einer heißen Affäre mit einem Untoten. Die hübsche Idylle wird allerdings jäh gestört, als der schwule Koch der Bar ermordet aufgefunden wird, in der Sookie arbeitet. Ziemlich schnell ergibt sich der Verdacht, dass Bon Temps seinen eigenen geheimen Sexclub besitzt, den Lafayette wohl gegen sich aufgebracht hat. Allerdings wird es bis zum Ende des Romans dauern, bis Sookie das Geheimnis um Lafayette und den Sexclub lösen kann, denn Sookie hat seit ihrer Bekanntschaft mit Bill einen neuen Nebenjob.
Bill ist in der internen Hierarchie der Vampire dem Barbesitzer Eric unterstellt. Eric betreibt die Vampirbar in Shreveport und weiß auch um Sookies besonderes Talent. Da Vampire als legale Bürger nur noch schwerlich Verdächtige einfach foltern können, bis sie mit der Wahrheit rausrücken, sind Sookies Fähigkeiten ziemlich gefragt. Und so leiht Eric Sookie nach Dallas aus, wo ein Vampir verschwunden ist. Die restlichen Vampire wollen nun herausfinden, was genau passiert ist und wo sich selbiger Vampir befindet.
Zunächst geht auch alles glatt und die texanischen Vampire scheinen gar nicht so furchteinflößend zu sein, wie Sookie zunächst vermutet hatte. Doch dann deuten alle Hinweise zum Verschwinden des Vampirs auf eine fundamentalistische Gemeinde, die den Vampiren feindlich gesonnen ist, und von da an geht es steil bergab für Sookie und ihre Gesundheit.
„Vorübergehend tot“ wäre an einigen Stellen verbesserungswürdig gewesen. So wirkte die Liebesgeschichte zwischen Sookie und Bill von Zeit zu Zeit einfach zu schwülstig und drohte, die Kriminalgeschichte zu erdrücken. „Untot in Dallas“ wiederholt diese Fehler keineswegs. Bill und Sookie haben es sich offensichtlich in ihrer Beziehung gemütlich gemacht, weswegen sie nicht ständig in den Vordergrund gerückt werden muss. Und gerade der Plot um die Vampire in Dallas nimmt einen Großteil der Handlung ein und schafft es dabei, ein ziemliches Tempo zu generieren. Charlaine Harris hat also in „Untot in Dallas“ ihren Vorgänger noch übertroffen und hier scheinbar ihren Stil gefunden. Die Handlung ist frisch, spannend und temporeich erzählt und kann daher noch besser unterhalten als „Vorübergehend tot“.
Allerdings werden auch die Ähnlichkeiten gerade zu den Romanen von Laurell K. Hamilton immer deutlicher. Die vampirfeindliche Gemeinde in Dallas erinnert stark an eine Einrichtung, die auch bei Hamilton geschildert wird, jedoch nimmt sich Harris mehr Zeit, ihre Kritik an jeglicher Art von religiösem Fundamentalismus zu verdeutlichen. Die Vampire werden hier zu Opfern von Kleingeistigkeit und der Weigerung, andersartige Lebensentwürfe zumindest zu tolerieren. Die Untoten mutieren zum Universalbeispiel; sie könnten für religiös Andersdenkende stehen, für Homosexuelle, für jede Art von Minderheit.
Eine Figur, die unbedingt Erwähnung finden sollte, ist der Vampir Eric. Er erscheint wie eine illustre Mischung aus Anne Rices Lestat und Laurell K. Hamiltons Jean-Claude. Von beeindruckender Statur, mit einer wilden blonden Mähne, weiß er um seine Wirkung und hat sich darum scheinbar angewöhnt, nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wo Bill zumeist zurückhaltend und bürgerlich wirkt, bringt Eric garantiert frischen Wind in die Handlung. Es ist unbedingt zu begrüßen, dass sein Part gegenüber dem Erstling noch vergrößert wurde. Zwischen ihm und Sookie sprühen nur so die Funken und man möchte sich fast wünschen, sie würde den biederen Bill für den aufregenden Eric verlassen.
Auch die Übersetzung hat sich, gegenüber dem Erstling, merklich verbessert. Sie liest sich generell runder und auch wenn es den einen oder anderen Ausreißer im Sprachfluss gibt, so sind diese viel seltener als in „Vorübergehend tot“. Dass man sich jedoch bis zum Schluss des Buches nicht entscheiden konnte, ob der verschwundene Vampir nun „Farrell“ oder „Farrel“ heißt, ist wohl nicht nur für Rechtschreibfanatiker ärgerlich. Beide Schreibweisen wechseln sich nämlich mit schöner Regelmäßigkeit ab.
„Untot in Dallas“ macht, ganz ehrlich, mehr Spaß als „Vorübergehend tot“. Der Plot ist flotter und es geht generell tougher zu als im ersten Band. Hier spritzt auch schonmal das Blut und es gibt ein hübsch inszeniertes Massaker im Hauptquartier der Vampire. Dagegen war „Vorübergehend tot“ viel zahmer und mehr auf das reine Frauenpublikum ausgelegt. Weniger Schwulst und dafür mehr Fights und Verfolgungsjagden darf der Leser jedoch von diesem Buch erwarten. Und die ausgewogenere Mischung tut der Lektüre wirklich gut!
|Originaltitel: Living dead in Dallas
Aus dem Englischen übertragen von Dorothee Danzmann|
Autorin P. N. Elrod hat sich auf Vampire spezialisiert. In ihrer umfangreichen Serie um [Jack Fleming 432 begleitet sie den vampirischen Detektiv bei der Aufklärung seiner Fälle. In den Romanen um den amerikanischen Vampir Jonathan Barrett dagegen zeichnet sie ein faszinierendes Sittenbild frühester US-amerikanischer Geschichte, in das sie die Abenteuer ihres Protagonisten einbettet.
[„Der rote Tod“, 821 der erste Roman der mehrteiligen Serie, war ein furioser Auftakt. Jonathan Barrett, den naiven jungen Helden, verschlägt es zum Studium nach England und geradewegs in die Arme der unwiderstehlichen Nora Jones. Deren Affäre findet zwar ein Ende, als Jonathan nach seinen Studien nach Long Island zurückkehren muss, doch hinterlässt Nora bei ihm einen bleibenden Eindruck: Als er nämlich bei einem Scharmützel (die Handlung spielt während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs) tödlich verwundet wird, erhebt er sich eine Nacht später wieder aus seinem Grab, um zu seiner Familie zurückzukehren. Sein Vater und seine Schwester sind außer sich vor Freude und akzeptieren ohne Murren Jonathans neue Lebensgewohnheiten. So hat er keinen Herzschlag mehr, verschläft den Tag in seinem Zimmer bei zugezogenen Gardinen und erleichtert in der Nacht die familieneigenen Pferde um ihr Blut.
„Der endlose Tod“ knüpft nahtlos an die Ereignisse aus „Der rote Tod“ an und verfolgt zunächst weiter, wie sich Jonathan mit seinem neuen vampirischen Zustand arrangiert. Zusammen mit Vater und Schwester stellt er einige Versuche an, um herauszufinden, welche Kräfte er besitzt (so kann er beispielsweise andere per Hypnose beeinflussen oder sich in Luft auflösen). Doch außer der Tatsache, dass Jonathan am Tagesgeschehen offensichtlich keinen Anteil mehr nimmt und erst nach Sonnenuntergang aus seinem Zimmer kommt, stört nichts das gepflegte Zusammenleben im Haushalt Barrett. Zwar tobt draußen immer noch der Unabhängigskeitskrieg, allerdings scheint dieser eher unangenehm störend als wirklich gefährlich zu sein. Denn auf wundersame Weise schafft es immer nur Jonathan, vor die Flinte (Stichwaffe, stumpfen Gegenstand – man füge eine Waffe seiner Wahl ein) eines Soldaten oder Söldners zu laufen. So wird er niedergeschossen, niedergestochen, niedergeschlagen und entführt.
Außer auf Jonathans anhaltendes Unwohlsein aufgrund von lebensbedrohlichen Verletzungen, konzentriert sich die Handlung auf seine Schwester Elisabeth. Zwei neue Gäste haben sich nämlich im Hause niedergelassen und zwischen Elisabeth und Lord James Norwood entwickeln sich ziemlich schnell zarte Bande, die in einer Hochzeit enden. So besteht „Der endlose Tod“ über weite Strecken aus Teegesellschaften, zivilisierten Unterhaltungen und dem Nähen von Hochzeitskleidern. Doch wäre es glücklicherweise zu einfach, die eheliche Idylle unberührt zu lassen, und so muss Jonathan auf den letzten Seiten des Romans die Ehre seiner Schwester retten.
„Der endlose Tod“ kann mit seinem Vorgänger nicht mithalten. Die meisten Figuren sind bekannt (tatsächlich werden nur Norwood und seine Schwester neu eingeführt) und das Gleiche gilt für das Setting in Long Island. Jonathan bewegt sich ständig von seinem Haus zu einer Kneipe oder durch finstre Wälder zum Haus der Geliebten seines Vaters. Viel Neues wird der Leser also nicht erfahren. Auch zu Jonathans vampirischem Zustand wird kaum etwas hinzugefügt. Mittlerweile hat Jonathan zwar seine Kräfte und Möglichkeiten ausgiebig getestet, doch nutzt er sie kaum.
Und genau hier liegt der erzählerische Knackpunkt des Romans. Elrod benutzt in ihrem Roman nicht einmal das Wort „Vampir“. Jonathan weiß also nicht, was er ist (was durchaus seine Spannungsmomente hat). Doch auch er sollte festgestellt haben, dass er nicht so leicht zu töten ist. Dass er bereits tot und begraben war, weder einen Herzschlag noch eine nennenswerte Atmung hat, sollte Jonathan eigentlich ausreichend Indizien liefern. Elrod wirft ihren Protagonisten ständig in Situationen, die für einen normalen Menschen gefährlich, wenn nicht gar tödlich wären. Für einen Vampir jedoch sind sie bloße Unterhaltung. Und so mag beim Leser nicht wirkliche Empathie aufkommen, wenn Jonathan mal wieder angeschossen wurde. Weiß er doch (im Gegensatz zu Jonathan selbst), dass eine Schusswunde ihm nichts anhaben kann. Und so freuen sich Jonathan und sein Vater jedes Mal über die wundersame Genesung, der Leser aber rollt nur die Augen.
„Der endlose Tod“ bietet also gegenüber seinem Vorgänger kaum etwas Neues. Die Handlung wird weitergeführt, doch plätschert sie diesmal etwas zu bedächtig dahin, um so zu fesseln wie der erste Band. Stattdessen liefert Elrod Charakterstudien ihrer handelnden Figuren und lädt den Leser ein, an der Familiengeschichte der Barretts teilzuhaben. Leider scheint die Tatsache, dass es sich beim Sohn der Familie um einen Vampir handelt, hier nur eine Nebenrolle zu spielen.
Wenn Vampirfans also gegenüber „Der rote Tod“ nichts Neues erfahren werden, so ist „Der endlose Tod“ doch ein überzeugender historischer Roman. Gerade durch ihre durchdachten und überzeugenden Charaktere schafft es P. N. Elrod, dem Amerika des ausgehenden 18. Jahrhunderts Leben einzuhauchen. Ihr Unabhängigkeitskrieg ist eine ziemlich unehrenhafte Sache, die von Schurken und Söldnern ausgetragen wird, wobei die Bewohner der Gegend in jedem Fall die Verlierer sind, weil sie ständig zwischen die Fronten geraten. Jede Seite versucht, die Einwohner mit unlauteren Mitteln um Nahrung und Vieh zu erleichtern – eine Tatsache, die Jonathan im ersten Band das Leben kostete.
„Der endlose Tod“ schafft es also leider nicht, den Grad der Spannung zu erzeugen, der noch dem „roten Tod“ eigen war. Doch ist das Buch trotzdem unterhaltsam, wenn man es als Historienroman liest. Dann überzeugen vor allem die sympathischen und glaubhaften Charaktere und deren Interaktion miteinander. Dass P. N. Elrod in diesem Band so vorsichtig mit ihrem vampirischen Protagonisten umgeht, heißt zum Glück aber bei weitem nicht, dass sie dessen Potenzial schon erschöpft hätte. Jonathan ist immer noch auf der Suche nach Nora Jones, von der er hofft, dass sie ihn offiziell in seinen vampirischen Zustand einweihen kann. Er weiß mittlerweile, dass sie sich vermutlich in Italien aufhält, doch ist die internationale Post im 18. Jahrhundert noch nicht wirklich flott, und so erhält er in „Der endlose Tod“ noch kein erhellendes Lebenszeichen von ihr. Doch vielleicht im dritten Teil?
P. N. Elrod gehört zu jener Spezies vielschreibender Autoren, mit deren Büchern man problemlos ganze Regale füllen könnte. Zwar veröffentlichte sie ihr erstes Buch erst 1990, doch mittlerweile kann man unglaubliche 20 Romane von ihr kaufen – ganz zu schweigen von den Kurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden. Dabei hat sie sich auf das Vampirgenre spezialisiert, in das sie mit erfrischender Leichtigkeit neuen Wind zu bringen vermag. Ihre umfangreichste Serie, „The Vampire Files“ (erscheint ebenfalls beim |Festa|-Verlag), begleitet den [Vampirdetektiv Jack Fleming 432 und verbindet damit den klassischen Vampir-Roman mit dem Detektiv-Genre. Die Romane um Jonathan Barrett – „Der rote Tod“ ist der erste Band von bisher zwei auf deutsch erschienenen aus der Reihe – stellen einen neuen Protagonisten vor, später in der Serie wird es aber Überschneidungen zwischen beiden Reihen geben.
Jonathan Barrett ist 17 und hat bisher ziemlich unbescholten mit seinem Vater und seiner Schwester (die drei verbindet eine geradezu übelkeitserregende familiäre Idylle) auf dem Anwesen der Familie in Long Island gelebt. Seine hysterische und absolut unausstehliche Mutter war in seiner frühen Jugend nach Philadelphia abgeschwirrt, kehrt nun jedoch heim, da die Stadt während des Unabhängigkeitskriegs (die Handlung setzt 1773 ein) ein zu heißes Pflaster ist. Jonathans friedliches Dasein wird also jäh gestört, als diese Furie ins Leben der kleinen Familie tritt und die bisherige Routine durcheinander würfelt. Als sie Jonathan nach Cambridge auf die Universität schicken will, kommt es zum Eklat. Jonathan will nicht ins ferne England, um zu studieren, doch muss er herausfinden, dass das Geld der Familie vom Erbe seiner Mutter herrüht, die damit auch seine Ausbildung finanziert. So hat er keine Chance sie umzustimmen und findet sich bald darauf auf einem Schiff nach London wieder.
Sein anfänglicher Unwillen gegenüber Cambridge löst sich in Luft auf, als er sich, in England angekommen, sofort mit seinem Cousin Oliver und dessen Kumpel Tony anfreundet. Bei seiner ersten Nacht in London beschließt er, seinen lang gehegten Plan – nämlich seine Unschuld zu verlieren – endlich in die Tat umzusetzen. Und tatsächlich gelingt ihm das auf Anhieb. Tony will Jonathan und Oliver seine neue Flamme vorstellen, doch diese weist dessen Antrag prompt ab und wählt stattdessen Jonathan. Dieser ist von der schönen und weltgewandten Nora Jones vollkommen hingerissen. Zwar überrascht es ihn, dass sie ihn einfach mit nach Hause nimmt, um mit ihm zu schlafen (Skandal!), doch verbannt er diese Gedanken schnell, als er erst mit ihr im Bett liegt.
Nora hat offensichtlich einen Narren an Jonathan gefressen und folgt ihm nach Cambridge nach. Dort führen sie ihre Affäre fort, allerdings muss Jonathan frustriert feststellen, dass sie noch zahlreiche andere Bettgeschichten unterhält. So kann sie jedem der jungen Männer beim Akt kleine Mengen Blut abnehmen, um selbst zu überleben. Der Leser ahnt es längst: Nora ist ein Vampir. Jonathan dagegen tappt völlig im Dunkeln und errät ihre Identität auch nicht, als er sie tagsüber ohne Puls vorfindet oder sie ihm während des Liebesspiels ihr eigenes Blut zu trinken gibt.
Doch wer vermutet, Jonathan stehe nun sofort als Vampir wieder auf und mache mit seiner Flamme Nora die britischen Inseln unsicher, der irrt. Die Blutspielchen der beiden bleiben zunächst, zur Verwunderung des Lesers, vollkommen ohne Konsequenzen und es müssen noch einige Seiten im Roman vergehen, bis Jonathan eine Ahnung davon erhält, welch außergewöhnliches Geschenk Nora ihm eigentlich gemacht hat.
„Der rote Tod“ braucht keine zehn Seiten, um den Leser völlig zu begeistern. Ich-Erzähler Jonathan Barrett schlägt einen kurzweiligen und von ironischen Seitenhieben geprägten Ton an. Auch wenn die Exposition ungefähr ein Drittel des Romans einnimmt und die Vampirin Nora dadurch relativ spät ins Spiel kommt, kommt keine Langweile auf. Jonathan ist ein genauer Beobachter und selbst die Beschreibungen seiner Lebenssituation in Long Island – obwohl eigentlich unspektakulär – werden dadurch farbenprächtig und interessant.
P. N. Elrods Vampirwelt lebt von den Charakteren. Jonathan Barrett ist zwar jung und – vor allem in Liebesdingen – auch bis zu einem gewissen Grade naiv, doch er ist uneingeschränkt sympathisch, ohne als Charakter kitschig oder flach zu erscheinen. Jonathan ist durch und durch gut und Elrod schafft es trotzdem, ihn nicht zu einer Schablone verkommen zu lassen. Ähnlich steht es mit allen anderen Charakteren des Romans. Nora Jones ist die perfekte Vampirin: Schön, unwiderstehlich, verführerisch, geheimnisvoll und selbstbewusst. Und doch wird sie weder zum Archetyp des depressiven Vampirs noch zum seelenlosen Mörder. Stattdessen ist sie eine wahre Liebende, die jedoch mit einigen besonderen Bedürnissen zu kämpfen hat. Und genau das macht den Reiz aus; Elrod verurteilt weder die Existenz des Vampirs (das böse Höllenwesen), noch romantisiert sie ihn endlos (der untote Träumer), sondern verwurzelt ihre bluttrinkenden Charaktere fest in einer realen Umwelt, an der sie teilhaben anstatt sie zu verneinen. Und so ist es auch möglich, dass Jonathan als Vampir eine Familie hat – ein absolutes Novum in der Vampirliteratur, in der Blutsauger in der Regel Einzelgänger sind. Hier jedoch suchen Vampire die Nähe zu Menschen, ohne sie in jedem Fall als Futter wahrzunehmen. Mehr noch, das Motto des Romans scheint zu lauten: „Vampire sind auch nur Menschen“, und so gibt Jonathan Barrett als junger Student und später als untoter Protagonist eine hervorragende Identifikationsfigur ab.
„Der rote Tod“ ist ein unterhaltsames, spannendes und stellenweise auch komisches Buch, das man nicht aus der Hand legen möchte. Jonathan Barrett wächst dem Leser so schnell ans Herz, dass man unbedingt an seinen Abenteuern teilhaben möchte. Und der Schluss des Buches lässt vermuten, dass die wahren Abenteuer erst jetzt beginnen, da Jonathan nun zu den Untoten gehört. Es empfiehlt sich also, fix im zweiten Band weiterzulesen!
Verlagsseite: http://www.festa-verlag.de
Webseite der Autorin: http://www.vampwriter.com
Im April des Jahres 1941 steht Nazi-Deutschland scheinbar vor dem „Endsieg“. In einer alten Bergfestung in den rumänischen Karpaten hat eine kleine Abteilung der Wehrmacht einen strategisch eher unwichtigen Kontrollposten eingerichtet. Major Klaus Wörmann, der Kommandant, wurde hierher strafversetzt, weil er, ein Soldat der alten Schule, sich nicht nur geweigert hatte, der SS beizutreten, sondern sogar Manns genug gewesen war, deren Gräueltaten in den besetzten Ostgebieten anzuprangern.
Zwei Soldaten auf heimlicher Schatzsuche wecken versehentlich ein unheimliches Wesen, das nun des Nachts die deutschen Besatzer abzuschlachten beginnt. In seiner Not ruft Wörmann Hilfe. Man schickt ihm SS-Mann Erich Kämpffer, den er nur zu gut kennt und verachtet; zu Recht, denn der ebenso ehrgeizige wie skrupellose Sturmbannführer beginnt sogleich die Einheimischen zu terrorisieren, die er für die Morde verantwortlich macht. Wörmann sucht und findet einen Mann, der mehr über die Festung weiß. Professor Theodor Cuza ist ein todkranker Mann – und er ist Jude, was ihn und seine Tochter Magda der Willkür Kämpffers aussetzt, der beide in die Karpaten verschleppen lässt. F. Paul Wilson – Das Kastell weiterlesen →
Die letzte CD aus HR Gigers Viererpack „Vampirric“, einer Hörbuch-Anthologie mit Vampirgeschichten, bietet noch einmal ein echtes Erlebnis. Dem Gruselfreund wird hier nämlich Guy de Maupassants „Der Horla“ (frz. „Le Horla“, 1887) vorgelesen, ein Klassiker der Vampirliteratur und ein Schmuckstück psychologischen Grusels.
Man verfolgt die Tagebucheintragungen eines zunächst lebensfrohen und naturverbundenen jungen Mannes: Er wohnt am Fluss in einem Häuschen, winkt den vorbeifahrenden Schiffen und spatziert durch die Wälder. Doch diese Idylle wird immer mehr gestört, als sich unser Protagonist Jean zunehmend schlapp und unwohl fühlt. Er schäft schlecht und leidet unter Albträumen. Letztlich beschließt er, dass er sich auf eine Erholungsreise begeben sollte. Ein weiser Entschluss, denn bei seiner Rückkehr fühlt er sich gesund und wohl. Doch schon nach der ersten Nacht im eigenen Haus stellen sich die Symptome wieder ein. Bald vermutet er sogar, dass er schlafwandelt, da aus seinem Krug des Nachts Wasser verschwindet, ohne dass er sich erinnern kann, es getrunken zu haben. Er fürchtet, wahnsinnig zu werden, doch bemerkt er, dass sich etwas anderes in seinem Haus herumtreibt, ein Wesen, das ihn nachts heimsucht und sich offensichtlich von Milch und Wasser ernährt, andere Speisen aber verschmäht. Gleichzeitig entzieht es Jean offensichtlich die Lebensenergie und zwingt ihm seinen Willen auf. Dieser Horla, so stellt sich das Wesen im Laufe der Erzählung vor, ist offensichtlich Teil einer Rasse, die evolutionär über dem Menschen steht und sich ihn Untertan macht. Jean pendelt daraufhin zwischen Verzweiflung und Wahn; ein Versuch, den Horla zu vernichten, schlägt fehl. Mit der Ausweglosigkeit der Situation konfrontiert, bleibt Jean nur noch eine Möglichkeit, sich dem Zugriff des Wesens zu entziehen: der Selbstmord.
Guy de Maupassant (1850-1893) ist dem Liebhaber französischer Literatur sicher kein Unbekannter. Als frischgebackener Beamter machte er seine ersten zögerlichen Schritte in der Schriftstellerei, war aber mit seinem Debüt „Fettklößchen“ gleich so erfolgreich, dass er sich fortan nur noch dem Schreiben widmete und einer der beliebtesten Autoren seiner Zeit wurde. Er war mit so bekannten Namen wie Flaubert oder Turgenev bekannt, bei Maupassants Tod 1893 hielt kein Geringerer als Emile Zola die Grabrede. Maupassants Leben endete in Wahnsinn. Schon früh litt er an einer Nervenkrankheit, die die damalige Medizin nicht zuordnen konnte: Sehstörungen, Angstzustände, Depressionen und partielle Lähmungen stellten sich in Schüben ein. Als sein Bruder durch ein ähnliches Leiden im Wahnsinn starb, war für Maupassant klar, dass ihm das gleiche Schicksal blühen würde. Unter diesem Licht lässt sich „Der Horla“ auch als Maupassants Auseinandersetzung mit dem fortschreitenden Wahnsinn lesen. Jean fragt sich an mehreren Stellen, ob er denn wahnsinnig geworden sei. Anstatt das Unmögliche und Unglaubliche zu akzeptieren, zieht er zunächst den Gedanken vor, selbst nicht mehr zurechnungsfähig zu sein. Dann, als das Unmögliche unwiderruflich bestätigt ist, drängt ihn gerade diese Gewissheit weiter an den Rand des Wahnsinns. Die Vorstellung, der Mensch sei nicht die Krönung der Schöpfung und nur Sklave eines höheren Wesens, raubt ihm den Seelenfrieden. Jeans Ringen um sein inneres Gleichgewicht zeigt Maupassant unverblümt in den schmerzhaft glaubwürdigen Tagebucheintragungen des Geplagten.
Gelesen wird die Geschichte diesmal von Torsten Michaelis, der sonst Wesley Snipes seine Stimme leiht. Dass er damit offensichtlich hoffnungslos unterfordert ist, beweist er hier eindrucksvoll. Mit samtener Stimme zieht er den Hörer in seinen Bann und klingt dennoch mit zunehmender Sprechzeit (und zunehmendem Wahnsinn) gehetzter, unkontrollierter und gebrochener. Innerhalb der 78 Minuten des Hörbuchs kann er damit eine ungeheure Bandbreite beweisen – und das mit nur einer Geschichte!
Qualitativ liegt diese CD ungefähr gleichauf mit „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“, das sich auf dem dritten Hörbuch findet. Welche Geschichte letztendlich das Rennen macht, ist Geschmackssache, beide jedoch bieten eine spannende Studie über das Innenleben eines vermeintlich Wahnsinnigen. Wer nicht alle vier CDs der Sammlung kaufen will, sollte sich jedoch zumindest diese beiden anschaffen. Jeweils eine gute Stunde gepflegten Nervenkitzels und Gruselns sind garantiert.
Wer nach dem Genuss von „HR Giger’s Vampirric“ immer noch nicht genug von vampirischen Geschichten hat, der kann sich das dazu passende Buch (erschienen bei |Festa|) zulegen. Für die Hörbücher wurden nämlich nur einige Erzählungen ausgewählt (sechs insgesamt), die Anthologie selbst bietet noch eine ganze Reihe mehr, nämlich insgesamt 23 Geschichten.
Alle vier Hörbücher im Überblick:
[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“
[HR Giger’s Vampirric 2: 582
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“
[HR Giger’s Vampirric 3: 583
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“
HR Giger’s Vampirric 4:
Guy de Maupassant „Der Horla“
HR Gigers Anthologie von Vampirgeschichten, die 2003 bei Festa unter dem Titel „HR Giger’s Vampirric“ erschienen ist, erlebt in Auszügen eine Neuauflage in vier Hörbüchern. Auf dem dritten Hörbuch findet sich Karl Hans Strobls Vampirerzählung „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“ – das Tagebuch eines Hunger leidenden Naturwissenschaftlers, der ein Jahr in einem Mausoleum auf eben jenem Pariser Friedhof zubringen will.
Ernest erfüllt das Testament einer offensichtlich übermäßig exzentrischen Russin. Diese Anna Feodorowna Wassilska hat nämlich verfügen lassen, dass derjenige zweimal 100.000 Franc erhält, der ein Jahr in ihrem Grabmahl zubringt. Ernest beschließt, dieses Jahr zur Beendigung seines Opus Magnus zu nutzen, mit dem er unsterblichen Ruhm in der Welt der Wissenschaft zu erringen sucht. Doch natürlich lockt den armen Privatgelehrten auch das Geld, mit dem er seiner Freundin Margot ein Leben in Sorglosigkeit bescheren könnte. Und die zwei üppigen Mahlzeiten, die ihm der einzige Diener der Wassilska – ein pockennarbiger Tatar namens Iwan – auf einem Wägelchen vorbeibringt, sind auch nicht zu verachten.
Ernest fragt sich immerhin, was diese außergewöhnliche Russin, die er nicht persönlich kennen gelernt hat, mit dieser seltsamen Verfügung bezwecken wollte. Jemanden in der Nähe zu haben, falls sie lebendig begraben wurde? Ein Schutz vor Grabräubern? Oder die sadistische Befriedigung zu wissen, wie sich jemand ein Jahr lang auf einem Friedhof quält? Diese Möglichkeit scheint Ernest am wahrscheinlichsten, nach allem, was er über die Wassilska in Erfahrung bringen konnte. Eine sinnenfrohe Frau aus der weiten Ferne Russlands, die in Paris offensichtlich Vergnügen und das Absonderliche suchte und auch nicht davor zurückschrecke, dem Bäckerlehrling Geld zu bieten, um ihn beißen zu dürfen. Spätestens hier schrillen bei Horrorkennern die Alarmglocken, doch Ernest ist ein zu treuer Naturwissenschaftler, als dass er sich von solchen Geschichten beunruhigen lassen würde. Er schwört, die Zeit im Grabmahl sinnvoll zu nutzen und sich von absonderlichen Begebenheiten nicht schrecken zu lassen.
Und tatsächlich schwant dem Hörer bald, dass im Grabmahl der Wassilska nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Die Zettel, die Ernest als Denkhilfen für sein Buch ordentlich sortiert hat, werden des nächtens im ganzen Grabmahl verstreut. Außerdem machen ihn das üppige Essen und die mangelnde Bewegung so fett, dass er in einem Augenblick der Klarheit erkennt, dass er wie eine Gans gemästet wird. Doch das Seltsamste ist wohl das grüne Licht, das sich Nacht für Nacht einstellt und den Marmor des Grabmahls weich macht.
Doch anstatt sich vor solchen Erscheinungen zu fürchten, lässt sich Ernest von Iwan Gerätschaften und Prismen bringen, um das Licht zu untersuchen. Eines Morgens jedoch findet er unter seiner auf einem Notizzettel notierten Frage nach der Natur dieses seltsamen Lichts die Antwort: „Es ist der Atem der Katechana“ – in seiner eigenen Handschrift. Halb wahnsinnig von dem Gedanken herauszufinden, was hier gespielt wird, bombardiert er Iwan mit Fragen nach dem unbekannten Begriff, während Margot immer öfter sein Grabmahl heimsucht, um ihn zum Abbruch dieses Jahres zu bewegen. Doch es kommt, wie es kommen muss. Ernest stellt fest, dass es sich bei der Wassilska um einen Vampir handelt, der nun jede Nacht in wilden Küssen über ihn herfällt und das Blut aus seinen fetten Adern saugt. Er lauert ihr auf, um sie zu vernichten… Doch bleibt der Hörer ohne letzte Gewissheit zurück: Ist Ernest tatsächlich wahnsinnig? Bildet er sich die Vampirin Wassilska nur ein? Oder handet es sich tatsächlich um eine Untote und tat Ernest das einzig Richtige?
Der Österreicher Karl Hans Strobl (1877- 1946) zählt zusammen mit Hanns Heinz Ewers zu den bedeutendsten Autoren deutscher Phantastik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Neben dem „Grabmahl auf dem Père Lachaise“ verfasste er mit „Das Aderlassmännchen“ noch eine weitere Vampirgeschichte, die in ihrer Komposition jedoch komplizierter als „Das Grabmahl auf dem Pere Lachaise“ ist. Strobls Erzählung ist innerhalb der Hörbuchreihe „HR Giger’s Vampirric“ ein wahrhaftes Highlight, wozu auch der Sprecher David Nathan – unter anderem als die deutsche Stimme von Johnny Depp bekannt („Savvy?“) – viel beiträgt. Nathan gibt der tagebuchartigen Erzählung Ernests Charaktertiefe. Auf der einen Seite ist er der forschungswütige, überspannte und an leichter Überschätzung leidende Physiker. Dann wieder ist er der geldgeile Egoist, der die Absonderlichkeit des Testaments der Wassilska erfolgreich verdrängt, um am Ende des Jahre die ausgesetzte Unsumme und täglich zwei warme Mahlzeiten zu kassieren. Und gegen Ende der Erzählung scheint durch Nathans Interpretation auch deutlich Ernests zunehmender Wahnsinn durch – gerade hier kann David Nathan brillieren und dem Zuhörer mit Leichtigkeit Schauer über den Rücken laufen lassen.
Wirklich unheimlich und gruslig wird Strobls Erzählung erst gegen Ende. Bis dahin resultiert das Gefühl des Unwohlseins beim Hörer hauptsächlich aus dem ungewöhnlichen Setting und den seltsamen Begebenheiten, denen Ernest aber mit positivistischer Einstellung gegenübertritt. Diesen subtilen Grusel jedoch kann Strobl über die gesamte Erzählung hinweg aufrechterhalten, sodass „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“ keine Längen aufweist und konstant Spannung erzeugt wird. Dieser Teil der „Vampirric“-Reihe ist definitiv der Höhepunkt der vier Hörbücher. Daher heißt es: Kaufen, kaufen, kaufen!
Alle vier Hörbücher im Überblick:
[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“
[HR Giger’s Vampirric 2: 582
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“
HR Giger’s Vampirric 3:
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“
[HR Giger’s Vampirric 4: 584
Guy de Maupassant „Der Horla“
„HR Giger’s Vampirric“ – eine Sammlung von vier Hörbüchern mit Vampirkurzgeschichten, die jeweils einzeln erhältlich sind -, wartet mit einigen Überraschungen auf. So finden sich auf der zweiten CD zwei Erzählungen von Autoren, die heute fast vollkommen in Vergessenheit geraten sind. Den Anfang macht Leonhard Steins „Der Vampyr“ (1918), gefolgt von der etwas kürzeren Geschichte „Der Untote“ (amerik. „The Undead“, 1931) der Amerikanerin Amelia Reynolds Long, die für sich in Anspruch nehmen kann, eine der ersten weiblichen Science-Fiction-Autoren gewesen zu sein.
In Steins Erzählung trifft der Hörer auf den nur leidlich sympathischen Büroangestellten Hermann Samassa. Samassa führt ein kleinbürgerliches Leben, ist geizig und so gefühlsarm, dass er selbst für seine Verlobte keine echte Begeisterung aufbringen kann und mit ihren Liebesbezeugungen hoffnungslos überfordert ist. Samassa nun trifft seinen Untergang in Form der neuen Schreibkraft in seinem Büro – ein abstoßendes Weibsbild mit strähnigen Haaren und einem Buckel. Ihr rotes Haar und ihre funkelnden grünen Augen markieren sie sofort als eine diabolische Frau und tatsächlich hat sie es offensichtlich auf den kleinlichen Büroangestellten abgesehen. Das Zettelchen, das sie ihm zukommen lässt, zerknüllt dieser entsetzt. Doch stellt er bald fast, dass die Neue im gleichen Haus wohnt wie er und ihn fortan jede Nacht heimsucht, um ihm ihren einen langen beinernen Zahn in die Brust zu stoßen. Der Arme wird zusehends schwächer und versucht, den Blutverlust mit herzhaftem Essen und starken Rotweinen auszugleichen. Gleichzeitig wird die Vampirin immer schöner – die strähnigen Haare wandeln sich in eine Mähne und der Buckel verschwindet ganz. Samassa erweist sich als Hasenfuß. Anstatt es mit der Vampirin aufzunehmen, bringt er sich selbst aus der Schusslinie, indem er ihr seine Verlobte Clara als Futter zuschanzt. Doch damit stürzt er nur alle Beteiligten ins Unglück.
Über Leonhard Stein ist heute nichts mehr bekannt, doch seine Geschichte mutet typisch für die Zeit an, in der sie entstanden ist. Stein verlegt die Handlung in ein modernes Ambiente – ein Büro – und konfrontiert den Leser mit einer Menagerie entfremdeter Charaktere. Die Vampirin lebt offensichtlich nur für den nächtlichen Bluttrunk. Und Samassa selbst ist so entmenschlicht, dass er seine Verlobte in den Tod schickt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Allerdings verwendet Stein trotz dieses modernen Settings auch altbekannte Elemente: Rote Haare und grüne Augen weisen die Vampirin als Hexe und Femme Fatale aus. Je mehr Blut sie zu sich nimmt, desto mehr erblüht auch ihre Schönheit, während ihr Opfer immer mehr dahinsiecht. Auch das Motiv, dass sie im Moment des Todes so etwas wie inneren Frieden zu finden scheint, wird in vielen Erzählungen verwendet. Besonders interessant ist jedoch ihr einzelner Vampirzahn (überhaupt der einzige Zahn in ihrem Mund), der mit seinen eindeutig phallischen Konnotationen mehr als beunruhigend anmutet. Steins Erzählung bietet ein gutes Beispiel dafür, wie man sich den Vampir zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorstellen muss: Keine verwunschenen Schlösser, sondern profane Bürogebäude. Keine alten Münzen, die wie bei [„Dracula“ 210 einfach so in der Ecke rumliegen, sondern die proletarische Vampirin, die für ihre Miete arbeiten muss. Und ein unfreiwilliger Vampirjäger, der kleinbürgerlich und überängstlich ist.
In „Der Untote“ geht es um das Brüderpaar Henry und James. James, der im Sterben liegt, teilt seinem Bruder mit, dass er noch einen Zwillingsbruder George habe, dem er das Anwesen vererben würde. Sollte George sechs Monate nach James’ Tod noch nicht eingetroffen sein, so würde das Erbe an Henry fallen. Sagte es … und starb. Henry ist verwirrt, hat er doch noch nie etwas von diesem George gehört. Dieser trifft aber tatsächlich etwas später ein, gibt bekannt, dass er im Turm zu leben wünsche und ward nicht mehr gesehen. Stattdessen werden in der Umgegend zunehmend Personen vermisst und später tot aufgefunden. Und dann findet Henry auch noch ein Buch, das davon berichtet, wie man Tote wieder zum Leben erwecken kann. Ist dieser geheimnisvolle George vielleicht hier, um James wiederzuerwecken?
„Der Untote“ erinnert in einigen Motiven stark an Byrons „Fragment“: Wie bei Byron wird dem Protagonisten ein Schwur abgerungen, der die Identität und damit das Überleben des Vampirs sichern soll. In beiden Geschichten wird der (zukünftige) Vampir von einer siechenden Krankheit befallen, die ihn scheinbar das Leben kostet. Byrons Fragment endet an dieser Stelle, doch für Amelia Reynolds Long ist dies nur die Ausgangsposition. Und tatsächlich wird die Umgebung nach Georges Ankunft von mysteriösen Toden heimgesucht. Doch braucht Henry eine Weile, bis er die Identität dieses lange verschollenen Bruders entschlüsseln kann. Und gerade darin liegt das Problem der Erzählung. Ein heutiger Leser durchschaut sofort die Lösung des Rätsels, lange bevor Henry auch nur in die Nähe der Antwort kommt. Die Geschichte kommt einfach nicht schnell genug voran, um mit der Kombinationsgabe des Lesers (oder Hörers) mitzuhalten und so sticht sich der Grusel selbst aus, indem er einfach zu leicht zu durchschauen ist.
Die beiden Geschichten auf dieser CD könnten kaum unoriginellere Titel haben. Es muss unzählige Erzählungen und Kurzgeschichten geben, die „Der Vampyr“ oder „Der Untote“ heißen. Und tatsächlich bleiben Stein und Long kaum im Gedächtnis des Hörers zurück. Einige Passagen wirken durchaus gelungen, besonders in Steins Geschichte. Doch vor allem Longs Erzählung wirkt auf den modernen Leser antiquiert und uninspiriert. Helmut Krauss, der unter anderem Marlon Brando und Samuel L. Jackson seine Stimme leiht, macht das Beste aus den Texten und klingt gewohnt maskulin.
Alle vier Hörbücher im Überblick:
[HR Giger’s Vampirric 1: 581
Thomas Ligotti „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ und
Horacio Quiroga „Das Federkissen“
HR Giger’s Vampirric 2:
Leonard Stein „Der Vampyr“ und
Amelia Reynolds Long „Der Untote“
[HR Giger’s Vampirric 3: 583
Karl Hans Strobl „Das Grabmahl auf dem Père Lachaise“
[HR Giger’s Vampirric 4: 584
Guy de Maupassant „Der Horla“
Er ist heute so etwas wie ein Popstar der Phantastik, der ob seiner Vorliebe für Adjektive von der Kritik viel geschmähte, für seine stimmungsvolle Verschmelzung von Horror und Science Fiction gerühmte Howard Phillips Lovecraft (1890-1937), der den qualligen ET-Götzen Cthulhu und seine nicht minder bösen Kumpane auf die Menschheit losließ.
Vor allem weist Lovecraft auf, was ihn von einem simplen Schreiberling & Schreibtischtäter zur Kultfigur erhebt: ein bizarres, unglückliches Privatleben, das denen, die es nicht führen, sondern nur darüber lesen müssen, unterhaltsam dünken kann und viel Raum für angenehme Schauder lässt. Lovecraft gilt als „Einsiedler von Providence“, der geradezu kamikazehaft am schnöden Alltag scheiterte und sich ganz in eine Fantasiewelt zurückzog, die ihm die Möglichkeit bot, sich eine Existenz als vornehm verarmter Gentleman im Stil des 18. Jahrhunderts vorzugaukeln. Lyon Sprague de Camp – H. P. Lovecraft. Eine Biographie weiterlesen →
HR Gigers Zusammenstellung von Vampirkurzgeschichten, die 2003 unter dem Titel „HR Giger’s Vampirric“ in Buchform bei Festa erschienen ist, ist nun auch in vier einzeln erhältlichen Hörbüchern bei LPL records auf den Markt gekommen. Eine Auswahl von insgesamt sechs Erzählungen (also eine Art „Best-of“ der Anthologie) soll beim Hörer für gepflegten Grusel sorgen – der Slogan des Verlags lautet schließlich nicht umsonst „Gänsehaut für die Ohren“. Zwei dieser Kurzgeschichten finden sich auf dieser ersten CD: „Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“ (amerik. „The Lost Art of Twilight“, 1989) von Thomas Ligotti und „Das Federkissen“ (dem Band „Cuentos de Amour, de Locura y de Muerte“ von 1917 entnommen) von Horacio Quiroga. Eingeleitet werden beide Geschichten jeweils von einem kurzen Vorwort des „Meisters“ Giger selbst.
Im Jahr 2002 begann |LPL records| mit der Hörbuchreihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“. Der hier vorliegende erste Teil, „Der Cthulhu-Mythos“, wurde mit dem |Deutschen Phantastik-Preis 2003| als _Bestes Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2002_ ausgezeichnet.
_Lovecrafts Werk und Vermächtnis_
Howard Phillips Lovecraft war zu Lebzeiten leider kein ernst zu nehmender schriftstellerischer Ruhm vergönnt, auch wenn die Gründung der Zeitschrift |Weird Tales| im Jahre 1923 ihm einen einigermaßen beständigen Absatzmarkt eröffnete. Posthum hat sein Lebenswerk, der |Cthulhu-Mythos|, jedoch eine recht anschauliche, weltweite Leserschaft gefunden. Dass wir heute überhaupt in den Genuss seiner Werke – leider nur etwa 40 Kurzgeschichten und 12 längere Erzählungen – kommen, verdanken wir zum Einen der |United Amateur Press Association|, der er im Jahre 1914 beitrat, als auch seiner Entdeckung des Schriftstellers |Lord Dunsany| (mit vollem Namen Edward John Moreton Drax Plunkett) im Jahr 1919. Der rege Austausch gegenseitiger Kritik und Ermunterungen unter den Mitgliedern der UAPA ermöglichte es ihm, sich der schlimmsten archaischen Züge und Unbeholfenheiten seines Stils zu entledigen. Aus der Mitte dieser eingeschworenen Gemeinschaft kam dann auch die Bitte, er möge doch mit dem Schreiben unheimlicher Geschichten fortfahren, worauf er 1917 eine Geschichte über den Meeresgott „Dagon“ verfasste, die auch in diesem Hörbuch vertreten ist. Die Werke Lord Dunsanys verliehen seiner Schriftstellerei gewaltigen Auftrieb und animierten ihn, ein künstliches Pantheon mit einer eigenen Mythenwelt zu erschaffen – den |Cthulhu-Mythos|.
|“That is not dead which can eternal lie, yet with strange aeons even death may die.“| – „Das ist nicht tot, was ewig liegt, denn in fremder Zeit wird selbst der Tod besiegt.“ war Lovecrafts Bitte an die Nachwelt, seine Kreaturen nicht sterben zu lassen, derer sich nicht nur seine Freunde annahmen. Bis heute finden sich immer wieder Autoren bereit, den Mythos zu bereichern und am Leben zu erhalten. Wie Mosaiksteinchen zusammengesetzt, weisen diese Geschichten unseren Blick zu den nahezu unerforschten Gebieten des menschlichen Geistes – dem Wahnsinn und den Nachtmahren, in denen das Grauen leibhaftig wird.
_Die Vorlage_
Frank Festa (|Festa|-Verlag) nahm sich des Lebens H. P. Lovecrafts und seiner Werke an und veröffentlichte u. a. „Der Cthulhu-Mythos“, eine zweibändige Sammlung ausgewählter Erzählungen von Lovecraft und anderen Meistern des Schreckens, die sich um den kosmischen Mythos der |Großen Alten| drehen – Cthulhus dämonische Brut, die zu einer Zeit von den Sternen in unsere Welt drang, da die Sonne noch jung war und die Erde noch kein eigenes Leben beherbergte. In dem vorliegenden Hörbuch sind sechs dieser Geschichten enthalten.
_Die Erzählungen_
|“Der Ruf des Cthulhu“ – H. P. Lovecraft (1928)|
Übersetzt von Andreas Diesel
Den Auftakt übernimmt das zentrale Werk Lovecrafts: die Geschichte um einen uralten Schrecken, der seit Aeonen – tot und doch nicht tot – auf dem Grund des Meeres lauert, um einst wieder aufzusteigen und erneut seine (unsere) Welt zu beherrschen. |“Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn“| – „In seinem Haus in R’lyeh wartet träumend der tote Cthulhu“.
Als der Großneffe des verstorbenen George Gammel Angell – emeritierter Professor für semitische Sprachen an der |Brown University| von Providence – dessen Hinterlassenschaft sichtet, stößt er auf eine verschlossene Schatulle, deren Inhalt den Anfang einer Kette grausiger Erkenntnisse bildet. Er entdeckt ein abscheuliches Basrelief, das einen gebeugten humanoiden Körper mit oktopodem Kopf und Drachenflügeln darstellt. Die uralten Schriftzeichen, die sich unter dieser Abbildung befinden, stehen jedoch im Widerspruch zu dem recht geringen Alter dieser Scheußlichkeit. Weiterhin beinhaltet die Schachtel ein in seines Großonkels Handschrift verfasstes Manuskript, das in peinlich genauen Buchstaben mit |Cthulhu-Kult| überschrieben ist. Neugierig ob des scheinbar verwirrten Geisteszustandes des alten Mannes, beginnt er mit seinen Nachforschungen und fördert einen Kult zutage, dessen Anhänger im Verborgenen auf die Auferstehung ihres träumenden Gottes warten. Doch was er dann in Folge seiner weiteren Ermittlungen in Erfahrung bringt, lässt ihm schier das Blut in den Adern gefrieren …
|“Der Schwarze Stein“ – Robert E. Howard (1931)|
Übersetzt von Eduard Lukschandl
_Robert Ervin Howard_s (* 22. Januar 1906, + 11. Juni 1936) bekannteste Schöpfung ist wohl |Conan, der Barbar|, doch auch die Geschichten um |Kull von Atlantis| oder |Solomon Kane| stammen aus seiner Feder.
Seine eigene psychische Labilität spiegelt sich in seinen latent depressiven Helden durchaus wider. Leider nahm sich der langjährige Brieffreund H. P. Lovecrafts im Alter von 30 Jahren – nach dem Ableben seiner Mutter – selbst das Leben. Lovecrafts Einfluss auf Robert E. Howards Werke, wie auch die enge Freundschaft, die beide verband, spiegeln sich zum Beispiel in dem gelungenen Versuch der folgenden Horrorgeschichte wider, die ganz klar in den |Cthulhu-Mythos| gehört.
Ein schwarzer Monolith bildet den Kern dieser Geschichte. Nachdem der Erzähler in mehreren Quellen auf die schrecklichen Legenden gestoßen ist, die sich seit altersher um den schwarzen Felsen ranken, reist er selbst nach Ungarn, um das Quentchen Wahrheit zu ergründen, das in jeder Legende verborgen ist. Er bringt zwar Interessantes über Land und Leute in Erfahrung, doch über den schwarzen Stein mag niemand so recht reden. Als die Mittsommernacht – welche häufig in diesen Legenden Erwähnung findet – bevorsteht, begibt er sich zu der Berglichtung, in deren Mitte der schwarze Monolith aufragt. Der Albtraum, dessen er in dieser Nacht gewahr wird, bringt ihn an den Rand des Wahnsinns …
|“Die Glocke im Turm“ – H. P. Lovecraft & Lin Carter (1989)|
Übersetzt von Ralph Sander
_Lin Carter_ (mit vollem Namen Linwood Vrooman Carter) wurde am 09. Juni 1930 in St. Petersburg, Florida, geboren und verstarb am 07. Februar 1988 in Montclair, New Jersey. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit nahm er sich einiger zu Unrecht vergessener oder unbekannter Juwelen der Fantasy an, bereitete sie liebevoll auf und gab sie in der |Adult Fantasy|-Reihe (erschienen bei |Ballentine Books|) neu heraus.
Zusätzlich zu seinen eigenen Serien, die in allen Bereichen der Phantastik beheimatet sind, arbeitete er in den sechziger Jahren – zusammen mit |L. Sprague de Camp| – vor allem an der |Conan|-Reihe und nahm sich Robert E. Howards |Kull|-Fragmenten an. Sein Werk umfasst über 50 Bücher wie auch Biographien und Sekundärliterarisches aus der Phantastik (z. B. |LOVECRAFT: A Look Behind The Cthulhu Mythos|).
Er nahm sich – wie auch einige andere – ebenso der Fragmente und Notizen aus Lovecrafts Hinterlassenschaft an und suchte diese in einer posthumen Gemeinschaftsarbeit im Stil H. P. Lovecrafts zu vollenden. Eines dieser Werke ist die folgende Erzählung – wenn ich auch anmerken muss, dass Carter zumeist nicht an die düstere Atmosphäre und den hintergründigen Schrecken des |Einsiedlers aus Providence| heranreicht.
Nachdem er endlich das |“Necronomicon“| – das verbotene Buch des Abdul Al Hazred – in einer staubigen kleinen Buchhandlung erstanden hat, muss Williams leider feststellen, dass er mit der Übersetzung des altertümlichen Lateins seine Sorgen hat. Kurzerhand eilt er über den Flur, um mit Hilfe des Nachbarn – eines zurückgezogen lebenden, alten Sonderlings – die Geheimnisse seines neuen Besitzes zu ergründen. Lord Northam ist dem Wahnsinn nahe, als der junge Williams ihm das |“Necronomicon“| präsentiert und rät dem jungen Besucher dringend vom Studium dieses unheiligen Buches ab. Auf dessen Drängen hin erzählt der Alte dann aber doch von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Buch und berichtet auch von den Schrecken, die ihn seither heimsuchen …
|“Warum Abdul Al Hazred dem Wahnsinn verfiel“ – D. R. Smith (1950)|
Übersetzt von Alexander Amberg
Das |“Necronomicon“| des wahnsinnigen Arabers Abdul Al Hazred, der im 7. Jahrhundert n. Chr. lebte, ist so sehr in die Horror- und Fantasyliteratur eingegangen wie kein anderes Buch. Lovecraft verweist in seinen Geschichten selbst darauf und nimmt es als Beleg für Beschwörungsformeln und Rituale.
Den Quellen zufolge soll |Al Hazred| um 700 in Sanaa im Jemen geboren worden sein. Nach einer langen Reise durch die innerarabische Wüste ließ er sich in Damaskus nieder und schrieb sein Buch |“Kitab Al’Azif“ (Vom Heulen der Wüstendämonen)|, welches später als das „Necronomicon“ bekannt wurde. Dieses Buch enthält Informationen über die Älteren Wesen – z. B. die |Großen Alten| – und ihre Zivilisation zur Zeit der Entstehung der Erde. Es ist voller verschlüsselter Andeutungen und Doppeldeutigkeiten, zwischen denen geschickt verschiedene magische Anweisungen verborgen sind. Der Legende zufolge wurde |Al Hazred| kurze Zeit nach Vollendung des Buches im Jahre 738 auf einer Straße in Damaskus von einem unsichtbaren Ungeheuer verschlungen.
Tatsächlich handelt es sich bei dem „Necronomicon“ um ein Werk aus der Feder H. P. Lovecrafts selbst. In seinen Erzählungen verweist er immer wieder auf unterschiedliche Bücher, um den Geschichten eine glaubwürdige Note zu verleihen. Manche dieser Bücher existieren wirklich, andere finden in Legenden Erwähnung und einige – wie eben auch das |Necronomicon| – wurden von ihm selbst erdacht.
_D. R. Smith_ (nicht zu verwechseln mit Clark Ashton Smith) – über den ich leider nichts in Erfahrung bringen konnte – erzählt hier vom römischen Feldherrn Marcus Antonius, der sich mit seinen Soldaten in den Alpen verirrt. Der Geschichte zufolge sind diese Geschehnisse im letzten Kapitel des „Necronomicon“ niedergeschrieben.
In einem Bergtal entdeckt die kleine Armee neben einem Bach den Eingang zu einer finsteren Höhle, aus der der Pesthauch des Todes hervorströmt. Neugierig begibt sich Marcus Antonius in die Höhle, um ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen – kurz darauf ertönt Kampflärm aus der dunklen Öffnung …
|“Dagon“ – H. P. Lovecraft (1917)|
Übersetzt von Andreas Diesel
In seiner autobiographischen Schrift „Einige Anmerkungen zu einer Null“ (aus dem Jahr 1933) äußert sich H. P. Lovecraft über unheimliche Literatur: |“Ich bin der Ansicht, daß die unheimliche Literatur ein ernst zu nehmendes Genre darstellt, das der besten literarischen Künstler wert ist, obwohl sie zumeist ein ziemlich eng begrenztes Gebiet ist, das nur einen kleinen Ausschnitt der unendlich vielfältigen Gemütsverfassungen des Menschen spiegelt. Gespenstergeschichten sollen realistisch und stimmungsvoll sein – sie sollen ihre Abweichung von der Natur auf die eine ausgewählte übernatürliche Bahn beschränken und nie aus dem Auge verlieren, daß Szenenschilderung, Stimmung und Naturerscheinung bei der Vermittlung des zu Vermittelnden weit wesentlicher sind als Charaktere und Handlung. Die ‚Wucht‘ einer wahrhaft unheimlichen Geschichte ist einfach die Aufhebung oder Überschreitung eines unumstößlichen kosmischen Gesetzes – eine phantasievolle Flucht aus der erdrückenden Wirklichkeit. Denn Naturerscheinungen, nicht aber Personen sind ihre logischen ‚Helden‘. Das Grauen sollte originell sein – der Rückgriff auf alltägliche Mythen und Legenden mindert nur seine Wirkung.“|
Getreu diesem Credo schrieb Lovecraft sechzehn Jahre zuvor eine Geschichte, die wohl als die erste des |Cthulhu-Mythos| gelten muss.
|“Ich schreibe dies unter beträchtlicher geistiger Anspannung, (…) Wenn Du diese hastig hingekritzelten Seiten gelesen hast, magst Du zwar erahnen, aber nie gänzlich begreifen, warum ich das Vergessen oder den Tod suche.“| Dann schildert der Erzähler, was er als junger Seemann im ersten Weltkrieg erfahren musste. Er war der Gefangenschaft auf einem deutschen Kriegsschiff entkommen und irrte in einem kleinen Rettungsboot über den Pazifik. Als er eines Morgens erwachte, fand er sich mitsamt seinem Boot auf einem Eiland wieder – von den brausenden Wogen des Meeres war jedoch nichts mehr zu sehen oder zu hören. Die Ebene war von einem schwarzen, fauligen Morast überzogen, in den der junge Mann halb eingesunken war. Er verbrachte den Tag und die folgende Nacht in seinem Boot und bemerkte, dass die Hitze der Sonne den Boden so weit ausgetrocknet hatte, dass er sich auf eine Erkundungstour über dieses unheilvolle Eiland begeben konnte. Die Schrecken, die ihm nach einem mehrtägigen Weg über diese ungastliche Insel begegneten, trieben ihn in den Wahnsinn …
|“Ein Portrait Torquemadas“ – Christian von Aster (2002)|
Der deutsche Schriftsteller _[Christian von Aster]http://www.vonaster.de _betätigt sich in vielen Bereichen der Literatur. Zudem bereicherte er in der Vergangenheit einige Anthologien mit seinen Werken, darunter |“Yamasai – des Fürchterlichen fürchterlichstes Kind“| in „Die Saat des Cthulhu“ und |“Ein Portrait Torquemadas“| in „Der Cthulhu-Mythos 1973 – 2002“.
Von Asters Geschichte versetzt den |Cthulhu|-Mythos in die Gegenwart und bereichert ihn um einige zeitgenössische Verschwörungstheorien. Seine Erzählung erreichte bei einem |Cthulhu|-Schreibwettbewerb den ersten Platz.
Der Dominikanermönch Cajetanus sitzt am Krankenbett des Kunsthistorikers Felix Ney und blättert in dessen Aufzeichnungen. Dem Vatikan, in dessen Auftrag Cajetanus unterwegs ist, liegt nichts ferner, als dass diese Schriften an die Öffentlichkeit gelangen. Ney war offensichtlich bereits dem Wahnsinn verfallen, als er in der münchener Pinakothek ein Bild des florentinischen Malers Delcandini zerstörte.
Während der Dominikanermönch die Unterlagen durchsieht, kommt er einer Verschwörung auf die Spur, die seinen Glauben in den Grundfesten erschüttert …
_Über die Hörbuchproduktion_
Nachdem die Buchreihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ (erschienen im |Festa|-Verlag) geradezu Kultstatus erlangt hat, war es abzusehen, dass die Werke des |Großmeisters der Angst| und die seiner getreuen Nachfolger als Ohrenschmaus mit Gänsehautgarantie aufbereitet werden. Für die gelungene Umsetzung zeichnen sich neben Lars Peter Lueg, dem Produzenten und Verlagsleiter von |LPL records|, die Regisseure Sven Hasper (die deutsche Stimme von Michael J. Fox und Christian Slater) und Oliver Rohrbeck (bekannt als |Justus Jonas| von den „drei ???“) verantwortlich. Die beiden waren u. a. auch für die deutsche Fassung der Filme „Sleepy Hollow“ und „The Game“ zuständig.
Frank Festa legte bereits bei seiner Buchreihe großen Wert darauf, die ungekürzte Fassung der Erzählungen in neuer Übersetzung zu veröffentlichen, wovon nun auch die Hörbücher der gleichnamigen Reihe profitieren.
Die Rolle des Erzählers übernimmt kein Geringerer als Joachim Kerzel – einer der besten Sprecher Deutschlands. Auf unnachahmliche Weise gelingt es ihm, die grauenerregende Atmosphäre der Geschichten einzufangen und dem geneigten Hörer einen eisigen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Das Grauen und der Wahnsinn nehmen beinahe eine leibhaftige Gestalt an.
Der Schauspieler Joachim Kerzel (* 1941 in Oberschlesien) ist heute überwiegend als Synchronsprecher und -regisseur tätig. Neben Jack Nicholson lieh er sein Stimme u. a. auch Robert DeNiro und Sir Anthony Hopkins. Die zahlreichen Bestseller-Lesungen und die Rolle des Erzählers in diversen Hörspielen und Hörbüchern brachten ihm einen rapide wachsenden Hörerkreis ein. Seine leidenschaftliche Arbeit an den Projekten ist Garant für eine |Gänsehaut für die Ohren|.
Durch dieses Hörbuch geleitet uns David Nathan, der mit einer ironisch distanzierten Stimme Howard Phillips Lovecraft seinem Grab entsteigen und wieder zum Leben erwachen lässt. Zwischen den einzelnen Erzählungen weiß er einige interessante Details über Lovecrafts Leben und die Geschichten zu berichten. Die Texte stammen allesamt aus der Feder von Lovecraft-Verleger Frank Festa und fügen sich mit den Geschichten nahtlos zu einem Ganzen zusammen.
David Nathan (* 1971) arbeitet als Regisseur und Synchronsprecher. Er ist u. a. die Synchronstimme von Johnny Depp und |Spike| (aus der TV-Serie „Buffy“), doch auch aus Werbung und Computerspielen ist seine Stimme nicht mehr wegzudenken.
Die Einleitung spricht Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Gillian Anderson (aus „Akte X“).
Für die passende musikalische Untermalung sorgt Andy Matern (|Sonic Piracy|). Die eigens für dieses Hörbuch komponierte Musik besticht durch ihre düstere Atmosphäre und lässt die abendlichen Schatten zu den ungeahnten Schrecken heranwachsen, die sich nachts in unseren Albträumen erheben.
Zu guter Letzt beinhaltet die letzte CD auch noch eine vierzehnminütige Hörprobe aus dem zweiten Hörbuch dieser Reihe, „Der Schatten über Innsmouth“, die dem geneigten Hörer Lust auf mehr macht.
|Umfang: 275 Minuten auf 4 CDs|
_Abschlussbetrachtungen_
Den absoluten Tiefpunkt bildet sicherlich die Geschichte von D. R. Smith. Der Versuch, das Pantheon der |Großen Alten| bis ins Kleinste aufzuschlüsseln, wie auch die Frechheit zu behaupten, dass ein Mensch den Kampf mit einem von ihnen unbeschadet überstehen könnte, überzeugen genauso wenig wie die Art der Erzählung selbst. Meines Erachtens hätte diese Unflätigkeit auch gerne in der Versenkung verschwinden können – aber es ist ja glücklicherweise die kürzeste Erzählung.
Die Geschichten von Lin Carter, Robert E. Howard und Christian von Aster passen nicht nur inhaltlich in den |Cthulhu-Mythos|, sie beinhalten auch eine ähnlich düstere Atmosphäre und wurden sicherlich äußerst gut gewählt.
Lin Carters Vollendung dieses Fragments verkörpert durchaus den Geist von H. P. Lovecrafts Horrorgeschichten. Man könnte fast meinen, die beiden hätten zusammen an diesem Werk gearbeitet – aber eben nur fast.
Robert E. Howard nimmt sich – ähnlich wie Lovecraft – viel Zeit, um in die Begebenheiten einzuführen. Er beruft sich auf Quellen und Legenden, die er näher erläutert und glaubhaft vermittelt, bevor sein Erzähler eigene Erfahrungen macht, die ihn schier in den Wahnsinn treiben. „Der Schwarze Stein“ ist eine sehr gelungene und atmosphärische Geschichte, die Lovecraft sicher gefallen hat.
Christian von Asters Geschichte hat mir – sieht man einmal von den beiden Geschichten |des Meisters| ab – allerdings am besten gefallen, wenn auch am Schluss der unausweichliche Wahnsinn, dem Lovecrafts Erzähler zumeist sehr nahe sind, fehlt. Dennoch vermittelt die Geschichte in makelloser Form einige andere Aspekte von Lovecrafts Geschichten – den Fatalismus und die Erkenntnis, dass es kein Entkommen gibt. Dass von Aster sich in seiner Geschichte durchaus bei anderen großen Autoren bedient (ich sehe da z. B. einige Aspekte aus „Der Club Dumas“ von Arturo Perez-Reverte), stört dabei überhaupt nicht.
Mit „Der Cthulhu-Mythos“ war der Startschuss zu einer äußerst gelungenen und durch Wissen um den Autor angereicherten Hörbuchreihe gegeben. Es folgten [„Der Schatten über Innsmouth“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=424 sowie „Das Ding auf der Schwelle & Ratten im Gemäuer“. Leider ist Lovecrafts Lebenswerk nicht gerade umfangreich, doch es bietet noch genügend Erzählungen, um diese Reihe weiterzuführen. Vielen Dank an die Verantwortlichen!
1816 ereignete sich in der Villa Diodati am Genfer See ein Geschehen, das auch heute noch als literarische Anekdote in Vampiranthologien und Frankenstein-Nachwörtern regelmäßig Eingang findet. Damals nämlich verbrachte eine illustre Gesellschaft den verregneten Sommer in der Villa: Der englische Dichter Percy Shelley, seine spätere Frau Mary Wollstonecraft, deren Stiefschwester Claire (wohl die Einzige in der Runde ohne literarischen Nachruhm), der englische Dichter und Lebemann Lord Byron und dessen Leibarzt John William Polidori. Die Gruppe verbrachte einen angeregten Abend beim Lesen deutscher Gespenstergeschichten und aus einer Laune heraus schlug Byron vor, die Anwesenden sollten sich jeweils selbst an einer Geistergeschichte versuchen. Was aus Percy Shelleys Beitrag geworden ist, bleibt unbekannt. Mary Wollstonecraft jedoch begann ihre Arbeit am weltberühmten „Frankenstein“, Byron verfasste eine Fragment gebliebene Kurzgeschichte und Polidori, nicht nur Mediziner, sondern auch aspirierender Schriftsteller, trug sich mit einer Geschichte über eine Frau, der ein Totenkopf auf den Schultern sitzt.
Nun war die Beziehung zwischen dem exzentrischen Byron und seinem Leibarzt Polidori keineswegs eine harmonische. So kam es, dass Polidori bald aus Byrons Diensten entlassen wurde, doch die in der Villa Diodati geschriebenen Geistergeschichten ließen ihn scheinbar nicht in Ruhe. Er baute auf Byrons „Fragment“ auf und verfasste seine eigene Novelle: „The Vampyre, A Tale“ (dt. „Der Vampyr“). Sie erschien 1819 unter dem Namen Lord Byrons, der sofort die Urheberschaft bestritt. Doch der Siegeszug des „Vampyr“ war nicht mehr aufzuhalten, es folgten Übersetzungen, mehrere Auflagen und sogar Bühnenadaptionen. Mit „Der Vampyr“, so mittelmäßig die Novelle in ihrer literarischen Qualität auch sein mag, brach eine neue Ära für die Vampirliteratur an. Sicher, es hatte schon vorher Vampire in der Literatur gegeben (sogar große Namen wie Goethe waren sich nicht zu schade, sich mit den Untoten zu beschäftigen). Doch Polidoris Vampir, der aristokratische Lord Ruthven, war kein in Lumpen gehüllter Zombie mehr, der auf Friedhöfen lauerte. Stattdessen sucht er die Salons der Großstädte heim und macht sich an holde Jungfrauen heran, um sie ins Unglück zu stürzen. Er ist schön, blass, kaltherzig, reich, weltgewandt, grausam, aber auch charmant – das genaue Ebenbild Lord Byrons. Die Bedeutung von Polidoris Erfindung für spätere literarische Vampire lässt sich kaum unterschätzen, ist die Anziehungskraft des Byronschen Vampirs doch auch heute noch ungebrochen (man denke nur an Anne Rices Lestat oder Laurell K. Hamiltons Jean-Claude).
Mit „Der Vampyr“ hat |Ripper Records| in Zusammenarbeit mit |Lübbe Audio| nun ein liebevoll produziertes Hörspiel auf den Markt gebracht, das sich den Ereignissen am Genfer See widmet. Dass die beiden CDs den Titel von Polidoris Novelle tragen, zeigt gleich, wo die Sympathien von Frank Gustavus liegen, der für Buch und Regie zuständig war. Man folgt Polidoris Sicht der Dinge, wenn er am Totenbett einem namenlosen Journalisten seine Geschichte erzählt: Wie er von Byron angestellt wird und mit ihm auf den Kontinent reist. Wie er mit den anderen Schriftstellern in der Villa Diodati zusammentrifft und deren Spott über seine mittelmäßigen literarischen Werke ertragen muss. Wie er nur in Mary Shelley eine Freundin findet und schließlich den „Vampyr“ verfasst, nur um ihn unter Byrons Namen veröffentlicht zu sehen. Diese Katastrophe wird sich fatal auf sein Leben auswirken. Der Streit um die Urheberschaft ruiniert ihn, andere seiner Werke werden verrissen oder gar nicht erst verlegt. Desillusioniert nimmt er sich mit 26 das Leben, ohne je literarischen Ruhm erreicht zu haben. Ironischerweise hat sich sein im Hörspiel geäußerter Wunsch, seinen Namen einmal neben Byrons zu sehen, mittlerweile mehr als erfüllt. In Anthologien stehen die Erzählungen Byrons und Polidoris in der Regel nenebeneinander und literaturgeschichtlich markiert Polidoris Novelle die Geburt des modernen Vampirs.
Frank Gustavus verbindet gekonnt Teile der Erzählungen (man hört Auszüge aus Byrons „Fragment“, Polidoris „Der Vampyr“, Coleridges „Christabel“, aber auch Abschnitte aus Briefen und Tagebucheintragungen) mit überlieferten Tatsachen (so stimmt es tatsächlich, dass Shelley bei der Rezitation von „Christabel“ einen Nervenzusammenbruch erlitt) mit frei erfundenen Teilen (beispielsweise die Ausgangssituation des Hörspiels, in dem Polidori seine Geschichte einem Reporter erzählt). Sämtliche Sprecher erwecken ihre Charaktere überzeugend zum Leben, allen voran natürlich Andreas Fröhlich als Polidori und Joachim Tennstedt als Byron. Fröhlich, der seine Stimme auch schon Edward Norton lieh, lässt seinen Polidori zwischen dem jungen Naiven in der Gesellschaft von hochgebildeten Literaten und dem vom Leben enttäuschten und vollkommen desillusionierten Selbstmörder changieren. Joachim Tennstedt, der unter anderem auch John Malkovich synchronisiert, lässt Byron wie einen manischen Irren klingen und macht es dem Zuhörer damit leicht, diesen genialen, aber menschlich wohl unleidlichen Dichter leidenschaftlich zu hassen. Unterstützt werden beide von atmosphärischer Musik und überzeugenden Soundeffekten.
Wer die jeweiligen Erzählungen von Byron und Polidori kennt, der wird im Hörspiel von |Ripper Records| eine engagierte und lohnende Bearbeitung der Ereignisse um die Entstehung der Geschichten finden. Allen anderen wird „Der Vampyr“ garantiert Lust auf mehr machen: mehr Hörspiele, mehr Vampirgeschichten, vielleicht ein wenig „Frankenstein“. |Ripper Records| ist ein kleines Juwel mit hohem Unterhaltungswert gelungen, in dem eine bekannte Anekdote zu neuem Leben erweckt wird. Die Geschichte zieht den Hörer sofort in ihren Bann und man mag keine Sekunde von Polidoris Erzählung verpassen. Die Handlung ist spannend, unterhaltsam, gruselig, aber auch mit Witz aufgearbeitet worden, deswegen gibt es eine ganz klare Empfehlung: Kaufen, hören, genießen!
(p.s.: Falls nun jemand nach dem Hören auf die beiden Geschichten von Byron und Polidori neugierig geworden sein sollte, so kann demjenigen natürlich geholfen werden. Beide Erzählungen finden sich in einer hervorragenden Anthologie von Dieter Sturm und Klaus Völker, die sich bereits seit Jahrzehnten als Standardwerk behauptet: „Von denen Vampiren oder Menschensaugern“ enthält zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten, aber auch historische Dokumente. Im Dezember erscheinen übrigens bei |Ripper Records| die kompletten „Vampyr“-Erzählungen als Hörbuch, gelesen von A. Fröhlich und J. Tennstedt.)
John Trenton trauert: Vor einem Monat kam seine junge Gattin bei einem Autounfall ums Leben. Der Antiquitätenhändler bleibt allein zurück im Quaker Lane Cottage, gelegen auf der Halbinsel Granitehead des US Staats Massachusetts und muss psychologisch betreut werden. Er glaubt daher an eine Halluzination, als sich des Nachts etwas zu manifestieren beginnt, das man für den Geist seiner Ehefrau halten könnte. Allerdings stellte Trenton, dass Nachbarn und Freunde ihm dies ein wenig zu eifrig einreden wollen. Eigene Recherchen ergeben Merkwürdiges: Granitehead stand Ende des 17. Jahrhunderts im Brennpunkt der berüchtigten Hexenprozesse von Salem. Esau Haskett, ein ebenso reicher wie undurchsichtiger Reeder und Händler, der dem Satanismus anhing, konnte sich 1692 nach Granitehead in Sicherheit bringen.
Er kam nicht allein: An Bord der „David Dark“ wwar der aztekische Dämon Mictantecutli. Das Schiff erreichte seinen Hafen freilich nicht, sondern versank, und Haskett tilgte alle Spuren seiner Existenz. Seine Nachfahren folgten diesem Beispiel. Trotzdem ist es auf Granitehead seither nie geheuer gewesen. Graham Masterton – Der Ausgestossene weiterlesen →
David Williams steckt in der Krise. Die Gattin hat ihn Danny, den siebenjährigen Sohn, verlassen. Der Schock hat den einst erfolgreichen Innenausstatter aus der englischen Küstenstadt Brighton erst gelähmt und dann in den Ruin getrieben. Nun wird das Geld knapp. Da kommt dieses Angebot gerade recht: Bryan Tarrant besitzt auf der Kanalinsel Wight Fortyfoot House, ein stattliches Anwesen, das lange leer steht und daher instandgesetzt werden soll.
Dass Tarrant bestimmte Fakten vorenthalten hat, erfährt David erst, nachdem er und Danny im kleinen Ort Bonchurch auf der Isle of Wight eingetroffen sind. Hier weiß jeder Bescheid über Fortyfood House, das angeblich keineswegs leer steht, seit hier vor einem Jahrhundert der Zaubermeister Mr. Billings und seine böse Buhle, die Hexe Kezia Mason, ihr Schreckensregiment ausgeübt haben. Graham Masterton – Die Opferung weiterlesen →
Anno 1865 gerät in den USA eine junge Kriegerwitwe in eine mysteriöse Welt aus schwarzer Magie und Voodoo, die eine an Zauber reiche aber gar nicht zauberhafte ‚parallele‘ Geschichte widerspiegelt … – Die überaus präzise recherchierte US-Vergangenheit des 19. Jahrhunderts ist mehr als Kulisse für eine komplexe Handlung jenseits ausgetretener Phantastik-Pfade. Leider übertreibt es der Autor und verliert sich in esoterischem Schwurbel, bis dem zunehmend enttäuschten Leser der Kopf schwirrt. S. P. Somtow – Dunkle Engel weiterlesen →
Ein Einsiedler sieht sein Haus von dämonischen Schweinewesen belagert. Er bekämpft die Kreaturen und gerät dabei auf eine Reise durch Zeit und Raum … – Eigentümlicher Roman und ein Klassiker der angelsächsischen Phantastik; während die Handlungsführung fahrig ist, mischt sich stimmungsvoller Grusel mit reizvoll Rätselhaftem, wobei Metaphysik und Naturwissenschaft eine zumindest literarisch funktionierende Synthese eingehen. William Hope Hodgson – Das Haus an der Grenze weiterlesen →
Geist ist geil! Seit 2002 – Ständig neue Rezensionen, Bücher, Lese- und Hörtipps